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Nach dem Ex-Bürgermeister von London, Boris Johnson, ist nun auch Nigel Farage, der Chef der britischen EU-Austrittspartei UKIP, zurückgetreten. Das enthüllt eine ziemlich erbärmliche Situation jenes Lagers, das eigentlich das britische EU-Austrittsreferendum gewonnen hat. Das ändert freilich überhaupt nichts an der ebenso erbärmlichen Lage auch der anderen, der europäischen Seite. Wo ebenfalls eine Reihe von Rücktritten – und vor allem politische Kursänderungen fällig wären.
Der Abgang von Farage und Johnson lässt das Brexit-Lager in der Stunde seines größten Triumphes völlig führungslos zurück. Es zeigt sich: Das Nein-Lager hat nur in einem einzigen Punkt zusammengefunden, dem Nein zu der EU, wie sie sich heute präsentiert. Über den nächsten Schritt, das „Was dann?“, hat man dort aber überhaupt nicht nachgedacht.
Das wurde auch durch die Rücktrittsworte von Farage deutlich: Er habe mit dem Votum für den Austritt Großbritanniens aus der Union seine „Aufgabe erfüllt“, nun wolle er „sein Leben zurückhaben“. Das ist zynischer Egoismus. Nur dagegen zu sein ist eine jämmerliche politische „Aufgabe“. Blamabel.
Damit scheint aber auch klar, dass ein halbwegs intelligenter Deal mit der EU bei jedem weiteren Referendum von den Briten akzeptiert würde. Das wäre auch eine tolle Chance für ALLE 28 Mitgliedsstaaten. Der einzig vorstellbare intelligente Deal wäre die Möglichkeit einer EU-Vollmitgliedschaft mit einigen signifikanten Einschränkungen bei der Personenfreizügigkeit, insbesondere aber auch bei der verkorksten Asylpolitik Marke Merkel/Juncker/Gerichtshöfe. Eine Möglichkeit, die natürlich künftig nicht nur Großbritannien offenstehen dürfte.
Trotz dieses Zerfallens des Austrittslagers wäre es fatal, wenn die EU nicht begreifen würde, wie sehr sie selber schuld daran ist, dass die im vorigen Jahrtausend noch so große Zustimmung, ja vielerorts Begeisterung für das Projekt in fast allen EU-Ländern zerbröselt ist. Eine abgehobene und machtgierige Führungselite in Brüssel und Berlin, im Straßburger EU-Parlament und im Luxemburger EU-Gerichtshof hat den Kontakt mit den Bürgern Europas verloren. Diese Elite hat wie einst der Feudaladel geglaubt, dass sie ohnedies selbst am besten wisse, was gut für die Bürger ist.
Auf einer ganzen Reihe von Feldern ist das inhaltlich aber total schief gegangen. Sie sind hier auch immer wieder aufgezählt worden, daher nur in aller Kürze:
Wenn es jetzt nicht auf all diesen Feldern einen dramatischen Richtungswechsel gibt, werden sich die Bürger Europas weiter immer mehr von dem Projekt abwenden. Für einen solchen Wechsel ist zweifellos ein Auswechseln der versagt habenden zentralistischen Führungsgarnitur Juncker, Schulz, Merkel, Hollande und Draghi unumgänglich. Nur ein Köpferollen (so unwahrscheinlich es für die unmittelbare Zukunft auch ist) bei Fortsetzung der gleichen Politik würde jedoch keinesfalls reichen.
Wollen wir dennoch auf das Unwahrscheinliche hoffen. Denn die EU, ihr Binnenmarkt und das außen- wie sicherheitspolitische Zusammenwirken sind notwendiger denn je. Aber eben wie in den ersten Jahrzehnten als Projekt liberaler Freiheit, Eigenverantwortung und Kooperation, jedoch nicht als ökosoziale Diktatur der Verantwortungslosigkeit.
Ganz sicher sind im Übrigen der jämmerliche Zerfall und die Ratlosigkeit des Brexit-Lagers kein Argument gegen die direkte Demokratie, wie es jetzt gerne von der Machtelite nach dem überheblichen Motto „Das Volk ist zu dumm“ behauptet wird. Es ist nur ein – starkes – Argument gegen den Missbrauch der direkten Demokratie durch die Elite selbst, wie ihn der britische Premier Cameron verschuldet hat (der aus rein parteitaktischen Gründen ein Austrittsreferendum veranlasst hat, aber dann bei diesem gegen den Austritt geworben hat). Eine direkte Demokratie nach Schweizer Muster, die vom Volk, nicht der Regierung ausgeht, wäre diesem britischen Modell hingegen weit überlegen. Und der europäischen Elitenrealität noch viel mehr.
Europas Völker lassen sich im 21. Jahrhundert nicht mehr von feudalen Machtstrukturen unterjochen.
PS: Es ist ja nicht sehr und nicht mehr lange wichtig, was die Herrn Kern und Mitterlehner zur EU sagen, aber dennoch ist es erstaunlich, dass sie bei ihren lustigen Zwillingsauftritten keinen Millimeter Kritik an der EU-Politik äußern. Das schafft nur Außenminister Kurz.