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Noch genieren sie sich, es offen zuzugeben. Aber im vertraulichen „Zwischenprotokoll Bildung“, das dem Tagebuch exklusiv vorliegt, steht es bereits schwarz auf weiß: Die Koalitionspartner führen „zusätzlich zur Neuen Mittelschule eine Mittelstufe als Orientierungsphase für die 10- bis 12-Jährigen“ ein. Schon im Schuljahr 2014/15 soll damit begonnen werden können, also in neun Monaten. Damit hat die Linke nach der Einführung der NMS und der Abschaffung der (billigeren und effizienteren) Hauptschule einen neuen historischen Erfolg erzielt: Die Gesamtschule für alle bis zum 12. Lebensjahr ist damit praktisch fix.
Noch nie wurde damit ein Wahlversprechen so brutal gebrochen, wie es mit der Garantie Michael Spindeleggers für den Weiterbestand des achtjährigen Gymnasiums passiert ist. Schwarzer Haupttäter ist der Salzburger Landeshauptmann Haslauer, der in einem Brief an einen besorgten Bürger kürzlich wörtlich geschrieben hat: „ . . . ich bin sehr wohl ein Anhänger der neuen gemeinsamen Schule der Zehn- bis 15-Jährigen . . .“
Bis 2016/17 wird laut Koalition das neue Modell in „mindestens“ 350 Klassen eingeführt werden. Und schon nach zwei Jahren will man die „Einführung ins Regelschulwesen“ entscheiden. Die Koalitionsbastler haben als Tarnung für die nach Aussage von Teilnehmern schon feststehende Einführung der zweijährigen Gesamtschule die Formulierung hinzugefügt: „nach entsprechender wissenschaftlicher Begleitung und Auswertung“.
Was aber gleich aus mehreren Gründen besonders absurd ist.
Die NMS haben bisher in Wahrheit als einzigen Erfolg vorzuweisen, dass dort jeder Schüler weit teurer kommt als in AHS oder Hauptschule. Diese NMS werden auf Grund des Koalitionsprotokolls künftig sogar noch teurer: Die „Doppelbesetzung“ (gemeint: zwei statt einem Lehrer in der Klasse) soll nicht nur in Deutsch, Englisch und Mathematik stattfinden, sondern künftig auch in einem Drittel der weiteren Fächer. Man buttert also lieber zusätzliches Steuergeld in ein völlig verfehltes Schulmodell, als dass man erlauben würde, dass die Schüler auch nur eine halbe Stunde am Tag nach Leistungsfähigkeit getrennt werden. Damit die einen ein wenig vorankommen, und die anderen wenigstens Grundlegendes eintrainieren.
Die Koalitions-„Experten“ haben zwar noch keine „pädagogische und organisatorische Konfiguration“ für diese zwei neuen Klassenstufen. Aber eines steht schon fest: „Der Unterricht erfolgt gemäß den Rahmenbedingungen der NMS“. Mit anderen Worten: Sie wissen zwar noch nicht Was und Wie, aber es steht fest, dass es eine Gesamtschule ist.
Weitere Skurrilität: Diese Gesamtschule soll laut Koalition nicht nur an AHS, sondern auch an Volksschulen eingeführt werden. Was nichts anderes ist als für volle sechs Jahre ein Zurück zur achtklassigen Volksschule der Maria Theresia.
Nur an einem Schultyp werden sie nicht eingeführt: An den NMS. Über denen schwebt die schützende Hand der SPÖ. Dort hat man zwar katastrophale Ergebnisse, aber die NMS sind unberührbar. Statt dessen verwandelt man alle anderen Schulen zumindest für zwei Jahre in NMS.
Wäre die Angelegenheit nicht so dramatisch, so könnte man sich über das schlechte Bürokratendeutsch und die Phrasendrescherei der Koalitions-„Experten“ amüsieren. Etwa alleine bei dem völlig inhaltsfreien Satzteil: „wobei ein besonderes Gewicht auf eine prozesshafte Stärkenanalyse der SchülerInnen gelegt wird“. Aha, na dann ist ja alles anders.
Eine typische Formulierung der Koalitions-„Experten“ lautet auch, dass diese neue „Mittelstufe“ (der Ausdruck „Gesamtschule“ wird aus taktischen Gründen vermieden) eine „Orientierungsphase“ sei. Also nicht Bildung, nicht Lernen oder gar Leistung ist die Hauptaufgabe, sondern „Orientieren“. Auf deutsch übersetzt: Die Kuschelschule wird um zwei Jahre länger. Orientierungslose Kinder werden freilich auch dann nicht orientiert sein.
Eine besondere Frechheit der Koalitions-„Experten“: Sie wagen es, im gleichen Papier von „Stärkung der Schulautonomie“ zu reden. Das heißt aber nicht etwa, dass die Schulen entscheiden könnten, ob sie das Gesamtschulmodell umsetzen. Dann würde man ja mit Sicherheit keine 350 mitmachenden Klassen zusammenbringen. Nein, soweit geht die Autonomie nicht.
Die besteht in Wahrheit überhaupt nur aus hohlen Worten, aber nicht aus Substanz. Da finden sich bloß geschwollene Formulierungen: „Ausbau der kompetenzorientierten Mitwirkung der SchulleiterInnen bei der PädagogInnenauswahl“. Wieder abgesehen von der fürchterlichen Sprache und den inhaltsarmen Formulierungen (was soll denn eine „kompetenzorientierte Mitwirkung“ sein? Wollen Rot und Schwarz in ihrer frechen Art den Direktoren damit mitteilen, dass sie künftig nicht nach der Augenfarbe, sondern nach der Kompetenz urteilen sollen? In Wahrheit kann man unter dieser Formulierung nur verstehen, dass es offensichtlich um das Gegenteil der Koalitions-„Experten“ geht. Aber das wird wohl nicht gemeint sein . . .): Das Papier gesteht also den Schuldirektoren nicht einmal das absolute Minimum von Autonomie zu, nämlich die eigenständige Auswahl der zur Schule stoßenden Lehrer. Sie bekommen nur „Mitwirkung“. Mitgewirkt hat aber jeder halbwegs engagierte Direktor in Wahrheit schon seit Jahrzehnten. Diese Formulierung ist nur eine schwülstige Beschreibung des Ist-Zustandes.
Mit absoluter Garantie: Dieses „Bildungs“-Papier wird bei einer Umsetzung die künftige Bildungs-Qualität der jungen Österreicher signifikant verschlechtern. Und sehr viel teurer machen. Beides sind ja offenbar die Ziele dieser Koalitionsverhandlungen.
Jetzt ist jeder einzelne ÖVP-Abgeordnete gefordert zu sagen: „Nein, da mache ich nicht mit. Ein solcher Bruch eines Wahlversprechens und eine so katastrophale Lösung sind mit meinem Gewissen absolut unvereinbar.“
Na ja, Gewissen?