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Fast schien es zuletzt schon so, als wollte Sebastian Kurz fürs nächste Parlament einen Kinderkreuzzug der ÖVP organisieren. So sehr dominierten seine Alterskollegen bei den anfangs bekannt gewordenen Kandidaten des ÖVP-Chefs. So, als ob Erfahrungslosigkeit und Jugend alleine ein ausreichendes Asset wären. Aber jetzt hat er mit dem Mathematiker und Autor Rudolf Taschner wirklich einen Volltreffer erzielt.
Taschner ist zweifellos eine der klügsten Köpfe in der österreichischen Szene. Er ist ein klarer Konservativer mit präzisen Vorstellungen zu Bildungs- wie Wissenschaftsthemen und intellektuell fast in jeder Diskussion überlegen. Er hat sich etwa in Sachen Mariahilferstraße auch ganz anders positioniert als die ÖVP.
Gegen ihn schaut die SPÖ-Kandidatenriege nun ziemlich alt aus. Christian Kern scheint offenbar wirklich nur auf sein gegenwärtiges Ministerteam zu setzen. Hält er das wirklich für toll? Oder hat er einfach niemand Attraktiven gefunden – weder in der Partei noch außerhalb?
Freilich: Die wirklich eindrucksvollen Persönlichkeiten in diesem Land sind sehr, sehr rar geworden. Und von denen haben die meisten wenig Lust, in die Politik zu gehen. Nicht nur, weil man etwa als Wirtschafts-Boss viel besser verdienen kann. Sondern auch weil man die persönliche Perspektivenlosigkeit in der Politik fürchten muss.
Andererseits sind alle jene, die den Abgeordneten-Gehalt dringend brauchen, und die sich daher ringsum aufdrängen, wirklich verzichtbar. Genauso wenig attraktiv sind all jene derzeit im Parlament sitzenden Abgeordneten, die im letzten Augenblick vor dem Wahltag zu anderen Parteien/Listen/Bewegungen wechseln, weil sie von ihren bisherigen Parteien nicht mehr aufgestellt werden.
Bei Peter Pilz hat das große Gewiesel, das ORF und andere Linksmedien um ihn, um seine Mitkandidaten aus den Hinterbänken von Grün und Rot sowie um den (als einzigen recht spannenden) Rechtsanwalt und Quereinsteiger Alfred Noll machen, ein klares Motiv. Die linken Medien spüren, dass Rot wie Grün vor der größten Niederlage ihrer Geschichte stehen. Daher setzen sie nun sehr auf Pilz, damit die bisherigen, aber nun tief frustrierten Rotgrün-Wähler doch noch eine linke Alternative haben. Das ist für die Linke umso dringender, als ja auch die Neos, auf die Kern als Reserve gehofft hat, nicht gerade vor einem Erfolg stehen dürften.
Insgesamt ist die Situation jedenfalls fatal: Im bisherigen Parlament findet man fast keine personelle Qualität. Und außerhalb haben die Parteien bisher nur drei interessante Köpfe gefunden, die auf ihren unterschiedlichen Gebieten bisher einen guten Eindruck gemacht und Leistung erbracht haben. Eben Taschner, Noll und Irmgard Griss.
Freilich ist bei keinem sicher, ja nicht einmal wahrscheinlich, dass der Wechsel in die Politik zum großen Erfolg wird. Dass er (oder sie) sich wirklich bewährt. Denn in der beinharten politischen Arena zu agieren, ist etwas ganz anderes, denn außerhalb als unabhängiger Intellektueller zu brillieren.
Dort draußen kann man auch ungewöhnliche kreative Gedanken äußern. Dort draußen agiert man in einer weitgehend zivilisierten Zone. Dort wird man von den Medien ständig hofiert, weil sie froh sein müssen, wenn es wenigstens hie und da eine spannende Persönlichkeit gibt. Dort hat keine Partei Grund, sie persönlich zu attackieren – meist hoffen die Parteien sogar, von einer externen Autorität in einigen Sachfragen unterstützt zu werden.
Aber sobald man in die Politik wechselt, wird jede Äußerung sofort von den anderen Parteien wie auch den Medien genauestens und unbarmherzig abgeklopft. In der Politik gibt es plötzlich fast keine Chance, von irgendjemandem außerhalb der eigenen Partei gelobt zu werden. Selbst sämtliche früheren Äußerungen und Texte eines Quereinsteigers werden sofort herausgeholt und kritisch durchleuchtet, ob sie nicht in irgendeiner Frage der Linie der nunmehrigen Partei/Liste/Bewegung widersprechen (da gibt es übrigens bei Taschner weitaus am meisten zu durchleuchten, hat er doch die meisten und besten Bücher und Texte geschrieben, hat er doch die meisten Vorträge gehalten).
Keiner von ihnen hat schon vor der Politik jene dicke Haut entwickelt, an der die vielen plötzlichen Attacken und Untergriffe abperlen würden. Ebenso hat kein Quereinsteiger im Hirn die vielen Rotlichter aufgebaut: Das darfst du nicht sagen. Darüber darfst du nicht einmal laut nachdenken. Da hat sich der Chef anders festgelegt. Den darfst du nicht loben.
Diese Rotlichter entwickeln sich nur im jahrelangen politischen Abhärtungskampf. Wie die Beispiele dieser Chefs und die Unterschiede zwischen ihnen zeigen:
Da die allermeisten Quereinsteiger die vielen Schwierigkeiten zumindest ahnen, sind sie schon bei ihrem Amtsantritt verunsichert und nervös. Gerade noch völlig eigenständige und respektierte Persönlichkeiten, werden sie binnen weniger Stunden zum bloßen Teil einer Masse, wo nur der Mann an der Spitze den Ton angibt, wo es für eigenständige Selbstdenker in Wahrheit keinen Platz gibt. Das Quereinsteigen funktioniert interessanterweise viel eher noch in einem Ministeramt als in einer Parlamentsfraktion. Vor allem in Regierungsparteien geht das kaum, während ein Minister gestalten kann.
An dieser Problematik sind auch die zwei einzigen interessanten Quereinsteiger der letzten Wahl weitgehend gescheitert, nämlich Marcus Franz und Georg Vetter. Ursprünglich von Frank Stronach in die Politik geholt, haben sie zwar bald erkannt, dass mit dem unberechenbaren und in fast allen Sachfragen ahnungslosen Austrokanadier Politik nicht möglich ist, wenn man den aufrechten Gang bewahren und die eigene Intelligenz nicht ausschalten will.
Aber auch nach dem Wechsel in den ÖVP-Parlamentsklub stießen die beiden auf kein Verständnis für eigenständige Persönlichkeiten mit Format. Franz wurde unter Mitterlehner bald wieder hinausgeworfen, nur weil er einen kritischen Satz über Angela Merkel gesagt hat. Und Vetter wurde unter Kurz weitgehend kaltgestellt. Er war für den Eurofighter-Ausschuss nominiert, wurde aber dann als Folge parteiinterner Intrigen wieder hinausgeworfen, obwohl er ein brillantes Buch zur Eurofighter-Affäre verfasst hat, das die wohl einzig richtige Analyse zum skurrilen Spiel von SPÖ und Peter Pilz rund um ständige inhaltsleere Strafanzeigen und U-Ausschüsse darstellt.
Dabei würden beide den von der ÖVP in den letzten Jahren so vernachlässigten, aber sehr großen konservativen und den kleineren wirtschaftsliberalen Teil der Österreicher repräsentieren.
Das Schicksal der beiden ähnelt vielen Dutzend anderen Quereinsteigern bei allen Parteien in den letzten Jahrzehnten. Man denke etwa an Hans Peter Martin (vom Journalisten zur SPÖ) oder an Veit Schalle (vom Billa-Chef zum BZÖ). Der eine gescheitert, der andere irrelevant geworden. Die fast durchwegs negativen Beispiele schrecken viele ab, die ebenfalls als Quereinsteiger angesprochen worden sind. Sie ahnen: Du bist als solcher meistens nur ein Star für 24 Stunden. Dann aber hast du nur noch die Aufgabe, den Chef zum Leuchten zu bringen. Eigenes Leuchten ist nicht gestattet.
Dabei bräuchte das österreichische Parlament dringend eine intellektuelle Frischzellenkur.
Fast der einzige Abgeordnete, der innerhalb seiner Fraktion eine eigenständig-dissidente Linie durchgezogen hat, war der sehr links stehende SPÖ-Rechtsanwalt Jarolim. Er hat bis zuletzt mit Erfolg eine Verschärfung der Sicherheitsgesetze verhindert. Er hat damit freilich die (zumindest kurzzeitige) Idee von Kern zertrümmert, die SPÖ mit Verteidigungsminister Doskozil plötzlich zur Sicherheitspartei zu machen. Freilich ist Jarolim zum Unterschied von Quereinsteigern in der Partei verankert; und er vertritt überdies ganz die Linie der parteiintern noch relativ starken Wiener Sozialdemokratie.
Aber wer steht hinter Taschner, Noll oder Griss?