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Wo Mitterlehner Recht hat – und was er verschweigt

Die ÖVP hat derzeit in ihren sachpolitischen Positionen, wie sie jetzt auch ihr Parteiobmann dargestellt hat, weitgehend recht. Nur vergisst sie dabei gleich acht entscheidende Punkte zu erwähnen. Und wird damit unglaubwürdig.

Sie hat etwa recht,

  • wenn sie eine deutliche Senkung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung als gefährlichen Magnet für Asylwerber und Migranten verlangt – oder genauer: wenn die mehrheitlich VP-regierten Bundesländer Nieder- und Oberösterreich darauf beharren;
  • wenn Reinhold Mitterlehner Ceta als sehr positiv für Österreich rühmt;
  • wenn Mitterlehner die Globalisierung lobt;
  • wenn er sagt, dass Österreich im internationalen Wettbewerb eine Senkung der Körperschaftssteuer braucht;
  • wenn sie Studiengebühren verlangt;
  • mit dem Plan von Außenminister Kurz zur Errichtung von Lagern für alle illegalen Migranten an der Außengrenze der EU als dem einzigen Weg, um die Völkerwanderung zu stoppen;
  • wenn sie (endlich) eine Senkung der Arbeiterkammer-Pflichtbeiträge fordert;
  • und mit vielem anderem mehr.

Nur muss sich die ÖVP da vielerlei entgegenhalten lassen, was sie selbst verschweigt, was ihre Glaubwürdigkeit stark reduziert:

  1. Den Mut, den Mitterlehner von seiner Partei als neues Schlagwort seiner Spin-Doctoren verlangt, bräuchte er vor allem selber.
  2. Vieles von dem, was die ÖVP jetzt bekämpft, ist ja überhaupt erst mit ihren Stimmen Gesetz geworden! Siehe etwa die Einführung der üppigen Mindestsicherung. Siehe die Abschaffung der Studiengebühren. Dieses einstige Einknicken vor der SPÖ (wofür die ÖVP nicht einmal eine substanzielle Gegenleistung der SPÖ bekommen hat) war nicht zuletzt auch Folge des immer wieder in der Partei aufbrandenden Linkspopulismus.
  3. Ebenso schlimm und überflüssig war (auch wenn die Partei es noch nicht als Fehler einzusehen scheint), dass die ÖVP ohne jeden Zwang Verschlechterungs-Reformen wie der Zerschlagung der Hauptschulen zugestimmt hat; wie der weitgehenden Abschaffung der Mitbestimmung in Schulen; wie der Einführung von "Modellregionen", in denen auch die Gymnasien abgeschafft werden. Das erfolgte jeweils sehr gegen den Willen von Eltern und Lehrern und nur unter Druck einiger dummer Leitartikel, die immer lauten: „Die Regierung soll arbeiten“; aber in Wahrheit immer meinen: „Die ÖVP soll endlich der SPÖ nachgeben.“
  4. Noch schlimmer, weil von geradezu epochaler Bedeutung für die Unterminierung des liberalen Rechtsstaats ist, dass der ÖVP-Justizminister hauptverantwortlich für die weitgehende Abschaffung der Meinungsfreiheit durch die Verschärfung des Verhetzungsparagraphen ist.
  5. Die nichttilgbare Erbsünde im politischen Lebenslauf des Reinhold Mitterlehner bleibt die Steuerreform (Erhöhung des Höchststeuersatzes, Registrierkassenpflicht, Erbschaftssteuer auf dem Umweg einer Grunderwerbssteuer, teilweise Erhöhung der Umsatzsteuer usw.). Dabei hatte er naiverweise geglaubt, mit der Zustimmung gerade dazu  populär zu werden.
  6. Im Punkt Ceta wiederum hat es Mitterlehner als verantwortlicher Wirtschaftsminister sogar noch bis vor wenigen Wochen verabsäumt, die Vorteile der Handelsabkommen und der Globalisierung zu trompeten. Er hat sich statt dessen hinter dem feigen Pseudoargument verborgen: „Das ist noch nicht ausverhandelt“. Nur deshalb konnte zeitweise die Stimmung so kippen. Nur deswegen konnten der ahnungslose Boulevard und die (von Eigeninteressen getriebenen) Handels-Oligopolisten zusammen mit den linken NGOs ungehindert Stimmung gegen Ceta und TTIP machen. Nur deswegen haben alle Landeshauptleute in ihrer Ahnungslosigkeit eine Anti-Ceta-Resolution beschlossen.
  7. Beim Punkt Völkerwanderung wiederum – also bei dem für die allermeisten Österreicher allerwichtigsten Anliegen an die Politik – muss sich Mitterlehner sagen lassen, dass er Außenminister Kurz zwar nie in den Rücken gefallen ist, dass er ihn aber auch überhaupt nie unterstützt hat. Daher kann jetzt Verteidigungsminister Doskozil geschickt den Eindruck erwecken, die ÖVP in all diesen Fragen rechts zu überholen (auch wenn er in der SPÖ ziemlich alleine dasteht).
  8. Und last not least hat Mitterlehner bis heute nicht begriffen, dass die ÖVP nur überleben kann, wenn sie nicht nur die wirtschaftsliberalen Wähler anspricht, sondern insbesondere auch die konservativen. Das nicht nur deshalb, weil es bis vor Josef Pröll immer die klare ÖVP-Position gewesen ist, sondern vor allem, weil mit konservativen - emotionalen - Werten und Positionen wie Heimat, Familie, Tradition, Identität ungefähr fünf Mal so viele Wähler ansprechbar sind wie mit den rein rationalen wirtschaftliberalen. Der massenweise Zulauf der Menschen zur FPÖ ist ja nicht deshalb erfolgt, weil die FPÖ so besonders wirtschaftsliberal wäre.

All das nimmt der ÖVP – und insbesondere Mitterlehner – weitgehend die Glaubwürdigkeit: Wer so oft umgefallen ist, dem glaubt man nicht, dass er nicht in 14 Tagen schon wieder umfallen und dem Gegenteil des von ihm nun Geforderten zustimmen wird. Sei es, weil er charakterlich konfliktunfähig ist. Sei es, weil bei ihm als altem Kämmerer das ewige Umfallen schon genetisch geworden ist. Sei es, weil er aus ständiger Angst um seinen Posten Neuwahlen wie der Teufel das Weihwasser fürchtet.

Schon gar nicht glaubt man einem Parteiobmann, der sich feige (oder weil er glaubt, seinen höchstwahrscheinlichen Nachfolger dadurch ausmanövrieren zu können) um das wichtigste Problem der Österreicher herumdrückt, also Massenmigration und Islamisierung.

Und schon gar nicht glaubt man jemandem, bei dem seit Jahren die Taten den Worten ständig widersprechen.

PS: In einem Punkt freilich hat Mitterlehner zukunftweisend Tore aufgemacht: mit der Forderung nach einer Reduktion der Arbeiterkammerbeiträge. Das war sachlich wie strategisch längst dringend notwendig, verwendet die AK das viele Geld doch rein als SPÖ-Propagandaplattform und um dem Linkssender ORF Geld zuzustecken. Damit haben ÖVP und FPÖ eine wichtige zusätzliche Plattform für die Zukunft. Zur Erinnerung: Wolfgang Schüssel hatte beim letzten Schwarz-Blau die von Jörg Haider vorgeschlagene Reduktion dieser Zwangsbeiträge (immerhin 0,5 Prozent von jedem Lohn!) noch nicht umzusetzen gewagt. Auf Verlangen von Oberkämmerer Leitl.

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