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Der Justizskandal – und der Minister bleibt untätig

Wenig Zweifel, dass die Verurteilung von vier Kärntner BZÖ-Politikern in Ordnung geht. Wenig Zweifel, dass der schon eingeleitete nächste Prozess gegen Ex-Landeshauptmann Dörfler noch viel spannender werden wird. Aber auch keine Zweifel, dass diese Verurteilung stärker denn je eine skandalöse Schlagseite, Einseitigkeit und Obrigkeitshörigkeit der österreichischen Justiz beweist.

Die Vier wurden wegen einer einst auf Kärntner Landeskosten erstellten Broschüre zu Geld- und bedingten Haftstrafen verurteilt, weil diese Broschüre – so der Gutachter – zu 85 Prozent Werbewert für das BZÖ und praktisch keinen für die vorgeblich damit bedienten Landesgesellschaften hatte. Dörfler wird später noch einmal vor Gericht gestellt, weil bei Auftragsvergaben (vor allem bei Straßenbauten) von oben in die Ausschreibung eingegriffen worden ist. Das hat sich im Broschüren-Prozess herausgestellt; jetzt werden die rund 1000 Vergaben Dörflers nachgeprüft. Das dürfte dann sogar zu einer echten Haftstrafe führen.

Nichts an dem Prozess scheint unkorrekt gewesen zu sein – außer dass er überhaupt stattgefunden hat, während er gegen hunderte andere Landes- und Stadträte nicht stattfindet. Was eine Fülle von schmerzhaften Fragen aufwirft:

  1. Warum werden nicht auch in den anderen Bundesländern alle Vergaben aufgerollt und nachgeprüft, nachdem sich gezeigt hat, wie leicht dabei Manipulationen gehen?
  2. Glaubt irgendjemand, dass bei der zuletzt aufgeflogenen Bauaffäre in Wien wirklich nur subalterne Beamte involviert gewesen seien, die Partei aber jahrelang unwissend geblieben ist?
  3. Warum wird nicht in paralleler Weise auch bei den zahllosen Druckwerken der Gemeinde Wien nachgeprüft, wie viel des Inhalts für die SPÖ wirbt und wie viel davon den Interessen der Wiener Bürger dient?
  4. Warum wird nur Dörfler vorgehalten, dass er bei einer vom Land mit Aufträgen versehenen Firma wegen eines 5000-Euro-Inserats angerufen hat?
  5. Warum werden die Baufirmen nicht gefragt, aus welchem Grund sie teuer in bestimmten Medien inserieren, obwohl der Werbewert primär dem „wünschenden“ Stadtrat zugute kommt?
  6. Warum hat die Staatsanwaltschaft, die jetzt gegen die politische Leiche BZÖ mit großer Konsequenz vorgeht, das Verfahren wegen der ein Vielfaches schlimmeren Inseratenaufträge der Herrn Faymann und Ostermayer zu Lasten von ÖBB und Asfinag eingestellt, noch bevor dort ein unabhängiger Richter urteilen konnte?
  7. Warum hat sich die Staatsanwaltschaft zu dieser Einstellung eines dubiosen deutschen Sachverständigen bedient, während sich beim Kärntner Prozess gezeigt hat, dass es auch in Österreich exzellente Sachverständige gibt?
  8. Warum wird nicht – so wie bei Kärntner Bauaufträgen –  jetzt österreichweit sämtlichen Inseratenaufträgen nachgegangen, die etliche andere Bundesländer in ungleich höherem  Ausmaß vergeben haben?
  9. Warum schweigt die Staatsanwaltschaft zu dem anrüchigen Umstand, dass die beiden SPÖ-geführten Länder Wien und Burgenland bei den Pro-Kopf-Ausgaben unter allen Bundesländern an der Spitze liegen, und dass auch bei den Bundesministerien zwei SPÖ-geführte Ressorts am meisten dafür ausgeben?
  10. Haben die keine Nasen, um zu riechen, was da passiert?
  11. Warum schweigt die Staatsanwaltschaft sogar zu dem Umstand, dass das Land Wien pro Kopf nicht weniger als 73 Mal so viel Steuergeld für Inserate ausgibt wie das Bundesland Salzburg?
  12. Warum fällt der Staatsanwaltschaft nicht auf, dass Hauptnutznießer dieser Inseratenflut alljährlich die drei Boulevardblätter sind, die alle drei ganz zufällig sehr, sehr SPÖ-freundlich sind, und von denen eines ohne diese Inserate längst nicht mehr überleben könnte?
  13. Warum traue ich mich zu wetten, dass die Staatsanwaltschaft auch gegen die aus mehreren Gründen rechtswidrige Bauerlaubnis für den Hochhausbau neben dem Konzerthaus nichts unternehmen wird?
  14. Warum regiert nur noch in der Kärntner Justiz der Rechtsstaat?
  15. Warum schweigt ein völlig überforderter Justizminister zu all dem?

Ganz Österreich weiß die Antworten auf diese Fragen. Und diese Antworten sind schuld daran, dass die Bürger sich in den letzten 70 Jahren noch nie geistig so weit weg von diesem Staat entfernt  haben, so voller Verachtung auf die Republik. An dieser dramatischen Entwicklung ändert auch der Versuch nichts, die Loyalität dieser Bürger mit immer schärferen Strafgesetzen zu erzwingen, die sich jetzt sogar schon anmaßen, die – wörtlich! – „Gesinnung“ der Menschen zum Objekt des Strafrichters zu machen.

Bei allem Respekt für manchmal schwierig zu beurteilende Rechtsfragen: Wenn die Bürger so eindeutig das Gefühl bekommen haben, dass die Parteien der Macht alles straflos tun dürfen, dass man hingegen Oppositionsparteien konsequent und mit aller Härte verfolgt – siehe auch die Justizkabalen gegen Peter Westenthaler und gegen Karl-Heinz Grasser – dann geht es da um viel mehr als eine bloße Rechtsfrage. Dann geht es da auch um mehr als überforderte oder schlagseitige Staatsanwälte und Justizminister.

Dann sind vielmehr die zentralen Fundamente von Rechtsstaat und Demokratie zerstört. Deren wichtigstes ist die Gleichbehandlung von Regierung und Opposition.

Dann wird man immer öfter an die Zeit vor 1848 erinnert, als erst eine große Revolution das Metternichsche Einschüchterungssystem beenden konnte.

Das Entsetzen des Österreichers über diese Entwicklung der Strafjustiz wird auch um keinen Millimeter gemildert, wenn er ähnliche Dinge im Ausland beobachten kann. Wenn etwa die Justiz der französischen Linksregierung sowohl gegen die rechtspopulistische Präsidentschaftskandidatin Le Pen wie auch gegen den Konservativen Fillon wegen zumindest zum Teil lächerlicher Vorwürfe vorgeht, um den linken Kandidaten in die Pole-Position zu bringen. Oder wenn die spanische Justiz den ehemaligen katalonischen Premier wegen der Durchführung einer Volksbefragung verurteilt. Oder wenn der Niederländer Wilders vor Gericht geschleppt wird.

Immer trifft es die Opposition. Und immer bleibt die Macht außen vor. Selbst wenn die Beweise erdrückend sind.

PS: Mini-Groteske am Rande: Jene Wiener Zeitung, die wohl nur durch die rote Inseratenflut vor dem endgültigen Kollaps gerettet werden konnte, hat jetzt eine Frontalattacke auf den Gewerkschaftsbund gestartet. Ganz „zufällig“ hat nämlich die Gewerkschaft hinter den Kulissen ihr Veto gegen das von der subventionsfreudigen und offenbar geldstrotzenden Koalition geplante Gesetz eingelegt, künftig auch den Gratiszeitungen Presseförderung zukommen zu lassen.

So wie die Ungleichbehandlung von Regierung und Opposition die Glaubwürdigkeit der Justiz zertrümmert, so wird die Glaubwürdigkeit eines Mediums – freilich nur, falls noch vorhanden – zertrümmert, wenn es erkennbar im ökonomischen Eigeninteresse Attacken in ganz anderem Zusammenhang reitet. Diese Folge tritt selbst dann ein, wenn der Inhalt dieser Kampagne (die ÖGB-Schikanen gegen Unternehmer) legitim sein sollte.

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