Hofers Fehler und die Macht der Medien
04. Dezember 2016 19:26
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 5:30
Sechs klare Gründe sind es, die den Ausschlag dieser Präsidentenwahl gegeben haben. Dennoch ist der Sieg Alexander van der Bellens, insbesondere auch in diesem jede Diskussion beendenden Ausmaß, überaus erstaunlich (auch wenn sich die Meinungsforscher wohlweislich nach so vielen Blamagen zuletzt deutlich mit Prognosen zurückgehalten hatten). Sechs Gründe und sechs Konsequenzen dieses Wahlergebnisses.
- Der wohl wichtigste Grund der Niederlage Norbert Hofers: Die Menschen mögen es nicht, wenn man bei Wahlen versucht, durch nachträgliche Anfechtung ein feststehendes Ergebnis umzudrehen. Denn es gab und gibt ja keinen einzigen Beweis, dass die vielen Formalfehler der letzten Stichwahl (und ganz ähnlich auch aller früheren Wahlen) das Ergebnis beeinflusst hätten. Weder die vorzeitige Öffnung noch die vorzeitige Auszählung noch das Bekanntwerden von Teilergebnissen vor dem Schließen aller Wahllokale haben ja in irgendeiner Weise das Ergebnis beeinflusst. All diese Dinge haben nur die Formaljuristen im VfGH gestört.
Ich kenne jedenfalls Wähler, die genau wegen des Ärgers über die Anfechtung zuerst Hofer und dann jedoch Van der Bellen gewählt haben. Zwar hat auch dieses Tagebuch mehrfach die Wahlaufhebung als inhaltlich nicht gerechtfertigt und bloß formalistisch kritisiert – aber dennoch hatte ich die psychologische Wirkung dieser Aufhebung unterschätzt. Dies umso mehr, als die Kandidaten selbst wie auch die Parteien in den letzten Wochen des Wahlkampfs dieses Thema eigentlich überhaupt nicht berührt haben. Aber die Wähler haben es sich gemerkt.
- Der zweitwichtigste Grund war das Mäandrieren des Hofer-Wahlkampfes: Er hat lange versucht, die traditionelle Schärfe der FPÖ-Politik zu mildern, ist dann aber in der allerletzten Fernsehdiskussion in einen überaus polemischen Stil des ständigen „Lüge“-Vorwurfs verfallen. Das war ein massiver Bruch, das hat Menschen verschreckt. Es scheint sogar so, dass manche Wählerstimmen solche des Mitleids mit Van der Bellen gewesen sind. Vor allem Frauen mögen mehrheitlich nicht Politiker, die Dinge zuspitzen.
- Drittens: Hofer hat es nicht mehr geschafft, die für einen Sieg nötigen Emotionen zu erwecken (und Emotion ist etwas anderes als Schärfe!). Ohne Emotion geht aber im Wahlkampf gar nichts. Vor allem bei den Freiheitlichen nicht, die ja normalerweise immer auf der Emotionsschiene agieren. Und der Wunsch, dieser Regierung die Rote Karte zu zeigen, war im Dezember nicht mehr so stark wirksam wie im Frühjahr.
- Viertens: Mit im wahlentscheidenden Spiel war auch die abschreckend wirkende Performance des neugewählten amerikanischen Präsidenten. Auch wenn da medial viel übertrieben wird – in Europa wie Österreich hat die amerikanische Wahl Hofer jedenfalls geschadet, ist er doch vielfach als österreichischer Trump gesehen worden (auch wenn er sich in Wahrheit in vielem unterscheidet). Und das schlechte Image von Trump in Europa ist ganz sicher kein Irrtum von Meinungsforschern.
- Als fünfter Grund mit im Spiel war zweifellos auch das Thema Europa: Bei aller Kritik am Zustand der EU, an Schulden- und Währungspolitik, an der immigrationsfreundlichen Politik der Union will die Mehrheit der Österreicher (zu Recht) kein Ausscheiden aus der EU. Es gab aber noch vor wenigen Monaten – etwa, aber nicht nur rund um den Brexit – freiheitliche Stimmen, die ein solches Ausscheiden zur Diskussion gestellt haben. Da half es dann auch gar nichts, dass Hofer einen EU-Austritt seit Wochen komplett abgelehnt hat. Er konnte auch die Argumentation nie drüberbringen, dass die FPÖ ja nur für das Recht der Österreicher auf die direktdemokratische Letztentscheidung über welche Frage immer plädiert hat. Stattdessen verstrickte sich Hofer in inhaltliche Diskussionen von der Todesstrafe bis zum EU-Austritt.
- Last not least war wahlentscheidend, dass viele Medien – der ORF an der Spitze – das Thema Völkerwanderung, Terror und Islamismus in den letzten Wochen trotz zahlloser Vorfälle im In- und Ausland so gut wie totgeschwiegen haben. Drastischstes Beispiel: Sogar ein (islamistischer) Terroranschlag in den USA mit elf Verletzten wenige Tage vor der Wahl wurde im ORF verschwiegen. Dabei war dieser Themenkreis für die Österreicher das beherrschende Ereignis der letzten zwei Jahre. Aber man sieht: Die Macht der traditionellen Medien kann zwar nicht die Meinung der Menschen direkt ändern, aber sie kann diese Meinung durch Verschweigen von Nachrichten immer noch massiv manipulieren.
Und das ist der einzige wirklich skandalöse Aspekt dieser Wahl. Alles andere, was hier aufgezählt worden ist, sind Fehler des freiheitlichen Wahlkampfs beziehungsweise souveräne Entscheidungen des Stimmbürgers, die man immer zu respektieren hat.
Die wichtigste Folge des Wahlergebnisses: Der Stimmbürger hat damit der Regierung einen Persilschein für eine Fortsetzung ihrer bisherigen Politik ausgestellt. Das mag man für schlecht finden, aber das ist demokratisch zur Kenntnis zu nehmen.
Was sind die sonstigen Konsequenzen des Wahlergebnisses?
- Wir werden jetzt einen Bundespräsidenten haben, der stets ebenso nett wie substanzlos agieren wird, der niemandem wehtun wird. Das garantieren Charakter, Alter (nur einmal hatten die Österreicher einen Bundespräsidenten gewählt, der noch älter war!) und das gesamte Auftreten des Wahlsiegers. Das garantiert auch das völlige Fehlen eines echten inhaltlichen Wahlprogramms (bei beiden Kandidaten).
- Für SPÖ und ÖVP sind die parteiinterne Auseinandersetzungen zwar ein wenig auf die lange Bank geschoben, aber in keiner Weise gelöst.
- H.C.Strache bleibt unangefochten FPÖ-Chef. Er wäre nur bei einer hauchdünnen Niederlage Hofers in Bedrängnis gekommen.
- Die FPÖ kann sich dennoch in einem Teilerfolg sonnen: Mit 35 Prozent im ersten Wahltag, als noch alle anderen Parteien angetreten waren, und 47 Prozent in der Stichwahl hat sie das beste nationale Ergebnis ihrer Geschichte erzielt. Freilich kann das nur mit der Einschränkung gesagt werden, dass man von einer eigentlich viel kleineren Partei besiegt worden ist, die nie zu den staatstragenden gehört hat.
- Die FPÖ kann auch noch in einer weiteren Hinsicht einen langfristigen Erfolg sehen: Eine Wahl Hofers zum Präsidenten hätte sicherlich bei der nächsten Nationalratswahl etliche Gleichgewichtswähler (und die gibt es in Österreich seit sieben Jahrzehnten) von der Stimmabgabe für die FPÖ abgehalten. Das heißt, ein überlegener, wenn auch relativer FPÖ-Sieg bei der Parlamentswahl ist heute mindestens genauso wahrscheinlich wie er vor einer Woche, einem Monat oder einem Jahr gewesen ist. Ob sich Rot und Schwarz dessen bewusst sind?
- Zumindest an der Staatsspitze finden die Menschen Bedächtigkeit und Alter für positiv. Das sollte den sonst in den Parteien herrschenden Jugendkult kräftig einbremsen.
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