Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Der Parteiwechsel

Gleich aus mehreren Gründen extrem erfreulich ist der überraschende Wechsel eines Neos-Abgeordneten zur ÖVP. Jedoch keinesfalls deshalb, weil die ÖVP jetzt nur noch einen Abgeordneten weniger hat als die SPÖ. Denn das grundsätzliche Wahlergebnis – das eben die SPÖ an erste Stelle gebracht hat – sollte nicht durch Abgeordnetenwechsel verändert werden. Auch wenn es lustig ist, wie sofort alle SPÖ-nahen Medien Angst und daher Schaum vor dem Mund bekommen haben.

Die Gründe, sich zu freuen, sind andere:

  1. Der Wechsel ist klare Demonstration des laut Verfassung freien Mandats jedes einzelnen Mandatars. Das ist auch ethisch wichtig. Ein Abgeordneter hat sich in wichtigen Fragen einzig nach seinem eigenen Gewissen zu orientieren, und nicht nach den Befehlen einer Partei. Mit dem Wahlergebnis kann eine solche Befehlsgewalt keinesfalls argumentiert werden. Hat doch jeder Wähler nur eine Stimme, die er mangels direkter Demokratie leider nicht auf die vielen einzelnen Sachfragen unterschiedlich streuen kann, die anstehen, oder die im Laufe von fünf Jahren auf die Tagesordnung kommen werden. Ein wunderbares und von allen Linken auch laut bejubeltes Beispiel des freien Mandats sieht man derzeit in den USA. Auch dort muss der Präsident erstaunt registrieren, dass die republikanischen Abgeordneten keineswegs auf Pfiff gehorchen.
  2. Der Wechsel ist auch deshalb ein wichtiges Signal, weil er von der linken in die rechte Parlamentshälfte erfolgt. Während es trotz der häufig gewordenen Fraktionswechsel keinen einzigen Abgeordneten gibt, der von Rechts nach Links gegangen wäre. Der Zeitgeist hat die Richtung geändert. Unbestreitbar ist ja inzwischen, dass die Neos heute eindeutig auf der linken Seite stehen, im Gegensatz zu den einstigen Intentionen mancher ihrer Wähler. Sie sind von der SPÖ sogar als offenbar automatische Partner einer Linkskoalition genannt worden; und die Parteiführung hat nicht gerade laut dagegen protestiert. Der Wechsel von Christoph Vavrik von Neos zu ÖVP hängt zwar nicht direkt mit dieser mehr oder weniger fixen Lagerbildung zusammen, ist aber doch eindeutig vor diesem Hintergrund zu sehen, der Liberalkonservativen bei den Neos keinen Platz mehr lässt (so richtig diese in etlichen rein wirtschaftspolitischen Fragen auch liegen).
  3. Noch viel wichtiger und positiver ist aber, dass Vavriks Konflikt mit den Neos mit deren gesellschaftspolitischer Ausrichtung und geistigen Intoleranz zu tun hat (und nicht mit etwaigen kriminellen Vorgängen). Die Kleinpartei hatte ihn einzig und allein wegen einer politisch als inkorrekt aufgefassten Aussage hinausgeworfen, obwohl sich Varik sogar – wie ich meine: überflüssigerweise – für seine Worte entschuldigte hatte. Dabei wurde klar: Bei den Neos gibt es keine Spur von liberalem Geist und Debattenkultur. Dort herrscht engstirnige Gesinnungsdiktatur (und der wahltaktische Irrglaube, die paar schwulen Aktivisten, die eine Adoption durch Homosexuelle durchgekämpft haben, wären eine wählerrelevante Masse).
  4. Aber auch die – teilweise – Rehabilitierung der Anlassäußerung ist wichtig. Ein einziger Satz von Vavrik hatte ja in politisch-linkskorrekten Kreisen seit Wochen zu ärgerer Verdammung geführt, als wenn der Mann ein Massenvergewaltiger wäre. Der ganze Anlass war ein Internet-Posting Vavriks zum Thema Kindesadoption durch Homosexuelle: „Künftige Zivilisationen werden auf solche gesellschaftlichen Abartigkeiten mit demselben Unverständnis blicken wie wir auf die Sklaverei.“ Das hat zwar den Aufschrei der üblichen linken Meinungsdiktatoren hervorgerufen und kaum mutige Verteidiger gefunden. Das ist aber ein Gedanke, den mit Sicherheit die Mehrheit der Menschen insgeheim oder auch ausgesprochen teilt.
  5. Der Wechsel rückt auch durch die erste Hassreaktion des Neos-Generalsekretärs auf den Wechsel in ein sehr positives Licht. Dieser verwendet dabei nicht nur ein linksextremes Gendervokabular (die Neos seien eine „Bürger_innenbewegung“), sondern behauptet auch, Vavrik wäre „homophob“. Damit beweist der Generalsekretär (auch wenn es verständlich ist, dass der Verlust eines Mandats schmerzt, weil er ja auch viel Geld kostet), dass die Neos das Wesentliche weiterhin nicht zu begreifen imstande sind: Bei der Adoptionsfrage muss es einzig um den Schutz und die Interessen von kleinen Kindern gehen, und nicht einmal peripher um die Interessen und Wünsche eines schwulen Paares.
  6. Es ist auch positiv, dass in der ÖVP eine solche Meinungsäußerung wieder als zumindest halbwegs tolerierbar gilt. Das zeigt eine gewisse Rückkehr geistiger Offenheit. Freilich hat Klubobmann Lopatka überflüssigerweise gleich feige eine inhaltliche Distanzierung zu jener Vavrik-Äußerung nachgeschoben, und die Aufnahme des Mannes in den ÖVP-Klub nur geschraubt mit „zweite Chance geben“ begründet.
  7. Dennoch ist damit evident, dass es in der ÖVP wieder einen kleinen Platz für Wertkonservative gibt, wenn auch in der hintersten Reihe. Das ist nach etlichen Verwirrungen, für die die Namen Josef Pröll, Rauch-Kallat und auch Mitterlehner stehen, jedenfalls positiv festzuhalten. Das zeigt mit Sicherheit – auch wenn ich um keinen konkreten Kontakt weiß –, dass die ÖVP mit dem Aufstieg von Sebastian Kurz wieder für Konservative wählbar geworden ist.

Dieser Wechsel macht dafür einen alten schweren Fehler der ÖVP-Führung aus dem Vorjahr wieder offenkundig. Damals hat die Partei den Abgeordneten Marcus Franz wegen eines anderen, ebenfalls durchaus interessanten Kommentars aus dem Klub geworfen. Franz – ein Arzt – hatte damals die Willkommenspolitik von Angela Merkel auf psychologische Weise mit ihrer eigenen Kinderlosigkeit (und der Kinderarmut Deutschlands) zu erklären versucht. Auch das ist eine Äußerung, die man zwar nicht teilen muss, die aber in einer intellektuellen Diskussion gleichberechtigt möglich sein muss. Vor allem, da bis heute alle Welt über diesen irrsinnigen und auch für Österreich bis heute dramatischen Fehler Merkels und seine wahren Motive rätselt.

Die ÖVP hat damals jedoch Franz – wie man hört, auf Wunsch aus Berlin, – gleich hinausgeschmissen. Sie stand geistig damals Merkel gegenüber noch ganz im Vasallenstatus. Inzwischen hat sie sich freilich voll von ihr emanzipiert. Inzwischen könnte und sollte sie demonstrieren, dass sie wieder wirklich ein konservative Partei mit geistiger Offenheit ist, indem sie Franz zur Rückkehr einlädt.

Wir warten.

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung