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10.000 Todesopfer hat die japanische Erdbeben/Tsunami-Katastrophe bereits gefordert. Aber viele Medien und Politiker interessieren sich fast nur für die Schäden an Atomreaktoren, die bisher jedoch zum Glück zu überschaubaren Folgen geführt haben. Man merkt die Absicht. Und muss um Objektivität kämpfen.
Dabei lassen wir die eher lachhaften Auftritte heimischer Politiker einmal beiseite (Nikolaus Berlakovich: „Österreich ist sicher.“). Es sei vielmehr versucht aufzulisten, was man heute schon mit gewisser Sicherheit als Erkenntnis aus Japan ziehen kann:
Erstens: Die Frage, ob die Zerstörungen an dem japanischen AKW wirklich zur Infragestellung dieser Technologie veranlassen, wird erst in ein paar Monaten seriös zu beantworten sein.
Zweitens: Nach allem, was man derzeit weiß, hat das Erdbeben selber trotz seiner historischen Zerstörungskraft keine Schäden an den AKW angerichtet. Das waren vielmehr zum ersten der Stromausfall und zum zweiten der Tsunami, die Flutwelle, die meeresnahe Kraftwerke überspülte. Die Erdbebensicherheit war also auch bei einem 40 Jahre alten Kraftwerk, das knapp vor der Einmottung stand, gegeben. Daher ist für Europa jede diesbezügliche Panik nicht legitim.
Drittens: Japan hat mit seiner dichten Besiedlung, seiner hochentwickelten Industrie und ohne jedes Erdöl oder Erdgas absolut keine Alternative zur Atomkraft.
Viertens: Es ist recht bezeichnend, dass zeitgleich mit der Katastrophe von Japan eine regionale Volksabstimmung in Tirol ein 85-prozentiges Nein zum Bau einer neuen Wasserkraftanlage gebracht hat. Auch die zum „Aufheben“ von Wind- und Solarstrom notwendigen Speicherkraftwerke stoßen fast überall auf Widerstand gemäß dem Floriani-Prinzip. Also sind auch bei uns die Alternativen rar, obwohl auch Österreich längst in hohem Umfang (ausländischen) Atomstrom produziert.
Fünftens: Vieles spricht dafür, dass der nun – wegen der Zerstörung von Leitungen und dem Hinunterfahren von Atomkraftwerken – offenbar längere Zeit bevorstehende Strommangel Japan noch ein weiteres erkleckliches Maß nicht nur an Verarmung, sondern auch an Todesfällen bescheren wird (Ausfall von Gesundheits- und Sicherheits-Einrichtungen, von Telefonen, Panik in steckenbleibenden Liften usw).
Sechstens: Natürlich ist jedes Todesopfer rund um ein AKW zu viel. Aber jede andere Form der Energiegewinnung fordert ebenfalls Todesopfer (beim Bau von Staumauern, beim Bruch von Staumauern, bei Katastrophen aus Öl- und Gasfeldern usw.). Vieles deutet darauf hin, dass umgerechnet auf die Kilowattstunde der Strom aus AKW der sicherste sein dürfte. Die Unsicherheit stammt aus Tschernobyl: Nach der dortigen Katastrophe haben die Regierungen von Belarus und der Ukraine vielen Anzeichen zufolge zeitweise die Folgen heftig übertrieben, um die internationale Hilfe zu vermehren. Nach den Studien internationaler Organisationen hat Tschernobyl deutlich weniger Todesopfer gefordert als der österreichische Straßenverkehr – in einem Jahr. Trotz einer starken Reduktion als Folge der stark verbesserten Sicherheitstechnik und Medizin.
Siebentens: Was ist mit den derzeit von manchen heftig herbeiverlangten und in Europa sich auch rasch ausbreitenden Windrädern und Solaranlagen? Abgesehen davon, dass sie bei weitem nicht imstande sind, den Strombedarf zu decken, sollte man sich eine ähnliche Katastrophe wie die japanische in einem mit solchen Anlagen vollgepflasterten Land vorstellen: Tausende Windräder würden umstürzen (und mancherorts jemanden erschlagen); Solaranlagen würden vom Dach donnern; und das ist noch das geringere Problem im Vergleich zu Bränden infolge von massenweisen Kurzschlüssen in solchen Anlagen.
Achtens: Eine Konsequenz aus den japanischen AKW-Schäden ist aber sicher zu ziehen: Entweder man umgibt alle Kraftwerke mit 15 Meter hohen wasserdichten Mauern oder man siedelt sie in den Tsunami-gefährdeten Gebieten vom Meer ab, damit die Notstromaggregate nicht von einer Flutwelle ausgeschaltet werden können.
Neuntens: Den Japanern ist höchstes Lob zu zollen, wie sehr sie imstande waren, ihre Gebäude wirklich extrem erdbebensicher zu gestalten. In anderen dichtbesiedelten Gebieten hätte ein so starkes Beben zweifellos in die Hunderttausende gehende Opferzahlen gefordert. Gegen einen Tsunami dieser Wucht ist freilich außer Frühwarnsystemen bisher kein Mittel gewachsen.
Zehntens: Die gefährlichsten Scharlatane sind jene, die jetzt wieder einmal von einem Zurück zur Natur faseln. Dazu müssten sie zuerst die Erdbevölkerung um ein paar Milliarden reduzieren und den verbleibenden Rest zu einem Leben voller Einschränkungen zwingen.
Respekt nötigt mir jedenfalls Angela Merkel ab. Sie wagte es am Sonntagabend zu sagen (obwohl man damit derzeit wahrlich keine Populismus-Punkte sammeln kann): „Unser Kernkraftwerke sind nach Maßgabe dessen, was wir wissen, sicher." Hingegen werden sich die österreichischen Politiker wohl in den nächsten Tagen vom Boulevard in immer aggressivere Töne gegen die tschechischen, deutschen oder slowakischen Kraftwerke peitschen lassen. Bis dann nur noch eine Kriegserklärung als nächste Eskalationsstufe möglich sein wird.
PS.: Überhaupt keinen Respekt nötigt hingegen die AUA ab: Die lässt - aus Rücksicht auf die Crew! - den Flug nach Japan einfach ausfallen. Obwohl andere Fluglinien dorthin fliegen. Offenbar lesen die AUA-Mitarbeiter allzuviele Schreckensgeschichten im heimischen Boulevard und fürchten sich nun zu Tode. Eine seltsame Truppe.