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Der Euro stirbt – Rettet den Binnenmarkt!

So konkret wie noch nie wurde in den vergangenen Tagen über den Austritt eines Euro-Landes diskutiert. Zwar glaubt die Politik, noch einmal eine Lösung gezimmert zu haben, die Zypern in Euro und EU halten wird. Aber ganz offensichtlich erscheint erstmals auch der Politik der Gedanke an den Austritt eines Euro-Staats nicht mehr so absurd, wie er drei Jahre lang dargestellt worden ist. Daher wird mit Sicherheit bei der nächsten Krise noch viel intensiver über die rechtlichen und vor allem ökonomischen Konsequenzen eines Euro-Austritts nachgedacht werden. Denn die nächste Krise kommt gewiss. Und längst gibt es Wichtigeres zu retten als den Euro.

Die rechtliche Formalität, dass man eigentlich nicht aus dem Euro, sondern nur aus der EU als Ganzes austreten kann, wird da die geringsten Probleme bereiten. Wo ein Wille, da auch ein Weg. Schließlich haben sich ja die gleichen Länder auch brutal über das Bailout-Verbot hinweggesetzt und ständig andere Staaten auf Kosten der Steuerzahler „gerettet“.

Allheilmittel gibt es keine mehr

Ganz sicher wären freilich mit einer Reduktion der Euro-Mitglieder nicht alle Probleme gelöst, wie manche jetzt glauben. Um nur eines zu nennen: In welcher Währung müssen dann die bisherigen Euro-Schulden eines austretenden Landes zurückgezahlt werden? Allein an dieser Frage werden sich Legionen von Anwälten krumm und bucklig verdienen.

Es wird auch sonst jeder Euro-Austritt alles andere als leicht und schmerzlos sein. Denn die Schuldner-Länder haben ja in den bisherigen Euro-Jahren die Reallöhne um 20 bis 30 Prozent steiler erhöht als etwa Deutschland. Daher muss diese durch keine Leistung und Produktivität gerechtfertigte Lohnerhöhung in jedem Fall wieder neutralisiert werden. Sonst kann ein Land nicht seine alte Konkurrenzfähigkeit zurückgewinnen.

Das wird jetzt, also bei Beibehaltung des Euro, dadurch versucht, dass man solchen Ländern mit straffer Disziplin Lohnkürzungen diktiert, vor allem, aber nicht nur bei Beamten und Pensionisten. Der gleiche Effekt würde bei Trennung des Währungsraumes dadurch erreicht, dass in den austretenden Ländern alles viel teurer wird; bei einem Austritt erspart man sich aber den harten Kampf mit den uneinsichtigen Gewerkschaften, die gegen Lohnkürzungen immer heftig protestieren. Denn nominal müssen Löhne dann ja nicht gesenkt werden.

Langsam erkennen immer mehr Politiker, dass der zweite Weg politisch leichter umzusetzen ist, auch wenn dabei die technischen Vorteile des Euro wegfallen, wie etwa die niedrigen Transaktionskosten. Daher tritt etwa Italiens Berlusconi heute für einen Austritt seines Landes aus dem Euro ein, für den er einst selber gewesen ist. Das gleiche verlangt der offenbar sehr populäre Kabarettist Grillo.

Der Mai 2010 bleibt der große Fehler

Auch wenn beide Wege zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit möglich sind, entscheidend ist vor allem etwas anderes: Unter den Bürgern der südeuropäischen Länder muss endlich der Irrglaube aufhören, dass es noch einen dritten schmerzfreien Weg gebe. Dieser dritte Weg bestand im ersten Euro-Jahrzehnt in der Möglichkeit, das fröhliche mediterrane Leben, den üppigen Konsum, die Erfüllung aller wohlfahrtsstaatlichen Gewerkschaftsforderungen durch extrem billige Euro-Kredite zu finanzieren. Diese Möglichkeit gibt es seit Steigen der Anleihezinsen für Griechen&Co nicht mehr.

Seit Mai 2010 hat jedoch ein historischer Fehler der deutschen (und österreichischen und niederländischen) Politiker den Schuldenländern eine andere gefährliche Perspektive auf einen schmerzfreien dritten Weg eröffnet. Man hat dort den Glauben wachgerufen, dass die Bürger und Steuerzahler der Nordländer dauerhaft die Rechnung für dieses fröhliche Leben bezahlen.

Nun aber scheint der Druck der bevorstehenden deutschen Wahlen diesen Irrweg zu beenden. Erstes Anzeichen ist eben Zypern: Die Nordländer zahlen der Insel nur noch zwei Drittel des benötigten Betrags. Und eine Rettung des größten Wackelkandidaten, nämlich Frankreichs unter seiner schwachen Führung, ist auch für die größten Illusionäre nicht mehr vorstellbar.

Daher werden die Schuldenländer nun wieder auf jene Frage zurückgestoßen, mit der man sie eigentlich schon 2010 konfrontieren hätte sollen: Ist nicht der Austritt aus dem Euro letztlich das Klügste?

Tatsache ist jedenfalls, dass die nunmehrige „Rettung“ Zyperns die Börsen nur noch ein paar Stunden in Hochstimmung versetzen konnte. Dann sind diese wieder in jene Depression versunken, die noch auf jede Rettung gefolgt ist. So kurz war die Euphorie noch nie. Dabei sind Börsen mit ihren Sachinvestitionen eigentlich noch ein relativ aussichtsreicher Weg, seine Ersparnisse relativ – relativ! – sicher anzulegen.

In ganz Europa gleiten die Fundamente weg

Aber vielleicht sind inzwischen auch solche Investitionen chancenlos. Denn in diesen Stunden kommt in Europa offenbar alles ins Gleiten und Stürzen; der Glaube an die Retter ist weitgehend kollabiert. In Wahrheit weiß niemand mehr, wie man da noch eine neue Stabilität herstellen kann (auch wenn es die Politik nicht zugeben will). Die Beispiele aus den allerletzten Tagen und Stunden:

  • Frankreich hat angekündigt, dass es die der EU rund um die ESM-Gründung rechtsverbindlich versprochene Defizitreduktion nicht schafft. Die EU kann das letztlich nur noch zur Kenntnis nehmen.
  • Dasselbe ist am Dienstag in Italien passiert: Da kündigte das Land ohne Zustimmung durch EU- oder Euro-Gremien einfach an, das Defizitziel um einen weiteren Prozentpunkt zu erhöhen. Dabei ist dort ja jetzt noch die angebliche Sanierungsregierung Monti im Amt.
  • Die deutschen Wirtschaftsweisen haben ihre ohnedies dürre Wachstums-Prognose für die Bundesrepublik von 0,6 auf 0,3 Prozent reduziert.
  • Die zwei großen zypriotischen Banken bleiben mindestens noch weitere zwei Tage geschlossen. Und auch noch Stunden nach der letzten nächtlichen Krisensitzung weiß niemand, wie man dauerhaft einen allgemeinen Bank-Run auf Zypern verhindern kann. Denn wenn man ewige Kapitalverkehrskontrollen macht, dann ist ja auch das nach dem Haarschnitt theoretisch noch vorhandene Spargeld nicht mehr wirklich vorhanden.
  • Ein britischer Oppositionspolitiker fordert die Briten dazu auf, ihr Geld aus Krisenländern abzuziehen, weil ihren Anlagen dort eine Beschlagnahme drohe.
  • In Spanien dürfte nach einem Bericht des Wall Street Journal ein gewaltiger Schlag auf Anleger unmittelbar bevorstehen: Aktionäre dürften fast alles verlieren (bei der großen „Bankia“ etwa 99 Prozent); und Anleihegläubiger werden rund 30 Prozent verlieren.
  • Und der neue niederländische Vorsitzende der Euro-Gruppe machte in einer (später ein wenig abgeschwächten) Erklärung klar, dass die nun für eine zypriotische Bank beschlossene Abwicklung, also das Zusperren auch bei anderen europäischen Banken passieren könnte. Das war zwar eigentlich immer schon logisch, ist aber 2010 zum totalen Tabu erklärt worden.

Banken schließen und Dominoeffekte verhindern

Nur bei einem Zusperren einer Bank wird der Schaden halbwegs minimiert: Die Angestellten verlieren wie bei jeder Pleite-Firma ihre Lohnansprüche, die Aktionäre verlieren sowieso ihre Einlage und die Anleger müssen jeweils in jenem Ausmaß büßen, das die Quote übersteigt. Die Quote ist das, was bei Verwertung aller Immobilien und Forderungen (Kredite) der Bank am Ende des Tages herauskommt. Wobei dieses „Ende des Tages“ jedenfalls viele Jahre entfernt ist. Solange müssen Anleger warten, bis sie irgendetwas herauskriegen.

Damit drohen natürlich Dominoeffekte, also Konkurse weiterer an sich gesunder Banken und Unternehmen, die bei einer abzuwickelnden Bank Einlagen haben.

Einzig zur Vermeidung solcher Dominoeffekte könnte es sogar legitim sein, solche Gläubiger einer kaputten Bank teilweise mit Steuergeldern abzusichern. Das käme aber weit billiger als der Weg der letzten Jahre, wo ständig Staaten und Banken auf Kosten anderer „gerettet“ wurden. Das darf aber jedenfalls nur teilweise geschehen.

Denn sonst wäre der pädagogische Wert dahin. Der besteht vor allem darin, dass sich künftig Einleger viel besser anschauen werden, wem sie ihr Geld anvertrauen, wenn sie mit einem Verlust rechnen müssen. Der pädagogische Wert ist aber im Falle Zypern in den letzten Stunden wieder weitgehend zunichte gemacht worden. Denn die Politik hat in ihrem Populismus durchgesetzt, dass alle Einlagen bis 100.000 Euro voll "gesichert" werden müssen.

Der versäumte pädagogische Nutzen

Das hat zwei üble Konsequenzen: Erstens werden Investoren mit viel höheren Einlagen (wie etwa Fonds, die das Geld vieler auch sehr kleiner Sparer verwalten) dadurch besonders hart getroffen. Aber gerade deren Geld ist für die Ankurbelung einer Wirtschaft (beispielsweise Zyperns) besonders wichtig. Und zweitens werden die Sparer mit Einlagen bis 100.000 Euro weiterhin unvorsichtig vorgehen: Sie werden weiterhin gierig nach den saftigen Zinsen greifen, die türkische, russische, niederländische Institute etwa in Österreich anbieten; und sie werden die mickrigen Zinssätze der großen österreichischen Banken ignorieren.

Lässt man das alles geistig Revue passieren, dann wundert man sich eigentlich, warum alle Welt nur nach Zypern blickt. Der ganze Euro-Raum ist erschüttert. Daher ist es auch mehr als fraglich, ob der Plan Angela Merkels noch aufgehen kann, bis zum September, also bis zu den Bundestagswahlen, die Finanzkrise noch irgendwie mit beruhigenden Worten unter Kontrolle zu halten. Fast scheint die explosive Lunte am Euro-Fass nicht mehr austretbar zu sein.

Da kann man nur mit dem britischen Premier David Cameron hoffen: Vergesst das völlig fehlgelaufene Projekt des Euro, vergesst (endlich) die Überregulierungs-Manie der EU-Kommission, aber rettet den EU-Binnenmarkt! Denn den brauchen wir dringender denn je – gerade in Krisenzeiten!

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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