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Gleich auf drei Ebenen erhöhen die letzten Tage noch mehr als schon bisher das Bangen um den Rechtsstaat. Auf der Ebene der Staatsanwaltschaft, auf der Ebene der Richtervereinigung und auf der Ebene der von der Regierung geplanten Gesetzgebung. Auf allen drei Ebenen ist Justizminister Wolfgang Brandstetter haupt- oder mitschuld. Der Mann zeigt keinerlei Sensibilität für einen freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat und seine Notwendigkeiten – so wie auch ein Großteil des restlichen Spitzenpersonals dieser Republik. Sie denken zunehmend in den Schablonen eines Obrigkeitsstaates wie weiland die Herren Metternich und Gentz: hier die privilegierte Beamtenklasse – bzw. damals die Aristokratie –, dort die gewöhnlichen Untertanen, damals wie jetzt.
Am offenkundigsten sind die Missstände in der Staatsanwaltschaft, und zwar besonders bei der in Wien. Schon seit Jahren zeigen hier die Staatsanwälte nur noch mangelhafte juristische Qualität, dafür sehr viel vorweggenommenen Gehorsam gegenüber der politischen Macht. Verfahren gegen Machthaber werden regelmäßig eingestellt (besonders krass war das bei jenem gegen die Herren Faymann und Ostermayer). Verfahren gegen Oppositionelle werden hingegen unendlich lange ausgedehnt, bis diese bürgerlich tot sind, und dabei oft mit bloß dünnem Substrat geführt.
Jetzt ist zusätzlich durch einen Mordprozess auch ein abenteuerliches Sittenbild aus dieser Staatsanwaltschaft an die Öffentlichkeit gedrungen. Eine Staatsanwältin hat sich ganz offensichtlich als Drogentransporteurin und Kupplerin betätigt, die ihrem Freund nach der Reihe andere Staatsanwältinnen zugeführt hat (eher nicht, um mit ihnen Schach zu spielen). Diese Staatsanwältin hat auch durchgesetzt, dass sie bei Gericht als Zeugin im Mordprozess ihre Aussagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit machen kann, obwohl sie zuvor Illustrierten mit nicht sonderlich toller Reputation freiwillig Interviews gegeben hatte.
Eine widerliche Affäre. Doch nicht für den Justizminister und sein Ministerium. Bisher ist jedenfalls kein einziges Wort der Kritik von dort, also der Staatsanwälten vorgesetzten Behörde, laut geworden. Bisher ist keine Suspendierung der betreffenden Dame und ihrer Mittäterinnen bekannt geworden. Nur Schweigen. Lediglich inoffizielle Andeutungen, dass man sich das Ganze eh anschauen würde.
Begreifen denn die alle nicht, was für ein ungeheurer Schaden das für das Ansehen der Justiz ist? Begreifen sie nicht, dass unabhängig von der Frage, ob die involvierten Damen etwas konkret Strafbares getan haben, zur Aufrechterhaltung dieses Ansehens auch ein Mindeststandard in der persönlichen Lebensführung gehört? Dass dabei manches wichtiger ist als der vorgeschriebene Anzug unter dem Richtertalar (der dort ohnedies oft nicht mehr vorhanden ist)?
Fast noch ärgerlicher ist das, was mir ein hoher Justizfunktionär auf meine diesbezüglichen Sorgen geantwortet hat: Es würden ohnedies alle vor der Übernahme psychologisch getestet. Als ob irgendwelche psychologische Tests künftiges Benehmen vorhersagen könnten. Als ob sie ein Ersatz für klare disziplinäre Führung wären. Das glauben nicht einmal mehr die daran verdienenden Psycho-Berufe selbst.
Dazu fällt mir auch das Schicksal einer jungen Juristin ein, die trotz exzellenter Noten beim angestrebten Wechsel in den Justizdienst an einer Psychologin gescheitert ist. Der Grund: Sie hat sich als gläubig katholisch geoutet. Und das ist in dieser Republik inzwischen schon schädlich.
Wirklich widerliche Zustände. Aber offensichtlich völlig uninteressant für diesen Minister.
Das führt nahtlos zur nächsten Ebene, zur Richtervereinigung. Ein Wiener Richter sandte mir empört eine Einladung der Sektion Wien dieser Vereinigung zu einer von 9,00 bis 16,30 Uhr dauernden Veranstaltung. Sie findet am 3. Mai statt, also an einem eigentlich ganz normalen Arbeitstag. Sie steht unter der seltsamen Überschrift „Wien ist anders – Lebensformen unter dem Regenbogen“ und wird offensichtlich vor allem von der Rotgrün sehr, sehr nahestehenden Kampforganisation „Hosi“ veranstaltet. Dabei wird laut Programm – abgesehen von etlichen Kaffee-Konsumationen – über diesen Verein und über das „schwule/lesbische/… Leben in Wien“ informiert (was auch immer diese drei Punkte bedeuten mögen), da wird eine Buchhandlung „mit einem großen Sortiment an entsprechender Literatur“ und mit „kundigen Mitarbeitern“ besucht, da wird ein offenbar einschlägiger „Stadtspaziergang“ geboten.
Niemand soll freilich glauben, eine Teilnahme an diesem seltsamen Tag wäre Privatvergnügen der betreffenden Richter. Denn die Anmeldung dazu erfolgt auf dem „Dienstweg“; und: „Die Teilnahme gilt als Dienst. § 73 RGV gelangt zur Anwendung.“ RGV heißt: „Reisegebührenvorschrift“.
Gilt als Dienst. Wofür wir halt unsere Richter so bezahlen.
Niemand sollte auch glauben, das wäre eine einmalige Sache. Vielmehr kann man da lesen, dass dieser Tag voller Kaffee und Stadtspaziergängen laut Einladung zu einer ganzen „Veranstaltungsreihe“ gehört.
Hat noch jemand Fragen, warum in Österreich Prozesse und Urteilsausfertigungen oft jahrelang dauern?
Wundert sich noch jemand, warum vor kurzem ein „Krone“-Journalist vom Wiener Landesgericht zu einer „Diversion“ – nein nicht verurteilt, sondern am korrektesten sagt man wohl: – bewegt worden ist, die ausgerechnet an die ja auch nicht gerade ideologisch neutrale Organisation „SOS Mitmensch“ geflossen ist?
Er hatte in einem Kommentar von „testosteron-gesteuerten Syrern“ mit „äußerst aggressiven sexuellen Übergriffen“ und einigen ähnlich bösen Dingen geschrieben, die sich auch in ÖBB-Zügen abgespielt haben sollen, die aber laut offiziellen Erklärungen von ÖBB und Polizei nie stattgefunden haben. Nicht Thema vor Gericht war allerdings, warum damals – 2015 – eigentlich die ÖBB unter einem gewissen Christian Kern den einzelnen Eisenbahnern Interview-Äußerungen gegenüber Journalisten verboten haben. Wenn eh nichts passiert ist.
Damit sind wir nahtlos bei der dritten Ebene angelangt, bei der neuen Verschärfung des Strafgesetzes. Nach der Verhetzung soll nun schon wieder ein weiterer Tatbestand geschaffen werden, mit dem der Staat Meinungen verfolgt. Minister Brandstetter beharrt auf einem Gesetz, das vorgeblich gegen die skurrile Spinner-Gruppe der „Reichsbürger“ beziehungsweise „Staatsverweigerer“ gerichtet ist, in dem als Tatbestandsmerkmal eine falsche „Gesinnung“ genannt wird. Und sein zuständiger Sektionschef verteidigt das im Fernsehen noch mit dem unglaublichen Argument, dass ohnedies das gesamte Strafrecht ein Gesinnungsgesetz wäre.
Das ist eine ungeheuerliche Einstellung eines wichtigen Funktionärs der Macht. Aber die SPÖ wird dem Gesetz des ÖVP-Ministers natürlich begeistert zustimmen, weil sie ja ohnedies auf vielen Ebenen massiv versucht, falsche Gesinnungen zu kriminalisieren. Wenn man schon keine Wahlen mehr gewinnen kann, dann kann man ja versuchen, die Gegner einzusperren.
Sie alle wissen offenbar nicht, wie gefährlich solche Instrumente in den Händen einer weniger korrekten Richterschaft werden können, als wir sie derzeit mehrheitlich noch haben. Sie alle haben offenbar nicht mitbekommen, was sich seit einiger Zeit in der Türkei und Russland vor Gerichten abspielt.
Selbstverständlich sollen solche Typen, die Gerichtsvollzieher, Fahrscheinkontrollore, Gerichte, Polizisten bedrohen oder attackieren, bestraft werden. Aber das soll doch bitte völlig unabhängig davon geschehen, welche „Gesinnung“ die Täter haben. Denn natürlich können echte Täter auch jetzt schon bestraft werden. So findet etwa gerade in St. Pölten ein Prozess gegen einen aggressiven "Staatsverweigerer" statt. Dass der Mann schon seit drei Monaten in U-Haft sitzt, beweist, dass auch schon die jetzige Rechtsordnung völlig funktionierende Mittel gegen solche Radikalverweigerer (die meist aus dem Sozialhilfe-Milieu kommen) bietet.
Das einzig Neue an den Aktionen dieser seltsamen „Reichsbürger“ ist, dass sie die gegen sie vorgehenden Beamten mit Eintragungen in ein amerikanisches Schuldenregister quälen können. Das wäre der einzige Grund, hiesige Strafgesetze zu ändern, indem man eine solche Eintragung extra unter Strafe stellt – egal aus welcher „Gesinnung“. Das amerikanische Register selbst wird man hingegen von Österreich aus wohl nicht sonderlich beeindrucken können.
Das zutiefst Ärgerliche und Skandalöse an Brandstetters Vorhaben ist einerseits, dass „Gesinnung“ eine strafrechtliche Rolle spielen soll. Und dass es andererseits – wie auch bei der „Verhetzung“ – einen Unterschied macht, gegen wen eine Tat gerichtet ist. Beim neuen Paragraphen sollen Taten gegen Richter und Beamte&Co weit strenger bestraft werden als solche gegen Normalsterbliche. Beim anderen stehen Moslems, Ausländer und ein paar ähnliche Gruppen unter massivem Strafrechtsschutz, Priester, Unternehmer und viele andere jedoch überhaupt nicht.
Solche Gesetzgebung führt direkt zurück in den Feudalstaat, wo es Gleichere gibt, die viel mehr Rechte haben als das gewöhnliche Volk. Damals waren es halt die Aristokraten, Grundherrn und Fürsten, heute sind es andere. Sonst ist kein Unterschied zu sehen.
Besonders auffällig ist, dass die Unterstützung für Brandstetters Vorhaben fast nur aus Richter- und Gewerkschaftskreisen kommt. Also von jenen, die künftig den Schutz des Gesetzes genießen werden. Dennoch gibt es auch in der künftig privilegierten Klasse solche, die vor den Gesetzesplänen Brandstetters warnen, wie etwa die Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck. Ehre, wem Ehre gebührt.
Ein weiterer Beweis, dass den Minister im Gegensatz zum Schutz der Beamten jener der Normalsterblichen überhaupt nicht interessiert, ist sein jüngster Erlass in Sachen Fußfessel. Darin lehnt er es ausdrücklich ab, die Fußfessel bei sogenannten „Gefährdern“ einzusetzen. Das sind Menschen, die unter starkem Verdacht stehen, etwas Terroristisches vorzuhaben. Die aber noch nichts Konkretes begangen haben (oder genauer: denen noch nichts nachgewiesen werden kann).
Mag schon sein, dass die Strafprozessordnung das derzeit nicht vorsieht. Aber statt deshalb einfach zu sagen: "Fußfessel für Gefährder? Njet, geht nicht“, hätte der Minister ja auch nachdenken können, welche Gesetzesänderungen es braucht, um solche Fußfesseln zu ermöglichen. Über eine Gesetzesänderung hat er ja bei den „Staatsverweigerern“ auch intensiv nachgedacht. Wenn auch mit skandalösem Ergebnis.
Aber freilich: Wenn wieder irgendwo eine Bombe hochgeht, ein Lastauto in die Menge fährt, sind ja meist nur ganz normale Menschen die Opfer und keine Gerichtsvollzieher&Co …
Wir alle sollten es uns aber trotz der Gesetze dieses Metternich-Ministers nicht nehmen lassen, den Staat dort abzulehnen, wo er zutiefst abzulehnen ist. Immerhin ist Österreich ja heute ein Staat,
Ja, für all das verachte ich diesen Staat. Auch wenn mich Herr Brandstetter wegen einer solchen Gesinnung vor Gericht schleppen will.
PS: Man soll aber auch loben, wo zu loben ist. Der Oberste Gerichtshof hat zu Lasten der Grünen-Chefin ein Urteil zugunsten der Meinungsfreiheit gefällt (übrigens wider den Willen der staatlichen Generalprokuratur). Der Satz "Schutzsuchende müssen das Recht haben, auf Mädchen loszugehen!“ darf als Glawischnig-Zitat gesagt werden, obwohl ihn die Frau nie gesagt hat. Denn er sei eine satirische Zuspitzung der politischen Linie der Grünen. Dieses Urteil ist ausdrücklich festzuhalten. Denn bisher haben sich immer nur Schwarz und vor allem Blau nach Meinung der Gerichte alles Mögliche in den Mund legen lassen müssen, was sie nie gesagt haben. Das wurde immer als Satire gerechtfertigt. Ich bin zwar nicht sicher, ob das nicht viel zu weit geht, aber wenigstens gilt diese Judikatur jetzt auch gegen Linke, wird also gerecht angewendet und nicht mehr asymmetrisch.