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Es ist ein oft bestätigtes Gesetz des Verhaltens demonstrierender Massen: Sobald sich die Staatsmacht als weich erweist und in Kompromisssuche nachgibt, wird der Druck der Straße noch größer und nicht, wie von der Obrigkeit erhofft, kleiner. Kompromisse lösen in den Protestierern ein klares Gefühl aus: Jetzt schaffen wir es; jetzt ist die Obrigkeit angeschlagen, jetzt hat sie Angst vor uns; jetzt ist der Weg zum Gesamtsieg absehbar.
Diese Regel beweist sich völlig unabhängig davon, ob die jeweiligen Demonstranten im Recht oder im Unrecht sind (einmal angenommen, diese Frage ließe sich überhaupt immer klar und eindeutig beantworten). Das beweist ein kurzer Rundblick etwa durch Israel, Venezuela, Polen, die Ukraine, Deutschland und Österreich.
Nicht einmal Israel scheint sich der eingangs zitierten Gesetzmäßigkeit noch bewusst zu sein, obwohl man dort eigentlich die größten und längsten Erfahrungen haben müsste. Das zeigen die letzten Tage.
Israel hat den Zugang zum Jerusalemer Tempelberg zu kontrollieren begonnen, nachdem dort radikale Palästinenser zwei Morde begangen hatten. Diese Kontrollen haben zu wilden Protesten der Palästinenser mit vielen Verletzten geführt. Darauf hat Israel (in Etappen) die Kontrollen wieder abgebaut. Das hat nun aber die Massen nicht beruhigt, sondern in ihnen vielmehr das Gefühl wachgerufen: Wir haben ja doch eine Chance gegen "die Juden", die geben ja doch nach, wenn wir nur energisch genug protestieren.
Das hat mit Sicherheit den Kampfgeist der Palästinenser für lange wiederbelebt. Das werden wohl die nächsten Wochen und Monate zeigen. Daran ändert es auch nichts, dass Israel inzwischen wieder mit Kontrollen begonnen hat.
Entscheidend bleibt: Israel hat sich für die Palästinenser als verletzlich erwiesen. Da fürchten sie es dann nicht mehr. Für sie spielt es da auch keine Rolle, dass der Rückzieher Israels einerseits auf Bitten der USA zurückgehen dürfte und andererseits auf Israels Bemühen, eigene Diplomaten nach einem blutigen Zwischenfall mit einem arabischen Extremisten wieder heil aus Jordanien herauszubringen. Bei den Demonstranten kommt hingegen nur eines an: der Eindruck einer Schwäche Israels.
Die Sorge, dass Israel falsch reagiert hat, bedeutet nun gewiss nicht den Wunsch, dass das Land keinerlei Kompromisse mit den Arabern eingehen sollte. Aber tragfähige Lösungen kommen in aller historischen Regel immer nur dann zustande, wenn entweder nach langen Auseinandersetzungen beide Seiten so erschöpft sind, dass sie lieber Frieden als einen Sieg wollen. Oder wenn weitsichtige Vernunft BEIDER Seiten bei friedlichen und von gegenseitiger Verständnissuche geprägten Verhandlungen zum Durchbruch kommt.
Die Palästinenser haben sich allerdings seit Jahrzehnten allen solchen friedlichen Vernunftlösungen entzogen, die ja schon fast fertig ausverhandelt waren. Daher bleibt Israel vorerst nur eine Haltung der Stärke. Daher löst es unweigerlich eine Eskalation aus, wenn der trotz der Stärke seiner Armee sehr exponierte Judenstaat einmal unter dem Druck der Straße nachzugeben begonnen hat.
Auch in Polen sind in den vergangenen Tagen Demonstranten zu der Überzeugung gekommen, dass sich ihre Dauerproteste ausbezahlt haben. Zwar waren das völlig gewaltfreie Proteste. Zwar verdienen sie viel mehr Sympathie als die wilden Palästinenseraktionen, die ja letztlich mit Mördern symathisieren. Zwar war die Zurückweisung zweier (zum Teil tatsächlich bedenklicher) Gesetze durch den polnischen Staatspräsidenten ein komplett der Verfassung entsprechender Vorgang. Aber jedenfalls sind sehr viele überzeugt, dass dafür vor allem diese Proteste ausschlaggebend waren.
Das aber heißt, dass es mit Sicherheit noch mehr und intensivere Proteste geben wird, sobald die Regierung wieder irgendetwas unternimmt, was einem Teil der Bevölkerung nicht gefällt. Das ist – auch wenn die Regierung im konkreten Fall zweifellos übers Ziel geschossen hat – eine für eine Demokratie problematische Entwicklung.
Wechsel nach Venezuela. Dort ist es im Gegensatz zu Israel ganz eindeutig, dass jede Sympathie, jedes Rechtsverständnis auf der Seite der mit klarer Mehrheit gewählten Abgeordneten und der unter hohem Blutzoll dauerdemonstrierenden Menschenmassen steht. Aber der von ihnen bedrängte sozialistische Präsident Maduro weiß ganz genau: Sobald er irgendwo nachgibt, ist nicht nur sein Griff nach der totalen Diktatur gestoppt, sondern da ist er auch samt seiner ganzen Bande hinweggefegt und im Gefängnis oder tot.
Daher kämpft Maduro bis zum Ende weiter. Das ist bitter, aber offenbar kaum verhinderbar – und führt immer mehr in einen echten Bürgerkrieg.
Maduro weiß aber wohl genau, was vor ein paar Jahren etwa in der Ukraine passiert ist: Dort ist der – ebenfalls Richtung Diktatur marschierende – Diktator Janukowitsch Demonstranten gegenüber ein wenig zurückgewichen. Das hat dann kurz darauf fast unweigerlich zu seinem Sturz und seiner Flucht geführt.
Auch in Spanien liegen alle meine Sympathien an sich bei der Selbstbestimmungsforderung von Basken oder Katalanen. Auch dort hat sich aber die Zentralregierung mit ihrer Unnachgiebigkeit bisher eindeutig durchgesetzt. Unabhängig von diesen Sympathien sollte freilich eindeutig klar sein, dass es für Basken und Katalanen nicht die geringste Rechtfertigung gibt, zur Gewalt zu greifen. Ein solches Widerstandsrecht ist nur bei schwerer Unterdrückung, aber nie in einem demokratischen Rechtsstaat legitim.
Umgekehrt waren die schlimmen Eskalationen der letzten Wochen in Deutschland eindeutige Folge des ständigen feigen Zurückweichens der Behörden. Diese sind seit Jahren vor linksextremer Gewalt immer nur zurückgewichen. Wenn vor allem die Gerichte jahrelang (ideologisch motiviert?) totale Milde ausüben, wenn die Extremisten jahrelang ungehindert Häuser besetzen, wenn sie alljährlich zum ersten Mai konsequenzenlos schwere Verwüstungen anrichten können, wenn Angehörige des "Schwarzen Blocks" nie zu abschreckenden Strafen verurteilt werden, dann war es fast unweigerlich, dass die Szene immer aggressiver wird. Und dass sie nun schließlich in Hamburg den Bürgerkrieg versucht hat.
Ganz ähnlich auch in Österreich. Auch dort sind es Richter und die Führung der Wiener Polizei, die etwa rund um den FPÖ-Ball linke Gewalttaten und Rechtsbrüche als harmlose Folklore behandelt haben, sodass die Szene immer mehr zur Aggression ermutigt worden ist.
Noch schlimmer ist die unter Druck der Linken und der Mainstreammedien von der damaligen Schwach-ÖVP und ihrem Ganz-Schwach-Justizminister zugestandene Abmilderung des Landfriedensbruch-Paragraphen. Selbst Zerstörungen von Polizeiautos oder ähnliches sind seither irrelevant. Dabei wäre statt einer Abmilderung dieses Paragraphen eine Verschärfung der einzige Weg gewesen, um die Wiederholung von Exzessen zu verhindern. Es müsste völlig klar sein, dass deren Wiederholung und Eskalation nur dann verhindert werden kann, wenn jeder mit empfindlichen Strafen rechnen muss, der an vermummten oder gewalttätigen Demonstrationen teilnimmt und der diese trotz Lautsprecheraufforderung der Polizei nicht sofort verlässt.
Freilich: Was will man in einem Staat, wo viele Medien den einst der Straßengewalt durchaus sehr nahegestandenen (Ex-)Kommunisten Pilz als Hüter des Rechtsstaats feiern. Wo weit über Hunderttausend Menschen in den letzten Jahren illegal einmarschieren konnten, und dennoch fast niemand von ihnen am Ende abgeschoben wird. Wo linke – oft aus Steuer- oder Kirchengeldern honorierte! – Anwälte so viele Rechtsmittel in der Hand haben, dass sie jedes einzelne Asylverfahren fast unendlich in die Länge ziehen können, bis dann andere Linke und Medien rufen: Na, jetzt ist der doch schon so lange hier, da wäre es doch inhuman, ihn abzuschieben.
Außerhalb von De-Facto-Kriegssituation wie in Israel gibt es fast nur ein einziges Rezept, wie man solche Konfrontationen mit ihren drohenden Eskalationsfolgen vermeidet: Indem Machthaber, statt auf die blinde Ausübung der Macht zu setzen, die Bürger direkt demokratisch entscheiden lassen.
Das ist immer tausende Male besser als Entscheidungen durch die Straße. Denn diese sind letztlich reines Faustrecht, das die Herrschaft kleiner, aggressiver Minderheiten über die Mehrheit ermöglicht. Was immer schlecht ist, egal ob einem im Konkreten die Position der Minderheit oder die der Mehrheit sympathisch ist.