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Meint Christoph Schönborn das ernst? Ein "Schuldbekenntnis im Namen der Kirche" abzugeben, ist absolut die falsche Reaktion auf die vielen Fälle von physischem und sexuellem Kindesmissbrauch durch Kirchenangehörige. Auch wenn er nun - natürlich vergebens - hofft, damit genug Demutsgesten gegenüber den begeisterten Kirchenkritikern abgegeben zu haben.
Und einen Gottesdienst unter dem Motto "Ich bin wütend, Gott!" abzuhalten, ist überhaupt der Höhepunkt an Chuzpe. Damit wird kühnerweise Gott die Schuld an Verbrechen, Untaten und Versäumnissen bestimmter Menschen zugeschoben. Eine unglaubliche Volte.
Und wieso ist die "Kirche" schuld? Wenn an jenen Missbrauchsfällen wirklich "die Kirche" schuld sein sollte, dann muss man seine Kirchenmitgliedschaft sofort und ernsthaft überdenken. Dann können mich keine Tausend Schuldbekenntnisse mehr in dieser Kirche halten.
Die Kirche, die ich hingegen kennengelernt habe, ist offenbar nicht Schönborns Kirche. Die Kirche, die ich kennenlernen durfte, war die des nun schon hochbetagten und wohl in vielerlei Hinsicht heiligmäßigen Hartmann Thaler (der nun sogar vom ORF porträtiert worden ist) und vieler anderer Männer und Frauen, die wie wir alle viele Fehler und Verfehlungen in ihrem Lebensbericht haben, die sich aber nie und nimmer an Kindern vergriffen haben.
Ich habe auch in keinem Halbsatz der kirchlichen Lehre, in keinem Katechismus, in keiner Bibel etwas gefunden, was Kindesmissbrauch rechtfertigen würde (zum Unterschied von manchen zeitgeistig-progressiven Ideologien der 70-er und 80-er Jahre). Ganz im Gegenteil. Ich habe auch keinen Lehrsatz gefunden, der behauptet hätte, Priester wären grundsätzlich bessere Menschen. Wenn aber der viel Belesenere Schönborn solches gefunden haben sollte, dann möge er das doch bitte laut und deutlich sagen.
Ansonsten möge er jedoch nicht "die Kirche" in Geiselhaft nehmen für die schweren Verfehlungen bestimmter Menschen. Ob die nun in konkreten Handlungen an Kindern bestanden haben oder darin, dass einzelne hohe Kirchenfunktionäre nicht die Rückfallgefährlichkeit päderastischer oder sadistischer Veranlagungen erkannt haben, dass sie Besserungsgelübden geglaubt und - einzig in diesem Punkt natürlich ganz der kirchlichen Lehre entsprechend - für jeden Täter auch Verzeihung statt lebenslänglicher Verdammnis bereit hatten.
Das aber waren ganz eindeutig Fehler ganz konkreter Menschen. "Die Kirche" als Ideengebäude war niemals Täter. Die Täter haben nur kirchliche Funktionen für ihre Taten ausgenutzt. Es nimmt ja auch niemand "den Sport" für ähnliche Verfehlungen von Trainern in Geiselhaft, oder "die Schule" oder den "Staat" für einschlägig ungustiöse Lehrer.
Es waren ja auch ganz sicher nicht "die Österreicher" oder "Österreich" an den Nazi-Verbrechen schuldig - sondern viele von ihnen, während viele andere Österreicher Opfer (oder angsterfüllte sich Wegduckende) waren. Dies hat auch ein Franz Vranitzky semantisch ganz deutlich und penibel unterschieden, als er in den 80-er Jahren die österreichische NS-Zeit aufzuarbeiten versucht hatte.
Denn jeder, der "alle" schuldig sieht, der ganze Staaten und Organisationen für schuldig erklärt, der verwischt die Schuld des Einzelnen, der gibt diesen fast eine Rechtfertigung. Wenn ohnedies die ganze Kirche (das ganze Land, der ganze Sport) schuldig ist, dann brauche ich nicht mehr nach individueller Schuld suchen.
Schönborns Schuldeinbekenntnis ist umso seltsamer, als ja der allergrößte Teil der physischen und sexuellen Misshandlungen von Kindern außerhalb der Kirche stattfindet. Aber irgendwie liebt offenbar auch Schönborn den schmerzhaften Bußgürtel, den angeblich der harte Kern der Opus-Dei-Mitglieder unter dem Gewand trägt.
Er spricht aber trotzdem nicht für "die Kirche", sowenig wie die Päderasten im Talar für diese gehandelt haben.
Und er wird auch von den voller Jagdlust galoppierenden Kirchenjägern in vielen Redaktionen, der des ORF an der Spitze, niemals die von der wahren Kirche immer angebotene Absolution erhalten. Haben diese Jäger doch schon seine Sonderbeauftragte Klasnic in Grund und Boden verdammt, bevor diese auch nur einmal den Mund aufmachen konnte. Ebensowenig werden ihm Mini-Vereine wie "Wir sind Kirche" weiterhelfen, die außer ihren medialen Lautsprechern niemanden hinter sich haben. Schönborn wird auch nicht durch irgendwelche Bußzahlungen zu Lasten Dritter (der schuldlosen Kirchenbeitragsbezieher oder der schuldlosen Nutznießer kirchlicher Sozialeinrichtungen) die Attacken beenden können. Solche Zahlungen werden im Gegenteil noch mehr als Schuldeingeständnis der gesamten Kirche gewertet werden.
Schönborn und den anderen Bischöfen wird nur die Wahrheit helfen. Nicht weniger, aber auch ganz sicher nicht mehr als diese.