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Und wieder ein neuerlicher islamistischer Terroranschlag mitten in Paris. Diesmal sind Polizisten das direkte Ziel. Das überschattet die französische Präsidentenwahl neuerlich total. So wie das eine fast schon unendliche Reihe von Anschlägen getan hat. Dabei ist diese Wahl in vielerlei Hinsicht wichtig – fast so wichtig wie Frankreich selbst für uns Miteuropäer ist. Bei aller Kritik an jedem Kandidaten und an einigen mehr als seltsamen Vorgängen rund um die Wahl sei – angesichts der Entwicklung anderswo – zuallererst klar festgehalten: Hier finden normale demokratische Wahlen statt. Daran kann auch der Terror nichts ändern. Und keines der möglichen Ergebnisse bedeutet eine Katastrophe.
Die wirkliche Katastrophe Frankreichs und Europas ist der um sich greifende Terrorismus, gegen den Europa hilflos scheint, weil man will ja nicht alle Moslems ... usw., usf. Das offizielle Gutmensch- und Gutmendiengeblök kennen wir alle zur Genüge. Und in immer mehr Ländern Europas wird man ja auch gerichtlich verurteilt, wenn man nicht mitblökt.
Aber dennoch ist die Wahl zu wichtig, um sie deswegen ganz aus den Augen zu verlieren. Umso wichtiger ist es, das Positive hervorzuheben. So ist die Tatsache, dass diesmal gleich vier Kandidaten ziemlich gleiche Chancen haben, eindeutig positiv und jedenfalls ein Beweis: Frankreich bleibt trotz allem eine relativ normale Demokratie. Bei jedem Ergebnis. Und trotz der derzeitigen Terror- und Wahlkampf-Hysterie. Freilich kann man jetzt annehmen, dass der Anschlag den moslemfreundlichen Linksparteien nicht gerade genutzt haben wird.
Gewiss mag es bescheiden anmuten, wenn es schon angebracht erscheint, extra zu erwähnen, dass Frankreich eine Demokratie ist und bleibt. In Anbetracht der Kriegserklärung durch den islamischen Terror, aber auch angesichts des dramatischen Unterschieds zur Lage in der Türkei, in Venezuela oder auch Russland ist das gar nicht mehr so selbstverständlich.
All die genannten Länder waren noch vor nicht allzu langer Zeit ebenfalls recht normale Demokratien. Daher sollte gerade die dortige Entwicklung ein Anlass zur genauen Beobachtung der Vorgänge auch in europäischen Staaten sein. Denn in all den genannten Ländern ist der Weg zur autoritären Herrschaft und weitestgehenden Abschaffung von Meinungsfreiheit, Pluralismus, Rechtsstaat und damit fast automatisch wirtschaftlicher Blüte ja auch demokratisch eingeleitet worden. Die heutigen Machthaber haben es dort Schritt für Schritt verstanden, die eigene Macht auszubauen und die Opposition zu knebeln. In Russland und der Türkei hat den Machthabern zweifellos der islamistische Terror beim Griff nach der totalen Macht geholfen.
Entscheidend war aber vor allem, dass es diesen Machthabern gelungen ist, die Justiz zu instrumentalisieren. Die Richter sind dort kein unabhängiges und selbstbewusstes Gegengewicht zur politischen Macht mehr (in Russland waren sie es noch nie wirklich). Sie sind heute vielmehr gehorsame und wohl auch ängstliche Schoßhündchen der Macht, sie sehen ihre Hauptaufgabe nur noch in der Verfolgung der politischen Opposition. Von Gewaltenteilung keine Spur mehr.
Davon scheinen wir in Europa, in Frankreich weit entfernt. Oder doch nicht?
Erwähnen wir diesmal die Vorgänge in Österreich nur am Rande. Wo ja die linkslastigen Strafverfolgungsbehörden vor allem in Wien mit großer und in etlichen Fällen eindeutig überschießender Brutalität gegen Oppositionspolitiker vorgegangen sind (siehe etwa die Fälle Westenthaler, Grasser und BZÖ-Wahlkampfbroschüre). Wo sie hingegen noch nie die viele Hunderte Millionen schweren Medienbestechungen aus Steuergeldern durch Bundes- und vor allem Wiener Landespolitiker vor einen unabhängigen Richter gebracht haben. Wo die Zufriedenheit mit der Demokratie nach einer neuen Umfrage binnen zehn Jahren SPÖ-Mehrheit von 44 auf 32 Prozent abgestürzt ist.
Bleiben wir aber heute nur in Frankreich. Denn auch dort sehen wir extrem problematische Strafverfolger am Werk.
Es ist ein gar seltsamer Zufall, dass die Staatsanwälte der sozialistischen Regierung Frankreichs gerade jetzt mit erbarmungsloser Härte gegen beide aussichtsreichen Kandidaten der politischen Rechten vorgehen. Sie stützen sich dabei auf jeweils ähnliche Vorwürfe, nämlich dass diese Kandidaten ihre von Steuergeldern bezahlten parlamentarischen Assistenten nicht so beschäftigt haben, wie es die Parlamentsvorschriften vorsehen.
Diese Vorwürfe sind zwar sicher nicht zu ignorieren, auch wenn sie lange nicht das Gewicht von beispielsweise Bestechungen haben. Nur deutet auch in Frankreich vieles massiv auf eine politische Instrumentalisierung und totale Einseitigkeit der Strafverfolgungsbehörden hin: Mit Sicherheit haben nämlich auch viele andere (europäische wie französische) Parlamentarier ihre Mitarbeiter inkorrekt beschäftigt. Das hat die französische Justiz jedoch überhaupt nicht interessiert.
Von ihr werden nur die Vorwürfe gegen Oppositionelle aufgegriffen und hochgekocht. Und auch da nur gegen jene, die für die Linke bedrohlich werden – etwa als aussichtsreiche Präsidentschaftskandidaten. Alles andere wäre wohl zu auffällig. Auch in Russland, der Türkei und Venezuela sind aus dem gleichen Grund ein paar Oppositionelle noch auf freiem Fuß.
Die einseitige Instrumentalisierung der Staatsanwaltschaft wird besonders bei den Vorwürfen gegen den konservativen Kandidaten Fillon deutlich.
Der seltsame Zufall, dass ausgerechnet gegen die beiden rechten Kandidaten ausgerechnet wenige Wochen vor der Wahl die Staatsanwälte wegen uralter Vorwürfe aktiv geworden sind, wird noch viel seltsamer, wenn man das Verhalten der Strafverfolger in den letzten Monaten und Jahren dazurechnet. In dieser Zeit haben sie sich nämlich – natürlich ebenfalls wieder ganz "zufällig" – intensiv mit jenem Mann befasst und ihn mit Verfahren einzudecken begonnen, der lange Zeit als der sichere Gegner eines sozialistischen Präsidentschaftskandidaten gegolten hat: also mit Nicolas Sarkozy.
Wer immer nur rechts der politischen Mitte Verbrecher sieht, links davon nie, wer glauben kann, dass da noch eine irgendwie objektive und unabhängige Justiz am Werk ist, der glaubt wohl auch, dass Polen im Jahr 1939 den deutschen Sender Gleiwitz überfallen und damit den eigenen Untergang ausgelöst hat.
Gewiss: Noch hat kein unabhängiger Richter bei diesem Spiel mitgemacht. Aber längst ist unbestreitbar: In Frankreich (wie in Österreich, oder Italien, viel weniger in Deutschland) haben die Staatsanwälte entdeckt, wie mächtig sie sind, wie sehr sie die Politik beeinflussen können, indem sie Vergehen in einer von Hunderttausend Regeln gespickten Welt einmal beinhart verfolgen, einmal unter den Tisch kehren. Sie haben entdeckt, wie sehr sie einmal Menschen allein durch das Führen eines langen Vorfahrens beschädigen können (viel mehr als durch ein Urteil), auch wenn nie ein Richter urteilt. Wie sehr sie ihren ideologischen Freunden und den über die nächste Vorrückung entscheidenden Politikern durch Nichtanstrengung eines Prozesses helfen können.
Das ist zwar alles eigentlich auch in Frankreich glatter Amtsmissbrauch. Aber welcher Staatsanwalt verfolgt denn einen solchen schon bei anderen Staatsanwälten …
Diese Entwicklung überschattet total die französischen Wahlen. Sie hat dazu geführt, dass dort bei den Meinungsumfragen die Kandidaten der Linken in Summe plötzlich deutlich mehr Unterstützung haben als die beiden der Rechten. Obwohl noch im Winter ein rechter Wahlsieg absolut unabwendbar geschienen war.
Fraglich ist nur, ob die französische Linke ihr durchsichtiges Spiel nicht zu weit getrieben hat. Sie dürfte damit in Zusammenwirken mit dem Terror am Vorabend der Wahl für viele erzürnte Bürgerliche Marine Le Pen zu einer durchaus möglichen Wahlentscheidung gemacht haben. Was sie noch vor kurzem nicht war.
Was bedeuten nun die einzelnen Kandidaten?
Marine Le Pen steht zweifellos für die schärfste Politik gegen jede weitere Zuwanderung. Sie steht auch für ein schärferes Durchgreifen gegen die Islamisierung und die kriminellen Zustände in den französischen Vorstädten. Beide Positionen sind heute mehrheitsfähig und würden bei ihrer Wahl auch von den konservativen Abgeordneten im Parlament unterstützt werden (das im Juni neu gewählt wird). Keine Chance auf eine parlamentarische Mehrheit hat hingegen ihr zweiter Hauptakzent, das radikale Nein an EU und Euro. Da gehen die Konservativen nicht mit. Ganz abgesehen davon, dass offen ist, ob Le Pen auch nach den Wahlen dafür eintreten sollte (So zeigt doch Donald Trump gerade, dass „nach den Wahlen“ oft alles ganz anders ist, als die scharfen Ansagen „vor den Wahlen“ glauben gemacht haben).
Emmanuel Macron tritt zwar als Unabhängiger an und er hat auch einige auf seinen Sieg setzende bürgerliche Unterstützer gewonnen. Aber er war eindeutig Minister der sozialistischen Regierung. Er behält seine wahren politischen Intentionen – so er überhaupt welche hat – am geschicktesten von allen geheim. Sicher ist nur, dass er am stärksten von allen vier Kandidaten für eine Fortsetzung der bisherigen Politik steht. Er hat sich proeuropäisch profiliert und tritt vage für Wirtschaftsreformen ein, ohne das zu präzisieren.
François Fillon schien bis zum Eingreifen der Staatsanwälte als der sichere Sieger. Er ist seither vor allem bei einem Teil seiner katholischen Stammwähler in Misskredit, die auf Makellosigkeit ihres Kandidaten noch mehr Wert legen als die übrigen Wähler. Wobei bis zuletzt völlig offen ist, ob sich dieses Missfallen nur bei Umfragen zeigt oder auch in der geheimen Wahlzelle. Inhaltlich steht Fillon jedenfalls eindeutig für jenen Kurs, den Frankreich und Europa am dringendsten bräuchten. In Sachen Immigration, Islam und „Law and Order“ klingt er genauso explizit, hart und deutlich wie Le Pen. In Sachen Wirtschaft ist er der hingegen der einzige mutige Reformer unter den Kandidaten. Und in Sachen Europa weiß er so wie Macron und im Gegensatz zu Le Pen, dass Frankreich die EU und den Euro dringend braucht (noch viel dringender als Europa die Franzosen).
Jean-Luc Melenchon ist ein kommunistischer Kandidat. In Frankreich haben die Kommunisten seit Jahrzehnten (wenn auch zuletzt eigentlich immer weniger) ein anschauliches, freilich nie mehrheitsfähiges Wählerpotenzial. Sollte er mit Le Pen in die Stichwahl kommen, dann wäre Le Pen die sichere Wahlsiegerin. Melenchon wirkt zwar durchaus charismatisch, aber er steht in sämtlichen inhaltlichen Sachfragen (Wirtschaft, Europa, Migration, Islam) noch mehr als die Sozialisten für eine romantische Illusionspolitik, die Frankreich endgültig zerschellen lassen würde. Das heißt: Er würde selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass er Präsident wird, bei den dann im Juni fälligen Parlamentswahlen keine Parlamentsmehrheit für seinen Kurs bekommen. Wer noch Näheres wissen will, wie Melenchons Kurs in der realen Umsetzung aussehen würde, der schaue nach Venezuela. Denn Melenchon will ausgerechnet mit diesem total heruntergewirtschafteten und von Linkssozialisten in den Bürgerkrieg geführten, von ihm aber als vorbildlich angesehenen Land eine Allianz eingehen.
Die restlichen Kandidaten (auch der offizielle der Sozialisten) sind wohl chancenlos – wenngleich man Meinungsumfragen längst nicht mehr sonderlich ernst nehmen sollte. Immerhin bezeichnen sich bei Umfragen so viele Franzosen wie noch nie als unentschlossen. Das reduziert freilich bei einem zweistufigen Wahlsystem erst recht die Chancen der schlecht liegenden Kandidaten.
Viele Franzosen haben einen guten Grund für ihre Unentschlossenheit. Denn das Land steht ganz unabhängig von der Wahl katastrophal da. Genau das hat ja auch die Chancen der nicht aus dem Mainstream kommenden Kandidaten so deutlich vergrößert. Schulden, Arbeitslosigkeit, Modernisierungsunwilligkeit, Gewerkschaftssabotage und vor allem die bedrohliche Islamisierung und der um sich greifende Terrorismus haben Frankreich zum schwerkranken Mann im europäischen Lazarett gemacht. Mit Ansteckungsgefahr.