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Wahlprogramme sind meist das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind. Auch nicht die 209 Seiten, die Christian Kern als "Programm für Wohlstand, Sicherheit & gute Laune" – also als überarbeiteten "Plan A" - abfeiern lässt. Und trotzdem lässt es tief blicken.
Macht schon gute Laune, wenn das Wahlprogramm einer Partei ist: "Ich hol mir, was mir zusteht". Da schlägt das Herz jedes Klassenkämpfers höher. Vor allem, wenn nicht gesagt wird, was einem zusteht. Das weiß schon jeder selbst – und funktioniert nach der einfachen Formel: Was mir zusteht, bestimm ich selbst und es ist auf jeden Fall: mehr.
Slim-fit-Klassenkampf als Wahlkampfschlager: Mehr Pizza für alle.
Jeder kriegt alles, was er will, nein, was ihm zusteht. Zahlen werden’s die anderen. Allerdings: Auch das Jonglieren mit Luft-Milliarden, das in dem Papier als "Gegenfinanzierung" für all die vielen Wahlzuckerl (9,75 Steuer-Milliarden sollen hergeschenkt werden) betrieben wird, setzt Margaret Thatchers Weisheit nicht außer Kraft: "Das Problem des Sozialismus ist, dass ihm irgendwann das Geld der anderen Leute ausgeht".
Also müssen ein paar neue Steuern her: Erbschafts- und Schenkungssteuer, Wertschöpfungsabgabe usw. – der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Das findet Kern "gerecht". Ich hol mir, was mir zusteht.
Dabei schlägt Kern der Wirtschaft einen "Deal" vor (apropos: was wurde eigentlich aus dem New Deal des Kern’schen Amtsantritts?!): "Ich verbessere Ihre Rahmenbedingungen, Sie investieren (noch stärker als bisher) in Jobs und Standort." Na, wenn da nicht gleich gute Laune aufkommt!
Hier spricht der "Wirtschaftsmanager" mit Unternehmern – auf Augenhöhe, wie er zumindest selbst meint. Die Augenhöhe stimmt aber bei diesem SPÖ-Vorsitzenden auch gegenüber den Arbeitnehmern nicht.
Wer wirklich einmal als Pizzabote gearbeitet hätte, wüßte, wovon er spricht, wenn er sagt, dass er keine "Lohnsklaven" will. Wie Kern das "Recht auf Arbeit" definiert, ist aufschlussreich: "Also: volle Unterstützung für jene, die hackeln, jene, die hackeln wollen, jene, die es anderen ermöglichen, aber auch für jene, die nicht hackeln können."
So viel gehackelt wurde schon seit der Hacklerpension des Herbert Haupt nicht mehr. Und von der haben alle mehr profitiert, als die Arbeiter, pardon: Hackler, für die sie gedacht war.
Früher sagte man stolz: arbeiten. Da war die SPÖ noch eine sozialistische Arbeiterpartei. Da gab es ja auch noch Arbeitsplätze und nicht nur die berühmt-berüchtigten "Jobs".
Jetzt also ist sie eine Hacklerpartei für den Mittelstand. Wahrscheinlich muss man jetzt auch modisch übersetzen: Die Hackler haben alle ein Job-Leid.
Und zwar wegen der Zeit, in der sie hackeln müssen.
Denn, auch das weiß Kern ganz genau: 610.000 Menschen würden ihre Arbeitszeit gerne verringern. Und 450.000 Frauen würden sie gerne ausweiten. Macht 1 Million unzufriedene Hackler. Und diese Zahlen kennt Christian Kern, obwohl er – wie das Wahlprogramm zum Glück auch vermerkt – durchschnittlich nur mit "5 BürgerInnen pro Minoritenplatz-Überquerung Gespräche führt und täglich 84 Hände schüttelt".
Aber so lustig ist das alles gar nicht.
Sachliche Überraschungen, diskussionswürdige neue Vorschläge oder kontroverse Themenaufrisse erwartet ohnehin niemand von einem Wahlprogramm. Schließlich sollen Stimmen maximiert werden. Da verspricht man schon einmal das Blaue vom Himmel herunter (Gratisführerschein für Lehrlinge, Beschäftigungsgarantie für Überfünfzigjährige und vieles mehr). Ein Mehr für die Pensionisten, ein Mehr für alle Hackler, ein Mehr für die Unternehmer – und alles wird sich ausgehen.
Immerhin hat Christian Kern noch nicht den alljährlichen Pensionisten-Hunderter im Programm.
Das alles ist Wahlkampf. Das alles sollte nicht überraschen.
Was aber doch unerwartet ist: Wie offensichtlich die wirklichen Autoren dieses Pamphlets sind. Zwar lässt Kern trotzig verlauten, dass er selbst in harter Arbeit dieses wunderbare Wahlprogramm geschrieben habe – wie vorher schon den ihm zugrunde gelegten Plan A. So oft er dies auch betonen mag, so oft das seine Medien-Gefolgschaft wiederholt: Hier haben beinhart Gewerkschaft und Arbeiterkammer diktiert. Von Sachfragen (etwa den Bedingungen für die Flexibilisierung der Arbeitszeit) bis hin zum klassenkämpferischen Ton wird einfach nur nachvollzogen und gehorcht. Wer sich an den Video-Rap der oberösterreichischen Arbeiterkammer im Frühling erinnert – wo der ausbeuterische Unternehmer dargestellt wurde, wie es Lenin-Propagandisten nicht besser hätten machen können –, den überrascht der unverhohlene Klassenkampf nicht mehr, mit dem die Kern-Truppe die Menschen polarisieren möchte. Der selbsternannte Solist an der SPÖ-Spitze fügt sich der Macht.
Aber so wird es wohl in der Chef-Etage der ÖBB auch zugegangen sein: Einer trug die engen Armani-Anzüge, und die Gewerkschaft sagte, was zu tun ist.