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„Népszabadság“, das „Wirtschaftsblatt“ und die „Presse“

Eine ungarische Zeitung ist eingestellt worden. Das hat hierzulande – insbesondere im Gebührensender ORF – weit mehr mediales Echo hervorgerufen als die Schließung österreichischer Tages- oder Wochenzeitungen. Das ist merkwürdig. Noch merkwürdiger ist, dass die beim sonstigen Mediensterben total schweigsame EU-Kommission in Hinblick auf die ungarische Zeitung plötzlich offizielle Erklärungen abgibt: „Wir sind sehr besorgt.“

Die EU-Kommission sollte jedoch weniger wegen der Medienlage in Ungarn als jener in Griechenland besorgt sein. Zumindest, wenn sie objektiv wäre. Denn dort ist es die Regierung selber, die Medien umbringt, und nicht ein selbständiger Verlag unter ausländischer Kontrolle. Aber die griechische Regierung ist linkssozialistisch – und deshalb offensichtlich tabu.

Athen hat in den letzten Wochen einfach einer Reihe von regierungskritischen Privatsendern die TV-Lizenz entzogen, obwohl deren Eigentümer zumindest behaupten, durchaus lebensfähig zu sein. Und obwohl es technisch keinen Grund zu einer Reduktion der Lizenzen gibt.

Während die griechischen Vorgänge in Brüssel und Österreich offenbar niemanden interessieren, tut das der Tod von „Népszabadság“ umso mehr. Bei den medialen Reaktionen aus Österreich stachen besonders die Hassorgien von Paul Lendvai heraus. Diese gipfelten in der konkretisierungs- und beweisfrei vorgebrachten Behauptung, bei „Népszabadság“ habe ein „Auftragsmord“ stattgefunden. Er sagt nur nicht durch wen, denn dann könnte er ja geklagt werden, weil er eben keine Beweise hat.

Nun: Die hetzerische Meinung des Altungarn Lendvai mit seinem durchaus kurvigen Lebenslauf könnte einen ja ziemlich kalt lassen. Zum Skandal wird sie jedoch, wenn sie im Staatssender sendungauf, sendungab gespielt wird. Das hat absolut nichts mehr mit objektivem Journalismus zu tun.

Der Staatssender wird vielmehr ganz automatisch jedes Mal von ideologischen Solidaritäts-Schüben geschüttelt, sobald die Linke dazu aufruft, ob das nun gegen Trump, Orban, die AfD, Polen, die FPÖ oder die ÖVP geht. Deshalb bekämen die ORF-Redaktionen wohl auch ohne Lendvai Schaum vor dem Mund, wenn eine linke ungarische Zeitung eingeht. Und es hat sie umgekehrt völlig kalt gelassen, als das (parteiunabhängige!) österreichische „Wirtschaftsblatt“ eingegangen ist.

Dabei sind bei beiden Zeitungen in Wahrheit die Todesursachen dieselben: Einerseits lässt eine globale Zeitungskrise, die vor allem mit dem Aufblühen des Internets zu tun hat, bei den gedruckten Medien Auflagen und Inserate schrumpfen. Andererseits versagen viele Zeitungen bei der Aufgabe, sich selbst so neu zu erfinden und positionieren, dass man noch genügend oder sogar mehr Leser findet. Das ist schwierig, aber weltweit durchaus einigen (wenn auch wenigen) Zeitungen gelungen.

„Népszabadság“ jedoch ist das nicht geglückt. Die Budapester Zeitung hat nach den veröffentlichten Zahlen drei Viertel ihrer Leser eingebüßt. Das Blatt hat daher logischerweise auch alljährlich ein Defizit produziert, das bei diesen Leserverlusten unabwendbar ist und sich ständig verschlimmern muss.

Das sollte eigentlich die Redaktion und ihre Unterstützer im In- und Ausland etwas kleinlauter machen. Aber statt dessen versucht sie nun, sich mit Hilfe von Lendvai&Co als politisch verfolgt darzustellen. Die Regierung wird beschimpft, weil sie das Blatt nicht mit dicken Inseratenaufträgen gerettet hat. Und wie bei allen anderen gestorbenen Zeitungen wird nach dem Tod auch der Verlag als unfähig attackiert. Von diesem wird kühnerweise sogar verlangt, die positiven Ergebnisse anderer Verlagsblätter zum Durchfüttern von „Népszabadság“ zu verwenden.

Nun ja, Sozialisten denken immer so. Und in Österreich handeln sie auch so. Speziell die Wiener Stadtverwaltung lenkt alljährlich viele Steuermillionen gezielt in die Kassen von willfährigen Blättern, um sich die Macht zu erhalten.

Zurück nach Ungarn: Es wird schon so sein, dass sich die dortige Regierung über den Tod des Blattes freut. Aber es gibt keinen einzigen Hinweis, dass „Népszabadság“ beim Erscheinen irgendwie behindert worden wäre. Wie es etwa in Russland oder der Türkei oppositionellen Medien ununterbrochen passiert, die physisch terrorisiert, strafrechtlich verfolgt und am Erscheinen behindert werden.

Vor allem verschweigt die „Népszabadság“-Solidaritätsfront rund um Küniglberg und EU-Kommission, dass die Zeitung ja früher der Sozialistischen Partei Ungarns gehört hat (die sie nahtlos von den Kommunisten übernommen hat). Das bedeutet dreierlei:

  • Es macht augenscheinlich, warum die ungarischen Zeitungsleser keine sonderliche Lust hatten, ein Blatt mit einer solchen Biographie zu lesen und kaufen (auch wenn die Solidaritätsfront jetzt behauptet, „Népszabadság“ wäre Ungarns beste Zeitung gewesen).
  • Das enthüllt auch eine seltsame parteipolitische – oder antiungarische? – Schlagseite der EU-Kommission.
  • Die ungarische Linke hätte es selbst in der Hand gehabt, „Népszabadság“ zu behalten und daher auch jetzt weiterzuführen. Aber weder Sozialisten noch die späteren Käufer – ein Wiener Finanzinvestor – hatten offensichtlich die Motivation, dauerhaft ein Verlustprojekt zu finanzieren. Man kann überdies sicher sein, die ungarischen Sozialisten hätten das Blatt behalten, wenn dieses irgendeine verlegerische Zukunft ohne rote Zahlen gehabt hätte. Daher ist es nur noch lächerlich, jetzt den Tod des Blattes zu bejammern.

Dieser ist übrigens genau auf dem gleichen Weg erfolgt wie einst bei der Wiener „Arbeiterzeitung“: Zuerst verkauft die Partei das marode Parteiblatt, dann versucht ein kommerzieller Verleger eine Zeitlang noch eine Sanierung, dann wird schließlich eingestellt. Aber so kann sich die Partei wenigstens selber als unschuldig am Zeitungstod darstellen.

Nun wollen die Redakteure von „Népszabadság“ den Fortbetrieb des Blattes im eigenen Namen versuchen. Ähnliches wurde einst ja auch beim „Wirtschaftsblatt“ und anderen sterbenden Medien eine Zeitlang gehofft. Solche Überlegungen klingen zwar tapfer, sind aber meistens nur Luftschlösser. Die wenigsten Journalisten sind imstande, Unternehmer zu sein; sie wisssen immer nur in Leitartikeln, wie es geht.

Es gibt freilich immerhin ein prominentes Beispiel, wo das funktioniert hat. Wo die fast geschlossene Sezession einer Redaktion mit gleichzeitiger Neugründung einer Tageszeitung tatsächlich ein großer Erfolg geworden ist. Freilich war das im 19. Jahrhundert. Damals hat die Mannschaft der „Presse“ über Nacht den bisherigen Arbeitgeber verlassen, weil dieser zu korrupt geworden war. Sie gründeten in Eigeninitiative die „Neue Freie Presse“ (der frühere Arbeitgeber hatte juristisch die Namen „Neue Presse“ und „Freie Presse“ blockiert, an „Neue Freie Presse“ hatte er aber nicht gedacht…). Und diese neue Zeitung machte nicht nur der alten „Presse“ erfolgreich Konkurrenz. Sie wurde weit darüber hinaus für viele Jahrzehnte die beste und wichtigste Zeitung des ganzen deutschen Sprachraums.

Ob so etwas heute noch Chancen hätte angesichts der dramatischen Erfolge des Internets? Wenn, dann jedenfalls nur mit einem wirklich großartigen Team, das auch total zur Selbstausbeutung bereit wäre. Zumindest in Österreich würden das freilich Gewerkschaft und Sozialversicherung niemals zulassen.

Vielleicht gelingt es jedoch der Mannschaft in Budapest. Chancen hat jedenfalls nur eine Neugründung auf der grünen Wiese, also wenn man jetzt nicht lang auf die Erbschaft der verstorbenen Zeitung setzt. Ein solcher mutiger Start wäre mit viel Sympathie zu begleiten – aber nicht mit fremdem Geld.

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