Warum Rot-Blau die einzig logische Koalitionsvariante ist

Ideologisch völlig undenkbar! Das versichert die SPÖ seit Jahrzehnten. Auch ORF-Chefanalyst Peter Filzmaier ist felsenfest überzeugt, dass sich die Sozialdemokratie eher spaltet, bevor sie einem Freiheitlichen auch nur die Hand reicht. Doch tut sich mit dem heurigen Wahlergebnis für Rot und Blau die einmalige Gelegenheit auf, fünf Jahre lang das Steuergeld schwarzer Wähler ungeniert unter sich aufzuteilen. Als Juniorpartner neben Sebastian Kurz können Kern oder Strache nur verlieren, besonders, sollte er nächstes Jahr auch noch EU-Ratspräsident werden.

Natürlich hat Bundeskanzler Kern im Wahlkampf betont, dass nur die SPÖ Schwarz-Blau verhindern kann. Vermutlich hat das auch einen gröberen Absturz in der Wählergunst verhindert. Doch nun ist Machtpolitik am Zug. Was interessiert mich schon meine Meinung von gestern? Es ist aber nicht nur weltanschauliche Prinzipienflexibilität oder Sesselklebermentalität, die das große SPÖ-Dogma zu Fall bringen werden. Es ist eine Überlebensfrage für die ganze Partei.

Im Jahr 2000 konnte die SPÖ hoffen, im Windschatten der charismatischen Parteifreunde Schröder und Blair in ein neues sozialdemokratisches Zeitalter zu rutschen, das den bösen Neoliberalismus der 1980er Jahre über mehrere Legislaturperioden korrigieren darf. Elf von damals fünfzehn Regierungschefs in der EU gehörten der Sozialdemokratie an, unter ihrem Druck würde die Regierung Schüssel zusammenbrechen oder abgewählt. Wohl nur unter diesen Vorzeichen riskierte man den Schritt in die Opposition und hat es in der Folge bitter bereut.

Im Jahr 2017 haben Sozialdemokraten in ganz Europa keine echte Zukunftsvision, mit der sie ihre Wähler über einen längeren Zeitraum an sich binden können. Labour existiert in Großbritannien nur dank freundlicher Wiederbelebungsversuche der Torys. Die SPD in Deutschland verkennt die Zeichen der Zeit, de facto seit Helmut Schmidt in Pension geschickt wurde.

Genau genommen waren Schröder und Blair nicht visionäre Vordenker einer neuen wirtschaftspolitischen Ära wie einst die Erfinder des Wohlfahrtstaates. Sie waren nur zufällig da, als Kohl und Thatcher/Major nach fast zwanzig Jahren Dominanz die Luft ausgegangen ist. Aus diesen Ländern kann die SPÖ nichts erwarten.

Die demokratische Agenda in den USA ist im letzten Jahr besonders spektakulär abgewählt worden. Frankreich könnte eine Hoffnung sein, aber Macron baut gerade zehntausende Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst ab und schafft die Vermögenssteuer ab, da schauen wir besser gar nicht erst hin. Die Genossen in den anderen Ländern Europas sind entweder in Paralyse oder an der Schwelle zum Post-Kommunismus; von unseren Medien zwar groß umjubelt, im hoffnungslos Rechts-der-Mitte-Österreich aber nicht mehrheitsfähig. Soviel kapieren sicher auch die SPÖ-Strategen. Die SPÖ hat ihren Wählern außer klassischer Klientelpolitik nichts anzubieten. Außerdem, wenn die Blauen schon in der Regierung sind, besser unter einem roten als einem schwarzen Kanzler.

Den Freiheitlichen stehen bei ihrem bevorstehenden Wechsel von der Opposition vor den üblichen Konflikten, die die Realitäten der Regierungsbank so mit sich bringen. Sie müssten aber diesmal bei einem Regierungspartner Kern eben nicht befürchten, dass ihnen ein gestaltungswilliger Kanzler gegenübersitzt, der die ganze Republik im Eilzugstempo an allen Ecken und Enden reformiert und den Regierungspartner völlig überfordert.

Die FPÖ hat sicher aus dieser Erfahrung gelernt. Man wird beim Kernthema Zuwanderung hart bleiben. Die SPÖ wird zähneknirschend mitgehen und sich insgeheim ins Fäustchen lachen, weil eine lasche Ausländerpolitik immer den Rechten hilft, und sollte sich da nichts ändern, langfristig die Wählerbasis geben wird, die die Freiheitlichen endgültig und unangefochten zur Nummer 1 machen würde.

Damit ist der größte Stolperstein aus der Welt geschaffen. Und die Sozialdemokratie und die soziale Heimatpartei können gemeinsam endlich die Vermögensumverteilung durchziehen, die ÖVP und Maastricht-Kriterien dreißig Jahre verhindert haben: ausufernde Staatsverschuldung zur Bedienung der eigenen Klientel.

Elisabeth Hennefeld ist ein liberal-konservativer Geist an der Universität Wien (unter Artenschutz).

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung