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Das Paradies ist schon um die nächste Ecke. Und am 16. Oktober sind wir dort. Ich freu mich schon so darauf. Wenn ich mir die Wahlprogramme der Parteien durchblättere, dann sind sämtliche Briefe ans Christkind, die mir jemals in die Hand gekommen sind, ein Vorbild an Bescheidenheit und Demut. Dabei gibt es ja das Christkind mit seinen unendlichen Möglichkeiten eigentlich nur in den Augen der kleinen Briefschreiber. Glauben die großen Wahlprogrammschreiber am Ende vielleicht auch ans Christkind? Oder glauben sie, dass wir Bürger daran glauben?
Vor uns liegen nun im Grund zwei Kategorien von wirtschaftlichen Wahlprogrammen:
Glauben die Parteien eigentlich wirklich, dass man seriöse Politik nur mit lauter Nettigkeiten machen kann? Dass die Menschen die Wahrheit nicht vertragen?
Da kann man nur mit großer Nostalgie an Schwarz-Blau zurückdenken, wo vor allem in den ersten beiden Jahren mit großem Ernst und auch gegen organisierten Widerstand gespart und saniert worden ist. Insbesondere bei den Beamtenpensionen sind langfristig positive und spürbare Auswirkungen auf den Staatshaushalt ausgelöst worden. Bei der Rückkehr der großen Koalition war die Staatsverschuldung um mehr als sieben BIP-Prozentpunkte gesunken. Das ist weder vorher noch nachher jemals auch nur annähernd gelungen.
Das ging freilich nur mit einer beinharten Disziplin, die sich auch über demonstrierende Gewerkschafter hinwegzusetzen bereit war. Die Reformenergie war damals aber nach zwei bis drei Jahren verpufft, als vor allem bei den Freiheitlichen beziehungsweise ihrer orangen Abspaltung die Nerven sehr bald blank lagen und sie wieder auf die in Österreich so beliebte Christkind-Politik einschwenkten, etwa mit dem Beharren auf der total missglückten Hacklerpension.
Vom Wissen um diese Notwendigkeit eiserner Disziplin und konsequenten Sparens ist heute gar nichts mehr zu spüren. Obwohl diese Tugenden der schwarz-blauen Jahre Österreich 2006/07 in mehrfacher Hinsicht zum international vielgelobten europäischen Vorzeigestück gemacht haben. Obwohl in Parallele zum Schüssel-Österreich der deutsche Sozialdemokrat Schröder mit seiner neoliberalen Austerity-Agenda-2010 eindeutig die Grundlage zum heutigen tollen Boom Deutschlands gelegt hat.
Es ist jedoch der Linken und ihren vielen Mitläufern in den Medien in den Jahren seither gelungen, diese doppelte Erfolgspolitik total zu diskreditieren. Neoliberal ist trotz aller Erfolge einfach schlecht.
Wenn manche Propagandisten nun sagen, dass sich in den letzten Monaten ohnedies einige Indikatoren (Wachstum und Arbeitslosigkeit) verbessert hätten, dann vergessen sie erstens zu beachten, dass in Österreich die Investitionen dramatisch zurückgegangen sind, was langfristig immer zum Abstieg führen muss. Und dann ignorieren sie zweitens die Hauptgründe für die Entwicklung:
Diese Negativzins-Politik der EZB ist aber eine mehrfache Katastrophe:
Kehren wir zu den spendablen Wahlprogrammen in Österreich zurück. Die Linksparteien hier haben (anders als etwa die schwedischen und deutschen Sozialdemokraten, die beide sehr konsequent und mittelfristig sehr erfolgreich "neoliberal" saniert haben) noch nie begriffen, dass der Wohlfahrtsstaat überdehnt sein könnte. Sie fordern daher weiterhin immer noch mehr für alles Mögliche.
Und sie haben daher bisher noch in jedem Wahlkampf die gleiche Propaganda gegen die ÖVP eingesetzt: "soziale Kälte", "Pensionsraub", usw.
Das weiß Sebastian Kurz natürlich. Diese Propagandamasche will er ganz offensichtlich der SPÖ abschneiden. Deswegen hat er schon in den letzten Wochen sehr problematischen zusätzlichen Geldausgaben zugestimmt, die von der SPÖ – ganz offensichtlich als Falle für ihn gedacht – ganz schnell noch vor dem Wahlkampf verlangt worden waren. Etwa:
Alles wahltaktisch verständlich. Kurz will sich nicht den sich abzeichnenden Wahlsieg durch die 20. Auflage einer Rentenklau-Propaganda rauben lassen. Aber die große Kompetenz als mutiger Wirtschaftspolitiker hat er damit nicht erworben. Er stimmt lieber in den Chor der übrigen Parteien ein, und macht ein Wahlprogramm voller Versprechungen, die sehr viel kosten. Nur ein paar herausgefischte Punkte:
Jeder einzelne Punkt ist wirklich toll, super, geht in die richtige Richtung. Aber in Summe sind sie in keiner Weise finanzierbar. Ähnlich wie die Programme der anderen Parteien. Lediglich die goldene Uhr für jeden Firmling habe ich bei keiner Partei gefunden.
Gewiss: Man muss Kurz (ähnlich auch den Freiheitlichen) zugute halten, dass er als einziger auch echte Einsparungen vorgeschlagen hat. Dabei gibt es zwei rhetorische Schmähs:
Daneben gibt es aber auch ein paar ernsthaftere Vorhaben:
Aber ich habe keine Sekunde die Überzeugung, dass diese Maßnahmen ausreichen können, um den ganzen Versprechenskatalog plus Reduktion der Staatsverschuldung plus signifikantem Rückgang der Staatsquote jemals zu finanzieren. Entweder ist da vieles nicht ernst gemeint – oder Kurz hält aus taktischen Gründen alle schmerzhaften Maßnahmen zurück, um sich den Wahlsieg nicht nehmen zu lassen. Denn eines ist ja klar: Jeder, der nicht alles erhält, was er verlangt, oder dem genommen wird, schreit einmal öffentlich laut auf.
Zwei Maßnahmen, mit denen Kurz die Bürger wirklich entlasten könnte, finden sich in seinem Programm leider nicht. Die gibt es nur bei den Freiheitlichen und den Neos:
Da war wohl die Angst vor der WKO oder vor noch ärgeren Untergriffen der ORF-Redaktion gegen die ÖVP im Wahlkampf dominierend. Aber vielleicht sind das ja auch schon die Punkte, wo ein Erfolg der FPÖ bei den künftigen Koalitionsverhandlungen einprogrammiert ist.
Relativ am zurückhaltendsten in den Versprechungen klingen im Parteienvergleich zwar die Neos. Nur hat die Neos-Zweitspitzenfrau Griss das dafür zustehende Lob sofort wieder zunichte gemacht, als sie öffentlich erklärte: All die Einsparungen bei Ausländern gingen rechtlich nicht.
Wir sehen wieder einmal: Es gibt die einen Juristen, die ständig superklug sagen, warum alles Mögliche nicht geht. Und es gibt die anderen, die mit aller Energie nach Wegen suchen, wie etwas doch möglich wird. Schließlich werden Gesetzgeber ja dazu gewählt, dass sie Gesetze verändern, dass Regierungen als europäischer Gesetzgeber für sinnvollere Gesetze kämpfen.
Richter gehören wohl genetisch immer zur ersten Kategorie. Wählen würde ich jedoch unbedingt immer die zweite Kategorie.
Bei aller rational-ökonomischen Skepsis zu seinem allzu euphorischen Programm, das alle wirklichen und wirklich notwendigen Schmerzpunkte vermeidet: Man muss Kurz gratulieren, wie brillant er in der ZiB2 dem wie immer von ganz weit links außen und damit zwangsläufig argumentativ schwach angreifenden Armin Wolf pariert hat (aber Wolf war immerhin diesmal fair, was im ORF schon ein Wunder ist). Denn am Ende bleiben im Gedächtnis ja nicht die Hunderten Programmseiten, sondern nur ein paar emotional überzeugende Eckpunkte haften. Und die konnte Kurz perfekt setzen.
Wolf sorgte sich nämlich ganz im Sinn der SPÖ vor allem um die Mindesteinkommensbezieher, die von den Kurzschen Plänen fast nichts haben. Und da argumentierte Kurz mutig – und für die allermeisten überzeugend – dagegen: Ihm gehe es vor allem um die Ermutigung und Belohnung jener, die etwas leisten; und es sei eben klar, dass jene, die keine Einkommensteuer zahlen, nichts von deren Senkung haben. Ebenso energisch und auch emotional schlüssig war sein Plädoyer gegen die von Wolf ebenfalls ganz im Sinne von Rotgrün verlangte Erbschaftssteuer. Kurz: Er sei dagegen, dass jetzt auch noch das Sterben besteuert würde, dass jene bestraft würden, die für ihre Kinder etwa ein Haus angespart haben, statt das Geld bei Reisen und für den eigenen Konsum auszugeben.
Wie erfrischend ist es, einen Politiker zu hören, der nicht das ganze Gerede immer auf jene ausrichtet, die am wenigsten leisten.