Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Eines Morgens wachte die SPÖ auf und entdeckte, dass sie aus zwei völlig verschiedenen Parteien besteht. Und dass überdies diese beiden Subparteien ständig schrumpfen. Und dass beide außerdem durch das rapide Wachstum einer neuen, einer dritten innerparteilichen Partei zunehmend marginalisiert werden. So etwa müsste wohl einst im Rückblick die Geschichte der Endphase der – derzeit parlamentarisch noch größten – Partei des Landes eingeleitet werden.
Jede dieser parteiinternen Subparteien hat inhaltlich durchaus viel gemeinsam mit einer anderen Partei – allerdings mit einer jeweils anderen und jeweils außerhalb der SPÖ stehenden Partei. Das macht die innere Spaltung der SPÖ noch zusätzlich explosiv.
Dieser Entdeckungsprozess, dass die Partei eigentlich aus mehreren Parteien besteht, findet derzeit vor aller Öffentlichkeit in der Wiener SPÖ statt. Dort hat die Abenddämmerung der Epoche des Michael Häupl völlige Ratlosigkeit ausbrechen lassen. Denn dort kann auch das jahrzehntelang erfolgreich gewesene autoritäre Poltern des Chefs nicht mehr die allgemeine Sorge zum Schweigen bringen, dass auf dessen Abenddämmerung eine lange finstere Nacht folgen wird.
Nichts geht mehr. So beginnen immer mehr Wiener Genossen zu entdecken. Das hat sich im Grund schon nach den Wahlen vor einem Jahr abgezeichnet: Da haben die (wiederbestellten) Stadträte nicht einmal mehr alle Stimmen der eigenen Fraktion erhalten.
Im Grund spielt sich der gleiche Prozess auch in den – oder genauer: zwischen den Bundesländern ab. So könnte eigentlich kein unbefangener Beobachter noch zum Schluss kommen, dass die Vorarlberger und die burgenländischen Sozialdemokraten zur gleichen Partei gehören.
Diese sozialdemokratische Zerreißprobe ist auch nicht bloß auf Österreich beschränkt. Ganz ähnliche Konflikte gab und gibt es beispielsweise in Großbritannien (wo die sehr linken Parteimitglieder ständig in offener Kontroverse zur Mehrheit der Abgeordneten und Labour-Wähler stehen), in Griechenland, Deutschland und Spanien (wo sich überall die Sozialdemokratie bereits gespalten hat), sowie in Frankreich (wo sich die ideologische Spaltung jetzt in total polarisierenden Präsidentschaftskandidaten zeigt).
Es ist zunehmend unwahrscheinlich, dass diese drei Parteien dauerhaft zusammen bleiben. Das zeigen auch die ausländischen Exempel. Selbst ein starker Parteiführer wie etwa Bruno Kreisky könnte das inzwischen nicht mehr kitten. Zu zentrifugal sind die Kräfte, welche die Sozialdemokratie auseinandertreiben.
Entscheidend für das künftige Kräfteverhältnis wird sein, welche der drei Subparteien die Gruppe der Pensionisten übernehmen wird können. Diese sind das einzige sonst verbliebene quantitative – nicht ideologische – Schwergewicht in der SPÖ. Wahrscheinlich dürfte das der Arbeiter-Subpartei gelingen.
Das ist für die SPÖ wirklich eine dramatische Situation. Diese wird auch noch durch die Tatsache verschärft, dass sich Christian Kern, der Bundesparteichef, inzwischen total als Exponent der 68er Subpartei entpuppt hat, nachdem er einige Monate durch rhetorisches Wortgeklingel jede inhaltliche Festlegung vermieden hat. Werner Faymann war hingegen ein Exponent der Arbeiter-Subpartei.
Umso spannender ist jetzt in Wien der Aufstand der sogenannten Flächenbezirke innerhalb der SPÖ, wo diese noch regiert. Sie wollen einerseits verhindern, dass der Nachfolger von Häupl aus der 68er Subpartei kommt. Und sie wollen andererseits auch inhaltlich den Kurs der SPÖ wieder zurechtrücken.
Man darf sehr gespannt sein, ob ihnen das gelingt. Innparteilich war dieser Flügel ja jahrelang auf dem Rückzug.
Derzeit herrscht durch diesen Machtkampf eine totale Lähmung der Partei sowohl auf Landes- wie auch auf Bundesebene. Man nehme nur die Festlegung einer Asylanten-Obergrenze auf 37.500 oder ein neues effizienteres Asylgesetz: Überall hat es schon vor Monaten in der Regierungskoalition eigentlich eine klare politische Einigung gegeben. Aber überall legen sich seither insbesondere im SPÖ-Klub die 68er quer, sodass es keinerlei rechtliche Fixierung gibt. Ebenso war die SPÖ bei der Mindestsicherung zu keiner echten Kürzung der Zahlungen an Asylanten bereit. Folge: Jetzt treten in jedem Bundesland andere Mindestsicherungs-Sätze in Kraft, wobei es vor allem Wien total zerreißt, weil die meisten anderen Länder die Zahlungen kürzen.
Wenn die SPÖ in Wien nicht ebenfalls rasch und spürbar handelt - was aber die mitregierenden Grünen verhindern wollen! -, werden alle arbeitslosen Asylanten aus ganz Österreich nach Wien ziehen. Und das sind 90 Prozent aller Asylanten – wobei ja jetzt schon 60 bis 70 Prozent aller Asylanten nach der (bei österreichischen Gerichten und Ämtern weiterhin sehr großzügig gewährten) Asylgewährung nach Wien ziehen.
Da sagen die Flächenbezirke mit eigentlich zwingender Logik: „Das halten wir, das halten unsere Wähler nicht mehr aus. Wir brauchen einen echten inhaltlichen Politikwechsel.“ Aber Logik muss sich in einer Partei nicht automatisch durchsetzen. Vor allem, wenn diese in Wahrheit aus drei Parteien besteht.
Ich schreibe regelmäßig Kommentare für die unabhängige und rund um die Uhr aktuelle Informationsseite „Vienna.at“.