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Die Welt boomt, Österreich summt

Es war eine der wichtigsten Nachrichten der letzten Zeit aus Österreich – und es war dennoch eine der am wenigsten beachteten: 2016 hatte Österreich das zweithöchste Defizit in der ganzen EU. Dieses war auch weit höher als budgetiert, was hingegen in früheren Jahren meist umgekehrt war. Diese Nachricht kam schon vor Ausbruch der Mitterlehner-Kurz-Turbulenzen, wurde aber auch damals ignoriert. Wohl weil Regierung und Medien nur gute Nachrichten wollen.

Nach EU-Statistiken hat dieses Defizit am Ende des vierten Quartals 2,9 Prozent des BIP ausgemacht. Lediglich ein einziges Land hat im Verhältnis zu seiner Wirtschaftsleistung noch mehr Schulden gemacht – nämlich Frankreich (minus 3,2 Prozent). Also jenes Land, um das sich derzeit ganz Europa große Sorgen macht.

Der gefährliche Trend des letzten Jahrzehnts setzt sich fort: Österreich ist aus seiner vielfachen Spitzenreiterposition in fast allen wirtschaftlichen Parametern im Vergleich zum Rest Europas weit zurückgefallen. Besonders schlimm ist die Entwicklung der Arbeitslosigkeit. Bei dieser gab es zwar im letzten Monat ein leichtes Entspannungssignal – aber auch dieses bedeutet ein weiteres Zurückfallen hinter dem überall (nur nicht im Süden) brummenden Rest Europas. Sind doch europa- wie weltweit derzeit die Konjunktursignale so optimistisch wie noch nie in diesem Jahrzehnt.

Das wäre daher eigentlich der ideale Zeitpunkt, um endlich kraftvoll jene Reformen fortzusetzen, die das Land braucht, die aber zehn Jahre nicht geschehen sind. Wie: Entbürokratisierung, Hebung des Pensionsantrittsalters, Selbstbehalte und Wettbewerb im Gesundheitssystem, Beamtenabbau, Abbau der Subventionen, Entflechtung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern.

Aber nichts davon geschieht. Zehn Jahre diente dafür die schlechte Konjunktur als Ausrede – und jetzt wird seit einem Jahr ununterbrochen Wahlkampf gemacht. Das „Arbeitsprogramm“, das vor einigen Wochen fixiert worden ist, ist vor allem eine gefährliche Drohung, würde seine Realisierung ja vielfach noch mehr Defizit bedeuten.

Besonders deprimierend ist, dass nicht weniger als sieben EU-Länder im Vorjahr einen Budgetüberschuss hatten. Das ist etwas, was Österreich seit Jahrzehnten nicht geschafft hat. Ein weiteres knallrotes Warnsignal sollte die Tatsache auslösen, dass rundum immer mehr Reformländer die Vollbeschäftigung erreichen, dass also die positiven Auswirkungen des Imports von qualifizierten und leistungswilligen Arbeitskräften aus diesem Raum zunehmend versiegen, von dem Österreich ein Vierteljahrhundert massiv profitiert hat. Statt dessen ziehen fast nur noch Menschen mit einem Drittwelt-Hintergrund zu, die einem in die Digitalisierung hinübergleitenden Industrieland des 21. Jahrhunderts zum Großteil überhaupt nicht nützen und die statt dessen dauerhaft die ohnedies angespannten Sozialsysteme belasten.

Das alles wird hierzulande ignoriert, ebenso wie das noch mehr bedrückende ständige Ansteigen des Brain drains: Jedes Jahr ziehen Tausende der bestausgebildeten jungen Österreicher weg. Sie sehen anderswo mehr Zukunft, mehr Freiheit. Sie sehen dort niedrigere Steuern und weniger Staat. Sie werden uns bitter fehlen. Und können durch nichts ersetzt werden.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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