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Schwein sein schadet nicht

Donald Trump ist ein Schwein, denkt wie ein Schwein und redet wie ein Schwein. Vor allem wenn es um Frauen geht. Das machen alte Äußerungen des amerikanischen Präsidentschaftskandidaten – wieder einmal – deutlich. Auch wenn sie merkwürdigerweise erst nach zehn Jahren an die Öffentlichkeit gespielt werden. Eine ganz andere Frage ist freilich, wie sich das auf den Wahlkampf auswirkt, wie die Amerikaner jenseits der politmedialen Szene darüber denken, ob die Political-Correctness-Gouvernanten nicht wieder einmal überreagieren und ob sich Trump in seinem Frauenbild überhaupt von einigen der bisherigen Präsidenten unterscheidet. Zumindest in zwei Dimensionen nützt die nun aufgeflammte Affäre nämlich Trump sogar und lenkt von seinen wirklichen Defiziten ab.

Zuvor die Fakten, die die Medien Amerikas und der restlichen Welt bewegen: Der republikanische Kandidat hat in einem heimlich mitgeschnittenen Gespräch sehr verächtlich über Frauen und deren angebliche erotische Verfügbarkeit geredet. Er hat dabei auch seine (wohl in vielen Männern steckenden) Phantasien geoutet, unwiderstehlich auf Frauen zu wirken. Aber vielleicht sind solche Superpromis, wie Trump ja schon damals einer war, das ja tatsächlich. Zahllose Vorfälle beispielsweise rund um Popkonzerte scheinen das zu bestätigen.

Trump jedenfalls wörtlich in einem Privatgespräch, das ohne sein Wissen 2005 aufgezeichnet wurde: „Wenn du ein Star bist, dann lassen sie dich ran.“ Er empfahl, Frauen zwischen den Beinen zu packen. „Du kannst alles machen.“

Trump ist damit als sehr gewöhnlicher Typ geoutet. Nur: „Gewöhnlich“ hat durchaus zwei Bedeutungen. Einerseits heißt das, er steht vor den Wählern nun als ziemlich mieser Mensch da; andererseits aber auch als ganz gewöhnlicher, als normaler Mann so wie alle jene, die man täglich in U-Bahn oder Supermarkt sieht. Trump ist etwas, was viele Männer im Grunde selber gerne wären. Er ist wohl auch das, was so manche Frau in ihrem eigenen Partner vermutet.

Ich hege jedenfalls die starke Vermutung, dass diese Affäre Trump nicht wirklich Stimmen kosten wird. Der fast geschlossene Aufschrei der polit-medialen Klasse „Jetzt ist Trump endgültig erledigt“ dürfte wohl zur fünfzigsten enttäuschten Hoffnung in diesem Wahlkampf mutieren, dass der in ihren Augen so grausliche Außenseiter nun endgültig entzaubert wäre.

Diese Vermutung gründet sich auch darauf, dass jene zwei amerikanischen Nachkriegspräsidenten, die als manische Womanizer entlarvt worden sind, die die eheliche Treue bestenfalls für einen Wahlkampfschmäh gehalten haben, nach ihrer Enttarnung noch populärer als zuvor gewesen sind. John F. Kennedy und Bill Clinton sind das bis heute, also bis ins Zeitalter der öffentlichen Dominanz eines puritanischen Radikalfeminismus. Die zwei sind ja hinter Ronald Reagan (einem zumindest dem äußeren Anschein nach biederen Familienmenschen) die beliebtesten Präsidenten seit 1945.

Auch ein anderer Vergleich, wenn auch mit einer anderen Kultur, stimmt mehr als nachdenklich, ob Trump wegen solcher Äußerungen wirklich dramatisch Popularität verliert: Der neue philippinische Präsident Duterte verletzt bei jedem seiner Auftritte noch viel brutaler als Trump jede Form von Anstand, Benehmen und Korrektheit. Er beschimpft den Papst (in einem erzkatholischen Land!) als „Hurensohn“. Er verlangt offen die gesetzwidrige Ermordung aller Drogendealer ohne jeden Prozess. Und er hat trotz seiner – vorsichtig ausgedrückt – unkonventionellen Exzentrik derzeit Popularitätswerte von über 76 Prozent. Oder vielleicht gerade wegen dieser.

Auch Wladimir Putin ist nicht trotz, sondern wegen seiner Selbstinszenierung als hemmungsloser Macho, Nationalist und Militarist extrem populär bei den Russen. Ihm hat zumindest vorerst auch der wirtschaftliche Niedergang während der letzten Jahre nichts anhaben können.

In vielerlei Hinsicht war einst auch der lange Erfolg von Silvio Berlusconi so zu erklären.

Ich selbst empfinde zwar für keines der genannten Exempel Sympathien, sehe aber eindeutig eine erstaunliche Sehnsucht der Menschen nach solchen Typen. Diese werden von vielen Bürgern offensichtlich als authentisch empfunden. Und als menschlicher Gegensatz zu künstlichen Kreaturen aus dem Setzkasten der Spin-Doctoren, die angestrebert und künstlich wirken, die immer ganz politisch-korrekt aufzutreten und jeden Fehler zu vermeiden suchen – die aber damit am Ende als persönlichkeitsarme und unsympathische Kreaturen einer blutleeren Elite dastehen, denen deshalb viele Menschen auch die Führungsfähigkeit absprechen. Wie eben Hillary Clinton.

Persönlichkeiten, die das Beste aus beiden Welten zu verbinden vermögen, sind in der Politik rar geworden. Anständige, kluge, sachkundige Politiker, die doch zugleich als lebendige Menschen und echte Persönlichkeiten überzeugen – nach so etwas muss man heute wohl vergeblich suchen. Wahrscheinlich ist es in der Zeit der elektronischen und medialen Durchdringung aller Lebenssphären nahezu unmöglich geworden, alles gleichzeitig zu sein.

Noch ein zweiter Faktor dieser Affäre dürfte Trump möglicherweise eher nutzen als schaden: Er hat sich zum ersten Mal voll entschuldigt und einen Fehler zugegeben. Er hat damit unbeabsichtigt das eher schädliche Image abgeschüttelt, dass er sich für einen fehlerfreien Übermenschen zu halten scheint.

Überdies treffen Reue und Besserungsversprechen gerade im stark christlich geprägten Teil der USA, wo man an sich Trumps ordinäre Haltung gegenüber Frauen zutiefst ablehnt, auf eine zentrale Grundhaltung: Wer bereut, dem wird vergeben. Viele Christen wissen im Gegensatz zu den Medien, dass Menschen und natürlich auch Politiker Sünder sind. Wichtig ist nur die Reue.

Außerdem haben es auch viele Menschen zunehmend satt, dass ständig mit zum Teil uralten Aussagen, mit heimlichen Aufnahmen und mit Enthüllung privater Mails Attacken auf den Charakter eines Politikers geritten werden. Und das wird ja dauernd bei allen Kandidaten versucht, zumindest in Wahlkampfzeiten.

So sind ja auf der anderen Seite des US-Wahlkampfs die Russen derzeit intensiv unterwegs, um Hillary Clinton mit gehackten oder abgehörten Informationen zu schaden. Dabei wird jetzt spannenderweise auch Julian Assange (Wikileaks) aktiv in die Schlacht geschickt, obwohl dieser bisher ein Hero der Linken gewesen ist, der bisher den Eindruck zu vermeiden versucht hat, nicht längst schon ein williges Instrument Moskaus zu sein.

Assange verbreitet nun, dass Hillary mit einem Sponsor des „Islamischen Staats“ Vereinbarungen getroffen habe. Und dass ausgerechnet der steinzeitliche Gottesstaat Saudi-Arabien der größte Geldgeber der – übrigens auch vom rotgrünen Wien unterstützten – Clinton-Foundation sei (die sich vor allem dem Kampf gegen Aids, aber auch der Schwulenpropaganda widmet). Von ihm (oder Moskau) hinausgespielte Clinton-Reden zeigen auch, dass Hillary im Gegensatz zu ihrem jetzigen Linkskurs einst sehr wirtschaftsorientiert gewesen ist.

Es gibt überdies zumindest Gerüchte, dass man sich einst sogar über Spenden an jene Stiftung Bill Clintons einen Termin bei der damaligen Außenministerin Hillary erkaufen hat können. Was – wenn bewiesen – Korruption in Reinkultur wäre, die das schweinische Gerede von Trump noch weit übertreffen würde, schon deshalb weil Korruption strafbar ist.

Es wird also bis zu den US-Wahlen mit Sicherheit noch viel Schmutzwäsche an die Öffentlichkeit kommen. Es wird also mit Sicherheit noch grauslicher werden.

Umso wichtiger wäre es, hinter den diversen Schmutzkampagnen die politischen Positionen der beiden Kandidaten zu den wirklichen Problemen zu suchen. Eigentlich sollte es ja nur um diese gehen. Ein solcher Blick ernüchtert freilich gewaltig, auf beiden Seiten. Denn man greift da wie dort weitgehend ins Leere.

Trump kann zu keinem der Themen, zu denen er seine diversen politischen Sager geliefert hat, eine ausgegorene Strategie liefern. Man kann bei ihm also lediglich hoffen, dass im Falle einer Präsidentenkür wenigstens qualifizierte Berater und Minister an seiner Seite stehen werden. Denn von Trump selber kommen über Kritik an der bisherigen Politik hinaus Null konkrete politische Aussagen. Dass Trump energischer gegen illegale Migration und Islam auftreten will, ist ja noch kein echtes Programm. Und alle zu beschimpfen ist das noch viel weniger.

Bei Hillary gib es zwar eine Fülle solcher Inhalte. Außenpolitisch kommt bei ihr zweifellos mehr Vertrauen auf, insbesondere auch deshalb, weil sie nicht Trumps Weg in den Isolationismus und in die Verabschiedung aus Europa gehen will. Dafür hat sie wirtschafts- und sozialpolitisch zuletzt einen katastrophalen Weg genommen. Eine drastische Erhöhung der Mindestgehälter mag ihr zwar am Wahltag helfen, kann aber nur die Arbeitslosigkeit in die Höhe treiben.

Besonders schockierend ist, dass ausgerechnet der linksradikale Ökonom Joseph Stiglitz ihr Wirtschaftsberater geworden ist. Dabei müsste dieser Mann eigentlich schon allein auf Grund seiner einstigen massiven Unterstützung für den Sozialismus Venezuelas, der das Land in große wirtschaftliche und soziale Not geführt hat, für alle Zeiten als ernstzunehmender Ökonom diskreditiert sein. Das ist aber offenbar keineswegs der Fall, wie auch sein gemeinsamer Auftritt mit dem Österreicher Christian Kern zeigt. Je absurder, je massiver gescheitert, umso populärer ist man offensichtlich bei der Linken.

Aber über Inhalt wird ja in diesem Wahlkampf so gut wie gar nicht geredet. Da scheint nur zu interessieren, wie grauslich Trump vor zehn Jahren in einem Privatgespräch über Frauen geredet hat, oder wie schmutzig sich Bill Clinton sexuell im Weißen Haus verhalten hat.

 

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