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Rot und Grün: Wo ist der Unterschied?

Die Bezirksvertretung Leopoldstadt ist gewiss nicht das wichtigste Gremium Österreichs. Aber die Wiederholung der dortigen Bezirksvertretungswahl ist dennoch interessant, weil das Ergebnis geradezu exemplarisch das Verhältnis zwischen Rot und Grün zeigt. Mit nachträglicher Ergänzung.

Die Grünen haben dort mit einer geschickten Wahlkampagne zehn Prozent dazugewonnen, die Roten zehn Prozent verloren. Selten hat sich so klar gezeigt: Die beiden Parteien sind für die Wähler zwei Seiten der gleichen Münze.

Es gibt immer weniger Unterschiede zwischen ihnen. Bei fast jedem relevanten Thema wollen sie im Grund dasselbe. Die Grünen sind als Oppositionspartei halt eine Spur radikaler und akademischer, aber im Grund gibt es keine wesentlichen Alleinstellungsmerkmale.

So sind ja auch viele Grüne einst aus der SPÖ gekommen, von Alexander van der Bellen bis zu Peter Pilz. So hat bei der eigentlichen Gemeinderatswahl die SPÖ mit einem ähnlichen Trick wie jetzt die Grünen - also der Angstmache vor der FPÖ - etliche Grünwähler gewonnen und so ihren Verlust reduzieren können. So bilden Rot und Grün auch überall sofort Koalitionen, sobald es nur möglich ist (Und wenn es sich wie üblich nicht ausgeht, steht die ÖVP für die Sozialdemokraten stets als gefügiger Mehrheitsbeschaffer bereit – zumindest solange dort der Raiffeisen-Konrad, der Sozialpartner-Leitl und der Postenklammerer-Mitterlehner noch irgendeinen Einfluss haben).

Der einzige Unterschied zwischen Rot und Grün ist verwischt, seit die SPÖ die klassische Arbeitervertretung hintangestellt hat, zu der ja immer auch ein großes Engagement für eine funktionierende Wirtschaft gehört. Die SPÖ hat einst als Partei der Industrie noch in den Schlachten um Zwentendorf und Hainburg gegen die Grünen gekämpft – was auch fast alle Arbeiter für richtig gehalten haben. Sie hat diese Schlachten letztlich nur deshalb verloren, weil sich die ÖVP in völliger Abkehr von ihrer einstigen Wirtschaftskompetenz gegen die SPÖ gestellt hat (was durch ihre damalige Oppositionsrolle zwar erklärbar ist – aber dennoch falsch gewesen ist, wenn man selbst Wirtschaftspartei sein will).  

Heute hingegen liefert sich die SPÖ mit den Grünen einen Wettbewerb, wer mehr antiwirtschaftlich agiert. Auch sonst hat die SPÖ ihren Wählern seit langem keinen Grund gesagt, warum man nicht auch Grün wählen kann. Das aber hat eine klare Folge: In den Augen der durchschnittlichen Wähler sind die beiden Parteien völlig austauschbar geworden. Und nicht nur in deren Augen. Daher wählt man einmal Rot und einmal Grün. Ja nach Laune.

Und die Laune wird immer weniger eine rote sein. Ist die SPÖ doch durch viele Jahre an der Macht heute völlig verbraucht und identitätslos geworden. Die Wiener SPÖ ganz besonders. Das würde selbst dann zu einer zunehmenden Wählererosion führen, wenn es keine Partei gäbe, die als totales Alter Ego der SPÖ zur Verfügung steht.

Ansonsten gab es in der Leopoldstadt das Übliche: Die meisten anderen Parteien haben ein wenig verloren - was für die FPÖ einen weiteren Zuwachs von fast drei Prozent ergeben hat. Das ist zwar angesichts der bei der FPÖ gewohnten Zuwächse wenig, angesichts der Tatsache, dass die (auf Wunsch des Verfassungsgerichts) zu wiederholende Wahl nicht einmal ein Jahr zurückliegt, aber sehr viel.

Freilich: Angesichts der eskalierenden Zustände am zentralen Platz der Leopoldstadt, am Praterstern, – hunderte Messerstechereien, sexuelle Attacken, Raubüberfälle, Raufereien – ist das aber wiederum lange noch nicht so viel, um Eindruck auf die SPÖ und ihre Migrationspolitik zu machen.

Nachträgliche Ergänzung: Das endgültige Ergebnis der Auszählung samt Wahlkarten machte den Erfolg der Grünen noch etwas größer, und den der Freiheitlichen etwas kleiner.

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