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Statt Mehrheiten, Worte und Argumente dominieren immer mehr Filme und Bilder unsere Gesellschaft. Diese verlegt die Bühne immer mehr auf die Straße. Das droht letztlich zum Ende der Aufklärung zu werden.
In Berlin gibt es in einem einzigen Jahr unvorstellbare 5000 Demonstrationen, erzählte dieser Tage Innensenator Henkel. In Lübeck sind rund um das G7-Außenministertreffen jetzt schon acht Kundgebungen angesagt, weshalb in dieser norddeutschen Stadt 3500 Polizisten zusammengezogen worden sind, damit sich nicht solche Exzesse wie am Rand der Eröffnung des EZB-Gebäudes in Frankfurt wiederholen. Auch die immer gewalttätiger werdenden Straßenkämpfe in Wien gehören zu diesen Beispielen einer sich eskalierenden Entwicklung.
Die Kosten der Sicherheitsmaßnahmen und der durch die Demonstranten angerichteten Zerstörungen sind gewaltig. Dazu kommt die ständige Behinderungen für viele Bürger, ob sie nun mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind.
Warum das alles? Ist da neuerdings ein kollektiver Virus unterwegs? Oder glauben da wieder große Massen an die Weltrevolution wie ihre Vorväter 1968 ff?
Die Ursachen sind anderswo zu finden. Zu ihnen zählt die Erfahrung vieler Gruppen, dass man mit Kundgebungen am Rande von Großereignissen am leichtesten in die Medien kommt. Dazu zählt die Entwicklung der modernen Kommunikationswelt, in der das bewegte und das stehende Bild immer wichtiger werden, hingegen das Wort – und sei es noch so weise – immer unwichtiger.
Facebook und Twitter, die einst als Kommunikations-Plattform des privaten wie öffentlichen Wortes begonnen haben, sind heute weitgehend zu Bilderbüchern und Abspielflächen mehr oder weniger witziger Amateurfilmchen verkommen (Motto: Stolpert beim Rasenmähen in den Pool). Auch die – zum Teil durchaus kreative – Satire findet dort fast nur noch in Bildern oder Filmen statt. Der einzige Unterschied: In öffentlich-rechtlichen Fernsehstationen ist Satire eine hart verteidigte linke Trutzburg, während sich Nichtlinke nur in Facebook betätigen können.
Dass das Argument, die Logik weitgehend Auslaufmodelle sind, sieht man auch an den rapide sinkenden Auflagen von Büchern wie Zeitungen. Diese totale Umpolung einer Gesellschaft vom seit der Erfindung des Buchdrucks dominierenden Wort zum Bild ist beklemmend. Schließlich war die Verbreitung des rationalen Wortes das zentrale Vehikel für Humanismus, Renaissance, Aufklärung, Liberalismus und wissenschaftliche Revolution. Das Bild steht hingegen meist nur für Aggression und Komplexions-Reduktion.
Eine zentrale Ursache ist die Allgegenwart von Kameras. Seit fast jedes Handy auch eine Kamera ist, und seit fast jeder ein Handy hat, wird fast jeder Vorgang auf dieser Welt gefilmt. Scheinbar braucht niemand mehr Texte, um Bilder, Zusammenhänge in seinem Kopf entstehen zu lassen, wenn es eh schon zu allem die Bilder und ihre scheinbare Objektivität gibt.
Filmaufnahmen werden gern an die Öffentlichkeit gebracht – wenn auch oft nur jene Teile, die den „Kameraleuten“ passen. Also etwa jene Teile, die Polizisten beim harten Vorgehen gegen Bürger zeigen, aber fast nie jene, auf denen man aggressive Menschen sieht, wie sie (oft unmittelbar davor) die Polizei attackieren und provozieren. Solche Filme belasten derzeit etwa die österreichische wie die amerikanische Exekutive, weil damit der Scheineindruck objektiver Beweise zu Lasten der Polizei entstanden ist.
Eine andere Ursache der Polverschiebung vom Wort zum Bild liegt in der Eigengesetzlichkeit der elekrtronischen Medien: Viele Ereignisse kommen nur noch dann in Fernsehnachrichten, wenn es (möglichst aktionsreiche) Filme dazu gibt. TV-News sind nicht mehr nach der Wichtigkeit gereiht und gewichtet, sondern nach der filmischen Ausbeutbarkeit.
„Quod non est in actis non est in mundo“, war viele Generationen lang oberstes Prinzip des Rechtsstaats. Was nirgendwo in Worten steht, existiert für die Justiz nicht. Ein kluges Prinzip, denn nur so ist rationaler Diskurs darüber möglich. In der Welt des Fernsehens und der „sozialen Medien“ muss heute hingegen statt „actis“ zweifellos „imaginibus“ gesagt werden.
Keine Frage, dass mit dieser progressiven Analphabetisierung ein großes Stück an intellektueller Differenzierungs-Fähigkeit und Präzision verloren gegangen ist. Und ebenso keine Frage, dass Bilder und Filme eine Objektivität vortäuschen, die sie in Wahrheit nicht haben. Schnitt, Blickwinkel, das Fehlen des Tons, die Wirkung einer filmenden Kamera auf die Akteure machen Bilder viel subjektiver und manipulativer, als die meisten Zuseher glauben.
Nur ein Beispiel: Die Verbrennungen amerikanischer oder israelischer Fahnen in der arabischen Welt erfolgen fast nur dann, wenn eine TV-Kamera in der Nähe ist. Und nur selten außerhalb deren Reichweite. Die im TV gezeigten Massenempörungen sind daher oft nur eine Inszenierung von ein paar dutzend Aktivisten.
Noch schlimmer sind G7-, EZB-, EU- und andere internationale Treffen. Dabei geht es zwar oft – nicht immer – um wichtige Fragen. Aber fürs Fernsehen gibt es immer nur Menschen in sterilen Konferenzsälen zu zeigen, was rein optisch natürlich langweilig ist. Maximaler Kamera-Höhepunkt ist, wenn die Konferenzteilnehmer einander (gekünstelt locker) begrüßen. Oder wenn sie dann vor den (anscheinend immer gleichen) Fahnen stehen, um möglichst wenig darüber zu sagen, worum es eigentlich gegangen ist.
Das ist optisch so fad, dass es fast zwangsläufig ist, wenn sich die zahllosen zu der Konferenz angereisten Kamerateams (die überdies häufig politisch völlig ahnungslos sind) dann begierig auf den wilden Haufen draußen demonstrierender, brüllender, gestikulierender oder auch brandstiftender Jugendlicher und Extremisten stürzen und diese intensiv abfilmen. Und die Redaktionen daheim glauben in ihrer Quotenpanik, nur mit aktionsreichen Bildern die Zuseher vor den TV-Apparaten festhalten zu können. Und daher geben auch sie diesen Demo-Filmen zunehmend mehr Platz als inhaltlichen Analysen.
Diese Regeln des heutigen Fernsehens werden von der Demonstranten-Szene geschickt benutzt. Sie weiß: So viele Journalisten und Kamerateams wie bei politischen Großevents wird es sonst nie geben. Sie weiß: Die warten alle nur darauf, dass sie irgendetwas dynamisch Wirkendes zu filmen haben. Daher inszeniert die Szene ihre Aktivitäten immer mehr zu solchen Großereignissen hin und zugleich optisch immer spektakulärer, um Aufmerksamkeit zu erregen. Friedliche Aufmärsche und ordnungsgemäße Kundgebungen erfüllen diesen Zweck längst nicht mehr.
Auch wenn diese Demonstrationen meist nicht die Popularität der veranstaltenden Vereine steigern - meist ganz im Gegenteil -, so helfen die zahllosen Film- und auch Zeitungsberichte doch jedenfalls ihrer Bekanntheit. Das ist vielen Aktivisten ohnedies wichtiger, die sonst nur als postpubertäre Außenseiter unbeachtet dastehen würden. Außerdem glauben auch viele Politiker und Politikberater in ihrer Naivität, dass diese schreienden Haufen etwas mit der wirklichen Öffentlichkeit zu tun hätten.
Das Fernsehen ist damit Helfershelfer einer oft sehr kleinen radikalen Szene geworden, während die Mehrheit ignoriert wird. Das ist bedenklich. Noch bedenklicher ist, dass in der Medienwelt nicht einmal eine selbstkritische Diskussion über diese Entwicklung geführt wird.
Das Allerbedenklichste ist aber, dass sehr viele Journalisten, viele TV-Redaktionen auch sonst, also über all diese ohnedies schwer verzerrenden Mechanismen hinaus, keineswegs um Objektivität bemüht sind. Sie lassen vielmehr auch noch hemmungslos ihren ideologischen Sympathien freien Lauf, wenn sie darüber entscheiden, was sie zeigen. Da sind die eigentlich gesetzlich zur Ausgewogenheit verpflichtenden Öffentlich-Rechtlichen um nichts besser als die Privaten.
Wenn es etwa gegen Amerika oder Israel geht, wenn es für eine feministische Aufregung, für Schwule oder für Drittwelt-Vereine geht, genügen oft ein paar Dutzend Demonstranten und es wird schon eindrucksvoll berichtet. Wenn hingegen Tausende Christen gegen Abtreibung, gegen Sterbehilfe, gegen die schweren Christenverfolgungen in der islamischen Welt oder gegen die Frühsexualisierung von Schulkindern durch linke Ministerien aufmarschieren, herrscht in den meisten Stationen die Devise: Nicht einmal ignorieren. Die mag man ja nicht, und die stecken eh nichts in Brand.
In diesem Verhalten herrscht seltsamerweise trotz der ständig abnehmenden Seherquoten keine Konkurrenz zwischen den einzelnen Medien. Keines wagt, anders zu sein. Sondern es regiert der linke Mainstream: Wenn niemand über etwas berichtet, kann ja auch uns niemand vorwerfen, dass wir nicht berichten. Eine teuflische Schweigespirale.
Lediglich bei den Pegida-Demonstrationen gegen die Islamisierung Europas läuft es anders. Über die wird jetzt sehr wohl berichtet, nachdem man sie anfangs ebenfalls zu ignorieren versucht hatte. Aber dafür haben die Mainstream-Medien bei Pegida wieder eine andere Desinformations-Strategie entwickelt.
Erstens tun sie gerne so, als sei Pegida etwas Gewalttätiges. Dabei sind es in Wahrheit praktisch immer Linksextremisten, die bei ihren Gegendemonstrationen gewalttätig werden. Aber fast kein Berichterstatter ist bereit, das auch klar festzuhalten. Er fürchtet nämlich, sonst im journalistischen Rudeldruck als Rechter, als Sympathisant von Pegida verfemt zu werden. Das wäre ein publizistisches Todesurteil.
Zweitens wird die ja längst objektiv unbestreitbare Islamisierung immer mit dem Adjektiv „angeblich“ sofort für nichtexistent erklärt. womit Pegida bestenfalls als ein Haufen Paranoiker erscheint.
Und drittens kommen vielen Journalisten einige Rechtsextremisten sehr zupass, die sich bisweilen unter die Pegida-Aufmärsche gemischt haben. Damit können sie problemlos die ganze Pegida-Welle diskreditieren. Das ist vor allem deshalb so verlogen und widerlich, weil die gleichen „Berichterstatter“ kein kritisches Wort finden, wenn bei linken Demonstrationen ganz massiv kommunistische Aktivisten aktiv sind. Das finden sie ganz normal.
Aber auch Pegida oder Christen, die für einen positiven Zweck demonstrieren, sind keine funktionierende Antwort auf die Verdrängung des Wortes durch das Bild, auf die Ersetzung der Ratio durch die Emotionalität.
Eine Antwort kann in Wahrheit nur die direkte Demokratie darstellen. In eine positive Zukunft können nur Entscheidungsformen führen, bei denen die Mehrheit und nicht die Lautstärke entscheidet; bei denen endlich wieder Gleichheit hergestellt ist; bei denen das alte Mütterchen genauso viel zählt wie der junge gewalttätige Extremist. Bei denen ein breiter und inhaltlicher Sach-Dialog im Zentrum steht.
Wir können doch nicht sehenden Auges immer weiter zu einer Gesellschaft werden, wo die Kamerateams und schwer schlagseitige Redaktionen über den öffentlichen Diskurs entscheiden. Wo das spannende, lustige, bewegte Bild jedes Wort, jedes Argument schlägt. Wo damit nur noch Straße und Aktionismus regieren.
Wenn wir das wirklich zulassen, ist es mit der Demokratie bald aus. Ob das aber auch nur ein einziger der Gesetzgeber versteht, die laut Verfassung als einzige eine solche positive Gegenentwicklung einleiten könnten? Ob die nicht selber begreifen, dass sie sonst selbst bald endgültig marginalisiert werden?