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Warum hat sich in Österreich, und nicht nur hier, in den letzten 10 bis 15 Jahren der Wind in Sachen EU so stark gewandelt? Warum sind so viele einst begeisterte EU-Befürworter heute zu Skeptikern geworden? Die Antwort mit einem Satz: Es waren nicht die Menschen, die sich gewandelt haben; es war die EU. Nur hält man dort nicht sich selbst, sondern die Menschen Europas für schuldig.
Es ist kein Zufall, dass die österreichischen Grünen beim Beitritt vehemente Gegner der EU gewesen sind, dass sie heute aber deren vehementeste Befürworter und Verteidiger sind. Die geänderte Rolle der Grünen hat jedoch solche negative Veränderungen der EU bewirkt, dass sich immer mehr Menschen von dieser abwenden.
Ähnliches wie für die Grünen gilt für viele anderen linken Parteien und Bewegungen in Europa. Nur noch Geschichtsbücher wissen etwa, wie lange in Österreich die SPÖ einen EU-Beitritt entschlossen bekämpft hat. Dass sie der EU (damals EWG) in den 60er Jahren noch vorgeworfen hat, ein unakzeptabler „Bürgerblock“ zu sein. Dass sie ständig behauptet hat: Der Neutralität Österreichs wegen sei an so etwas überhaupt nicht zu denken.
Europas Linke hat in den letzten zwanzig Jahren nach der Devise gehandelt: „if you can't beat them join them.“ Wenn man die EU schon nicht verhindern kann, dann benutzen wir sie doch für unsere Ziele. Und bald haben sie entdeckt, wie perfekt sich die EU für grüne Ziele eignet. Heute ist sie zur vordersten Vorkämpferin grüner Ideologien und Wunschträume geworden.
Die Beitrittsmotive etwa für Österreich in den 90er Jahren waren jedoch ganz andere. Damals war es der ÖVP nach einem jahrelangen mühsamen Koalitionskampf gelungen, die SPÖ letztlich zu einem – wenn auch widerwilligen – Beitrittsantrag an Brüssel zu bewegen. Damals haben sich die Wirtschaftsliberalen und Wertkonservativen von der EU vor allem eines erwartet: die Öffnung und Liberalisierung Österreichs. Und sie haben das auch bekommen. Der Beitritt hat in den ersten Jahren – zusammen mit der gleichzeitig wirksam werdenden Ostöffnung – die österreichische Wirtschaft kräftig belebt, viele verzopfte Regulierungen aufgehoben, und einen Geist der Internationalisierung und Dynamik ausgelöst.
Österreich profitierte. Zugleich begannen aber die Linken – keineswegs nur aus Österreich – mit großer Effizienz, die EU-Institutionen zu unterwandern und zu durchsetzen. Endlich gab es für viele Absolventen an sich unbrauchbarer Studienrichtungen eine große Menge an Jobs, sofern die Kandidaten nur sprachenkundig waren.
Die konservativen und liberalen Elemente in der EU freuten sich anfangs auch sehr über die vielen Linken, die jetzt alle einen EU-Job wollten, statt weiter gegen die EU zu demonstrieren. Linke Literate, die jahrelang gegen die EU gewettert haben, bekamen fette Stipendien und wurden plötzlich zu Propagandisten der Union. Zugleich erlagen auch viele nichtlinke EU-Abgeordnete dem Rausch der Macht, der Lust daran, alles Mögliche für eine halbe Milliarde Menschen regulieren zu können, statt sich mit den Mühen der heimischen Kleinstaats-Ebene herumschlagen zu müssen.
Zehn Jahre nach dem Beitritt Österreichs begannen die Folgen dieser Machtgeilheit und dieses ideologischen Wirkens unheilvoll spürbar zu werden. Die Grünen und anderen Linkskräfte erkannten, dass sie mit der EU das weitaus beste Instrument in die Hände bekommen haben, um Gesellschaftspolitik zu betreiben, um die europäische Wirtschaft immer mehr zu regulieren und bürokratisieren. Immer weniger wurde das einst groß betrommelte Ziel beachtet – und heute wird es gar nicht einmal mehr erwähnt –, dass Europa die wettbewerbfähigste Weltregion werden solle.
Statt dessen entwickelte sich Europa so negativ, dass ein großes Land sogar den Austritt beschlossen hat. Und dass viele Kleine nur noch mit hinter dem Rücken gekreuzten Fingern bleiben. Selbst in Gründungsländern der EU – in Frankreich und Italien – verlangen starke neue Kräfte den Austritt. In Österreich gibt es zwar noch keine solche Partei. Aber sämtliche Indikatoren zeigen auch hierzulande wachsende Unzufriedenheit unter den Menschen.
Dennoch muss man neidlos anerkennen: Für ihre Sache haben die Grünen gewaltige Erfolge erzielt. Wenn auch mehr für ihre Ideologie als für die Menschen oder für die Überlebensfähigkeit der europäischen Integration.
Einige Beispiele für diese Erfolge:
Die Hoffnung wird jeden Tag kleiner, dass die EU-Institutionen noch rechtzeitig erkennen, was man alles ändern müsste, dass man bisweilen auch einen Schritt zurück machen muss, um dann wieder nach vorne zu kommen. Oder noch deutlicher: Damit Europa überleben kann. Damit die EU nicht in totaler Agonie und Erschöpfung endet wie die letzten großen multinationalen Gebilde in Europa: das „Heilige Römische Reich Deutscher Nation“ und das k. und k. Kaiserreich.
Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.