Triumph der politischen Korrektheit

Andreas Mölzer ist Geschichte. Zumindest in seiner Funktion als Abgeordneter der Freiheitlichen im Europaparlament. Mitleidsadressen sind unangebracht. Als lang gedienter Funktionär einer außerhalb des sozialdemokratischen Hauptstroms stehenden politischen Gruppierung weiß er, dass er unter argwöhnischer Dauerbeobachtung steht.

Während Linke Narrenfreiheit genießen und ungestraft von sich geben dürfen, wonach immer ihnen gerade ist, müssen Rechte eben peinlich genau auf jedes ihrer Worte achten. Das ist eben so. Dieses Prinzip hat er nicht beachtet. Nach einem Vergleich der EU mit dem NS-Regime (merke: Nazivergleiche sind ausschließlich dann statthaft, wenn sie von den Guten angestellt werden und keinesfalls, wenn es dabei um die geheiligte Eurokratie geht!) und einem ebenso sinnfreien wie unbeholfenen Sager („Die EU wird zum Negerkonglomerat“), der von selbsternannten Tugendwächtern als „rassistisch“ gewertet wird, hat er nun – mit einiger Verzögerung – sein Mandat zurückgelegt.

Das ist – man mag zu Andreas Mölzers Person und dem von ihm vertretenen Gedankengut stehen wie man will – aus mehreren Gründen durchaus kein Grund zum Jubeln. Zumindest dann nicht, wenn man es mit der Gedanken- und Meinungsfreiheit erst meint. Demokratie lebt nämlich davon und von der Vielfalt der zur Wahl stehenden Positionen. Aus der öden, immer stärker zum linken Einheitsbrei verrührten politischen Landschaft Kakaniens ragte er stets heraus. Schon weiland Jörg Haider schien der Burschenschaftler, der aus seinem Herzen keine Mördergrube und aus seiner deutschnationalen Gesinnung kein Hehl machte, hochgradig suspekt.

Auf seinem Marsch in jene Niederungen, in denen die kommunalen Proletensilos stehen, hatte er, der sich als einen „besseren Sozialdemokraten“ begriff, für einen rechtsgerichteten, ideologischen Tiefwurzler keinerlei Verwendung mehr. Stattdessen war nun sozialdemokratischer, allenfalls patriotisch angehauchter Pragmatismus angesagt. Das hat sich offensichtlich auch unter Haiders Nachfolger an der Parteispitze nicht geändert.

Die Geschichte wiederholt sich: Auch jetzt waren es am Ende nicht krause Strafrechtsphantasien von Möchtegernliteraten oder der geifernde Furor politisch korrekter Lohnschreiber, die zu Mölzers Rücktritt führten, sondern der „Vertrauensverlust in der eigenen Partei“. Der ewig unrasierte Sozialsprecher der Partei, Kickl, bezeichnete den Rücktritt als „logischen Schritt“. Wenn die von ihm apostrophierte „Logik“ darin besteht, die politische Landschaft Österreichs noch weiter nach links zu rücken, indem man – ein paar Wochen vor einer wichtigen Wahlentscheidung – den einzigen Freiheitlichen entfernt, der auf dem Europaparkett gleichermaßen über langjährige Erfahrung, großen Bekanntheitsgrad und Hirn verfügt, dann liegt er goldrichtig.

Zu meinen, dass der Rückzug Mölzers – sei es kurz- oder langfristig – auch nur einen einzigen der heutigen Kritiker der FPÖ dazu bringen könnte, zu verstummen oder ihr gar seine Stimme zu geben, ist geradezu lächerlich. Zu groß ist das Angebot an rosaroten Faserschmeichlern mit ausgeprägtem Hang zu Multikultigesellschaft und totaler Prinzipienlosigkeit. An verteilungs- und gesellschaftspolitisch linken Parteien herrscht im Land der Hämmer kein Mangel. Die Freiheitlichen positionierten sich – bislang – als einzige etablierte politische Kraft wenigstens gesellschaftspolitisch rechts der Mitte. Was dieser Rücktritt daher mit Sicherheit bewirken wird ist, einen Teil der freiheitlichen Wähler von der Wahlurne fernzuhalten.

Die FPÖ stand unter Mölzers Führung im Europaparlament – als einzige wählbare Alternative – für eine nicht europafeindliche, aber ausgeprägt bürokratie- regulierungs- und zentralisierungskritische Politik. Damit könnte es nun, so werden wohl viele potentielle Wähler befürchten, vorbei sein. Das Ergebnis wird in einem Nettoverlust an Wählern bestehen.

Ein schöneres Geschenk hätte der freiheitliche Parteivorstand seinen politischen Gegnern nicht machen können. Dem für eine funktionierende Demokratie notwendigen Meinungspluralismus hat er indes einen üblen Dienst geleistet. Aus reiner Feigheit und purem Opportunismus vor der linken Jagdgesellschaft in die Knie zu gehen, ist ein schwerer, ein unverzeihlicher Fehler. Wer soll, wer wird sich in Zukunft noch aus der Deckung wagen, um dem Meinungsdiktat anmaßender Bessermenschen entgegenzutreten?

Das Signal, dass die politische Korrektheit („solche Aussagen haben in unserer Partei keinen Platz“) ab sofort auch die freiheitliche Politik bestimmen wird, ist deprimierend. Nicht, weil „rassistische“ oder anderweitig neben dem Hauptstrom liegende Äußerungen zu begrüßen wären. Ganz und gar nicht. Sondern einfach deshalb, weil Nivellierung und Gleichschaltung den Tod der Freiheit bedeuten. Wie heißt die Voltaire zugeschriebene Formulierung: „Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dürfen." Damit ist es nun endgültig vorbei – verheerend! Dass die über die Deutungshoheit verfügenden Dressureliten alles daran setzen, jeden Abweichler zu kriminalisieren und/oder mundtot zu machen, ist nicht neu. Dass dieser totalitäre Ungeist nun auch bei denen angekommen ist, die den Begriff „Freiheit“ sogar in ihrem Parteinamen führen, lässt sämtliche Alarmglocken schrillen!

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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