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Drama für Europa: Italiener sagen Nein

Nur wenige Stunden hat nach der heimischen Bundespräsidentenwahl die Euphorie gedauert, mit der das offizielle EU-Europa das Zeitalter der europaweiten Depressionen beendet sehen wollte. Die Absage der italienischen Bürger an die Verfassungsreform von Ministerpräsident Renzi und dessen Rücktritt sind eine gewaltige Katastrophe für Renzi, für Italien, für den Euro und für die Stabilität Europas. Mit dramatischen Implikationen.

Die österreichische Abstimmung war ja in Wahrheit gar keine darüber, ob das Land bei Europa bleiben will. Diesen Eindruck erweckte nur der geschickte Spin der Van-der-Bellen-Kampagne, obwohl sich Norbert Hofer im Wahlkampf ganz eindeutig für einen Verbleib in der EU ausgesprochen hat (das war freilich nicht immer die Haltung der FPÖ).

Auch das italienische Referendum war keines über einen Austritt aus der EU oder aus dem Euro. Es war aber sehr wohl eines über ein konstitutionelles Reformpaket, das für das Überleben des Euro extrem wichtig gewesen wäre. Italien wäre erst dadurch wieder handlungsfähig geworden.

Pointiert gesprochen: Die Pro-Europäer hätten sich viel mehr freuen können, wenn die beiden „Schicksalsabstimmungen“ des vergangenen Sonntags umgekehrt ausgegangen wären. Also wenn Norbert Hofer gesiegt hätte und in Italien die Reformen angenommen worden wären. So ist es aber eben nicht gekommen.

Nun gewiss: Wir werden in den nächsten Stunden wohl aus vielen europäischen Hauptstädten hören, so dramatisch ist das italienische Ergebnis ja eh nicht. Es ging ja eigentlich nur um innere Reformen der italienischen Verfassung. Und jeder Ministerpräsident ist ersetzbar.

Formalrechtlich ist das auch richtig. Aber es war der italienische Premier Renzi selbst, der dieses Referendum zu Schicksalswahlen hochstilisiert hat, die für das wirtschaftliche Überleben Italiens entscheidend seien. Nur so könne Europas kranker Mann mit seiner gewaltigen historischen Last gerettet werden. Das haben übrigens auch viele internationale Wirtschaftsexperten so gesehen. Das sind dann freilich (vor allem bei einem negativen Ausgang) sich selbst erfüllende Prophezeiungen. Daher wird das Scheitern Renzis jetzt einen gewaltigen Misstrauenssturm gegen den Euro auslösen.

Ein Euro weniger wert als ein Dollar?

Ich wage zu prophezeien, dass als Folge des italienischen Referendums der Euro eine steile Talfahrt vor sich hat. Dass in wenigen Tagen ein Dollar plötzlich mehr wert sein wird als ein Euro. Schon aus diesem Grund wird keiner im ganzen Euroland sagen können, italienische Vorgänge gingen uns nichts an.

Noch erstaunlicher: Umgekehrt ist der Dollar auf steiler Höhenfahrt. Haben doch alle Berichterstatter aus Amerika gesagt, eine Wahl Donald Trumps wäre Gift für die amerikanische Wirtschaft. Erstens kommt es anders, zweitens als die Medien denken. Und drittens sind die USA wieder zum Stabilitätsanker geworden, während neben Europa vor allem China (aber auch Russland von einer schweren Wachstumskrise geschüttelt wird.

Tatsache ist jedenfalls, dass Italien zusammen mit Griechenland und Frankreich zu den schwächsten Gliedern in der Eurozone zählen. Griechenland ist aber so klein, dass Europa – auf Deutschlands Anordnung – das Land um gewaltig viel Geld retten konnte. Und Frankreich hat zumindest bis zur dortigen Präsidentenwahl im kommenden Jahr noch eine Atempause; und bei dieser Wahl tritt mit dem Konservativen Fillon immerhin ein wirtschaftlich extrem vernünftiger und mutiger Kandidat an.

Bleibt Krisenland Italien. Dessen Rettung wird auch Deutschland nicht stemmen können. Dabei sind wohlgemerkt die italienischen Verfassungsreformen nicht der einzige Weg, wo eine Regierung dringend Hand anlegen hätte können, um das Land zu retten. Aber Renzi hat sich jedenfalls für dieses Paket als den seiner Meinung nach richtigen und einzigen Weg entschlossen.

Zwei Jahre ging alle politische Energie in dieses Paket. Und jetzt ist das alternativlose Paket alternativlos gescheitert. Erst diese politpsychologische Dimension macht Renzis Niederlage so bedeutend und folgenschwer.

Dass Renzi innenpolitisch diese Niederlage nicht überlebt, ist ebenso wahrscheinlich, aber letztlich fürs Ausland egal. Keineswegs egal kann aber sein, dass eine baldige Machtübernahme durch den linkspopulistischen Komiker Grillo droht. Denn dann ist auch ein Euro-Austritt Italiens recht wahrscheinlich. Dann kommt eine Kettenreaktion ungeahnten Ausmaßes in Gang.

Warum ist es bei der Reform eigentlich gegangen?

  • Vor allem um eine Entmachtung des Senats, der bisher völlig gleichberechtigt mit der Deputiertenkammer gewesen ist, was oft zu jahrelangen Blockaden geführt hat.
  • Es geht um den Abbau von Hunderten Senatoren und vieler Privilegien.
  • Es geht darum, dass künftig Referenden nicht nur durchgesetzt werden können, um ein erlassenes Gesetz abzuschießen; künftig hätten die Italiener auch Gesetze solcherart erzwingen können.

All diese Dinge sind eindeutig positiv, weniger positiv, zumindest diskutabel sind freilich andere Bestandteile des Pakets:

  • Eine massive Zentralisierung durch Entmachtung der Regionen;
  • Eine enge Bindung des Verfassungsgerichts an die Politik;
  • Ein neues Wahlgesetz, das der relativ stärksten Partei automatisch 54 Prozent der Sitze gibt, was zwar das Regieren gewaltig erleichtert, aber halt alles andere als demokratisch ist.

Renzi hätte vielleicht all das dennoch durchgebracht. Aber er hat den Fehler begangen, sein eigenes Schicksal an die Reform zu binden. Damit hat er automatisch die Opposition gegen das Gesetz vervielfacht. Denn plötzlich waren von links bis rechts viele gegen die Reform – aber nicht weil sie gegen deren Inhalt wären, sondern weil sie Renzi stürzen wollten. Es ist erstaunlich, wie oft (von Kreisky bis Cameron) Spitzenpolitiker diesen Fehler begehen, Sachentscheidungen an ihr persönliches Schicksal zu binden. Damit hat man fast automatisch die Zahl der Gegner vervielfacht, die eigentlich sachlich durchaus mit dem Regierungschef einer Meinung wären.

Wir lernen wieder einmal: Volksabstimmungen sind gut, richtig und notwendig. Sie dürfen aber niemals mit dem Schicksal einer Regierung oder eines Politikers verknüpft werden. Das kann sich höchstens ein Putin oder Erdogan leisten. Referenden sollten vielmehr so selbstverständliche SACH-Entscheidungen werden wie in der Schweiz. Dort ist meines Wissens noch nie ein Politiker zurückgetreten, nur weil eine Abstimmung ein unerwünschtes Ergebnis produziert hat…

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