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Was will die FPÖ eigentlich?

Alle Welt debattiert über ÖVP und SPÖ, über den Kurz-Boom nach Jahren der ÖVP-Depression, über die erstaunlich dichte (auch von SPÖ-Sympathisanten erschreckt konstatierte) Fehlerserie des ja von jeder Vorerfahrung freien Christian Kern, aber niemand über die Freiheitlichen. Es wird höchstens konstatiert, dass die Partei einerseits den ersten Platz bei Umfragen verloren hat, und dass sie zweitens dennoch extrem gute Chancen hat, in der nächsten Regierung zu sitzen. Aber das wahre Dilemma der Freiheitlichen ist den meisten nicht einmal bewusst.

Das ist die Frage: Was will die Partei eigentlich selber? Klar sind zwei Ziele der Freiheitlichen:

  • Sie wollen neuerlich stärker werden.
  • Sie wollen den Unberührbaren-Status los werden, den ihnen die linke Szene angehängt hat.

Beides scheint in unmittelbarer Reichweite. Das Stärkerwerden ist kein Widerspruch zu den Umfragen. Denn die FPÖ kann auch dann deutlich zulegen, selbst wenn sie nicht Nummer eins wird. Offen mag bleiben, ob die seit kurzem intensivierten, aber inhaltlich recht uneinheitlichen FPÖ-Attacken auf Kurz der richtige Weg dazu sind. Viele Werbestrategen sagen, das rücke (zusammen mit den ebenfalls auf Kurz konzentrierten Hassattacken von Christian Kern) Kurz erst recht in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und signalisiere nur FPÖ-Nervosität.

Der Paria-Status der FPÖ ist spätestens seit dem Zeitpunkt als propagandistisches Gespenst entlarvt, seit die SPÖ ihre diesbezügliche Wende gemacht hat. Damit stehen alle jene aus der Kunst-(Subventions-)Szene und aus der (selbsternannten) Intellektuellen-Szene rund um die Linksaußenmedien wie "Falter" oder "Profil", die die FPÖ gerne als Reinkarnation der Nationalsozialisten stigmatisiert haben, als ziemlich lächerlich da. Vor allem auch deshalb, weil sie jetzt wie auf Knopfdruck aus der SPÖ-Zentrale ihren antifaschistischen Furor entsorgt haben. Aber auch da ist nicht ganz so eindeutig, ob das Ende der Unberührbarkeit in der Szene der FPÖ auch wirklich hilft. Denn Attacken aus dem Establishment haben die FPÖ für viele erst so richtig als die Anti-Establishment-Partei bestätigt.

Aber jenseits dieser Problemkreise wird eine ganz andere, von der Öffentlichkeit noch gar nicht wirklich wahrgenommene Frage zentral. Sie lautet: Will die FPÖ überhaupt regieren?

Zwar antworten alle dazu befragten FPÖler ziemlich unisono: "Natürlich wollen wir das." Jedoch bangen viele hinter vorgehaltener Hand davor, was ihnen droht, wenn sie in der Regierung sind. Nämlich dass sie dann in der Wählergunst unweigerlich wieder steil abstürzen werden. Das ist ja schon zweimal passiert, als es blaue Minister gegeben hat.

Natürlich bangt insbesondere die FPÖ-Spitze auch angesichts der Erinnerung, dass diese Abstürze jeweils zu einer parteiinternen Revolution samt Austausch der gesamten Führungsmannschaft geführt haben. Einmal kam dann Jörg Haider als neuer Strahlemann, das nächste Mal H.C.Strache.

Manche Freiheitlichen glauben, aus der Geschichte gelernt zu haben, dass vor allem eine Partnerschaft mit den Schwarzen für sie ein Suizid wäre, wie die Jahre 2000ff gezeigt hätten. Andere befürchten, dass die FPÖ in Partnerschaft mit der SPÖ noch viel weniger eigene Inhalte durchbringen dürfte, mit Ausnahme solcher der sozialpolitischen Lizitation. Wieder andere argwöhnen: Als Nummer zwei werde man wohl in jeder Konstellation untergehen. Und wer noch länger nachdenkt im blauen Lager, kommt zur Erkenntnis, dass für die FPÖ überhaupt jede Regierungsbeteiligung eine Wahl später unweigerlich wieder zum massiven Stimmenverlust führen wird, selbst wenn die Partei Nummer eins und Kanzlerpartei würde. Aus mehreren Gründen:

  • Denn immer mehr Menschen haben in allen möglichen Beziehungen wachsende Ängste vor dauernden Bindungen. Viele Wähler europaweit wählen fast prinzipiell volatil und tendieren zu einem immer größeren Prozentsatz dazu, nie zweimal die gleiche Partei zu wählen.
  • Denn die FPÖ hat zum Unterschied von Rot und Schwarz kaum über die enge Funktionärswelt hinausgehende gefestigte Stammwähler.
  • Denn sie hat auch keine soziologische Kernzone, wie es etwa die Arbeiter sowie neuerdings die Türken bei der SPÖ sind, wie es etwa Bauern, Beamte sowie Gewerbetreibende bei der ÖVP sind (was selbst dann noch in all diesen Gruppen eine Restrelevanz hat, wenn viele Gruppenzugehörige zeitweise anders wählen, etwa die FPÖ).
  • Denn ehrlich analysierende Freiheitliche wissen, dass ein Gutteil der an sie in diversen Wählergruppen geknüpften Hoffnungen schlicht unerfüllbar ist, weil diese einander oft widersprechen, weil sie einfach unfinanzierbar sind, weil jede Koalition zu Kompromissen führen muss.
  • Und schließlich gibt es bei den FPÖ-Wählern viele typische Protestwähler, die immer gegen "die da oben" sind, die also nach einer Regierungsbeteiligung schon automatisch deshalb gegen die Freiheitlichen sein werden, weil die dann eben auch "da oben" sind.

Daher gibt es viele freiheitliche Abgeordnete, die durchaus nicht in die Regierung drängen, ohne das aber laut zu sagen. Denn in der Opposition hat man die besten Chancen, auch fünf Jahre später wiedergewählt zu werden (übrigens hat auch Jörg Haider im Jahr 2000 etliche parteiinterne Kritiker gehabt, die lieber in der Opposition geblieben wären).

Für sie stehen andere Strategien im Vordergrund:

  1. Die eine ist das Ziel einer Erringung eines Drittels der Mandate. Dann kann kein Verfassungsgesetz mehr gegen die FPÖ beschlossen werden. Dann können die Freiheitlichen auch immer wieder spannende Tauschgeschäfte eingehen, wenn die Regierenden unbedingt eine Verfassungsmehrheit brauchen. Etwa für Posten als Verfassungsrichter oder in der Hochbürokratie. Dann könnte es sich auch niemand mehr in den Regierungsparteien erlauben, die Freiheitlichen als unberührbar hinzustellen.
  2. Kurzfristiges Hineingehen in eine Regierung, um ein paar strategisch wichtige Dinge zu beschließen (wobei die meisten eher mit der ÖVP möglich wären). Dazu könnten beispielsweise zählen: Abschaffung der ORF-Gebühren, strafrechtliches Verbot von Bestechungsinseraten aus Steuergeldern, Senkung oder Streichung der WKO- und Arbeiterkammerbeiträge, Aufhebung der Meinungsfreiheits-Einschränkungen, deutliche Verschärfung der Asyl-, Islam-, Fremden- und Integrations-Gesetze sowie eine Reform der Bildungsgesetze in Richtung Vielfalt und Leistung samt Deutschlern-Klassen. Gleichzeitig plant man jedoch insgeheim, dass man nach ein oder zwei Jahren wieder aus irgendeinem Krach heraus die Regierung verlassen wird.
  3. Die gerade genannten Ziele könnte die FPÖ aber auch wie 1970/71 durch paktierte Duldung einer Minderheitsregierung zu erreichen hoffen, also ohne sich gleich ganz durch Machtpartizipation zu verbrennen.

Freilich: Strategie lässt sich nicht so genau vorausplanen wie hier in drei Varianten skizziert. Es ist etwa durchaus möglich, dass dann im Ernstfall die mit Regierungsjobs und -budgets verbundenen Möglichkeiten allzu verlockend sind, auch wenn man eigentlich ursprünglich anders wollte.

Selbst wenn keiner offen davon redet, so haben doch viele Freiheitliche im Hinterkopf solche Überlegungen. Man kann jedenfalls überhaupt nicht den Eindruck gewinnen, dass sich die FPÖ inhaltlich oder personell wirklich aufs Regieren vorbereiten würden. Das Leben als erfolgreiche Opposition ist durchaus attraktiv, haben viele Blaue entdeckt. Das war wohl auch ausschlaggebend, dass sie sich etwa zuletzt beim Bildungsthema kaum eingebracht haben.

Andererseits: Solange körpersprachlich ein nur beschränktes freiheitliches Interesse am Regieren erkennbar ist, werden die beiden anderen Parteien nur mit Rückversicherung die blaue Karte ins Spiel bringen.

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