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Zunehmend wird klar, wie es in Wien politisch weitergehen soll. Michael Häupl, der zum Unterschied von anderen Landeshauptmännern den rechtzeitigen Abgang in Glanz und Gloria verschlafen hat, will sich zwar bis zum – noch offenen – Termin der Nationalratswahl an der Macht klammern. Aber für die Zeit danach deutet immer mehr darauf hin, dass Wohnbau-Stadtrat Michael Ludwig ins Bürgermeisterbüro übersiedelt. Warum scheint das jetzt schon so klar zu sein? Und welche Gefahren lauern da noch auf ihn?
Ludwig ist derzeit fast die einzige Politikerpersönlichkeit, die sich in der Rathaus-SPÖ überhaupt für den Posten bereit zeigt, auf dem es mit Sicherheit künftig ja viel zu verlieren und nur wenig zu gewinnen gibt. Ludwig hat auch die gewisse Wiener Gemütlichkeit, die viele SPÖ-Stammwähler statt politischem Radikalismus wollen. Und er kommt eindeutig vom rechten Rand der SPÖ, steht also für die am ehesten überlebensfähige Entwicklung der Partei.
Häupl hingegen strahlte zwar nach außen (auch schon auf Grund seines Übergewichts) ebenfalls Gemütlichkeit aus, war in der Sache aber zweifellos der linkeste Bürgermeister der Nachkriegszeit. Unter ihm hat sich in Wien auch vieles zum Schlechteren verändert: von der explodierenden Stadtverschuldung über die schwere Krise im Gesundheitssystem bis zur weitaus höchsten Arbeitslosigkeits- und Kriminalitätsrate Österreichs. Es hat sich wieder einmal gezeigt: Wer ständig gegen „die“ Unternehmer hetzt und sie mit immer neuen Abgaben, Rechtsregeln und schikanösen Kontrollen quält, sollte sich halt nicht wundern, wenn immer weniger Unternehmer bereit sind, sich bei ihm niederzulassen, zu investieren und Jobs anzubieten.
Das alles wird aber an Dramatik noch weit übertroffen durch die Mitschuld der Häupl-Politik an der massiven Zuwanderung von Migranten und „Flüchtlingen“ nach Wien, wo sich trotz der hier extrem hohen Arbeitslosigkeit weit mehr von ihnen niederlassen als im Rest Österreichs zusammen. Das exorbitant großzügige Sozialsystem Wiens wirkt – zusammen mit der ohnedies immer starken Anziehungskraft von Großstädten auf diese Menschen – wie ein starker Magnet. Die Wiener Stadtregierung unter Häupl war im Gegensatz zu allen anderen Ländern bisher zu keiner einzigen Kürzung der Unterstützungen für „Flüchtlinge“ bereit. Selbst abgewiesene Asylwerber bekommen hier weiterhin das volle Geld.
Ludwig hingegen hat in den letzten Jahren regelmäßig eine gewisse innere Distanz zum linken Kurs Häupls und der übrigen Stadträte gezeigt, aber ohne dass ihm parteiintern echte Illoyalität vorgeworfen werden könnte. Und in der Bevölkerung sind seine Beliebtheitswerte heute die weitaus höchsten von allen Wiener Politikern. Es wagen sich auch immer mehr SPÖ-Promis mit Solidaritätserklärungen für Ludwig aus der Deckung.
Der in der Wiener SPÖ seit dem Wechsel von Helmut Zilk auf Häupl tonangebende linke Flügel ist nicht nur durch das inhaltliche Scheitern seiner Politik geschwächt. Für ihn war auch der Abgang seiner Einpeitscherin, der Gesundheitsstadträtin Wehsely, vor wenigen Wochen ein negatives Fanal. Seither gibt es derzeit im linken Parteispektrum keine Person, der eine echte Führungsrolle zugetraut wird.
Der von Häupl ganz frisch ins Rampenlicht geholt Jürgen Csernohorsky ist öffentlich völlig unbekannt. Er ist erst ein paar Monate Stadtrat, war vorher ein paar Monate im Stadtschulrat inthronisiert. Wenn Häupl, wie seine letzten Sympathisanten meinen, ihn wirklich zu seinem eigenen Nachfolger pushen will, dann wäre das wohl der nächste und letzte schwere Fehler Häupls. Jung, links und unbekannt ist wohl noch nicht ausreichend, um irgendwelche relevanten Wählermengen zu bewegen. Das wäre auch eine Provokation für eigenen Funktionäre.
Dazu kommt die Tatsache, dass gleichzeitig die Wiener Grünen in der größten Krise seit ihrer Gründung stecken:
Als Folge dieser Grünkrise können die Linken nicht einmal mehr sagen: Die SPÖ müsse schon aus taktischen Gründen auf Linkskurs bleiben, weil sonst viele Wähler zu den Grünen abwandern würden. Das beabsichtigt derzeit wohl kein einziger SPÖ-Wähler.
Vielmehr lauern da die Neos als Alternative auf sie. Diese stecken zwar an sich bundesweit durch ihren gesellschaftspolitischen Linkskurs (jüngster Beweis: Hinauswurf eines Abgeordneten, nur weil dieser gegen die Adoption von Kindern durch Schwule aufgetreten ist) und ihre Pro-Asylanten-Äußerungen auch in einer tiefen Krise. Aber für linke SPÖ-Dissidenten sind sie gerade dadurch sehr attraktiv geworden. Sie haben sich noch nirgendwo durch Mitregieren die Hände schmutzig machen müssen. Und sie sind zweifellos für alle jene städtischen Wähler das geringste Übel, die irgendwie modisch-urban-zeitgeistig-gutmenschlich-links erscheinen wollen, die diffuse Ängste vor dem „Konservativ“-Sein“ haben, für die aber weder Rot noch Grün akzeptabel sind.
Die restliche Opposition hat zwar am nächsten Wiener Wahltag durchaus Chancen auf Zugewinne. Aber weder Blau noch Schwarz erwecken in Wien derzeit den Eindruck einer wirklich kraftvollen Alternative. Der freiheitliche Spitzenmann Strache kümmert sich überhaupt nur vor Wahlen um Wien. Und der Wiener ÖVP-Chef Blümel wirkt vorerst recht intellektuell-blass; ihm ist es weder gelungen, emotional noch volkstümlich zu werden, noch konnte er ein Sachthema wirklich besetzen (So hat er wohl unter dem Finanzdruck von Raiffeisen die Riesenchance einer Kampagne gegen das Hochhaus neben dem Konzerthaus ausgelassen).
Freilich muss man allen anderen Parteien zugutehalten, dass die Medien in Wien von der SPÖ in so hohem Ausmaß bestochen und hörig gemacht worden sind wie in keinem anderen Bundesland. Das Herz vieler Redaktionen schlägt zwar grün, aber der Geldbeutel rot. Und der ist in Zeiten der Existenzkrise entscheidend: Lieber servile Hofberichterstattung für den – jeweiligen – Wiener Bürgermeister, der die (Steuergeld-)Millionen verteilt, als in Konkursgefahr zu geraten.
Daher spricht viel für Ludwig. Und dafür, dass sich nach den nächsten Wiener Wahlen trotz aller Korruption und Verbrauchtheit doch noch ein Da Capo für die SPÖ ausgehen könnte. Halt dann sowohl mit Grün wie auch mit Pink, weil es sich nicht anders ausgehen wird (wie es ja auch schon die Bundes-SPÖ offiziell, wenn auch mit weit weniger Chancen, als Wunschziel anpeilt).
Ludwig hält sich freilich als einziger Wiener SPÖ-Spitzenmann zumindest theoretisch auch eine Koalition mit der FPÖ offen. Das ist wahltaktisch klug, das erscheint aber dennoch viel unwahrscheinlicher als Rot-Grün-Pink – sollte sich dieses ausgehen.
Freilich: Für die Variante Ludwig spricht viel, aber nicht alles. Die Gefahr für den rundlichen und immer freundlichen Mann droht weniger von außen, sondern parteiintern. Der Wiener SPÖ sind noch durchaus erbitterte Schlachten um die Macht zuzutrauen.
Denn Häupl hat mit seinem Sesselkleben bis zum Nationalratswahltag ein gefährlich langes Vakuum geöffnet. Er kann damit zwar vielleicht im Interesse der Bundes-SPÖ erreichen, dass weder der linke noch der rechte SPÖ-Rand an jenem Wahltag allzu stark ausfransen. Aber diese lange Frist ist für Ludwig als derzeit einzigen im Scheinwerferlicht stehenden potenziellen Thronfolger sehr riskant.
Das hat Häupl wahrscheinlich sogar beabsichtigt. Das kann von Ludwigs vielen Gegnern im linken SPÖ-Flügel weidlich genutzt werden, ohne dass sich Ludwig mangels Macht und Zugang zur Inseratenverteilung effektiv dagegen wehren kann (Auch bei Häupls früherer Thronfolge-Favoritin, der Finanzstadträtin Renate Brauner, ist ja der erträumte Bürgermeisterthron schon längst wie Butter in der Sonne zerschmolzen, weil sie zu lange im Nachfolge-Gerede war).
In dieser Vakuum-Zeit könnten aber auch ganz ohne Intrigen die Probleme in Ludwigs eigenem Stadtratsbereich explodieren: Denn der Wohnbau kommt hinten und vorne dem Massenzuzug nach Wien nicht nach. Deswegen steigen in Wien die Preise der wenigen angebotenen Wohnungen weit steiler als in den anderen Ländern. Angesichts der Rekordarbeitslosigkeit eigentlich eine Absurdität.
Gewiss: Die Ursache dafür ist nicht, dass Ludwig schläft, sondern dass die gesamte SPÖ die einzig sinnvolle Wohnungspolitik blockiert. Das wäre eine Freigabe der Mieten, was sofort viel derzeit ungenutzten Wohnraum auf den Markt brächte; was binnen weniger Jahre überdies sehr viel Kapital in den Bau von ausreichend Wohnraum fließen lassen würde (notwendigerweise ergänzt durch eine rigorose Politik gegen den Zuzug jobloser Migranten und „Flüchtlinge“ nach Österreich).
Ludwig ist jedenfalls beim in Wien nach wie vor starken und sich für intellektuell haltenden linken SPÖ-Flügel als Sozialdemokrat der alten Schule verachtet und verhasst. Und dieser Flügel wird daher nicht ruhen, sondern alles versuchen, um gegen ihn zu intrigieren.
Irgendetwas findet sich ja ohnedies in den diversen Schreibtischladen gegen jeden. Und das kann man dann ja etwa dem dafür auch schon in der Vergangenheit bereitwillig zur Verfügung stehenden Peter Pilz zuspielen, damit er wieder melodramatisch mit empörter Stimme eine Strafanzeige einbringt. Die sich dann ja angesichts des Tempos und Ungeistes in der Staatsanwaltschaft oft erst nach Jahren als heiße Luft herausstellen wird.
Das Problem der Wiener SPÖ-Linken: Der einzige Kandidat, der derzeit an der Gerüchtebörse sonst noch halbwegs ernsthaft notiert, wäre mindestens ebenso rechts wie Ludwig und noch viel „kapitalistischer“. Das wäre der langjährige Spitzenmanager im RTL-Kommerzfernsehen (und ORF) Gerhard Zeiler. Der heuer 62 Jahre alt wird, also sechs Jahre älter als Ludwig ist. Beim einstigen Kofferträger von Fred Sinowatz ist überdies fraglich, ob er sich nach einer internationalen Karriere das kleinkarierte Rathaus überhaupt antun wird, nachdem er beim Rennen um die SPÖ-Spitze am Eisenbahnmanager Kern gescheitert ist. Zeiler bietet also für die SPÖ-Linken wenig Motivation, für ihn in die Schlacht zu gehen.
Ich schreibe regelmäßig Kommentare für die unabhängige und rund um die Uhr aktuelle Informationsseite „Vienna.at“.