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Christoph Chorherr droht, klagt, fühlt sich unschuldig verfolgt. Aber er begreift nicht. Dabei steht sein Verhalten geradezu paradigmatisch für den steilen Sturz der Grünen, an deren Spitze er einst gestanden ist, in den politischen und moralischen Abgrund.
Was ist Chorherr vorzuwerfen? Er ist neben der formalen Spitzenfrau Vassilakou immer wieder als der politische Hauptunterstützer des Hochhausbaues neben dem Konzerthaus auf der grünen Seite aufgetreten.
Bisher schienen die Motive Chorherrs für sein Engagement beim schlimmsten Anschlag auf das Wiener Stadtbild seit Errichtung des AKH und des Ringturms irgendwie rätselhaft. Denn der Bau von Luxuswohnungen in einem der schönsten Viertel der Wiener Innenstadt hat ja überhaupt keinen Bezug zur ökologischen und sozialen Rhetorik, auf der die Grünen ihre eigene Existenz aufgebaut haben. Und für Kultur und Stadtästhetik – zumindest ein Randthema der früheren grünen Rhetorik – ist das Ganze überhaupt ein Mega-Affront. War Chorherr einfach von der Lust überwältigt worden, nach frustrierenden Jahrzehnten in der Opposition endlich selbst irgendwas irgendwo mitgestalten zu können?
Bisher hatte ich angenommen, der eigentliche Pate des Hochhaus-Projekts wäre die SPÖ – aus Gründen, die jeder gelernte Wiener ahnt. Und die Grünen haben nur zugestimmt, um ihre Posten in der Rathauskoalition behalten zu können. Und auch nur deshalb eine unerwartet ausgegangene Urabstimmung unter den eigenen Parteimitgliedern brutal ignoriert, ja letztlich sogar die Parteispaltung hingenommen.
Jetzt aber muss ich erstmals Zweifel an dieser Version haben. Denn jetzt sind satte Spenden aus der Immobilienbranche bekannt geworden – mit etlichen Querbezügen auch zu den Hochhausbetreibern, die sich dort ja einen riesigen Gewinn erwarten können. Die Spenden gingen an einen Verein, den Chorherr in der edlen Absicht gegründet hat, Schulen für arme Schwarze in Südafrika zu betreiben. Warum auch immer Südafrika – gibt es doch weit ärmere Länder auf dem Kontinent. Aber lassen wir diesen Aspekt außer Betracht.
Chorherr beruft sich nun darauf, dass es kein Beweisstück gibt, welches einen Zusammenhang zwischen diesen Spenden und der Genehmigung des Hochausbaues zeigen würde. Und dass er selbst für seine Tätigkeit beim südafrikanischen Schulverein kein Gehalt bezöge, lediglich die Spesen für seine Reisen nach Südafrika ersetzt bekäme. Aber lassen wir außer Betracht, dass manch andere Betreiber der vielen Tausenden humanitären Projekte in der Dritten Welt sich auch die Reisen selber zahlen.
Wesentlich ist etwas ganz anderes, weshalb diese Konstruktion auch ohne einen solchen Zusammenhang zum Himmel stinkt. Denn außer Chorherr glaubt kein Mensch, dass Immobilien- und Finanzinvestoren, die sonst absolut nicht für humanitäres Engagement bekannt sind, aus reinem Edelmut ausgerechnet für ein Schulprojekt in Afrika beträchtliche Summen spenden.
Solche Spender verlangen natürlich nicht ein konkretes Do-ut-des, also ein "Hie Spende, da Genehmigungsbescheid". Sie erwarten sich vielmehr etwas noch viel Wichtigeres: das allgemeine Wohlwollen eines einflussreichen Politikers. Das brauchen sie umso mehr, als sie ja genau wissen, wie problematisch, von einer Gruppe unverdrossener Bürger bekämpft und von vielen (Ex-?)Grünen abgelehnt ihr Projekt ist.
Deswegen haben sie ja auch einen roten Finanz-Zampano (der einst in der damals parteiloyalen Bank Austria gewerkt hat) an Bord geholt. Auch dessen Mitwirken ist interessanterweise erst seit wenigen Tagen bekannt. Ein einst allmächtiger Raiffeisen-Boss hat sich hingegen schon länger als Unterstützer geoutet.
Wenn Chorherr das nicht begreift, erinnert er sich vielleicht wenigstens an den Wirbel, den seine eigene Partei seit Jahr und Tag über ähnliche Wohlwollens-Aktionen der deutschen Eurofighter-Hersteller schlägt. Diese haben ja auch nicht aus Liebe für den Fußballklub Rapid vier Millionen über den Tisch geschoben, sondern weil sie wissen, dass dieser Klub mit der Wiener SPÖ eng verbandelt ist. Also weil sie sich so das Wohlwollen der SPÖ erwerben wollten, ohne sich strafbar zu machen.
Es gibt einen einzigen Unterschied zwischen den Spenden rund um den Abfangjägerkauf und denen rund um den Hochhausbau. Aber der spricht erst recht gegen Chorherr: Der Flugzeugkauf ist an sich nämlich etwas völlig Legales, für eine ernstzunehmende Landesverteidigung sogar Notwendiges. Der Hochhausbau ist hingegen weder notwendig noch unbedingt legal (weil er eklatant gegen die österreichischen Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft bei der Weltkulturorganisation Unesco verstößt und Wien den Status als "Weltkulturerbe" kosten dürfte).
Gewiss, Chorherr ist ein ehrenwerter Mann.
Die Grünen haben ihre Ehrenwertigkeit, ihre Kampfansage an Korruption immer wie eine Monstranz vor sich hergetragen. Das gibt zu einem zweiten Vergleich Anlass: Als "Erfolg" dieses Kampfes gegen die Korruption wurden in Österreich vor einigen Jahren extrem scharfe Anti-Anfütterungs-Gesetze beschlossen. Korrekte Beamte dürfen sich seither nicht einmal mehr zum Mittagessen einladen lassen, selbst wenn es dabei um völlig neutrale Inhalte geht, selbst wenn es in Zusammenhang mit diesem Essen nie eine problematische oder gar rechtswidrige Entscheidung geben kann.
Dieser Anfütterungs-Rigorismus hat schon zu vielen skurrilen Vorfällen geführt. Aber die Gesetzgeber meinten halt: Es müsste sogar der bloße Anschein vermieden werden, dass man sich Beamte, dass man ihr Wohlwollen kaufen könnte, dass die Staatsdiener von irgendeinem Paten abhängig wären.
Und da soll es unproblematisch sein, wenn einer dieser Gesetzgeber selber angefüttert wird? Wenn nicht bloß ein Essen, sondern viel größere Beträge bezahlt werden? Für einen von diesem Gesetzgeber gegründeten Verein, der unbestreitbar auch der persönlichen Profilierung als guter Mensch, als Gutmensch dient.
Das wäre daher selbst dann problematisch, wenn dieser Politiker nicht selbst an führender Stelle in Entscheidungen verwickelt wäre, die für die Spender von gigantischem Interesse sind.
Es ist geradezu schmerzhaft, wenn sich Chorherr jetzt selbst wehleidig mit einem Bürgermeister vergleicht, der sich für die Freiwillige Feuerwehr seines Ortes engagiert. Denn:
Nicht alles, was an beiden Beinen hinkt, ist ein Vergleich. Das von Chorherr selbst ausgelöste Vergleichen führt vielmehr nur dazu, dass die Verdachtswolken über ihn immer dichter werden.