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Rzeszut: Der Freispruch und eine Ohrfeige für BAK und StA

Der Freispruch des ehemaligen OGH-Präsidenten Johann Rzeszut vom Vorwurf der falschen Zeugenaussage ist nun rechtskräftig: Die Staatsanwaltschaft hat am 1. Juli ihre Berufung gegen den schon im Februar ergangenen Freispruch zurückgezogen. Still und leise. Diese Heimlichtuerei und noch mehr die schriftlich festgehaltenen Entscheidungsgründe des Gerichts sind überaus bemerkenswert. Sie stellen eine schallende Ohrfeige für das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) und die Staatsanwaltschaft dar. Damit erfährt die wohl am meisten skandalumwitterte Kriminalstory Österreichs, nämlich der Fall Kampusch und das Verhalten der Behörden dabei, eine neue dramatische Wendung.

Die Formulierungen des Gerichts beim Freispruch sind so deutlich, dass man sogar vermuten müsste, dass jetzt ein Verfahren gegen einen BAK-Beamte wegen falscher Zeugenaussage folgt. An dessen Aussagen ist viel mehr fragwürdig als daran, dass der 74-jährige Rzeszut zwei Telefonate nicht erwähnt hat. Freilich: ein solches Verfahren müsste von der Staatsanwaltschaft eingeleitet werden, die mit dem BAK in dieser Causa ja eng kooperiert hat . . .

Die Zurückziehung der Berufung nach mehr als vier Monaten ist nicht nur wegen des langen Zeitraumes merkwürdig und ein neues Element der vielen Skandale, die sich rund um den einstigen Fall Kampusch abgespielt haben. Noch viel erstaunlicher: Diese Tatsache ist in den drei seit der Zurückziehung vergangenen Wochen in keinem einzigen Medium bekanntgegeben worden.

Im Gegensatz dazu sind die – wie nunmehr rechtskräftig klar ist: völlig unrichtigen – Verdächtigungen gegen Rzeszut einst in vielen Medien breit veröffentlicht worden. In einigen erfolgte dies sogar schon Wochen, bevor Rzeszut von der Anklage überhaupt erstmals informiert worden ist. Darunter auch in der (im Urteil als einziges Medium namentlich genannten) Wochenzeitung „Falter“. Diese ist ja fast immer erste Adresse, wenn Beamte aus Polizei oder Staatsanwaltschaft rechtswidrig Informationen hinausspielen, die den politischen Interessen der SPÖ dienen.

Aber auch viele andere Medien – darunter nicht zuletzt der ORF – haben damals ausführlich über die Vorwürfe gegen Rzeszut berichtet. Selbst der dann im Februar ergangene Freispruch wurde von Journalisten mit einem süffisanten Verweis auf die wahrscheinliche Korrektur durch eine höhere Instanz kommentiert.

Dennoch hat keines dieser Medien bisher über die Zurückziehung der Berufung oder die Rechtskraft des Rzeszut-Freispruchs berichtet. Geschweige denn im gleichen Umfang und in der gleichen Prominenz, wie man einst über die Vorwürfe gegen ihn berichtet hat – obwohl Medien rechtlich dazu verpflichtet wären.

So klar und vernichtend für die Rzeszut-Jäger das Urteil auch ist, so wenig geht es auf die zwei allergrößten damit verbundenen Skandale ein. Diese sind freilich auch nicht direktes Thema der „Strafsache“ Rzeszut gewesen. Aber für den Staatsbürger der wohl bedrückendste Aspekt.

Es ist gefährlich, Staatsanwälte zu kritisieren

Der eine Skandal ist die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft mit unglaublicher Konsequenz gegen alle jene vorgeht, die (sehr konkret begründete) Zweifel an der Staatsanwaltschafts-These geäußert haben, dass einzig und allein der (durch angeblichen Selbstmord) ums Leben gekommene Wolfgang Priklopil Täter im ganzen Fall Natascha Kampusch gewesen sei. Diese wird durch die ja zuletzt auch in anderen Zusammenhängen massiv ins Gerede gekommene Kanzlei Lansky vertreten.

Die Staatsanwaltschaft hat es bis jetzt immer verhindert, dass die vielen Indizien etwa gegen den engen Priklopil-Freund H. von einem unabhängigen Gericht überprüft werden, und dass dort Kampusch unter Zeugenpflicht aussagen hätte müssen. Umso prozessfreudiger zeigte sich die Anklagebehörde in anderen damit verbundenen Fällen.

Denn nicht nur der ehemalige OGH-Chef (und ausgewiesene Strafrechts-Experte) Rzeszut wurde vor Gericht gezerrt, sondern auch der ehemalige Verfassungsgerichtshofs-Präsident und Bundespräsidenten-Berater Ludwig Adamovich. Auch er wurde dann freigesprochen.

Beide hatten zuvor im Auftrag und auf Bitte des Innenministeriums an einer Kommission mitgewirkt, die alle Fehler in der Causa Kampusch auflisten sollte. Sie waren also erst auf Bitte der Republik aktiv geworden, die jedoch dann durch eine andere Staats-Abteilung, eben die Staatsanwaltschaft und das BAK, scharf gegen sie vorging. In dieser Kommission hat übrigens auch ein engagierter Kriminalbeamter mitgewirkt, der später durch angeblichen Selbstmord endete. Was auch nicht gerade zur Erhöhung des Vertrauens in den Rechtsstaat beiträgt.

Telefonüberwachung bei Bagatelldelikten

Der zweite Skandal ist aus der Tatsache entstanden, dass ein Polizeibeamter – der ebenfalls vehemente Zweifel an der offiziellen These hat – auf eigene Faust ermittelt und dabei auch an die DNA eines Schulmädchens heranzukommen versucht hat. Das ist rechtswidrig und ein Amtsmissbrauch. Aber dass wegen eines solchen – sagen wir offen: relativ geringfügigen, da niemanden schädigenden – Delikts eine Telefonüberwachung stattgefunden hat, ist empörend.

Polizei und Staatsanwaltschaft sollten sich nach solchen Missbräuchen dieses Instruments nicht wundern, dass ihnen inzwischen die Politik das Instrument der Rufdatenspeicherung weggenommen hat. Dabei wäre diese Rufdatenspeicherung in Fällen wirklich schwerer Kriminalität – Terror, Blutdelikte, Mafia – eigentlich dringend nötig. Aber eben nicht für Fälle, die man wohl nur als Privatkrieg der Behörden einstufen kann!

Vernichtende Gerichts-Aussagen über einen Zeugen

Das Freispruch-Urteil ist insbesondere für den BAK-Beamten R. vernichtend. Und es erstaunt, dass dennoch bisher weder ein Disziplinar- noch ein Strafverfahren gegen ihn bekannt geworden sind. Jedenfalls sagt das Urteil unter anderem (immer über R.):

  • „Der Ansicht des Zeugen . . . konnte das Gericht nicht folgen.“
  • Und: „Diese Aussagen sind irritierend.“
  • Und: „Wieso der Zeuge daher die Meinung vertreten konnte, dass dieser Vorfall unerheblich („nicht relevant“) gewesen sei, war dem Gericht unerklärlich, insbesondere unter Berücksichtigung des staatsanwaltschaftlichen Auftrages.“
  • Und: „Die weitere Aussage des Zeugen, dass für ihn eine Verbindung des Angeklagten“ (also Rzeszuts mit dem DNA-suchenden Polizisten) „nicht erkennbar gewesen sei, ist nicht nachvollziehbar.“ . . . „sonst hätte sich eine Zeugenvernehmung des Angeklagten wegen Sinnlosigkeit wohl erübrigt.“
  • Und: „. . . weshalb seine diesbezüglichen Aussagen nicht verständlich sind.“
  • Und: „Der weiteren Aussage des Zeugen, er könne die Verantwortung des Angeklagten“ – also Rzeszuts – „nicht nachvollziehen, weil die Frage nach Kontakten unmissverständlich formuliert worden sei . . . ist zunächst entgegenzuhalten, dass der Text der Frage nicht protokolliert wurde.“
  • Und: „Darüber hinaus wäre es Aufgabe des zuständigen Sachbearbeiters gewesen“, . . . „(spätestens) nach Ausspruch der vom Angeklagten getätigten inkriminierten Äußerung diesem unter Vorhalt der Bestimmung“ (der StPO) „den Kontakt per SMS vom 04.03.2012 vorzuhalten, um allfällige Missverständnisse aufzuklären.“
  • Und: „Im Gegensatz zum Zeugen“ R. war laut Urteil für den Zeugen Ra., einem weiteren BAK-Beamten, die illegale DNA-Suche „schon Gegenstand der Vernehmung“.
  • Und: „Während der Zeuge“ W. – der DNA-suchende Polizist, der stets Rzeszuts Unschuld beteuerte, – „sachlich auftrat und bemüht war, an der Aufklärung mitzuwirken, gab sich der Zeuge“ R. „unwissend, beantwortete Fragen ausweichend oder verwies auf seinen Kollegen“ Ra.

Ziemlich heftiger Tobak für einen eigentlich zur peniblen Wahrheit verpflichteten Staatsbeamten und Kriminalbeamten. Man darf gespannt sein, ob das Innenministerium erwacht und aktiv wird.

Freilich wartet man auch schon seit langem gespannt darauf, wann endlich das Innen- wie auch das Justizministerium eine amtliche Kommission zur Erforschung der skandalösen und amtsmissbräuchlichen Informationsweitergabe von Behörden-Vertretern an bestimmte Medien einsetzen. Diese Leaks wären auch dann ein Skandal, wenn sie nicht so erkennbar ideologisch schlagseitig wären.

166-Sekunden Telefonate

In der Sache des eigentlichen Strafverfahrens ging es um die Lappalie, wie oft Rzeszut mit dem DNA-Sucher Kontakt hatte. Darüber soll er nach ursprünglicher Ansicht der Anklage beim BAK falsch ausgesagt haben. Während der wohl insgeheim von den Rzeszut-Jägern vermutete (oder erhoffte?) Vorwurf, dass Rzeszut den DNA-Sucher angestiftet hätte, nicht einmal andeutungsweise aufrechterhalten werden konnte.

Zwar hatten die beiden Männer den Verdacht geteilt, dass in Sachen Kampusch etliches nicht stimmt. Aber die DNA-Suche hat der Polizist dann ganz auf eigene Faust unternommen. Es gibt kein einziges Indiz, dass darauf hindeuten würde, dass diese Suche eine Rzeszut-Idee gewesen wäre. Das war auch nicht angeklagt.

Umso absurder ist, dass Rzeszut von Staatsanwaltschaft und BAK überhaupt vernommen worden ist. Offensichtlich sollte er dabei in eine Falle gelockt werden, indem man ihn zwar als Zeugen unter Wahrheitspflicht befragt, aber eigentlich insgeheim zum Beschuldigten machen will. Dieser Vorwurf steht zwar nicht ausdrücklich im Urteil, scheint aber die einzige sinnvolle Erklärung für das Verhalten von BAK und StA zu sein.

Das Gericht hält jedenfalls ausdrücklich fest, dass die falschen Vorwürfe gegen Rzeszut in den einschlägigen Medien auf „Polizeiinterpretationen“ beruht haben dürften. Und der „Falter“ schrieb wörtlich: „Wie der Falter aus Ermittlerkreisen erfuhr, soll jener Polizist, der illegal DNA-Proben eines Schulkindes besorgt haben soll, vor dem Bundesamt für Korruptionsbekämpfung ausgesagt haben, dass er im Auftrag des ehemaligen OGH-Präsidenten Johann Rzeszut gehandelt haben soll.“

An diesem Satz stimmt – wie oft in jenem Blatt – rein gar nichts. Weder hat der Polizist das ausgesagt, noch hat er DNA-Proben besorgt, sondern scheiterte schon beim Versuch. Und einen Auftrag dazu hatte er schon gar nicht (nicht einmal einen Anstifter).

Diese schon vor seiner Vernehmung erfolgten Medienberichte hätten, so das Gericht, Rzeszut übrigens sogar das Recht zu einer unrichtigen Aussage gegeben. Denn auch als eigentlich wahrheitspflichtiger Zeuge müsste man sich nicht belasten.

Aber auch ohne Inanspruchnahme dieser Bestimmung sprach das Gericht den Ex-Präsidenten frei. Es glaubte seiner Verantwortung, dass er in einer Art „Tunnelblick“ und auf Grund der Fixierung auf diese Anschuldigungen in den Medien nicht mehr an zwei kurze Telefonate gedacht hat.

Die Anklagebehörde hatte versucht, ihm einen Strick daraus zu knüpfen, dass er bei seiner Zeugenaussage einige nicht entgegengenommene Anrufe und zwei Telefonate mit dem DNA-Polizisten nicht erwähnt hat, die ganze 120 beziehungsweise 166 Sekunden gedauert haben (und bei denen es laut Aussage beider Beteiligten wegen des Aufenthalts des Polizisten in einem Weingarten akkustische Verständigungsprobleme gegeben hat).

Die Überlastung von Staatsanwaltschaft und Polizei

Wegen einer solchen Frage findet in Österreich also ein zweijähriges Strafverfahren statt. Wegen einer solchen Frage werden Dutzende, wenn nicht hunderte Beamtenstunden verbraucht. So saßen beispielsweise nicht weniger als drei Beamte des BAK beziehungsweise der Staatsanwaltschaft gleichzeitig am Vernehmungstisch, um einen einzigen Zeugen(!) zu befragen. Das ist mehr als bei den meisten Verhören eines Verdächtigen in Mordfällen.

Aber wetten: Sowohl Staatsanwaltschaft wie Polizei wie die jeweiligen Ministerien werden bald wieder jammern, dass sie viel zu wenig Beamte haben. Und dass sie viel zu überlastet seien, um den (wirklichen) Bedrohungen Österreichs – von der Korruption auf Regierungsebene bis zum rasch wachsenden islamischen Extremismus – nachzugehen.

PS: Um nur klarzustellen: Nein, es ist noch nicht strafbar, dass ein Polizist und ein Ex-Richter den gleichen Verdacht haben und den auch austauschen. Es kann nur sehr brisant werden, wenn sich dieser Verdacht gegen die Staatsanwaltschaft richtet.

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