Marcus Franz hat mit seinem Austritt aus der ÖVP-Fraktion die einzige mögliche Konsequenz gezogen. Wer zweimal in völlig unnötiger Weise vom eigenen Klubobmann wegen einer eigenständigen – aber in keiner Weise die eigene Partei kritisierenden – Meinung öffentlich desavouiert wird, der muss eine solche Fraktion verlassen. Zumindest wenn er sich am nächsten Morgen noch in den Spiegel schauen will. Aus der Affäre Franz kann man aber weit darüber hinaus eine Menge lernen.
Zumindest folgende sieben Punkte:
- Erstens: Es kann überhaupt keinen Zweifel geben, dass Angela Merkel hauptschuld an der schlimmsten Katastrophe ist, die seit Jahrzehnten über Österreich hereingebrochen ist. Dennoch ist eine kritische Analyse über Merkel in der ÖVP sofortiger Anlass, über den Kritiker herzufallen. Eigentlich unfassbar. Dabei war das, was Franz gesagt hat, nicht einmal ansatzweise so scharf wie das, was die bayrische CSU ständig über und zu Merkel sagt. Auch sonst gibt es ja bis auf die ÖVP-Fraktion und Teile der CDU in ganz Europa absolut keine christdemokratische oder konservative oder bürgerlich-liberale Partei mehr, die Merkel noch verteidigen würde. Oder die sich gar bei einem durchreisenden CDU-Abgeordneten ausdrücklich für die offenbare Majestätsbeleidigung entschuldigen würde, wie es Reinhold Lopatka in serviler Weise getan hat (zur Erinnerung für die ÖVP: Der Anschluss ist zum Glück schon 71 Jahre vorbei!).
- Zweitens: Besonders demütigend ist, dass als allererste eine Parteiangestellte den Abgeordneten kritisiert hat. Erst dann hat Klubobmann Lopatka deren Kritik nachgeplappert. Wir sehen damit die Erfahrung bestätigt, dass die unsäglichen, immer nur der veröffentlichten Meinung nachjagenden, aber keine Ahnung von der wirklichen öffentlichen Meinung habenden Pressesprecher dort weitgehend die Macht arrogiert haben. Besonders in der Volkspartei tragen sie schon seit langem Mitschuld am steilen Abstieg der Partei. Alleine diese öffentliche Abgeordnetenkritik durch eine solche Angestellte müsste – egal wie man zu Franz steht – den gesamten ÖVP-Klub in Protest ausbrechen lassen. Zumindest, wenn dort auch nur irgendwer noch Mumm und Charakter hätte. Es sollte doch für freigewählte Abgeordnete völlig unakzeptabel sein, öffentlich von Parteiangestellten desavouiert zu werden. Eigentlich müssten sie alle sagen: „Lieber Klubobmann, wirf umgehend eine Pressesprecherin hinaus, die sich so benimmt. Sonst bist du nicht mehr unser Klubobmann. Kein Abgeordneter darf von einer kleinen Pressesprecherin öffentlich kritisiert werden, egal was er sagt. Das tun eh alle anderen.“
- Drittens: Das wird aber wohl kein einziger sagen. Womit sie sich neuerlich als feige Waschlappen erweisen, die nur auf ihre monatliche Gage aus sind und darauf, auch noch beim nächsten Mal eines der immer rarer werdenden Mandate zu erhalten.
- Viertens: Vermutlich sind auch bei vielen anderen Parteien mittlerweile die fast durchwegs mediokren Angestellten mächtiger geworden als die gewählten Mandatare. Jedoch ist bei den anderen Parteien kein Fall bekannt, dass eine Pressesprecherin so frech wäre, öffentlich über eine Aussage eines Abgeordneten der eigenen Fraktion mit den Worten herzuziehen: „Es ist ein unrichtiger und unnötiger Beitrag des Abgeordneten.“
- Fünftens lernen alle Österreicher: Wer eine eigene Meinung hat und einen aufrechten Gang beibehalten will, sollte überall hingehen, aber nicht in die Politik. In einer Fraktion ist man zum völlig denkfreien Hampelmann degradiert. Besonders in einer Regierungspartei. „Hände falten, Goschen halten“, hat das ein früherer VP-Abgeordneter einmal treffend formuliert.
- Sechstens und jenseits aller Franz-Äußerungen: Angesichts solcher schwachen und rückgratlosen Abgeordneter ist es auch kein Wunder, dass im derzeitigen Parlament keine einzige der vielen Schwachsinnigkeiten der Regierungsvorlagen korrigiert wird. Das war in früheren Jahrtausenden noch durchaus der Fall. Die Koalitionsabgeordneten sind aber heute bloß blinde Ja-Sager-Körper. Man erinnert sich mit Wehmut daran, wie einst ein Abgeordneter Michael Graff dafür gesorgt hat, dass Justizgesetze eine viel bessere Qualität bekamen, als die Vorlagen des Justizministeriums hatten. Gerade die jüngste Strafrechtsnovelle hätte solche Verbesserungen wieder dringend nötig gehabt (in dreierlei Hinsicht: Sie schränkt die Meinungsfreiheit massiv ein; sie verhilft vielen Korruptionisten zur Straffreiheit; und sie stellt Drogendealer weitgehend straffrei – was nun sogar schon die früher jubelnden Grünen angesichts katastrophaler Exzesse durch die „Flüchtlinge“ kritisieren).
- Siebentens: Noch demaskierender als der dumme Rüffel für Marcus Franz ist die lange Liste von Peinlichkeiten, von denen sich weder Klubobmann noch irgendwelche ÖVP-Pressesprecher noch Abgeordnete jemals distanziert haben. Angefangen von den wilden Attacken des SPÖ-Bundeskanzlers auf Ungarn bis zum völligen Kapitulieren der ÖVP-Regierungsmannschaft bei der lange „das“ Zentralanliegen der Partei gewesenen Pensions„reform“. Da gilt dann wieder: Goschen halten.
Das alles heißt nicht, dass ich den genauen Inhalt der Merkel-kritischen Analyse des Marcus Franz unbedingt teile. Das heißt aber ebensowenig, dass ich sie für abgrundtief falsch halte. Sie ist weder beweisbar noch widerlegbar. Sie sollte daher ganz normales Element einer freien intellektuellen Debatte sein, das man für richtig oder falsch halten kann.
Ich selbst teile mit Franz jedenfalls nicht den Hang, ständig zu tiefenpsychologischen Erklärungen für das Verhalten von Menschen und Politikern zu greifen. Aber ich kann diese Erklärungen auch nicht widerlegen. Etliche von ihnen stimmen sicher auch. Ich weiß nur nicht welche. Bei einem Arzt ist es jedenfalls – psychoanalytisch gedacht – sogar näherliegend, dass ihm solche Kausalitäten in den Sinn kommen. Und ich sehe vor allem, dass auf der Linken ununterbrochen alles und jedes mit mehr oder weniger tiefen Psycho-Argumenten gespickt ist. Was Herrn Lopatka aber nie aufregt. Die Linken dürfen ja. Bürgerliche dürfen seiner Meinung nach nur Goschen halten.
Für jene, die noch nicht wissen, was Franz eigentlich gesagt hat: Er verweist auf die persönliche Kinderlosigkeit Merkels und auf das katastrophale Geburtendefizit Deutschlands, was seiner Analyse nach Merkels Willkommenspolitik erklärt.
Wörtlich: „Frau Merkel will als die metaphorische ,Mutti‘ des Staates das negative Faktum der nicht vorhandenen oder zu wenigen eigenen Kinder mit der Einbringung vieler, vieler junger Migranten wieder gut machen. Sie schafft damit für die kinderlose Gesellschaft die Kompensation eines Mangels. Die nie geborenen eigenen Söhne werden dazu aus dem Orient geholt und deren Ankunft wird zunächst einmal gefeiert wie eine echte Geburt. In weiterer Folge ist es dann egal, ob diese in den letzten Monaten ohne Zweifel dramatisch überschießende Kompensation sich in eine Art (Selbst-) Bestrafung umkehrt, weil es immer mehr und mehr und schließlich unbewältigbar viele Ankömmlinge werden. Vielleicht ist das sogar ein unbewusstes Zusatz-Motiv: Wenn wir schon selber keine Kinder haben, dann ist es doch nur gut, wenn viele, viele Junge kommen - und wenn es uns zu viele werden: Geschieht uns ganz recht! Die eigene Lendenlahmheit gehört bestraft.... Die psychologische These erklärt auch, warum Merkel die zahllosen durch die Migration verursachten Rechtsbrüche und all die völkerrechtlichen Fragen und Konflikte der offenen Grenzen bis dato weitestgehend ignoriert. Wenn ihr persönliches Motiv die Selbstentlastung und die Kompensation ist, dann sind Rechtsfragen naturgemäß sekundär. “
Das ist eine hochinteressante These. Möglicherweise richtig. Wenn auch nicht beweisbar. Man kann jedenfalls lange interessante Nächte in einem intellektuellen Salon darüber debattieren (Übrigens habe ich auch aus dem Mund etlicher katholischer Bischöfe ganz ähnliche Gedanken schon gehört, nur ohne den Bezug zu Merkel).
Es ist jedoch mit Sicherheit kein Anlass, einen Angehörigen der eigenen Fraktion öffentlich zu desavouieren. Wenn man das tut, zeigt man nur: Man ist weder zu einer intellektuellen Debatte imstande, noch denkt man über die Ursachen der Kapitulation Deutschlands nach, noch steht man für geistige Freiheit, sondern nur für dumpfen Kadavergehorsam.
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