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Ein Dogma wird entsorgt

Europa hat es noch gar nicht wirklich begriffen, dass eines der zentralen Dogmen der politmedialen Klasse binnen kurzem in sich zusammengebrochen ist. Eine europaweit als "rechtspopulistisch" eingeordnete Partei wird von allen anderen Parteien im Lande – ausgerechnet mit Ausnahme der völlig dezimierten und aus dem Parlament gewählten Grünen – als regierungsfähig eingestuft und hat beste Aussichten, Teil der nächsten Regierung zu sein. Wenn sie nur wirklich will.

Was für ein Unterschied zur Behandlung für Geert Wilders, Marine Le Pen oder auch die AfD! Dieser Unterschied hängt freilich auch damit zusammen, dass die Freiheitliche Partei Österreichs sich in mehrfacher Hinsicht anders, nämlich gemäßigter positioniert hat. Nur dadurch schaffte sie die derzeit europaweit Spitze bedeutenden 26 Prozent (wobei sie allerdings 1999 schon einmal 27 Prozent erzielt hat, die dann aber als Folge einer Regierungsbeteiligung steil zurückgingen).

Tatsache ist: Die FPÖ

  1. gibt sich heute betont staatsmännisch,
  2. verzichtet seit langem auf alle Aussagen in Richtung EU-Austritt,
  3. schließt jeden aus, der antisemitische oder neonazistische Töne äußert,
  4. hat schon seit längerem alles deutschnationale Gedankengut abgestoßen und schwingt ständig demonstrativ rot-weiß-rote Fahnen,
  5. hat aber früher auch schon zweimal der SPÖ zum Bundeskanzler verholfen und dabei einmal auch selbst die Minister gestellt (worauf dann aber wieder 30 Jahre Bann und Stigmatisierung durch die SPÖ gefolgt sind, was eben erst jetzt irgendwie und verwaschen wieder beendet worden ist),
  6. wird schon seit Jahrzehnten von der Volkspartei nicht mehr als unberührbarer Paria, sondern als möglicher Regierungspartner angesehen (was auch sieben Jahre zur Koalition geführt hat)
  7. und hat durch 30-jährigen Aufstieg und 10-jährige personelle Stabilität vermitteln können, dass da kein neuer Hitler oder sonst etwas Furchtbares droht, sondern "nur" eine neue Konkurrenz zu Schwarz und Rot, mit allen Stärken und Schwächen einer normalen Partei.

In dieser Positionierung der FPÖ finden sich viele Elemente, von denen andere "rechtspopulistische" Parteien lernen könnten. Denn gleichzeitig ist die FPÖ sehr konsequent in ihrer Kritik an Islamisierung, Massenmigration und Fehlentwicklungen der EU geblieben, hat also rechts keine Flanke geöffnet.

Kurz: Das Totenglöckchen für Merkel

Das alles ändert freilich nichts daran, dass der große Wahlsieger in Österreich nicht die FPÖ ist, sondern Sebastian Kurz. Kurz hat seine runderneuerte ÖVP triumphal an die Spitze geführt. Zwei Faktoren waren dabei entscheidend:

  • Die Persönlichkeit Kurz. Der Mann hat trotz seiner 31 Jahre Routine und charismatische Ausstrahlung. Er wirkt persönlich höflich-bescheiden und doch absolut standfest-selbstsicher. Er hat sich in einem unglaublichen Coup die ÖVP zu einem derzeit willenlos gefügigen Werkzeug gemacht, ist dadurch weit stärker als alle seine Vorgänger.
  • Die Konzentration auf "Stopp der illegalen Migration und Stopp dem politischen Islam". Damit hat sich Kurz ins Herz der zentralen Sorge der Österreicher platziert. Er hat sich im Gegensatz zu seinen Vorgängern dabei nicht gescheut, vielfach deckungsgleich mit den Freiheitlichen zu werden. Und er hat nicht nur geredet, sondern auch gehandelt, was immer überzeugend ist: Er war vor allem Hauptregisseur der Sperre der Balkanroute, indem er die Unterstützung Mazedoniens bei der Abriegelung der griechischen Grenze organisiert hat.

Es gibt freilich jemanden in der gemeinsamen EU-Fraktion der "Europäischen Volkspartei", der mit diesem Triumph trotz Parteifreundschaft gar keine Freude hat. Der sitzt in Berlin und heißt Angela Merkel. Kurz ist Merkel mehrfach kritisch entgegengetreten. Das war in der ÖVP bis dahin total verpönt. Merkel-Kritik hat in der ÖVP noch vor kurzem sogar zum Fraktionsausschluss eines Abgeordneten geführt.

Kurz gab Merkel jedoch Kontra:

  • bei der von Merkel (auf Wunsch Griechenlands) abgelehnten Balkansperre,
  • bei seiner ständigen Kritik an Beitrittsverhandlungen mit der Türkei,
  • bei seinem Verlangen, die Mittelmeerroute zu schließen,
  • bei seiner Kritik am dortigen "NGO-Wahnsinn",
  • durch Kritik an EU-Zentralismus und Überregulierung
  • und durch seine offenen Sympathieäußerungen für Viktor Orban.

Dieser Kurz-Triumph ist mit absoluter Sicherheit nun Treibsatz für alle jene in der CDU, die Merkel ins Altenteil schicken wollen, die eine Regeneration der Union nur in einer konsequenten Anti-Migrationspolitik möglich sehen. Dementsprechende Begeisterung löst Kurz bei der ganzen CSU aus, dementsprechend ist der derzeit aussichtsreichste Merkel-Kritiker, Finanzstaatssekretär Spahn, sogar zur Kurz-Jubel-Feier nach Wien gereist.

Der Stein, das da in Wien ins Wasser geworfen worden ist, schlägt mit Sicherheit europaweit hohe Wellen – zumindest wenn es wirklich zu der vielfach favorisierten schwarz-blauen Koalition kommen sollte. Und mit Sicherheit wird es dann dennoch nicht mehr zu einer Wiederholung der hysterischen Reaktionen des Jahres 2000 kommen, als es zum ersten Mal in Wien (anfangs im Übrigen sehr erfolgreich) geheißen hat: Schwarz-Blau.

Dieser Text erschien zum Teil in ähnlicher Form in der deutschen Wochenzeitung "Junge Freiheit" https://jungefreiheit.de/.

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