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Dem Rechtsstaat ins Gesicht gespuckt

Es ist wohl die frechste Herausforderung des Rechtsstaats, die in dieser Republik je von einer so gewichtigen Institution gesetzt worden ist: Der ORF ist rechtskräftig zur Herausgabe von Videobändern verurteilt worden, weigert sich aber, dem Richterspruch des Oberlandesgerichts nachzukommen.

Anfangs hatte sich der ORF-Generalintendant noch dem Beschluss beugen wollen. Inzwischen hat ihn aber die Angst befallen, dass die Inhalte jener Bänder für den Staatsfunk extrem peinlich sind.

Daher verweigert er nun plötzlich die Herausgabe der Bänder und beruft sich „im Sinne eines Moratoriums“ auf eine Wortmeldung des Staatssekretärs Ostermayer, also eines zweitklassigen Politikers. Der Burgenländer ist natürlich in keiner Weise für die Justiz zuständig – er ist eigentlich für gar nichts zuständig außer für all die schmutzigen Geschäfte, bei denen sich Werner Faymann nicht selbst die Finger beflecken will. Und Moratorien gibt es in der Justiz sowieso nicht.

Dieser Herr Ostermayer hat vage eine Änderung des Medienrechts vorgeschlagen, ohne bisher auch nur einen ausformulierten Satz eines neuen Paragraphen vorlegen zu können. Dieser Paragraph würde ja wahrscheinlich lauten müssen: Alle linken Journalisten und Medien dürfen alles und stehen über dem Recht, alle anderen sind wegen prinzipieller Verhetzung einzusperren oder zumindest zu kündigen.

Die Justizministerin hat sich – wie es in einer Koalition gehört – einmal prinzipiell gesprächsbereit gezeigt. Freilich weiß niemand, ob und was dabei herauskommen wird. Aber eines ganz sicher nicht: dass ein rechtskräftiger Beschluss von Richtern dadurch nachträglich außer Kraft gesetzt wird. Dazu bräuchte es schon eines verfassungsrechtlichen Sondergesetzes.

Würde die Logik des Herrn Wrabetz stimmen, dann könnte sich jedermann künftig einer Verurteilung oder der Zahlung seiner Steuern entziehen, indem er von einem Moratorium schwafelt. Man bräuchte höchstens irgendeinen Politiker, der eine Gesetzesänderung fordert. In Hinblick auf die ORF-Gebühr haben das ja auch schon mehrere getan: Daher wäre es fast zwingend, „im Sinne eines Moratoriums“ keine Beiträge mehr zu zahlen.

Aber geht es da nicht um das gesetzlich geschützte Redaktionsgeheimnis? Dieses Schutzes hat sich der ORF jedoch selbst begeben, indem einer seiner führenden Redakteure Strafanzeige gegen den FPÖ-Obmann erstattet hat. Bei dem Streit um die Videobänder geht es bekanntlich um jene ORF-Sendung, bei der die ORF-Redaktion zwei extrem auffällige und alkoholfreudige Skinheads zu einer Strache-Versammlung gekarrt hat, um den Politiker in das übliche schlechte Licht zu richten. Wobei der große medienpolitische Skandal natürlich der Wechsel des ORF von der Rolle eines Beobachters in die eines zwei Rechtsradikalen helfenden oder gar anstiftenden Akteurs ist.

Der rechtsstaatliche Skandal ist sogar ein doppelter. Erstens: Man zeigt jemanden an und hält dann die nötigen Beweismittel unter Verschluss. Und zweitens ignoriert man – als de facto staatseigenes Unternehmen! – Gerichtsbeschlüsse.

Das Verhalten des Alexander Wrabetz ist absolut ungeheuerlich. Woran die erstaunliche Unterstützung durch seine ideologischen oder taktischen Sympathisanten von Rot, Grün und Orange absolut nichts ändert. In den USA würde Wrabetz sofort auf längere Zeit wegen – besonders provozierender – Missachtung des Gerichts hinter Gittern landen. Und in Österreich?

Warten wir noch ein paar Tage ab. Noch nie war der Rechtsstaat so gefordert wie jetzt. Und die Justizministerin wäre nur in einem einzigen Fall rücktrittsreif (im Gegensatz zu den Forderungen von Grün und – erstaunlicherweise – auch Orange): Wenn sie jetzt den in Hunderten ähnlichen, aber viel weniger prominenten Fällen schon beschrittenen Gang des Rechts in irgendeiner Weise hemmen würde.

 

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