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Polens neue Justizgesetze werden heftig bekämpft. Nicht nur von der polnischen Opposition, sondern auch von Teilen der EU, die ständig glauben, sich über Länder wie Polen heftig aufregen und ihnen mindestens das Stimmrecht entziehen zu müssen. Schaut man sich freilich genauer an, was in Polen passiert, sollten viele Länder sehr, sehr leise werden mit ihrer Kritik.
Der Kern der polnischen Gesetze: Richter, insbesondere in den Höchstgerichten, sollen nicht mehr durch einen unabhängigen Justizrat, sondern durch einen Minister eingesetzt und auch abberufen werden. Das ist ein klarer Eingriff in das Ideal einer unabhängigen Justiz.
Nur – ganz ähnliche Eingriffe in die Justiz finden auch in anderen europäischen Ländern statt. Diese Eingriffe finden jedoch keine einzige Zeile der Erwähnung, geschweige denn Kritik aus Brüssel oder von sonstwo.
Etwa in Österreich werden die Richter im weitaus wichtigsten Gericht rein politisch besetzt. Durch Regierung oder Parlament. Noch schlimmer geht es in der Staatsanwaltschaft zu. Im VfGH hat seit den 50er Jahren jeder Sitz ein eindeutiges Mascherl: einmal rot, einmal schwarz. Ein blaues Mascherl hat nur ein einziges Mal ein Richter gehabt. Es entscheidet also nicht die Qualität, sondern das Mascherl.
Warum gibt es da keinen empörten Aufschrei etwa aus Europa? Warum nehmen die Österreicher das so apathisch hin? Warum wundert sich niemand, dass der Verfassungsgerichtshof der Regierung noch nie wirklich weh getan hat, dass er vor allem noch nie die wirklich argen Fälle der Korruption aufgegriffen hat? Fällt niemandem auf, dass das ein fast ebenso gewaltiger Verstoß gegen die Unabhängigkeit der Justiz ist, wie man ihn Polen vorwirft? Fällt niemandem auf, dass das in Zeiten, da Schwarz und Rot 90 Prozent im Land hatten, deutlich weniger provozierend war als jetzt, da sie lediglich noch 52 Prozent haben.
Gewiss: In Österreich geht es bei dieser Macht für die Politik nur um die Bestellung und nicht so wie in Polen um die Abberufung. Was sicher noch eine Stufe drastischer ist.
Dennoch gibt auch der Aspekt der Abberufung Anlass zum Nachdenken. Wenn auch in eine ganz andere Richtung. Zwar ist es zweifellos völlig unakzeptabel, dass Regierungen oder Parlamente Richter absetzen können sollen. Aber – wie bei jedem anderen Menschen und Beruf – ist auch bei Richtern die totale Unabsetzbarkeit ein riesiges Problem.
Richter können de facto konsequenzenlos total faul sein, eine schlimme Entscheidungsschwäche haben, menschenverachtend mit Zeugen und Parteien umgehen, katastrophal schlechte Urteile fällen. Die internen disziplinären Möglichkeiten gegen solche Richter sind fast reine Theorie. Jedenfalls sind diese Möglichkeiten nicht so, dass sich die faulen oder menschenverachtenden Richter irgendwie davor fürchten würden.
Noch problematischer kann sich das Richterproblem im Fall der Höchstgerichte auswirken. Denn diese treiben die Judikatur bisweilen völlig über den gesetzlichen Rahmen hinaus. Sie werden so oft selbst zum Gesetzgeber, ohne demokratisch irgendwie dazu legitimiert zu sein. Noch schlimmer ist, wenn sie eine Judikatur entwickeln, die krass den Interessen eines Staates und dem Wollen der Bürger widerspricht. Wichtigstes Beispiel für eine solche Entwicklung ist die durch diverse Urteile der Höchstgerichte überhaupt erst in dieser Dimension ermöglichte Massenmigration.
Nun kann es ganz sicher nicht zum Recht einer Regierung werden, irgendwelche Konsequenzen gegen Richter zu ziehen. Das wäre furchtbar und ein Ende des Rechtsstaats. Aber man sollte schon einmal in aller Ruhe darüber nachdenken, dass es ein Problem ist, wenn ein Gerichtshof ständig die Rechtsentwicklung in eine dem klaren Willen der großen Mehrheit widersprechende Richtung zieht.
Ich habe kein fertiges Konzept dafür, glaube aber, dass etwa in einem Zusammenwirken aus einem unabhängigen Richterrat (wie derzeit in Polen), Parlament und direkt-demokratisch entscheidenden Bürgern eine bessere Lösung gefunden werden kann.
Mindestens genauso gut wäre es natürlich, wenn sich die Judikatur der österreichischen und europäischen Höchstgerichte so entwickelt, dass das Nachdenken über solche Möglichkeiten bald wieder überflüssig wird.