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Teure Lebensart

„Es geht nicht, die französische Lebensart einfach einzureißen“, sprach Jean-Claude Juncker. Um Himmels willen: Wer will sich an Rotwein, Käse, Fruits de mer, Eifelturm, Louvre vergreifen?

Nun, das meint der EU-Präsident wohl nicht. Er meint, auch wenn er das nie offen ausspricht und immer nur herumredet, dass Frankreich anders sei, dass es Privilegien habe. Er meint, dass Frankreich nicht die europäischen Sparregeln einhalten will – und daher auch nicht braucht. Es geht nicht um Rotwein&Co, sondern darum, dass die Mehrheit der Franzosen nicht bereit ist, in Sachen geringer Wochenarbeitszeit, früher Pensionsantritt, Rekorddefizit, Kündigungsschutz, Arbeitsdisziplin oder „Retten“ maroder Betriebe auf Staatsschulden unbequeme Maßnahmen zu akzeptieren.

Lediglich ein einziger Präsidentschaftskandidat wollte daran etwas Substanzielles ändern. Aber der ist prompt schon im ersten Durchgang ausgeschieden.

Das ist es also, was Juncker so seltsam mit „Lebensart“ umschreibt. Das ist es, was auch in vielen anderen Ländern starke Kräfte wollen.

Nun ja, werden manche sagen. Sollen sie halt. Die romanischen Länder waren ja noch nie durch germanischen Arbeitseifer geprägt (den man übrigens angesichts der tollen Krisenbewältigung in Irland und Island mit der dortigen Austeritätspolitik auch als „keltisch“ bezeichnen müsste).

Jahrhundertelang war das für die Außenwelt auch kein Problem. Diese konnte sich auf touristischen Reisen sogar an der im Mittelalter steckengebliebenen Realität süditalienischer Regionen begeistern. Wie romantisch!

Ein Problem für den Rest Europas ist das erst, seit es den gemeinsamen Euro gibt. Die Politiker haben bei dessen Einführung einfach nicht verstanden, wie sehr Währungen und deren Austauschrelationen all das auffangen und ausgleichen, was es an Unterschieden in der Lebensart gibt. Seither ist das aber nicht möglich. Das ist ihnen aber erst in der ersten großen Konjunkturkrise nach Einführung des Euro klar geworden.

Was jetzt tun? Fehler der Vergangenheit zu beweinen hilft ja nicht weiter. Die Franzosen haben für sich richtig entschieden: Solange es Aussicht gibt, dass Deutschland plus ein paar kleinere Satelliten plus die EZB auf Risiko aller anderen ungehemmt südeuropäische Lebensart finanzieren, können sie ja weitermachen. Die Deutschen sind aber immer weniger bereit dazu, zumindest solange dort ein starker Finanzminister wie Wolfgang Schäuble sitzt. Schon der österreichische EZB-Exponent Ewald Nowotny tritt da viel schwächlicher auf. Und Juncker will überhaupt genau das, was Schäuble nicht will, zu einem Dauerzustand machen. Der französische Wahlsieger Macron will es sogar noch intensivieren.

Aber auch sie alle müssten eigentlich wissen: Eine EZB/EU-Strategie, die im Falle Griechenlands noch möglich gewesen ist, muss zur Implosion führen, wenn auch Frankreich und Italien durchgefüttert werden sollen. So sehr beider Lebensart zu bewundern ist.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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