Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Peinlich, peinlich: Theresa May hat im Glauben an gute Umfragen vorzeitige Neuwahlen provoziert, diese aber de facto verloren. Ihre Konservativen sind nur noch knapp stärkste Partei Großbritanniens, aber nicht mehr absolut wie bisher. May braucht nun Koalitionspartner – wird aber wohl keine finden. Denn die ordentlich gestärkte Labour-Partei wird nicht zur Verfügung stehen. Ebensowenig die geschwächten Liberaldemokraten, mit denen sich eine Regierungsmehrheit auch nur knappest ausgehen würde. Undenkbar scheint eine Koalition mit den ebenfalls geschwächten schottischen Nationalisten - es sei denn um den Preis der Unabhängigkeit Schottlands, was für die Konservativen aber Selbstmord wäre. Daher bliebe May nur die Möglichkeit, mit den diversen unabhängigen Abgeordneten eine mühsame Mehrheit zu zimmern.
Diese Malaise hat vier Ursachen. Die man auch anderswo, etwa in Österreich, genau beobachten wird.
Die erste Ursache ist zweifellos, dass es immer extrem riskant ist, vorzeitig Neuwahlen vom Zaun zu brechen. Wähler sehen das nicht ganz zu Unrecht sehr misstrauisch, wenn ihnen kein guter Grund für Neuwahlen serviert wird.
Sie vermuten vielmehr: Wenn Politiker, die ohnedies die absolute Mehrheit haben, so etwas machen, dann müssen sie offenbar düstere Absichten haben, die sie uns aber nicht vor den Wahlen verraten wollen. Sonst könnten sie diese Absichten ja auch ohne Neuwahlen realisieren.
Die zweite Ursache ist die Persönlichkeit von Theresa May. Nicht nur weil sie sich als schlechte Wahlkämpferin entpuppt hat, sondern auch, weil man halt nicht sehr glaubwürdig ist, wenn man zuerst deutlich gegen den Brexit auftritt, dann aber schlagartig zur knallharten Befürworterin des britischen Austritts aus der EU wird und „Brexit means Brexit“ posaunt.
Eine weitere Ursache der Schlappe für May waren zweifellos die Terroranschläge der letzten Tage. Normalerweise müssten diese zwar eindeutig einer konservativen Law-and-Order-Partei nützen, während sie der Linken mit ihren Islam-Sympathien schaden. Jedoch gilt das nicht, wenn die konservative Spitzenkandidatin als frühere Innenministerin selbst dafür verantwortlich war, dass bei der Polizei in den letzten Jahren massiv eingespart worden war.
Wie soll sie da glaubwürdig sein, wenn sie den Wählern einen künftig besseren Schutz gegen islamische Terroristen verspricht? Da hilft es offenbar nicht einmal, dass ihre Labour-Herausforderer bisher gegen alle Sicherheitsgesetze gestimmt haben.
Ein besonders deprimierender Grund des Dämpfers für die Konservativen ist aber auch die Ankündigung von Sparmaßnahmen im üppigen britischen Wohlfahrtssystem. Solche Maßnahmen sind zwar an sich notwendig, unvermeidlich und vor allem langfristig für die Bürger vorteilhaft; aber wenn man sie nicht zwingend begründen kann, und wenn zugleich die Konkurrenzpartei den Wählern vorspiegelt, das Wirtschaftswunder-Schlaraffenland könne ohnedies ungebremst weitergehen, dann erscheint dies offensichtlich vielen Wählern attraktiver als Politiker, welche unangenehme Notwendigkeiten verkünden.
Besonders blöd ist es, wenn solche Sparankündigungen zusammenfallen mit dem Austritt des Landes aus der EU. Die EU-kritischen Teile der Torys hatten ja den Briten eingeredet: Der Brexit koste die Bürger nichts. Jedoch schon jetzt wird ihnen durch die Ankündigung von Wohlfahrts-Streichungen eine unangenehme Rechnung präsentiert. Die ja die Brexit-Gegner immer prophezeit haben.
Das verärgert die Wähler. Man kann sie nicht wirklich davon überzeugen, dass das eine (noch) nichts mit dem anderen zu tun hat, selbst wenn ein Zurückstutzen des Wohlfahrtssystems auch ohne Brexit notwendig wäre. Aber auch wenn kaum ein Brite wieder das Brexit-Votum zurücknehmen will – das wäre in ihren Augen unsportlich und demokratiewidrig –, fühlen sich doch jetzt schon etliche von der Austritts-Kampagne hineingelegt.
Aber auch ohne diesen Brexit-Konnex ist es wohl so: Mit der Ankündigung von Sparmaßnahmen kann man offensichtlich in Europa höchstens dann Wahlen gewinnen, wenn ein Land de facto pleite ist, wie wir es etwa in Island und Schweden gesehen haben. Sonst bevorzugen viele Wähler durchaus die Schuldenmacherei, solange sie ihnen selbst nutzt.
Wie es jetzt auf den Inseln weitergeht? Gute Frage. Denn vorerst herrscht vor allem Ratlosigkeit. Ich halte einen Abgang Mays und neuerliche Neuwahlen für die relativ größte Wahrscheinlichkeit.
Eine sollte sich aber jedenfalls nicht freuen, und schon gar nicht schadenfreuen: Das ist die EU. Denn die Brexit-Verhandlungen mit den Briten werden jetzt mit Gewissheit noch viel schwieriger und komplizierter, als wenn May klar gewonnen hätte.
Deprimierend ist der Wahlausgang auch für die Liberaldemokraten. Obwohl sie die einzigen offen deklarierten EU-Befürworter sind, konnten sie nur einen kleinen Bruchteil der Brexit-Gegner vom letzten Referendum abholen.