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Alles Böse kommt aus der EU: Diese rasch wachsende Stimmung unter den europäischen Bürgern wird in dieser Woche auch durch das österreichische Parlament weiter verstärkt. Es dürfte – gegen den Widerstand der Opposition – die stärkste Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte beschließen, die in den letzten 60 Jahren den Österreichern angetan worden ist. Zwar laufen bis zur letzten Stunde noch Gespräche, das sogenannte Terrorismuspräventionsgesetz samt der Verschärfung des Verhetzungsparagraphen, der sich in Wahrheit als Islamisten-Unterstützungsparagraph erweist, noch abzumildern oder vorerst nur teilweise zu beschließen. Aber im Wesentlichen dürfte es dabei bleiben. Denn jeder Abgeordnete, den man darauf anspricht, zuckt bedauernd die Achseln: Wir müssen ja wegen der EU . . .
Haben sie mit dieser Ausrede recht? Nur zum Teil. In Wahrheit gibt es auch auf österreichischer Seite – wie in vielen anderen Ländern – ein großes Maß an vorsätzlicher Mitschuld an diesem Gesetz.
Inhaltlich geht es um die massive Verschärfung der sogenannten Verhetzung. Wer Angehörige bestimmter Gruppen „verächtlich zu machen versucht“, wird künftig mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft.
Damit werden reine Meinungsdelikte wie in einer Diktatur mit Haft bestraft, selbst wenn es sich um absolut wahre Aussagen handelt.
Damit kehren völlig unbestimmte Tatbestände Delikte wie „verächtlich machen“ ins Strafrecht ein.
Damit wird das Gleichbehandlungsprinzip verletzt, denn viele Gruppen darf man weiterhin verächtlich machen, weil sie nicht aufgezählt sind. Man darf etwa Unternehmer, Bauern, Priester, „Reiche“, Adelige, „Studierte“, Familien, „Kapitalisten“, Rotarier, Couleurstudenten, Lehrer oder Freimaurer verächtlich machen, nicht jedoch Gruppen, die durch „Rasse“, Hautfarbe, Sprache, Religion (einschließlich der obskursten Sekten), Weltanschauung, Staatsangehörigkeit, Abstammung, nationaler oder ethnischer Herkunft, Geschlecht, Behinderung, Alter oder sexuelle Ausrichtung (das Tarnwort für Homosexuelle) definiert sind.
Damit wird die Political Correctness, die sich bisher weitgehend nur mit Lächerlichkeiten wie den „Töchtersöhnen“ befasst hat, mit den schärfsten Waffen des Staates zum Diktat.
Damit kehrt der sonst absolut verpönte Begriff der „Rasse“ in unsere Gesetzbücher ein, was besonders lustige Prozesse verspricht. Wurde doch bisher jeder Wissenschaftler oder Journalist sofort niedergemacht, wenn er dieses Unwort auch nur einmal verwendete.
Die Koalition – mit der Justizministerin als Haupttäterin – beruft sich dabei auf einen Rahmenbeschluss der EU-Justizminister vom November 2008 „zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit“.
Gilt also: Da kann man leider nichts machen – höchstens aus der EU austreten? Was freilich trotz aller Fehler in Sachen Griechenland & Co noch immer einen großen Schaden verursachen würde. Nun abgesehen davon, dass dieser Rahmenbeschluss samt dem nunmehrigen österreichischen Gesetz die Stimmung, aus der Union auszutreten, in der Tat befördern wird, ist es einfach eine Lüge zu sagen, Österreich und die anderen Mitgliedsstaaten wären da leider nur ohnmächtige Opfer der EU. Aus einer ganzen Reihe von Gründen:
All diese schweren Sünden Österreichs deuten auf einen ganz gezielten ideologischen Impetus des Justizministeriums hin, in dem linke Juristen seit Jahrzehnten den Ton angeben. Und die ÖVP, die das Ministerium heute führt, ist absolut unfähig, ihre einstige juridische Kompetenz – von einem Walter Hauser über einen Felix Ermacora bis zu einem Michael Graff – auch nur andeutungsweise wiederherzustellen. Zum zweitenmal wird das Ministerium statt dessen von einer schwachen Quotenfrau geleitet. Aber auch unter den männlichen Kollegen im ÖVP-Klub gibt es keine qualifizierten Juristen.
Mit gewisser Schadenfreude erfüllt den Beobachter die Gewissheit, dass viele der Abgeordneten der Regierungsparteien, die diesem Gesetz zustimmen, in den nächsten Jahren mit großer Wahrscheinlichkeit selbst Opfer von grünen wie blauen Strafanzeigen werden. Diese Anzeigen werden ihnen eine lange Phase der Unsicherheit bescheren.
Unabhängig von all diesen nationalen Schuld-Punkten bleibt aber auch der Beschluss der EU-Justizminister als solcher ein Skandal. Reine Meinungsdelikte, ja sogar das bloße Erwähnen wahrer Fakten sollen jetzt vor den Strafrichter führen. Damit hat sehr wohl auch die EU eine gewaltige Einschränkung der Meinungsfreiheit beabsichtigt. Denn hätte sie das nicht, dann wäre der ganze Rahmenbeschluss völlig überflüssig – zumindest dort, wo er sich nicht nur gegen Taten, sondern auch gegen Worte richtet.
Wer erinnert sich noch, dass die Union einst als Hüterin der Grundfreiheiten und Gegenpol einer die Meinungsfreiheit unterdrückenden Diktatur angetreten ist?
PS.: Den ersten Satz dieses Textes "Alles Böse kommt aus der EU" hat übrigens der von mir sehr geschätzte Hugo Portisch soeben bei einer Pressekonferenz zur Vorstellung seines neuen Buches verwendet. Freilich nur, um sich von ihm zu distanzieren. Portisch ist total gegenteiliger Meinung. Für ihn kommt gleichsam alles Gute aus der EU. Bei allem Respekt für Portisch: Diese Sichtweise war wohl in den 90er Jahren noch gerechtfertigt, heute sicher nicht mehr. Und gerade eine allzu apologetische und einseitige Verteidigung der EU rückt die Union heute in ein schiefes Licht. Und nimmt all jenen, die meinen, dass Europa trotz allem noch sinnvoll ist, die Glaubwürdigkeit.
Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.