Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Wenn zwei ahnungslose Minister eine „Schulreform“ machen

Es wäre für Bildung und Erziehung der jungen Österreicher hilfreicher gewesen, wenn Bundeskanzler und Wiener Bürgermeister gelernt hätten, sich zu benehmen und auf Gossenvokabel wie Vollkoffer und Vollholler zu verzichten, als all das, was da im sogenannten Bildungspaket langmächtig ausgebrütet worden ist. Dieses nun offenbar endgültig verschnürte Paket – was auch immer in der Politik endgültig sein mag – ist eine rein bürokratische Selbstbefriedigung. Es bringt für Schulen und Kinder absolut nichts wirklich Positives, auch wenn die Kurzzeit-Bildungsministerin jetzt wie ein begeistertes Kind vor Freude hüpft.

Warum hat die ÖVP dem Ganzen doch zugestimmt, obwohl der neue Parteichef  selbst gesagt hat, dass das kein großer Wurf sei (von Rot und Grün können sich Schulen und Schüler ja sowieso seit langem nichts Positives mehr erwarten)? Nun, der Hauptgrund dürfte ein taktischer sein. Sebastian Kurz hat ja ein schon unter Reinhold Mitterlehner – aber durch seinen Freund Harald Mahrer! – ausverhandeltes Paket vorgefunden. Da wollte er der schon intensiv angelaufenen Rotgrün-Propaganda nicht die Freude machen, den Bösewicht zu spielen, der alles blockiert und verhindert.

Ob sich die ÖVP dafür etwas anderes Positives eingehandelt hat? Das angesichts der weltweiten Terroreskalation dringend notwendige Sicherheitspaket etwa? Oder die ebenso dringend notwendigen Zugangsregeln für die Universitäten?

Bisher gibt es dafür keine Anzeichen. Aber dennoch sollte man die Hoffnung vorerst nicht ganz aufgeben. Denn nun muss die SPÖ fürchten, zum Blockierer gestempelt zu werden (die ÖVP hat ja überdies gleichzeitig auch den von einer zweiten SPÖ-Ministerin gewünschten Primärversorgungseinrichtungen zugestimmt).

Wie ist das nun mit den sogenannten Modellregionen für die Zwangsgesamtschulen, die von den (für die Zweidrittelmehrheit ja benötigten) Grünen ins Paket hineinverhandelt worden sind? Ist da die ÖVP nicht total umgefallen, wie viele Medien und auch die FPÖ berichten? Haben da nicht die intelligenzarmen VP-Landeshauptleute aus Westösterreich den Grünen geholfen, die Tür zu dieser Bildungskatastrophe zu öffnen, welche das Gymnasium total kaputt zu machen droht?

Nun, ausgerechnet dieser Vorwurf trifft nur zum kleinen Teil zu. Denn die ÖVP hat da eine entscheidende Demokratiebestimmung hineingebracht: Sowohl die Eltern wie auch die Lehrer jeder teilnehmenden Schule müssen der Einführung einer Zwangsgesamtschule jeweils mit Mehrheit zustimmen. Dabei ist entgegen den früheren Wünschen der Grünen auch vorgeschrieben, dass überdies jeweils mindestens ein Drittel der Wahlberechtigten zustimmen muss (allerdings hatte die ÖVP dafür zuvor 50 Prozent verlangt). Dadurch ist der Politik jedenfalls der Weg abgeschnitten, Lehrer und Eltern durch eine Überraschungsabstimmung mit nur wenigen Teilnehmern zu überrumpeln.

Es ist eigentlich absolut unvorstellbar, dass sich eine solche Mehrheit findet. Selbst wenn Landeshauptleute und Bildungsministerin samt irgendeiner Zeitung eine intensive Gehirnwäsche versuchen sollten, kann ich mir weder bei Eltern noch Lehrern eine Mehrheit vorstellen, die jemals einer solchen Zwangsgesamtschule zustimmen würde. Genau deswegen wollten die Grünen das Ganze ja ursprünglich auch per Obrigkeitszwang durchdrücken.

Das restliche Bildungspaket ist Bürokratengewäsch, weltfremde Theorie oder eine echte Verschlechterung der Schule. Wirklich Tolles und Positives ist nicht zu finden:

  • Da werden Landesschulräte zu Bildungsdirektionen umgetauft, wo aber weiterhin Bundes- und Landeskompetenzen durcheinanderfließen.
  • Noch weniger Sinn hat die generelle Möglichkeit, künftig "Cluster" aus mehreren Schulen zu bilden. Das ist nur bei Kleinstschulen am Land praktikabel. Das wird anderswo aber dazu führen, dass weit über den Dingen schwebende (und ständig im Auto zwischen den Schulen pendelnde) Direktoren keine Ahnung mehr von den einzelnen Lehrern und Klassen haben.
  • Eine besondere Chuzpe ist die nun eingeführte "Autonomie". Diese stellt nichts her, was nicht jetzt schon stattfindet, wo es möglich und sinnvoll ist. Jetzt wird den Direktoren aber halt auch formell das Recht eingeräumt, Lehrer für die Schule zu suchen (nicht aber die viel wichtigere Möglichkeit, sich von unfähigen Lehrern zu trennen!). Das geschieht ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, da ein katastrophaler Lehrermangel auf Grund der Altersstruktur bevorsteht. Zugleich gibt es bei den Jungen viel zu wenig Nachwuchs. Nicht zuletzt deshalb, weil auf Grund einer früheren genialen "Reform" der großen Koalition die Ausbildungszeit der Lehrer an den Hochschulen deutlich verlängert worden ist (als ob die Verweildauer auf der Hochschule irgendetwas damit zu tun hat, ob ein Mensch imstande ist, mit Jugendlichen umzugehen und ihnen Rechnen und Schreiben beizubringen, und ob er selbst die Rechtschreibung beherrscht, was ja auch bei Uni-Absolventen zur Rarität geworden ist). Eine Autonomie, aus dem Leeren zu schöpfen, ist jedenfalls wirklich der reine Pflanz.
  • Noch schlimmer an dem Paket ist in Zusammenhang damit die neue Möglichkeit, die Klassengrößen deutlich zu erhöhen. Das ist pädagogisch sicher keine Verbesserung. Dafür dürfen das jetzt die Direktoren "autonom" machen. Dafür ist ja künftig die Bildungspolitik unschuldig, wenn Direktoren mangels Lehrern und mangels zusätzlicher Ressourcen notgedrungen die Klassen vergrößern müssen. Direktor wird künftig kein sehr begehrter Beruf sein …
  • Die Möglichkeit, dass Schulstunden auch eine anderer Länge als 50 Minuten  haben können – ein weiterer laut bejubelter "Reformerfolg", für den vor allem der naive Neos-Chef Strolz gekämpft hat –, muss weitestgehend reine Theorie bleiben, vor allem überall dort, wo Lehrer von einer Klasse in die andere wechseln müssen. Anders als mit fixen Stundenlängen und Stundenplänen lässt sich nur in der weltfremden Politikertheorie Schule organisieren. Und dort, wo der gleiche Lehrer mehrere Stunden in der Klasse bleibt, hat er schon jetzt die Zeit nach Belieben aufteilen können – er muss aber in Wahrheit immer Rücksicht nehmen, dass seine Kinder nicht laut durch die Gänge toben, während gleichzeitig andere Klassen konzentriert arbeiten sollen.

Ganze Bücher könnte man hinzufügen, was im Gegensatz zu diesen Unsinnigkeiten die Reform alles nicht vorsieht. Keine größere Differenzierung und Vielfalt. Keine Rückkehr zum Leistungsprinzip. Keine Deutschklassen für die Hundertausenden Schüler, die nicht einmal die Unterrichtssprache als Muttersprache beherrschen. Keine demokratische Wahl neuer Direktoren durch Eltern und Lehrer, sondern weiter Einsetzung durch die politische Obrigkeit.

In der Summe ist das der Pfusch, der zu erwarten ist, wenn zwei Minister eine Schulreform verhandeln, die beide Null praktische Ahnung von Schule haben. Außer dass sie halt einst selbst in eine solche gegangen sind.

Aber wie sie sich jetzt alle selbst auf die Schulter klopfen. Das können sie …

PS: Die Fake news zum Tag hat wieder einmal der ORF in der ZiB geliefert. Er hat als Faktum behauptet, dass es jetzt in Vorarlberg eine Gesamtschul-Modellregion geben werde. Ohne mit einem Wort zu erwähnen, dass dazwischen noch die gewaltige Hürde von Lehrer- und Eltern-Abstimmungen liegt. Aber offenbar muss der ORF jetzt täglich eine Niederlage der ÖVP berichten …

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung