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Die Sozialpartner-Diktatur

Bundes- und Vizekanzler haben sich für ihren angeblichen New Deal eine kräftige Beschneidung der Gewerbeordnung gewünscht. Sonst war ihnen eh nicht viel eingefallen (nur ein paar weitere defiziterhöhende Subventionen und Förderungen). Jetzt jedoch, da sie eine wichtige Reform zumindest dieses Teilbereichs versucht haben, sind Rot und Schwarz von den Sozialpartnern eiskalt abserviert worden. Wir lernen daraus – wieder einmal –, wer in diesem Land wirklich regiert. Zumindest solange eine rot-schwarze Koalition amtiert.

Das dürfte zwar nach allen Meinungsumfragen sowie den blamablen Ergebnissen der Präsidentenwahl nicht mehr lange so wie bisher der Fall sein. Freilich: Aber Grün wie Pink stehen schon Schlange, um lebensverlängernd für dieses System zu wirken. Und nach dem schmählichen Ausgang der Gewerbeordnungs-Schlacht ist es recht wahrscheinlich geworden, dass sich auch Schwarz wieder für diese Variante entscheidet. Schließlich ist ja jetzt die Wirtschaftskammer ihren Partnern von der Gewerkschaft zu großem Dank verpflichtet, weil diese die WKO vor einer echten und wirksamen Gewerbeordnungs-Reform bewahrt haben. Das heißt: Sie wird die ÖVP in die Koalition mit der SPÖ erneut hineinprügeln.

Zwar wundern sich manche in der ÖVP, warum ihr die Bürger nicht einmal mehr eine Kompetenz in Sachen Wirtschaft zuschreiben. Aber die ÖVP ist selber daran schuld, weil sie immer Wirtschaft mit der WKO gleichsetzt. Das ist ein absurder Fehler, ist doch die Kammer nur ein kleiner Teil der Wirtschaft. Dass alle freien Berufe, dass all jene, die von der WKO frustriert sind, dass alle jene, die der WKO wegen sich ganz vom Selbständigwerden abgewendet haben, dass erst recht alle Ökonomen unter Marktwirtschaft etwas ganz anderes verstehen als die WKO: Das alles hat in der ÖVP offenbar niemand begriffen.

Das einzige Glück der Schwarzen (und Pech für Österreich): Auch keine andere Partei hat Kompetenz in Sachen Wirtschaftspolitik. Dabei ist diese nach den Fragen Krieg und Frieden, Migration und Rechtsstaat zweifellos das wichtigste Feld staatlicher Aktivität.

Aber die Freiheitlichen wittern die großen Wählermassen anderswo (aus ihrer Warte möglicherweise zu Recht). Die Pinken, die anfangs etliche Wirtschaftshoffnungen geweckt hatten, haben sich zu einer Vorfeldorganisation der grünlinken Political Correctness deformiert und zeigen kaum Interesse für die Marktwirtschaft. Und das einst tatsächlich wirtschaftsnahe Team Stronach hat längst schon sein eigenes Grab fertig gegraben – mit dem Namensgeber als Hauptgräber.

Die Gewerkschaft als Bleigewicht für die Zukunft

Die österreichische Sozialpartnerachse ist stark. Sie ist auch – für die eigenen Interessen -   erfolgreich. Aber nicht für die Österreichs.

Mit Gewerkschaften sind in Wahrheit sinnvolle Reformen eindeutig unmöglich geworden. Das zeigt auch der Vergleich zu Deutschland. Dort konnte die Agenda 2010 nur deshalb zu einem so nachhaltig wirksamen Erfolg werden, der das Wachstum hinauf- und die Arbeitslosigkeit hinuntergetrieben hat, weil die Regierung bereit war, sich gegen die Gewerkschaft zu stellen; weil die damalige mutige Schröder-Müntefering-Clement-SPD im Interesse Deutschlands sogar den Wechsel eines Teils der Gewerkschaft zur postkommunistischen „Linken“ und die eigene Niederlage in Kauf genommen hat, um das Land voranzubringen.

Auch in allen anderen Ländern hat es sich gezeigt, dass nur jene Regierungen Reform- und Erfolgschancen haben, die zum Konflikt mit der Gewerkschaft bereit sind. Und eine gesetzlich so starke Wirtschaftskammer wie in Österreich mit Zwangsgewerbeordnung und Pflichtmitgliedschaft gibt es überhaupt nirgendwo sonst. Wir werden von zwei Reformbremsen "regiert".

In Österreich hat die ÖVP einst nur unter Schüssel einen – teilweisen – Bruch mit der WKO in Kauf genommen. Und Gusenbauer hat eine zarte Distanz zur Gewerkschaft versucht, was ihm innerparteilich schlecht bekommen ist. Aber ansonsten regieren die beiden Sozialpartner völlig ungehindert. Die "Verdienste" der Sozialpartner:

  • So haben sich die Sozialpartner vor fast zehn Jahren sogar in die Verfassung hineinhieven und solcherart absichern können. Was international eine absolute Groteske ist
  • So hat die WKO eine Kürzung der Arbeiterkammer-Pflichtbeiträge verhindert. Auch diese sind international weitestgehend unbekannt.
  • So hat die WKO im letzten Jahrzehnt in ihrer Gewerkschaftsliebe (mit Christoph Leitl als oberstem Liebhaber) immer viel zu hohen Lohnabschlüssen zugestimmt, die Österreichs Lohnniveau weit rascher als jenes anderer Länder steigen haben lassen. Das ist eine der Hauptursachen für die Explosion der Arbeitslosigkeit.
  • So hat die WKO im Vorjahr kampflos einem absolut wirtschaftsfeindlichen Steuerpaket (Grunderwerbssteuer, Registrierkassen, höherer Grenzsteuersatz, höhere KöSt usw.) zugestimmt.

Jetzt war halt einmal die Gegenleistung der Gewerkschaft fällig. Diese besteht nun darin, dass die Gewerkschaft der SPÖ alle Versuche, die Gewerbeordnungspflichten wirklich zu reduzieren, abdreht.

In der ÖVP ist Parteiobmann Mitterlehner, der noch vor ein paar Wochen lautstark eine tiefgreifende Gewerbeordnungsreform verkündet hat, völlig eingegangen. Er ist wieder das geworden, was er eigentlich immer schon als ehemaliger Generalsekretär Leitls war: Bettvorleger der WKO, seines langjährigen Arbeitgebers.

Nun soll man gewiss nicht ignorieren, dass mit der nunmehr verkündeten Reform einige minimale Verbesserungen zustandekommen:

  • So werden jetzt ein paar Gebühren reduziert.
  • So sollen einschlägige Bescheide ein wenig schneller erlassen werden als bisher (Freilich: Wenn das letztlich doch nicht der Fall sein sollte, dann werden die Behörden zweifellos wieder neue gute Ausreden finden - es gibt ja keine Sanktionen fürs Lügen).
  • So soll es künftig ein One-Stop-Shop-Prinzip für die diversen Betriebsgenehmigungen geben (Das wäre an sich wirklich relevant; nur bin ich fast sicher, die diversen Behörden für Wasserrecht, Baurecht, Naturschutz usw. werden auch künftig jede Möglichkeit nutzen, Sand ins Getriebe eines schnellen Genehmigungsverfahrens zu werfen).
  • So können Gastwirte künftig auch bisweilen am Parkplatz vor dem Gasthaus ausschenken (Das ist einzig wegen der unglaublichen Tatsache erwähnenswert, dass selbst solche Winzigkeiten bisher genehmigungspflichtig sind).
  • So sind jetzt etwa das Wäschebügeln, die Erzeugung von getunkten Früchten, das Zusammenbauen von Möbelbausätzen und etliche ähnliche Dinge freie Gewerbe geworden. In Wahrheit kann man nur verzweifelt lachen, dass solche Tätigkeiten zur Stunde noch immer teilgebundene Gewerbe sind. Kein normaler Mensch käme auch nur auf die Idee, was in Österreich alles eigentlich genehmigungs- und gewerbepflichtig ist.

Das ist steinzeitlich. Das kann man doch nicht ernsthaft als Schritt der Regierung in die Zukunft bezeichnen, wenn gleichzeitig alle 80 gebundenen Gewerbe weiterhin reglementiert bleiben. Daher werden mit Sicherheit viele „gewerbliche“ Tätigkeiten auch in Zukunft an allen Gewerbeordnungen vorbei getan.

Diese Miniänderungen an der Gewerbeordnung werden keinen einzigen zusätzlichen Arbeitsplatz schaffen. Sie werden nicht das tun, was für Österreich so notwendig wäre: vielen jungen (oder auch älteren) Menschen ohne Formalitäten-Belastung den Schritt in die Selbständigkeit zu ermöglichen, weil es eh keine angestellten Jobs für sie gibt. Für viele wird daher wohl die üppige „Mindestsicherung“ attraktiver bleiben.

Wie aber schaut es mit dem Argument aus, dass die Gewerbeordnung doch die duale Ausbildung sichert – also den wohl positivsten Teil des heimischen Bildungssystems?

Nun, darauf sollte wirklich ernsthaft aufgepasst werden. Allerdings sollte man sich auch keine Illusionen machen: Die Sicherung der guten dualen Ausbildung wird langfristig nämlich nicht durch irgendwelche Gewerbeordnungs-Zwänge erfolgen. Diese Ausbildung wird nur durch ihre eigene Qualität überleben können.

Der Gesetzgeber würde am besten helfen, wenn er statt einer Einzementierung der Gewerbepflicht ein Qualitätssiegel für wirklich heikle und ausbildungsbedürftige Berufe verankert, das auch die duale Lehrausbildung aller Beteiligten verlangt. Dann kann der Konsument immer wählen, ob er einen Betrieb mit Qualitätssiegel wählt oder – auf sein eigenes und von vornherein erkennbares Risiko – einen billigen Jakob ohne irgendeinen Qualitätsbeweis. Solche Qualitätssiegel sollten gesetzlich verankert werden, damit der unkontrollierbare Wildwuchs eingedämmt wird, wie er jetzt etwa bei „Bio-" herrscht.

Noch viel wirksamer sind Internet-Plattformen, wo andere Kunden ihre guten und schlechten Erfahrungen mit einem Betrieb wiedergeben. Auch solche Plattformen könnten gesetzlich geregelt werden, wobei es vor allem um die Korruptionsfreiheit gehen muss. Alles, was Transparenz und Vielfalt fördert, ist positiv. Der Markt, also die gesammelten Erfahrungen der Marktteilnehmer (=Kunden), ist ein weit besserer Regulator als jedes Gewerberecht.

Die derzeitigen gewerberechtlichen Persilscheine hingegen sagen überhaupt nichts aus über die Qualität eines Betriebes. Da kann man auch mit der derzeitigen Gewerbepflicht furchtbar schlechte Erfahrungen machen.

Ein jedem bekanntes Beispiel: Die meisten Menschen gehen zu einem Friseur, weil sie mit ihm gute Erfahrungen gemacht haben. Zu einem anderen gehen sie hingegen nicht, weil sie dort schlechte Erfahrungen gemacht haben. Dabei werden beide Betriebe streng nach Gewerberecht geführt. Andere – begnadete – Friseure dürfen hingegen keinen Betrieb aufmachen. Denn ihnen fehlen irgendwelche Befugnisse. Was werden sie tun? Pfuschen gehen.

Im Grund wissen es alle: Das ganze Gewerberecht ist nicht zum Schutz oder im Interesse der Konsumenten da, auch wenn das die WKO-Propaganda ständig behauptet. Sondern nur, um die bestehenden Betriebe vor Konkurrenz zu „schützen“. Genau in dieser Aufgabe liegt schon seit Jahrhunderten der Hauptzweck des gesamten Zunft- und Innungswesens. So wie das auch der Widerstand gegen Ceta und TTIP will. Konkurrenz, Wettbewerb fernhalten ist die oberste Devise.

Trübe Aussichten

Es zeigt sich wieder: All das wird erst dann wirklich so grundlegend modernisiert werden, dass Österreich im internationalen Wettbewerb wieder mithalten kann, wenn das Land (hoffentlich nur wirtschaftlich) laut gegen die Wand gedonnert ist.

Erst dann wird es wirklich eine spürbare Deregulierung geben. Erst dann wird es das geben, was das Dringlichste ist: eine erste echte Senkung der Abgabenlast.

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