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Mächtige Männer haben meist zwei strategische Möglichkeiten, das Ende ihrer Herrschaft vorzubereiten: Entweder sie spielen bis zuletzt alle potenziellen Kronprinzen gegeneinander aus, um möglichst lange die eigene Macht zu erhalten. Oder sie wählen rechtzeitig einen Kronprinzen aus und übertragen an diesen geordnet die Macht (mit Karikatur).
Karikatur: Lutz Nowotny
Der Ratlosmann
Der Wiener Langzeitbürgermeister Michael Häupl hat sich eindeutig für die erste Variante entschieden – und damit die Hauptschuld auf sich geladen, dass seine Periode jetzt im inhaltlichen wie personellen Chaos untergeht. Er hat sich nach dem Motto „Teile und herrsche“ jahrelang mit einer Fülle von schwachen, überwiegend weiblichen Stadträten umgeben, bei denen zweierlei sicher war: Erstens, dass keiner Häupl je gefährlich werden konnte. Zweitens; dass sie mehr oder weniger alle von der politischen Sacharbeit überfordert waren.
Wenn einer dieser Stadträte gar nicht mehr haltbar war, dann schickte Häupl ihn einfach ins Exil. Das ist zuletzt der Gesundheitsstadträtin Wehsely passiert, die jetzt bei Siemens ein Vielfaches ihres politischen Gehalts verdient. Sie kann dort mithelfen, dass Siemens weiterhin blendende Geschäfte mit dem SPÖ-kontrollierten Teil Österreichs macht, angefangen von der Medizintechnik im Gesundheitssystem bis zum Kauf von 200 Siemens-Lokomotiven durch die ÖBB. Das ist natürlich alles total korruptionsfrei.
Schon eine Dekade vorher hat Häupl einen anderen Stadtrat weggelobt: nämlich Werner Faymann. Dieser war dem Bürgermeister durch seinen offensichtlichen Ehrgeiz und seine für Häupl gefährliche Fähigkeit, sich die wichtigsten Wiener Boulevardzeitungen durch Inseratengeschäfte zu verpflichten, gefährlich geworden. Häupl schob ihn einfach ins Bundeskanzleramt ab, einen protokollarisch zwar höherrangigen, aber politisch viel heikleren Posten. Und kümmerte sich seither selbst um Inseratengeschäfte.
Häupl steht jetzt nachfolger- und ratlos da, seit die Abenddämmerung seiner politischen Tage gekommen ist. Was dadurch verschlimmert wird – aber auch eng damit zusammenhängt –, dass zugleich rundum die Trümmer der einst gut funktionierenden Wiener Stadtverwaltung herunterstürzen.
So muss der Wiener SPÖ-Chef jetzt hilflos miterleben, wie ihn seit Wochen mächtige SPÖ-Funktionäre aus den Bezirken öffentlich und ungeniert angreifen, die Häupls Agonie nicht mehr tatenlos hinnehmen wollen. So hatte er es schon beim letzten 1. Mai hingenommen, dass beim Parteiaufmarsch von einer großen und offenbar von seinen eigenen Stadträtinnen organisierten Gruppe offen gegen den eigenen Bundesparteivorsitzenden und Bundeskanzler demonstriert worden ist.
Es gibt wenig Zweifel, dass dieser in der Folge gestürzte Werner Faymann nun seinerseits ein Mastermind der Intrigen gegen Häupl geworden ist. Die beiden hatten sich zwar ein paar Jahre halbwegs vertragen, nachdem Faymann aus dem Häupl-Nachfolgerennen ausgeschieden war. Aber Faymann ist heute verbittert, weil ihn Häupl im Vorjahr tatenlos der brodelnden Parteimasse offenbar zur Ablenkung von sich selbst zur Schlachtung freigegeben hat.
Es waren damals die Linken, die im Funktionärsbiotop revoltierten. Sie lehnten vor allem eine Abkehr der Faymann-SPÖ von der Politik der für alle Migranten offenen Grenzen ab. Heute ist es hingegen der rechte Flügel, der offen zum Kampf angetreten ist. Dieser Flügel hat zwar in der Stadtregierung nur einen einzigen Stadtrat hinter sich (Michael Ludwig). Aber er ist umso enger in der Wählerbasis verankert. Er spürt, wie der Partei heute bei der Wiener Bevölkerung der Wind ins Gesicht bläst, wie sehr die einstigen SPÖ-Wähler empört sind. Diese Empörung gilt vor allem der Tatsache, dass ihre alten Wohngegenden, dass sogar die einst parteifrommen Gemeindebauten heute zunehmend von türkischen Kopftuch-Frauen und von fast durchwegs arbeitslosen „Flüchtlingen“ geprägt werden. Die Empörung gilt wachsenden Kriminalitätszahlen und der in Wien explodierenden Arbeitslosigkeit.
Dieser Aufstand der Basis ist eng mit der Frage verbunden, ob sich die SPÖ wieder zu einer Koalition mit der FPÖ bereitfinden soll. Seit Franz Vranitzky ist das Nein zur FPÖ ja zum obersten moralistischen Dogma der SPÖ geworden – obwohl man davor schon zweimal auf Bundesebene mit der FPÖ kooperiert beziehungsweise koaliert hat (als es noch wirklich Ex-Nazis in jener Partei gegeben hatte).
Die linke Schickeria in der SPÖ aus Kultur- und Uni-Szene wird im Grund überhaupt nur noch durch dieses Dogma zusammengehalten. Auch Häupl hat es voll mitgetragen, weil er ja ohnedies mit den Grünen einen bequemen Oppositionspartner gehabt hat, der bei allen Sauereien brav mitmacht, von der Medienbestechung bis zur Stadtzerstörung durch Bauspekulanten. Jedoch ist sich zuletzt die Stadtmehrheit für Rotgrün nur noch ganz knapp ausgegangen. Und sämtliche Umfragen zeigen, dass Rotgrün heute weit weg von einer solchen Mehrheit ist.
Das Schlimmste an Häupl aber ist nicht die totale Erosion von Partei und Rathausmacht, ist nicht das durch sein „Divide et impera“ ausgelöste Nachfolgechaos. Das Schlimmste ist zweifellos das offenkundig gewordene Versagen seiner Mannschaft in fast allen Sachbelangen. Siehe etwa:
Nichts geht mehr.
Vielen Wienern ist freilich noch die präpotente Antwort Häupls in Erinnerung, dass „wir“ (=er) mit „unserem“ Geld tun könnten, was „wir“ (=er) wollen. Mit dieser Argumentation hat Häupl es einst abgelehnt, den Einsparungsreformen der Regierung Schüssel bei den Beamtengehältern zu folgen, sodass die Wiener Beamten heute die bestverdienenden Österreichs sind. Die Steuerzahler haben aber zunehmend begriffen, dass sie selbst es sind, die das zahlen müssen, was Häupl einzusparen verweigert hat.
Mit dem Feminismus-Geschwätz seiner Stadträtinnen, einer noch gut funktionierenden Müllabfuhr und Wasserversorgung alleine wird Häupl weder sich noch Wien retten können. Jetzt rächt sich nicht nur, dass er stets das ganze Regieren einer schwachen Stadträte-Riege überlassen und sich selbst auf Fragen der Machtstrategie, einiger dubioser Finanzgeschäfte und des persönlichen guten Lebens beschränkt hat. In Häupls Schlussmonaten rächt sich vor allem, dass er immer die beiden Parteiflügel gegeneinander ausgespielt und nie einen Kronprinzen hochkommen hat lassen.
Das alles ist in den letzten Wochen besonders drastisch geworden, da im Kontrast zu Wien sowohl in Ober- wie in Niederösterreich ähnlich lang regierende Landeshauptleute eine absolut bilderbuchmäßige Machtübergabe geschafft haben. Auch wenn man bei der neuen Chefin in Niederösterreich durchaus noch Zweifel haben muss, ob sie das Erbe „derhebt“.
Häupls Agonie erinnert stark an den Abgang Bruno Kreiskys. Dieser hat ja in seinen guten Zeiten alle Kronprinzen mehr (Leopold Gratz) oder weniger (Hannes Androsch) elegant abserviert, bis dann nur noch der brave, aber bloß mittelmäßige Fred Sinowatz zur Verfügung gestanden ist, als Kreisky nach einer Wahlschlappe gehen musste. Und dieser Sinowatz ist dann sehr bald durch den von Kreisky angehäuften Problemberg (letale Krise der Verstaatlichten, Staatsfinanzen) erdrückt worden ...
Ich schreibe regelmäßig Kommentare für die unabhängige und rund um die Uhr aktuelle Informationsseite „Vienna.at“.