Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
In einem hat Italien Recht: Es hängt zweifellos mit dem österreichischen Wahlkampf zusammen, dass gerade jetzt eine Brennerschließung wieder Thema geworden ist. In Österreich versucht nämlich die SPÖ, das Thema Migration anders zu besetzen, nachdem sie bisher ja dabei katastrophal falsch unterwegs gewesen ist. Ernstzunehmen ist dieses amateurhafte Muskelzeigen jedoch nicht. Es ist nur für jene österreichischen Wähler gedacht, welche die Inszenierung nicht durchschauen. Österreich wird sich nicht trauen, Ernst zu machen. Obwohl es jedes Recht dazu hätte, da ja Italien selbst die neuerliche Eskalation der Migrationskrise verschuldet hat.
Die antiösterreichische Aufregung, die in Italien für wilde Aufregung und geradezu Panik sorgt, ist durch Aussagen von Verteidigungsminister Doskozil über Vorbereitungen auf eine Heeresassistenz bei eventuellen Grenzkontrollen am Brenner ausgelöst worden.
Dass es Doskozil war, der da vorgestoßen ist, und dass er jetzt vorgestoßen ist, ist alles andere als ein Zufall. Denn der SPÖ-Minister wurde genau einen Tag vor einem Wahlkampfbesuch von ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz in Tirol aktiv. Da wollte die SPÖ das zentrale Kurz-Thema endlich einmal selbst rechtzeitig besetzen. Sie leidet ja seit Wochen unter einem (weiteren) katastrophalen Schnitzer ihres Parteichefs Kern, als dieser das Kurz-Verlangen nach einer Schließung der Mittelmeerroute als "Vollholler" abgetan hat. Was schlicht saudumm war, da Kurz bei dieser Forderung mindestens zwei Drittel der Österreicher hinter sich hat. Daher haben die roten Spin-Doktoren dringend einen Gegenakzent gesucht. Und dafür ist Doskozil immer gut.
Aber nicht nur dieser zeitliche Zusammenfall macht die Sache unglaubwürdig. Das tut auch der Umstand, dass Doskozil gar nicht zuständig ist für Kontrollaktionen an der Grenze (solange nicht der Innenminister ausdrücklich die Hilfe des Heeres anfordert).
Verräterisch ist auch das Verhalten des ORF, wo ja derzeit keine innenpolitische Story ohne enge Abstimmung mit dem Kern-Hauptquartier stattfindet. Denn die ZiB1 machte die Doskozil-Aussage erst mehr als 24 Stunden nach dem Zeitpunkt zum Hauptthema, da sie schon überall anders zu lesen war. Das ist zwar nicht journalistisch, geht aber wohl auf die Sehnsucht der SPÖ zurück, die derzeit alles tut, um ihr Stigma als Welcome-Refugees-Partei abzustreifen.
Noch viel weniger kann man an eine ernsthafte Absicht hinter dem Doskozil-Auftritt glauben, wenn man sich bewusst macht, dass die wirkliche Einführung von Grenzkontrollen am Brenner den ganzen Sommer über ein europaweit dominierendes Thema wäre. Ein solcher Schritt Österreichs wäre daher überhaupt nur denkbar, wenn Österreich zuvor(!) intensiv öffentlich und in dramatischen Tönen über eine signifikante Zunahme von Aufgriffen am Brenner klagen würde. Was es aber nicht tut. Gibt es kein Problem oder schaut man lieber weg?
Um die Drohung ernst zu nehmen, müsste man dieser Regierung aber auch die Kraft zutrauen, sich einem gewaltigen Gegenwind auszusetzen, der angesichts der Bedeutung des Brenners jenen Sturm noch übertreffen würde, den Viktor Orban im Herbst 2015 auszuhalten hatte, als er die ungarischen Süd-Grenzen schloss. Ist doch der Brenner gesamteuropäisch noch viel wichtiger als sämtliche ungarischen Grenzübergänge.
Bitte alle jene vorzutreten, die das einer Regierung Kern ernstlich zutrauen! Hat doch etwa dieser Kern erst am Vortag einen Wischiwaschi-Vortrag über die Zukunft Europas gehalten, ohne das Thema einer Grenzschließung auch nur zu erwähnen. Man möge sich aber auch vorstellen, wie peinlich der amtierende Bundespräsident in einem solchen Fall agieren würde.
Also alles – leider – nur heiße Luft. Zumindest die EU-Kommission hat das offenbar durchschaut. Denn sie verweist kühl darauf, dass Österreich nicht einmal einen diesbezüglichen Brief nach Brüssel zur (notwendigen) Notifikation der Grenzkontrollen geschrieben hat. Also alles – leider – nur Wahlkampfinszenierung.
Besonders deutlich macht auch der Blick ins Archiv, wie wenig glaubwürdig das Ganze ist. Denn Österreich droht ja schon seit eineinhalb Jahren immer mit dem Gleichen, zumindest wenn Wahlkampf ist. Ein paar Erinnerungshilfen:
Und so weiter, und so fort. Wer will da Österreich noch ernstnehmen? Gewiss: Italien hat sich in der Folge ein wenig bemüht, das Abschieben von Migranten nach Norden einzubremsen. Man hat jedoch nicht den Eindruck, dass dieses miese Verhalten Italiens dauerhaft zu Ende wäre.
Aber dennoch hat in den letzten Tagen fast jeder italienische Politiker wild auf die Ankündigung von Doskozil reagiert. Aber auch dort ist ja bald Wahlkampf …
Zugleich haben ja die Italiener selbst verschuldet, dass eine Grenzkontrolle am Brenner überhaupt ein Thema – und eigentlich notwendig ist.
Diese gegenwärtige Politik Italiens ergibt sich als Mischung aus einer Linksregierung und einem naiv-kryptokommunistischen Papst, der ja der Meinung ist, jeder müsse nach Europa hereinkommen können. Italien hat eine totale Abkehr von der einstigen Politik Silvio Berlusconis gemacht, der mit dem Libyer Gadhafi ausgedealt hat, dass Libyen keine illegalen Migranten durchlässt. Aber beide Politiker sind ja längst von der Gutmenschfront abgeschossen worden. Beides war in Wahrheit eine große Katastrophe.
Langsam dämmert es jedoch den gegenwärtigen italienischen Machthabern, dass sie die nächsten Wahlen nicht überstehen werden, und dass dann eine Antimigrations-Mischung aus Grillo, Berlusconi-Partei und Lega Nord das Sagen haben wird. Deshalb hat die Linksregierung nun Angst bekommen und selbst Alarm geschlagen: Sie verlangt intensiv, dass die Migrantenmassen in andere europäische Länder weitergeschoben werden.
Es gibt nur kein Land, das diese haben will. Daher ist es mehr als wahrscheinlich, dass Italien immer mehr Afrikaner einfach wieder untertauchen lässt oder ihnen wie früher den illegalen Weg nach Norden nahelegt (was es in den letzten Monaten eher weniger getan hat). Und da ist nun einmal der Brenner der wichtigste Übergang in die gelobten Länder Deutschland und Österreich.
Daher wäre glaubwürdiges Agieren Österreichs am Brenner dringend notwendig statt bloßem Wahlkampftaktieren.
PS: Mir wird immer besonders übel, wenn Italien von Österreich "Solidarität" verlangt und über die "Freundschaft" zwischen den beiden Ländern palavert. Hätten wir einen Präsidenten oder Kanzler mit Rückgrat sowie Geschichtswissen – haben wir aber beides nicht –, so würden sie den römischen Politikern entgegenhalten: "Und wann wird beispielsweise endlich der Text der italienischen Hymne dem Geist dieser behaupteten Freundschaft angepasst?" Diese Hymne hat zwar nichts mit der Migration zu tun, sie ist schon immer in ihrem Chauvinismus provozierend gewesen. Österreich ist das einzige namentlich genannte Land, gegen das darin gestänkert wird: "Der österreichische Adler hat schon die Federn verloren." (ist das der Raub Südtirols?). In dieser Hymne heißt es auch gleich viermal: "Wir sind bereit zum Tod." Man stelle sich vor, Österreich hätte eine solche Hymne! Wie da alle Gutmenschen aufjaulen würden. Aber Italien hat den Inhalt dieser Hymne neuerdings sogar zum Pflichtgegenstand in Schulen gemacht.