Im roten Sumpf

Widerlich. So lässt sich am besten beschreiben, wie die SPÖ derzeit agiert. Mit Christian Kern an der Spitze der Sozialdemokraten hat die politische Kultur in Österreich einen absoluten Tiefpunkt erreicht. Das ohnehin schon unterirdische Niveau wird von der Partei-Spitze fast täglich aufs Neue unterboten. Da mimt der Kanzler in seinem jüngsten Video den seriösen Staatsmann und setzt doch nur die rote Schmutzkübelkampagne mit anderen Mitteln fort, indem er sich erneut als Opfer und die anderen Parteien als die wahren Übeltäter darzustellen versucht. Manche Entlastungs- und Gegenangriffe kippen angesichts der Panik wegen des drohenden Macht- und Bedeutungsverlustes allerdings zunehmend ins Skurrile beziehungsweise Peinliche.

Die Angst, von den Schalthebeln der Macht und den mit Steuergeld gefüllten Futtertrögen vertrieben zu werden, lassen bei einigen verunsicherten Genossen offenbar alle Sicherungen durchbrennen. Man schlägt wie ein Ertrinkender um sich. Mittlerweile ist die rote Chaostruppe auch in den Fokus der internationalen Presse geraten. Le Monde, nicht gerade ein rechtes Hetzblatt, beschreibt Kern als "Totengräber seiner politischen Familie".  

Stimmt, die SPÖ zerstört in ihrem politischen Überlebenskampf allerdings nicht nur sich selbst, sie beschädigt auch den Staat, seine Institutionen und das demokratisch System. Vor seinem unvermeidlichen Abgang verwüstet Kern noch die heimische politische Landschaft nachhaltig. Das Einzige was zählt: Irgendwie an der Macht zu bleiben. Dafür sind praktisch alle Mittel recht.

Österreich scheint in die Hände eines skrupellosen Polit-Clans gefallen zu sein. Es geht nicht darum, Politik für Österreich zu machen, sich für das Land einzusetzen, es geht nur noch darum zu verhindern, dass das dicht gewebte rote Netzwerk, von dem so viele profitieren, nicht zerreißt. Da man seit 1970 den Kanzler stellt (mit Ausnahme der für die SPÖ so traumatischen Schüssel-Jahre) glaubt man wohl, ein Anrecht darauf zu haben.

Das Dirty Campaigning der SPÖ scheint nach dem Ausscheiden Silbersteins erst richtig begonnen zu haben. Alles oder nichts scheint die Devise. Seltsam auch, dass die anständigen und braven Sozialdemokraten diesem Treiben taten- und mehr oder weniger wortlos zusehen. Sie müssten dem, nicht nur im eigenen, sondern auch im Interesse des ganzen Landes endlich einen Riegel vorschieben und diese Clique stoppen, bevor das Schadensausmaß noch größer wird.

Dass die aktuelle SPÖ-Führung Österreich in ein schiefes Licht rückt und das politische System beschädigt, scheint auch dem Bundespräsidenten egal zu sein. Van der Bellen wird aus seinem politischen Koma erst erwachen, wenn es seine roten Freunde nicht mehr in eine Regierung schaffen sollten. Erst dann wird er sich um die Reputation unseres Landes "sorgen". Bis dahin wird er die negative Presse über die politische (Un)Kultur in Österreich und die SPÖ in der Hofburg einfach aussitzen.

Die politischen und moralischen Bedenkenträger, die bei jedem Rülpser eines blauen Gemeinderates aus Hintertupfing um unsere Demokratie bangen, schauen nun zu, wie sich die roten Wahlkämpfer und deren Politsöldner mit immer absurder werdenden Entlastungsangriffen, selbst gestrickten Verschwörungstheorien, Drohungen und weinerlichen Auftritten versuchen, aus der Affäre zu ziehen und die ÖVP weiter anpatzen. Wer bis zum Hals im Dreck steckt, kann nur noch mit Dreck um sich werfen, damit auch die anderen möglichst schmutzig aussehen.  

Die Taktik scheint bis zu einem gewissen Grad zu funktionieren. Mittlerweile sind auch Kurz und die Volkspartei einigermaßen angepatzt. Die Genossen verstehen ihr Handwerk. Auch der ORF hält noch immer seine schützende Hand über Kern und berichtet äußerst wohlwollend. Man hat sich bereits zu sehr aus dem Fenster gelehnt. Auch für den Staatsfunk gilt nun, alles auf die Karte Kern zu setzen. Ein Zurück gibt es nicht mehr, mit ÖVP und FPÖ wird man sich wohl nicht mehr arrangieren können.

Die SPÖ-Strategie ist simpel: Man versucht sich, trotz aller am Tisch liegenden Fakten, als Opfer einer von langer Hand geplanten Intrige zu inszenieren und Sebastian Kurz, gegen den Kern in einem direkten politischen Duell ohnehin keine Chance hat, als den finsteren Strippenzieher im Hintergrund darzustellen. Beim nächsten Mimimimi-Video tragen Matznetter und Kern vielleicht schon Alu-Hüte.

Wir sind die wahren Opfer, so das SPÖ-Mantra. Das ist angesichts der Vorgeschichte (wer hat Silberstein geholt und bezahlt?) eine riskante Strategie, die bestenfalls bei Menschen verfängt, die ohnehin schon immer rot gewählt haben und sich ausschließlich via ORF informieren. Außerhalb der heimischen Geriatriezentren dürften das nicht mehr allzu viele Menschen sein.

Ebenfalls Teil des SPÖ-Plans: Ein so lautes mediales Getöse veranstalten, soviel Verwirrung stiften und so viel Pulverdampf produzieren, dass sich am Ende kaum noch jemand auskennt und der an Politik nur mäßig interessierte Wähler meint: De hom eh olle Dreck am Steckn.

Bei all dem geht man wie ein gewöhnlicher Krimineller vor: Alles abstreiten, immer nur zugeben, was ohnehin schon bekannt ist, ansonsten ablenken, den Gegner anpatzen und Flucht nach vorne antreten.

Dabei stellt sich die Frage, wie es überhaupt so weit kommen konnte? Wie konnten windige Politdesperados überhaupt an die Spitze des Wahlkampfteams einer altehrwürdigen Partei gelangen und warum hat man sie einfach schalten und walten lassen, bzw. lässt sie das noch immer. Und wo ist der Aufschrei der Partei-Basis?

Es ist wohl die Kombination aus zwei Faktoren.

Faktor 1: Nach Jahrzehnten an der Macht war und ist sich die SPÖ sehr sicher, mit solchen Methoden durchzukommen. Schließlich hat man überall seine Leute, seine Freunderln und Günstlinge sitzen: in den Medien, Ämtern, der Justiz, den NGOs, den Bildungseinrichtungen oder im Kulturbetrieb, der sich gerade auffällig ruhig verhält. Es ist noch nicht lange her, da wurde Kern von dieser mit Steuergeldern finanzierten Blase als der neue Polit-Messias gefeiert. Filmemacher David Schalko bezeichnete Kern gar als brillanten Mann, der alles richtig macht.

Dank des tiefen roten Staates hat die SPÖ schon viele Krisen mit nur kleinen Blessuren überstanden, die für jede andere Partei tödlich gewesen wären. In Wien funktioniert dieses System noch immer ganz gut, hier wird nach wie vor viel Steuergeld durch diese weitverzweigten Netzwerke gepumpt. Wer so viel Macht hat und sich so ein großes Heer an Abhängigen geschaffen hat, wird unvorsichtig.

Faktor 2: Die Angst, eben diese Macht zu verlieren, weil man in den vergangenen Jahren zu viele und zu schwere politische Fehler gemacht hat, zu unverschämt geworden ist, sich immer weiter von den Bürgern entfernt hat und in Folge immer mehr Wähler der SPÖ den Rücken gekehrt haben.

Der Anfang vom Ende war und ist die linke Politik der offenen Grenzen und des Sozialstaates für alle, die es irgendwie nach Österreich schaffen. Damit hat man nicht nur dem Land, sondern auch der eigenen Partei massiv geschadet. Der so geschwächten Sozialdemokratie dürfte Kern nun den endgültigen Todesstoß versetzen. Dazu braucht es keine finstere Verschwörung, keine "Betriebsspionage", dass schafft die SPÖ von ganz alleine.

Wer Angst hat, macht bekanntlich Fehler. Dazu kommt, dass die FPÖ bisher der größte Konkurrent der SPÖ war. Im Kampf gegen die Freiheitlichen verstand es die SPÖ stets geschickt, die Medien, die Kirchen, die "Zivilgesellschaft" und den Kulturbetrieb für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Bei der Abwehr der angeblich so bösen Blauen machten stets alle "Guten" des Landes geschlossen mit, die SPÖ brauchte sich nur zurückzulehnen und die Stimmen einzusammeln, die ihr so unverdient zufielen.

Angesichts von Sebastian Kurz als schärfstem Konkurrenten und angesichts der Folgen der unkontrollierten Masseneinwanderung funktioniert die altbewährte Haltet-die-Nazis-Strategie der SPÖ nicht mehr. Dass in diesem Wahlkampf plötzlich einige Medien ihren jahrzehntelangen SPÖ-Kuschelkurs verlassen würden und nicht die FPÖ, sondern die SPÖ im Zentrum der Kritik steht, damit hat man offenbar nicht gerechnet. Bisher konnte sich die Sozialdemokraten immer auf die überwiegend linken Medien verlassen. Jeder Wahlkampf der vergangenen Jahrzehnte lief nach demselben Muster ab: Praktisch alle Medien haben sich auf die FPÖ eingeschossen und mehr oder weniger direkt SPÖ und Grüne unterstützt.

Es ist eine völlig neue Erfahrung für die SPÖ, plötzlich selbst medialen Gegenwind zu spüren. Selbst dezidiert linke Blätter sind vom Kern-Kurs mittlerweile angewidert. Wer über Jahrzehnte von den Medien hofiert wird, kann mit einer solchen Situation nur schwer umgehen, ist völlig überfordert.  

Die SPÖ schätzt Situationen immer öfter falsch ein, manche ihrer Aktionen sind völlig Gaga, etwa wenn sich ausgerechnet der SPÖ-Kanzler von einem Medien- und Machtkartell verfolgt fühlt, wenn man aus der ÖVP einen Spionagering machen möchte oder wenn man den Rücktritt von Sebastian Kurz fordert. Das ist für jeden Österreicher, der SPÖ buchstabieren kann, nur noch lachhaft. Die Partei, die einen internationalen Dirty-Campaigning-Star für über eine halbe Million Euro (nach derzeitigem Erkenntnisstand) engagiert hat, versucht sich nun als Opfer einer "Intrige" darzustellen. Kerns Ehefrau erzählt holprig eine rührselige Geschichte, die sich anhört, als hätte sie ein Rudi Fußi zwischen Tür und Angel hingeschmiert.

Kerns Familie war von Anfang an Teil der politischen Inszenierung. Deshalb ist es auch völlig abstrus, wenn der Kanzler nun versucht, seine Angehörigen als arme, unschuldige Opfer medialer und politischer Hetze darzustellen. Es war Kern, der seine Familie vor den Vorhang geholt hat, es war sein Sohn, der Sebastian Kurz mit dem Massenmörder und angeblichen Kannibalen Idi Amin verglichen hat. Dass sich Medien für die Geschäfte seiner Frau interessieren, ist in einem Land, in dem Pressefreiheit herrscht, völlig normal. Wenn Kern damit Probleme hat, sagt das viel über sein Demokratieverständnis und wenig über die entsprechenden Medien aus. Aber in der Opferrolle fühlt sich Kern pudelwohl, auch wenn das mit dem Macher-Image, das er so gerne hätte, nicht kompatibel ist.  

Schuld sind nach klassischer linker Tradition ohnehin immer die anderen. Dazu zählt auch der Versuch, jene anonyme antisemitische Hetzseite auf Facebook, mit der man sowohl ÖVP als auch FPÖ schaden wollte, mit konservativen und kritischen Internetmedien wie unzensuriert.at oder fass-ohne-boden.at gleichzusetzen.

Völlig abstrus ist auch die Einsetzung der Matznetter-Task-Force. Die SPÖ untersucht ihre eigenen Schweinerein. Sehr glaubwürdig. Nach mehreren Tagen präsentiert der unerschrockene interne Ermittler Inspektor Matznetter der Öffentlichkeit einige irrelevante Kaszettln. Darunter einen nicht unterzeichneter Vertrag, eine Rechnungsaufstellung (mit peinlichem Rechenfehler) und Rechnungen der Silbersteinfirma mit Rechnungsnummern, die erneut Fragen aufwerfen. Um dieses Material zu präsentieren, hat die Task-Force übrigens mehrere Tage benötigt.

Neben dem Slim-Fit-Kanzler, der den Macher und das Opfer spielt, scheint Matznetter für den humoristischen Part in dieser Polit-Inszenierung zuständig zu sein. Im Gegensatz zu seinem Chef ist er darin wirklich gut. Das hat er mit den Rücktrittsforderungen an Sebastian Kurz und seinem Spionage-Geschwurbel unterstrichen.

Die Absicht hinter all diesen Schachzügen ist klar, aber die SPÖ-Spitze hat mit dieser Groteske jede Glaubwürdigkeit verspielt, mit so einer Partei ist kein Staat zu machen, auch wenn man nach der Wahl Kern in die Wüste schickt. So eine Partei darf keine Regierungsverantwortung übernehmen. Noch dazu, wo sich die Sozialdemokraten seit Jahren als moralische Instanz, als verlässliche Kraft und als Partei für Gerechtigkeit inszenieren. Das war zwar auch schon bisher wenig glaubwürdig, nun sind auch die letzten Spurenelemente von Seriosität vernichtet worden.

Das Dirty-Campaigning geht trotz allem munter weiter. Silberstein versichert den Medien treuherzig, Kern habe von all dem nicht gewusst (und der ORF bläst das triumphierend raus) und Herr Puller versucht weiterhin, die ÖVP anzupatzen … Was kommt als nächstes? Egal. Hoffentlich geben die Österreicher am 15. Oktober die richtige Antwort und setzen dieser Schmierenkomödie endlich ein Ende.

 Werner Reichel ist Journalist und Autor aus Wien. Zuletzt von ihm erschienen: "Infantilismus – Der Nanny-Staat und seine Kinder" (Wien 2016).

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