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Reinhold Lopatka hat es gewagt: Er hat öffentlich seine Unterstützung für Norbert Hofer erklärt. Das ist ein Dammbruch. Sympathiebekundungen für den blauen Präsidentschaftskandidaten haben hochrangige ÖVP-Politiker bisher höchstens nur im streng vertraulichen Privatgespräch abgegeben (wenn man vom Tiroler Altlandeshauptmann Van Staa absieht). Damit ist jene Spaltung der schwarzen Wählerbasis in Hinblick auf die Präsidentenwahl, die sämtliche Meinungsumfragen und Wählerstromanalysen seit Monaten zeigen, nun auch an der Parteispitze offenkundig geworden. Das ist nicht schlau.
Viel schlauer war jene Haltung, welche die Parteiführung monatelang bei den bisherigen Versuchen einer Stichwahl gezeigt hat: Man verhält sich nach außen neutral. Mit dieser Neutralität hat man es vermieden, die jeweils andere Hälfte der Partei vor den Kopf zu stoßen, mit ihr hat man das Risiko reduziert, dass die Volkspartei in der Mitte zerrissen wird. Mit ihr hat man – hätte man auch keine überflüssige Konfrontation mit dem künftigen Bundespräsidenten aufgebaut, der ja möglicherweise jener Mann wird, gegen den man sich ausgesprochen hat.
Eine solche klare Linie – auch Neutralität ist in solchen Fällen eine klare Linie – wenige Tage vor einer Wahl aufzugeben, ist immer ungeschickt und unprofessionell.
Nur: Die Schuld daran trägt nicht Reinhold Lopatka, sondern Reinhold Mitterlehner. Er hat etliche Tage vor Lopatka, ohne dass es dazu einen Parteibeschluss gegeben hätte, den Damm gebrochen und sich für Van der Bellen ausgesprochen. Damit hat er Lopatka erst legitimiert, sich auch selbst öffentlich zu positionieren. Mit der Aufgabe der schwarzen Neutralität hat Mitterlehner aber auch die einzig derzeit mögliche Führungsrolle eines Parteichefs aufgegeben (auch wenn er sich in privaten Runden schon vor dem Sommer mehrfach für den grünen Kandidaten ausgesprochen hat).
Über das Motiv kann man nur rätseln. Mitterlehner hat sich entweder verplappert – was arg unprofessionell wäre – oder er hat aus Angst vor vorzeitigen Neuwahlen die Nerven verloren.
Denn ein Hofer-Sieg erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass es die Koalition zerbricht. Die SPÖ könnte dann versucht sein, die Flucht nach vorne anzutreten und den Wählern eine Gleichgewichtswahl einzutrommeln: „Ein rechter Bundespräsident braucht ein linkes Gegengewicht.“ Oder noch primitiver: „Stärkt uns als Bollwerk gegen den Neonazismus!“
Neuwahlen aber heißen jedenfalls auch, dass Mitterlehner nur noch wenige Wochen Vizekanzler und Parteiobmann ist. Und das mag er nicht so gern zur Kenntnis nehmen. Aber jeder in der Partei weiß, dass mit dem netten, aber strategisch völlig unfähigen und durchsetzungsschwachen Mann keine Wahl zu schlagen ist.
Wobei freilich SPÖ-Chef Christian Kern in Wahrheit schon von seinem ersten Amtstag an auf Neuwahlen zugesteuert hat. Er hat versucht, durch wortreiche und inhaltsarme Auftritte und eine Entscheidungsscheu, die jene des Werner Faymann noch übertrifft, sowohl nach rechts wie nach links für die SPÖ wieder Attraktivität zu gewinnen, ohne sich aber festzulegen. Die Partei wird ja von zwei Seiten unterminiert.
Dieses Doppelspiel ist Kern freilich nicht wirklich gelungen – auch deshalb nicht, weil die zweifache Verlängerung des Präsidentenrennens seinen ganzen Zeitplan durcheinandergebracht hat. Die Begeisterung für ihn blieb in engen Grenzen. Mit jedem Tag im Amt sind des Parteiobmanns neue Kleider als noch schäbiger erkennbar geworden.
Aus diesem Grund scheint Kern begonnen zu haben, sich von seinen Neuwahl-Plänen wegen Aussichtslosigkeit zu verabschieden. Er dürfte sich so wie Lopatka geistig auf einen Hofer-Sieg vorbereiten. Und er dürfte erkannt haben, wie dumm es ist, deswegen den Weltuntergang auszurufen (auch wenn die Medienwelt das gerne so sehen möchte). Nicht anders ist ein erstaunlich freundschaftlicher Diskussionsauftritt Kerns mit H.C.Strache zu interpretieren. Kern gibt jedenfalls zehn Tage vor der Wahl die bei Rotgrün seit 30 Jahren total dominierende Sprachregelung auf, in der die FPÖ immer schlimmer als Dschingis-Khan und Satan zusammen dargestellt worden ist. Damit hat er aber auch ein entscheidendes Torpedo gegen die Van-der-Bellen-Kampagne losgeschickt, die immer nur mit der Angst vor der FPÖ gearbeitet hat.
Noch einmal zurück zur ÖVP. Die Wortmeldung zugunsten von Van der Bellen war jedenfalls Mitterlehners letzter schwerer Fehler. Während die Pro-Grün-Äußerungen anderer ÖVP-Alt-Muppets wie Fischler, Busek, Ikrath, Maier und Rauch-Kallat völlig irrelevant waren (oder höchstens lustig, weil sie offenbar ernstlich glaubten, dass sie noch irgendeine Attraktivität hätten), so ist Mitterlehner immerhin noch der Obmann der ÖVP, der das Ganze zusammenhalten sollte. Und er weiß natürlich genau, dass von St. Pölten bis zu den Anhängern der einstigen Schüssel-Zeiten in der ÖVP massive Sympathien für eine Unterstützung des Freiheitlichen herrschen.
Diese alle hat er sinnlos provoziert. Damit hat er seinen eigenen Abgang einbetoniert. Die Partei braucht, will sie überleben (was mir gegenüber in den letzten Tagen ein ausländischer Regierungschef im Privatgespräch freilich schon als unwahrscheinlich bezeichnet hat), einen Zusammenführer, keinen Spalter. Und jetzt hat sich Mitterlehner eben nicht nur als unattraktiv, sondern auch als Spalter entpuppt.
So gesehen ist Lopatkas Vorstoß doppelt mutig. Denn auch er riskiert, dass er sich damit aus dem politischen Spiel schießt. Es sei denn, Lopatka steht schon in direkter oder gefühlter Absprache mit dem großen Schweiger in der Partei, also mit Sebastian Kurz. Dann hätte sich Lopatka gleichsam den Maria-Theresien-Orden für das kommende Kurz-Team verdient, indem er sowohl Mitterlehner als auch Van der Bellen den Todesstoß versetzt hat.
Wieder einmal zeigt sich jedenfalls, dass in der Partei ausgerechnet der Jüngste auch der weitaus Klügste ist. Denn Kurz hat es als einziger verstanden, den Mund zu halten. Er hat sich auch durch demonstratives Lob seitens der Freiheitlichen nicht aus der Reserve locken und zu einer öffentlichen Äußerung verlocken lassen (obwohl Kurz mit Sicherheit persönlich Hofer wählt). Wenn er das auch noch in der nächsten Woche durchhält, dann braucht er nur noch sein Wahlprogramm zu schreiben.
Denn selbst für den zunehmend unwahrscheinlich gewordenen Fall, dass Van der Bellen siegen sollte, werden in der Partei alle Mitterlehner fragen: Und was haben wir davon, dass Du den Kandidaten von Rotgrün unterstützt hast?
Eines kann jedenfalls jetzt als gewiss gelten: In beiden Regierungsparteien wird es in den Tagen nach der Präsidentenwahl drunter und drüber gehen. In der SPÖ tobt das Vorspiel dazu ja schon seit Wochen in der Wiener Landespartei, der weitaus wichtigsten Basis der Sozialdemokratie, wo man sich sogar schon öffentlich gegenseitig beflegelt. In der ÖVP wird die öffentliche Kontroverse zwar vorerst nur über die Bande unterschiedlicher Präsidentschafts-Sympathien gespielt. Aber auch in der ÖVP ist jetzt Vieles möglich – nur nicht, dass Mitterlehner und Lopatka noch ein gutes Duo an der Parteispitze abgeben werden.