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Die Feinde des Sebastian Kurz und die heimliche Strategie des Christan Kern

Je lauter der allgemeine Ruf in der Volkspartei und unter den Wählern nach Sebastian Kurz wird, umso heftiger wird hinter den Kulissen die Wühlarbeit der parteiinternen Feinde des Außenministers. Von denen sich natürlich keiner nach außen outen will, die aber durchaus zu orten sind. Noch viel raffinierter als diese agiert derzeit der SPÖ-Chef Kern bei seinen Versuchen, ohne ÖVP weiterzuregieren.

Zuerst zu den innerparteilichen Kurz-Feinden: Sie sind in diesen Stunden heftig beim Intrigieren. Zu ihnen zählen einzelne Politiker, die bei einer Machtübernahme von Kurz in der ÖVP wohl nicht mehr lange im Amt bleiben. Der eindeutigste Verlierer ist der derzeitige Generalsekretär Werner Amon, der ja von Reinhold Mitterlehner einst geradezu mit dem Auftrag „Verhindere Kurz“ in die Zentrale geholt worden war.

Aber auch der EU-Abgeordnete Othmar Karas ist wild entschlossener Gegner von Kurz. Sein EU-Fanatismus und -Zentralismus kontrastiert total zur nüchternen Linie des Außenministers, welche die EU auf das Wesentliche reduziert sehen will. Und bei Karas ist es noch sicherer als bei Amon, dass Kurz mit ihm absolut nicht kann.

Es sind aber auch etliche Landeshauptleute nur halbherzig mit ihren Lobpreisungen für Kurz. Sie wissen zwar, dass ihnen ohne diesen oder gar bei einem Alleingang von Kurz außerhalb der ÖVP bei sämtlichen Wahlen ein ordentlicher Dämpfer droht. Sie wollen aber möglichst nicht substantielle Konzessionen machen, nicht ihre Personalhoheit über die Liste der Nationalratskandidaten aufgeben.

Aber viel effektiver ist die Strategie zweier völlig außerhalb des Medieninteresses arbeitender Organisationen. Sie lautet: „Lasst Kurz elegant gegen eine Schaumgummiwand laufen, während wir ihn laut bejubeln.“

Die eine dieser Organisationen heißt Raiffeisen, die andere Wirtschaftskammer. Die für diese Strategie entscheidenden Personen heißen Christoph Leitl und Christian Konrad. Letzterer ist zwar eigentlich bei Raiffeisen schon abgegangen, aber dennoch weiterhin einflussreich, weil Konrad noch viele exzellente Verbindungen hat. Er hat vor seinem Abgang alles so strukturiert, dass sich nach ihm kein anderer starker Mann durchsetzen kann.

Die beiden sind äußerlich und ideologisch die absoluten Kontratypen zu Kurz. Sie sind Persönlichkeiten der uralten Schule, welche die ÖVP immer nach links zu ziehen versucht hat. Das ist auf den ersten Blick angesichts der beiden Organisationen erstaunlich, für welche die beiden stehen. Auf den zweiten nicht mehr: Denn gerade wenn man alle möglichen Geschäftchen machen und viele egoistischen Interessen vertreten will, die in der Öffentlichkeit nicht gerade gut ankommen, gerade wenn man etwas so Populär-Feudales wie die Jagd und die Industrie vertritt, gerade wenn man aus geheim gehaltenen Gründen für das hässliche Spekulations-Hochhaus neben dem Konzerthaus lobbyiert, dann versucht man das durch sonstiges Linksgerede zu kompensieren. Beide – vor allem Leitl – sind auch generationsmäßig durch die 68er Bewegung geprägt. Leitl war immer ein Kämpfer gegen die Anliegen von Familien. Und Konrad hat sich zuletzt sogar als Lobbyist der Massenzuwanderung betätigt.

Beide sind durch diese Positionierungen seit vielen Jahren die wahren Totengräber der ÖVP. Sie und ihre Gesinnungsgenossen sind verantwortlich für eine Reihe missglückter Parteiobmänner wie Riegler, Busek, Pröll und eben zuletzt Mitterlehner. Hingegen sind sie Wolfgang Schüssel, dem erfolgreichsten ÖVP-Chef der letzten Jahrzehnte, nicht gerade konstruktiv gegenübergestanden.

Sie hatten jedoch eine Stärke: Das, wofür sie stehen, vertreibt zwar die Wähler der ÖVP, aber die Finanzierung der Partei wäre ohne diese beiden Pole wohl nie geglückt.

Und jetzt droht gar Kurz als ÖVP-Chef.

Nun, wir werden in ein paar Tagen sehen, ob sie Erfolg mit ihren Sticheleien hinter den Kulissen haben.

Aber zugleich sind die genannten Personen jedenfalls ein weiteres Argument, das für Kurz spricht. Wer solche Gegner hat, der muss ganz gut sein (Lediglich mit Amon kann man ein wenig Mitleid haben, dass er da zwischen die Fronten geraten ist).

Kern zimmert eine Kanzlermehrheit – mit Chancen

Ganz unabhängig von den Entscheidungen in der ÖVP setzt Christian Kern sein Intrigenspiel fort. Nach außen hat er zwar der ÖVP das angesichts der sonstigen Taten und Worte der gesamten SPÖ verlogene Angebot einer „Reformpartnerschaft“ gemacht. Aber noch bevor er die Antwort der ÖVP darauf erhalten hat, hat er schon hinter den Kulissen intensive Verhandlungen über die Bildung einer alternativen Regierungsformel begonnen. Nämlich über eine Minderheitsregierung gegen die ÖVP – vielleicht sogar über eine Regenbogenkoalition.

Auf den ersten Blick sagen viele: Das ist absurd, das hat keine Chance.

In der Tat: Die Freiheitlichen stehen ja sicher nicht zur Verfügung. Die wollen am deutlichsten von allen Parteien wählen, weil sie sich jedenfalls einen Zuwachs erwarten können. Unter H.C.Strache sind sie eindeutig eine Partei des Wahlkämpfens, die eher wenig Lust hat, sich mit Regierungsverantwortung abzumühen und zu beschmutzen.

Ohne Schwarz und Blau bräuchte Kern jedoch gleich vier Parteien, um sich eine Mehrheit für welches Kabinett immer zu sichern. Das ist gar nicht so unwahrscheinlich, wie es scheint. Da besteht eine Chance.

Denn es gibt in der Tat vier Parteien, die derzeit alles andere als Wahlen wollen. Und die zusammen eine knappe Mehrheit hätten. Nämlich:

  1. Die SPÖ muss zwar nicht unbedingt mit Verlusten bei Wahlen rechnen. Aber für sie besteht durchaus die Gefahr, dass sie von Kurz und/oder Strache überholt wird, also möglicherweise sogar vom ersten auf den dritten Platz zurückfällt. Auch die Zahlen aus Deutschland sind für die Genossen eine massive Warnung, hat doch Deutschland oft eine gewisse Vorbildwirkung. Dort ist die SPD seit einem Monat nach einem kurzfristigen Hype um den neuen Parteichef (hört, hört!) und einem Umfragen-Gleichstand mit der CDU wieder drastisch zurückgefallen. Sie liegt nun schon wieder zehn Prozentpunkte hinter der Union (die auch etliche ob der dortigen Streitereien frustrierte AfD-Wähler zurückgewinnen kann). Die SPD hat zwei Landtagswahlen verloren und hat auch für die dritte – im größten deutschen Bundesland – am kommenden Sonntag zunehmend ernüchternde Umfragen. Das macht auch die SPÖ derzeit total wahlunlustig. Von einem linken Zeitgeist ist europaweit nichts zu spüren (dafür müsste man schon bis Südkorea gehen).
  2. Die Grünen müssen sogar ganz sicher mit einem Rückfall rechnen. Denn allgemein macht sich Ernüchterung über die Performance von Alexander van der Bellen breit. Denn auch in Deutschland sind die Grünen mit Minuswerten unterwegs. Denn Parteichefin Glawischnig ist alles andere als eine Strahlefrau, sie kann sich nicht einmal durch den tiefen Abstieg ins Seitenblicke-Milieu aus dem Sumpf ziehen. Denn die „Welcome“-Euphorie der Grünen ist bei bürgerlichen Grünwählern (auch die hat es gegeben) zunehmend unbeliebt. Denn die Wiener Katastrophe – also üble Deals mit einem Spekulanten und das brutale Ignorieren des Ergebnisses einer Urabstimmung – ist gerade für die typischen Grünwähler sehr abschreckend. Denn alle sonstigen Grünthemen (anti-Lobau-Tunnel, anti-Auto, anti-CO2, pro-Gesamtschule, pro-Radikalfeminismus usw.) bewegen keinen zusätzlichen Wähler mehr.
  3. Ganz ähnlich die Lage bei den Neos. Auch ihnen droht ein Minus am Wahltag – manche Prognosen rechnen sogar mit ihrem Ausscheiden aus dem Parlament angesichts des Kampfs dreier Großparteien. Auch die Neos haben sich gesellschaftspolitisch doktrinär links positioniert – mit zwei blöden Folgen: Sie sind erstens nicht mehr von den Grünen zu unterscheiden; und zweitens können deshalb nur noch ganz wenige bürgerlich-wirtschaftsliberale Menschen etwas mit der selbsternannten „Bürgerinnen- und Bürgerbewegung“ anfangen.
    Diese drei genannten Parteien – rot-grün-pink – sind ja die erklärte Wunschachse der SPÖ. Kleines Problem: Sie haben jetzt keine Mehrheit, und es gibt auch keine Umfrage, die ihnen nach der Wahl eine solche in Aussicht stellt.
  4. Das aber bringt zum ersten- und wohl auch letzten Mal in seiner Geschichte das Team Stronach ins echte politische Spiel. Diese Partei steht zwar in fast allen politischen Fragen und Themen rechts – meist irgendwo zwischen FPÖ und ÖVP –, aber es ist für sie mehr als verlockend, knapp vor dem angesagten Tod plötzlich Teil einer Regierungsmehrheit zu werden. Da kann man noch eineinhalb Jahre lang Abgeordnetenbezüge kassieren. Und mehr als verlieren kann man dann auch nicht.

Das ist extrem verlockend. Und Kern wird sicher den Stronachs irgendein Zuckerl versprechen, das der Kleinpartei dann auch sagen lässt: „Wir haben uns durchgesetzt.“

Nach allem, was man über Kerns intensive Verhandlungen hinter den Kulissen hört, laufen diese also relativ aussichtsreich. Die beiden kleinen Parteien hat Kern de facto schon in der Tasche. Lediglich die Grünen zögern noch.

Denn sie haben gerechnet und wissen daher: Es gibt ja auch weiterhin eine rechte Mehrheit im Parlament mit Schwarz-Blau-Stronach. Und auch für das TS wäre es natürlich inhaltlich viel passender, mit einer Rechtsachse Reformen durchzusetzen. Selbst wenn sie Kern weiter als Kanzler mittragen.

Daher könnte die kleinste Partei jetzt plötzlich zur wichtigsten im österreichischen Intrigenspiel werden. Daher wird es in den nächsten Tagen ein paar spannende Fragen geben:

  • Wofür entscheidet sich das Team?
  • Für seine Gesinnung und seine Wähler, die eindeutig nach rechts tendieren?
  • Oder für eineinhalb sichere Jahre im Parlament anstelle des sicheren Todes im Frühherbst bei Neuwahlen?
  • Und für Grün wird die Frage entscheidend: Kann man glauben, dass die Stronachs wirklich die Disziplin einer Linkskoalition halten werden?

Wir werden sehen. Wenn es nicht um Österreich ginge, wäre das alles sogar ein lustiges Schachspiel. So sehr Kern auch als Sachpolitiker bisher versagt hat, so übel vor allem seine Rolle als oberster Flüchtlings-Schlepper gewesen ist, so erstaunlich sind seine Fähigkeiten und die seiner Spindoktoren beim Schachspiel.

PS: Manche werden nun sagen: Warum spielt nicht die ÖVP das gleiche Spiel? Warum gibt es nicht auch Basteleien an einer Rechtsallianz? Einfache Antwort: Weil die Freiheitlichen auch dafür nicht zur Verfügung stehen, ohne die rechts der Mitte nichts geht. Sie wollen immer nur eines: Wählen, Wählen, Wählen.

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