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Die Abrechnung für die Schwarzen

 Die größte Sensation dieses Wahltages ist die Tatsache, dass die ÖVP mehr Prozentpunkte als die SPÖ verloren hat. In Bezug auf die eigene Wählerschaft beim ohnedies mageren letzten Ergebnis hat sie sogar ein volles Drittel verloren, während die Sozialdemokraten nur rund ein Zehntel ihrer Wählerschaft verloren haben.

Da grenzt die Ankündigung von Christine Marek, fünf weitere Jahre bleiben zu wollen, schon an mehr als eine gefährliche Drohung. Denn die Lage der ÖVP ist so ernst, dass die Entwicklung bis an den Rand der Selbstauslöschung gehen kann.

Die einst große bürgerliche Partei hatte in Wien bis zu den Zeiten Erhard Buseks immer über 30 Prozent der Stimmen erzielt und krebst jetzt bei 13 Prozent herum. Die von Busek ausgelösten innerparteilichen Konflikte, seine Stimmungsmache gegen die meisten Nachfolger und der gleichzeitige Aufstieg der Freiheitlichen haben die Partei substanziell geschwächt. Und jetzt ist erstmals eine Busek-Kandidatin angetreten. Mit desaströsem Ergebnis.

Dieser Sinkflug der Stadtschwarzen hat unter Christine Marek einen historischen Tiefpunkt erreicht – er kann freilich noch ungehemmt weitergehen. Die ÖVP sollte sich bewusst sein, dass es von Italien bis Spanien christdemokratische Parteien in der Luft zerrissen hat, weil sie sich im linkskatholischen Zeitgeist zu klerikalen Sozialdemokratien verwandelt hatten. Und dass sie von weit erfolgreicheren Parteien aus einem einst als un berührbahr rechts abgestempelten Milieu beerbt worden sind.

Auch in Deutschland droht der CDU mittelfristig durchaus ein ähnliches Schicksal. Auch wenn sich die Partei rund um die Positionen eines Thilo Sarrazin noch nicht gebildet hat. Lediglich die bayrische CSU erkennt dort zunehmend, dass man sich doch ein wenig dessen besinnen sollte, wo die eigenen Wähler stehen.

Natürlich kann sich auch die Bundes-ÖVP da nicht mehr abbeuteln. Ist sie doch etwa mit der Schwulenehe und der Mindestsicherung einen Weg gegangen, der zwar bei manchen Medien, aber nicht bei den konservativen Wählern gut ankommt. Vor allem aber hat die Bundes-ÖVP seit Jahr und Tag in keiner einzigen Frage Kampfbereitschaft und Wissen um die eigene Identität gezeigt.

Auch die Auswahl von Christine Marek als Spitzenkandidatin hat einzig und allein Josef Pröll zu verantworten. Hatte sich doch die Wiener Partei in der Person von Harald Himmer schon auf einen interessanten und dynamischen Kandidaten geeinigt, der sowohl Wirtschaftskompetenz wie auch Angriffslust gegen den roten Machtmissbrauch in sich vereinigt hätte. Aber die Bundespartei glaubte, es besser zu wissen (und wurde von Busek&Co schlecht beraten). Sie trägt daher Mitschuld, dass der im Vorjahr so positive schwarze Trend abrupt abgerissen ist.

Die Fehler der Christine Marek seither gehen auf keine Kuhhaut. Der schwerste: Sie gierte sofort nach einer Koalition mit der SPÖ und schloss eine Anti-SPÖ-Koalition aus. Sie brüskierte durch ihre Kampagne gegen den Wiener Akademikerbund die Liberalkonservativen. Sie hat kein einziges attraktives Gesicht für ihr Team gefunden, sondern die von Johannes Hahn angeheuerte Versagertruppe in allen Funktionen belassen. Sie hat kein einziges emotionales Thema besetzen können. Sie hat nicht einmal eine einzige harte Bedingung an die Rathaus-Roten gestellt – außer die nach einer Reform des Wahlrechts, das zwar mehr als diskutabel ist, das aber alle Wähler kalt lässt. Der Wahlkampf mit dem grotesken Häupl-Plakat war dann nur noch der Gipfelpunkt auf dem i.

Ein nettes Äußeres und Wesen sind halt ein wenig zu wenig für den Ernst der Politik.

PS.: All das ist der ÖVP hier schon seit Monaten ins Stammbuch geschrieben worden, also keineswegs eine Weisheit nach dem Motto: „Nachher sind alle gescheiter.

 

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