Dreißig Jahre nach der Bestellung des Regensburger Universitätsprofessors Kurt Krenn zum Weihbischof von Wien ist eine Aufarbeitung der Ereignisse hoch an der Zeit.
Anlass für den folgenden Kommentar ist das Erscheinen der Gedenkschrift „Verfolgung leiden… - Ein neuer Weihbischof für Wien“ vor wenigen Wochen. Wie schon öfter festgestellt, ist eine theologische Thematik auch für ein politisches Internet-Tagebuch von Relevanz und erfahrungsgemäß für viele von dessen Lesern von Interesse.
Die Kirche in Österreich mit Auflösungserscheinungen…
Die Ernennung von Kurt Krenn zum Weihbischof in Wien mit den Agenden Wissenschaft, Kultur und Sport am 3. März 1987, wenige Tage später der Öffentlichkeit bekanntgegeben, löste unverzüglich eine massive und offensichtlich wohlkoordinierte Medienkampagne aus. Besonders der kirchliche Apparat und einige Bischofskollegen befeuerten Ablehnung und Gehässigkeiten. Man mokierte sich darüber, nicht gefragt worden zu sein, und warf dem Neuernannten vor, „gegen das Konzil“ zu sein. Dabei wurden Ansichten und Propagandaslogans in einer Offenheit artikuliert, die den schon längst vollzogenen Abfall vom überlieferten Glauben sichtbar machten.
Die Kirche Österreichs war also schon länger in einer schweren Glaubenskrise gewesen.
Das betraf Doktrin, Liturgie, pfarrliche Katechese, schulischen Religionsunterricht, akademische Theologie und Moralverkündigung – und daher natürlich auch die Politik: Durch die vermeintliche „Versöhnung“ mit dem Austromarxismus (irreführenderweise meist harmlos „Arbeiterschaft“ genannt) waren die Kirchenführer zu Komplizen der sozialistischen Regierung von Bruno Kreisky und seines obersten Kulturkämpfers, Justizminister Christian Broda, geworden. Sie trugen die entsprechenden Gesetzesmaßnahmen, bis hin zur schändlichen „Fristenlösung“, de facto mit – bei gelegentlichem Protest, der wohl mehr theatralischen Charakter besaß.
…wie auch die Weltkirche
Papst Johannes Paul II. versuchte damals, durch die Bestellung „konservativer“, dem authentischen Lehramt zugeneigter Bischöfe die Katastrophen der Nachkonzilszeit zu korrigieren.
Im Nachhinein wird man sagen müssen, dass das sowohl am massiven Widerstand einer abdriftenden Regionalhierarchie und ihrer Apparate als auch an einer letztlich doch zweideutigen und inkonsequenten Politik des Papstes selbst scheiterte.
Man denke etwa an die Stellungnahmen der Episkopate des deutschen Sprachraums gegen das päpstliche Rundschreiben Humanae vitae (1968), also die Erklärungen von Mariatrost, Königstein und Solothurn. Diese wird man als quasi-schismatische Akte qualifizieren müssen. Deren Widerruf wurde aber nicht vom Papst eingemahnt. Somit wirkten sie zerstörerisch weiter.
Die Situation in Österreich (beklagt in dem berühmten Bericht von Nuntius Mario Cagna von 1985) war klarerweise nicht isoliert von den Verwerfungen in der Weltkirche. Diese wurden durch das II. Vaticanum ausgelöst bzw., wie manche sagen, katalysiert (weil sie schon vorher latent vorhanden waren).
Die Ereignisse in der Kirche Österreichs in den späten 80er Jahren zeigten, dass seitens der Lokalhierarchie offensichtlich der Wille bestand, Konzil und „Liturgiereform“ als Bruch mit der vorhergehenden Praxis zu interpretieren (als was beide auch intendiert waren) und in diesem Geist umzusetzen. Da kam ein Bischof, der die Kontinuität bzw. den katholischen Glauben so gut wie eben möglich praktizieren wollte, reichlich ungelegen. Er sprach von der „Wahrheit Gottes“ und von „Bekehrung“, was im relativistisch-freimaurerischen Milieu des von Kardinal König geprägten Katholizismus in Österreich natürlich als Kampfansage verstanden werden mußte.
Daher mußte er weg.
Zu den Details sei auf die genannte Gedenkschrift verwiesen, die ein wichtiges kirchengeschichtliches Dokument darstellt:
Eine kirchenhistorisch relevante Publikation
Die Schrift wurde von Rudolf Födermayr, Schwager des verewigten Bischofs, im Eigenverlag herausgebracht.
Der Hauptteil ist eine detaillierte Chronologie der Ereignisse durch den Kirchenhistoriker und ehemaligen Bischofsvikar P. Dr. Ildefons M. Fux OSB. Diese ist der Festschrift zum 70. Geburtstag von Bischof Krenn Der Wahrheit verpflichtet (Verlag St. Josef, Kleinhain, 2006) entnommen. Angefügt sind eine kurze Biographie, sowie Nachrufe auf Bischof Krenn, die zeitnahe zu seinem Tod am 25. Jänner 2014 erschienen. Sie stammen von Stephan Baier (Die Tagespost), vom Autor dieser Zeilen (Nachruf vom 31.01.14 auf katholisches.info, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion abgedruckt), vom Pfarrer von Zell am Ziller (Tirol, Erzdiözese Salzburg), Dechant Dr. Ignaz Steinwender, von P. Werner Schmid, dem damaligen Moderator der Weltpriestergemeinschaft St. Josef, Kleinhain/St. Pölten, und von P. Ildefons Fux.
„Ein neuer Weihbischof für Wien“ – inmitten bischöflicher Unwahrhaftigkeit
Pater Fux zeichnet in seinem Beitrag die Stellungnahmen von Kirchenmännern und Medienleuten nach, die meist mehr oder weniger unverhohlenen Hass gegen den neuernannten Bischof – und den ernennenden Papst – ausdrücken.
Skandalisierend ist, was P. Fux über die Pressekonferenz von Erzbischof Karl Berg (Salzburg) und Bischof Johann Weber (Graz) im Anschluss an den Ad-limina-Besuch bei Papst Johannes Paul II. am 19. Juni 1987 berichtet. Die Bischöfe beschwichtigten damals und gaben an, es gebe „keine Spaltung unter den Bischöfen, keine Kluft zum Heiligen Vater“.
Diese Stellungnahmen waren aber unwahrhaftig, wie Bischof Weber später zugab: „Bei dieser Pressekonferenz, so erinnerte sich Weber später, da haben wir ‚schon sehr gekünstelt. Da ist es uns extrem schlecht gegangen.‘“
Klarerweise stellt sich die Frage, wann die Herren Bischöfe auch sonst noch „gekünstelt“ haben.
Fux stellt einen größeren kirchengeschichtlichen Zusammenhang her:
„Man wird im Streit über die in Frage gestellten Bischofsernennungen im Kontext der Kirchengeschichte wohl nicht umhin können, an eine Neuauflage des Investiturstreites zu denken, nur dass es nicht die Staatsgewalt war, die hier Rechte für sich beanspruchte, sondern eine Bewegung von Priestern und Laien, die ein Mitbestimmungs- bzw. Zustimmungsrecht im Sinne eines variierten ‚Placetum regium‘ für sich arrogierte.“
„Kurt Krenn ging es stets um die Wahrheit“ – inmitten der Diktatur des Relativismus
Dipl.-Theol. Stephan Baier, Österreich-Korrespondent der Tagespost, verfügt, wenn er nicht gerade EU-Propaganda betreibt, durchaus über ein gesundes Urteil. So auch in gegenständlichem Nachruf, der das intellektuelle und seelsorgliche Wirken des Verstorbenen würdigt, aber auch das Unerfreuliche nicht verschweigt:
„[Alle] Kontroversen über die Ausrichtung der Kirche und ihrer Theologie hätten den streitbaren Hirten von St. Pölten nicht zu Falle gebracht. Die Förderung des Priesternachwuchses war ihm ein zentrales Anliegen, und wurde ihm letztlich zum Verhängnis. Im Gespräch mit dieser Zeitung meinte Krenn 2001, man müsse Erfolg auch quantifizieren, also solle man seine Amtszeit daran messen, ob es nachher mehr Priester in der Diözese gebe als vorher. Das Pöltner Seminar wuchs, aber das Unkraut darin offenbar auch. Als der von ihm installierten Leitung des Priesterseminars homosexuelle Aktivitäten zugeschrieben wurden, als Krenn die Vorwürfe allzu schnell abtat, da wandten sich viele Bischöfe von Krenn ab“.
Das ist – leider – richtig. Allerdings hatten sich etliche Bischöfe nicht erst in der Krise um das Priesterseminar von Bischof Krenn abgewandt.
„Der Wahrheit verpflichtet“ – nur die Wahrheit kann Freiheit garantieren
Was heutzutage von besonderer Relevanz ist, ist der von Dechant Dr. Steinwender gewürdigte Einsatz des Bischofs für die wahre Freiheit:
„Oft hat man Krenn vorgeworfen, er polarisiere. Sicher hat er mit scharfsinnigen Wortmeldungen weltanschauliche Gegner herausgefordert und harmoniebedürftige Mitbrüder sowie zeitgeistige Mitläufer verärgert. Aber er tat dies, weil er sensibel war für die totalitären Züge der Meinungsmache, es war ein Dienst an der Freiheit und an der Wahrheit“.
Richtig, da es bekanntlich keine Freiheit ohne Wahrheit gibt! Wie man sieht, ist dieses Wissen heute auch in der Kirchenhierarchie verloren gegangen.
Resümee
Bischof Krenn deckte für einige Jahre die Lebenslüge des österreichischen Katholizismus der nachkonziliaren Zeit und der König-Ära auf. Dieser war schon weit vom Glauben abgekommen. Für einige Jahre erhellte Krenn die Gottesfinsternis, die ein relativistischer Hybrid-Glaube verursacht hatte. Diese Finsternis legte sich konsequenterweise auf die gesamte Gesellschaft, auf Politik, Kultur und Manieren. Sie führte zur Massen-Abtreibung, zur „Diktatur des Hässlichen“ und zum schleichenden Niedergang der Familien und des Volkes. Corruptio optimi pessima – Das Schlimmste passiert dann, wenn das Beste verdirbt. Zu viele Kirchenführer hatten sich, aus welchen Gründen auch immer, von der Wahrheit abgewandt.
Bischof Krenn mahnte die Wahrheit ein und warnte mit drastischen Worten vor der Lüge.
Unglückliche Umstände, nämlich die Kampagnen von außerhalb und innerhalb der Kirche, und die einsetzende Krankheit, führten, neben einer Fehleinschätzung der Lage am Priesterseminar, zum vorzeitigen Amtsverzicht.
Auch die Wirren im Gefolge des Konzils, vom Papst nicht ausreichend korrigiert, stellen einen solchen unglücklichen Umstand dar.
In diesem Sinne wäre eine vollständige Aufarbeitung der Ereignisse dringlich. Besonders auch durch diejenigen, die damals eine unrühmliche Rolle spielten.
Ildefons Fux, …Verfolgung leiden… - Ein neuer Weihbischof für Wien, Erinnerung an die Ernennung und Konsekration von Kurt Krenn, 1987; Eigenverlag, Herausgeber: Rudolf Födermayr; Oberkappel 2017; 72 S.; Bezug über: Christlicher Medienversand, Linz (hurnaus@aon.at), oder: Verlag St. Josef, Kleinhain (verlag@stjosef.at).
MMag. Wolfram Schrems, Theologe, Philosoph, Katechist