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Beten wir wirklich alle zum gleichen Gott?

„Eine Religion, die zu Mord und Gewalt führt, kann ich nicht akzeptieren.“ So predigte in den Ostertagen mein Wiener Pfarrer. Und wohl alle zuhörenden Gläubigen stimmten ihm zu. Was hingegen predigt der Papst zu Rom? „Christen, Juden, Moslems, alle beten zum gleichen Gott.“

Das sind Worte, die einem die Kehle zuschnüren. Wenn der Papst Recht hätte, dann wäre etwa jener syrische Priester ein Dummkopf, der sich drei Monate unter den schlimmsten Foltern des „Islamischen Staates“ geweigert hat, zum Islam überzutreten. Er hätte das ja locker tun können, ist doch eh der gleiche Gott. Warum sich da lange misshandeln lassen? Dasselbe gilt für die vielen Tausenden Christen, die in der gegenwärtigen, der größten Christenverfolgung der Geschichte getötet werden. Sie hätten doch nur sagen müssen: Wir glauben ab jetzt eh an Allah. Und schon wären sie davongekommen.

In der Papstes Warte waren wohl auch die Urchristen dumm. Hätten sie doch einfach auch Jupiter&Co ein Opfer gebracht, und schon hätten sie sich das Martyrium erspart. Jupiter, Allah – alles eins.

Natürlich kann es nur einen Gott geben. Das ist ja nicht die Frage. Die Frage kann doch nur sein, ob es auch nur die geringste Wahrscheinlichkeit gibt, dass er sich über einen Kriegsherrn mit Kindern als Sexualpartnern und ein Buch voller Mordaufrufe geoffenbart haben kann. Das muss doch auch Papst Franziskus begreifen.

Nein, ich fange mit diesem Papst nichts an. Ich fange mit meinem einfachen Pfarrer tausend Mal mehr an. Nur Leute wie er halten mich im Christentum und nicht dieses Allerweltsgerede aus Rom, das in ökonomischen Fragen überdies die Wiederauferstehung des längst toten Marxismus bedeutet, wenn seine Phrasen überhaupt etwas bedeuten.

Gewiss, Papst Franziskus ist viel medienattraktiver und mengenwirksamer, als es seine kranken Vorgänger in den letzten 20 Jahren waren. Aber kann das entscheidend sein? Die Franziskus-Vorgänger haben zweifellos den Gläubigen geistig viel mehr mitgegeben als er. An ihnen hat man sich relativ oft relativ gut orientieren können, ohne auch da allem sklavisch recht zu geben.

Auch wenn viele Bischöfe so tun, als ob der Papst – und zwar zufällig immer gerade der jeweils amtierende – in allem und jedem absolut Recht hätte, so zwingt die normalen Christen nichts, das auch so zu sehen. Sie werden das vor allem dann nicht tun, wenn sie schon ein paar Jahre gelebt und erlebt haben, dass sich die Aussagen einzelner Päpste oft ganz fundamental voneinander unterscheiden. Dass also schon rein logisch nicht alles gleich wahr und gleich gültig sein kann, was da jeder einzelne gesagt hat.

Es ist oft nur noch peinlich, wie sehr der Katholizismus heute in verschiedene Glaubensrichtungen zerfällt. Wo die einen an Papst Franzsiskus, die anderen an Papst Benedikt glauben. Wo für die einen Pius XII. das größte Kirchenereignis im 20. Jahrhundert gewesen ist, für die anderen das Vatikanische Konzil.

Viel wichtiger wäre es, dass die Christen endlich zu einem neuen, zentral auf der Basis der Osterbotschaft (nicht irgendeinem Zeitgeist) stehenden Selbstbewusstsein kommen. Und dass sie zumindest hie und da ohne ständige rituelle Selbstbezichtigungen auskommen. So richtig es ist, dass in 2000 Jahren Kirchengeschichte viele Verbrechen im vermeintlichen Namen der Kirche(n) begangen worden sind, so ist es ebenso richtig, dass im Namen der Kirche(n) unglaublich viel Gutes getan worden ist und wird.

Vor allem sollten sich die Christen gerade in Zeiten der Bedrohung und einer von manchen Bischöfen ignorierten Völkerwanderung wieder viel stärker bewusst werden, dass die Botschaft des Neuen Testaments an ethischer Qualität sämtliche anderen religiösen und philosophischen Texte der Menschheitsgeschichte weit übertrifft.

Überdies sollten sie sich wieder mehr bewusst werden, dass im größten Teil der Geschichte Bischöfe auch einen Schutzauftrag gegenüber ihren Gläubigen gehabt haben. Es dürfte aber auch ein paar Mal öfter als derzeit üblich gesagt werden, dass der Kirche viel in die Schuhe geschoben wird, was ganz andere Ursachen und Zusammenhänge hat.

So ist es beispielsweise historisch eindeutig, dass etwa die allermeisten Ketzer- und Hexenverbrennungen nichts mit der Kirche zu tun gehabt haben (auch wenn der ORF geschmackvollerweise gerade am Karfreitag einen Film darüber gezeigt hat). Diese sind vielmehr vor allem Elemente brutaler Machtpolitik oder kollektiver Massenhysterie gewesen. Rom hat nachweislich sogar etliche Male versucht, diesem religiös getarnten Treiben ein Ende zu bereiten. Das soll freilich keineswegs darüber hinwegtäuschen, dass eine Reihe solcher grässlicher Menschenverbrennungen sehr wohl im vermeintlichen Namen des Glaubens geschehen sind.

Ebenso ist etwa der 30-jährige Krieg, eines der schlimmsten Blutbäder in unserem Kontinent, ganz überwiegend von Machtkämpfen der Fürsten und Stände geprägt gewesen. In jenem Krieg haben nicht nur katholische gegen protestantische Fürsten gekämpft. In jenem Krieg haben vielmehr auch katholische gegen katholische Monarchen gekämpft (siehe Frankreich gegen Habsburg) und sind die meines Wissens ganz wo anders beheimateten Schweden bis an die Donau vorgedrungen. Aber gewiss: Es war auch ein Religionskrieg.

Es zeigt von historischer Ahnungslosigkeit, wenn der Theologe Zulehner diesen Krieg jetzt nur noch als christlichen Religionskrieg darstellt. Und es ist infam, wenn er diesen 30-jährigen Krieg mit den heutigen Vorgängen in der islamischen Welt gleichsetzt und diese damit gleichsam zu verteidigen und zu rechtfertigen sucht. Auch Linkstheologen sollten wissen und zugeben, dass die Christen in diesen fast 400 Jahren viel gelernt haben, dass es seit langem keinen Krieg mehr gegeben hat, den man auch nur indirekt als christlich inspirierten Religionskrieg bezeichnen kann.

In den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts war keine andere Kraft so sehr wie die jeweiligen Päpste immer wieder bemüht, einen Frieden zu vermitteln. Aber vielleicht machen ihnen die Linkstheologen ja auch zum Vorwurf, dass das nicht geglückt ist…

Gerade in Wien sollte man den Päpsten auch bis heute dankbar sein, dass sie bei der letzten Türkenbelagerung ein europäisches Bündnis zur Befreiung Wiens zustande gebracht haben. Und dass sie nicht gesagt haben: Na ja, die Türken beten eh zum gleichen Gott, ist daher nicht so schlimm, wenn sie Wien erobern. Oder: Na ja, wir Christen des 17. Jahrhunderts haben ja erst vor wenigen Jahren blutig miteinander Krieg geführt, da werden die Osmanen doch auch ein bisschen brandschatzen und christliche Dörfer ausrotten dürfen.

Gewiss, ein argentinischer Papst muss nicht viel Ahnung von der europäischen Geschichte und vom Islam haben. Es ist aber ein bisschen traurig, wenn man diese Ahnung primär bei tschechischen, ungarischen und polnischen Bischöfen verspürt.

Und bei ganz normalen Pfarrern. Die es zum Glück gar nicht so selten gibt. Und die nicht, wie ein paar seltsame Priester in Salzburg am Karfreitag die Glocken läuten lassen wollten, um die Völkerwanderung wieder anzuheizen. Das hat ihnen – Ehre, wem Ehre gebührt – aber letztlich der neue Salzburger Erzbischof mit einer klugen Stellungnahme doch noch ausgetrieben.

Also wollen wir auch hierzulande wieder zu hoffen beginnen.

 

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