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In Deutschland wie in Österreich: wahlkampfbedingter Fieberwahn

Wohl noch nie hat die herrschende Parteienelite sich und das repräsentativ-demokratische System binnen so weniger Stunden als so schwer überfordert entpuppt wie in den letzten Stunden. Sowohl in Deutschland wie in Österreich. Dort wurde massiv gegen Verfassung und Grundrechte verstoßen; hier gegen wirtschaftliche Vernunft und Sparsamkeit. Dieser kollektive Ausbruch von wahlkampfbedingtem Fieberwahn versucht, rasch vor Torschluss lautstarke Lobbys (beziehungsweise die panikerfüllten Parteien selbst) zu bedienen. In fast allen Fragen zeigt sich ein massiver Gegensatz zu dem, was die Bürger bei einer ruhigen Debatte wohl direktdemokratisch beschließen würden.

Den Gipfelpunkt der Huschpfusch-Beschlüsse rasch noch vor Ferien und Wahltag stellt die deutsche Schwulenehe dar. Diese ist am Ende der Woche völlig überraschend eingeführt worden, nachdem erst am Beginn der Woche Bundeskanzlerin Angela Merkel plötzlich grünes Licht dafür gegeben hat. Sie hatte in einer Podiumsdiskussion eine mit niemandem in ihrer Partei abgesprochene Bemerkung fallen gelassen, dass das eine "Gewissensfrage" sei. Worauf die rotgrüne Schwulenlobby nicht mehr zu halten war und die Sozialisten (so wie in Österreich) in Bruch des Koalitionsabkommens sofort eine Abstimmung durchgezogen haben, bei der dann auch ein Teil der CDU dafür gestimmt hat.

Dabei ist alleine schon die Proklamation einer "Gewissensfrage" ungeheuerlich. Denn das heißt ja eindeutig, dass sonst bei politischen Entscheidungen das Gewissen keine Rolle spielt.

Überhaupt nur noch als doppelbödige Chuzpe ist Merkels eigenes Verhalten zu bezeichnen: Zuerst macht sie der Homo-Ehe mit dieser Proklamation die Bahn frei; dann aber stimmt sie selbst gegen diese.

Merkel konnte das aus dem Zusammenfall von vier verschiedenen Gründen tun:

  • Erstens steht weder ein CDU-Parteitag bevor, bei dem sie von der erzürnten Parteibasis abgewählt werden könnte, noch drängt sich derzeit überhaupt eine parteiinterne Alternative zu ihr auf. Vielmehr muss ihre mehrheitlich ganz anders denkende Partei die Parteichefin jetzt im Wahlkampf mit zusammengebissenen Zähnen weiter durchtragen (egal, ob der plötzliche Schwenk strategische Absicht oder ein unbedachtes Hoppala Merkels gewesen ist; was ja keineswegs auszuschließen ist, auch wenn sie es niemals zugeben wird).
  • Zweitens, weil in Deutschland im Gegensatz zu Österreich rechts kein brauchbares Angebot an die Wähler bereitsteht (oder aus CDU-Sicht: droht). Denn die "Alternative für Deutschland" ist anders als die FPÖ dadurch geprägt, dass sie ständig ihre Spitzenleute wechselt, dass dauernd gestritten wird, dass dort wirklich alle das politische Handwerk erst noch lernen müssen und dass überdies in der jetzigen Doppelspitze eine bekennende Lesbe sitzt (Dennoch wird die AfD jetzt wohl etliche CDU-Wähler dazugewinnen).
  • Drittens, weil in Deutschland im Gegensatz zu Österreich eine parlamentarische Mehrheit links der Mitte existiert.
  • Und viertens, weil ÖVP-Chef Sebastian Kurz die Nerven behielt, als Rotgrünrosa hierzulande einen ähnlichen Vorstoß versuchten.

Das große Fragezeichen über dem Schwulenehe-Beschluss ist jedoch das deutsche Grundgesetz. Die gesamte deutsche Judikatur dazu hat die Ehe bisher nämlich immer als Sache zwischen Mann und Frau bezeichnet. Freilich: Auch Verfassungsrichter sind oft ein Fähnchen im Wind des Zeitgeistes. Jedenfalls wird ihre Entscheidung zur Schwulenehe erst nach der Bundestagswahl erfolgen.

Das Ende der Meinungsfreiheit

Ebenfalls potenziell verfassungswidrig ist der fast gleichzeitig in Deutschland nach monatelangem Koalitionsstreit gefasste Beschluss des schlimmsten Zensurgesetzes der letzten 70 Jahre. Zwar sehen viele Rechtsexperten darin überdies einen Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention und das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Dennoch haben die deutschen Regierungsparteien jetzt alle sozialen Netzwerke unter gigantischen Strafdrohungen verpflichtet, sogenannte "Hetze" im Internet binnen 24 Stunden zu entfernen.

Da aber niemand genau wissen kann, was das eigentlich genau ist, welche Äußerungen darunterfallen, läuft das auf ein Maulkorbgesetz und eine ungeheuerliche Einschränkung der Meinungsfreiheit hinaus. Da alle sozialen Netzwerke ja gewinnorientiert sind, werden sie selbst notgedrungen als ständiger Zensor agieren.

Niemand soll übrigens glauben, die oft Gewalt androhende linke Hetze würde ebenfalls darunter fallen: Denn diese wird sich auch künftig im Bedarfsfall immer als "Satire" aus der Affäre ziehen, wie sie es jetzt schon immer mit Erfolg getan hat. Und ebenso kann man davon ausgehen, dass alle Aufrufe zur Gewalt im Koran wohl von den feigen Staatsanwälten und Richtern nicht als strafwürdig angesehen werden – sondern nur die Kritik am Koran. Selbst wenn diese völlig friedlich formuliert wird.

Nach diesen traurigen Stunden sollte niemand mehr glauben, dass Deutschland noch ein voller Rechtsstaat ist.

Die österreichischen Milliardenverschleuderer

Auch wenn die Erfahrung lehrt, dass jede deutsche Unsinnigkeit einmal auch hierher überschwappt, kann man dennoch als Österreicher fast froh sein, wenn hierzulande vorerst "nur" die ökonomische Vernunft ein weiteres Stück zertrümmert worden ist. Das freilich in Milliardendimensionen. Außerdem befindet sich Österreich in einer total anderen ökonomischen Situation als Deutschland, wo es ja derzeit einen ausgeglichenen Staatshaushalt und viel geringere Arbeitslosenzahlen gibt.

Der allerjüngste Anschlag trägt die Handschrift der "Sozialpartner". Diese haben einen "Arbeitspakt" zum Problemkreis Mindestlohn/Arbeitszeit verkündet, bei dem sich wieder einmal nur die Gewerkschaften durchgesetzt haben. Der Mindestlohn wird in den nächsten zwei Jahren spürbar auf 1500 Euro pro Monat erhöht, was die österreichischen Unternehmen rund 900 Millionen pro Jahr kosten dürfte. Bei der von der Wirtschaft als Gegenzug verlangten Arbeitszeitflexibilisierung hat es auch nach einem halben Jahr angeblich intensiver Verhandlungen null Fortschritte gegeben. Dabei wäre es für all jene Betriebe, die ungleichmäßige Auftragseingänge haben, enorm wichtig, wenn sie ohne zusätzliche Kostenbelastung flexibel auf die Auftragslage reagieren könnten.

Fast noch ungeheuerlicher ist, wie der Präsident der Wirtschaftskammer, der unsägliche Christoph Leitl, diese Niederlage kommentiert: "Das muss man sportlich sehen." Auch ein Unternehmen bekomme nicht jeden Auftrag, um den es sich bewirbt.

Die österreichischen Unternehmen und vor allem die vielen Kleinbetriebe, die der Mindestlohn besonders trifft, können sich für einen solchen WKO-Präsidenten herzlich bedanken. Dabei wird sie besonders ärgern, dass dieser Präsident selbst hauptverantwortlich dafür ist, dass die Sozialpartner eigens in der Verfassung abgesichert worden sind. Dabei hat sich Leitl selbst stark dafür gemacht, dass die Sozialpartner diesen Themenkomplex übernehmen. Jetzt werden so viele Unternehmer wie noch nie sagen: "Weg mit der Pflichtmitgliedschaft! Weg mit solchen Kammerbonzen!"

Das passiert vor einem total konträren internationalen Hintergrund: Im letzten Jahrzehnt haben wir in allen anderen europäischen Ländern Reformen GEGEN den Widerstand der Gewerkschaften gesehen. Von Hartz IV in Deutschland bis zu den Reformen, die jetzt der neue französische Präsident Macron in Frankreich zumindest versucht. Nur in Österreich hat sich seit zehn Jahren bis heute ständig die Gewerkschaft mit ihren Vorstellungen durchsetzen können, dass es immer noch mehr für ihre Klientel geben muss. Nur in Österreich haben weder Regierung noch Arbeitgeber wohlfahrtsstaatliche Exzesse zurückzudrängen versucht.

Dabei wandern immer mehr Investitionen aus Österreich ab. Dabei schwimmt zwar auch Österreich im derzeitigen globalen Konjunkturboom mit, aber weit langsamer als fast alle anderen relevanten Länder mit Ausnahme Südeuropas. Vor allem  der restliche mitteleuropäische Raum wächst besonders dynamisch.

Dieses Trauerspiel passt perfekt zu Unsinnigkeiten des Parlaments:

  1. Am teuersten ist zweifellos der Milliarden-Scheck für die Universitäten, den Rot-Blau-Grün gegen den Willen der ÖVP ausgestellt haben – ohne dass auch nur eine einzige substanzielle Reform für die ja in einem deplorablen Zustand befindlichen Unis beschlossen worden wäre.
  2. Dazu kommt die besonders teure, aber ökonomisch unsinnige "Aktion 20.000", die mit Steuergeldern künstlich Jobs für ältere Arbeitslose finanziert.
  3. Dazu kommt der teure Beschäftigungsbonus für neu angestellte zusätzliche Arbeitskräfte. Dieser wird ebenso wie die "Aktion 20.000" mit Sicherheit vor allem zu Verdrängungen und Umgehungskonstruktionen führen: Andere Arbeitskräfte werden halt ihren Job verlieren. Aufträge werden halt zu Firmen umgeleitet, die mit neuen Mitarbeitern logischerweise billiger produzieren können als die bisherigen Auftragnehmer mit schon länger beschäftigten Mitarbeitern. Wer das bezweifelt, sollte sich daran erinnern: Es hat absolut immer zu negativen Folgen für alle anderen geführt, wenn einer Gruppe besonders geholfen wird. Sinnvoll sind immer nur generelle Abgabensenkungen für alle.
  4. Dazu kommt eine Erhöhung der Forschungsprämie – wobei auch diese regelmäßig zu Sinnlosigkeiten oder Mitnahmeeffekten führt.
  5. Dazu kommen 100 Millionen als Zahlung an die Bundesländer für die verfassungsgesetzliche Abschaffung des Pflegeregresses. Dieser hat auch die ÖVP zugestimmt (so wie allen anderen Ausgabeposten außer dem Uni-Geld), obwohl die von der Volkspartei behauptete Gegenfinanzierung weitgehend nur in der Propaganda stattfindet. Zwar sind die von der ÖVP dabei durchgesetzten Maßnahmen sinnvoll (Fotos auf den e-Cards – allerdings bis 2023! –, womit die vor allem unter Migranten üblichen Schummeleien im Laufe der Jahre aufhören sollen; und kollektiver Medikamenteneinkauf durch Pflegeheime). Aber damit ist keinesfalls diese Summe aufbringbar. Schon gar nicht kurzfristig. Außerdem entdeckt jetzt ein Bundesland nach dem anderen, dass  das Ende des Pflegeregresses weit mehr Geld kosten wird, als es  vom Bund bekommt.
  6. Dazu kommt, dass die Regierung in ihren löchrigen Säcken auch noch zusätzliches Geld für die Feuerwehren gefunden hat (wobei es allerdings nur um kleine Summen geht.
  7. Dazu kommt noch eine weitere Novelle des besonders unsinnigen Ökostromgesetzes. Damit werden Betreiber von Windmühlen und Ähnlichem weiterhin dauersubventioniert, also eine lautstarke Hochverdienst-Lobby rund um die Grünen und NGOs.

Gewiss: Österreich ist die Einführung einer neuen Steuer oder die Verschärfung einer alten erspart geblieben. Aber so wie schon nach dem Jahr 2008 wird man halt auch nach diesen Wahlen draufkommen, dass man vor den Wahlen viel zu viele zusätzliche Löcher aufgerissen hat …

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