Der Hilferuf

26. Mai 2014 01:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jetzt haben sie alle große Angst: In einigen EU-Ländern sind die Rechtspopulisten stärkste Kraft geworden. Zwar sind sie von einer gesamteuropäischen Mehrheit weit entfernt. Aber dass sie etwa in Frankreich, das sich ja gerne als Erfinder Europas gibt, mit hoher Mehrheit zur Nummer eins geworden sind, macht viele Europäer bange. Und sie können es nicht fassen, dass dort die Sozialisten (die ja in Paris regieren) nur noch blamable 15 Prozent haben.

Aber wieder reagieren Europas Regierende völlig falsch. Sie versuchen es mit noch verstärkter Denunziation der Rechtsparteien, mit neuem Moralisieren, statt die Wahl dieser Parteiungen endlich als Weckruf an Europa verstehen.

Keine Frage: Wenn Gruppierungen zu Gewalt gegen wen auch immer aufrufen, wie es die ungarische Jobbik oder die griechische Morgenröte tun, dann ist die Polizei, dann sind die Gerichte mit aller Konsequenz gefragt. Aber jenseits dieser Gewaltaufrufe ist der Wahlausgang ein Hilferuf der Europäer. Ob man den Populisten nun ein rechtes Pickerl umhängt oder ein linkes (wie etwa der italienischen Grillo-Gruppierung).

Die Wahl von Protestparteien ist noch viel stärker ein Hilferuf als die Nicht-Teilnahme an den EU-Wahlen. Die Nichtteilnahme ist zwar zahlenmäßig noch viel bedeutsamer, wird aber  traditionell nicht beachtet. Wenn man sich allen Ernstes europaoffiziell über eine 43-prozentige Wahlbeteiligung freut, dann zeigt das jedenfalls, dass man die Nichtteilnahme an der Wahl völlig ignoriert.

Aber auch die 43 Prozent werden ignoriert, wenn sie "falsch" wählen. Dabei rufen viele von Ihnen eigentlich um Hilfe. Aber niemand hört sie. Oder sie werden gar denunziert.

Sie rufen um Hilfe gegen eine ständig zunehmende Migration aus Afrika und Asien. Sie rufen um Hilfe angesichts einer wachsenden Arbeitslosigkeit. Um Hilfe angesichts einer Kommission und eines Parlaments, die ständig noch mehr regulieren wollen. Sie sind desorientiert angesichts einer Politik, die viel zu viel verspricht und eiskalt ständig ihre Versprechen bricht.

Die drei alten Lager verlieren zwar bei fast jeder Wahl. Aber sie bilden noch immer die Mehrheit im Parlament. Und entscheiden damit den nächsten Kommissionspräsident. Und vor allem über eine Fortsetzung der bisherigen Politik. Genau aber in dieser liegen fast sämtliche Wurzeln der Probleme, vor denen Europa heute steht.

Europa hat immer wieder Verträge gebrochen, sich über geltendes Recht hinweggesetzt. Aber gleichzeitig den einfachen Europäer mit immer mehr Regulierungen schikaniert.

Wohl der einzige Ausweg aus diesem Dilemma ist die Wiedererweckung des Begriffs „Eigenverantwortung“. Wenn Menschen, Firmen, Banken, Staaten nicht wieder selber verantwortlich werden für das, was sie tun, für ihren Erfolg oder Misserfolg, dann wird Europas Krankheit nur immer noch schlimmer werden.

Natürlich bietet ein Anti-EU keine Lösungsmöglichkeit: Die Welt wäre wahnsinnig einfach, wenn sie recht hätten. Wenn immer jemand anderer verantwortlich ist. Der Staat, die Union, das System. Nur kann das nie funktionieren. Ob Europa aber das Umdenken Richtung mehr Eigenverantwortung schafft, ist freilich sehr zweifelhaft. Denn fast keine der Parteien bietet da einen echten Ausweg. Ihre Wahl zeigt nur den Frust, die wachsende Unsicherheit, den Ärger der Menschen. Sie bietet aber noch kein Rezept.

Wenn sich die EU nicht wirklich wandelt – und dafür gibt es extrem wenig Zeichen – dann wird halt die nächste Stufe der Austritt Großbritanniens aus der EU sein. Die Gefahr ist groß, dass auch das von den Zentralisten nur mit einem Schulterzucken beantwortet wird.

Furcht vor einem Zerfall der EU? Ja Furcht. Denn ein Zerfall der EU wäre eine Katastrophe. Der Freihandel hat uns alle viel wohlhabender gemacht. Und der Binnenmarkt ist eine große Errungenschaft. Aber alles andere an der EU-Politik der letzten Jahre ist schädlich, ist Rhetorik. Die EU – in letzter Verzweiflung gerne als Friedenswerk tituliert – hatte der russischen Okkupation eines Teils der Ukraine absolut nichts entgegenzusetzen. Die EU ist weder militärisch noch politisch relevant. Aber unglaublich aktiv, ständig noch mehr zu regulieren. Seit die Umweltminister Europa zur Vorzugsschülerrolle bei den sogenannten Kyoto-Kriterien gezwungen haben, reguliert die Kommission Europa zu Tode. Und sie hat immer die wunderbare Ausrede: Weil man das ja für einen guten Zweck tun würde, für Kyoto.

Am schlimmsten sind die vertragswidrig eingeräumten Haftungen und Kredite, die Überflutung Europas mit gedruckten Geldscheinen durch die EZB. Und die Rettung von allem und jedem.

Natürlich haben reine Protestparteien da keine Lösung für all diese Probleme. Lediglich die „Alternative für Deutschland“ hat das in guten Ansätzen. Sie hat zwar am Wahltag einen Erfolg erzielt. Aber das Umdenken der Machthaber selbst ist noch weit.

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Wenn ein Putsch einen Sinn hat

24. Mai 2014 00:33 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In Lateinamerika haben es die Obristen gelernt. In Thailand noch nicht. Sonst hätten sie nicht schon wieder geputscht. Solche Staatsstreiche führen nämlich fast immer zum gleichen Ergebnis: Wohl ist für einige Wochen und Monate wieder halbwegs Ruhe und Ordnung hergestellt. Dann aber wächst der Frust rasch: Länder, Menschen funktionieren halt nicht nach der Methode der Kommandowirtschaft.

Offiziere glauben zwar oft, dass das Leben doch wunderbar wäre, wenn Menschen wie im Kasernenhof in Reih und Glied funktionieren würden. Ein Staat lässt sich aber so nicht regieren.

Jetzt wird in Thailand halt einmal alles eingesperrt, was an Politikern da ist. Und es wird viel von Korruption geredet. Nur: Auch Offiziere sind keine besseren Menschen. Sie sind also mit der gleichen Wahrscheinlichkeit korrupte Nehmer wie jene Menschen, die keine Uniform anhaben.

Irgendwann wird sich – wie noch nach jedem Putsch – der Frust der Thais gegen die Offiziere richten. Und zwar explosiv. Denn in einer Militärdiktatur kann sich dieser Frust eben nicht wie in Demokratien in Medien, in Demonstrationen und im Internet äußern. Sondern erst viel später, dafür umso gewaltiger.

Heißt das, dass Armee-Umstürze prinzipiell schlecht sind? Nein. Denn wenn monate- und jahrelang jede Ordnung zusammenbricht wie im heutigen Libyen, wenn Demokratie missbraucht wird, um weitere demokratische Wahlen zu verhindern, wie es Fundamentalisten (in Ägypten etwa), Kommunisten, Nationalsozialisten getan haben, dann ist ein Eingreifen der Armee sicher berechtigt.

Wenn aber Demonstranten wochenlang kampieren, wenn die „falsche“ Partei bei Wahlen siegt: Dann ist das hinzunehmen. Dann ist ein Eingreifen der Armee sicher nicht gerechtfertigt. Die thailändische Armee wird diesen Putsch daher nur dann halbwegs unbeschädigt überleben, wenn sie noch im Laufe dieses Jahres demokratische Wahlen durchführt. Aber aufs Erste lockt die Offiziere ja ganz offensichtlich die Macht, die zweifellos Lustgefühle befriedigt.

Aber langfristig scheitern Offiziere immer. An ihren Schulen lernt man nicht, wie die Wirtschaft funktioniert, wie die Schulen, wie die Infrastruktur, wie die Justiz, wie die Universitäten usw. Und man lernt schon gar nichts über das Funktionieren einer Gesellschaft (genauso wenig wie man es an den meisten Politologie/Soziologie/Publizistik-Instituten lernt. Aber das ist eine andere Geschichte). Oder über die Menschen.

In Thailand gab es fast immer korrupte Politiker, gab es fast immer korrupte Offiziere. Dagegen hilft nur eine saubere und unabhängige Justiz, die alle verurteilt, die für die eigene Tasche arbeiten. Diese lässt sich aber nur über Generationen auf einer funktionierenden Zivilgesellschaft aufbauen. Gegen Korruption hilft jedenfalls mit Sicherheit keine Ausgangssperre.

Thailands bisherige Opposition (die den jetzt putschenden Obristen sehr nahesteht) reiht auch die zu hohen Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse unter „Korruption“. Das jedoch ist falsche Wirtschaftspolitik, nicht Korruption. Bei uns sind ja praktisch alle Parteien solcher falscher Geld-Verteil-Politik schuldig. SPÖ und FPÖ zugunsten der Arbeitnehmer und Pensionisten. Rot und Grün zugunsten ihrer zahllosen Vereine und NGOs. Die ÖVP zugunsten der Bauern. Schwarz und Rot zugunsten der Bundesländer.

Gewiss, die unvermeidlichen Kosten für diese Klientelpolitik müssen alle zahlen, auch wenn sie nicht bei der von den Parteien begünstigten Gruppe sind. Sie müssen zahlen durch immer mehr Schulden, durch immer mehr Steuern, durch immer häufigere Abwanderung von Investitionen, durch immer mehr Arbeitslose. Das kann auch – wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird – bis zum totalen Crash führen.

Dennoch wäre es der völlig falsche Weg, wenn man jetzt darin eine Berechtigung für einen Putsch sehen sollte. Die Korrektur solcher unsinnigen Politik ist Aufgabe der Wähler, nicht der Offiziere. Nur wenn die Menschen einmal begreifen, dass Märkte und deren Logik wie die Schwerkraft immer funktionieren, ob man sie nun für gut oder schlecht findet, dann wird sich etwas zum Sinnvollen ändern.

Gegen Demonstranten sollte man gar nichts tun, solange sie auf den – großzügig! – erlaubten Orten unterwegs sind. Man sollte aber auch konsequent gegen sie durchgreifen, wenn sie sich nicht daran halten. Wie es etwa sehr vorbildlich die amerikanische und britische Polizei tut. Putsch-Legitimation besteht erst, wenn sich überhaupt niemand mehr um die Aufrechterhaltung funktionierender Strukturen kümmert.

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FN 639: Das oberste Gut sind die Tiere

22. Mai 2014 12:07 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jetzt hat in Kärnten ein Bauer einen Wolf erlegt, der sich nach dem Töten mehrerer Schafe direkt auf seinem Hof herumgetrieben hat.

Wui, werden da die Tier„schützer“ und Grünen aufheulen, sobald sie davon erfahren. Wie kann man nur einen Wolf erlegen! Die Schafe sind ihnen hingegen wurscht. Die Bauern sind ihnen noch viel mehr wurscht (sind ja nur Menschen). Und die Mütter, die sich der Bären wegen nicht mehr in manche Wälder trauen, erst recht. Aber (zur Sicherheit der Menschen einst ausgerottete und jetzt mit viel Steuergeld wieder angesiedelte) Wölfe und Bären sind für sie das oberste Gut. Zumindest für Tierschützer und Teile der Justiz. Daran ändert es auch nichts, dass sie die Natur meist nur aus den Schönbildern im Fernsehen kennen.

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Gegengewicht gegen einen mächtigen Staat

22. Mai 2014 01:28 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Dort und nur dort, wo es gesichertes Privateigentum auch an Produktionsmitteln gibt, kann der Bürger der Politik entgegentreten. Das haben immer wieder Philosophen ebenso wie Ökonomen erkannt. Wohl gerade deshalb gibt es ebenso hartnäckig den Griff des Staates nach dem Eigentum der Bürger.

Das ist ein ewiger Kampf, der nie ganz gewonnen, nie ganz verloren ist. So hat auch der Kommunismus, als die Sache der Menschen schon rettungslos verloren schien, sein abruptes Ende gefunden. Gerade in diesen demokratisch gewordenen Ländern Osteuropas ist heute diese Gier von Staat und Politik massiv zurückgedämmt. Massiver als im nie kommunistisch gewesenen Westen.

Umso wichtiger ist es, auch im Westen gegen diese Gier zu kämpfen. Ob diese sich nun in ständig steigenden Schulden oder in der laufenden Erhöhung von Staatsquoten (also dem Anteil von Abgaben und Steuern an den Einkommen) zeigt.

Umso wichtiger ist der Kampf auch für den Aktionär. Die eher Reicheren haben direkt Betriebe im Eigentum (Familienunternehmer werden sie gerne genannt); die anderen – grob als Mittelstand bezeichnet – beteiligen sich über Aktien an Unternehmen.

Sie haben aber kaum politisches Gewicht, denn alle Parteien glauben, mit ihnen keine Wahlen zu gewinnen. In christdemokratisch-konservativen Parteien geben daher häufig Bauern oder Beamte den Ton an. In sich als liberal bezeichnenden Parteien siegen wieder die Interessen anderer Gruppen – etwa bei der FDP jene der Hoteliers –, über die Notwendigkeiten der Ordnungspolitik. Und in linken Parteien ist es immer der Staat, der alles besser weiß, der alles zentralisiert regelt, der möglichst viel Eigentum an Industriekonzernen halten soll.

Dagegen ist die Stimme der privaten Eigentümer oft kaum zu hören – aber umso wichtiger. Diese Stimme lässt in Österreich fast alleine der Interessenverband für Anleger ertönen. Gewiss verfolgt auch er „Interessen“. Aber er ist ein Gegengewicht zu den starken anderen Gruppen. Auch dann wenn man etwa während der Familien- und Wohngründung kein Geld zum Anlegen hat.

Denn mit absoluter Sicherheit ist ein möglichst breit gestreutes privates Eigentum an den Produktionsmitteln das einzige Gegengewicht zu den lautstarken Stimmen der kampfeswilligen Gewerkschaft, zu den von Zwangsbeträgen lebenden Kammern und zu jenen Bürgern, die trotz dessen ständigem Scheitern immer noch auf den Staat setzen, und nicht durchschauen, dass sie damit immer auf Politiker setzen.

Nur wenn Staat, Gewerkschaften und Kammern nicht auf Unternehmen greifen können, wenn Staatsquoten möglichst gering sind, geht es den meisten Menschen gut. Das ist zahllose Male in der Geschichte bewiesen. Das ist aber erstaunlicherweise nur schwer zu erklären, weil so viele noch immer an den Staat glauben.

  Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Was braucht es noch rote und grüne Parteien, es gibt ja die Staatsanwaltschaft

20. Mai 2014 11:52 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In einer Diktion, die atemberaubend ist, hat die Staatsanwaltschaft nun gegen ihre erstinstanzliche Niederlage in Sachen des ehemaligen Tiroler FPÖ-Funktionär Penz berufen. Dieser beruft sich darauf, dass das Plakat „Heimatliebe statt Marokkanerdiebe“ nicht die Marokkaner insgesamt (was seit Gültigkeit des Verhetzungsparagraphen gerichtlich bestraft wird), sondern die Diebesszene in Tirol gemeint habe.

Das kann man so und so sehen. Es geht nicht darum, dass die Staatsanwaltschaft Berufung erhebt. Atemberaubend ist aber ihre Formulierung in dieser Berufung. Darin heißt es wörtlich, „dass dem Angeklagten bewusst war, dass er mit seinem Plakat Marokkaner gemeinhin als Diebe darstellt und damit in typischer FPÖ-Manier an die Urängste und die latente Xenophobie der Wählergruppen appelliert . . .“

"In typischer Manier". So formuliert es ein österreichischer Staatsanwalt gegen eine Partei. Statt Recht gibt es bei der Strafverfolgung offenbar nur noch Polemik.

Das liegt im Grund auf genau der gleichen fragwürdigen Ebene wie ein heutiger Gastkommentar im „Kurier“: Darin wird nicht nur voll die Seite der linken Gewalttäter ergriffen, sondern auch ein mehr als bezeichnendes Erstaunen formuliert. Die Gastkommentatorin empört sich nämlich über den Schutz der Polizei für eine ordnungsgemäß angemeldete und ohne jeden Rechtsbruch ablaufende Kundgebung der Identitären im rot-grünen Wien. Wörtlich fragt sie sich etwa, „ob das wirklich das rot-grüne Wien ist“. Die Autorin ist offenbar empört, dass andere als Rot-grüne überhaupt noch eine Kundgebung veranstalten dürfen. Wo Rot-grün regiert, wird also sogar das Demonstrationsrecht der anderen in Frage gestellt. Grundrechte hin, Grundrechte her.

Und Staatsanwälte stellen schon eine ganze Partei an den Pranger. In Formulierungen, wie wenn ihnen direkt ein rotes oder grünes Sekretariat diktiert hätte.

Der (laut Verfassung eigentlich zuständige) schwarze Justizminister lässt die Staatsanwälte prinzipiell tun, was sie wollen. Und der einstige blaue hat sogar knallrote Leiter an die Spitze der Oberstaatsanwaltschaft gehievt.

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Buchbesprechung: Warum andere auf Ihre Kosten immer reicher werden

19. Mai 2014 02:36 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Der Titel des vom Vorstand des deutschen Mises-Instituts, Andreas Marquart, und dem Ökonomen Philipp Bagus vorgelegten Buches müsste in Wahrheit lauten: „Einführung in die Geldtheorie der Österreichischen Schule der Nationalökonomie“. Ein derart spröde klingender Titel würde aber vermutlich einen Großteil der potentiellen Leser abschrecken. So werden es viele Menschen lesen, die erkannt haben, dass mit unserem Geldsystem offensichtlich etwas nicht stimmt und die Dressureliten in Politik und Medien daran interessiert sind, den Zusammenhang mit den dadurch ausgelösten, nicht allein auf die Wirtschaft beschränkten Fehlentwicklungen zu verschleiern.

Tatsächlich bildet das staatliche Geldmonopol in Verbindung mit einem papierenen „Fiat-money“ die Wurzel der meisten der durch den demokratischen Wohlfahrtsstaat geschaffenen Übel. Anhand von anschaulichen Beispielen und unter Hinweis auf eine Reihe namhafter Autoren wird diese Tatsache einer Leserschaft näher gebracht, die nicht einschlägig vorgebildet zu sein braucht.

Menschen, die das erkannt haben, werden auf den letzten Seiten des Buches aufgefordert, ihr Wissen um die verhängnisvollen Folgen eines staatlichen Geldmonopols nicht für sich zu behalten, sondern sich aktiv am „Krieg der Ideen“ zu beteiligen. Das ist kein unbilliges Verlangen, da die von fremder Leute Geld lebenden Verteidiger des Status quo doch de facto mit heruntergelassen Hosen dastehen…

Warum andere auf Ihre Kosten immer reicher werden
Andreas Marquart & Philipp Bagus
Finanzbuchverlag, 2014
192 Seiten, broschiert
ISBN: 978-3-89879-857-0
€ 16,99,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien. 

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Das Ende der Freiheit ist der Sieg der radikalen Gewalttäter

19. Mai 2014 00:55 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Rund um die EU-Wahlen wird europaweit auf zwei Schienen Stimmung gemacht: Einerseits werden die europäischen Institutionen von manchen so intensiv beweihräuchert, dass man an die Darstellung von Herrscherhäusern vor dem ersten Weltkrieg erinnert wird. Andererseits wird intensiv vor den Gefahren durch radikale Gruppierungen und deren wachsende Unterstützung gewarnt. Und Zweiteres wird nach den Wahlen intensiv weitergehen, während die Weihrauchfässer rasch wieder weggepackt werden.

Sind die Warnungen vor diesen Gruppierungen berechtigt? Ganz sicher ja. Man denke an die Folgen der Oktoberrevolution 1917, nach welcher der Kommunismus in Russland und später in vielen Ländern Osteuropas und Ostasiens Milliarden unter seine Herrschaft und in die Armut, Millionen ins Grab gebracht hat. Man denke an den Nationalsozialisten, die ab 1933 in Deutschland geherrscht haben, die Millionen industriell getötet und einen verheerenden Krieg über ganz Europa gebracht haben. Man denke an die zahllosen unterschiedlichen Formen autoritärer Herrschaft einer Partei, die gerne unter dem Namen Nationalfaschismus zusammengefasst werden. Sie waren zwar lang nicht so schlimm wie Kommunismus oder Nationalsozialismus. Sie haben aber ebenfalls Menschen aus politischen Motiven getötet, liberal-demokratische Regungen bekämpft und ihren Ländern durch nationalistischen Merkantilismus meist dauerhafte Stagnation gebracht.

Daher ist es zweifellos richtig, die Feinde der Demokratie und des Rechtsstaats genau zu beobachten. Und jeder Gefährdung entgegentreten. Es macht nur sehr stutzig, wenn manche „Intellektuelle“ nur von rechts solche Gefahren sehen. Die von links werden aber ignoriert. Und es macht noch mehr besorgt, wenn dieselben „Intellektuellen“ und Medien überhaupt nicht beachten, dass der radikale Islamismus in einem rapiden Vormarsch ist. Er stellt derzeit wohl die für Europa größte Gefahr dar, größer als die Wiederkehr eines der beiden Totalitarismen des 20. Jahrhunderts.

Der Vorstoß des Islams setzt jene Vorstöße fort, die bis ins 17./18. Jahrhundert gedauert und im Südosten Europas riesige Landstriche entleert haben. Das Zeitalter der Schwäche des osmanischen Reiches und des Chaos in der arabischen Welt ist beendet.

Das immer häufigere Auftreten mitteleuropäischer Islamisten als fundamentalistische Freiwillige in Kriegszonen ist eines von vielen beunruhigenden Alarmzeichen. Diese Kämpfer stammen insbesondere aus Österreich, das heute die zweitgrößte islamische Gemeinde in der EU beheimatet, nachdem es dort lange noch nahezu Null Moslems gegeben hat. Die Moslems kamen aus der Türkei, Bosnien und der arabischen Welt. Als Gastarbeiter, als Asylwerber und (in größter Zahl) als Familienangehörige. Sie sind zwar allermeist friedliche und integrationswillige Menschen, aber eine rasch wachsende Minderheit neigt zur Radikalität. Und die Friedlichen treten ihnen nirgendwo entgegen. Man weiß zwar zum Teil, welche Moscheen, welche Religionslehrer fundamentalistisch aktiv sind – aber weder Glaubensgemeinschaft noch Behörden tun etwas, obwohl die Radikalisierung von Kriegsteilnehmern extrem gefährlich ist.

Ein Gutteil der veröffentlichten Meinung blickt nur auf die rechtsradikale und ignoriert weitgehend die linksradikale und die islamisch-fundamentalistische Szene. Eine Bedrohung für Demokratie und Rechtsstaat, also jene Prinzipien, die Europa so stark gemacht haben, geht aber von allen diesen radikalen Bewegungen aus.

Von einem Gutteil der roten und grünen Szene wird aus taktischen Motiven gegen rechts agitiert. Insbesondere in deutschsprachigen Gebieten tarnen sich linksradikale Gewalttäter sehr geschickt als „Antifaschisten“ und Gutmenschen. Gleichzeitig wird auch von durchaus demokratisch gesinnten Sozialdemokraten der „Kampf gegen Rechts“ instrumentalisiert. Sie fürchten die Gefahr durch rechte Bewegungen, die große Wahlerfolge in der Unterschicht erzielen, und sieht daher diese Argumente als legitim an. Da wird mit anderen Worten der legitime Kampf um Stimmen mit dem Kampf um rechtsstaatliche Grundrechte vermischt.

Zugleich wird auch total Verschiedenes bunt durcheinander geworfen, etwa die österreichischen Freiheitlichen mit der ungarischen Jobbik. Von den Freiheitlichen geht jedoch keinerlei Bedrohung der Demokratie aus, während das bei Jobbik sehr wohl der Fall ist, weil sie in vielerlei Hinsicht militant auftritt und Roma physisch bedroht. Die FPÖ hingegen hat sowohl mit Rot wie mit Schwarz Regierungen gebildet, ohne dass Demokratie oder Rechtsstaat irgendwie gefährdet gewesen wären (obwohl in der Partnerschaft der FPÖ mit den Sozialdemokraten noch viele ehemalige Nationalsozialisten auf beiden Seiten Staatsfunktionen hatten). Die FPÖ hat vor allem aus einem Grund solche Erfolge erzielt: Sie erscheint vielen als die einzige Alternative zur sonst offenbar ewigen Herrschaft der verbundenen rot-schwarzen Politik. Die beiden einst großen Parteien haben in Österreich heute zwar nur noch 50 Prozent der Stimmen und eine recht knappe parlamentarische Mehrheit. Sie beherrschen aber vom Verfassungsgerichtshof bis zum staatlichen Rundfunk praktisch das ganze Land.

Es muss immer um objektive Maßstäbe gehen. Es darf nie darum gehen, eine Partei, ein Land gegen das andere auszuspielen. Es darf auch nicht um taktische Vorteile, um links oder rechts gehen. Staaten haben sich auch in keiner Weise in Religion einzumischen.

Wichtig ist eine ganz andere Grenze, die für einen liberalen Rechtsstaat lebenswichtig ist. Es geht um die strenge Trennung zwischen Meinungen und Taten. Diese Trennung wird aber leider in vielen Ländern zunehmend missachtet. Es geht um die Freiheit von Meinungen, aber um die kompromisslose Verfolgung von Taten. Das ist die einzige funktionierende Strategie gegen jede Form von Radikalität.

Wer Gewalttaten setzt, muss sofort und kompromisslos die Härte des Gesetzes spüren. Zu den Gewalttaten gehört auch die Motivation anderer, Gewalt anzuwenden. Dazu gehören militärähnliche Aufmärsche, Uniformen, Drohungen. Dazu gehört die Aufforderung, daheim oder in einem anderen Land gegen Ungläubige, Rechte, Linke aktiv zu werden. Dazu gehören Demonstrationen, die zur Einschüchterung oder Erpressung dienen. Dazu gehören auch die Aktionen von Fußballfans, wenn sie harmlose Passanten einschüchtern. Egal ob sie politisch unterwandert sind oder nicht.

Bei vielen dieser Aktivitäten schauen in Europa Polizei und Justiz aber leider gerne weg. Vielleicht auch nur als Taktik: Man will sich ab einer bestimmten Menschenmenge nicht mit dieser anlegen. Sobald aber Fußballfans, Demonstranten oder Marschierende merken, dass die Polizei Rechtswidrigkeiten ignoriert, werden sie nur noch aggressiver.

Der Zweck des Demonstrationsrechts war, seine Meinung einer möglichst breiten Masse kundzutun, auch wenn man keine Zeitung besitzt. Genau das kann heute auf viel direkterem Weg erreicht werden. Facebook, Blogs, Internet-Seiten, Massenmails, SMS, Twitter usw: Es war noch nie so leicht, seine Meinung auf all diesen Kanälen zu verbreiten. Wenn sich da jene Menge zusammentut, die sonst eine Demonstration veranstaltet, kann sie viel leichter und schneller als bei einer Kundgebung ihre Meinung vielen kundtun. Oder einen „Shitstorm“ veranstalten, wie man es mit einem modischen Wort bezeichnet. Und sie kann genauso anonym bleiben wie bei Demonstrationen.

Umgekehrt sollten aber gerade auf Grund dieser vielfältigen elektronischen Möglichkeiten heute jene Länder dem Demonstrationsrecht etwas engere Grenzen setzen, die bisher unter diesem Titel praktisch alles und jedes zugelassen haben. Es geht vor allem um Kundgebungen, die nicht nur eine Meinung kundtun, sondern jemanden einschüchtern wollen. Diese Intention geht weit über Ziel und Zweck der Demonstrationsfreiheit hinaus, die unsere Vorväter einst erkämpft haben.

In die gegenteilige Richtung sollte es bei den Inhalten von Äußerungen gehen, die keinerlei Drohungen beinhalten. Es ist doch einfach absurd, wenn man in einem Land den Völkermord an den Armeniern als solchen bekennen muss, im anderen nicht einmal darf. Oder wenn jetzt Russland jede kritische Äußerung über die Taten der Roten Armee im „Großen Vaterländischen Krieg“ unter Strafe stellt. Oder wenn man in moslemischen Ländern alles Mögliche über Mohammed und Allah sagen muss beziehungsweise nicht sagen darf.

Meinungsfreiheit, für welche die Europäer seit dem Beginn der Aufklärung bekämpft haben, heißt ja nicht nur, dass man alles sagen darf, was die Obrigkeit will. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit bedeutet vor allem, dass man alles sagen darf, auch wenn andere mit gutem Grund das für blühenden Unsinn, für total falsch und unsinnig  halten.

So ist es beispielsweise blühender Unsinn, wenn manche meinen, je mehr Schulden man mache, umso besser. Aber es wäre eine Katastrophe, das nicht sagen zu dürfen. Dummheiten muss man mit Argumenten, nicht Verboten entgegentreten. Sonst wären alle geistigen Fortschritte der letzten Jahrhunderte dahin. Dann ordnet wieder eine Obrigkeit an, was man zu sagen hat und was nicht. So wie einst in totalitären Systemen. So wie vor 1848.

Meine Sorge ist, dass es dorthin geht. Eine ganz üble Etappe auf dem Weg in die Unfreiheit war etwa die (ohne Kommission und Rat noch folgenlose) Mehrheit im EU-Parlament für den sogenannten Lunacek-Bericht, der gleich für eine ganze Reihe „falscher“ Meinungen strafrechtliche Konsequenzen verlangt hat.

Wenn es uns nicht gelingt, uns wieder auf die Spielregeln der Freiheit zu verständigen, dann siegen die (Rechts/Links/Glaubens-)Radikalen. Dann werden sie wieder diktieren, wie wir zu reden haben. Dann werden sich diese Radikalen einfach mit dem Faustrecht ausmachen, wie wir zu denken haben. Dann kann man nur noch ins private Denken flüchten. Vieles deutet darauf hin, dass die – oft aus durchaus guten Absichten – vorangetriebene Politische Korrektheit genau diese Freiheit tötet. Dass aber auch die in vielen Bereichen weit übers Ziel schießende EU-Propaganda dazu beiträgt.

(Dieser Beitrag erschien auch in ungarischer Sprache in der ungarischen Online-Tageszeitung VS.hu)

 

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Gerechtigkeit, Verteilungsgleichheit und Umverteilung

15. Mai 2014 04:38 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

An der Frage der Gerechtigkeit arbeiten sich seit Jahrtausenden die gescheitesten Köpfe ab. Was bedeutet „gerecht“? Jedem das gleiche? Jedem nach seinen Bedürfnissen? Jedem nach seiner Leistung? Je nach politisch-weltanschaulicher Orientierung werden die Antworten auf diese Frage höchst unterschiedlich ausfallen. Für die über die Deutungshoheit verfügenden Meinungsführer – zu großen Teilen von Steuergeldern lebende Angehörige des intellektuellen Lumpenproletariats – steht jedoch fest: Gerechtigkeit manifestiert sich in (materieller) Gleichheit.

Moderne europäische Wohlfahrtsstaaten sehen entsprechend aus: In Österreich etwa stammen 36 Prozent der verfügbaren Haushaltseinkommen vom Staat. In keinem industrialisierten Land der Welt wird stärker hoheitlich in die Einkommensverteilung eingegriffen als hierzulande. Die gnadenlose Enteignung leistungsbereiter, wirtschaftlich erfolgreicher und entsprechend wohlhabender Bürger zwecks hemmungsloser Umverteilung an unproduktive Bürokraten, Minderleister sowie in- und ausländische Asoziale bestimmt das Bild. Trotzdem (oder gerade deshalb!) nimmt die von Agenten der aufgeblähten Sozialindustrie (die Caritas ist zu einem der größten Arbeitgeber im Lande avanciert) diagnostizierte Armut im Lande nicht ab, sondern zu.

Wenn aber das angepeilte Ziel der materiellen Gleichheit auf derart eklatante Weise verfehlt wird, läuft offensichtlich etwas gehörig schief. Kann der erstrebte Zustand der egalitären Wüste etwa nur erreicht werden, indem alle individuellen Einkommen vom Staat enteignet und – ungeachtet der persönlichen Tätigkeit und Leistung – via Sozialbürokratie zu exakt gleichen Teilen (verringert um die horrenden Kosten der Verwaltung) an alle ausgeschüttet werden? Oder liegt der Grund für die zunehmende Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen am Ende am System des Wohlfahrtsstaates selbst?

Unter dem Titel „Umverteilung – verlässlicher Fluchthelfer aus der Armut oder sündteures Placebo?“ wurde dieser Frage in einer von der liberalen Wiener Denkfabrik „Agenda Austria“ organisierten, hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion nachgegangen. Unter der Moderation des Hausherrn Franz Schellhorn debattierten Peter Kampits, Professor für Philosophie der Universität Wien, Martin Rhonheimer, Ethikprofessor an der Päpstlichen Universität vom Heiligen Kreuz in Rom, und Alexander van der Bellen, Professor für Volkswirtschaftslehre und Politiker (der Grünen).

In seinem Eingangsreferat betonte Rhonheimer die Solidaritätsverpflichtung der Menschen gegenüber denen, die sich selbst nicht helfen können. Der Wohlfahrtsstaat zerstöre jedes Solidaritätsgefühl, indem er die Bürger dazu anleite, ihre menschlichen Verpflichtungen an den Staat zu delegieren.

Doch nicht nur seiner „demoralisierenden“ Wirkung wegen sei der umverteilende Wohlfahrtsstaat abzulehnen, sondern auch wegen der von ihm ausgehenden falschen Anreize, der Verletzung privater Eigentumsrechte und des offensichtlichen Widerspruchs zur Idee der Subsidiarität. Die von ihm initiierte „Enthumanisierung“ der Gesellschaft führe zur Zerstörung der Familien und langfristig zur kollektiven Verarmung.

Es brauche daher einen „Paradigmenwechsel“. Jedermann müsse sich darüber klar werden, dass der Staat es nicht besser könne. Denn Monopole seien grundsätzlich schädlich – für alle, außer für seine Inhaber. Das verhalte sich beim Staat nicht anders. Solidarität sei ein „Akt der individuellen Entscheidung und nicht erzwingbar“.

Freiwillige Nächstenhilfe sei erheblich effizienter bei der Armutsbekämpfung als staatliche Wohlfahrtsprogramme, da sie mit höherer Treffsicherheit bei den richtigen Adressaten ankäme. Durch gesetzliche Ansprüche auf Zuwendungen werde ein Anspruchsdenken geschaffen, das unmoralisch und unsozial sei. Arme seien von den Folgen der Wohlfahrtspolitik – und der von ihr ausgehenden Behinderung und Bestrafung wirtschaftlichen Handelns – stärker betroffen als Reiche. Ob Superreiche über drei oder vier Privatjets verfügten, sei nämlich gleichgültig. Wenn Arme aber keine Arbeit mehr finden könnten, wäre das schlimm.

Der Philosoph Kampits ortete eine „Schräglage der Gesellschaft“, in der die Schere zwischen Armen und Reichen immer weiter aufginge und „den Mittelstand zerschneide“. Unter „gerecht“ verstehe er ein „Denken des rechten Maßes“. Von weiteren Umverteilungsmaßnahmen (Stichwort „Reichensteuer“) halte er wenig, weil damit am Ende wieder nur der Mittelstand getroffen würde. Es gelte vielmehr einen „goldenen Mittelweg“ zu finden, zwischen den Vorstellungen des Neoliberalismus (wie er etwa von Robert Nozick, einem Verfechter des Minimalstaatsgedankens, verkörpert werde – siehe diese Buchempfehlung) und des Kommunismus. Er denke dabei an die vom amerikanischen Philosophen John Rawls entworfene Vorstellung von „Gerechtigkeit als Fairness“ (Buchempfehlung 2).

Van der Bellen äußerte sich zustimmend zur Philosophie von Rawls und betonte, dass es diesem nicht um die Schaffung von Gleichheit zu tun war, sondern vorrangig um die Verbesserung der Lebensumstände der Ärmsten. Jedermann beurteile die Frage der Gerechtigkeit stets aus seinem spezifischen Blickwinkel. Hinter einem „Schleier des Nichtwissens“ um die mögliche eigene Position in dieser Gesellschaft (als Sohn eines reichen Industriemagnaten oder die eines armen Hilfsarbeiters?) sei eine „gerechte“ Gesellschaft leichter vorstellbar.

Er hege grundsätzliche Sympathie für das „theoretisch anarchistische System des reinen Kapitalismus“. Leider unterscheide sich die Realität des Kapitalismus aber grundlegend von seinem Idealbild. Unter Verweis auf Thomas Pikettys aktuelle Untersuchungen zur Entwicklung der Einkommensverteilung konstatierte er eine ungeheure Konzentrationstendenz, die erst in den letzten Jahrzehnten so richtig in Fahrt gekommen sei. Wir bewegten uns auf eine Einkommens- und Vermögensungleichheit zu, wie sie für das viktorianische Zeitalter typisch gewesen sei.

Van der Bellen plädierte daher für eine gleichgewichtige Einbeziehung aller Einkommensarten in die Steuerbemessung. Das wirke sich besonders auf „nicht durch Leistung verdiente Einkommen – wie Erbschaften“ aus. Kein aufrechter Kapitalist könne etwas gegen Erbschaftssteuern haben, denn steuerfreie Erbschaften bildeten die Antithese zur Leistungsgesellschaft. Das Argument, beim vererbten Vermögen handle es sich um bereits einmal versteuerte Werte, sei „das Dümmste, was ich je gehört habe“, da der Erbe ja dafür derzeit eben keinen einzigen Cent Steuern abführe. Erbschaften führten mehr als alles andere zu ungeheuren Vermögensungleichheiten, was verheerende soziale Folgen haben könne.

Er richte sein Augenmerk dennoch weniger auf Geldwerte als auf Bildungschancen, die ebenfalls ungleich verteilt seien. In unserer hoch entwickelten Gesellschaft sei es aber unabdingbar, alle jungen Menschen möglichst hoch zu qualifizieren, da sie ansonsten in unserer komplexen Arbeitswelt nicht zu gebrauchen wären.

In seiner Erwiderung stellte Rhonheimer fest, dass jeder Gerechtigkeitstheoretiker den umverteilenden Wohlfahrtsstaat allein auf Grund dessen negativer Ergebnisse ablehnen müsse. Die USA zeigten es deutlich: Vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis Ende der 60er Jahre habe die Zahl der Armen dort laufend abgenommen. Dann allerdings kam diese positive Entwicklung zu einem Ende. Die Ursache dafür sei die von Präsident Johnson ab 1964 proklamierte Politik der „Great Society“ gewesen – eines radikalen, mit F. D. Roosevelts „New Deal“ vergleichbaren Wohlfahrtsstaatsprogramms.

Die Setzung falscher Anreize führe stets zu einer Verringerung der Leistungsfähigkeit einer Ökonomie. Von den Gewerkschaften erzwungene Mindestlöhne etwa würden Geringqualifizierte zu dauernder Arbeitslosigkeit verdammen.

Van der Bellen replizierte, dass er nicht an eine „freiwillige Umverteilung“ glaube. Die habe in kleinräumigen, mittelalterlichen Gesellschaften funktioniert, wo jeder jeden kannte, wäre aber für eine moderne Massengesellschaft unpraktikabel. Schweden sei ein gutes Beispiel für einen bestens funktionierenden Wohlfahrtsstaat. Rhonheimer konterte mit dem Hinweis, dass in Schweden die Vermögenssteuern kürzlich abgeschafft worden seien, weil man erkannt habe, dass das Geld besser bei den Privaten als beim Staat aufgehoben sei. Private investierten, während der Staat nur konsumiere. In Schweden gebe es mittlerweile deutliche Vermögensunterschiede und das sei nicht nur nicht schlecht, sondern sogar sehr gut!

Zur These „zurück ins viktorianische Zeitalter“ merkte er an, dass der Unterschied zwischen einem Arbeiter und Warren Buffet heute lediglich darin bestehe, dass der eine über einen Privatjet verfüge und der andere nicht. Beide verfügten allerdings über geheizte Wohnungen mit fließendem Wasser und könnten sich, gut genährt und gekleidet, Urlaube leisten. Die Unterschiede zwischen Armen und Reichen würden zum Großteil in „Papierwerten“ bestehen und seien in Wahrheit unerheblich. Jedenfalls wären sie vernachlässigbar im Vergleich zur Zeit Königin Viktorias.

Aus dem Publikum wurde angemerkt, dass eine „sozial durchlässige“ Gesellschaft ein erheblich höheres Maß an Ungleichheit aushalten könne. Die Vorstellung „vom Tellerwäscher zum Millionär“ werden zu können, mache materielle Unterschiede leichter erträglich. Eben diese „Durchlässigkeit“ sei heute aber nicht mehr gegeben, meinte Van der Bellen. Mit Bezug auf die Zeit Viktorias habe er nicht den von Arbeitern erreichten Wohlstand gemeint, sondern eine „Chiffre für eine neue Feudalgesellschaft“.

Rhonheimer beklagte die „Gleichsetzung von Gerechtigkeit mit Verteilungsgerechtigkeit. Keiner redet über Regelgerechtigkeit!“ Der Feststellung aus dem Publikum, dass ein Rechtsanspruch auf Sozialleistungen dem Menschen mehr Würde verleihe als das Betteln um Almosen, trat er entschieden entgegen. Es handle sich hierbei um ein „Verkehrung der Denkart“.

Ein Rechtsanspruch, auf Kosten anderer zu leben, sei per se unmoralisch. Er führe zudem in permanente Abhängigkeit von der Wohlfahrtsbürokratie. Die Caritas-Organisation lebe zum Großteil von staatlichen Zuwendungen und agiere dementsprechend auch bereits wie eine staatliche Institution. Dass er mit seinem Standpunkt innerhalb der Kirche eine Minderheitenposition einnehme, sei ihm klar.

Einigkeit zwischen den Diskutanten bestand lediglich in der Frage zu hoher Steuerlasten auf Einkommen und die große Bedeutung gleicher Bildungschancen. Auf die Frage, was denn nun Gerechtigkeit sei, wurde in diesem Kreis allerdings keine Antwort gefunden.

Fazit: Der grüne Vorzeigepolitiker Van der Bellen erfüllte die in ihn gesetzten Erwartungen zu 100 Prozent. Seiner ungeschminkten Geringschätzung privater Eigentumsrechte steht – wie bei allen linken Systemlingen – uneingeschränkte Staatsgläubigkeit gegenüber. Der Philosoph Kampits vermied – anders als man das etwa von seinen Kollegen Burger oder Sloterdijk kennt – jeden inhaltlich gehaltvollen oder gar kontroversiellen Kommentar.

Die Überraschung des Abends bildete zweifellos Opus-Dei-Mann Rhonheimer mit seinen Aussagen. Die hätten genauso gut auch von „radikalliberalen“ Ökonomen wie Polleit, Hülsmann oder Bagus stammen können. Ein Jammer, dass man Männer seines Zuschnitts in keiner der erschreckend linkslastigen Kirchen Österreichs findet…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Die wichtigsten Sponsoren des Life-Balls

14. Mai 2014 11:50 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Angesichts der hermaphroditischen Plakate, mit denen für den Life-Ball geworben wird, auf Wunsch vieler Leser die Hauptsponsoren des schwulen Lust-Events.

Freilich kenne ich schon genug Schimmelmails der jeweiligen PR-Abteilungen (in denen es von inhaltlosen Füllwörtern wie „Toleranz“ nur so wimmelt), sodass nur ein Kaufboykott plus Begründung Wirkung auslöst. Mails alleine sind hingegen relativ wirkungslos.

Kronenzeitung,
Swarovski,
Billa,
Wolford,
T-Mobile,
Illy,
Audi,
Campari,
Hotel Imperial,
OMV,
Austrian,
WKO,
Gemeinde Wien,
ORF.

Wobei die letzten drei besonders ärgerlich sind, da sie durch Pflicht-Abgaben finanziert werden.

Andererseits sind mir zwei Organisationen bekannt, die nach früherer Unterstützung dies auf Verlangen ihrer Kunden nicht mehr tun. Noch bevor jenes Plakat für das „Lust“-Event geworben hat . . 

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Bitte um mehr Gelassenheit

09. Mai 2014 00:31 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die tägliche Aufregung der Medien und Twitterer jagt ständig ein anderes Schwein durchs Dorf. Diese Aufregung ist aber immer schwerer zu ertragen. sie lässt immer öfter nur noch nach einem rufen: nach mehr Gelassenheit. Nach Wahrung der Relationen. Das heißt zwar oft nicht, dass das kritisierte Verhalten in Ordnung wäre. Aber eine orientierungslose Welt schießt immer öfter mit Kanonen auf Spatzen und ignoriert gleichzeitig die wirklich wichtigen Dinge. Dabei sind diese manchmal extrem positiv.

Der Beispiele für übertriebene Reaktionen gibt es täglich genug.

  1. Salzburgs Ex-Wohnbaulandesrat (SPÖ) landet vor dem Strafgericht(!), weil er im Gegenzug für Wohnbauförderungen unentgeltliche Plakate für sich verlangt hat. Gehört sich nicht. Keine Frage. Aber gegen das, was sich seit Jahrzehnten in Wien abspielt, was die Herren Faymann und Ostermayer bei ÖBB und Asfinag durchgesetzt haben, können mich die Gratisplakate des Herrn Blachfellner nicht wirklich aufregen. Der Wiener fragt Salzburg ganz offen und auf Grund beklemmender Erfahrungen erstaunt: Sonst hat Blachfellner wirklich nichts von den Baufirmen verlangt?
    Solange da nicht in Wien endlich aufgeräumt wird, solange nicht die Causa Faymann/Ostermayer endlich vor einen Richter führt, wirkt die Salzburger Sauberkeit wie von einem anderen Planeten. In Wien hingegen halten ja auch die Gegner der Sozialisten gerne die Hand auf und schweigen, sobald diese gefüllt wird. Siehe etwa Konzerthaus-Hochhausturm.
  2. Ungehörig ist sicher auch, dass der WKO-Vizepräsident Einpersonen-Unternehmen als „Tagelöhner“ bezeichnet. Aber es ist absurd, dass er deswegen gleich mit Atombomben attackiert wird. Nicht nur von WKO-Präsident Leitl, sondern auch von seiner eigenen Partei, der FPÖ. Und dass er deswegen binnen Stunden sein Amt verliert. Auch der Autor ist übrigens ein Einpersonen-Unternehmer. Über die nicht ganz geglückte Wortwahl des Ex-Vizepräsidenten erregt er sich aber keine Sekunde. Ihn ärgern jedenfalls tausendmal mehr die Bedingungen, unter denen viele Junge gegen ihren Willen zu Einpersonen-Unternehmen werden, weil sich kaum noch ein Arbeitgeber die teure Anstellung leisten kann. Ihn ärgert die doppelte Sozialversicherungslast auf den Schultern der Älteren. Ihn ärgert die gigantische Steuerbelastung.
    Jene Bezeichnung ist vor Wahlen vielleicht nicht schlau, sie legt aber den Finger präzise in einen wunden Punkt, über den viel mehr diskutiert werden müsste.
  3. Mehr als übertrieben ist auch die nationale Aufregung, ob man nun 60 oder 63 Prozent einer Englisch-Aufgabe erledigen muss, um bei einer Zentralmatura noch positiv abzuschneiden. Gewiss war da die Information der Obrigkeit schlecht. Aber ich entsetze mich viel mehr darüber, wie schlecht das Englisch vieler Maturanten ist. Egal ob sie 60 oder 63 Prozent erreichen (wie man das genau messen will, ist mir ohnedies total schleierhaft). Über die schlechten Fremdsprachenkenntnisse der Maturanten wird aber leider weder von Politikern noch Lehrern gesprochen. Weil bei beiden das Englisch meist sehr schwach ist. Dabei wird Englisch bei immer mehr Berufen die Arbeitssprache für den Rest des Lebens der Maturanten sein. Sie werden in Konkurrenz zur restlichen Welt stehen.
  4. Besonders absurd ist es, dass die Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige gegen den FPÖ-Chef wegen einer angeblichen Urheberrechtsverletzung auch nur eine Sekunde lang bearbeitet. Statt dass der Streit sofort auf den Zivilweg verwiesen wird. (Da sind übrigens die Medien einmal in Schutz zu nehmen; sie fanden offenbar das Vorgehen der Staatsanwälte trotz ihrer FPÖ-Aversion selbst für nicht mehr nachvollziehbar und spielten die Sache wohl deshalb eher klein).
  5. Ebenso absurd ist die Aufregung eines Elternpaares und einiger ORF-Redakteure, weil im Musikunterricht an einer niederösterreichischen Volksschule auch religiöse Lieder gesungen werden. Unsere Sorgen möchte ich haben.
  6. In die gleiche Kategorie gehört die mediale Aufregung um die Größe der Wohnung des Dompfarrers. Manche seiner Äußerungen und Auftritte sind zweifellos dumm, aber dass er direkt neben dem Dom wohnt und dass er dort 100 Quadratmeter hat, sollte selbst dem tiefsten Boulevard keine Zeile wert sein.
  7. Noch absurder ist die landauf, landab berichtete Aufregung extrem linker Volkswirte, dass hierzulande Neomarxismus zu wenig gelehrt werde. Und dass die Erben des Ewald Nowotny die Wirtschaftsuniversität beherrschen. Dabei sind die einzigen, die an Wiens Unis nicht zu Wort kommen, die in vielen anderen Ländern Furore machenden liberalen Anhänger der Österreichischen Schule der Nationalökonomie. Die nur noch wegen lauter Verstorbener so heißt (Mises, Hayek, Schumpeter usw.).

Leider keinerlei Reaktion auf das wirklich Wichtige

Während jedes dieser Dinge in den letzten Stunden und Tagen viel zu viel nervenden medialen (und zum Teil auch strafrechtlichen) Lärm verursachte, gingen die weit wichtigeren Dinge total unter, die gleichzeitig bekannt wurden. Sie fachten keinerlei medialen oder „Shitstorm“ an. Oder wie sonst die Aufregungen zum Tage heißen mögen.

Wir regen uns wegen der lächerlichsten Dinge auf. Und vergessen die wirklich wichtigen Entwicklungen. Die oft auch sehr positiv sind.

 

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Plachutta, die Demonstrationen und die Meinungsfreiheit

08. Mai 2014 00:26 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Gleich zweimal hat die Gewerkschaft Demonstrationen vor dem Restaurant Plachutta veranstaltet. Das gibt Anlass zu etlichem Nachdenken.

Mario Plachutta ist ein Gastronom mit einer wachsenden Reihe von Betriebsstätten, der wohl wie fast alle Wirte regelmäßig von Mitarbeitern bestohlen wird. Die fristlose Entlassung eines Slowaken wegen eines halben Kilos Staubzucker ist wohl darauf zurückzuführen, dass Plachutta einmal einen erwischt hat, während Hundert andere unentdeckt bleiben. Aber gewiss auch auf Plachuttas eher cholerisches Temperament.

Wie auch immer: Der Kellner hat die Entlassung angefochten und vor dem Arbeitsgericht gewonnen. Was in einem Rechtsstaat zu akzeptieren ist (unabhängig von der Tatsache, dass vor den Arbeitsgerichten ohnedies fast immer die Arbeitnehmer gewinnen). Dazu sind jedenfalls Gerichte da, um solche Streitigkeiten zu klären.

Worin liegt eigentlich das Motiv der Gewerkschaftsfunktionäre, nach dem Sieg vor Gericht noch Demonstrationen zu veranstalten? Wollen sie zeigen, dass Arbeiterkammer&Co doch zu irgendetwas gut seien (der Kellner hätte übrigens auch ohne sie zu Gericht gehen können)? Geht es um Propaganda für die außerhalb der organisierten Betriebe weitgehend ignorierten AK-Wahl? War es der Boulevard, dem man gute Fotos liefern wollte? Waren es patzige Bemerkungen Plachuttas? War es dessen einstige Verschwägerung mit dem freiheitlichen Parteiobmann?

Im Grunde ist es egal. Es ist in jedem Fall äußerst bedenklich, wenn Gewerkschafter oder Pelzgegner oder politische Gegner direkt vor einem Geschäft demonstrieren und dessen Besuch de facto schwer behindern. Wenn wie etwa im Februar 2000 Wohnungen von Ministern tagelang blockiert werden.

Mit solchen Aktionen wird aus dem Demonstrationsrecht das vermeintliche Recht auf Bedrohung und Geschäfts-Schädigung.

Dieser Zusammenhang wird aber von unserem Verfassungsgericht – im Gegensatz zu anderen westlichen Ländern! – viel zu einseitig gehandhabt. Denn das unbedingt zu verteidigende Recht, immer seine Meinung sagen zu können (und sei es in Form der organisierten „Shitstorms“), sollte nicht einmal im Ansatz Bedrohungen, Blockaden und Erpressungen einschließen dürfen. Die aber zunehmend von linken Grüppchen praktiziert werden.

Wenn die unerlaubte Weitergabe von Mailadressen schlimmer ist als physische Blockaden, wenn die Weitergabe von Lehrer-Mailadressen sämtliche Schultestungen lahmlegen kann, dann ist das nur noch absurd. Wenn jemand mein Geschäft blockiert, ist das tausendmal bedrohlicher als die Weitergabe meiner Mailadresse.

Ganz ähnlich problematisch ist auch das, was vor allem die Grünen immer öfter tun: Sie blockieren stundenlang ganze Straßenzüge und selbst den Ring, nur weil ein paar Dutzend von Ihnen auf der Fahrbahn organisiert radfahren oder spazierengehen oder sitzen wollen. Sie stehen unter dem Schutz des Verfassungsgerichts, selbst wenn die Zahl der dort „Demonstrierenden“ minimal ist. Selbst wenn der CO2-Verbrauch aller gewaltig ist, die als Folge im Stau stecken.

So sehr für die Meinungsfreiheit zu kämpfen ist, so wenig Verständnis gibt es, wenn das Demonstrationsrecht immer stärker als Mittel verwendet wird, um andere einzuschüchtern, um sie zu schädigen oder um der Mehrheit seinen Willen aufzuzwingen: Dann bedroht sich das Demonstrationsrecht zunehmend selbst. Oder sollen jetzt auch die Gegner der Radfahrer an Ring oder die Kritiker von stehlenden Mitarbeitern Demonstrationen veranstalten? Soll man sich am Ende so wie in der Ukraine gegenseitig prügeln?

Wir haben Gerichte, wir können über zahllose Kanäle unsere Meinung sagen, wir haben demokratische Mehrheitsentscheidungen. Wir haben aber nicht das Faustrecht. Noch nicht.

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Hauptsache gegen Amerika

01. Mai 2014 01:54 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Sie droht im laufenden EU-Wahlkampf versenkt zu werden. Für Unternehmen wie auch Arbeitnehmer in Europa und Amerika wäre sie jedoch enorm wichtig und positiv: die transatlantische Freihandelszone. Auch wenn die genauen Schätzung ihrer Folgen immer schwierig bleibt, so ist doch völlig klar: Wenn es wirklich gelänge, einen 800 Millionen Menschen umfassenden gemeinsamen Markt zu schaffen, der die Hälfte(!) des gesamten Welthandels umfasst, so würde das viele Unternehmer zur Ansiedlung motivieren. So würden zahlreiche Arbeitsplätze entstehen.

Das gelingt aber nur dann, wenn diese transatlantische Zone aus mehr bestünde als aus der bloßen Abschaffung von Zöllen. Diese sind schon längst nicht mehr das zentrale Problem. Viel wirksamer und raffinierter sind die nicht tarifären Hindernisse und Investitionsbremsen.

Jedoch wird jetzt im Wahlkampf europaweit von Grün und Blau mit ähnlichen Argumenten gegen Amerika Stimmung gemacht, wie sie das 1994 in Österreich gegen die EU getan haben. Damals wurde beispielsweise ernsthaft als Argument gegen einen EU-Beitritt vorgebracht, dass niederländische Paradeiser weniger gut schmecken als einheimische. Hinter zahllosen solchen Argumenten verbargen sich in Wahrheit meist einheimische Produzenten, die auf Kosten der Konsumenten ohne neue Konkurrenz weiter ihre Geschäfte machen wollten. Und deren PR-Agenten, die Schauergeschichten ausstreuten.

Niemand muss bis heute niederländische Tomaten essen. Aber als mündiger Konsument will ich selber entscheiden, ob mir die besser oder schlechter schmecken als einheimische. Es muss nur zweierlei geben: ein Verbot gesundheitsschädlicher Waren und eine klare Kennzeichnung. Alles andere ist mieser Interessen-Lobbyismus, der sich hinter ökologischen, sozialen oder sicherheitsorientierten Scheinargumenten verbirgt. Denn auch in Amerika rennen genausowenig Menschen mit zwei Köpfen herum wie in Europa. Die Lebenserwartung ist praktisch gleich: USA 79, Kanada 81, Europa 77, ohne Osteuropa 81.

Wer beispielsweise glaubt, dass Atomstrom schädlich ist, der wählt halt den teuren „atomfreien“ Strom. Dennoch würde auch ohne EU weiterhin Atomstrom nach Österreich importiert, da das Land seit Jahren zu wenig Kraftwerke hat und daher zu wenig Strom produziert.

Man braucht auch in Zukunft als Konsument nicht die derzeit in vielen Diskussionen herumflatternden amerikanischen Chlorhühner zu kaufen. Ich hingegen würde diese sogar mit Vorrang erwerben, da sie durch die ungiftige Chlor-Behandlung sicherer gegen Salmonellen sind.

Besonders wichtig für die Ansiedlung von Unternehmen wäre vor allem ein unabhängiger Schutz gegen spätere Schikanen eines Aufnahmestaates oder gegen Verstaatlichung. Diesen Schutz schafft nur ein unabhängiges Gericht. Wer ihn verweigert, der nimmt in Kauf, dass viele Arbeitsplätze nicht entstehen.

Steht am Ende links- wie rechtsextremer Antiamerikanismus hinter der Ablehnung der neuen Freihandelszone?

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Zwischen Demos und Demokratie

29. April 2014 00:18 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Seit Zeitungen Fotos haben und seit das Fernsehen bewegte Bilder zeigt, hat sich der Charakter der Demokratie grundlegend verändert. Es wird in der veröffentlichten Meinung kaum noch nach dem Wert von Argumenten gefragt und gesucht, sondern nur danach, ob es dramatisch wirkende Illustrationen zu einer „Geschichte“ gibt. Gibt’s die nicht, ist eine Geschichte dann eben meist keine „Geschichte“. Persönlichkeiten werden medial oft ignoriert, selbst wenn sie noch so Gescheites sagen. Aber jedes noch so schwachsinnige Greenpeace-Transparent findet den Weg in die "Zeit im Bild", wenn es von drei Studenten plakativ auf einem Schiff oder einem Schornstein angebracht wird.

Damit hat sich die Demokratie viel substantieller verändert, als wir glauben. Es zählt nicht mehr die Mehrheit oder die Wahrheitssuche. Sondern es zählt die Kraft der Bilder, die es in die Nachrichtensendungen und auf die Titelblätter der Boulevard-Zeitungen schaffen.

Daher weiß jeder Politikberater, dass er vor allem Action und Bilder schaffen muss. Es geht bei medialen Entscheidungen nicht um die Höhe der Kinderbeihilfe, sondern darum, dass die zuständige Ministerin von lieben Kindern umringt wird, wenn sie über die Kinderbeihilfe spricht. Und nach einer Politiker-Debatte wird meist nur darüber debattiert, ob ein Politiker herumgewandert ist, ob er ein Taferl aufgestellt hat, ob er gelächelt hat.

Selbst wenn die auf den Bildern gezeigten Vorgänge eigentlich auf Ablehnung stoßen, schaffen es die Urheber mit ihrer Hilfe, das Agenda setting zu prägen. Und irgendwann glauben auch die Menschen, dass das wichtig sei, was die Bilder sagen, und nicht das, was wirklich wichtig wäre.

Die suggestive Kraft von Bildern

Gegen die Wirkung der Bilder hilft jedenfalls einmal eines: sie sich bewusst zu machen. Dann ist man schon ein wenig immunisiert dagegen. Man sollte auch immer genau beobachten: Sind es nur ein paar Dutzend Menschen, die vor der Kamera einen Zirkus machen, die eine amerikanische oder israelische Flagge verbrennen, oder sind es wirklich viele? Eine hervorragende Strategie gegen die Suggestivkraft von Bildern haben zwei der besten (Zeitungs-)Journalisten entwickelt, die ich kenne: Sie haben gar keinen Fernsehapparat, sondern informieren sich nur aus Radio, Internet, Büchern und Zeitungen.

Erschwerend kommt in Österreich zur suggestiven Wirkung von Bildern und Fernsehfilmen noch ein weiterer Faktor dazu: Welche Demos zeigt der ORF in seiner Linkslastigkeit und welche nicht? Da schaffen es ein paar Dutzend Linke, die für mehr Entwicklungshilfe-Geld oder gegen Atomkraftwerke aufmarschieren, fast mit Sicherheit in die Fernsehnachrichten. Ein paar Tausend Christen, die gegen die internationalen Christenverfolgungen vor allem in islamischen Ländern demonstrieren, werden vom ORF regelmäßig ignoriert.

Wenn Menschen keine gefestigte Meinung haben, dann werden sie durch die veröffentlichte Meinung beeinflussbar. Der Durchschnittsbürger hat ja meist ganz andere Sorgen und Interessen. Wenn er in Fernsehen und Druckmedien ständig mit einer bestimmten, bildlich untermauerten Überzeugung konfrontiert wird, dann wird er zunehmend ängstlich und verschweigt seine eigene Meinung. Im Laufe der Zeit übernimmt er dann die Meinung der veröffentlichten Meinung. So hoffen zumindest die Manipulatoren.

Nur wenige Menschen sind willensstark genug, gegen den Druck der Medien erst recht auf der eigenen Meinung zu beharren. Viele andere wollen lieber im Mainstream mitschwimmen. Das wollen sie dann erst recht, wenn für den Mainstream ständig starke Bilder werben. Sie fragen dann meist gar nicht mehr: Ist die Demo berechtigt? Steht hinter den Demonstranten eine Mehrheit?

Länder wie Thailand und Ägypten, Ukraine und Venezuela werden normalerweise medial weitgehend ignoriert. Wenn dort aber Straßen und Plätze besetzt werden, wenn Menschenmassen Feuerwerkskörper gegen Himmel schicken, wenn tagelang oder wochenlang gegen Regierungen agitiert wird, dann sind diese Länder plötzlich täglich auf den heimischen Bildschirmen zu sehen. Dann erfahren wir plötzlich die Unterschiede zwischen den reichen Hauptstadtbewohnern und der armen Bevölkerung im Norden Thailands. Plötzlich hängen die Zuseher der Zeit im Bild an der Deutung der Geschehnisse durch die Fernsehkorrespondenten (obwohl diese oft total falsch liegen, wie man etwa jüngst bei den ORF-Korrespondenten in Kairo wie in Moskau erlebt hat).

Ist es schon schwer genug, sich von der suggestiven Kraft der Fernsehbilder und Zeitungsfotos zu lösen, so ist es noch schwieriger, einen objektiven Standpunkt dazu zu finden. Zwar war etwa von Anfang an klar, dass campierende Studenten der Occupy-Bewegung oder die „99 Prozent“ keinerlei Massen repräsentieren. Das hat jeder vernünftige Mensch gewusst. Aber viele Journalisten haben Orgasmen der Begeisterung und Unterstützung angesichts solcher Kundgebungen bekommen, die sie an ihre eigene Jugend als 68er Möchtegern-Revolutionäre erinnern.

Aber dennoch ist keineswegs jede Kundgebung, Demonstration und Revolution negativ als bloßer Kamera-Event einer Minderheit abzutun. Es besteht zwar kein Zweifel, dass die Journalisten mit ihren Bezeichnungen oft maßlos übertreiben, dass Facebook-, samtene, orangene Revolutionen bisweilen nur aus ein paar Tausenden oder Zehntausenden Manifestanten bestehen. Aber es kann ebenso wenig Zweifel bestehen, dass beispielsweise die Ziele der Studenten, Bürger und Arbeiter von 1848 von einer Mehrheit der Bevölkerung getragen waren. Und dass die Meinungsfreiheit, für die damals gekämpft worden ist, bis heute ein besonders wertvolles Gut ist. Dass also 1848 konstitutionell böse, moralisch aber gut war.

Das Recht zur Intervention

Bei der Beurteilungen von Demos, von Revolutionen sollte man einerseits ihre innere Legitimität bewerten. Noch spannender ist aber die Frage, ob das Ausland intervenieren darf. Da werden Völkerrechtler sofort antworten, dass das Ausland dann und nur dann intervenieren darf, wenn es einen einschlägigen Beschluss des Sicherheitsrats nach Kapitel sieben gibt. Zusätzlich gibt es das kollektive Selbstverteidigungsrecht von Bündnissen, wie sie etwa die Nato darstellt.

Aber da der Sicherheitsrat meist von national motivierten Vetos der Großmächte blockiert wird, aber da ethisch denkende Menschen nicht ihre Moral in der UNO-Garderobe abgegeben haben, ist ganz unabhängig vom Rechtlichen zu überlegen, wann ethisch für das Ausland eine Intervention erlaubt sein muss. Das ist häufiger der Fall als bei UNO-Beschlüssen, das ist aber keineswegs bloß deshalb der Fall, wenn eine Revolution intern berechtigt ist, wenn man einen Umsturz mit Sympathien begleitet.

Es sind wohl nur zwei Gründe, wo diese Außenwelt ethisch zum militärischen Einschreiten berechtigt ist, gleichgültig, was der Sicherheitsrat sagt. Nämlich:

  1. Wenn ein Regime eine klare Bedrohung für die Außenwelt darstellt;
  2. Und wenn ein Regime grobe Menschenrechtsverletzungen gegen viele seiner Untertanen begeht.

Jede Außen-Interventionen der Vergangenheit kann nun danach untersucht werden, ob eine der beiden Bedingungen erfüllt ist. Da wird es auch unter Wohlmeinenden manchen Disput geben. Viele Fälle hingegen sind eigentlich ganz klar.

So könnte man noch viele Konflikte durchgehen, um die Intervention von außen zu kritisieren oder rechtfertigen. Tatsache ist, dass es in dem Land, das heute die weitaus größte Bedrohung nach außen UND die schlimmsten Menschenrechtsverletzungen im Inneren verkörpert, keine Intervention gibt. Das ist Nordkorea.

Das hängt natürlich mit der hohen Rüstung des ansonsten eher steinzeitlichen Landes zusammen. Hier gilt das alte Prinzip: „Ultra posse nemo tenetur“. Es ist in Wahrheit die häufigste Regel der Weltpolitik. Wenn eine Intervention grob selbstbeschädigend wird, dann kann niemand moralisch angehalten werden, dort zu intervenieren. Man hat ja auch vom Westen einst nicht verlangen können, in der (sowohl aggressiven wie auch massiv menschenrechtsverletzenden) Sowjetunion einzumarschieren. Oder in China, das Tibet gegen den Willen der dortigen Menschen besetzt hält. Rein moralisch wäre das aber sicher ebenso berechtigt gewesen.

Wir sind heilfroh, dass es der Westen in solchen Fällen nicht tat und tut. Denn das Leben auch mit grobem Unrecht ist fast immer besser als das Risiko eines Kriegs oder gar Atomkrieges (wenn auch nicht für die in den diversen Konzentrationslagern zu Tode geschundenen Menschen). Es bleibt freilich sehr unbefriedigend, in einer Welt zu leben, in der damit letztlich noch immer das Faustrecht herrscht.

Die Legitimität von Massenprotesten

Wechseln wir zuletzt zur Frage, ob wir Massendemonstrationen an sich für klug und legitim halten. Sie können das durchaus sein, selbst wenn es keine Berechtigung für das Ausland gibt, sich einzumischen. Sie müssen es aber keineswegs sein, selbst wenn revolutionsgeile Journalisten sie begeistert feiern.

Auch hier muss man objektiv prüfen: Menschen haben dann ein Widerstandsrecht,

  1. wenn sie keine wirklich freien Wahlen haben,
  2. wenn es in ihrem Land keine freie Justiz gibt,
  3. wenn ein Regime politische Gegner willkürlich beseitigt oder interniert,
  4. wenn ein Land einem geschlossenen Siedlungsgebiet die Selbstbestimmung verweigert.

In allen anderen Fällen sollten wir Kundgebungen nur im Rahmen des ganz normalen Demonstrationsrechts für gerechtfertigt ansehen. Zur Rechtfertigung eines Regimes genügt es jedoch keinesfalls, formaljuristisch die jeweilige Rechts- und Verfassungslage zu prüfen. Die ist weitgehend irrelevant. Denn in Gesetzbücher kann ja jeder Machthaber hineinschreiben, was er will.

Es wäre toll, wenn wir – als außenstehende Beobachter von Demos und Umstürzen – uns auf diese erwähnten Punkte einigen können, um die Debatte zu objektivieren. Nicht jede Demonstration ist gut, nicht jede ist schlecht.

In welchen Ländern sind nun nach diesem Maßstab Sympathien gerechtfertigt? Die konkrete Einzelfallbeurteilung ist natürlich oft sehr schwierig, weil man zuwenig Fakten hat. Aber dennoch sei sie versucht.

Es mag für viele unbefriedigend sein, wenn man zu differenzieren versucht, wenn man das Aufeinanderprallen von Prinzipien Land für Land untersucht. Aber gerade liberales Denken erfordert eben immer genau nachzudenken.

Dieser Beitrag ist in ähnlicher Form auch in den "Genius-Lesestücken" (www.genius.co.at) erschienen, einer unabhängigen Online-Zeitschrift zu den großen Fragen der Zeit.

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Twitter und die Demokratie: Die Sendung mit dem Großvater (10)

23. April 2014 17:49 | Autor: Andreas Unterberger

Können Youtube und Twitter einen Machthaber aus den Angeln heben? Oder hat der türkische Regierungschef Erdogan langfristig Erfolg mit seinen Verbotsversuchen gegen die sozialen Netze? Ist die Türkei ein Rechtsstaat und eine Demokratie? Was hat es dort mit der Korruption auf sich? Und wie reagiert die EU? Über all das diskutiert Maximilian mit seinem Großvater Andreas Unterberger.

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Sie stehlen wie die Raben

19. April 2014 00:13 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Sie stehlen. Aber niemand soll es merken. Die Diebe nennen sich offiziell Bundesregierung. Die Ministerien lehnen mit fadenscheinigen Ausreden wie „zu viel Verwaltungsaufwand“ mehr Transparenz bei den eigenen Ausgaben eiskalt ab. Sie wollen nicht offen legen, wofür sie überhaupt wie viel zahlen. Sie lassen in diesen Tagen den Finanzminister sogar mit dem Minimalanliegen abblitzen, wenigstens mehr Transparenz herzustellen. Sie wollen darüber hinaus auch weiterhin gefällige Zeitungen bestechen. Länder, Gemeinden und Wirtschaftskammer wollen schon gar nicht den Bestbieter nehmen.

Da wären dann ja heimlicher Kickback und Freundschaftsdienste nach österreichischer Art unmöglich. Dessen Grundregel: Eine Hand wäscht die andere und niemand weiß davon.

Es widert einen wirklich an. Täter sind fast alle Ministerien. Täter sind die Bundesländer. Täter ist die Wirtschaftskammer.

Konkret: Mit vereinten Kräften haben die Ministerien jetzt den Vorschlag des Finanzministers abgelehnt, der Bundesbeschaffungsgesellschaft wenigstens eine Kopie der Rechnung zu schicken, wenn sie Einkäufe an dieser vorbei tätigen. Schmecks. Sie denken nicht daran, sich in ihre Karten schauen zu lassen. Vom Justiz- über das Innen- bis zum Infrastruktur- und Sozialministerium sind sich Schwarz und Rot einig: Sie wollen das nicht. Sie wollen ihre schmutzigen Geschäfte lieber weiterhin im Dunklen machen.

Kreativ sind sie nur bei der Abwehr der vom Finanzministerium vorgeschlagenen Novelle. Dazu wird etwa vom Justizministerium skurrilerweise selbst die Verfassung bemüht.

Dabei kann überhaupt kein Zweifel bestehen: Wenn alle Ministerien, alle Bundesländer und Gemeinden sämtliche Einkäufe über eine gemeinsame Einkaufsorganisation abwickeln würden, bekämen sie alle weit bessere Preise, also niedrigere Tarife und mehr Service. Die Einsparungen würden – insbesondere, wenn auch der Gesundheitsbereich erfasst wird – viele Hundert Millionen Euro ausmachen. Jährlich.

Da wäre das, was sich jetzt in den Schulklassen abspielen soll, ein Klacks dagegen. Aber das sind ja nur Schüler. Es sind übrigens auch all die Politiker und Medien Heuchler, die sich über die Einsparungspläne der Unterrichtsministerin mockieren. Denn sie haben es in ihrem Gesamtschultaumel alle seit Jahren ignoriert, dass dasselbe Ministerium schon seit Jahren die Klassenschülerhöchstzahl vor allem in den AHS weit überschritten hat. Aber jetzt protestieren sie plötzlich alle.

Zurück zur Korruption in den Ministerien. Diese sind zwar in manchen Bereichen – vom Büropapier bis zum Computerdrucker – seit einigen Jahren zum gemeinsamen Einkauf verpflichtet. Das allein erspart der Republik zwar Hunderte Millionen. Bei den besonders Korruptions-anfälligen Bereichen haben sich die Regierungsparteien aber wohlweislich zu nichts verpflichtet. Das sind etwa Inserate, Schaltagenturen und Beratungen.

Trotz dieses Skandals, trotz Österreichs immer enger werdender Finanzdecke haben die Ministerien den jüngsten ohnedies minimalen Vorschlag des verzweifelten Michael Spindelegger eiskalt abgelehnt: Sie sollten wenigstens bekanntgeben, was sie da wem wofür zahlen. Nicht einmal das wollen sie.

Jeder Österreicher weiß warum.

Freilich: Auch das Finanzministerium hat in Sachen Hypo alleine schon kolportierte 300 Millionen für Beratungsleistungen ausgegeben. Mit eher zweifelhaftem Erfolg. Aber immerhin will es jetzt wenigstens Transparenz. Es bleibt damit jedoch offenbar das einzige Ministerium.

Für diesen Transparenz-Vorstoß wäre Spindelegger auch sehr zu loben – aber freilich nur dann, wenn er massiven Druck wenigstens auf seine eigenen ÖVP-Minister ausübt und ihnen klar sagt: Entweder ihr akzeptiert diese Novelle oder ihr geht. Egal ob es CVer sind oder Niederösterreicherinnen.

Davon hört man aber keine Silbe. Spindelegger hats nicht so mit der Kommunikation. Fast hat man den Eindruck, dass er diesen Vorstoß nur pro forma macht. Dabei könnte der VP-Obmann, wäre seine Initiative ein wenig nachdrücklicher, glaubwürdig mit spitzen Finger auf die SPÖ-Ministerien zeigen, die ebenfalls wie die Motten das Licht scheuen. Hingegen nur stillschweigend eine Novelle vorschlagen und diese dann achselzuckend wieder zurückziehen, wenn Widerstand kommt: Das ist ein wenig zu wenig.

18 Prozent verschwinden in dunklen Kanälen

In jenen Bereichen, wo die Ministerien seit den Schüssel/Grasser-Jahren (zähnenirschend) über die BBG einkaufen müssen, beträgt die Ersparnis immerhin 18 Prozent. Steuergeld, das sich Einkäufer und Verkäufer vorher (un)redlich geteilt haben. Über diesen Verlust ärgern sie sich wohl insgeheim noch immer. Und daher bekämpfen sie sogar jeden Ansatz zu Transparenz.

Noch schlimmer verhalten sich Länder und Gemeinden, damit auch der ganze Spitalsbereich. Sie beteiligen sich nur marginal an solchen gemeinsamen Einkäufen. Rein rechtlich müssen sie das nicht, da sie sich hinter dem Föderalismus verstecken können, den noch keine Bundesregierung zu knacken imstande war. Diese darf nur bei den Ländern das Geld abliefern. Und die Länder geben es dann nach Belieben aus.

Der Rechnungshof schnaubt regelmäßig über diese Praktiken. Aber es hilft nichts. Es ist ja nur das Geld der Steuerzahler, das Politiker und Beamte beim Fenster hinauswerfen. Mit der gegenwärtigen Praxis ist mieser Korruption die Tür zehn Mal weiter geöffnet. Denn Korruption im ganz konkreten Einzelfall kann man ja leider nur sehr selten gerichtsfähig nachweisen. Gerade darum wäre der generelle Zwang zum geregelten Einkauf außerhalb der Ministerien so wichtig.

Solange hingegen der Rechnungshof nur regelmäßig feststellt, dass - beispielsweise - die Unterrichtministerin das Vergaberecht nicht einhält, solange darauf nicht unweigerlich ein Amtsmissbrauch-Prozess folgt, ist das ganze Gesetz ziemlich sinnlos.

Offiziell wird von Ländern, Gemeinden, Spitälern und Wirtschaftskammer beteuert, dass man deshalb nicht gemeinsam beschafft, weil man regionale Geschäfte zum Zug kommen lassen will. Bei einem gemeinsamen Einkauf hingegen würde der Günstigste vielleicht in einem anderen Bundesland liegen.

Da kann der Steuerzahler nur sagen: Na und? Dort wo Politiker und Beamte ihr eigenes Geld ausgeben, kaufen sie ja auch außerhalb ihrer Gemeinde oder ihres Landes ein, wenn es dort signifikant günstiger ist. Als Politiker und Beamte verfügen sie jedoch über fremdes Geld: Und da ist es ihnen offensichtlich wurscht, wenn der Freund in der eigenen Gemeinde viel teurer ist.

Damit fördern Länder und Gemeinden noch weit über die ohnedies schon in den Berichten des Rechnungshofs aufgelisteten gigantischen Förderungen hinaus ihnen genehme Verkäufer. Diese Förderung via erhöhter Einkaufspreise spielt sich in einem total dunklen Eck ab. Sie wird nirgendwo genau erfasst.

Natürlich können auch Gemeinden und Länder nicht bei allen Unternehmen in ihrem Gebiet einkaufen. Die Folge ist klar: Es werden – selbst wenn keine Korruption im Spiel wäre – immer besonders gerne bei Partei- und sonstigen Freunden des Landesrats oder Bürgermeisters Geschäfte gemacht.

Den Rest kann man sich denken. Und sich ärgern.

PS: Dass die Bildungsministerin ihre Schulklassen-Weisungen jetzt zurücknimmt, ist nett. Aber es ist noch völlig unklar, wo statt dessen eingespart wird. Oder ob Österreich sogar, wie nun manche SPÖ-Politiker einfach wollen, noch mehr Schulden macht. Noch immer hat die Ministerin zugunsten der Kinder nicht einmal komplett auf ihre eigenen Inserate verzichtet. Obwohl solche in Deutschland schon seit 40 Jahren durch das Höchstgericht verboten sind (und zwar sämtliche steuerfinanzierte Inserate und Kooperationen, nicht nur solche der Schulministerin).

 

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FN 616: Das algerische Drama mit friedlichem Ende

18. April 2014 01:20 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In anderen Zeiten hätte man über Algerien groß diskutiert. Jetzt ist man froh, dass es ist, wie es ist.

Algerien war das erste Land, in dem der islamische Fundamentalismus vehement nach der Macht gegriffen hatte. Dieser konnte erst in einem blutigen, jahrelangen Krieg von der Armee niedergerungen werden. Umso unverständlicher ist, dass sich Barack Obama und Frankreichs Hollande dann später in Tunesien, Libyen und Syrien an die Seite der Fundamentalisten gestellt haben. Obwohl sie in Algerien sehr froh waren und sind, dass Präsident Bouteflika und die Armee gesiegt haben. Obwohl sie diese Armee deutlich unterstützt haben. Gerade die USA und Frankreich hätten dennoch in anderen Zeiten eine große Debatte begonnen, dass die nunmehrigen algerischen Präsidentenwahlen alles andere als demokratisch sind. Alle Medien der Welt und etliche Regierungen hätten sich überdies darüber den Mund zerrissen, dass der alte Präsident Bouteflika seit zwei Jahren kaum mehr reden oder öffentlich auftreten kann, dass er – oder seine Hintermänner – sich aber trotzdem wählen hat lassen. Demokratisch waren diese Wahlen nicht, sondern eine Farce. Aber niemand protestiert heute noch dagegen. Man ist froh, dass Algerien wieder zur Ruhe gekommen ist. Dass es so ist, wie es ist. Demokratiepolitische Messianismus ist nicht mehr in.

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Die Bischöfe und die Homosexuellen

17. April 2014 22:58 | Autor: Hans Winkler
Rubrik: Gastkommentar

In der Karwoche lese ich in der „Kathpress“ eine Äußerung des Bischofs Manfred Scheuer zum Recht von Homosexuellen auf Adoption. Ich werde daraus nicht klug. Was soll das heißen: „Die Argumentation ist derzeit so, dass das Kind ein Anrecht auf einen leiblichen Vater und eine leibliche Mutter hat“? 

Wer argumentiert so? Es wäre – mit Verlaub – unsinnig. Auf leibliche Eltern kann man kein „Anrecht“ haben. Entweder hat man sie noch oder sie sind schon tot. Deshalb gibt es ja überhaupt die Frage nach der Adoption, weil ein Kind keine leiblichen Eltern mehr hat, die für es sorgen könnten und man Menschen sucht, die dazu bereit sind.

Die „ganz zentrale Botschaft ist, dass homosexuell orientierte Menschen nicht diskriminiert werden dürfen“, sagt Scheuer. Daran wundert mich zunächst, dass ein katholischer Bischof die Terminologie der Gender-Ideologie verwendet, die Papst Benedikt XVI. in seiner Weihnachtsansprache an die Kardinäle 2012 eindeutig und mit großer intellektueller Klarheit verworfen hat. Homosexuell ist man durch eine genetisch bestimmte Veranlagung. Sich sexuell zu „orientieren“, also aus mehreren Möglichkeiten zu wählen, was man sein will, ist Gender-Ideologie.

Eigentlich habe ich immer gedacht, „ganz zentral“ bei der Frage nach der Adoption sei das Wohl des Kindes. Dieser Gedanke kommt bei Scheuer überhaupt nicht vor. Wodurch das Kindeswohl garantiert werden kann und wodurch es gefährdet wäre, ist genau der Gegenstand der Auseinandersetzung. Zwar verwendet Scheuer die von Bischof Egon Kapellari gern zitierte Wendung, dass „Differenzierung keine Diskriminierung“ sei. Was aber bedeutet das bezogen auf die Adoption: Sollen Homosexuelle nun adoptieren dürfen oder nicht? Ist es eine Diskriminierung, wenn sie es nicht dürfen?  

Warum fällt Scheuer und seinen Mitbrüdern im bischöflichen Amt eine klare Antwort auf diese ethisch und gesellschaftspolitisch höchst relevante Frage so schwer? Die letzte Sitzung der Bischofskonferenz hat sich dazu nicht geäußert, obwohl die öffentliche Debatte dazu im vollen Schwange ist. Stattdessen hat sie sich für die Einführung der Finanztransaktionssteuer ausgesprochen. Dafür also fühlen sich die Bischöfe sachlich zuständig, nicht aber für eine Frage, bei der es immerhin um etwas geht, was nun wirklich zentral für die katholische Auffassung von der sozialen Existenz des Menschen ist, nämlich die Familie. Darin weiß ich mich mit Kardinal Kasper und Papst Franziskus einig.

Dürfen sich Katholiken, die sich etwa in der Politik eine Orientierung durch ihre Bischöfe erwarten (viele sind es ohnehin nicht mehr), wenigstens an Frau Schaffelhofer halten, die als Präsidentin der Katholischen Aktion ja in Übereinstimmung und unter der Oberleitung der Bischöfe handelt? Als sie für die klare Position, die sie im Fernsehen eingenommen hat, öffentlich denunziert und auch aus ihrem eigenen Verband kritisiert wurde, hat sich aber kein Bischof zu ihrer Verteidigung zu Wort gemeldet. Man wüsste gern: Weil man nicht ihrer Meinung ist oder weil man „nur“ nicht den Mut dazu hatte? 

Die Bischöfe sollen sich nur nicht täuschen! Die Frage nach der Adoption ist nur ein Vorspiel. Es werden härtere Tage kommen und sie sind schon da: Wenn es demnächst um die Homo-„Ehe“ geht, dann um die Leihmutterschaft und um Sexualerziehung im Sinne von gendermäßiger Auswahl aus verschiedenen sexuellen „Orientierungen“, die gewissermaßen im Angebot stehen. Das wird dann auch für katholische Schulen gelten, versteht sich. Denn sie bekommen ja öffentliche Subventionen und die Lehrer bezahlt. Innsbruck ist nicht weit weg von Baden-Württemberg, wo das schon durchgespielt wird. Werden wir von den Bischöfen auch dann als „zentrale Botschaft“ hören, es dürfe niemand diskriminiert werden, vor allem nicht Homosexuelle?

Dr. Hans Winkler ist Kolumnist. Er war früher Leiter des Wiener Büros der „Kleinen Zeitung" und deren Stellvertretender Chefredakteur.

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Kriegsgefahr: Die Schuldigen

15. April 2014 00:39 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In der Ukraine kann es nun offenbar doch zu einem großen Brand kommen, nachdem es ein paar Tage lang nach einer relativen Beruhigung ausgesehen hatte. Ohne dass diesen großen Brand wohl jemand so beabsichtigt, ohne dass ihn jemand wirklich will. Aber die Akteure haben nicht wie ein Schachspieler gleich mehrere Züge weitergedacht, sie haben nicht die weiteren Konsequenzen überlegt. Wer ist schuld daran?

Vor der Prüfung der ukrainischen Schuldfrage machen wir einen ebenso aktuellen und zugleich lehrreichen Blick auf einen ganz anderen Kontinent. Ohne dass es in Europa sonderlich beachtet worden ist, tobt in Afrika von Monat zu Monat schlimmer ein immer heftiger werdender Krieg, der schon abertausende Todesopfer gefordert hat: Von Küste bis Küste ist südlich der Sahara ein erbitterter Kampf zwischen Moslems und Christen im Gang. Fast in jedem der Länder, die sowohl moslemisch wie auch christlich-animistisch sind, ist ein furchtbares gegenseitiges Abschlachten in Gang, das offenbar niemand mehr stoppen kann.

Wohl sind dort offensichtlich die Moslems die Brutalsten, sei es in Nigeria, sei es in Mali, sei es in Ägypten, sei es in Somalia. Aber auch die Christen schlagen mancherorts brutal zu, wie etwa in der Zentralafrikanischen Republik. Und niemand wird je genau sagen können, ob es ein Zuschlagen oder ein Zurückschlagen ist. Gleichzeitig wird vieles dieser religiösen Polarität auch von Stammes-Antagonismen und Kriminalität überlagert. Tatsache ist aber: Europa schaut weitgehend weg. Mit der kleinen Ausnahme Frankreichs, das in einigen seiner ehemaligen Kolonien zwar für Ordnung zu sorgen versucht, aber das ebenfalls zunehmend hilflos wirkt.

Diese sich immer mehr eskalierende afrikanische Dramatik wird in Europa freilich auch deshalb gerne übersehen, weil viele hier ja das Gefühl haben, von den Tugendwächtern würde jede Äußerung zu Afrika sowieso als rassistisch eingestuft. Umso gebannter blickt Europa auf die Vorgänge in der Ukraine. Aber hilflos ist es offensichtlich auch dort.

Wer aber ist schuld an den dortigen Eskalationen?

1: Gewaltverbot

Es besteht kein Zweifel: Selbst wenn jedes Detail wahr wäre, dass die russische Propaganda verbreitet (und das am linken wie auch am rechten äußersten Rand hierzulande auch erstaunlich kritiklos geglaubt wird), so liegt doch eindeutig die Hauptschuld bei Russland. Denn nichts von den Vorgängen in der Ukraine rechtfertigt eine Intervention von außen, selbst wenn die erfindungsreiche Propaganda Russlands die volle Wahrheit sagen sollte.

Russland ist weder bedroht worden noch hat es in der Ukraine der letzten Wochen Menschenrechtverletzungen in einer relevanten Diskussion gegeben. Auch hat der UNO-Sicherheitsrat in keiner Weise eine Intervention auf der Krim und jetzt in der Ostukraine genehmigt.

Dennoch kann kein Zweifel mehr bestehen, dass auch in der Ostukraine die Besetzungen von Moskau durchgeführt worden sind. Wie auf der Krim sind es militärisch organisierte Einheiten, die in organisierter Art ein Gebäude nach dem anderen besetzen. Und da Marsmännchen auch in der Ukraine relativ selten sind, sind es wohl unzweifelhaft neuerlich russische Spezialtruppen.

Mit seinen Interventionen verstößt Moskau nicht nur gegen die vielen Chartas, die seit 1945 ausdrücklich ein Gewaltverbot beschwören. Moskau verletzt zusätzlich auch jenen Vertrag, in dem der Ukraine einst gegen eine Rückgabe ihrer Atomwaffen eine Unverletzlichkeit der Grenzen garantiert worden ist.

Selbst wenn man dem FPÖ-Wien-Sprecher Gudenus zustimmen mag, dass viele Berichte im Westen über die Vorgänge in Kiew einseitig waren, so rechtfertigt das dennoch niemals die Aktionen russischer Soldaten in der Krim und der Ostukraine. Jeder seriöse Vergleich zeigt: Im Grund sind der erste wie der zweite Weltkrieg mit ihrem millionenfachen Leid dadurch ausgelöst worden, dass jemand mit Gewalt Grenzen verändern wollte.

Das sollte auch ein Herr Gudenus begreifen.

(Apropos Vergleiche: Dieser Blog wird weiterhin vergleichen, auch wenn Vergleiche neuerdings von den Tugendwächtern auf den Index gesetzt worden sind. Denn in Wahrheit kann es ohne Vergleiche niemals eine historische Einordnung und eine seriöse Beurteilung geben).

2: Selbstbestimmung

Der Ruf nach einem Verzicht auf militärische Gewalt (außer in den genannten Situationen) kann aber nicht den zweiten in der Ukraine verletzten Grundsatz vergessen lassen: das Selbstbestimmungsrecht. Die Entscheidung, welchem Staat die Menschen eines Gebietes mehrheitlich zugehören wollen, steht in Wahrheit sogar höher als das demokratische Grundrecht zu entscheiden, ob die Partei X, Y oder Z diesen Staat regiert. Es kann keine echte Demokratie ohne Selbstbestimmung geben.

Dieses Grundrecht wird aber bis heute nicht allgemein anerkannt. Weder in der Ukraine noch im Westen. Auch in Russland übrigens nicht. Hier gilt nur: Putin schützt russische Interessen, wo auch immer sie bedroht sind. Aber er gewährt dort keine Selbstbestimmung, wo sie weg von Russland führen würde.

Das Recht auf friedliche Selbstbestimmung hat die Tschechoslowakei eingesehen – und fährt gut damit. Das hat Kanada eingesehen – und fährt gut damit. Das hat Großbritannien eingesehen – und wird damit wohl auch gut damit fahren.

Das akzeptieren aber Italien und Spanien sowie viele andere Staaten nicht. Für sie sind die Zahl der beherrschten Quadratkilometer und damit der „Nation“ noch immer zentral. Solche Länder fahren jedoch in Wahrheit von Venetien bis Katalonien schlecht damit. Diese Länder begeben sich mit der Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts auf Dauer in Konflikte, die eigentlich ins 19. Jahrhundert gehören.

Es wäre ein gewaltiger Fortschritt, wenn es nicht nur in klugen Staaten wie Großbritannien oder der Tschechoslowakei ein klares völkerrechtliches Prozedere gäbe, wie solche Selbstbestimmung stattzufinden hat. Natürlich braucht es ein klares Quorum. Klar ist auch, dass ein Referendum jedenfalls mit ordentlicher Vorbereitungsfrist und in voller Artikulationsfreiheit für alle Beteiligten ablaufen muss. Die Völkerrechtler täten daher gut daran, sich viel stärker darauf vorzubereiten.

Wer hingegen wie Gudenus ernsthaft meint, die Voraussetzungen eines ordentlichen Referendums wären etwa in der Krim gegeben gewesen, dem ist nicht zu helfen. Noch weniger zu helfen ist ihm, wenn er das Gewaltverbot ignoriert. Wer ernsthaft Gewaltanwendung mit dem Wort „Selbstbestimmung“ rechtfertigt, der nimmt letztlich in Kauf, dass die halbe Welt in Brand gesteckt wird.

Seine Argumentationslinie gibt übrigens auch den antirussischen Kämpfern in Tschetschenien und anderen Regionen jede Legitimation in die Hand. Ob das den diversen Russenfreunden bewusst ist?

Eine qualitativ wichtige Vorstufe zur Selbstbestimmung wäre jedenfalls das Recht auf regionale Autonomie. Rechtzeitige und freiwillige Autonomie nimmt enorm viel Druck aus Konflikten. Aber dennoch wird noch immer selbst der bloße Ruf nach dieser mancherorts bestraft.

3. Die Nichteinmischung

Erst in dritter Linie sind jene Staaten zu tadeln, die ungefragt und von keiner Seite aufgefordert der Ukraine eine Brücken- oder Neutralitätsfunktion geben. Denn mit solchen ungewünschten Vorschlägen widersprechen sie sowohl der Souveränität der Ukraine wie auch dem Selbstbestimmungsrecht.

Das Recht auf Selbstbestimmung muss ja wohl auch für die Ukraine selbst gelten. Wenn die Krim-Bürger ihre Zugehörigkeit frei wählen können, muss dasselbe Recht auch für die Ukraine beziehungsweise ihre Bewohner gelten.

Oder sollen nur Russen dieses Recht haben? Ist man etwa gar dafür, dass ein paar Staatsoberhäupter die Welt wieder nach ihrem Gutdünken einteilen sollen, so wie sie es auf dem Wiener Kongress oder in Jalta getan haben?

Wer die betroffenen Menschen als einzige letztlich relevante Entscheidungsgrundlage nicht ernst nimmt, der kehrt wieder zum Faustrecht zurück.

Es bilden sich neue Allianzen

Hinter dieser grundlegenden Auseinandersetzung um Werte gibt es einige ganz erstaunliche Veränderungen in den staatlichen Beziehungen zu beobachten, deren Konsequenzen wir noch gar nicht abschätzen können:

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Libertas praestantissimum – Die Freiheit ist das Vorzüglichste

11. April 2014 00:42 | Autor: Wolfram Schrems
Rubrik: Gastkommentar

In einer Zeit rapiden Verschwindens persönlicher, politischer und ökonomischer Freiheit weltweit – auch und gerade im „Westen“ – wird vielleicht mancher geistig erwachter Zeitgenosse mit den Altvorderen, die uns dieses Desaster eingebrockt haben, zu hadern beginnen. Er wird sich die Frage stellen, ob das „normal“ ist, dass man heutzutage mehr und mehr Gesslerhüte grüßen und Paganisierung und zivilisatorischen Rückschritt, Islamisierung und Genderwahn gut finden muss. Er wird auch fragen, wieso heute ein Nationalstaat mehr und mehr darauf verzichten muss, legitime Eigeninteressen zu formulieren, ja, sich überhaupt als Staat und Nation zu behaupten.

Wenn dieser Zeitgenosse tiefer gräbt und nach den Wurzeln der Freiheitsvernichtung fragt, wird er auf die weltanschaulichen Weichenstellungen im 19. Jahrhundert stoßen. Er wird vielleicht auf die Lehrverkündigung der großen Päpste des 19. Jahrhunderts stoßen. Er wird Augen machen.

Er wird vielleicht lamentieren:
„Hätte man im 20. Jahrhundert doch auf Papst Leo XIII. gehört! Hätten die Entscheidungsträger nur im Auge behalten, dass Freiheit Wahrheit voraussetzt!“

Gewollter Freiheitsverlust

Allerdings wird dieser Zeitgenosse zu einer Minderheit gehören. Denn die Mehrheit – wenigstens hierzulande – scheint das saeculum als unausweichliches Verhängnis, als Naturgesetz oder als alternativlose Normvorgabe zu begreifen – und daher auch keine große Sehnsucht nach Freiheit zu haben. Die sie ohnehin überfordern würde. Denn es scheint so zu sein, dass viele Menschen, die echte Freiheit nicht kennen gelernt haben, sich gar nicht mehr nach ihr ausstrecken können bzw. wollen. Freiheit ist anstrengend.

Wenn man sich umblickt, gibt es mehr und mehr Zeitgenossen, die mit ihrer ursprünglich gottgegebenen Freiheit immer weniger anzufangen wissen. Vielen Menschen ist die Freiheit eine Last. Sie wollen lieber Zombies sein.

Das wird durch den abscheulichen, grassierenden Brauch des „Zombiewalk“ sinnbildlich unter Beweis gestellt: Sich in eine Masse von ferngesteuerten „Untoten“ einzufügen, ist offenbar angenehm. Grunzlaute, Grimassen und kübelweise grässliche Schminke als Zeichen der Zeit? Offenbar. „Untot“ zu sein enthebt einen der moralischen Verantwortung und der Last der Lebensgestaltung? Vermeintlich.

Aber auch weniger grell-abstoßende Manifestationen der Ablehnung der Freiheit gibt es: Gerade in (vermeintlich) gebildeten Kreisen gehören deterministische Ideen zum guten Ton. Was für eine grandiose neurologische Entdeckung ist es z. B., dass „eigentlich“ das Gehirn entscheidet und die Freiheit Illusion ist! Das Bewusstsein als „Epiphänomen“. Wundervoll.

Schließlich hat auch die Psychoanalyse mit ihren krausen Ideen zu einer – intendierten! – Reduktion menschlicher Freiheit, damit auch menschlicher Verantwortlichkeit beigetragen.
Soweit man die Psychoanalyse überhaupt auf einen rationalen Nenner bringen kann.

Politische Unfreiheit als Entlastungsmechanismus

Auf politischer Ebene will man derzeit offenbar nichts sehnlicher, wenn man den maßgeblichen österreichischen Politikern zuhört, als in einem Konglomerat, einem cluster, einer Verklumpung der europäischen Staaten unter ihrer Auflösung in einem allwissenden Superstaat aufzugehen.

Freiheit ist schwer. Was soll man mit ihr anfangen? In Zeiten rapide schwindenden Glaubens ist nämlich die Frage nach dem Sinn der Freiheit (bzw. nach dem Sinn des menschlichen Lebens überhaupt) praktisch nicht mehr beantwortbar. Somit ist auch die Freiheit im wahrsten Sinn des Wortes „sinn-los“ geworden. Es lebt sich dann angenehmer als „glücklicher“ Sklave von political correctness, „Integrations“-Rhetorik und EU-„Alternativlosigkeit“. Oder vermeintlich angenehmer, denn das Gewissen signalisiert Unbehagen.

Papst Leo XIII. Enzyklika Libertas praestantissimum als aktueller Text

Anlässlich der genannten Weichenstellungen und der Veröffentlichung dieses Dokuments eines großen Papstes als Hörbuch wollen wir daher einige grundsätzliche und aktuelle Erwägungen zur menschlichen Freiheit anstellen.

Beginnen wir am Anfang (Text nach http://www.kathpedia.com/index.php?title=Libertas_praestantissimum_%28Wortlaut%29, minimal redigiert):

Die Freiheit, diese äußerste wertvolle Gabe der Natur, kommt nur den Wesen zu, welche den Gebrauch der Intelligenz oder Vernunft besitzen. Sie verleiht dem Menschen jene Würde, wodurch er sich selbst in der Hand hat bei seinen Entschlüssen, und so Herr über seine eigenen Handlungen wird. Es kommt aber sehr darauf an, wie man sich dieser Würde bedient, da aus dem Gebrauch der Freiheit die höchsten Güter, aber auch die größten Übel erwachsen. Gewiss steht es in des Menschen Macht, der Vernunft zu gehorchen, das sittlich Gute zu wählen und geraden Wegs sein höchstes Ziel zu verfolgen. Doch kann er auch nach jeder Richtung hin abirren: er kann einem trügerischen Scheingute folgen und so die sittliche Ordnung stören und sich freiwillig ins Verderben stürzen (1).

Die Freiheit, das Übel, das Minderwertige, das Böse zu tun, gehört nicht zur Freiheit:

Missbrauch der Freiheit hebt sie selbst auf. Sich irren können und sich wirklich irren ist ein Fehler, der die Unvollkommenheit unseres Verstandes beweist; wenn auch das Verlangen nach einem trügerischen und nur scheinbaren Gute ein Beweis unserer Freiheit ist, wie auch krank sein noch ein Beweis des Lebens ist, so ist jenes Verlangen doch ein gewisser Mangel der Freiheit. Dadurch also, dass der Wille vom Verstande abhängig ist, verdirbt er, wenn er etwas der gesunden Vernunft Widersprechendes anstrebt, durch diesen Fehler die Freiheit in der Wurzel und begeht einen Missbrauch derselben. Aus eben diesem Grunde besitzt Gott, der unendlich Vollkommene, der die höchste Weisheit und die wesenhafte Güte selbst ist, die höchste Freiheit und kann das sittlich Böse in keiner Weise wollen; ebenso wenig können es die Seligen des Himmels, da sie die Anschauung des höchsten Gutes besitzen (6).

Der Katechismus der Katholischen Kirche von 1992 bringt es diesbezüglich mit einer eingängigen Formulierung auf den Punkt: „Je mehr man das Gute tut, desto freier wird man“ (KKK 1733).

Der Papst wusste auch um die Notwendigkeit des Gesetzes, vor allem um das im Gewissen erkennbare natürliche Sittengesetz:

Der letzte Grund, warum dem Menschen ein Gesetz notwendig ist, liegt mithin in dem freien Willen; unsere Willensentschlüsse sollen nämlich mit der rechten Vernunft im Einklang stehen. Nichts ist deshalb so falsch und so unsinnig, wie die Behauptung, der Mensch dürfe die Fessel des Gesetzes nicht tragen, weil er von Natur aus frei ist. Wenn das wahr wäre, so würde daraus notwendig folgen, zur Freiheit gehöre, dass sie mit der Vernunft nichts zu tun habe; gerade das Gegenteil ist zweifellos richtig (…).

Ein solches Gesetz ist an erster Stelle das Naturgesetz, welches geschrieben steht und eingegraben ist in die Seele jedes einzelnen Menschen; es ist nämlich die menschliche Vernunft selbst, die da das Gute befiehlt und das Böse verbietet (7f).

Hier ist schon der Dissens unserer Zeit gegen diese ewige Wahrheit zu erkennen. Die Zeichen sind an der Wand. Da und dort wird – trotz immer noch vorkommender emphatischer Berufung auf das „Gewissen“, besonders wenn es um Rechtfertigungen für den Bruch göttlicher Gesetze geht – das Gewissen als objektive Stimme im subjektiven Bewusstsein geleugnet und umgedeutet. Es ist ja doch lästig.

In diese Kerbe schlägt auch die „Moderne“ mit ihrer „Selbstemanzipierung“ und „Selbstermächtigung“ und wie die Schlagworte alle heißen mögen. Alles Selbstbetrug.

Liberalismus als Täuschung: Ideologie gegen echte Freiheit

Politisch brisant sind die Ausführungen des Papstes zum „Liberalismus“ seiner Zeit. (Man soll mit diesen Etiketten sehr vorsichtig sein, da sie ihre Bedeutung über die Zeit wandeln oder – durch das Auftreten von Gegensätzen – mehrere Facetten bekommen. Manche dieser „-ismen“ sind auch Fremdzuschreibungen mit polemischer Absicht.) Die Grundaussage von Papst Leo ist, dass der zu seiner Zeit orchestrierte „Liberalismus“ die Freiheit nicht nur nicht garantiert, sondern sie im Gegenteil unterminiert, und zwar durch die Zuerkennung von Legitimität an alle möglichen Irrtümer, die wiederum die Freiheit aufheben. Damit nützt er letztlich den skrupellosen Mächtigen, die sich ihrerseits von den Ansprüchen des Sittengesetzes dispensiert betrachten.

Nur wenn die (natürlich erkennbare und geoffenbarte) Wahrheit durch das Gemeinwesen geschützt wird, kann es in weiterer Folge Freiheit geben.

Als Beispiel sei nur die unbeschränkte Rede- und Pressefreiheit herausgegriffen, die damals als Popanz aufgebaut wurde, aber ihren Todeskeim schon in sich trug:

Wir brauchen kaum zu erwähnen, dass eine solche unbeschränkte, alles Maß und alle Schranken überschreitende Freiheit kein Recht auf Existenz besitzen kann. Das Recht ist nämlich eine sittliche Macht, und es ist daher töricht zu glauben, dasselbe sei von der Natur unterschiedslos und in gleichem Maße sowohl der Wahrheit wie der Lüge, der Sittlichkeit wie dem Laster verliehen. Es besteht ein Recht: das, was wahr und sittlich ist, frei und weise im Staat auszubreiten, damit es möglichst vielen zu gute komme; mit Recht unterdrückt aber die Obrigkeit, so viel sie kann, lügenhafte Meinungen, diese größte Pest des Geistes, wie auch Laster, welche die Seelen und die Sitten verderben, damit sie nicht zum Schaden des Staates um sich greifen (23).

Wir sehen derzeit ohnehin mit eigenen Augen, wie die unbeschränkte Pressefreiheit mit innerer Logik in ihr Gegenteil gekippt ist: Nachdem lange Zeit alles möglich war, ist aus Gründen der Staatsraison eine rigide rechtliche, politische und (pseudo-)moralische Beschränkung dessen, was man sagen oder schreiben darf, oktroyiert worden. Freiheit, die sich nicht an das Gute und die Wahrheit bindet, führt zwangsläufig in die Unfreiheit der Lüge. Das Gute setzt sich eben nicht automatisch durch. Es muss geschützt werden. Das sollte gerade im 20. Jahrhundert klar geworden sein.

Papst gegen den totalen Staatsutilitarismus

Die Enzyklika ist auch aus einem anderen Grund von aktueller Relevanz: Papst Leos Scharfsicht ließ ihn die Ideologie der USA kritisch bewerten. Der „Amerikanismus“ als geistesgeschichtliche Größe ist zwar ein komplexes Thema (der Ausdruck hat mehrere Facetten), in unseren Tagen spätestens ist jedoch klar geworden, dass der nackte Staatsutilitarismus („erlaubt ist, was uns nützt“) eine Gefährdung von Frieden und Freiheit darstellt. Die Vereinigten Staaten unterstützten im 19. und 20. Jahrhundert Revolutionen, wo es ihnen opportun erschien, und trugen somit zur Zerschlagung gewachsener Strukturen bei.

Auch Österreich war im Visier dieser Intrigenpolitik. (Es ist vielleicht auch in diesem Forum nicht überflüssig, in diesem Zusammenhang Heinrich Drimmels augenöffnendes Werk „Die Antipoden – Die neue Welt in den USA und das Österreich vor 1918“ noch einmal in Erinnerung zu rufen.) Dasselbe tun sie heute. Heute bedienen sich die USA, wie wir sehen, auch jihadistischer Gruppen (die sie ja angeblich bekämpfen) und rechtsradikaler Nationalisten, um andere Länder zu destabilisieren und sich dann dort als Ordnungsmacht ins Spiel zu bringen, Zugriff auf Bodenschätze inklusive. Kollateralschäden werden in Kauf genommen.

Hier ist der Utilitarismus zur völligen Abscheulichkeit aufgelaufen. Davor hatte Papst Leo gewarnt. Die falsch verstandene „Freiheit“ als Selbstermächtigung gegen andere.

Fazit

Unsere Zeit hat die ideologischen Vorgaben des „Liberalismus“ der Zeit von Papst Leo XIII. (heute eher das ganze linksliberale Sammelsurium: political correctness, mit ihren Zauberwörtern „Integration“, „Inklusion“, „Fortschritt“ u.s.w., dabei konfiskatorische Steuersätze und Ausufern der Staatskompetenzen) dermaßen internalisiert, dass sich nur ganz wenige fragen, ob Politik, Kultur und Geistesleben wirklich so sein müssen, wie sie sind, oder ob es nicht Alternativen gibt. Die Katholische Kirche hätte die Kompetenz, zur echten Freiheit im Geiste zu erziehen, da nur die Wahrheit frei macht (vgl. Joh 8, 32). Sie hätte auch die Kompetenz zur Ausbildung sozialer Strukturen, die weitgehend staatsunabhängig sind, vor allem der christlichen Familie.

Viele haben sich jedoch mit dem Status quo arrangiert. „Die glücklichen Sklaven sind die entschiedensten Gegner der Freiheit“, wie es sprichwörtlich heißt.

Leider hat auch die kirchliche Lehrverkündigung andere Wege beschritten – ohne allerdings formal das ältere Lehramt aufzuheben und aufheben zu können. Der politische Optimismus des II. Vaticanums hat sich als trügerisch und surreal erwiesen. Die Welt ist eben nicht so, wie man es in Dignitatis humanae und anderen Dokumenten herbeigewünscht hat. Die Folgen reichen von politischer Unfreiheit über die kulturelle Gleichschaltung bis zum persönlichen, selbst gewählten und internalisierten Zombietum.

Das gegenwärtige Lehramt, in diesem Fall die Enzyklika Evangelii gaudium des regierenden Papstes, ist übrigens inhaltlich äußerst schwer nachzuvollziehen. Es bleibt offen, was hier überhaupt intendiert ist. Im Gegensatz zu den lehramtlichen Erklärungen der Päpste des 19. Jahrhunderts ist diese „exhortatio“ eine Äußerung des Lehramtes, das die alten Maßstäbe verloren hat und sich in uferlose und verworrene Wortkaskaden auflöst.

Daher wäre es ein großer Segen, sich an den präzisen, nachvollziehbaren und relativ knapp gehaltenen Ausführungen von Leo XIII. zu orientieren.

Die Veröffentlichung einer historischen, aber überzeitlich aktuellen und gegenwärtig überaus relevanten Enzyklika als Hörbuch ist eine originelle und fortsetzungswürdige Idee. Der verlesene Text verdient auf alle Fälle gründliches Studium.

Wolfram Schrems, Mag. theol., Mag. phil., Linz und Wien, kirchlich gesendeter Katechist

Libertas praestantissimum – Die Freiheit ist das Vorzüglichste!
Enzyklika Leo XIII., 20. Juni 1888; 2 Audio-CD, Spieldauer 1:28 h, Sarto, 2014. http://www.sarto.de

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Was ist liberal?

06. April 2014 01:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Volkspartei will liberaler werden, heißt es allenthalben. Würde sie das nur! Die ÖVP wird jedoch das Gegenteil, also linker und nicht liberaler.

Es sei denn, man spricht Amerikanisch, wo liberal (betont auf der ersten Silbe) das dort unbekannte „sozialdemokratisch“ bedeutet. Mehr Staatseinfluss, mehr Steuern, reglementierte Schulen, Bevorzugung von Schwulen. Die europäische Bedeutung von liberal (betont auf der letzten Silbe) heißt jedoch etwas ganz anderes: Weniger Staat – gleichgültig ob es um den Staat in seiner europäischen oder seiner nationalen Ausprägung geht –, niedrigere Steuern, mehr Freiheit und Vielfalt.

Wenn die Salzburger und steirische ÖVP sich neu, linker positionieren wollen, dann mögen sie nur. Die ÖVP ist ja auch schon davor von dem famosen Josef Pröll etliche Kilometer zum amerikanischen liberal hingeleitet worden. Selbstmord, auch politischer, ist ja straffrei.

Aber es ist einfach eine intellektuelle Zumutung, wenn ein Herr Haslauer, ein Herr Drexler und offensichtlich auch zwei oder drei neue Minister ihren Linksmarsch als liberal bezeichnen. Wenn sie – und die linken Mainstream-Medien – mit liberal nicht mehr liberal, sondern liberal meinen. Was sie offenbar nicht wissen: Rot, Grün und Pink sind schon erfunden. Da ist kein Platz mehr.

In jedem anderen Land der Welt hingegen hat der klassische Liberalismus vereint mit dem Konservativismus, zu dem auch das nationale und identitäre Denken gehören, die Mehrheit. Nur in Österreich nicht. Meinen die meist sehr provinziellen ÖVP-Wender, dass es ausgerechnet hierzulande nur noch linke, aber keine liberalen und konservativen Menschen mehr gibt? Oder verwechseln sie gar veröffentlichte mit öffentlicher Meinung?

Der große Vordenker des liberalen Denkens, Friedrich August Hayek, sieht zwar viele Ähnlichkeiten zwischen konservativ und liberal. Er hat sich aber primär immer deshalb als Liberaler bezeichnet, weil die Konservativen den Linken leider nur zeitweiligen Widerstand leisten. Liberale wüssten hingegen immer, wofür sie stehen. Während Konservative nach verlorener Schlacht oft das für richtig hielten, was die Linken durchgesetzt haben, wird das ein Liberaler nie tun. So Hayek in einem hochinteressanten Text.

In der Folge einige Punkte, wo etliche Schwarze heute glauben, durch Linksrücken liberal zu werden. Wo sie aber eben bestenfalls liberal werden, also sozialdemokratisch mit der Betonung auf der ersten Silbe.

Gesamtschule

Gegen die Neue Mittelschule sprechen aus liberaler Sicht schon die weit höheren Kosten für die Gesamtschule bei schlechteren Ergebnissen als die einstige Hauptschule. Dieser Kosten hat sich aber einst nicht nur die SPÖ, sondern auch die Pröll-Amon-ÖVP berühmt.

Statt des linken Prinzips von höheren Kosten (wie immer zu Lasten der Steuerzahler) und von noch mehr Egalität wären natürlich auch beim Schulthema ganz andere Grundsätze liberal (und richtig): öffentliche Sparsamkeit, individuelle Freiheit und mehr Leistung. Es ist mehr als erstaunlich, dass all die progressiven Anhänger der Gesamtschule die katastrophalen Ergebnisse der NMS im Inland und fast aller Gesamtschulen im Ausland einfach wegignorieren.

Jetzt werden die Schulen halt einfach nicht mehr getestet – und die „Liberalen“ schweigen. Ebenso wie sie zu den wirklichen Gründen schweigen, warum Finnland als einziges europäisches Gesamtschulland bei internationalen Tests gut abscheidet: Dort gibt es nämlich im Vergleich zu Österreich kaum ein Zehntel der Zuwanderer aus fremdsprachigen Kulturen.

Besonders unliberal an jeder Gesamtschule ist aber noch etwas ganz anderes: der mit ihrer Einführung verbundene Zwang. Liberal wäre ganz eindeutig das Gegenteil. Also dass jeder (je nach Alter: Eltern, Schüler) völlig frei den Schultyp auswählen können soll. Dass es schon ab dem sechsten Lebensjahr eine Vielfalt vom Staat gleich behandelter Schul- und Unterrichtsformen gibt; und dass es erst recht ab dem zehnten Lebensjahr mehr als die gegenwärtigen zwei Formen gibt. Aber keinesfalls nur eine einzige Form.

Das rot-grün-pinke Projekt einer Gesamtschule (oder wie sie von manchen sprachlich getarnt wird: einer „gemeinschaftlichen“ Schule) ist natürlich das absolute Gegenteil von einer solchen Wahlfreiheit.

Meinungsfreiheit

Kein einziges Mal hat sich einer der jetzt angeblich „Liberalen“ (ob in der ÖVP oder bei den Neos) gegen die fortschreitende Einschränkung der Meinungsfreiheit durch Strafgesetze gestellt. Dabei ist Meinungsfreiheit wohl überhaupt einer der obersten liberalen Werte. Diese Einschränkung erinnert lebhaft an Metternich mit seiner Zensur. Sie geschieht durch Gummiparagraphen nach Art der „Verhetzung“ oder den Ungeist der Political correctness.

Immer wieder muss man die „Liberalen“, die links für liberal halten, an Voltaire erinnern, der bis zum letzten die Meinungsfreiheit verteidigt hat. Er hat das gerade dann getan, wenn mit deren Hilfe ein totaler Unsinn gesagt wird, wenn Meinungsfreiheit für total Unrichtiges verwendet wird.

Abgesehen von der philosophischen Erkenntnis, dass zumindest in der diesseitigen Welt ohnedies niemand die ganze Wahrheit kennt: Die einst so bitter erkämpfte Meinungsfreiheit wird ja nur dann relevant, wenn jemand einer dummen oder falschen Meinung ist.

Vertragsfreiheit

Ein besonders wichtiger Teil der Freiheiten, für die wirklich Liberale immer gekämpft haben, ist die Vertragsfreiheit. Diese soll nun nach Wunsch breiter Teile der EU-Kommission durch ein sogenanntes „Diskriminierungsverbot“ auch im privaten Bereich dramatisch eingeschränkt werden. Nach Wunsch dieser immer stärker links beherrschten EU-Kommission wird man künftig als Arbeitgeber oder Wohnungsvermieter selbst beweisen müssen, warum man nicht den sich bewerbenden Schwulen oder Moslem angestellt beziehungsweise die Wohnung gegeben hat. Andere Bewerber kann man hingegen argumentationslos abweisen.

Das ist eine ganz dramatische Einschränkung der Vertragsfreiheit. Diese ist bisher dankenswerterweise auch zwei Mal von der ÖVP, als sie noch nicht so fortschrittlich-linksliberal war, abgelehnt worden.

Jetzt aber lässt sie – offenbar fortschrittlich geworden – auf EU-Ebene dem extrem links agierenden Sozialministerium unwidersprochen freie Bahn. Was der SPÖ die nächste Attacke auf die individuelle Freiheit ermöglicht (auch wenn man vor den EU-Wahlen wohlweislich nicht davon spricht).

Steuern

Da wurde vor der Wahl liberal versprochen, dass es mit der ÖVP keine Steuererhöhungen geben werde. Nach der Wahl legte der ÖVP-Obmann höchstpersönlich und ohne kommunizierte Not solche vor.

Die Steuerfrage ist übrigens von den hier aufgezählten der einzige Punkt, wo die Neos tatsächlich liberal im klassischen Sinne sind. Ansonsten positionieren sie sich ja leider meist links von der ÖVP.

Schwulenehe

Ein wirklich Liberaler würde bis heute vehement dagegen protestieren, dass seit einigen Jahren eine neue Gruppe ohne jeden Grund Privilegien zu Lasten Dritter bekommen hat. Diese Privilegien, welche die Schwulenaktivisten erkämpft haben, sind die Eintrittsrechte in Billigmieten zu Lasten von Wohnungseigentümern; sind die Gratis-Witwer-Pensionen, die sie nun Pröll und Gusenbauer sei Dank von uns erhalten.

Davon redet jedoch keiner der angeblich Liberalen. Vordergründig wird vielmehr um die Lächerlichkeit gestritten, ob Schwule nun „Nachnamen“ oder „Familiennamen“ haben. Was seit der prinzipiellen Kursänderung unter Josef Pröll nun schon wirklich wurscht ist.

Noch absurder ist: Die konservativen Katholiken kämpfen jetzt stark dagegen, dass schwule Verpartnerungen auf Standesämtern stattfinden. Statt dass sie gerade als Katholiken gegen JEDE Zeremonie auf Standesämtern eintreten. Genauso wie es jeder wirklich Liberale täte. Was diese Katholiken offenbar nicht mehr wissen: Die staatlichen Eheschließungen in der heutigen Form sind in Österreich erst im 20. Jahrhundert eingeführt worden – als Kampfinstrument gegen die religiöse Eheschließung.

Genauso kommen wirklich Liberale zu dem Schluss: Der Staat sollte absolut nichts mit irgendeiner privaten Zeremonie zu tun haben. Christen können eine solche in der Kirche veranstalten, und jeder andere, wo er sonst will. Am Donauturm, im alten Rittersaal, im Hubschrauber, im Gasthaus-Festsaal, in der Moschee.

Der Staat selbst hat hingegen so wie bei der Geburt, bei der Scheidung und beim Tod überhaupt nichts zu organisieren. Und schon gar nicht peinlich-schwülstige Hochzeitsreden eines Beamten. Der Staat hat ohne jede Zeremonie zu beurkunden und die rechtlichen Voraussetzungen zu prüfen. Aus.

Übrigens: Eheschließungen gingen einen liberalen Staat auch dann nichts an, wenn nicht ohnedies mindestens jede zweite Ehe in Trümmern, also meist Scheidungen enden würde.

Wenn sie dann gar kein Argument mehr haben, holen dann die Schwulen-Aktivisten ihr letztes Argument hervor: Aber Homosexuelle würden sich doch so brav und fürsorglich umeinander kümmern. Nun, glauben wir halt diese Behauptung (auch wenn wir keine statistische Evidenz dafür gefunden haben). Fragen wir lieber: Wenn das der Grund für die finanzielle Freizügigkeit des Staates sein soll – was ist dann mit all jenen, die sich ebenfalls brav und fürsorglich umeinander kümmern, aber ohne eine Ehe abschließen zu können oder wollen?

Was ist etwa mit den alt gewordenen Geschwistern, die sich in weit größerer Zahl um einander kümmern? Sollen die etwa gar vorgeben, eine inzestuöse Beziehung zu haben? Was ist mit den Bewohnern eines Klosters? Warum bekommt jener Mönch, der immer gekocht und geputzt hat, dann nicht auch eine Witwerrente nach dem anderen Mönch, der staatlicher Schulprofessor gewesen ist?

Witwenrenten

Ein wirklich Liberaler würde auch längst schon dagegen kämpfen, dass kinderlose Ehepartner eine fette Witwer- oder Witwenrente bekommen. Ohne dass für diese jemals ein Cent eingezahlt worden wäre. Warum bitte? Warum bekommen solche Hinterbliebene über ihre Eigenpension hinaus noch eine zweite Pension? Wo war ihre Leistung?

Bei der Einführung der Witwenrenten im 19. Jahrhundert hat man natürlich nur an die Versorgung von Witwen gedacht, die den Großteil ihres Arbeitslebens mit der Kinderaufzucht verbracht haben und die deswegen ohne Eigenpension dagestanden sind. Oder an die bei einem Arbeitsunfall früh verstorbenen Familienerhalter. Damals ist man ja meist vor dem Pensionierungsdatum gestorben. Damals hat ja fast jede Ehe Kinder in die Welt gesetzt oder zumindest diese Absicht gehabt. Da war es logisch und einfacher, gleich alle Witwen zu versorgen.

Das ist heute gewiss nicht mehr der Fall. Viele Ehen bleiben kinderlos. Die Gratis-Witwenrente ist sicher nicht für die Luxuspartnerin gedacht, die ohne Arbeitstätigkeit das Leben an der Seite des Karriere-Mannes verbringt und die sich nicht mit Lästigkeiten wie Kindern abgibt. Die dann aber eine dicke Witwen-Pension erhält.

Liberal heißt zum Unterschied von Interessenpolitik eben immer, nach rationalen, sparsamen und gerechten Lösungen zu suchen. Eine Berechtigung für solche Witwenrenten gibt es in einer liberalen Perspektive immer nur, wenn Kinder betreut worden sind.

Liberal vs. konservativ

Auch hier deckt sich übrigens eine echt liberale Sichtweise so wie in der Schulfrage weitgehend mit einer wertkonservativen. Nur haben skurrilerweise die Verbands-Konservativen – etwa die Familienverbände – nie nach der Abschaffung von Witwenrenten für Kinderlose gerufen. Dabei gäbe es wahrscheinlich nur so mehr Geld für Mehrkinderfamilien.

PS: Zeigt nicht der Wahlerfolg der Neos den Trend zu linker Liberalität? Nein, denn in den nie präzise werdenden Wortschwall des Matthias Strolz projiziert jeder etwas total anderes hinein. Und kaum werden die Neos präziser, dann wird bei ihnen wie einst bei Heide Schmidt liberal ganz offenkundig auch auf der ersten Silbe betont. Das kann man an der pinken Unterstützung für die Zwangsgesamtschule genauso ablesen wie an ihrer undifferenzierten Unterstützung für alle schwulen Anliegen.

PPS: Wer in den letzten Monaten nach irgendwelchen Positionslichtern des ÖVP-Obmannes zu den einschlägigen Streitpunkten sucht, der wird keine finden. Er hat sich ja von einem skurrilen PR-Berater ins Finanzministerium treiben lassen, wo er sich als schwer überfordert zeigt. Und schweigt ansonsten überall, wo die schlingernde ÖVP dringend Führung bräuchte.

 

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Wofür der Kapitalismus nichts kann

03. April 2014 20:22 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Die politische Klasse hat es, Hand in Hand mit den ihr treu verbundenen Lohnschreibern der Massenmedien und den Intellektuellen, geschafft, faktisch alles Böse auf dieser Welt dem Kapitalismus anzulasten. Wie schon anno 1929 ist es ihr beispielsweise in unseren Tagen neuerlich geglückt, die nahezu ausschließlich auf ihrer Seite liegende Schuld an der 2008 ausgebrochenen Wirtschafts- Schulden- und Finanzkrise dem freien Markt und dessen Protagonisten zuzuschieben. Haltet den Dieb! Den „Primat der Politik über die Wirtschaft wiederherzustellen“, wie allenthalben gefordert, heißt folgerichtig, den Bock zum Gärtner zu machen.

Aber nicht nur die üblichen Verdächtigen aus marktfernen, steuerfinanzierten Biotopen im Dunstkreis von Universitäten und Interessenverbänden ziehen hemmungslos gegen all das zu Felde, was nicht unter staatlicher Kuratel steht. Auch die Kirchen sehen sich offensichtlich zum fröhlichen Kapitalismusbashing genötigt. Debattenbeiträge, die von Funktionären der Caritas oder der Diakonie zu Wirtschafts- und Verteilungsfragen abgegeben werden, sind von Stellungnahmen des gewerkschaftlichen Linksblocks mit freiem Auge nicht zu unterscheiden. Papst Johannes Paul II. wusste – dank persönlich gemachter Erfahrungen – noch sehr genau, wie der einzige erprobte Gegenentwurf zum Kapitalismus aussieht, den er folglich zeitlebens entsprechend engagiert bekämpfte. Der gegenwärtige Bischof von Rom, Franziskus, mischte sich hingegen ganz zwanglos unter die rabiatesten antikapitalistischen Scharfmacher. Er erhält für die in seinem Lehrschreiben „Evangelii Gaudium“ geübte, von keinerlei Sachkunde belastete „Systemkritik“, postwendend stehende Ovationen seitens eingefleischter Kommunisten.

Angesichts der unentwegten Kapitalismusschelte, die einem Aufstand gegen Aufklärung und Vernunft gleichkommt und mit einem nahezu totalen ökonomischen Analphabetismus der meisten Zeitgenossen einhergeht, sind sämtliche Initiativen zu begrüßen, die den Kampf gegen irrationale Feindbilder und Mythenbildungen auf ihre Fahnen schreiben. Eine Speerspitze im Kampf gegen die Verbreitung ökonomischen Unsinns bildet die vom ehemaligen Wirtschaftschefredakteur der Wiener „Presse“, Franz Schellhorn, geführte liberale Denkfabrik „Agenda Austria“. Am 1. April (kein Scherz!) war der Autor des Buches „Zivilkapitalismus – Wir können auch anders“ und Mitbegründer des Wirtschaftsmagazins „brandeins“, Wolf Lotter, in deren Räumlichkeiten zu Gast.

Lotter sieht das Problem des zeitgeistigen, alle sozialen Klassen, Bildungs- und Berufsschichten durchdringenden Antikapitalismus darin, nicht über verstaubte Vorurteile, platte Polemik und tausendfach widerlegte Glaubenssätze hinauszukommen und keinerlei Gegenentwürfe anbieten zu können. Es ist ein Missverständnis, dass ein auf Privateigentum und Vertragfreiheit basierendes Marktsystem einen Rechtsanspruch auf Glück garantiert. Es verbessert lediglich die dem Einzelnen zur Verfügung stehenden, materiellen Voraussetzungen, um nach Glück zu streben.

Ein zweifellos nicht perfektes „System“ zu kritisieren, dessen Wesen und Funktion man nicht begreift (Kapitalismus ist eben kein „System“ und keine Ideologie, sondern einfach ein Werkzeug!) fällt leicht. Die Formulierung von Verbesserungsvorschlägen, die nicht auf romantische Träumereien und/oder totalitäre Zwangsanstalten hinauslaufen und die ohne die Züchtung eines „Neuen Menschen“ auskommen, sucht man indes weithin vergebens.

Lotter sieht, wie weiland Friedrich August Hayek, die Verwirklichung politischer Freiheit eng an die Voraussetzung wirtschaftlicher Freiheit gebunden. Ohne ökonomische Autonomie gibt es kein selbst bestimmtes Leben: „Jeder Intellektuelle erhält Applaus, wenn er ökonomische Unbedarftheit zur Schau stellt. Nicht über Granderwasser Bescheid zu wissen, führt ihn indes ins Abseits.“

Dass jetzt das große Lamento anhebt, da der Kapitalismus die alte, auf Status basierende Feudalgesellschaft durch eine „meritokratische“ Vertragsgesellschaft ersetzt und eine zuvor nie gekannte Chancengleichheit herbeigeführt hat – die dank der natürlichen Ungleichverteilung menschlicher Talente natürlich auch wirtschaftliche Ungleichheit nach sich zieht – ist als Treppenwitz der Geschichte zu verbuchen.

Jeder ist seines Glückes Schmied. „Der Liberalismus ist ein Projekt, das der Entmachtung dient.“ Sich der hohen Politik auszuliefern, anstatt sein Schicksal selbst bei den Hörnern zu packen, muss daher in der Unfreiheit enden. „Der Job jedes Einzelnen ist es daher, erwachsen zu werden…“ – und sich jeden (staatlichen) Paternalismus zu verbitten!

http://www.amazon.de/Zivilkapitalismus-Wir-k%C3%B6nnen-auch-anders/dp/3570552314
http://www.brandeins.de/
http://ef-magazin.de/2013/12/06/4721-evangelii-gaudium-harsche-kapitalismuskritik-aus-dem-vatikan

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Der schwerste antikirchliche Vandalismus der Nachkriegszeit, aber Bischöfe und Politik schweigen

31. März 2014 03:43 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In Wien kommt es zu einem schweren Vandalismus gegen gleich vier Kirchen. An einem der Tatorte wird auch der Täter gefasst – aber die Behörden lassen den 37-jährigen Ibrahim gleich wieder frei. Sie bezeichnen seltsamerweise dessen klar muslimisch klingende Motivation als wirres Gerede. Das alles erinnert lebhaft an die Christen in Ägypten: In dem einst christlichen Land kann die christliche Minderheit nur noch unter massivem Polizeischutz ihre Gottesdienste abhalten. (Mit nachträglicher Ergänzung und Präzisierung)

Dennoch sind dort schon an die hundert Kirchen zerstört worden. Und bei uns? Da schauen die Behörden lieber überhaupt weg.

Niemand interessiert sich für die radikalen Imame in den Moscheen, ihre Lehren und Gefolgsleute. Für den Religionsunterricht in manchen Schulen (den wir finanzieren). Für die jungen Moslems, die gerade in Syrien das radikalislamische Tötungshandwerk lernen (und die in Relation zur Bevölkerungsgröße aus Österreich deutlich zahlreicher sind als aus Deutschland, wo aber der Bundesnachrichtendienst massiv aufpasst). Für die Tatsache, dass hierzulande der Islam schon unter allen 28 EU-Ländern den zweithöchsten Anteil aufweist (obwohl Österreich null koloniale Vergangenheit hat).

In Österreich schaut man lieber weg – oder reagiert wie das Kaninchen angesichts der Schlange. In Österreich setzen Rot und Grün schon auf die islamischen Stimmen (so wie ihre Schwesterparteien in Deutschland). In Österreich hat man bei der Volkspartei schon zunehmend ein Appeasement-Gefühl (statt dass sie den Freiheitlichen endlich deren stärkstes Wählermotiv streitig machen würde). In Österreich werden nur Islamkritiker verurteilt (weil sie den Geschlechtsverkehr des Islam-Gründers Mohammed mit einer Neunjährigen als das bezeichnen, was er ist). In Österreich wird die tapfere Initiative Liberaler (=europäischer) Muslime von Morddrohungen verfolgt, während Exekutive und Justiz desinteressiert sind. In Österreich fließt wohl eher die Donau nach Deutschland, als dass einer der feigen Bischöfe endlich den Mund aufmachen und Klartext sprechen würde (oder diese treten höchstens an der Seite der Moslems lautstark für das Schächten ein, das meines Wissens kein christlicher Brauch ist).

So viel Dummheit tut weh.

Irgendwie erinnert sie an kleine Kinder, die ihr Gesicht hinter beiden Händen verbergen, weil sie glauben, dass sie dadurch die Existenz von Unangenehmem verhindern. Die österreichische Politik verbirgt sich hinter beiden Händen, bis es zu spät ist. Viele meinen, dass es eh schon zu spät sei.

Nachträgliche Ergänzung, um niemandem Unrecht zu tun: Möglicherweise handelt es sich bei dem Namen des Afrikaners um einen christlichen und Hintergrund seiner Tat ist eine Wiederbelebung des in Europa schon längst ausgestorbenen Bilderstürmertums mit sektiererisch-protestantischer Motivation. Absout unverständlich ist aber jedenfalls, weshalb die Exekutive den Mann erst im Laufe der Woche wieder vorgeladen hat - obwohl sie bei seiner Freilassung vorerst nur von einer Kirche, nicht von der Zerstörung gleich in vier Kirchen gewusst hat. Und unverständlich ist auch die desinteressierte und total lückenhafte Informationspolitik der Sicherheitsbehörden.
Und: Aus kirchlichen Kreisen heißt es (vorerst unbestätigt), es seien sogar sechs Kirchen mit zum Teil erheblichen Schäden betroffen.

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Ukraine, Neutralität und der Herr Kurz

28. März 2014 00:17 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ist Sebastian Kurz endgültig die letzte, die vergangene Zukunft der ÖVP? Ist der Mann von allen guten Geistern verlassen? Reihum gibt der Mann nämlich Interviews, in denen er die Neutralität der Ukraine vorschlägt. Ja, er schickt zur Belehrung über selbige sogar schon Diplomaten nach Kiew. Kurz meint nun offenbar – wenige Jahre nachdem die Volkspartei richtigerweise die Neutralität mit Mozartkugeln verglichen hatte! –, die Welt solle am österreichischen Wesen genesen. Es wäre ziemlich gut, würde der junge Mann wenigstens ein bisschen Geschichte lernen, bevor er sich gar so peinlich exponiert.

Gewiss: Ich kann mir schon vorstellen, dass von Raiffeisen bis zur Gasindustrie viele auf dem jungen Minister und wohl auch seinem Parteiobmann draufsitzen. Alle bangen sie um ihre Geschäfte.

Aber alle diese bangenden Manager vergessen, dass bei einem Zusammenbruch der internationalen Ordnung ihre Geschäfte noch tausendmal mehr beim Teufel sind, als wenn man ein bisschen Mut und Grundsatztreue zeigt. Und diese Ordnung kollabiert mit Sicherheit total, wenn Armeen wieder folgenlos in andere Länder einmarschieren können. Wer da zur Tagesordnung übergehen will, vergisst die entscheidenden Grundlagen, auf denen auch seine Geschäfte stattfinden.

Diese Geschäftemacher vergessen überdies, dass Russland jede Maßnahme viel mehr spüren wird. Und dass es schon heute in völlig unerwartetem Umfang unter den scheinbar noch sehr harmlosen Beschlüssen leidet. Sie übersehen völlig die Wirkungen, die jetzt schon die Bankmaßnahmen und die Einreiseverbote für einige russische Drahtzieher haben.

Denn große Geldmengen sind in den letzten Wochen insbesondere auch von Russen aus Russland abgezogen worden. Moskau kann seine Refinanzierung ab Mitte des Jahres nicht mehr sicherstellen. Russische Anleihen werden inzwischen sogar als weit schlechter angesehen denn selbst griechische. Viele Investitionen in Russland sind abgesagt worden. Würde Russland nun im Gegenzug seine Gas- und Öllieferungen stoppen, wäre das Land überhaupt blitzschnell bankrott – was Putin daher nur täte, wenn er völlig wahnsinnig wäre. Die Ersatzlieferanten von (verflüssigtem) Gas für spätere Jahre stehen seit ein paar Wochen in Europa geradezu Schlange, was in wenigen Jahren das russische Gaseinkommen total schrumpfen lassen wird. Und auch die Halbinsel Krim hat sich für Russland als teures Fass ohne Boden erwiesen.

Nachdem Russland gerade in Sotschi schon so viel Geld relativ sinnlos ausgegeben hat, steht es also ziemlich katastrophal da. Die Sanktionen und die Sanktionsdrohungen der USA und aller westeuropäischen Staaten zeigen erstaunliche Wirkung. Das und nur das macht Hoffnung, dass sich zumindest die Krim nicht wiederholen wird. Ganz eindeutig sind die internationalen Verbindungen der Weltwirtschaft heute weit enger und dichter, als sie jemals vor den beiden Weltkriegen waren. Das wird nun Putin – trotz aller Popularität, die er mit seiner nationalistischen Scharfmacherei im Inland gewinnt, – zunehmend klar. Das könnte ihn auch von weiteren Abenteuern abhalten.

Das ist die beste Nachricht dieser letzten Wochen. Neben der Standfestigkeit des Westens lässt die Globalisierung mit großer Wahrscheinlichkeit jetzt in Moskau wieder die Rationalität obsiegen.

Neutralität hat es 1955 nur nach dem  Abzug der Sowjets gegeben

Umso dümmer sind jene Stimmen insbesondere in Österreich, die täglich Angst vor Russland äußern und die darum betteln, nur ja nichts Kritisches gegen die Invasoren zu sagen. Umso dümmer ist es – für einen Außenminister, einen Regierungschef, einen Bundespräsidenten – nicht ständig den zentralen Satz zu sagen, den gerade Repräsentanten eines kleinen Landes ständig sagen müssten: Es ist einzig und allein Sache jedes Landes selber, wie es sich außen- und sicherheitspolitisch orientiert; die Zeiten von Einfluss-Sphären sind vorbei.

Erschütternder Weise hört man in Österreich nie diesen Satz in aller gebotenen Deutlichkeit. Statt dessen vernimmt man regierungsoffizielle Lächerlichkeiten über eine Neutralisierung der Ukraine.

Schlimm. Sollen die Mozartkugeln jetzt auch bei den Schwarzen die nationale Ersatzdoktrin werden? Nur weil es die Kronenzeitung so will und weil die (in Sachen Neutralität einst durchaus vernünftigen) Blauen schon umgefallen sind?

Jede vernünftige Außenpolitik wüsste: Erst wenn aus der ukrainischen Führung der klare Wille zur Neutralität kommt oder zumindest eine klare Anfrage, hat man das Wort in den Mund zu nehmen, und hat man die Geschichte der Neutralität möglich objektiv darzulegen. Aber wahrscheinlich ist ja dieses Wissen um die Neutralität in der Generation von Kurz und seinen „strategischen Beratern“ verloren gegangen.

Würden Österreich wirklich gefragt, dann hätte es ohne Herumreden klarzumachen:

Denn es war damals bei Schwarz wie Rot ganz selbstverständlich: Vor jedem Gedanken an eine aus „freien Stücken“ erklärte Neutralität muss es den kompletten und restlosen Abzug aller fremden Truppen geben. Insbesondere der sowjetischen mit ihren bösen Übergriffen, die bei vielen Österreichern sogar die Nazi-Katastrophe und ihre Verbrechen in den Hintergrund gedrängt hatten.

Der Abzug der Besatzer, aller Besatzer und nicht etwa die Neutralität war damals zehn Jahre lang das Ziel aller Österreicher (außer der Kommunisten). Obwohl es jedem einzelnen damals viel schlechter gegangen ist als heute. Obwohl noch in den 50er Jahren Hunderttausende junge Menschen auswandern mussten (nicht nur ein Frank Stronach). Kein Österreicher hätte eine Neutralität nur westlich der Enns akzeptiert. Dieser Teil Österreichs wäre bei einer sowjetischen Okkupation des Ostens mit Sicherheit sofort der Nato beigetreten.

Aber rätselhafterweise bleibt all das ungesagt.

Es ist manches Mal recht schwer, ein Österreicher zu sein.

 

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Selbstbestimmung oder: Wie ähnlich sind die Krim und der Kosovo?

21. März 2014 00:48 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Absolut faszinierend, wie selektiv viele derzeit argumentieren, wenn sie die Krim und den Kosovo vergleichen. Die einen sehen nur die Gemeinsamkeiten, die anderen nur die Unterschiede. Und die dritten haben überhaupt keine objektiven Maßstäbe.

Viele stehen dort, wo ihre Lager, ihre Länder schon vor hundert Jahren gestanden sind. Prorussisch oder antirussisch. Eine Ausnahme bildet nur die FPÖ, die beklemmenderweise plötzlich zum Parteigänger Moskaus geworden ist. Jenseits der Lager sollte man aber die Fakten nüchtern betrachten und objektiv die einzelnen Punkte vergleichen.

Was gegen Moskau spricht

Auch für Moskau spricht einiges

Das heißt aber nicht, dass nicht auch für die russische Argumentation und die Gleichsetzung Kosovo-Krim einige Punkte sprächen:

Eine echte Selbstbestimmung muss sehr klar und konsistent erfolgen. Weder Moskau noch die Mehrheit des Westens haben dafür aber bisher auch nur irgendwelche Vorschläge gemacht. Der Westen sagt nur immer "So nicht". Aber er sagt nie: Wie sonst. Und Russland handelt einfach, ohne lange nachzudenken. Der Krim-Schock wäre jedoch der ideale Zeitpunkt, sich auf solche Regeln zu einigen. Da eigentlich beide Seiten eine Verrechtlichung dieser Frage wollen.

Dabei wären etwa folgende Eckpunkte der Selbstbestimmung sinnvoll:

  1. Mindestens sechs Monate lang freie Information durch alle Seiten;
  2. Eine international überwachte Abstimmung;
  3. Eine eindeutige, durch internationale Richter bestimmte Formulierung der Referendumsfrage;
  4. Mindestens eine Mehrheit von 50 Prozent der Wahlberechtigten (nicht nur der Abstimmenden) muss sich für neue Grenzen aussprechen;
  5. Auch in allen Untergebieten (Kreisen, Bezirken) muss es eine Mehrheit geben, damit auch diese den Weg der Selbstbestimmung gehen könnten;
  6. Es muss jedenfalls schon vor jeder Selbstbestimmung ein ganz klares Minderheitenschutzrecht gelten;
  7. Eine solche Abstimmung ist im Abstand von sechs Monaten zu wiederholen, damit keine zufälligen Tages-Emotionen mitspielen.

Aber weder diese noch irgendwelche andere Regeln werden auch nur diskutiert. Dabei müssten eigentlich beide Seiten jetzt die Chance dafür sehen, durch Entwicklung und Festlegung solcher Regeln ein neuerliches Krim-Chaos zu verhindern, das ja keiner will. Die einen reden immer nur von Moskaus Rechtsbruch, die anderen reden zwar von der Selbstbestimmung, aber unter völlig unakzeptablen Begleitumständen.

Gar so gern hat man in Moskau übrigens den von Machthaber Putin selbst bei der Invasion formulierten Vergleich mit dem Kosovo inzwischen ohnedies nicht mehr. Denn im Kosovo hat sich Moskau ja eindeutig gegen das Selbstbestimmungsrecht gestellt. Russland agiert also sehr inkonsistent.

Bei allen Vorwürfen gegen die EU und die USA ist letztlich eindeutig: Konkretes Recht gebrochen hat nur Russland.

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Ich zahle Nowotnys Lehrgeld (beinahe) gerne

09. März 2014 01:31 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Rund um die Hypo tobt ein Atomkrieg. Jeder gegen Jeden. Niemand will für den Mist zahlen, den Jörg Haider, Josef Pröll, Werner Faymann, Michael Spindelegger und noch viele andere (unter kräftiger Mitwirkung der Nationalbank) angerichtet haben. Als Steuerzahler weiß ich freilich längst, dass die Rechnung so oder so auf meinem Tisch landen wird. Das hat mich wochenlang geärgert. Seit kurzem zahle ich aber (fast) gerne. Denn wenigstens Ewald Nowotny, der OeNB-Präsident und SPÖ-Veteran, hat bei der Hypo Wichtiges gelernt.

Er hat im „Wirtschaftsblatt“ etwas gesagt, das bei einem langjährigen Keynesianer alles Lehrgeld dieser Welt wert ist. Hier der Wortlaut dessen, was Nowotny aus der Hypo-Affäre gelernt hat: „Eine weitere Lehre ist – und die habe ich erst im Lauf meines Lebens registriert – die Skepsis gegenüber Banken im öffentlichen Eigentum. Es herrscht hier immer wieder die Gefahr, dass es zu politischen Einflüssen kommt. Insofern ist die Hypo Alpe Adria ein dramatisches und abschreckendes Beispiel, was geschehen kann, wenn sich verantwortungslose Landespolitik zum Herrn einer Bank aufspielt.“

Diese Sätze sind wirklich Goldes wert! Alle Politiker sollten sie sich in Großbuchstaben aufhängen und täglich memorieren, vor allem jene von Rot und Grün. Denn dort gibt es immer noch welche, die aus ideologischer Verblendung im staatlichen Eigentum etwas Positives sehen wollen. Trotz der katastrophalen Erfahrungen mit dem Staat als Eigentümer eines Unternehmens. Er hat in der verstaatlichten Industrie genauso versagt wie als Eigentümer von Landesbanken – deren Reigen von der Bank Austria (vulgo Zentralsparkassa) über die Bank Burgenland bis zur Hypo Alpen-Adria geht – und bundeseigenen Banken. Zu denen hatten einst etwa die Riesen Creditanstalt und Länderbank gehört. Auch die Bawag war übrigens nicht gerade parteifern. Überall hat es verderbliche politische Einflüsse gegeben, von Stellenbesetzungen bis zu Investitionen.

Das Traurige ist nur, dass Nowotny erst knapp vor seinem 70. Geburtstag diese Erkenntnis auszusprechen wagt, obwohl die Verstaatliche schon in den 80ern gecrasht ist. Zuvor hat er in SPÖ und – leider auch – Wirtschaftsuniversität immer auf Staatsgläubigkeit gemacht und einschlägige Epigonen herangezogen (weshalb die WU in Sachen Volkswirtschaft bis heute ein Jammerhaufen ist).

Besonders im Wiener Rathaus sollte man jedenfalls auf den weise gewordenen Nowotny hören. Dort glaubt man ja noch immer fanatisch an das Staats(=Partei)Eigentum. Dort denkt man noch überhaupt nicht daran, sich auch nur einen Millimeter von den Wirtschaftsfestungen zu trennen. Ob das nun Strom- und Gasversorger sind, Häuser wie die Stadthalle oder der Flughafen. Wahrscheinlich muss es dem Rathaus erst so schlecht gehen wie dem jetzigen Hypo-Eigentümer Bund, bevor man das dort begreift. Und die Altersweisheit ist ja noch fern: Schließlich ist Michael Häupl fünf Jahre jünger als Nowotny . . .

 Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Zehn Lehren aus der Ukraine

06. März 2014 01:39 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die dramatischen Vorgänge in der Ukraine machen einige ganz überraschende Erkenntnisse deutlich. Diese haben die Welt wohl dauerhaft verändert.

Einige dieser Erkenntnisse:

  1. Hast du Atomwaffen, dann bist du was. Hast du keine (mehr), dann bist du ein armer Hund. Die Ukraine war in jenen Zeiten, da dort noch Atomwaffen aus sowjetischer Zeit gelagert waren, von aller Welt respektvoll und wie ein rohes Ei behandelt worden. Seit das Land jedoch keine Atomwaffen mehr besitzt, ist es unbedeutend geworden, und russische Soldaten marschieren nach Belieben ein.
  2. Österreichs Rolle ist international nur noch blamabel bis nicht vorhanden. Es gibt keinen einzigen merkbaren Akzent des Landes. Vergleichbare Länder – die Schweiz, Schweden, Tschechien – haben hingegen deutliche und klare Reaktionen gesetzt. Diese reichen von der Verlegung von Kampfflugzeugen ins Baltikum bis zur Absage von Veranstaltungen mit Russland. Österreich hingegen hat noch keine einzige klare Aussage getan. Der Außenminister scheint sich zu fürchten und zu warten, welcher Meinung er sein soll. Und der Bundespräsident scheint innerlich überhaupt an der Seite seines Kollegen Janukowitsch zu stehen. Neutralität ist jedenfalls kein Argument für das österreichische Verhalten. Die anderen beiden Neutralen können sich heute zweifellos besser in den Spiegel schauen.
  3. Es ist absolut richtig, den Dialog mit Moskau aufrechtzuerhalten. Es ist ja ein noch immer mit riesiger atomarer Macht ausgestattetes Land. Aber man muss dabei zugleich auch energisch klarmachen, dass man einen (nur lächerlich getarnten) Einmarsch in andere europäische Länder für eine Katastrophe hält, die Konsequenzen etwa für alle Akteure auch in Russland haben muss. Sowenig wie man („man“ sind die westlichen Demokratien, nicht Österreich) das 1980 in Afghanistan akzeptiert hat. Es ist freilich eine schwierige Aufgabe, Dialogbereitschaft mit Grundsatztreue zu verbinden. Da ist das Doppelspiel Bad Cop (USA) – Good Cop (Deutschland) vielleicht gar nicht so blöd. Zumindest solange die beiden westlichen Mächte intern harmonieren.
  4. Im Dialog mit Russland muss man jedenfalls weiterhin Lügen Lügen nennen. Alles andere wäre selbst verlogen.
  5. Das Selbstbestimmungsrecht auch von Provinzen und anderen Gebieten ist in Verbindung mit einem internationalisierten Minderheitenschutz die beste, vernünftigste, menschenwürdige und demokratische Methode zur Konfliktlösung. Das übergeordnete Grundprinzip ist aber: Gewaltausübung darf niemals zum Instrument werden, selbst um ein noch so richtiges Prinzip zu realisieren. Gewaltausübung ist sicher nicht legitim, solange die wichtigsten Menschenrechte im Wesentlichen gewahrt bleiben. Wann genau Gewalt freilich legitim wird, wann man einen Bellum iustum führen darf, ist abstrakt extrem schwierig zu definieren. Klar ist aber: In der Krim sind die Menschenrechte jedenfalls in keiner Weise verletzt worden. Dort mag halt eine Mehrheit nicht die neue Regierung. Und Moskau mag es halt nicht, an Einfluss zu verlieren. Der Einsatz der russischen Armee ist damit aber sicher noch nicht rechtfertigbar.
  6. Wenn man aber von der völlig unakzeptablen Gewaltausübung durch Russland absieht, hat erstaunlicherweise Machthaber Putin mit einem seiner Argumente prinzipiell durchaus recht: Wenn man im Kosovo dafür ist, dass sich eine Provinz gemäß den Wünschen von 90 Prozent der Einwohner abtrennt, dann muss das auch anderswo gelten. Richtig. Putin selbst hat allerdings dreierlei vergessen:
    • Erstens war er selbst im Kosovo vehement gegen dessen Loslösung von Serbien.
    • Zweitens haben die Serben zum Unterschied von der Ukraine dort ein terroristisches Regime etabliert, das über die Albaner geherrscht hat.
    • Und drittens übersieht Putin bei seinem Vergleich, dass auf der Krim der Anteil der Russen deutlich geringer ist als jener der Albaner im Kosovo.
  7. Insbesondere sind die 250.000 Krim-Tataren (ein mit den Türken verwandtes Volk) vehement gegen Russland, das sie ja unter Stalin strafweise kollektiv nach Sibirien verschickt hatte. Ich wäre nicht sehr überrascht, wenn jetzt die Tataren mit Guerilla-Methoden gegen die Russen kämpfen würden. Umgekehrt wäre es ein extrem weises Zeichen Russlands – pardon: der angeblich ganz spontan handelnden Krim-Mehrheit, wenn die Krim-Tataren jetzt besonders tolle und ausgefeilte Minderheitenrechte bekämen. Nur scheint solche Weisheit nicht sehr wahrscheinlich.
  8. Dennoch sollte unter friedlichen Rahmenbedingungen der mutmaßlichen Krim-Mehrheit das Selbstbestimmungsrecht zustehen, sofern es den erwähnten abgesicherten Minderheitenschutz gibt. Haftbefehle gegen Regionalgouverneure sind in der Ukraine genauso ein Unsinn wie in Spanien. Hätte Putin nicht mit seiner Armee gehandelt, bevor er auch nur ein einziges konkretes Argument vorgebracht hat (außer den üblichen Schimpfworten wie „Faschisten“), säße jetzt der Westen argumentativ in der Defensive. Denn im Westen beherrschen ja Länder wie Spanien oder Italien noch immer fremde Völker, die – mutmaßlich – gar nicht unter ihrer Regierung stehen wollen.
  9. Selbstbestimmung wäre auch in der Kurdenfrage der beste Weg, um einen schier ewigen Konflikt beizulegen. Aber dort ist sie noch besonders weit weg. Dennoch muss man es lobend anerkennen, dass in den letzten Jahren die Türkei den Kurden etwas mehr Freiheiten gewährt; dass jetzt sogar der türkische Außenminister öffentlich einen Satz auf Kurdisch gesagt hat. Das ist etwas, wofür man früher noch jahrelang ins Gefängnis geworfen worden ist. Auch in Sache der Kurden habe ich nur wenig Zweifel, dass am Ende irgendwann die Selbstbestimmung über die noch immer ein wenig osmanisch wirkenden Machtansprüche siegen wird. Aber auch dort wird wohl zuvor noch viel Blut sinnlos vergossen werden.
  10. Noch etwas sollte man sich auch in Österreich klarmachen. Am Ende hat in der Geschichte nämlich immer eines der beiden Prinzipien entschieden: das Mehrheitsprinzip oder der Kampf. Das ist nicht ganz ohne Relevanz, wenn Hochrechnungen zeigen, dass beim – sehr wahrscheinlichen – Anhalten der Dynamik der letzten 25 Jahre noch im Laufe dieses Jahrhunderts die Mehrheit hierzulande zum islamischen Glauben gehören wird. Dann wird man sich in die Zeiten geradezu zurücksehnen, da ein Landwirtschaftsminister offenbar keine anderen Sorgen hatte als die Kindesadoption durch Homosexuelle. Weil solche Orchideenthemen wird es dann mit Sicherheit nicht (mehr) geben.

 

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Die Sendung mit dem Großvater (3): Wie gefährlich ist die Überbevölkerung?

05. März 2014 00:08 | Autor: Andreas Unterberger und Maximilian

Maximilian fragt seinen Großvater Andreas Unterberger nach Chinas Ein-Kind-Politik, nach einer Zwei-Kind-Strategie und nach der Überbevölkerung der Erde.

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Die Selbstzerstörung der ÖVP

03. März 2014 15:08 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der ÖVP geht es offenbar gut – oder sie ist vom letzten guten Geist verlassen: Sonst könnte sie sich eine weitere schwere Selbstbeschädigung eigentlich nicht mehr leisten. Jetzt legt sie sich jedenfalls auch noch frontal mit fast allen wertorientierten und christlich orientierten Menschen an. Zur gleichen Zeit greifen mindestens zwei Parteien voller Begeisterung nach diesen mehrheitsbildenden Wählermassen.

Zwei signifikante Vorstöße aus den letzten Tagen, die nicht unterschiedlicher sein könnten: Der Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter verlangt in mehreren öffentlichen Erklärungen, dass Homosexuelle Kinder adoptieren können. Der Stronach-Abgeordnete Marcus Franz wagt es hingegen bei einem anderen, aber doch ähnlichen Thema in Sachen Abtreibung Mutiges auf Kirchen- und einstiger ÖVP-Linie zu sagen.

Franz will bessere Beratung, mehr Unterstützung für betroffene Familien, die Verpflichtung von Ärzten, dass es vor einer Abtreibung auch eine zweite Meinung geben müsse, und endlich die schon von Bruno Kreisky versprochenen Zahlen zu Abtreibungen. Franzens Schlüsselsätze: „Frauen sollen nicht bedrängt werden.“ Und: „Wir wollen eine Reduktion der geschätzten 30.000 bis 60.000 Abtreibungen durch sinnvolle Maßnahmen.“

Während die ÖVP Solches und noch Deutlichers einst selbst vehement vertreten hatte, ist seit vielen Jahren von ihr rund um den Komplex Abtreibung nichts Substantielles mehr zu hören. Oder wenn, dann hat man Zeitgeistig-Progressives nachgeplappert.

Auf zeitgeistig macht nun auch der Herr Rupprechter beim Thema Schwulenadoption. Was auch immer die Kompetenz des Landwirtschaftsministers dafür sein mag (normal ist er ja nur fürs Subventions-Kassieren zuständig), er will solche Adoptionen erlauben. Sein Argument: Er sei „nicht bereit, diese Menschen auszugrenzen“.

Zwar gibt es, seit Rupprechter sich so äußert, an der Basis der ÖVP und im Mittelbau bis hin zum Generalsekretär schweren Unmut und deutliche Abgrenzung zu dem Tiroler. Aber zumindest bis zur Stunde hört man absolut nichts zum Thema Rupprechter vom Parteiobmann, von der Familienministerin, vom Justizminister (die beide zum Unterschied von Rupprechter sachlich zuständig wären) oder vom Tiroler Landeshauptmann, der diesen Mann Fünf vor Zwölf mit einem zornigen Fußstampfen des Inhalts „Irgendein Tiroler muss hinein“, in die Regierung gepresst hatte (obwohl da ein weit besserer Mann schon nominiert war).

All die Genannten wären eigentlich seit Tagen dringend gefordert gewesen, Rupprechter in die Schranken zu weisen. Zumindest dann, wenn sie anderer Meinung sind. Und wenn die einst große Partei wenigstens noch in einem letzten Eck glaubwürdig bleiben will. Aber man hört nur Schweigen. Und die steirische ÖVP unterstützt ihn sogar.

Zu Rupprechter selber: Der schlichte Mann hat halt nicht begriffen, dass es bei dem Thema keine Sekunde um die Ausgrenzung von Homosexuellen geht. Es darf und muss einzig um die Kinder gehen. Und so wie es halt bei der Adoption auch Alters-Regeln gibt, ohne dass da wer „ausgegrenzt“ wird, so wird eben auch zu Recht bei der Kleinkindadoption von der Rechtsordnung verlangt, dass es Vater und Mutter gibt. Durch solche Regeln werden die Alten genausowenig „ausgegrenzt“ wie die Alleinstehenden oder Schwulen. Aber die Chancen der Kinder, gut aufzuwachsen und ein geordnetes Weltbild zu erwerben, werden durch diese Regeln signifikant besser. Konträre Einzelbeispiele in die eine oder andere Richtung sagen hingegen gar nichts. Es kann immer nur um die besten Wahrscheinlichkeiten für die Kinder insgesamt gehen.

Was Rupprechter wohl ebenfalls nicht weiß: Es gibt absolut keinen Mangel an Adoptiveltern. Ganz im Gegenteil, hervorragend geeignete junge Paare tun unglaublich viel, um ein Kind zu bekommen, wenn es auf natürlichem Weg nicht klappt. Sei es durch medizinische Kunststücke, sei es durch Adoptionen. Wofür es aber in Österreich viel zu wenig Kinder gibt.

Ebensowenig ist dem Mann klar, dass ein Minister halt nicht jeden Tag irgendetwas sagen darf, was er gerade will oder was eines der vielen linksliberalen Medien von ihm verlangt, sondern dass er immer auch für jene Partei spricht, die ihn aufgestellt hat. Die ÖVP hat durch ihn mit Sicherheit keinen einzigen „Standard“-Leser oder Grün/Neos-Wähler gewonnen, aber wieder zahllose empörte Wähler verloren. Diese haben nach der FPÖ und (zumindest in Europa) der Liste Stadler nun auch im Team Stronach ein Angebot gefunden, das ihren Werten und Sichtweisen mehr entspricht als die ÖVP in ihrem heutigen Zustand. Schließlich ist Rupprechter wegen der für die ÖVP abgegebenen Stimmen in der Regierung und nicht wegen seiner Person oder seiner Anschauungen.

Das Allerdümmste ist schließlich das Rupprechter-Geschwätz von Dialogverweigerung und Papst. Daraus spricht nur noch Ahnungslosigkeit und Frechheit.

Rupprechter behauptet, es gebe eine „Dialogverweigerung“ gegen die Schwulen. Bis auf ihn weiß aber jeder Österreicher, dass längst das Gegenteil wahr ist. In der veröffentlichten Meinung herrschen doch schon Monolog und Diktatur der Schwulen-Anhänger; ein Kritiker derselben kann sich doch kaum noch irgendwo artikulieren.

Und Rupprechters Berufung auf den Papst, mit dem er seine Aussagen vergleicht, ist überhaupt unglaublich: Denn der Papst hat nicht einmal in einer Viertelsilbe gesagt oder angedeutet, dass er für eine Kinderadoption durch Homosexuelle wäre. Ganz im Gegenteil.

PS: Dass uns Rupprechter auf seinem eigenen Sachgebiet auch einreden will, dass höhere Strompreise zugunsten von Solarpaneelen gut für Arbeitsplätze wären (was aber in Wahrheit nur für chinesische Jobs zutrifft), zeigt nur die gesammelte Dummheit dieses Mannes. Aber er ist halt wohl ein typisches Produkt der Tiroler ÖVP. Diese hat ja schon mit dem Gesamtschulfimmel des Herrn Platter die massive Wählervertreibungsaktion begonnen.

PPS: Freilich, an Matthias Strolz reicht Rupprechter noch nicht heran: Der setzt sich ja nicht nur mit dem Papst, sondern gleich mit Jesus Christus und dessen Fastenzeit in der Wüste in Beziehung. Aber es wird schon, auch aus einem Landwirtschaftsminister kann ja sicher noch Christus werden . . .

 

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Die Krim wird (wieder) russisch

02. März 2014 00:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Russland holt sich die erst in den 50er Jahren im Rahmen der Sowjetunion ukrainisch gewordene Krim zurück. Kein Zweifel. Jedermann hat das schon im Vorhinein wissen müssen. Spätestens seit der russischen Invasion in Georgien ist diese Verhaltensweise Moskaus allen klar. Was aber tut der Westen?

Er protestiert. Die Proteste klingen laut und sind gut für die eigene PR. Sie haben nur keinerlei Glaubwürdigkeit. Niemand nimmt sie ernst. Denn letztlich hat es Europa, haben es die USA in den letzten Jahrzehnten immer hingenommen, wenn eine fremde Großmacht irgendwo in Europa einmarschiert ist und fremde Territorien okkupiert hat. Das haben wir beim Einmarsch der Türkei in Nordzypern gesehen. Das haben wir bei der Okkupation zweier georgischer Gebiete durch die russische Armee gesehen. Das sehen wir bei der anhaltenden Kontrolle des Ostteils von Moldawien durch die russische Armee.

Ein paar Wochen lang gab es da jeweils Proteste (in Moldawien nicht einmal das). Die Okkupationen wurden auch als solche nie anerkannt. Aber am Ergebnis hat das nichts geändert. So hat die EU heute ein Territorium – eben Nordzypern – das nicht zur EU gehört und ignoriert das trotz ihres Geredes, dass sie nun eine Weltmacht wäre. Letztlich wurden diese militärischen Aktionen ohne nennenswerte Gegenwehr der Staatengemeinschaft hingenommen. Dennoch ist die Türkei heute ein EU-Beitrittskandidat. Dennoch wird Putins Russland überall respektiert.

Der Westen hat keinerlei Bereitschaft, wegen Zypern, wegen Georgien, wegen Transnistrien, wegen der Krim einen großen Krieg zu starten. Im Grund muss aber jede objektive Analyse auch anerkennen, dass es in all diesen Fällen für die Okkupanten eine gewisse Legitimation gibt. Denn in der Tat hat überall die lokale Bevölkerung die Okkupanten herbeigesehnt (wobei die Lage in Zypern komplizierter ist, was am Ergebnis nichts ändert).

Hätten die westlichen Regierungen das ständig im Mund geführte Wort vom „Selbstbestimmungsrecht“ ernst genommen, wäre wahrscheinlich überall auf friedlichem Weg die Sezession längst erfolgt. Nur auf friedlichem Weg. Trotz des Selbstbestimmungs-Gerede sind jedoch immer sämtliche Staatsgrenzen als tabu angesehen worden. Allzu viele Staaten fürchten Folgen eines Präzedenzfalles im eigenen Land. Genau dadurch aber weist man den Menschen leider den Weg zum Krieg.

Auch jenseits dieses Absolut-Setzens der vorhandenen Staaten kann sich ein friedens- und rechtsliebender Mensch keineswegs darüber freuen, dass die Russen in der Krim einfach einmarschieren. Dass sie dort jetzt bis hin zu bestellten „Hilferufen“ der „zu Befreienden“ das gleiche Szenario wiederholen wie in Georgien, dass sie mit ihrer ganzen militärischen Macht jeden Widerstand im Keim ersticken.

So sehr man sich zum Selbstbestimmungsrecht bekennt, so sehr muss man es nämlich ablehnen, dass Grenzen mit Waffengewalt – statt direktdemokratischen Methoden – verändert werden. Denn wenn die Stärke der Armeen das oberste Prinzip ist, dass die Welt regiert, dann sind wir wieder zurück beim Faustrecht. Dann werden es auch Aggressoren vom Typ eines Adolf Hitler oder Saddam Hussein nach Belieben immer wieder versuchen.

Und noch etwas ist am russischen Vorgehen widerlich: Die ständige Behauptung, dass die Ukrainer beziehungsweise deren Mehrheit „Faschisten“ wären. Damit bedient sich Moskau der gleichen miesen Tricks wie die westliche Linke. Auch die bezeichnet ja jeden taxfrei als „Faschisten“, der nicht ihrer Meinung ist. Dabei muss man über bloße Schimpfworte schon froh sein. Denn Linke erklären Andersdenkende auch gerne als geisteskrank oder drogenabhängig (siehe nur die Tweets der linken Vor„denker“). Oder verurteilen sie gleich überhaupt strafrechtlich.

PS: Dass übrigens die EU auch in anderen Regionen fast immer völlig tatenlos geblieben ist, wenn militärische Macht territoriale Veränderungen herbeigeführt hat, braucht kaum noch extra erwähnt zu werden. Siehe etwa die Westsahara oder Konflikte in Indochina. Und die USA sind nach ihrer irakischen Demütigung diesbezüglich ebenfalls sehr vorsichtig geworden.

 

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Buchbesprechung: Höllensturz und Hoffnung

01. März 2014 04:38 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Die westliche Welt hat nicht mit einer auf einen einzigen Bereich beschränkten Fehlentwicklung zu kämpfen. Es läuft vielmehr gegenwärtig vieles – zu vieles – gleichzeitig falsch. Krisenhafte Entwicklungen hat es in der Menschheitsgeschichte zwar immer wieder gegeben: Aber Seuchen, Kriege und Naturkatastrophen konnten den Bestand und die Entwicklung der Menschheit insgesamt noch niemals nachhaltig gefährden. Immer wieder konnten von den Betroffenen Auswege gefunden, alle Krisen glücklich überwunden werden.

Diese Gewissheit wird von den Herausgebern dieses Buches nicht mehr geteilt. Die (konservativen, christlich orientierten) Buchautoren sorgen sich davor, dass es an verschiedenen Fronten zeitgleich und länderübergreifend zu schwerwiegenden Einbrüchen kommt. Davon würde schon jeder für sich allein bereits gewaltiger Anstrengungen zu seiner Überwindung bedürfen. Die Herausgeber legen daher, zusammen mit einer Gruppe von zehn weiteren Professoren aus den unterschiedlichsten Fachbereichen, eine Art Menetekel des frühen 21. Jahrhunderts vor. Sie fürchten, dass das System insgesamt kippt, dass unsere gesamte westliche Zivilisation kollabiert.

In der Vergangenheit ist es schon mehrfach zum Untergang von Gesellschaften gekommen. Der amerikanische Evolutionsbiologe und Geograph Jared Diamond hat mit seinem 2005 erschienen Bestseller „Kollaps“ eine ganze Reihe solcher Katastrophen beschrieben. Diese blieben allerdings jeweils auf relativ kleine Kollektive, etwa auf die Bewohner der Osterinsel, begrenzt.

Die Autoren beschränken sich indes nicht auf den rein ökologischen Blickwinkel Diamonds, sondern beziehen religiöse, kulturelle, ethische, politische und wirtschaftliche (Fehl-)Entwicklungen in ihre Betrachtungen mit ein. Sie sehen die „abendländische“ Kultur durch soziale, kulturelle, physische und individuelle Katastrophen ernsthaft in ihrer Existenz bedroht. Ihr Ziel ist es, dem Leser die „falschen Hoffnungen zu rauben“, dass aus irgendeinem wundersamen Grund das Schlimmste – der physische Zusammenbruch unserer westlichen Gesellschaften – am Ende ja doch nicht eintreten werde, auch wenn wir uns nicht zu einem auf vielen Ebenen erfolgenden, radikalen Kurswechsel entschließen würden.

Eines der von den Autoren apostrophierten Problemfelder ist ein jede Moral langfristig zerstörender Utilitarismus, der ausschließlich das größte – materielle – Glück der größten Zahl anstrebt. Immer weiter zunehmende technische Möglichkeiten, bei gleichzeitig immer tiefer sinkender Moral (das dieser Tage viel debattierte belgische Euthanasiegesetz ist hierfür ein gutes Beispiel) öffnen Einfallstore für unabschätzbare Gefahren.

Scharfe Kritik wird auch am herrschenden Wachstumsdogma geübt. In endlichen Systemen ist unendliches, zudem exponentielles, Wachstum schlicht unmöglich. Eine Binsenweisheit, die anzunehmen zwar kein abgeschlossenes Physikstudium voraussetzt, die aber dennoch von sämtlichen politischen Verantwortungsträgern konsequent ignoriert wird.

Mit der „ökosozialistischen Doktrin der Gleichheit“ wird ebenfalls scharf ins Gericht gegangen. Mit ihr wird „Gleichheit über Gerechtigkeit, Chaos über Ordnung (…) und Einebnung über Differenzierung“ gestellt – mit fatalen Konsequenzen. Die moderne Ersatzreligion des Ökologismus ist nämlich nicht in der Lage, das Heil zu bringen. „Nicht Liebe und Geborgenheit, sondern Abtreibung ist die Natur des Ökosozialismus“ – starke Worte!

Der unserer Tage auf immer höhere Gipfel getriebene Genderwahnsinn, der in einer möglichst frühzeitigen Sexualisierung der Kinder – auch gegen den erklärten Willen der Eltern – seinen wohl ekelhaftesten Ausdruck findet, wird als eine weitere tödliche Bedrohung unserer Kultur geortet.

Die in der westlichen Welt herrschende „Wirtschaftskrise“ wird als das gesehen, was sie in Wahrheit ist: eine Schuldenkrise. „Heute gibt es dreieinhalb Mal so viel geliehenes wie gespartes Geld.“ Die Schuldenkrise wird daher konsequenterweise als „ethische Krise“ bezeichnet.

Die Autoren bieten eine recht komplette Zusammenfassung all jener Fehlentwicklungen, die jedem vernunftbegabten Zeitgenossen, dem ideologische Gleichschaltung, politische Korrektheit und Denkverbote aller Art das Hirn noch nicht restlos vernebelt haben, ins Auge fallen müssen.

Gemäß seinem Untertitel „Warum unsere Zivilisation zusammenbricht und wie sie sich erneuern kann“ widmet sich der letzte Teil des Buches der Hoffnung auf Besserung. Er ist deprimierend kurz geraten. Wer an dieser Stelle konkrete Handlungsanleitungen erwartet hat, wird herb enttäuscht. Das Buch schließt mit dem auch an den Beginn gestellten Fall eines 1985 in Japan infolge eines Wartungsfehlers abgestürzten Jumbo-Jets: Im Gegensatz zu den damals auf verlorenem Posten befindlichen japanischen Piloten hätten wir es heute in der Hand, das Steuer noch herumzureißen, „…um sicher zu landen. Aber wir brauchen ein neues Flugzeug, um sicher weiterfliegen zu können.“

Wo in aller Welt eine dafür geeignete Maschine zu finden ist, bleibt offen. Ernüchterndes Fazit: Viel Höllensturz und verdammt wenig Hoffnung…

Höllensturz und Hoffnung
Hans-Joachim Hahn, Lutz Simon
Olzog-Verlag 2013
256 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-7892-8197-6
22,90,- Euro

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Der Kindesmissbrauch in staatlicher Obhut

10. Februar 2014 03:39 | Autor: Wolfgang Hoffmann
Rubrik: Gastkommentar

Vor wenigen Tagen hat der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes den Vatikan wegen seines Umgangs mit pädophilen Priestern heftig kritisiert. Der UN-Ausschuss erklärte sich zutiefst besorgt, dass der Heilige Stuhl das „Ausmaß der begangenen Verbrechen nicht anerkannt" und die erforderlichen Maßnahmen nicht ergriffen habe. Stattdessen habe der Vatikan eine Politik und Praktiken verfolgt, die dazu führten, dass die Missbrauchsfälle andauerten und die Täter straflos ausgingen.

Während die Würdenträger der Kirche nun immer häufiger ihre Opfer um Entschuldigung bitten, bleibt die Republik Österreich konsequent. Selbst einfache Gesten des Bedauerns sind hier rühmliche Ausnahmen. Im glücklichen Österreich teilt sogar der Bundespräsident schriftlich mit, dass ihn die Verfassung daran hindere, sich im Namen der Republik bei den unter staatlicher Obhut missbrauchten und verprügelten Opfern zu entschuldigen: „Ich darf Sie daher um Verständnis ersuchen, dass der Herr Bundespräsident der – wie alle staatlichen Funktionsträger – an die ihm verfassungsrechtlich eingeräumten Kompetenzen gebunden ist, hier keine Veranlassungen treffen kann."

Außerdem sollen sich die Opfer damit abfinden, dass so eine öffentliche Entschuldigung „außerhalb seines verfassungsmäßigen Wirkungsbereiches liegt".

Zugegeben: In einer Gesellschaft, in der sich pädophile Gewalttäter über Jahrzehnte völlig ungestört an Kindern vergreifen, ist ein kollektives Schuldbekenntnis wohl kaum zu erwarten. Im Unterschied zum Vatikan können sich demokratische Staaten allerdings sehr wohl mit ihrer pädophilen Vergangenheit auseinandersetzen und deutliche Zeichen setzen.

So hat etwa der Deutsche Bundestag bereits im Frühjahr 2011 eine offizielle Aufarbeitung eingeleitet und damit den Opfern zumindest ein kleines Stück an Würde und Lebensqualität gegeben.

In Österreich gehen die Uhren anders. Von einer parlamentarischen Aufarbeitung können die zahlreichen Opfer aus Heimen, Internaten und anderen öffentlichen Kinderaufbewahrungsstätten nur träumen. Hier werden stattdessen Arbeitskreise gegründet, die dann feierlich zu „Missbrauchskommissionen" ernannt werden. Exakt nach kirchlichem Vorbild gilt dabei: Transparenz ist verpönt, jede Kritik ein geradezu blasphemischer Untergriff. Und als oberste Maxime gilt: Schweigen. Wenn eines der Opfer zum Beispiel fragt, warum nur ein Teil der versprochenen „Entschädigung" ausbezahlt wurde, dann erntet es beredtes Schweigen.

Geredet wird nur dann, wenn längst verstorbene „Einzeltäter" und deren nationalsozialistisches Gedankengut als „verantwortlich" identifiziert wurden. Und vor allem: Wenn die Straftaten laut Gesetz längst verjährt sind. Dazu werden dann Studien in Auftrag gegeben und dicke Bücher veröffentlicht, aus denen Krokodilstränen kullern.

Es ist die ganze Gesellschaft, die dieses System aus Aussitzen, Vertuschen und Schweigen unterstützt. Selbst die Medien spielen dabei eine tragende Rolle. Je lauter die Betroffenen ihre Schmerzen hinausbrüllen, desto dichter wird der Mantel des Schweigens.

Wolfgang Hoffmann, Jahrgang 1959, ist Musiker, Unternehmer und Autor. Siehe: http://www.woho.at

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Auf in den Kampf um die Freiheit

04. Februar 2014 00:33 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Zukunft Mitteleuropas verdunkelt sich. Das passiert, obwohl es im Vergleich zum Süden scheinbar so stabil dasteht. Das passiert ganz unabhängig von ein paar Zehntel Auf- oder Abwärtsbewegung der sich ja ständig ändernden Konjunkturdaten. Dafür sind mehrere Faktoren verantwortlich. Dazu gehören vor allem die Folgen der um 1970 einsetzenden demographischen Katastrophe, die Masseneinwanderung bildungsferner Schichten aus islamischen und afrikanischen Kulturen, die gigantisch angewachsene Haftungslawine zugunsten der schuldenfreudigen Mittelmeerländer, das immer exzessiver werdende Diktat der Politischen Korrektheit und die daraus erfolgende Einschränkung der Meinungsfreiheit.

Das Diktat der Political Correctness hat sich in den letzten Jahrzehnten schleichend, aber umso wirksamer ausgebreitet. Es hat seine Wurzeln in den USA, ist aber heute in den deutschsprachigen Ländern besonders tief verankert (vielleicht auch als Folge der deutschen Gründlichkeit).

Die USA waren das erste Land, in dem man die Political Correctness auch in der Sprache nachweisen kann. Allerdings war sie dort nur in Form des relativ wenig störenden „he/she“ zu bemerken. Dafür sind in den USA die Auswüchse der P.C. in anderen Feldern ganz besonders skurril: Dazu gehören etwa die Verbote, eine Kollegin mit Worten wie „Darling“ anzusprechen oder Kleinkinder nackt im eigenen Garten herumlaufen zu lassen oder eine Bürokollegin zum Essen einzuladen. Ein besonders krasses Beispiel war vor kurzem die Schul-Suspendierung für einen Sechsjährigen, weil dieser seine gleichaltrige Schulfreundin auf die Hand geküsst hat. Fast jedes normale Verhalten kann dort schon als „sexuelle Belästigung“ gewertet werden. Selbst wenn es im gegenseitigen Einverständnis erfolgt.

Diese Political Correctness breitet sich nun auch in Europa aus. Sie geht Hand in Hand mit dem Radikalfeminismus, also der skurrilen und natürlich nie bewiesenen oder beweisbaren Lehre, dass die Unterschiede zwischen den Geschlechtern ein reines soziales Konstrukt wären.

Vor allem im deutschsprachigen Raum hat diese P.C. dann im Verlauf der Zeit Verkrampfungen auf vielen Gebieten ausgelöst. So ist es in der staatsoffiziellen Variante der deutschen Sprache zu viel schlimmeren Folgen als in den USA gekommen. Kann man doch nur im Deutschen sprachliches mit biologischem Geschlecht verwechseln (was die Bürokratie prompt getan hat). Gibt es doch nur im Deutschen nach Sprachgeschlechtern unterschiedliche Artikel. Wird doch hier jedes auf -er endende Wort als böse abgestempelt und in die Faschiermaschine des Genderns gesteckt. Hat sich doch nur im Deutschen die amtlich angeordnete Schriftsprache mit dem unleserlichen Binnen-I total von der gesprochenen wegentwickelt. Hat sich doch nur im deutschsprachigen Raum die hässliche Unsitte entwickelt, zahllose Substantiva durch hässliche Partizipia zu ersetzen (also etwa „Lehrende“ statt Professoren). Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass diese Sprachdekonstruktion von fast allen Literaten, Medien und sprachsensiblen Menschen abgelehnt wird.

Das Gendern war anfangs nur eine verschmockte und belächelte Höflichkeitsfloskel. Heute ist es im bürokratischen und universitären Bereich zum absoluten Diktat mit rechtlichen Zwangsfolgen geworden. Studenten – auch weiblichen – werden noch so gute Diplomarbeiten zurückgeschmissen, wenn diese nicht gegendert sind. Dass ein totales Gendern lange Texte noch viel länger macht, ist dem P.C.-Diktat egal. Ebenso wie die Tatsache, dass es so wie die ebenfalls politisch-bürokratisch diktierte Rechtschreibreform mitschuldig daran ist, dass sinnerfassendes Lesen für Jugendliche immer schwieriger wird, vor allem für jene mit Bildungsdefiziten.

Der Universitätsbereich ist ein besonders guter Nährboden für Genderisten geworden. Dort gibt es nicht nur immer mehr Gender-Institute und Professuren – auf Kosten der seriösen Wissenschaften und auf Kosten der Glaubwürdigkeit der Universitäten bei ihrem Kampf um mehr Geld. Dort werden auch Gendervorlesungen immer mehr zur Pflicht für die unterschiedlichsten Studienrichtungen. Das ist ähnlich wie einst in den kommunistischen Ländern, wo alle Studenten Marxismus-Leninismus belegen mussten.

Kleines, aber bezeichnendes Beispiel: Die Universität Wien stellte vor kurzem aus den Tausenden dort produzierten Diplom- und Seminararbeiten ausgerechnet jene Arbeit prominent auf ihre Homepage, in der sich ein halbes Dutzend Soziologinnen darüber beklagt, dass es mehrheitlich Frauen sind, die vor Weihnachten backen. Das wird – von einer wissenschaftlichen Institution! – vehement als „Retraditionalisierung“ attackiert.

In den Sog der Political Correctness ist in den letzten Jahren nicht zuletzt durch Verschulden der EU auch die Justiz geraten. Sie engt das Leben der Menschen und deren persönliche wie wirtschaftliche Handlungsfreiheit immer mehr mit Antidiskriminierungsgesetzen und Verhetzungsparagraphen ein.

Insbesondere der Islam hat in der Political Correctness einen intensiven Verbündeten gefunden. Während man etwa nach einem Delikt der „Christophobie“ oder „Katholophobie“ vergebens sucht (das würde ja reihenweise Grüne, Pinke und Rote vor Gericht bringen), wird von Linken seit einigen Jahren „Islamophobie“ als Schwerverbrechen dargestellt.

Alle Fakten, die dieser Sichtweise des Islam widersprechen, werden totgeschwiegen. Und dort wo man nicht strafen kann, wird ignoriert. Das passierte daher etwa auch der erschreckenden Studie, die das „Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung“ präsentiert hatte: Es fand nämlich durch umfangreiche Befragungen heraus, dass zwei Drittel der Moslems die religiösen Gesetze als über den staatlichen stehend erachten. Bei den Christen waren es hingegen nur 13 Prozent. Das zählt heute zu den Wahrheiten, die niemand hören will, die niemand im öffentlichen Raum mehr anzusprechen wagt.

Selbst diese 13 Prozent sind ja letztlich keine Gefahr für den Staat. Findet sich doch in der Bibel nichts, was dem Staat ein bestimmtes Handeln vorschreiben würde. Selbst das Tötungs- und damit auch Abtreibungsverbot ist in allen biblischen Quellen nur ein für das Individuum geltendes Gesetz. Diskrepanzen gibt es lediglich in einem extrem schmalen Bereich, nämlich dort, wo Staaten Christen zwingen wollen, bei Abtreibungen mitzuwirken.

Im Islam hingegen ist ein riesiger Bereich der Glaubenslehre des Korans klassisches Zivil- und Strafrecht. Viele Koranlehrer meinen sogar, dass der Koran die ausschließlich für Zivil- und Strafrecht zuständige Rechtsquelle sei. Daher hat sich in islamischen Zuwanderergruppen in Deutschland und Österreich, sobald diese eine kritische Größe erreicht hatten, eine ausgebreitete Schattenjustiz entwickelt. Diese geht längst über die Rolle von Mediatoren hinaus. Sie führt immer öfter dazu, dass Moslems wegen des in ihren Augen gültigen Vorrangs islamischer Gerichte vor staatlichen falsch oder gar nicht aussagen. Für die Mehrheit der Moslems gibt es keine getrennten Sphären für Religion und Staat – zumindest dort nicht, wo sie die Mehrheit bilden. Das wird aber schon in wenigen Jahrzehnten in Deutschland wie Österreich der Fall sein.

Die drohende Verschmelzung von staatlicher und religiöser Sphäre ist heute überhaupt die größte Bedrohung der menschlichen Freiheit. Dennoch wird von Grün&Co fast jede Kritik am real existierenden Islam heftig bekämpft. Auch in den vielen von Linken beherrschten Medien wird Kritik am islamischen Fundamentalismus meist unterdrückt. Statt dessen erstatten immer wieder grüne Politiker und Journalisten Strafanzeige gegen einen der wenigen mutigen Islamkritiker. Und Staatsanwälte wie Richter verurteilen diese immer öfter, da sie sich anpassungswillig der „politisch korrekten“ Einschränkung der Meinungsfreiheit beugen.

Vorerst gehen all diese Entwicklungen an den Durchschnittsdeutschen und Österreichern eher vorbei. Diese haben zwar immer mehr die Überzeugung, wie Umfragen nachweisen, dass man nicht mehr alles sagen dürfe, was man sich denkt. Sie nehmen das aber eher lethargisch hin. Vorerst wird die mediale und politische Agenda nämlich noch ganz von wirtschaftlichen und europäischen Themen dominiert. Weder die demographische Katastrophe noch die Einschränkung der Meinungsfreiheit scheinen die Menschen derzeit sonderlich zu erregen.

Das tun derzeit offenbar nur jene, die sich an das Jahr 1848 erinnern. Das war die einzige Revolution, die ganz Europa erfasst hat, die Bürger und Arbeiter Seite an Seite gebracht hat. Das oberste Ziel dieser Revolution war der Ruf nach Meinungsfreiheit. Oder wie es damals meist hieß: nach „Preßfreiheit“.

Zwar sind die meisten der 1848 formulierten Verfassungen damals nicht Wirklichkeit geworden. Aber langfristig haben sich ihre Forderungen total durchgesetzt. Von den Menschrechtspakten bis zum deutschen Grundgesetz findet sich die Absicherung der Freiheit als dominantes Ziel und oberste Leitlinie. In Österreich ist sogar heute noch der ganz von 1848 geprägte Grundrechtskatalog von 1867(!) das zentrale Menschenrechtsdokument. Freiheit und Würde des einzelnen sind in jener Epoche immer im Zentrum gestanden: beim Kampf für die Gewaltentrennung, bei der weitgehenden Zurückdrängung der Obrigkeit aus unserem Privatleben oder bei der Durchsetzung des Prinzips „Was nicht ausdrücklich verboten ist, ist erlaubt“.

Heute aber ist die Freiheit der Bürger fundamental bedroht, weil all diese Prinzipien unterminiert werden, weil im Strafrecht die Politische Korrektheit langsam zur dumpfen General-Klausel wird.

Letztlich geht es in den meisten Phasen der europäischen Geschichte immer um das Ringen zwischen staatlicher Macht und ihrem Allmachtsstreben auf der einen Seite und dem Kampf der Menschen um Freiheit, ob sich dieser nun individuell oder in Gruppen, Vereinen und Parteien zeigt. Bei diesem Kampf um individuelle Freiheit geht es erstens um Leib und Leben, also konkret vor allem um das Recht auf einen unabhängigen Richter und um objektive, möglichst restriktive Gesetze; und zweitens um die Meinungsfreiheit, ob sich die nun in der Spezialform Religionsfreiheit äußert oder etwa in der Freiheit von Wissenschaft oder Kunst.

Immer geht es um das Recht, anderer Meinung zu sein, anderes zu glauben, anders zu reden, anders zu handeln, als es die Machthaber wollen. Dieses Spannungsverhältnis, diese Abwehr eines totalitär alles beherrschen wollenden Staates lässt sich schon im mittelalterlichen Kampf um die „Zweischwertertheorie“, also um die Trennung zwischen Staat und Kirche nachweisen, in den Geschehnissen rund um Canossa, in den Religionskriegen des 16. und 17. Jahrhunderts, im Einsatz der Aufklärung für Gewaltenteilung und in den nationalen Befreiungskriegen des 19. und 20. Jahrhunderts.

Heute droht eine neue Einschränkung der Meinungsfreiheit zurück in den Vormärz zu führen. Um nur ein einziges besonders krasses Beispiel zu nennen: Österreichische Staatsanwälte klagen es als unerlaubten Meinungsexzess an und die Gerichte dreier Instanzen bestrafen es, wenn eine Wissenschaftlerin bei einem Seminar den islamischen Propheten als Pädophilen bezeichnet. Dabei gaben Gerichte und Staatsanwaltschaft durchaus das Faktum zu, dass Mohammed systematisch eine sexuelle Beziehung zu einer Neunjährigen gehabt hat. Nur sagen und kritisch thematisieren darf man es halt nicht mehr.

Deutlicher als dieses skandalöse Urteil kann man gar nicht zeigen, wie sehr die Meinungsfreiheit hierzulande wieder unterdrückt wird. Solche Urteile sind eine viel gravierendere Einschränkung der Freiheit als etwa die Vorratsdatenspeicherung. Bei dieser geht es ja nur um das behördliche Festhalten einer angerufenen/angemailten Telefon- oder Mail-Nummer, nicht um den Inhalt. Und die Vorratsdatenspeicherung könnte jedenfalls auch der Verfolgung echter Verbrechen dienen.

Umso erfreulicher ist es, dass sich ein brillanter Autor wie Werner Reichel mit seinem neuen Buch, mit seinem großen Faktenwissen und seiner schreiberischen Begabung ganz dem historischen Kampf für die Freiheit und gegen deren Einschränkungen widmet.

Dieser Text ist das Vorwort zum neuen, soeben erschienenen Werk von Werner Reichel „Die Feinde der Freiheit“ . Es kann bereits unter diesem Link auf Amazon bestellt werden.

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Brutto ist Netto oder: Pink ist Grün

03. Februar 2014 00:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Neos versuchen, Wirtschaftskompetenz zu entwickeln. Weit sind sie damit noch nicht gekommen.

Jüngstes Beispiel peinlicher ökonomischer Ahnungslosigkeit waren Äußerungen des Jungabgeordneten Scherak zum Schubhaftzentrum Vordernberg. Scherak behauptete, dass die Forderung der privaten Sicherheitsfirma nur relativ knapp unter den Eigenkosten des Innenministeriums liegt. Das wären die Kosten des Ministeriums, wenn es bis hin zur Haustechnik die Vordernberger Anlage durch Beamte betreiben und nicht auslagern würde.

Lassen wir einmal beiseite, dass die für Scherak offenbar vernachlässigenswerte Differenz über die Laufzeit immerhin drei Millionen ausmacht. Der pinke Mandatar hat noch etwas viel Gravierenderes nicht begriffen: den Unterschied zwischen brutto und netto. Die private Sicherheitsfirma hat in ihrem Angebot naturgemäß auch noch 20 Prozent Mehrwertsteuer enthalten. Diese fehlen bei der Berechnung des Innenministeriums ebenso naturgemäß. Damit ist der Unterschied für den Steuerzahler ein gewaltiger. Also ein Vielfaches der von Scherak behaupteten Summe.

Oder glaubt der nette junge Mann, dass auch bei solchen Aufträgen das in Österreich nicht ganz seltene Motto gilt „Brauchen’s eh ka Rechnung Frau Minister“? Damit offenbart sich nach dem Scheitern Stronachs nun auch bei den Pinken genau das gleiche beklemmende Defizit: Österreich bräuchte in der Tat dringend Rechts- und Wirtschaftskompetenz auf den Oppositionsbänken – aber niemand hat sie dort.

Fast noch deprimierender ist ein weiterer hinter dem Hoppala Scheraks stehender Aspekt: Die gerne Liberalität (oder gar Neoliberalität – was auch immer der Unterschied sein mag) für sich beanspruchenden Neos hetzen genauso wie die Grünen und der ORF dagegen, dass wenigstens ein winziger Teil der öffentlichen Tätigkeit – wie etwa die Verköstigung von Schubhäftlingen – an Private vergeben wird. Statt sich darüber zu freuen.

Sind die Neos wirklich nur dasselbe wie die Grünen minus Scheibeneinwerfen? Nicht ganz: Parteichef Strolz hat sich ja für den Verbleib auch der abgelehnten Asylwerber in Österreich ausgesprochen. So Absurdes hat man in letzter Zeit nicht einmal von den Grünen gehört.

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Die Freiheit und Europas Studenten

02. Februar 2014 21:21 | Autor: Michael Landl
Rubrik: Gastkommentar

Als vor 25 Jahren die Mauer fiel, schien der Sozialismus endgültig versagt zu haben. Doch die Geschichte ist die beste Lehrmeisterin mit den schlechtesten Schülern. 2014 ist Europa wieder fest im Griff von Planwirtschaft, Zentralismus und Überwachungswahn.

Vor wenigen Jahren noch waren konsequent liberale Studenten ein spärlich gesätes Gut in Deutschland und Europa. Mittlerweile jedoch herrscht Aufbruchsstimmung. Unter dem Banner der European Students for Liberty sammelt sich eine neue Generation freiheitlicher Studenten. Sie kämpfen für Marktwirtschaft, Dezentralismus und Bürgerrechte.

Wir, die European Students For Liberty, organisieren vom 14. bis 16. März die größte klassisch-liberale Studentenkonferenz, die Europa je gesehen hat. 2011 fing es mit bereits 200 Individuen im belgischen Leuven an. Zwei Jahre später erwarten wir über 500 Teilnehmer zur dritten europaweiten Konferenz in Berlin. 25 Jahre nach dem Mauerfall freuen wir uns, eine weltweite Bewegung in Gang gesetzt zu haben. Sie eint die Begeisterung für die Ideen der Freiheit, Selbstverantwortung und Unternehmertum. Uns haben sich bereits mehr als 200 Studentengruppen in 36 europäischen Ländern angeschlossen (weltweit sind es bereits über 1000). Über 1100 Studenten nahmen im vergangenen Herbst an unseren neun regionalen Konferenzen in ganz Europa  teil. Außerdem haben wir zehntausende Exemplare unserer Publikation „Why Liberty“ verteilt, die mittlerweile sogar in Sprachen wie das Griechische und Spanische übersetzt wurde.

Vom 14.-16. März erwarten wir über 500 klassisch-liberale Studenten und Gäste aus ganz Europa in Berlin. Neben Vorträgen und Diskussionen werden die Teilnehmer auch Workshops besuchen können. Dort können sie notwendige soft skills erlernen, um effektivere Leader und Aktivisten für die Freiheit zu werden. Darüber hinaus werden die Teilnehmer die Möglichkeit haben Freundschaften zu knüpfen und Netzwerke zu bilden. Der Fokus von ESFL liegt auf Studenten, da unsere Theorie des sozialen Wandels auf langfristige Veränderungen in der Denkweise der Gesellschaft abzielt.

Das heißt, wir möchten den jungen Menschen so früh wie möglich die klassisch-liberalen Ideen näher bringen, damit sie diese während ihres weiteren akademischen und beruflichen Werdegangs verbreiten können. Was uns von bestehenden Strukturen unterscheidet sind unsere klassisch-liberalen Prinzipien. Wir nehmen kein Geld vom Staat an und sind nicht politisch tätig. Als European Students For Liberty konzentrieren wir uns ausschließlich auf die Ideen der Freiheit, die akademischen Theorien und die Kommunikation derselben. Wir schreiben dabei niemanden vor, was der beste Weg zur Freiheit ist, sondern wollen genau darüber diskutieren.

Als Redner haben uns bereits u. a. Tom Palmer (Atlas), Kevin Dowd (University of Nottingham), Marco Ricca („Ethical Hacker“), Vera Kichanova (Journalist), Christian Michel (ISIL), Axel Kaiser (Ökonom, Autor), Michael Tanner (Cato Institute), Baishali Bomjan (Centre for Civil Society), Stephen Davies (Institute for Economics Affairs), Trevor Burrus (Cato Institute), Alberto Mingardi (Instituto Bruno Leoni) und John Fund (Autor, Journalist) zugesagt.

Die Anmeldegebühr beträgt für Studenten 40€ und für Nicht-Studenten 55€. Darin enthalten sind alle Speisen während des Wochenendes, viele kostenlose Materialien, Netzwerkmöglichkeiten mit Think Tanks und natürlich drei Tage voller interessanter Redner und Diskussionen.

Wir freuen uns, Euch in Berlin begrüßen zu dürfen und hoffen, mit Hilfe dieser Konferenz einen Beitrag zu einer freieren Gesellschaft leisten zu können.

Michael Landl ist im Vorstand der European Students For Liberty tätig, arbeitet für den Think Tank Agenda Austria in Wien und studiert International Affairs and Governance an der Universität St. Gallen. Zudem ist er Mitbegründer des Austrian Libertarian Movement in Wien. Sie können ihn unter der E-Mail-Adresse mlandl@studentsforliberty.org erreichen.

European Students For Liberty

ESFL europäische Konferenz

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Der Ball und die Medien, die Grünen und der Rechtsstaat

31. Januar 2014 00:24 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die erste Erregung über die Ausschreitungen rund um den Wiener Hofburgball ist abgeflaut. Umso wichtiger ist es, in aller Ruhe an die klaren Grundsätze eines demokratischen Rechtsstaats zu erinnern, die da bei manchen Medien bedenklich ins Wanken geraten sind. Bei diesen Grundsätzen müssen Gewaltfreiheit und Versammlungsfreiheit ganz an der Spitze stehen. Wer das ignoriert, stellt sich selbst außerhalb von Demokratie und Rechtsstaat.

Wenn eine Partei wie die Grünen mit diesen Grundsätzen auch heute noch (oder wieder?) so wie in ihrer gewalttätigen Gründungsphase Probleme hat, dann ist das mehr als bedenklich. Skandalöse Nähe zu den schweren Ausschreitungen haben neben den direkt verwickelten Jungen Grünen jedenfalls auch der Wiener Klubobmann der Partei und ihr „Justiz(!)sprecher“ durch völlig unakzeptable Wortmeldungen gezeigt.

Aber haben nicht die Grünen genauso das Recht auf Versammlungsfreiheit wie die Blauen? Ganz gewiss. Jedoch sagen das Recht und alle humanen wie liberalen Prinzipien ganz klar: Versammlungsfreiheit darf nicht dazu benutzt werden, um die Versammlung eines anderen zu stören. Die Freiheit des einen endet immer an der Freiheit des anderen.

Das heißt: Die Grünen und ihre Sympathisanten haben rund ums Jahr das Recht auf (friedlich bleibende!) Demonstrationen, und auch zum Zeitpunkt des Balls haben sie das Recht dazu an jedem anderen Ort. Aber es ist selbstverständliche Pflicht der Polizei, eine ordnungsgemäß gemeldete Veranstaltung vor Störungen zu schützen. Oder es zumindest zu versuchen, wie etwa durch eine Platzsperre angesichts von langer Hand geplanter und durch Import deutscher Gewalttäter so gut wie sicherer Störaktionen.

Gewiss sind die von uns zu tragenden Kosten für den Polizeieinsatz mehr als ärgerlich. Aber diese dürfen niemals ein Grund sein, Veranstaltungen zu untersagen. Die Kosten sollten vielmehr bei denen eingetrieben werden, die sich nicht an Regeln des Rechtsstaats halten.

Wären die Kosten der Polizeieinsätze wirklich ein Argument, Veranstaltungen abzusagen, dann müssten auch wöchentlich sämtliche Fußball-Bundesliga-Spiele verboten werden (Spiele der Champions-Liga prinzipiell erst recht, aber da ist Österreich ja leider nur Zuschauer). Denn große Fußballspiele verursachen bekanntlich besonders regelmäßig und besonders teure Polizeieinsätze, auch oft lange nach einem Spiel oder schon vorher. Als Schuldige tun sich übrigens Anhänger-Gruppen der beiden Wiener Vereine gerne besonders negativ hervor (auch wenn mir einer dieser Klubs davon seit Jugendtagen irgendwie ans Herz gewachsen ist).

Wären die Grünen eine voll in der Rechtsordnung angekommene Partei, dann würden sie prinzipiell jede Kooperation mit potenziell gewalttätigen Gruppen stoppen. Dann würde eine wirkliche Parteichefin sofort jene Jungen Grünen aus der Partei ausschließen, die Gewalttäter importiert haben. Dann würde sie selber zurücktreten, sollte sie hinter den Kulissen das alles gutgeheißen haben.

Jedenfalls würde eine rechtsstaatliche Partei die Abhaltung eines Balls ignorieren, solange dort nichts Rechtswidriges passiert. Selbst wenn dieser Ball ihnen zutiefst unsympathisch ist. Ich bin ja auch nie zum FPÖ- (oder früher: WKR-)Ball gegangen. Genausowenig wie ich zu geselligen Veranstaltungen der Grünen oder einer anderen Partei gehe.

Bei der Polizei hatte diesmal ganz offensichtlich der Verfassungsschutz das Kommando übernommen. Polizeipräsident Pürstl hingegen war heuer nie zu hören. Das ist gut so. Hat dieser doch im Vorjahr mit mehr als deplatzierten Kommentaren gezeigt, dass er nur ein braver Bürokrat und Parteisoldat ist, der seiner Aufgabe überhaupt nicht gewachsen ist, nicht einmal verbal. Diesmal hat die Polizei wenigstens versucht, den Ball zu sichern. Während von Pürstl im Vorjahr nur Zynismus zu hören war.

Neben den Grünen haben sich erstaunlicherweise auch die Neos indirekt an die Seite der Gewalttäter gestellt. Sie haben vehement gegen das von der Polizei verhängte Vermummungsverbot protestiert.

Man kann nun gewiss diskutieren, ob ein solches in einem liberalen Rechtsstaat am Platz ist. Freilich darf man bei einer solchen Diskussion nicht ignorieren, dass Vermummungsverbote mit guten – liberalen – Begründungen in immer mehr rechtsstaatlichen Ländern eingeführt werden: wegen gewalttätiger Demonstranten beziehungsweise gegen diese; und wegen der von radikalen Muslims erzwungenen Ganzkörperverschleierung ihrer Frauen. Diese ist ja nicht nur menschenrechtlich überaus bedenklich, sondern auch schon mehrfach zur Tarnung von Attentätern missbraucht worden. Der Schutz der Bürger vor Kriminalität ist jedenfalls immer schon eine zentrale liberale Aufgabe gewesen (weshalb der klassische Liberalismus von den Linken sogar gerne als Nachtwächter-Ideologie denunziert wird). Und es ist jedenfalls ein urliberales Prinzip, sich offen zu seinen Meinungen zu bekennen.

Trotzdem kann man wie die offensichtlich noch immer ganz stark vom linken Gedankengut der Heide Schmidt beeinflussten Neos natürlich auch meinen, dass ein Vermummungsverbot nicht liberal wäre. Nur eines kann man dann sicher nicht, was die Neos getan haben: sich laut über dieses Verbot aufzuregen, aber gleichzeitig kein Wort gegen schwere Gewalttaten und die versuchte Einschränkung der Versammlungsfreiheit zu sagen. Das ist dann nur noch Chuzpe und jedenfalls nicht liberal.

Was passiert eigentlich auf diesem Ball, der neuerdings so viele Hass linker Gruppen erregt wie einst der Opernball? Ich war zwar nie dabei, aber nach allen seriösen Berichten geht es dort so zu wie auf jedem Ball, und es passiert in keiner Weise etwas rechtlich Bedenkliches. Die einst liberale „Presse“ hat dennoch Druck auf die Hofburg-Betreiber ausgeübt, künftig den Ball zu untersagen. Ihr Argument: Dort säßen auch Leute, „die mit der NS-Vergangenheit flirten“.

„Flirt“ als Delikt ohne Konkretisierung und Beweise ist ein mehr als leichtfertiger Vorwurf. Leben wir doch in einem Land, das die strengsten Wiederbetätigungsgesetze hat (die übrigens gerade wieder etliche Menschen auf Jahre ins Gefängnis gebracht haben). Oder weiß die „Presse“ mehr als wir alle? Wurde auf dem Ball Neonazistisches öffentlich gesagt oder getan? Dann sollte sie es konkret mit Namen und Aussagen nennen. Dann ist nach den geltenden Gesetzen gegen die Betreffenden vorzugehen. Aber in einem Rechtsstaat kann es sicher nicht wegen sogenannter Flirts verhängte Kollektivstrafen geben.

Das auf diesem vagen und unsubstantiierten Vorwurf aufbauende Verlangen, Veranstaltungen zu unterbinden, ist einer Qualitätszeitung unwürdig. Hat sie als Motiv bloß diffuse Gefühle, die sie für Moral hält, dann könnte sie ihre Glaubwürdigkeit nur dann wiederlangen, wenn sie auch all jene Veranstaltungen unterbinden will, die im Verdacht stehen, dass dort jemand mit dem Kommunismus flirtet. Dazu ist aber gar nichts bekannt.

Daher muss sich die „Presse“ den Vorwurf gefallen lassen, dass ihr die Opfer des Kommunismus offenbar egal sind, obwohl dieser rund 80 Millionen Menschen umgebracht und einer noch viel größeren Menge das ganze Leben zerstört hat. Das wäre dann auch die endgültige Abkehr von einer großen Geschichte, für die insbesondere, aber keineswegs nur der eben verstorbene Fritz Molden gestanden ist.

Es ist mehr als nachvollziehbar, dass jemandem andere Menschen, etwa die Besucher eines Parteiballs, unsympathisch sind. Aber deswegen etwas verhindern, etwas unterbinden zu wollen, ist nichts anderes als Beweis einer totalitären Gesinnung.

Man kann nur immer wieder den weisen Voltaire-Spruch zitieren, der eine der wichtigsten Grundlagen liberalen und aufgeklärten Denkens ist: Ich lehne voll ab, was sie sagen; ich werde aber alles tun, dass sie es sagen können.

Wenn dieser Grundsatz verloren geht, dann geht auch unser aller Freiheit wieder verloren, um die unsere Vorfahren so hart gekämpft haben.

 

 

Ich schreibe regelmäßig Kommentare für die unabhängige und rund um die Uhr aktuelle Informationsseite „Vienna.at“.

 

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Warum Subventionen immer schlecht sind

27. Januar 2014 01:10 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Politik brüstet sich gerne der von ihr verteilten Subventionen, besonders im Hochsubventionsland Österreich. Unter viel Beifall. Verlangen doch die Interessenvertreter der Wirtschaft ständig noch mehr davon. Auch alle bedachten Unternehmen selbst freuen sich darüber. Und ebenso tun das Gewerkschaften & Co, einerseits weil auch viele Betriebsräte für Subventionsgelder zugunsten ihrer Firma lobbyieren. Und andererseits weil die Gewerkschaft im Gegenzug dann meist eigene Interessen wie die Sozialbürokratie ausbauen kann. Warum sind Subventionen dennoch absolut und grundsätzlich schlecht?

Aus zwei klaren Gründen: Erstens, weil beim Durchschleusen von Geld durch Bürokratie und Politik immer viel davon sinnlos verloren geht; und zweitens und vor allem wegen der Knappheit von Ressourcen (von Geld, von intelligenten Menschen, von Anlagen und Rohstoffen). Ein Euro, der für Zweck A ausgegeben wird, kann nicht mehr für Zweck B ausgegeben werden. Daher sollte es nie um den von Politikern und Medien gern betonten Aspekt gehen, dass Zweck A (meist) eh ein guter ist, sondern immer darum, dass es viel sinnvollere, zu mehr Nutzen führende Zwecke gibt. Das kann B sein, aber auch C oder D.

Es geht also immer um die relativ beste Entscheidung. Und da ist es millionenfach bewiesen: Der Eigentümer dieses Euros – wie auch jedes anderen –  ist im Schnitt weitaus am besten imstande, über dessen Einsatz zu entscheiden. Denn ihn trifft es immer selbst, wenn eine Verwendung suboptimal ist. Das heißt natürlich nicht, dass Eigentümer immer absolut richtig entscheiden (ich selbst werde etwa nie vergessen, einmal etliches Geld in Libro-Aktien investiert zu haben …). Das heißt aber mit Sicherheit, dass die Wahrscheinlichkeit einer richtigen Entscheidung beim Eigentümer viel größer ist als bei einem Politiker oder Beamten. Denn die geben ja immer nur fremdes Geld aus.

Der Beamte sichert sich tausend Mal ab, verlangt für jede Entscheidung als erstes einmal ausreichend Dienstposten, geht von einer Kommission zur nächsten und bewegt sich immer im Mainstream, vermeidet also jedes Risiko. Und Politiker haben folgende Prioritäten im Auge: Wie wirkt sich das auf die nächsten Wahlen aus? Wie wirkt sich das auf meine persönliche Stellung im innerparteilichen Machtgefüge aus? Wie verkaufe ich es den Medien? Und: Kann mir niemand in absehbarer Zeit eine Fehlentscheidung vorwerfen (und nachher ist eh alles vergessen)?

Das sind alles normale, gesellschaftlich als regulär angesehene Verhaltensweisen. Da ist noch gar nichts Kriminelles dabei. Obwohl natürlich auch klar ist: Korruption kann es beim Verwenden eigenen Geldes gar nicht geben, sondern nur beim Ausgeben fremden Geldes.

Aus all diesen Gründen ist in der Tat jede einzelne Subvention prinzipiell falsch. Das einzig richtige wäre: Alle Subventionen weg und dafür die Steuern massiv herunter. Dann wären freilich viele Beamte, Kommissionen, Politiker sofort überflüssig …

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Demokratie und Straße: Die ukrainische Lektion

23. Januar 2014 02:11 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Von Stunde zu Stunde mehr Tote, Hunderte Verletzte: Das ist die Zwischenbilanz der „europäischen“ Großmacht Ukraine. Das Land brennt.

Manche werden da jetzt einwerfen: Der ukrainische Machthaber Janukowitsch sei doch immerhin gewählt worden (so wie übrigens auch die türkische und thailändische Regierung, gegen die ebenfalls heftig protestiert wird). Man könne doch nicht einfach der Straße die Macht geben. Und die Demonstrationen gegen die Abwendung der Ukraine von Europa und gegen seinen weitgehenden Anschluss an Russland und dessen Gas seien zuletzt sehr aggressiv geworden.

Das ist alles richtig, aber dennoch nur ein winziger Teil der Wahrheit.

Denn viel fundamentaler ist: Kein Land der Welt kann heute Demokratie noch so interpretieren, dass diese bloß alle vier oder fünf Jahre stattfindet, und dass dazwischen die an die Macht gekommenen Politiker alles tun und lassen können, was sie wollen. Den Menschen der Ukraine über Nacht und auf Dauer die europäische Perspektive zu stehlen, ist massiv undemokratisch. Dazu sind sie nie befragt worden. Auch nicht einmal indirekt.

Genauso wichtig: Zu einer Demokratie gehört ebenso und völlig unabdingbar noch etwas anderes. Das ist eine wirklich freie und unpolitische Justiz. Das Vorhandensein eines Rechtsstaats ist zweifellos viel wichtiger als jede Debatte über Wahlrechtsvarianten. Eine unabhängige Justiz würde nicht auf Befehl des Präsidentenamtes unter Verwendung halbseidener Vorwürfe Oppositionspolitiker auf Jahre ins Gefängnis werfen. Auch der dringend notwendige Kampf  gegen die Korruption kann nicht bedeuten, dass es diese immer nur unter früheren Regierungen gegeben hat. Eine wirklich unabhängige Justiz müsste es vor allem wagen, gegen amtierende Nehmer vorzugehen. Das ist aber in der Ukraine noch nie passiert (während übrigens sowohl die türkische wie auch die rumänische Justiz trotz heftiger politischer Repressalien erstaunlichen Mut im Kampf gegen korrupte Politiker zeigen).

Herr Janukowitsch kann sich zwar auf die Macht seiner Polizeiwaffen stützen – und auch das vielleicht nicht auf Dauer –, aber er kann sich niemals mehr auf das Prinzip Demokratie berufen.

Noch etwas politisch ganz Unkorrektes sei hinzugefügt: Wenn die Dinge weiter eskalieren, dann wäre wohl eine Teilung des Landes viel humaner, weiser und anständiger als monate- und jahrelanges Blutvergießen. Der Westen der Ukraine (übrigens zum Teil altes k. und k.-Gebiet) will dringend nach Europa. Der Osten wird von Russen dominiert, die stark nach Moskau blicken.

Lasst sie doch dorthin gehen! Alles ist besser als eine ständige Eskalation des Blutvergießens, des Zorns und Frustes. Von der Tschechoslowakei bis Jugoslawien haben wir gelernt, dass Teilungen tatsächlich viele Probleme lösen können. Politiker, die das auf friedlichem Weg schaffen, haben jedenfalls historische Verdienste errungen.

 

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Waffen weg! Und schon wird die Welt sicherer

22. Januar 2014 03:39 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Der Staat garantiert die Sicherheit seiner Insassen. Zu diesem Behufe beansprucht er ein Gewaltmonopol und leistet sich Waffen tragende Organisationen, die ihre segensreiche Wirkung sowohl nach außen (Militär) als auch nach innen (Polizei) entfalten. Nun sehen die Obertanen ihr Gewaltmonopol naturgemäß nicht gerne herausgefordert und setzen daher alles daran, die Wehr- und Selbstverteidigungsfähigkeit der Bürger so weit wie möglich herabzusetzen.

Waffen in Privathand? Nein danke! Folgerichtig wird das Grundrecht auf privaten Waffenbesitz – unter tatkräftiger Mitarbeit der am Subventionstropf hängenden Massenmedien – entschlossen bekämpft. Das ist auch gut so, denn im Besitz von Privatpersonen befindliche Waffen sind von Natur aus mindestens ebenso böse wie deren Besitzer selbst.

Hat man je von Waffen in den Händen der wertvollsten Mitglieder unserer Gesellschaft gehört, als da wären: Aktivisten von Caritas, Diakonie, ZARA, Greenpeace, selbstbewusste Parteigänger der Grünen oder andere sich idealistisch für die Rechte Unterprivilegierter einsetzende Bessermenschen? Natürlich nicht! Für den Waffenbesitz interessieren sich ausschließlich Bambimörder, potentielle Amokläufer, Wähler rechter Parteien, Psychopathen und Männer mit zu klein geratenen Genitalien, die einen Schießprügel zur Kompensation ihrer (angeborenen) Defizite benötigen.

Von Fachleuten wie dem „Kriminalpolizeilichen Beratungsdienst“, wird zudem ein unschlagbares Argument gegen den (legalen) privaten Waffenbesitz ins Treffen geführt: Böse Buben (und Mädchen) könnten eine Privatwaffe an sich bringen und gegen deren rechtmäßigen Besitzer einsetzen! Dabei wird unterstellt, dass der allfällige Angreifer dem Selbstverteidiger grundsätzlich überlegen ist. Eine vom bedrohten Opfer auf ihn gerichtete Waffe kann demnach einfach „entwunden“ und anschließend zu seinem eigenen Schaden verwendet werden. Was könnte man der Wucht dieser Logik wohl entgegensetzen (außer einem bisher vollständigen Mangel an Evidenz)?

Nun kam es indes in einem der exklusivsten Wohnviertel Wiens, der schönen Brigittenau, jüngst zu einem Zwischenfall, der dazu angetan sein könnte, die oben genannten Überlegungen ein wenig auszuweiten: Einem Polizisten wurde nämlich im Zuge einer Amtshandlung die Waffe „entrissen“ – und zwar von einem mutmaßlich zwecks Kulturbereicherung zugereisten Herrn vom Balkan. Der hatte wohl vergessen, vor dem Verlassen des Hauses Schlagring und Springmesser einzustecken und griff sich – möglicherweise nachdem er seiner Wehrlosigkeit gewahr geworden war – kurzerhand die Dienstwaffe (Glock 17) eines Ordnungshüters. Danach frönte er einem in manchen südlich gelegenen Gegenden üblichen Brauch und schoss mit der Pistole lustig in die Luft – Gottlob ohne damit Personenschäden anzurichten.

Der Kriminalpolizeiliche Beratungsdienst hat recht: Legale Waffen werden entwunden und missbräuchlich verwendet. Quod erat demonstrandum! Die aus diesem Fall zu ziehende Konsequenz liegt auf der Hand: Weg mit den Polizeiwaffen, die ja doch nur den Falschen zugute kommen. Gewaltfreiheit ist etwas von Natur aus Schönes, weshalb es geraten erscheint, auch initiierter Gewalt nicht mit Gewalt zu begegnen, sondern mit einem guten Gespräch. Einschlägige Sonderschulungen für staatliche Ordnungshüter sind daher dringend gefordert. Die Sicherheit heischenden Bürger werden es dem Staat danken (Ironie aus).

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Not in my Backyard oder das Wiener Florianiprinzip

22. Januar 2014 01:37 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Wiener Politik wird immer stärker von einem sich verengenden Kirchturmshorizont geprägt. Diese Denkweise zeigt sich vor allem, seit immer mehr Macht an die Bezirke gegangen ist. Zwar war auch schon die Trennung zwischen Wien und Niederösterreich vor fast einem Jahrhundert ein Unsinn; diese Trennung hat ja seither viele Probleme zwischen Wien und den großen Umlandgemeinden ausgelöst. Aber noch viel schlimmere Konsequenzen hat die zunehmende Verschiebung wichtiger Entscheidungen vom Rathaus an die 23 Bezirke während der letzten Jahrzehnte.

Politiker haben eine überragende Priorität: die eigenen Wähler. Für einen Bezirkspolitiker sind das naturgemäß nur die im Bezirk wohnenden Menschen und nicht etwa die Wiener oder Niederösterreicher aus anderen Wahlsprengeln. Dies gilt auch dann, wenn diese beruflich oder als Klienten, Patienten und Kunden mit dem betreffenden Bezirk viel zu tun haben. Dies gilt auch dann, wenn Unternehmen, Ärzte, Anwälte und sonstige Dienstleister in diesem Bezirk arbeiten und Kunden dorthin anziehen. Sie alle haben aber dort kein Wahlrecht und sind für die lokalen Politiker daher irrelevant.

Diese Entwicklung führt zwischen den beiden Bundesländern und zwischen den Wiener Bezirken zu immer absonderlicheren Situationen.

Zwischen Wien und Niederösterreich leiden etwa Hunderttausende darunter, dass alle Wiener U-Bahnen an den Stadtgrenzen enden. Dabei sind Klosterneuburg, Purkersdorf, Schwechat und insbesondere der Süden bis Baden de facto schon untrennbar geschlossenes Wiener Siedlungsgebiet. Die Menschen arbeiten in einer Gemeinde, in einem Bezirk. Sie wohnen in einem anderen. Und kaufen in einem dritten ein. Für sie ist aber alles eine Einheit.

Für die Gemeinden und (in Wien) die Bezirke jedoch nicht. Dort wird immer nur nach den Bedürfnissen der eigenen Wähler geplant.

Dabei ist Wien eigentlich gleichzeitig Land, Politischer Bezirk und Gemeinde. Die Kompetenzen der Wiener Bezirke sind nur administrative Ausgliederungen einer verfassungsrechtlich einheitlichen Stadtverwaltung. Die Verfassungslage wird aber zunehmend ignoriert.

Je kleinteiliger solche Körperschaften werden, umso absurder sind die Ergebnisse dieser Fehlentwicklung. Das ist umso mehr der Fall, je stärker die Ausgaben-Verantwortlichkeit von den Einnahmen getrennt ist. Dadurch schauen politische Gremien nicht mehr auf die Folgen der eigenen Entscheidungen für die Steuereinnahmen.

Das Steuereinkommen ist in Österreich stark auf die Arbeits- und Einkaufsplätze hin orientiert. So ist Vösendorf (mit der Shopping City Süd) eine der reichsten Gemeinden Österreichs. Wohnort ist es aber nur für ganz wenige der Menschen, die dort ihr Geld lassen.

Besonders deutlich sieht man die Dummheit eines solchen Systems an Hand der Kurzparkbezirke. Hat sich die Einführung der Kurzparkzonen für die regionalen Arbeitsplätze anfangs durchaus positiv ausgewirkt, so drohen nun politische Entscheidungen zum gegenteiligen Effekt zu führen.

In den letzten Jahren hatten die sich immer mehr ausdehnenden Kurzparkzonen durchaus positive Wirkungen für Unternehmen in den betroffenen Gebieten. Viele Autofahrer konnten wieder zu Geschäften, Ärzten usw. fahren. Sie konnten dort ein, zwei Stunden ihre Einkäufe und Konsultationen erledigen und dann wieder wegfahren und den Parkplatz für den nächsten Nutzer räumen. Das hat die Stadt in der Konkurrenz mit dem Umland gut positioniert.

Viele Ziele sind halt nur mit dem Auto gut erreichbar; man braucht – wenn es nicht um die direkte Umgebung einer U-Bahn-Station geht – mit dem Auto vielfach deutlich weniger Zeit ans Ziel; man kann mit Gehbehinderten zum Arzt fahren; und nur sehr wenige Menschen haben Lust, sich nach einem Einkauf mit Säcken bepackt in öffentliche Verkehrsmittel zu zwängen. Nicht einmal Grüne tun das, obwohl sie immer behaupten, wie toll doch die „Öffis“ wären.

Die flächendeckenden Kurzparkzonen sind eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu früheren Zeiten. Jene Zeiten sind freilich manchen aus dem Gedächtnis verschwunden. Damals sind Beamte und Angestellte oft schon eine Stunde vor Arbeitsbeginn in die Stadt gefahren, um nur ja einen der Gratisparkplätze zu bekommen. Sie haben dann halt im Auto gefrühstückt und Zeitung gelesen. Alle Parkplätze waren voll, auch in zweiter Spur standen Fahrzeuge. Jene hingegen, die Geld ins Stadtzentrum gebracht hätten, wurden abgeschreckt.

Währing und Döbling sind derzeit (noch) nicht Kurzparkzone. Sie sind die weitaus zentrumnächsten Gebiete ohne Pickerlpflicht. Ihre Situation ist nur mit der Parteipolitik erklärbar. Sie sind nämlich (so wie auch das etwas außerhalb liegende Hietzing) schwarz regiert und haben daher auf ein unsensibel vorgebrachtes Diktat der rotgrünen Stadtregierung negativ reagiert.

Diese Dummheit beider Seiten hat in den genannten Bezirken nun sehr negative Folgen: Sie sind heute von stadtfremden Autos total zugeparkt. Diese bleiben oft wochenlang am gleichen Platz stehen. Dennoch reagieren die Bezirke nicht, weil sie nicht mehr aus ihrer parteipolitischen Fixierung herauskommen.

In Währing ist beispielsweise sogar ein Antrag von Gewerbetreibenden und Geschäften abgewiesen worden, wenigstens lokal eine kleine Kurzparkzone einzurichten, damit Kunden parken können. Etliche Betriebe haben daraufhin zugesperrt und den Bezirk verlassen. Egal. Sie waren ja keine Wähler.

Die flächendeckenden Kurzparkzonen in anderen Bezirken sind hingegen – vorerst – ein voller Erfolg. Statt nur eines Ganztagnutzers (ohne Beitrag zur Wertschöpfung) können so im Laufe eines Tages fünf bis zehn verschiedene Autofahrer Geld in die innerstädtische Gastronomie, zum Handel oder zu irgendwelchen Dienstleistern tragen.

Aber jetzt schlägt die Kurzsichtigkeit der Bezirkspolitiker zurück: In rapidem Tempo beschlagnahmen sie die Kurzparkplätze und reservieren sie für die Bezirksbewohner. Diese lassen dann ihr Auto oft die ganze Woche dort stehen. Hingegen werden die für die Unternehmen viel wertvolleren Kurzzeitbesucher wieder abgeschreckt.

Nun werden manche einwenden: Aber die Bezirksbewohner zahlen ja für ihr „Bezirkspickerl“. Das ist ein typisch politisches Argument. Denn das, was die Menschen fürs Pickerl zahlen, ist deutlich weniger als das, was Bezirksfremde schon binnen einer halben Stunde zahlen würden. Daher ist das Bezahlargument absolut unsinnig.

Dennoch werden die für Bezirksbewohner exklusiv reservierten Parkplätze, die vor zwei Jahren erfunden worden sind, nun rapide ausgedehnt. Auf Anordnung der grünen Stadträtin Vassilakou und vor allem auf intensiven Wunsch der betroffenen Bezirke können nun schon 20 Prozent aller Parkplätze für Bezirksbewohner reserviert werden. Und alle Pickerl-Bezirke machen mit, ob rot, ob schwarz, ob grün regiert.

Die schwarze Josefstadt war übrigens die erste mit diesem Unsinn. Gerade in diesem kleinen, aber dicht besiedelten Bezirk, in dem es zugleich besonders viele Lokale, Theater, Ordinationen und auch Geschäfte gibt, stößt man bei Kritik an diesem „Fremde Autos brauch ma net“ rasch auf die Gegenfrage: Aber wohin sonst mit dem eigenen Auto der Bewohner?

Dem ist freilich gleich zweierlei entgegenzuhalten. Erstens: Niemand hat um seine Miete (oder den Kaufpreis einer Wohnung) schon das automatische Recht miterworben, zusätzlich um weniger als 50 Cent pro Tag, also fast gratis, ständig acht Quadratmeter öffentlichen Grundes exklusiv nutzen zu können.

Zweitens zeigen sich gerade in der Josefstadt die schweren Defizite der Politik: Sie hat im ganzen Bezirk nur zwei (noch dazu eng beieinanderliegende) öffentliche Garagen errichten lassen. Das ist viel zu wenig. Dabei gäbe es viele Möglichkeiten, im achten Bezirk oder an dessen Grenzen Garagen zu bauen. Insbesondere gilt das rund um das Theater, dessen Provinz-Besucher nun oft schon über eine Stunde vorher anreisen! Etwa unter dem Piaristenplatz könnte man eine Garage errichten (wobei natürlich das prachtvolle Barock-Bild von Kirche und Kloster komplett unverändert bleiben müsste), unter dem Schmidt-Platz, oder insbesondere unter dem Schönbornpark. Bei diesem könnte übrigens im Zuge eines Garagenbaus endlich auch die seit Jahren völlig desolate Umfassungsmauer wiederhergestellt werden.

Natürlich gibt es gegen jedes Garagenprojekt Widerstände. Aber wenn jetzt die Politik den Anrainern das ganzjährige Fast-Gratis-Parken vor der Haustür garantiert, wird der Widerstand natürlich noch größer werden. Was dazu führen muss, dass Wien wieder wie einst total zugeparkt sein wird. Die Arbeitsplätze werden halt noch rascher ins Umland – oder auch ins Ausland – abwandern.

Aber den Bezirkspolitikern mit ihren Kirchturmhorizont ist es ja gleich. Dass dadurch ständig noch mehr Wertschöpfung vertrieben wird, wirkt sich ja weder auf die Bezirke noch deren Budgets aus. Und das Rathaus ignoriert diese Auswirkungen offensichtlich auch.

Glaubt es doch, mittels innerparteilichem Druck sich das Geld auf dem Weg des Finanzausgleichs vom Bund – trotz dessen explodierender Schulden – holen zu können. Weshalb sich das Rathaus alle vielleicht mancherorts unpopulären Anstrengungen erspart, Wien – für Arbeitsplätze wie Autofahrer – wieder interessanter zu machen. Und es unterstützt daher die Ausbreitung des Floriani-Prinzips. Auch wenn sich dieses am Ende immer als ein abgrundtief dummes erwiesen hat.
Heiliger Sankt Florian
Verschon unser Haus!
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FN 562: Herr Fischer, wie wäre es mit so einer Rede?

17. Januar 2014 08:43 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck hat eine Rede gehalten, die ungefähr zehnmal klüger ist als alles, was Heinz Fischer in seinem ganzen Leben bisher gesagt hat.

Gauck warnte (vor dem deutschen Eucken-Institut) vor zu viel staatlicher Regulierung. Er forderte mehr Wettbewerb. Die Menschen sollen mehr Eigeninitiative zeigen. Vorbehalten gegen die Marktwirtschaft müsse entgegengetreten werden. Immer dort, wo es zu wenig Wettbewerb gebe, gedeihe die Ungerechtigkeit. Und so weiter, und so fort. Kein Wunder, dass ein Land mit einem solchen Bundespräsidenten heute in fast allen Zukunftsrankings weit vor Österreich liegt. Dabei ist es noch 2006/07 weit hinter der Alpenrepublik gelegen.

PS: Herr Fischer, wenn Ihnen vielleicht nicht einfällt, wo Sie eine solche Rede halten sollen: Dann steht Ihnen sicher dafür das Wiener Hayek-Institut zur Verfügung. Hayek hat ja die wohl weisesten Bücher des 20. Jahrhunderts geschrieben, war überdies ein Österreicher und hat noch dazu den Nobelpreis bekommen.

 

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Demokratie nach Wiener (Ab-)Art

11. Januar 2014 01:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Da bleibt einem der Mund offen: Die Wiener müssen selbst kräftig für die Propaganda zahlen, die ihnen die Meinung von Grün und Rot eintrichtern will. Das wird vor der Mariahilfer-Straßen-Abstimmung besonders deutlich. Zugleich wird bei dieser auch heftig mit der Fragestellung und dem Kreis der Wahlberechtigten manipuliert, die dabei abstimmen dürfen. Seltsam: Wenn ein Drittwelt-Staat auf öffentliche Kosten einseitige Wahlpropaganda zugunsten der Machthaber macht und unfaire Abstimmungszettel produziert, dann wird dieser Staat von den internationalen Wahlbeobachtern als undemokratisch und autoritär verfemt. Warum kommen solche Wahlbeobachter eigentlich nicht auch nach Wien?

Dann würde hier wohl manches rechtsstaatlicher ablaufen. Irgendwie fehlt ja nur noch, dass der Kreis, wo die Bürger des 6. und 7. Bezirks auf dem Stimmzettel der Meinung der Machthaber zustimmen sollen, deutlich größer und fetter gedruckt wird als jener Kreis, mit dessen Ankreuzen man Widerspruch wagt. Es genügt aber durchaus schon das an Manipulations-Strategien, was man bereits kennt, um zornig zu werden.

Wie jetzt offiziell zugegeben wird, wird der Steuerzahler – und nicht die Parteien – 850.000 Euro für die Kampagne der Gemeinde Wien zu zahlen haben, mit welcher er überzeugt werden soll, im Sinne von Rotgrün abzustimmen. Dazu kommen noch die nicht genau bezifferbaren Kosten der Propaganda in den direkt und indirekt rathauseigenen Medien, die das Mariahilfer-Straßen-Projekt mit Sicherheit ebenfalls breit bejubeln werden.

Das ist genauso, wie wenn vor Nationalratswahlen die Bundesregierung direkt dafür werben würde, die machthabenden Parteien zu wählen. Solche Aktionen würden bei Wahlüberwachungen durch die OSZE, die EU und andere internationale Beobachter zu scharfer Verurteilung führen. Österreich würde in die Nähe von Nordkorea oder Venezuela gerückt.

Es ist daher ziemlich schade, dass Bürgerbefragungen in Wien nicht von solchen internationalen Wahlbeobachtern besucht werden. Oder geht’s bei solchen Befragungen gar nicht um Demokratie?

Zusätzlich sind zu diesen Kosten ja auch noch zumindest Teile der fast 40 Millionen Euro dazuzurechnen, die Wien jährlich für Inserate und Kooperationen ausgibt, um die Haltung bestimmter Medien zu beeinflussen. Damit man sich eine Vorstellung von den Dimensionen machen kann: Allein dieser Betrag ist fast doppelt so viel, wie die drei ähnlich großen Bundesländer Niederösterreich, Oberösterreich und Steiermark für Inserate und Kooperationen ausgeben. Wohlgemerkt: zusammen.

Diese Kosten haben die Wiener Bürger jedenfalls ungefragt zusätzlich zu den schon bisher gemachten Ausgaben für die Mariahilfer-Straßen-Ideen der grünen Stadträtin Maria Vassilakou zu tragen. Die ständigen Umgestaltungen während der letzten Monate, die mehrfachen Linienänderungen des 13ers, die Aufbringung von Fahrbahnbelägen oder die Aufstellung von Verkehrszeichen: All das sind verlorene Kosten. Denn jetzt erst werden die Bürger befragt. Und dann erst kommt es zu den endgültigen Baumaßnahmen.

Auch die Fragenstruktur der Volksbefragung selber ist extrem problematisch und ein weiterer Anlass, nach internationalen Wahlbeobachtern zu rufen. Denn die Fragen sind so zusammengestellt, dass man die Antworten sehr beliebig interpretieren kann. Insbesondere droht, dass das Rathaus die Stimmen aller Umgestaltungsgegner für ungültig oder irrelevant erklärt, die nicht nur ein Kreuz gegen die Umgestaltung der Straße (pardon: „Verkehrsberuhigung“) machen, sondern auch ein solches dafür, dass Querungen für den Autoverkehr geöffnet werden sollen. Dieses gilt nämlich skurrilerweise als Unterstützung für das Vassilakou-Projekt. Diese Detailfrage nach den Querungen steht aber auf dem Stimmzettel absurderweise noch vor der prinzipiellen Frage nach der generellen Ablehnung von Umgestaltungen.

Diskussionswürdig ist auch der Kreis der Befragten: Denn es werden nur die Bewohner der beiden angrenzenden Bezirke befragt. Das ist gleich in mehrerlei Hinsicht bedenklich: Denn erstens müssen ja alle Wiener für die – mehrfachen – Umgestaltungen bezahlen. Es ist zweitens keine Straße so sehr von allen Wienern besucht worden wie die Mariahilfer. Drittens kann niemand objektiv erklären, warum ein Bewohner des 15. Bezirks, der in der Nähe des Westbahnhofs wohnt und der zwischen sich und dem Stadtzentrum immer die Mariahilfer Straße hat, nicht mitstimmen darf, jemand anderer aber schon, der auf der Lerchenfelder Straße wohnt und nie über die Mariahilfer gefahren ist.

Und viertens werden ausgerechnet jene Gruppen von der Befragung ausgeschlossen, welche eigentlich die allerwichtigste Rolle auf der Magistrale zwischen Museumsquartier und Westbahnhof spielen: Das ist der Handel, das sind die für die Attraktivität der Mariahilfer Straße sorgenden Kaufleute.

Diese Straße ist ja nicht nur Wiens weitaus wichtigstes Einkaufszentrum. Sie hat derzeit auch (noch) eine wichtige Funktion für ganz Mitteleuropa. Der Mariahilfer-Straßen-Handel sorgt in eindrucksvollem Ausmaß für die Gebühren- und Steuer-Einnahmen auch der Stadt Wien. Da ist es schon sehr erstaunlich, wie sehr die Wirtschaft da ignoriert wird, nur weil sich hier eine Radfahrerpartei verewigen will.

Wien hat jetzt schon den im Vergleich mit ganz Österreich weitaus größten Prozentsatz an Arbeitslosen. Eine Stärkung seiner Funktion als Einkaufsstadt wäre da eine dringend notwendige Gegenstrategie. Aber dieser Zusammenhang ist den heute herrschenden Rathausmännern offenbar egal. Sie schauen ruhig zu, wenn rund um Wien ein Einkaufszentrum und ein Outletcenter nach dem anderen entsteht, die Kaufkraft aus Wien abziehen, und ignorieren die Kaufleute auf der Mariahilfer Straße.

 

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Wie links sind die Neos und wo steht die Opposition?

07. Januar 2014 00:10 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Im allgemeinen Schock über Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung ist in den letzten Wochen die Opposition ganz in den Schatten der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Dabei wenden sich derzeit eigentlich viele Blicke der Bürger insgeheim hoffnungsuchend auf die Nichtregierungsparteien. Dabei sitzen erstmals vier solche im Parlament. Dabei sind dort erstmals in der Geschichte gleich zwei neue Parteien eingerückt. Besondere Euphorie löst aber der Blick auf die vier Oppositionsparteien vorerst nicht aus.

FPÖ und Grüne setzen ihr bisheriges Verhalten nahtlos fort. Das heißt: Während die Freiheitlichen fast ganz außerhalb des Scheinwerferlichts agieren, nur in Wahlkämpfen starke Präsenz zeigen, aber dennoch bei Umfragen zulegen, finden die Parolen der Grünen zwar ständig Wiederhall in den Medien, wo sie ja überproportional viele Sympathisanten haben. Besonderes Interesse lösen sie damit aber nicht aus.

Auf relativ mehr Aufmerksamkeit stoßen naturgemäß die beiden neuen Parteien im Parlament. Aber es ist für die meisten Österreicher auch lange nach dem Abzug der Wahlkampfnebel noch immer erstaunlich schwierig herauszufinden, wofür die eigentlich stehen. Oberflächlich entsteht der Eindruck, dass es ihnen zu genügen scheint, ständig die Regierung zu kritisieren.

Beim Team Stronach hat lange überhaupt ein einziger Aspekt dominiert: Noch nie ist eine Partei – vom Parteinamen angefangen – so absolutistisch auf einen einzigen Mann an der Spitze orientiert gewesen, ohne dass man dahinter irgendeine echte Substanz oder eine andere Persönlichkeit entdecken konnte. Jeder Halbsatz von Stronach war ehernes Gesetz. Und ausgerechnet dieser Mann hat sich nun nach der Wahl desinteressiert von Politik und Partei abgewendet. Ein enttäuschendes Wahlresultat und die Perspektive von fünf Jahren frustrierender Oppositionsrolle haben Frank Stronach jede Lust auf Politik geraubt. Da sind ihm junge Frauen und schnelle Pferde offensichtlich viel wichtiger.

Was bleibt von diesem Team, wenn Stronach wie angekündigt bald ganz weg ist? Wenn er also nicht mehr wöchentlich irgendwelche Mandatare wegen eigentlich unklar bleibender Delikte ausschließt (was ja meist die einzige Meldung aus seinem Team war)? Dann bricht wohl zwangsläufig ein Vakuum aus. Dann wird sich noch stärker zeigen, dass den Einladungen des Austrokanadiers fast nur positionslose Adoranten und dubiose Glücksritter gefolgt sind. Für die war Stronachs Geld oberste Ideologie. Die wenigen Außenseiter mit ein wenig mehr Substanz werden wohl auch künftig Außenseiter bleiben.

Ringsum scheinen ein konsistentes inhaltliches Profil oder Führungseigenschaften völlig zu fehlen. Dementsprechend sind die Umfragewerte für die Stronachianer tief in den Keller gestürzt. Letzte Hoffnung für sie ist jetzt schon skurrilerweise Stronachs Abgang: Vielleicht zeigt sich wenigstens dann mehr Substanz in seiner Verlassenschaft, als man bisher sehen konnte.

Vielleicht bilden sich aber auch aus den wenigen relevanten Parteigängern Stronachs zusammen mit zornigen Dissidenten der Regierungsparteien neue Gruppierungen. Die könnten immerhin bei der nächsten Wahl den Vorteil nutzen, dass sie aus dem Parlament heraus antreten. Das hilft. So kann ja etwa auch ein Ewald Stadler auf EU-Ebene seinen bestehenden Abgeordneten-Status nun in der dritten politischen Partei seiner Karriere nutzen. Jeder von außen neu antretende Kandidat hat es da hingegen viel schwerer.

Ganz anders als die Stronachs haben die Neos seit dem Wahltag an Sympathien gewonnen. Das heißt freilich nicht, dass die Sympathisanten inzwischen schon eine klare Neos-Idee sehen würden. Ganz im Gegenteil. Der Wortschwall von Parteiführer Matthias Strolz klingt zwar auf Grund seiner Vorarlberger Färbung sympathisch, aber inhaltlich vernebelt er oft mehr, als er sagt.

Daher können viele in die Neos jeweils ihre unterschiedlichen subjektiven Erwartungen hineinprojizieren. Auch wenn das Nebulose an Strolz taktische Absicht sein sollte, spüren die Menschen doch, dass die Neos so wie die Stronachs eigentlich eine sehr diffuse Partei geblieben sind.

Dennoch kann man mit tiefergehender Analyse aller bisher gemachten Sachaussagen beide Gruppierungen doch ein wenig deutlicher zuordnen. Die Stronachs stehen in den Grundpositionen ihres Parteigründers dem klassischen Liberalismus sehr nahe. Nur zeigt sich dort bisher nach der Epoche der knappen Überschriften des Parteigründers eben niemand, der diesen Liberalismus fundiert mit Inhalten füllen könnte.

Und was sind die Neos? Auch ihr Erscheinungsbild wird von den eigenwilligen und des Öfteren erstaunlichen Auftritten des Parteigründers dominiert. Inhaltlich entpuppen sie sich aber zunehmend als eine generationsspezifische Weiterentwicklung der Grünen minus deren Antikapitalismus und Wurzeln im Neomarxismus.

Beim Pensionsthema sind die Neos sicher am erfreulichsten und auch konkretesten unterwegs. Sie wenden sich da klar gegen ein Pensionssystem, das die jüngere Generation einseitig belastet. Diese Position hatte zwar zeitweise auch die ÖVP. Aber die Schwarzen haben sie dann in Wahlkämpfen, unter dem Kompromisszwang von Koalitionen mit SPÖ (und früher Blau/Orange), auf Verlangen der populistischen Landesfürsten und auf Wunsch des ÖAAB regelmäßig wieder aufgegeben. Das lässt bei diesem zweifellos dominanten wirtschaftspolitischen Thema den Neos viel Profilierungsmöglichkeit.

Ansonsten bieten sie in Sachen Wirtschaftsliberalismus noch etliche weitere gute Ansätze (zum Beispiel: Einsatz für Privatisierungen, Kritik am Kammerzwang, weniger Staat, weniger Steuern). Man findet aber dabei (noch?) nirgendwo wirklich in die Tiefe gehende und ausgefeilte Substanz, mit der die Neos relevant würden. Bis auf die Kritik am Kammerzwang hat man diese Positionen auch alle schon in ÖVP-Programmen gelesen. Umgesetzt wurden sie freilich von der Volkspartei nur – teilweise – unter Schwarz-Blau.

Tatsache ist auch, dass Parteichef Strolz nicht gerade ein Experte in Sachen Wirtschaftspolitik ist. Und ein – vorsichtig ausgedrückt: umstrittener – Baulöwe mit Sympathien für 80prozentige Steuersätze war dann vielleicht auch nicht die allerbeste Wahl, um dieses Manko zu übertünchen.

Einen auffälligen Kontrast zu diesem Wirtschaftsliberalismus bildet die Tatsache, dass die Neos außerhalb der Wirtschaftspolitik in fast allen gesellschaftspolitischen Fragen weit links stehen. Bisweilen finden sie sich sogar links von den Grünen.

Beim Thema Christentum etwa überholen Neos-Politiker diese an Aggressivität. Gleich zwei Neos-Abgeordnete (Alm und Scherak) sind politische Speerspitzen der Kirchenbekämpfung geworden, während sich die Grünen bei diesem Thema in letzter Zeit ja ein wenig einzubremsen versuchen.

Die zweifellos gerade für eine liberale Gruppierung, als die sich manche Neos sehen, jedenfalls viel notwendigere kritische Auseinandersetzung mit der rigiden Realität des Islam auf der einen Seite und mit der Meinungsdiktatur der Political correctness auf der anderen Seite fehlt hingegen völlig. Im Gegenteil, die Neos sind durchaus für staatliches Einschreiten gegen „Homophobie“ und „Rassismus“. Das sind aber genau jene undefinierten Schlagworte, mit deren Verwendung gegen unliebsame Menschen die Linke europaweit massiv die Meinungsfreiheit einzuschränken versucht.

Eine gesellschaftspolitisch linke Position der Neos zeigt sich auch beim Thema Schule: Dort vermeiden sie zwar artistisch das unpopuläre Wort „Gesamtschule“; sie bekennen sich aber ständig emphatisch zum Wort „gemeinsame Schule“. Das ist skurril. Denn beide Worte bedeuten in der Bildungsdiskussion haargenau dasselbe.

Damit ist die Bildungspolitik der Neos natürlich nicht liberal, sondern eine verkappte Unterstützung für die sozialdemokratischen Zwangsgesamtschul-Ideen aus den Zwanziger Jahren. Dabei würde ja das Verlangen der Neos nach mehr Schulautonomie an sich erfreulich positiv klingen. Aber wenn sie gleichzeitig die Schulen zwingen wollen, „gemeinsame Schulen“ zu sein, ist die Autonomie nur eine Propagandafacette, die sich dann in marginalen Fragen erschöpfen muss, etwa ob der Schulbeginn um 8,00 oder 8,30 Uhr ist.

Dass die Neos in Sachen Bildung nur die grünen Parolen nachplappern, zeigte sich auch bei der Strolz-Formulierung: „Bildung wird in Österreich vererbt. Das ist eine Schande.“ Diese Äußerung ist aber in Wahrheit nur eine Schande für Strolz.

Der Mann ist auch in pädagogischen Fragen alles andere als firm. Er kennt offensichtlich nicht die Erkenntnisse der Genforschung der letzten zehn Jahre, die klar zeigen, dass Intelligenz in hohem Ausmaß tatsächlich vererbt wird. Er begreift offensichtlich auch nicht, dass eine bildungsorientierte Erziehung vor allem in den ersten Lebensjahren (also: viel Reden mit den Kindern, viel Vorlesen, Bücher und Zeitungen im Haushalt, Vorbild gebende Interessen usw.) zusätzlich zur Genetik dramatisch bessere Startvoraussetzungen schafft. Eine solche Erziehung ist aber eben in Bildungs-Familien viel öfter der Fall als in allen anderen. Genetik wie elterliche Erziehung sind daher keine „Schande“, sondern entscheidende Grundlagen jedes Bildungserfolgs. Ob das Strolz irgendwann noch begreift? Ich zweifle, hört er doch viel lieber sich selber reden als nachzudenken oder zuzuhören.

Es ist ja gerade diese Phrase von der bösen Vererbung der Bildung, mit der die Linke ihren Gleichschaltungszwang von der Gesamtschule bis zur Verstaatlichung der Kinder (Ganztagspflicht oder Hort schon in frühester Kindheit) begründen will.

Ebenfalls ganz massiv links – und auch hier wieder die Grünen inzwischen fast überholend – hat sich Strolz beim Thema Zuwanderung positioniert. Da findet man geradezu unglaubliche Äußerungen des Parteigründers, die er zu einer Plattform „gegen Unmenschlichkeit“ gemacht hat. Er will „Asylwerber als Zuwanderer sehen, die in der Regel keine Rückkehr“ in ihre Heimat anstreben.

Das ist zwar richtig. Genau das aber ist für die große Mehrheit der Österreicher und Europäer der entscheidende Grund, warum sie für eine möglichst restriktive Asylgewährung sind. Strolz will hingegen das Gegenteil. In seinen Worten: „Auch wenn letztinstanzlich entschieden wurde, dass keine Verfolgungsgründe festgestellt werden konnten, ist vor allem nach einem mehrere Jahre dauernden und schon daher offensichtlich nicht eindeutigen Verfahren davon auszugehen, dass eine Integration in Österreich bereits stattgefunden hat („Integrationsvermutung“) und daher das humanitäre Bleiberecht nicht die Ausnahme ist, sondern der Regelfall, vor allem wenn u.a. Eheschließungen, Partnerschaften, Kinder, Arbeitsplatz, Deutschkenntnisse nachgewiesen werden.“

Dieser Wortdschungel zeigt: Strolz ist entweder grenzenlos naiv oder im Kern radikal links. Nach diesen Vorstellungen müsste jeder Zuwanderer nur das Wort „Asyl“ aussprechen können und dann sein Verfahren mehrere Jahre hinziehen oder eine Partnerin finden, schon ist das Bleiberecht in Österreich der „Regelfall“. Strolz kommt zu der apodiktischen und besorgniserregenden Erkenntnis: „Wir gehen davon aus, dass die Verfolgung tatsächlich besteht und der Flüchtling dauerhaft in Österreich bleiben wird.“

Zumindest mutig ist, dass sich Strolz heute noch immer mit dem EU-Fanatismus der 90er Jahre präsentiert. Er ignoriert damit aber die vielen ernüchternden Erfahrungen mit EU-Überregulierungsdrang und Euro-Manipulationen sowie die wachsende EU-Skepsis der Bevölkerung. Oder ist das so wie die „gemeinsame Schule“ in Wahrheit auch nur ein Retro-Aspekt im Denken des Mannes aus den Vorarlberger Bergen, der sich mit Sachfragen nicht wirklich befasst?

Fast selbstverständlich verlangt Strolz – um noch weitere Lackmus-Themen anzuschneiden – die Homo-Ehe. Ohne jede Einschränkung. Ebenso hat er die rotgrüne Politik gegenüber den Freiheitlichen übernommen: Laut Strolz ist mit allen Parteien eine Regierung möglich, nur nicht mit der FPÖ. Er schließt eine „stehende Koalition“ mit der FPÖ aus. Wobei ich allerdings ehrlich gesagt nicht weiß, was eine liegende, sitzende oder laufende Koalition wäre, die er offenbar nicht so deutlich ausschließt wie eine stehende.

Aber beim Wortgeklingel des Managementtrainers und Politologie-Absolventen Strolz ist ja vieles diffus und nebulos. Was etwa meint der Mann mit seiner ständigen Wendung von einer „evidenzorientierten Politik“ genau? Ist das dasselbe wie die „faktenbasierte“ Politik der Claudia Schmied?

Seltsam und zumindest für mich völlig rätselhaft – aber vielleicht für politikferne Menschen attraktiv? – ist auch die Selbstdarstellung des Matthias Strolz. Dazu zählen etwa die Tannenzapfen, die er zu Fernsehinterviews mitbringt, oder die Story seiner Parteigründung. Er verbreitet, dass er in den Wald gegangen wäre, dass er dort tagelang gefastet und dann beschlossen habe, Politiker zu werden. Will sich da jemand mit Jesus Christus gleichsetzen? Oder kommt Strolz direkt aus dem Schamanismus?

Von der ÖVP, bei der Strolz einst angestellt war, hat er sich jedenfalls weit entfernt. Und es ist kein Zufall, dass ausgerechnet Erhard Busek der einzige bekannte Ex-ÖVPler ist, der in seinem Dunstkreis zu finden ist. Auch dieser ist ja viele Kilometer gegangen, bis er am anderen Ende des politischen Spektrums angekommen ist . . .

 

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FN 543: Amerikanische Abgeordnete und österreichische Redefreiheit

21. Dezember 2013 01:57 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Vier amerikanische Kongressabgeordnete waren soeben auf offiziellem Besuch in Wien. Sie gehören zur republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus und teilweise auch zur aufstrebenden "Tea Party". Umso spannender ist, was dabei über Österreich und seine Justiz gesagt worden ist. Denn es zeigt, wie der heimische Rechtsstaat zunehmend von außen gesehen wird.

Es ging um die strafrechtliche Verurteilung der österreichischen Islamexpertin und früheren Diplomatin Elisabeth Sabaditsch-Wolff, weil sie in einem Seminar den Geschlechtsverkehr des islamischen Propheten Mohammed mit einer Neunjährigen als Kinderschändung bezeichnet hatte. Michele Bachmann, eine der US-Abgeordneten, kommentierte das nun so: „Wir wollen nicht, dass es in den USA solche Urteile gibt. Jeder amerikanische Bürger hat das Recht, sich auszudrücken. Und jeder sollte auch die Sicherheit haben, reden zu können.“ In Österreich eben nicht mehr. Da kehren die Gerichte wieder zu Metternich zurück. Es könnte zwar sein, dass in den USA noch mehr abgehört wird als bei uns. Aber solange dort nur Taten, nicht wie bei uns Meinungen bestraft werden, ist das jedenfalls nur halb so schlimm.

 

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Evangelii Gaudium: Harsche Kapitalismuskritik aus dem Vatikan

12. Dezember 2013 03:39 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Das kürzlich herausgegebene Apostolische Schreiben ist nicht das erste Papier, mit dem der Heilige Stuhl zu Wirtschaftsfragen Stellung bezieht. Das war schon in mehren „Sozialenzykliken“, wie Rerum Novarum (1891), Quadragesimo anno (1931) oder Populorum progressio (1967) der Fall. Keiner seiner Vorgänger allerdings hat das System der freien Marktwirtschaft in derart expliziter Weise attackiert, wie das der amtierende Papst Franziskus eben getan hat.

Einige Passagen seines Papiers erinnern an Pamphlete aus der Feder von Jean Ziegler oder Sahra Wagenknecht. Der in Brasilien wirkende Bischof Erwin Kräutler nannte das Schreiben in einem Radiointerview – nicht ohne Grund – ein „Dokument der Befreiungstheologie“, das, wie er anmerkt, allerdings nur aus lateinamerikanischer Sicht zu verstehen sei.

Fragen von Mission und Neuausrichtung des Papsttums bleiben an dieser Stelle unberücksichtigt. Hier wird nur auf die wirtschaftsrelevanten Teile des Textes Bezug genommen.

Die sich durch das gesamte Schreiben ziehende Beschwörung, ja Verherrlichung der Armut fällt als erstes ins Auge. Die Kritik an einer angeblich zunehmenden „sozialen Ungleichheit“ als nächstes. Gerechtigkeit manifestiert sich für den Bischof von Rom in materieller Gleichheit. Folgerichtig kommt er zu dem Urteil: „Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung und der Disparität der Einkommen“. Und um jedem Missverständnis vorzubeugen: „Diese Wirtschaft tötet.“ Das sitzt. Die Sozialisten in allen Parteien haben hiermit einen neuen Verbündeten.

Dass es genau das kritisierte System des freien Marktes war und ist, das in den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen aus bitterster Armut zu bescheidenem Wohlstand geführt hat, wie das beispielsweise in vielen Ländern im Osten Asiens der Fall war, will der Papst nicht zur Kenntnis nehmen. Und dass viele Menschen nach wie vor ausgerechnet in jenen Teilen der Welt hungern und unter den furchtbarsten Bedingungen vegetieren, wo keine Rechtssicherheit herrscht, wo weder gesichertes Privateigentum noch freie Märkte existieren, lässt er unberücksichtigt.

Franziskus’ Verständnis von der Funktionsweise einer Marktwirtschaft liest sich so: „Heute spielt sich alles nach den Kriterien der Konkurrenzfähigkeit und nach dem Gesetz des Stärkeren ab, wo der Mächtigere den Schwächeren zunichte macht.“ Was er hier beschreibt, ist primitives Faustrecht, das in jenen finsteren Winkeln der Welt herrscht, die in den Berichten über Hunger und Elend am häufigsten genannt werden. Dort hat tatsächlich immer derjenige Recht, dem der dickste Prügel gehört, oder der über den Ausnahmezustand gebietet.

Marktwirtschaft hat indes mit Faustrecht gar nichts gemein. Die Marktgesellschaft zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass sie gewalttätige, mit Mord und Totschlag verbundene Konflikte durch friedliche Arbeitsteilung, Kooperation und Freihandel überwindet und in Vorteile für alle daran Beteiligten verwandelt.

Pure Blindheit für das Offensichtliche tritt zutage, wenn der Papst meint, es sei eine „…Ansicht, die nie von den Fakten bestätigt wurde…“, dass freie Märkte zur Verbesserung der Lebensumstände der Menschen führen. Er sollte seinen Blick zum Beispiel auf China richten – ein Land, in dem unter planwirtschaftlichen Konditionen Dutzende Millionen Menschen verhungerten. Dort haben heute nicht nur einige wenige von der wirtschaftlichen Liberalisierung profitiert, sondern es ist auch eine breite, stetig wachsende Mittelschicht entstanden, die in materiellem Wohlstand lebt.

Dass die „Diktatur einer Wirtschaft ohne Gesicht und ohne ein wirklich menschliches Ziel“ ausgerechnet von einem Mann gegeißelt wird, der selbst erlebt hat, wie rechte und linke Diktaturen ein einstmals blühendes Land ruinierten, entbehrt nicht der Ironie. In einem freien Markt kann – anders als in einer planwirtschaftlichen Diktatur – kein Produzent dem Publikum seine Waren oder Dienstleistungen aufzwingen. Um also zu verstehen, wie etwa die Vorstände von Daimler-Benz oder Novartis eine „Diktatur“ errichten können sollten, muss man schon über eine munter blühende Phantasie verfügen.

Danach greift der Heilige Vater einen weiteren Irrtum notorischer Antikapitalisten auf, wenn er meint: „Während die Einkommen einiger weniger exponentiell steigen, sind die der Mehrheit immer weiter entfernt vom Wohlstand dieser glücklichen Minderheit.“ Unsinn wird – siehe das Beispiel Chinas – durch beharrliche Wiederholungen nicht wahrer. Aber selbst wenn die Reichen tatsächlich rascher an Einkommen gewinnen sollten als die weniger Reichen, wäre das völlig belanglos, so lange sich die Lage der Armen absolut verbessert – was in den „kapitalistischen“ Schwellenländern der Fall ist. Zweifellos ist ein Wirtschaftssystem, von dem einige wenige stärker profitieren mögen als andere, in dem sich immerhin aber auch die Lebensumstände der Unterprivilegierten verbessern, einem solchen vorzuziehen, das kollektive Gleichheit in Mangel, Armut und Elend garantiert.

Phrasen wie von der Gewerkschaftsjugend

Franziskus ist mit seinem antikapitalistischen Latein aber noch lange nicht am Ende, denn er setzt fort: „Dieses Ungleichgewicht geht auf Ideologien zurück, die die absolute Autonomie der Märkte und die Finanzspekulation verteidigen.“ Dieser Satz könnte einer Aussendung der Gewerkschaftsjugend aus dem tiefroten Simmering entstammen und ist völlig abwegig. Freiheit folgt keiner Ideologie, sondern ist ein unter Abwesenheit willkürlichen Zwanges herrschender Normalzustand.

Wenn freie Menschen aus freien Stücken und nach ihrem Gutdünken Güter und Dienstleistungen kaufen und verkaufen, so folgen sie damit keinem Dogma, sondern schlicht und ergreifend ihren Präferenzen. In Wahrheit ist also vielmehr derjenige, der die hart attackierte „Autonomie der Märkte“ beenden möchte, ein totalitärer Träumer, der die Menschen unter das Joch seiner (linken) Ideologie zwingen will.

Finanzspekulationen möchte der Papst origineller Weise durch das segensreiche Wirken des Staates unterbunden sehen – ausgerechnet jenes Staates, der dank seines Geldmonopols und seiner eigentumsfeindlichen Zinspolitik an der Wiege jeder Finanzspekulation steht. Die Vorstellung von einem die Spekulation unterbindenden Staat ist wohl seiner absoluten Ahnungslosigkeit hinsichtlich Funktionsweise und Wirkung jedes Fiat-Money-Systems geschuldet.

Dass Papst Franziskus – wie jeder Befürworter der „sozialen Umverteilung“ – „eine egoistische Steuerhinterziehung“ scharf kritisiert, passt ins Bild. Nicht des Staates „Gier nach Macht und Besitz kennt keine Grenzen“, indem dieser die Menschen um immer größere Anteile ihres sauer erarbeiteten Geldes bringt. Kritisiert wird vielmehr derjenige, der einer willkürlichen Enteignung zu entgehen versucht!

Dass der ständig wachsende und Macht akkumulierende Staat, selbst dann, wenn er den Werktätigen ohnehin bereits den Löwenanteil ihrer Einkommen abpresst, immer noch nicht ohne Schulden zu machen durchkommt, findet der Papst dagegen keiner Erwähnung wert. Wo sind die Zeiten, als eine starke, selbstbewusste Kirche sich als weit und breit einzige Opposition zum allmächtigen Staat begriffen hat?!

Mit einem Zitat Johannes Chrysostomus’ wird entschlossen die Axt an die Wurzeln unseres westlichen Rechtssystems gelegt: „Die eigenen Güter nicht mit den Armen zu teilen bedeutet, diese zu bestehlen und ihnen das Leben zu entziehen. Die Güter, die wir besitzen, gehören nicht uns, sondern ihnen.“ Der französische Anarchist Proudhon hatte demnach also doch recht: Eigentum ist Diebstahl. Neu ist allerdings, dass ein Papst diese Meinung teilt! Wie – ohne gesichertes Privateigentum – ein zivilisiertes, vor allem aber gewaltfreies Zusammenleben möglich sein sollte, bleibt vorerst ein gut gehütetes vatikanisches Geheimnis.

Selbst vor der abgeschmackten Phrase „Das Geld muss dienen und nicht regieren!“ schreckt Franziskus nicht zurück. Überflüssig, diese peinliche Banalität zu kommentieren. Er findet „…das gesellschaftliche und wirtschaftliche System an der Wurzel ungerecht…“ Natürlich! Gerechtigkeit ist eben nun einmal eine Kategorie des Himmels, nicht aber des irdischen Jammertals. Wer sollte das besser wissen als ein Mann Gottes?

Viel gerechter wäre es nach seiner Meinung vermutlich aber dennoch, ein System in der Art von „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“ zu etablieren! Das war ja schon einmal da. Und es hätte im Grunde auch wirklich großartig funktioniert, wenn es nicht unglücklicherweise an der Realität gescheitert wäre…

Was der Heilige Vater uns mit dem kryptischen Satz „…erzeugt die soziale Ungleichheit früher oder später eine Gewalt, die der Rüstungswettlauf nicht löst…“ mitteilen will, ist ein wenig rätselhaft. Was hat die soziale Ungleichheit mit einem Rüstungswettlauf zu tun? Und welcher ist gemeint? Der zwischen der untergegangenen Sowjetunion und den USA (den das liberale Gesellschaftsmodell für sich entscheiden konnte) oder der heraufziehende zwischen den USA und China?

Wie dem auch sei: Papst Franziskus ist es ernst mit seinem Engagement für die Mühseligen und Beladenen dieser Welt. Im Kampf gegen die Armut sieht er eine der Hauptaufgaben der Katholischen Kirche. Dagegen gibt es nichts einzuwenden! Allerdings sucht man in der Heiligen Schrift vergeblich nach einem Aufruf zum (wirtschafts-)politischen Aktionismus. Jesus betont nicht ohne Grund: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (Johannes 18/36).

Weshalb der Nachfolger Christi also meint, seinem edlen Zweck ausgerechnet mit einem Schulterschluss mit den Sozialisten dienen zu können, bleibt unbegreiflich. Die Armut zu besiegen, indem man gegen den wirkungsvollsten Wohlstandsgenerator kämpft, den die Menschheit bisher jemals zur Verfügung hatte, nämlich die (ohnehin nirgendwo mehr wirklich) freie Marktwirtschaft, kann niemals gelingen!

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Was zerfällt schneller: Die Alt- oder die Neuparteien?

04. Dezember 2013 01:31 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Man kommt gar nicht mehr mit beim Notieren, wie schnell die Halbwertszeiten und die Lebenserwartung politischer Parteien absinken. Sie erweisen sich heute allesamt als schwer überfordert. Wobei sich Alt- und Neuparteien in einem absurden Wettlauf befinden.

Als Konsequenz dieses suizidalen Verhaltens gibt es letztlich nur eine einzige Alternative: Es wird entweder wieder eine autoritäre (oder gar totalitäre) Seilschaft die Macht an sich reißen; was freilich noch viel schlimmer enden würde als die Agonie der repräsentativen Demokratie. Oder aber diese ist endlich bereit, die Macht direkt an die Bürger zu übertragen, wie es die Verfassung schon immer fingiert hatte. Der Wechsel von einer repräsentativen Demokratie (die immer weniger Menschen repräsentiert) in eine direkte ist also die einzige sinnvolle Rettung aus der Demokratiekrise.

Jedenfalls haben sich praktisch alle Neugründungen von Parteien binnen kürzester Zeit als Fehlschlag erwiesen. Neugründungen sind nicht mehr imstande, kohärent die Vielfalt von Meinungen und persönlichen Vorstellungen auch nur der unmittelbaren Akteure zusammenzubringen. Dazu kommt ein erschreckendes Ausmaß an Unfähigkeit und Karrieregeilheit, von Streitsucht und Intriganz bei allen Möchtegernpolitikern zum Vorschein.

Das beweist ein Rundblick durch alle Parteien:

Bisweilen sagen Gesprächspartner und Poster zu mir: „Na, dann mach’s doch selber besser.“ Das ist ein völliges Missverständnis. Auch ich könnte es nicht besser. Aber ich weiß: Die Österreicher selbst könnten es in der Summe besser als Parteipolitiker mit ihren vielen offenbar unvermeidlichen Lügen. Denn die Bürger haben in der Regel einen langen Horizont (=ihr restliches Leben oder auch das ihrer Kinder) und nicht nur den parteipolitischen bis zum nächsten Wahltag.

Das würde zu besseren Ergebnissen führen, ließe man sie nur die grundlegenden Weichenstellungen direktdemokratisch selbst vornehmen. Ich selbst bin bloß einer von 6,4 Millionen Wahlberechtigten, die dabei ihre Meinung sagen können – und die dann die Konsequenzen der Mehrheits-Entscheidung zu tragen haben.

 

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Die Luxuspensionen und der Rechtsstaat

29. November 2013 01:39 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es gibt Themen, wo das Gefühl das Gegenteil dessen sagt, was die Vernunft meint. Die extrem hohen Pensionen sind ein solches.

Fast ganz Österreich ist einer Meinung: Diese sind eine absolute Frechheit. Das ist richtig – außer diese Pensionen sind eine marktgerechte Leistungsabgeltung, die halt erst viel später ausbezahlt wird. Denn manche Spitzenmanager haben sich einst bewusst zu geringeren Entgelten verdingt, als sie anderswo erzielen hätten können, damit sie sich fürs Alter eine komfortable Pension sichern. Aufsichtsräte und Personalchefs haben das auch in der Regel gern gemacht, klingen doch niedrigere Gehälter besser, wenn die Belegschaft sie erfährt. Zugleich wurde der Cash Flow meist entlastet – die bei ordentlicher Buchhaltung erfolgenden Rückstellungen standen in der Bilanz oft anderswo.

Fast nie wurde freilich die Verlängerung der Lebenserwartung einkalkuliert. Es ist aber erfreuliche Tatsache, dass wir alle 24 Stunden um fünf bis sechs Stunden länger leben. Was natürlich auch den Wert solcher Luxuspensionen drastisch erhöht.

Aber wirklich provozierend sind die Megapensionen im öffentlichen Bereich. Angefangen von der besonders frechen Nationalbank, über die Zwangsbeiträge kassierende Arbeiterkammer bis zu den Funktionären der Sozialversicherung (die selbst ständig die Minipensionen für den Rest der Nation ausrechnen!). Von den dortigen Bediensteten hätte wohl kein einziger solche Vergünstigungen auch auf dem Markt erzielt. Sie haben nur eines mit Sicherheit geleistet: sich durch die Partei ihre Position errungen.

Daher ist es bei ihnen mehr als legitim zu sagen: Herunter mit solchen Pensionen, besser spät als nie.

Aber wie macht man das legal? Denn sie sind ja meist in einem privatrechtlichen Vertrag vereinbart. Daher kann die Politik diese Pensionskürzungen nur über ein Verfassungsgesetz realisieren. Denn sowohl wohlerworbene Rechte wie auch erst recht Einzelverträge können nicht durch ein normales Gesetz ausgehebelt werden.

Das bedeutet aber zweierlei:

Erstens einen Bruch aller Politikerschwüre, dass man nie wieder, auch wenn‘s populär ist, verfassungsrechtliche Sonderregeln beschließen werde.

Und zweitens würde damit ein Verfassungsgesetz in private Einkommensverhältnisse eingreifen. Das wäre ein gewaltiger Präzedenzfall. Das erfüllt mit großer Sorge: Wo hört das auf? Denn ist einmal ein Anfang gemacht, wird der Staat in seiner Geldgier und Schuldenlast immer weiter diese Methode anwenden. Und am Schluss können dann alle verfassungsrechtlich für „reich“ erklärt und ihrer Einkünfte und ihres „Vermögen“ beraubt werden. Egal wie seriös sie erwirtschaftet worden sind.

Ich kann mich daher bei allem Zorn auf die öffentlich-rechtlichen Privilegienritter nicht wirklich über einen solchen Enteignungsbeschluss freuen. Denn damit bricht ein letzter Damm gegen die Gier der Politik.

PS: Ich habe übrigens keinen Pensionsvertrag.

 Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Den Schweizern ist das Geld wichtiger als Ressentiments

24. November 2013 16:55 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Schweizer haben bei drei Referenden gesellschaftspolitisch spannende Entscheidungen getroffen. Sie haben mit ihrem Votum – sowie mit der davorliegenden langen Diskussionsphase, die durchaus die Meinungen noch stark geändert hat, – neuerlich gezeigt: Die direkte Demokratie ist dem Populismus und dem Kurzfristdenken repräsentativer Modelle überlegen. Besonders eindeutig und klar war ihre Entscheidung gegen die Beschränkung von Spitzengehältern. Ihre Ablehnung solcher Beschränkungen stellt indirekt auch eine donnernde Ohrfeige für eine neue dumme Äußerung von Werner Faymann und den in Österreich grassierenden Populismus von Politik und Medien dar.

Die Eidgenossen haben mit einer rund zwei Drittel ausmachenden Mehrheit das rotgrüne Verlangen abgelehnt, die Gehälter von Spitzeneinkommen mit maximal dem Zwölffachen des niedrigsten Lohnes zu limitieren. Sie haben sich damit als weit klüger erwiesen als all die Schwätzer unter Linkspolitikern, Caritas-Funktionären, ORF- und Boulevardjournalisten, die sich gerne und regelmäßig darüber zu erregen verstehen, dass manche Vorstandsmitglieder weit mehr als dieses Zwölffache verdienen. Was eine große Ungerechtigkeit wäre.

Warum lehnen die Schweizer diesen oberflächlich gerecht klingenden Vorschlag ab? Die Bezieher von Supergagen machen samt Angehörigen ja nicht einmal ein Prozent der Bevölkerung aus und sind auch noch dazu oft Nichtschweizer. Daher waren sie in keiner Weise selbst abstimmungsentscheidend. Sie sind natürlich auch anderswo in keiner Weise wahlentscheidend.

Folglich glauben oberflächliche Politiker, dass bei diesen Reichen ohne Probleme etwas zu holen wäre. Etwa auf der Linie des Satzes, den der berühmte sozialistische Umverteilungsphilosoph Werner Faymann erst am Wochenende in einem Interview wieder geäußert hat: "Wenn man nicht einfach mehr Schulden machen kann, muss man dafür sorgen, dass von seiten der Vermögenden ein höherer Beitrag geleistet wird."

Im Unterschied zu Faymann haben die Schweizer aber erkannt: Wenn auch nur einer dieser Vermögenden, einer dieser Supergagenbezieher samt seiner Infrastruktur, seinem Unternehmen ins Ausland geht, ist der Schaden für Arbeitnehmer und Staatshaushalt enorm. Er ist höher als der Nutzen für den Staatshaushalt durch das Schröpfen der anderen, im Land bleibenden „Reichen“. Auch die Bezieher von Niedrigstlöhnen haben nichts davon, wenn sie als Folge der Reichenvertreibung ihren Job verlieren.

Eine Annahme der Vorlage hätte zwar Ressentiments gegen die Reichen bedient. Aber ansonsten hätte sie sowohl eine substanzielle Einschränkung der privaten Freiheit wie auch einen Schaden für die staatlichen Kassen bedeutet. Diese Zusammenhänge sind übrigens auch dann relevant, wenn man in etlichen Fällen durchaus der Meinung ist, dass bestimmte Spitzenmanager nicht das Geld wert sind, das sie bekommen.

Sparsamkeit hat auch die beiden anderen Entscheidungen der Schweizer geprägt. Diese sind allerdings mit weit geringerer Deutlichkeit erfolgt als die Ablehnung des linken Eingriffs in privat vereinbarte Gehälter.

Die Schweizer haben zugleich eine Erhöhung der Autobahnmaut aufs Zweieinhalbfache abgelehnt. Sie zahlen lieber die wachsenden Autobahnkosten über das Budget als übers Pickerl. Wohl auch deshalb, weil sie dadurch bei einzelnen Straßenbau-Entscheidungen mehr Sparsamkeit erhoffen. Das überrascht aber dennoch, denn beim Pickerl müssen ja auch viele Ausländer mitzahlen, die bei den Steuerzahlungen fürs Budget ungeschröpft bleiben.  

Das ist für Österreicher natürlich erfreulich. Es ist aber auch interessant in Hinblick auf die deutsche Diskussion. Dort versucht ja gerade die CSU ein Modell zu erfinden, in dem nur die Ausländer zahlen müssen. Was aber zumindest bei EU-Bürgern so nicht möglich ist. Und für die paar Nicht-EU-Autofahrer zahlt es sich schon gar nicht aus. Denkbar ist aber ein Modell, wo in Kompensation für eine allgemeine Mautpflicht andere deutsche Steuern gekürzt werden.

Zurück in die Schweiz: Weniger erfreulich – aber ebenfalls von alemannischer Sparsamkeit geprägt – ist eine weitere Entscheidung der Stimmbürger:Sie haben Steuerbegünstigungen für Familien abgelehent, die ihre Kinder selbst erziehen. Das hilft zwar der Eidgenossenschaft beim budgetären Sparen. Das bedeutet aber eine anhaltende Ungerechtigkeit gegenüber Familien: Daheim betreute Kleinkinder kommen die Allgemeinheit ja viel billiger als jene Kinder, wo die Allgemeinheit für Horte oder Kindergärten (mit)zahlt.

Die familiäre Betreuung ist ja – bis auf bildungsferne Randschichten – auch qualitativ die viel bessere Erziehung für kleine Kinder. Dies hat man aber offensichtlich nur in einigen katholischen Kantonen in der Innerschweiz verstanden, nicht jedoch im Rest der Schweiz, wo neuerlich das Sparen wichtiger war.

PS: Der oben zitierte Faymann-Satz lässt übrigens auch allzu deutlich anmerken, wie sich der SPÖ-Chef ärgert, dass man heute „nicht einfach mehr Schulden“ machen kann. War das doch der Inbegriff der linken Politik seit Kreisky und Androsch, einfach jeden Wunsch dadurch zu erfüllen, dass man ständig „einfach mehr Schulden“ macht. So was Blödes auch, dass das nicht mehr geht. Böse EU, böse Finanzmärkte. Dass übrigens neben immer mehr Schulden machen und Reichenvertreiben noch eine dritte Möglichkeit besteht, will er einfach nicht begreifen. Die buchstabiert sich so, damit es vielleicht einmal auch die SPÖ begreift: S – P – A – R – E – N.

 

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Eine Justiz macht sich lächerlich

13. November 2013 13:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

5400 Euro hat eine niederösterreichische Richterin als Strafe wegen eines Flugblatts mit scharfer Buddhismus-Kritik verhängt. Damit hat sich neuerlich gezeigt, wie dringend die in den letzten Jahren eingeführten „Verhetzungs“-Paragraphen wieder eliminiert werden müssen. Denn diese führen (wider alle bei ihrer Einführung gemachten Beteuerungen) zu einer dramatischen Einschränkung der Meinungsfreiheit. Wie jetzt bewiesen ist.

Das Gericht stellte sich auf den Standpunkt: Auch wenn die vom Angeklagten geäußerten Vorwürfe in Hinblick auf Gruppen um den Buddhismus tatsächlich stimmen, darf man sie trotzdem nicht äußern. Denn es gibt ja auch viele friedliche und durch nichts negativ auffallende Buddhisten. Eine unglaubliche Logik, die einem feudalen und totalitären Regime würdig ist. Die – beispielsweise – zu folgenden Konsequenzen führt:

Wir sind in des Teufels Küche gelandet. Eine außer Rand und Band geratende Justiz maßt sich voller Präpotenz an, Meinungs- und wissenschaftlichen Aussagen überprüfen zu können. Natürlich trifft das nicht automatisch jede Meinungsäußerung, aber man weiß nie, welche von der Justiz dann etwa wegen einer Denunziation herausgefischt wird. Genau das nennt man Willkür-Regime.

Das ist die schöne neue Welt der Political correctness, wie sie Rot, Grün und Pink erträumen (Natürlich nicht alle, es gibt sicher auch dort welche, die eigentlich noch die Meinungsfreiheit respektieren wollen . . .) und wo die Schwarzen solche Gesetze ermöglicht haben, sei es in der EU oder in Österreich.

Immer mehr Menschen sind überzeugt, dass am Ende der Monarchie deutlich mehr Meinungsfreiheit geherrscht hat als heute. Solche Judikate sind jedenfalls meilenweit von dem entfernt, was Ministerium und Politik bei der Einführung der „Verhetzung“ als Verteidigung gesagt hatten: Es würden ohnedies nur jene bestraft, die öffentlich dazu auffordern, dass eine Gruppe die Straße waschen muss. Davon ist das niederösterreichische Flugblatt meilenweit entfernt.

Eine rasch wachsende Zahl von Menschen spürt jedoch: Wir rutschen immer tiefer in den Vormärz. Wir wissen nur noch nicht genau, wann 1848 und 1867 kommen.

Was ein Richter oder Staatsanwalt denn tun solle, wenn die Politik diese Einschränkung der Meinungsfreiheit nicht zurücknimmt, wird mir bei Gesprächen mit Angehörigen dieser Berufsgruppen oft entgegengehalten? Die Antwort ist einfach: Nichts. Das ist allemal besser als Urteile, die problematische Paragraphen noch extensiv interpretieren. Und das ist ohnedies das, was manche (natürlich nicht alle . . .) in der Justiz ohnedies recht oft tun, wenn es nicht gegen christliche Aktivisten geht.

Und allen anderen rate ich, freie Meinungsäußerungen nur noch in Ländern wie den Niederlanden oder den USA zu machen. Dort ist die Meinungsfreiheit noch geschützt, selbst wenn man einen Blödsinn oder eine Geschmacklosigkeit äußert. Bei uns aber droht jetzt immer die Aktivität von Staatsanwälten und Richtern, die Meinungen auf ihre Korrektheit überprüfen.

PS: Ich habe – vermutlich zum Unterschied von Richterin und Staatsanwälten – Tibet selbst besucht und mehrmals den Dalai Lama interviewt. Ganz unbestreitbar ist der dortige Buddhismus eine atavistische und rückständige Religion, die meilenweit von Menschenrechten oder Demokratie entfernt ist. Woran auch der nette Dalai Lama nichts ändern kann. Dennoch bin ich ein vehementer Unterstützer des tibetanischen Anspruchs auf Selbstbestimmung. Als Volk, als Nation, aber nicht wegen einer Religion.

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Tributpflicht à la IWF

11. November 2013 11:11 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Das Bekanntwerden der Überlegungen des Internationalen Währungsfonds, ob die Staatskassen eventuell mittels der Enteignung von Sparern und Immobilienbesitzern zu entlasten und auf den Stand von 2007 zurückzuführen wären, hat einigen Staub aufgewirbelt. Nachdem sich – völlig überraschend – selbst die gewöhnlich zuverlässig staatsfreundlichen Hauptstrommedien überwiegend kritisch zur Idee einer Teilenteignung jener Menschen äußerten, die den schwerwiegenden Fehler begingen, keine Schulden gemacht zu haben, folgten Erläuterungen, die so glaubwürdig klangen wie weiland Walter Ulbrichts Beteuerung „Niemand will eine Mauer bauen!“

Doch jetzt ist die Katze einmal aus dem Sack. Das ist auch gut so, da die „Lektion Zypern“ vom Publikum offensichtlich nicht verstanden wurde. Jetzt sollte auch der Dümmste begriffen haben, dass die Herrschenden und die ihnen zuarbeitenden Staatsökonomen und Intellektuellen vor keinem Verrat zurückschrecken werden, wenn es darum geht, das seit vielen Jahren laufende Pyramidenspiel aus Zinsmanipulation, Kreditexzess und Geldwerterosion wenigstens noch eine Zeit lang am Laufen zu halten.

Nehmen wir an, die Sache würde tatsächlich wahr gemacht: Dann erscheint es mehr als zweifelhaft, dass kleine Sparer und Eigenheimbesitzer überhaupt die Möglichkeit hätten, sich einem generalstabsmäßig geplanten und transnational orchestrierten Raubzug der Regierungen zu entziehen. Die Möglichkeiten dazu sind begrenzt. Denn wenn, wie im IWF-Papier ventiliert, eine bestimmte Vermögensquote zugunsten maroder Staatshaushalte konfisziert werden soll, dann geraten damit ja nicht nur der amtsbekannte Immobilienbesitz, Sparbücher und Wertpapierdepots ins Fadenkreuz des Fiskus, sondern natürlich auch alle anderen Vermögenswerte. Wenn schon enteignen, dann aber schon ordentlich und „sozial gerecht“.

Schließlich wäre es undenkbar, zwar die Schrebergartenhütte der Wettitant mit einer Zwangshypothek zu belasten, nicht aber Teile der Gemäldesammlung von Herrn X und/oder das Edelmetalldepot der Frau Y und deren Juwelen zu konfiszieren. Derartige Werte sind aber, falls der jeweilige Besitzer darüber keine Zeitungsinserate schaltet oder in aller Öffentlichkeit lautstark damit prahlt, anonym und daher nur durch behördliche Nachschau aufzuspüren. Von Regierungsseite wurde bereits mehrfach betont, dass im Zusammenhang mit der Vermögensbewertung nicht an Hausdurchsuchungen gedacht sei. Das ist – siehe Ulbricht – als eindeutiger Hinweis darauf zu verstehen, dass genau diese natürlich durchgeführt würden.

Beim Geld hört bekanntlich der Spaß auf – besonders der des Fiskus. Ein Anschlag auf die Vermögen der Untertanen wird daher notwendigerweise mit einer Öffnung von Bankschließfächern unter Behördenaufsicht, sowie einer gründlichen Inspektion von Heimstätten der üblichen Verdächtigen einhergehen, als da wären: Unternehmer, Besitzer lastenfreier Eigentumswohnungen oder Eigenheime und andere Geldsäcke, sowie alle jene, die keinen großen Proletariernachweis erbringen können. Im Zuge der Bewältigung der Staatsschuldenkrise werden wir daher jede Hemmung fallen sehen, auch noch die letzten verbliebenen Reste von Privatsphäre zu beseitigen. Schließlich steht ja nicht weniger als das Gemeinwohl auf dem Spiel! Unverletzlichkeit der Wohnung? Lächerlich!

Auch jene Schlaumeier, die nun – einerseits um der Enteignung durch den Staat und andererseits um einem möglichen Bankrun zuvorzukommen – ihre Konten auflösen um die abgehobenen Banknoten zu Hause in ihre Matratzen stopfen, wären leichtsinnig, würden sie sich deshalb in Sicherheit wiegen. Rascher, als sie von der Bank heimkommen, können nämlich jene Banknoten für ungültig erklärt werden, die nicht über eine entsprechende behördliche Kennzeichnung verfügen. Im Zuge dieser Kennzeichnung (oder des Umtauschs) von daheim gehorteten Barmitteln, wird dann erst recht die jeweilige Zwangsabgabe (deren Quote eher über als unter den kolportierten zehn Prozent liegen wird) eingetrieben. Derlei Übungen sind nicht neu. Es ist alles schon einmal da gewesen!

Die Konsequenz der vom IWF überlegten Ausplünderung von Nichtschuldnern und Vermögensbildnern wird nicht lange auf sich warten lassen: Nach der Immobilenbranche, den Aktien- und Rohstoffbörsen, werden jetzt die Konsumtempel Umsatzrekorde feiern und die Tourismusindustrie wird einen Boom erleben. Ludwig Mises hat ein derartiges Phänomen einst als „Katastrophenhausse“ bezeichnet. Wer keine Möglichkeit sieht, sein mühsam erspartes Vermögen dem Zugriff grob fahrlässiger oder krimineller Machthaber oder einer galoppierenden Inflation zu entziehen, wird konsumieren, als gäbe es kein morgen. Lieber noch ein paar Monate im Dauerrausch, als gar nichts vom Ersparten zu haben – durchaus rational überlegt! Ist dann der letzte Cent verbraten, und der letzte bar bezahlte Laib Brot aufgegessen, heißt es „Fertigmachen zum Zusammenbuch!“ Dann – wenn auch leider zu spät – werden selbst glühende Etatisten und eingefleischte Keynesianer erkennen, dass es doch keine Möglichkeit gibt, sich „reich zu konsumieren“ oder „in den Wohlstand zu verschulden“.

Die Ironie des Ganzen ist, dass derartige Ungeheuerlichkeiten und all der verheerende Schaden, der damit angerichtet wird, dennoch keine nachhaltige Sanierung der Staatshaushalte bewirken würden. Denn niemals waren die Abgabenlasten höher als unserer Tage; zu keiner Zeit haben die Steuerquellen ergiebiger gesprudelt als gerade jetzt. Das Problem der Staaten besteht nämlich nicht in zu geringen oder abnehmenden Einnahmen, sondern in zu hohen und zudem laufend steigenden Ausgaben. Und daran wird sich auch nach einer Entschuldung der Staaten – gleich auf welche, jedenfalls schmerzhafte Weise diese erfolgen wird – absolut nichts ändern. Schon tags darauf werden erneut die Staatsausgaben die -einnahmen übersteigen, da niemand innerhalb der politischen Klasse daran denkt, die Strukturen zu verändern.

Denn auf dem Boden der westlichen „Prolokratie“ liefe ein Entzug steuer- oder schuldenfinanzierter Wohltaten glatt auf einen politischen Selbstmord der Regierungen hinaus, den zu begehen diese mit Sicherheit nicht vorhaben. Daher würden – auch nach einer Sanierung der Staatshaushalte – dem über die Stimmenmehrheit verfügenden Proletariat weiterhin Brot und Spiele geboten werden müssen. Schließlich will man sich ja als Systemprofiteur die Finger nicht mit ehrlicher, produktiver Arbeit schmutzig machen müssen, sondern weiterhin am wohl gefüllten Futtertrog der Politik verbleiben und wiedergewählt werden. Das grausige Spiel könnte daher von neuem beginnen.

Fazit: Das herrschende politische System ist – nicht nur in materieller Hinsicht – bankrott und mutmaßlich unreformierbar. Ohne eine Rückkehr zu persönlicher Verantwortung und Haftung, Respekt vor privatem Eigentum und einem soliden Geldsystem wird die Gesellschaft jedenfalls zerfallen…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Die strenge Kammer und die Meinungsfreiheit

05. November 2013 02:41 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In der Wiener Ärztekammer amtiert seit der letzten Ärztewahl ein sozialistischer Gewerkschafts-Apparatschik. Das merkt man schmerzhaft. Sind doch Rot und Grün jene Parteien, die nicht mehr auf der wichtigsten Grundlage der historischen Aufklärung und der daraus entstandenen bürgerlichen Revolutionen stehen, also auf dem Boden des ständigen Kampfes für die Meinungsfreiheit als oberstem Wert (bei Pink ist es mir noch nicht ganz klar, wo die stehen).

Die unhaltbaren Arbeitsbedingungen der AKH-Ärzte sind dem Mann nicht so wichtig, obwohl er dort eigentlich Betriebsrat ist. Oder vielleicht gerade deswegen. Er wäre ja nicht der erste Betriebsrat, der sich gut arrangiert. Die öffentlichen Proteste gegen die Arbeitsbedingungen überlässt der Kammerpräsident jedenfalls lieber den paar mutigen Professoren, die es am AKH noch gibt.

Dafür schlägt er öffentlich umso brutaler mit der Moralkeule zu, wenn ein Wiener Arzt dem Politkommissar nicht gefallende Wertaussagen macht. Und das ist ungeheuerlich. Eine Kammer hat die Wertauffassungen ihrer Mitglieder nicht zu kommentieren, geschweige denn zu kritisieren oder gar deswegen öffentliche Entschuldigungen zu verlangen. Ganz gleich, ob man nun der Meinung des Neo-Abgeordneten (Liste Stronach) Marcus Franz ist oder nicht.

Dieser Arzt hatte in einem Interview (mit einer der Links-Kämpferinnen vom „Profil“) gemeint, dass Homosexualität eine genetische Anomalie ist und „mit Sicherheit amoralisch“, wenn man „strenge Moralmaßstäbe“ anlegt.

Nun, vielleicht liegt Franz mit dem Hinweis auf die Genetik tatsächlich falsch. Hat man doch meines Wissens bisher noch kein Homosexuellen-Gen gefunden, das Ursache dieser „Orientierung“ wäre. Das Fehlen eines solchen Gens ärgert übrigens die Schwulen-Lobby sehr, aber das weiß der Kammer-Politruk wohl nicht. Denn wenn etwas genetisch bedingt wäre, dann wären tatsächlich alle Moral-Diskussionen fehl am Platz.

Neuerlich hat sich bestätigt: In Österreich darf man nur noch Meinungen im engen Denk(?)feld zwischen „Profil“ und SPÖ haben. Das mehr ein Punkt als ein Feld ist.

PS: Zufällig werden fast zur gleichen Zeit andere Neuigkeiten über das „Profil“ bekannt. Jahrelang hatte das Blatt gegen die frühere Gesundheitsministerin Rauch-Kallat agitiert; deren Mann hätte vom einstigen staatlichen Ankauf von Grippemasken profitiert. Nun – nach so vielen Jahren! – hat die Raiffeisen-Zeitschrift den Schwanz eingezogen und den Vorwurf „mit dem Ausdruck des Bedauerns“ zurückgezogen. „Profil“ halt.

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Liberalismus begeistert mehr denn je

03. November 2013 05:37 | Autor: Michael Landl
Rubrik: Gastkommentar

Obwohl in den deutschsprachigen Medien kaum ein Tag vergeht, an dem nicht ein Abgesang des klassischen Liberalismus angestimmt wird, wachsen die European Students For Liberty weiter. Mit unserer Hilfe wurden mehr als 200 Studentengruppen in 36 europäischen Ländern gegründet (weltweit sind es bereits über 1000). Wir sehen uns als einen „Serviceprovider“ für klassisch-liberale Studenten und möchten deren primäre Anlaufstelle an den europäischen Universitäten werden. Zu diesem Zweck stellen wir kostenlos Ressourcen (z.B. Bücher oder Onlineseminare), Trainings und Netzwerkmöglichkeiten zur Verfügung.

Unser Ziel ist es, die Ressource für klassisch-liberale Studenten zu werden. Der Fokus liegt auf Studenten, da unsere Theorie des sozialen Wandels auf langfristige Veränderungen in der Denkweise der Gesellschaft abzielt. Das heißt, wir möchten den jungen Menschen so früh wie möglich die klassisch-liberalen Ideen näher bringen, damit sie diese während ihres weiteren akademischen und beruflichen Werdegangs verbreiten können.

Regionalkonferenz am 23. November in München

Nachdem die fünf Regionalkonferenzen im letzten Jahr – mit insgesamt mehr als 570 Teilnehmern – auf großen Anklang gestoßen sind, veranstalten wir diesen Herbst zehn weitere solcher Konferenzen (für die gesamte Liste hier klicken), zu denen wir Sie hiermit sehr herzlich einladen möchten.

Die Konferenz in München wird am 23. November 2013 in deutscher Sprache abgehalten. Das Programm beinhaltet prominente Redner, wie z.B. Gerd Habermann (Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft E.V.), Christian Hoffmann (Universität St. Gallen/Liberales Institut), Matt Kibbe (FreedomWorks), Barbara Kolm (Hayek Institut/Austrian Economics Center), Prinz Michael von Liechtenstein, Rolf W. Puster (Universität Hamburg) und Franz Schellhorn (Agenda Austria). (Für das gesamte Programm hier klicken)

Was uns European Students for Liberty von bereits bestehenden Organisationen unterscheidet, ist unsere Struktur und Schwerpunktsetzung. Wir nehmen kein Geld vom Staat an und sind nicht politisch tätig. Als European Students For Liberty konzentrieren wir uns ausschließlich auf die Ideen der Freiheit und deren Diskussion und Verbreitung. Wir schreiben dabei niemandem vor, welcher Weg zur Freiheit der beste ist. Vielmehr wollen wir genau darüber mit Ihnen – und möglichst vielen anderen Teilnehmern – diskutieren.

Aus diesem Grund würden wir uns sehr freuen, Sie am 23. November 2013 in München begrüßen zu dürfen.

Informationen:

Michael Landl ist im Vorstand der European Students For Liberty tätig und studiert „International Affairs and Governance“ an der Universität St. Gallen. Sie können ihn unter der E-Mail-Adresse mlandl@studentsforlibery.org erreichen.

Weiterführende Links:
European Students For Liberty
Regionale Konferenzen
Regionale Konferenz München 

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FN 517: Die Unfreiheit der Gedanken

30. Oktober 2013 18:18 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Nichts ist widerlicher, als wenn freie Bürger durch freiwillige Selbstzensur ihre eigene Freiheit verraten.

Das kann auch durch scheinbare Kleinigkeiten passieren, wie den Verzicht auf ein Lied: Der Dresdner Kreuzchor hat von sich aus für eine China-Tournee "Die Gedanken sind frei" aus dem Programm genommen, obwohl es ursprünglich darin als emotionaler Eckpfeiler geplant gewesen ist. Aber dann fürchtete man, dass sich Chinas Machthaber an den Worten des Freiheitslieds über "dunkle Kerker" und über die Gedankenfreiheit stoßen könnten. Daher änderte man das Programm, noch bevor es ein Chinese sehen konnte. Wir lernen: Wenn ein bisschen Geld in der Kasse klingelt, opfert man heute sogar freiwillig die bloße Erwähnung von Europas (einst?) wichtigstem Wert. Vielleicht wissen die Sachsen gar nicht mehr, wie viele Menschen allein für dieses Freiheitslied und mit ihm in den letzten drei Jahrhunderten in den Kampf für eine gute Sache gezogen sind. Etwa genau vor zweihundert Jahren in die (ebenfalls in Sachsen ausgetragene!) Völkerschlacht gegen Napoleons Fremdherrschaft. Oder dann gegen den feudalen Absolutismus in der eigenen Heimat. Heute aber sieht man, wie alt, müde, schwach diese Deutschen, diese Europäer geworden sind. Beklemmend.

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Spindeleggers Rache statt bürgerlicher Perspektive

25. Oktober 2013 01:13 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der ÖVP-Obmann räumt nun alle jene Spitzenpolitiker seiner Partei weg, die einmal gewagt hatten, eine andere Meinung als er zu haben. Jetzt nach der glimpflich überlebten Wahl hat er zum ersten und vielleicht letzten Mal die Macht dazu. Er vergisst dabei nur eines: Wenn man gute Leute wegräumt, ohne irgendwo eine alternative Perspektive zu bieten, dann kann das nur als Rache interpretiert werden. Das ist in einem Zeitpunkt besonders schlimm für die ÖVP, da zugleich ihre inhaltlichen Defizite immer größer werden. Von der Schul- bis zur liberalen Ordnungspolitik.

Offensichtlich sind jetzt alle auf der Abschuss- oder Abschiebeliste, die sich im Sommer 2012 den Revirement-Plänen von Michael Spindelegger in den Weg gestellt haben. Das nennt man kalt konsumierte Rache.

Nun ist es gewiss nicht nur das Recht, sondern auch die absolute Aufgabe eines Parteiobmanns, sich seine Mannschaft selber zusammenzustellen. Das Recht der Wähler ist es aber dann, das Ergebnis zu beurteilen.

Vielleicht sollte daher der ÖVP-Obmann auch ein wenig selbstkritisch sein und darüber nachdenken, ob wirklich Finanzministerin und Klubobmann das Bleigewicht an seinen Beinen sind. Oder ob das nicht vielmehr die von fast allen bürgerlichen Wählern verabscheute Koalition mit einem Werner Faymann ist. Die nur von der linken Einheitspresse herbeigewünscht wird.

Faktum ist ja jedenfalls, dass weder Josef Pröll noch Michael Spindelegger in der ganzen Regierungszeit mit Faymann eine einzige relevante Maßnahme durchgebracht haben, welche nur im Entferntesten ordnungspolitisch-wirtschaftsliberal oder wertkonservativ gewesen wäre. Vielleicht schafft es Faymann wirklich, hinter verschlossenen Türen den lieben Michael und den lieben Sepp immer einzukochen. Aber Genießbares serviert ist dann eben nie worden.

Auch jetzt deutet rund um die Koalitionsgespräche nichts darauf hin, dass auch nur eine einzige liberalkonservative Reform umgesetzt wird. Die ÖVP hat zwar des öfteren einige ganz linke SPÖ-Dummheiten verhindert, aber anderen immer wieder zugestimmt. Das ist nicht ganz das, was man als Wahlmotiv der letzten noch verbliebenen ÖVP-Wähler vermuten darf.

Karlheinz Kopf war sicher kein strahlender Volkstribun, der die Säle gefüllt hätte. Aber er ist einer der ganz wenigen echten Ordnungsliberalen in der österreichischen Politik. Er hat zugleich ein ziemlich gutes Gefühl als auch konservativ denkender Bürgerlicher, welchen Absprachen zwischen Bundes- und Vizekanzler man trotz allem nicht blindlings zustimmen sollte. Und er war vor allem das letzte Bollwerk dagegen, dass der linke Staatsfunk für seine immer ärger werdenden Umtriebe frisches Steuergeld bekommt (oder höchstens dafür, dass ein Mann des Erwin Pröll dort halt als Feigenblatt hineingepresst wird, der aber die inhaltliche Schlagseite in keiner Weise austarieren kann – höchstens bei der Niederösterreich-Berichterstattung).

Maria Fekter kann und muss man vorhalten, dass sie dem Verlangen ihres oberösterreichischen Landesparteichefs nachgegeben und letztlich doch einer Linzer Medizin-Fakultät zugestimmt hat. Nur sollte es nicht ausgerechnet Spindelegger sein, der ihr das vorhält. Denn dieser hat sich – so wie die SPÖ – nicht einmal eine Sekunde lang gegen die teure Unsinnigkeit dieser Fakultät gewandt.

Aber Fekter war wenigstens bei allen übrigen Fragen eine der politischen Ausnahmeerscheinungen, die beim Bürger noch den glaubwürdigen Eindruck hinterlassen, die Interessen der Steuerzahler im Auge zu haben. Und sie war und ist einer der letzten authentisch wirkenden Politikertypen in diesem Land, die noch wie ein Mensch redet und nicht als substanzloser Phrasendrescher daherkommt.

Gewiss, niemand ist unersetzlich, weder Fekter noch Kopf noch der schon davor entsorgte Neugebauer. Aber wo um Himmels willen ist der Ersatz? Wenn Sebastian Kurz derzeit schon fast für jedes Ministerium genannt wird, dann zeigt das nur eines: Das einzige politische Talent, das da im letzten Jahrzehnt neu in der Politik aufgetaucht ist, wird nun möglichst rasch verheizt.

Umso schlimmer ist das, was da sonst auftaucht: Wenn wirklich ernsthaft ein Christoph Leitl Minister werden sollte, dann ist das wohl endgültig der Untergang der ÖVP. Hat sich doch Leitl in den letzten Jahren immer als DER sozialdemokratisch-gewerkschaftlich denkende und handelnde Eckpfeiler der Volkspartei positioniert. Wenn Spindelegger wirklich diesen Alt-68er aus der Greißler-Gewerkschaft in die Regierung befördert, dann ist ihm wirklich nicht mehr zu helfen.

Das gilt noch viel mehr, wenn auch nur ansatzweise das Wirklichkeit werden sollte, was da inhaltlich aus den Koalitionsverhandlungen kolportiert wird. Sollte der Salzburger Landeshauptmann und Ex-Rechtsanwalt Haslauer wirklich das achtklassige Gymnasium opfern, dann hat sich die ÖVP nicht nur viele Lehrer, sondern vor allem hunderttausende Eltern von gegenwärtigen oder vor allem künftigen AHS-Kindern zum Feind gemacht. Und die werden das mit Garantie nicht nach ein paar Wochen vergessen haben. Geht es doch um ihre Kinder. Die haben sie höchstwahrscheinlich auch noch bei der nächsten Wahl. Und diese Eltern werden immer an Haslauer und Spindelegger denken, wenn ihre Kinder acht Jahre in einer Gesamtschule verblöden oder wenn sie teures Geld für Privatschulen zahlen müssen.

Nun, wir werden ja sehen. Ich glaube noch immer, dass eine Partei eigentlich nicht so dumm, so suizidal gestrickt sein kann, dass das wirklich passiert. Nur weil es ein paar Industrielle so wollen (die ihre eigenen Kinder immer schon auf die teuersten Privatschulen schicken).

Aber die nunmehr vorliegenden Personalmaßnahmen lassen mich jedoch zittern, dass ich mit meinem Glauben an die schwarze Restintelligenz völlig falsch liegen könnte.

Meine diesbezügliche Skepsis ist ja schon durch die personelle Zusammensetzung des neuen ÖVP-Klubs genährt worden: Noch nie haben die Schwarzen so arge inhaltliche Defizite gehabt. Die einst große bürgerliche Partei hat von den Schulen bis zur Kultur, von der Außen- bis zur Pensions- und Gesundheitspolitik und bis zum ganzen Justizbereich überhaupt keine respektierten Experten mehr in ihren Reihen, die sich in diesen politischen Schlüsselthemen auskennen würden. Es gibt nur noch jede Menge Quotenfrauen, Lokalkaiser, Bürgermeister, Raiffeisen-Funktionäre, Rüben-, Wein-, Berg-, Milch- und Getreidebauern. So wie man auch bei der SPÖ fast nur noch Bürgermeister, Lokalkaiser und Gewerkschafter antrifft.

PS: Noch deprimierender ist, dass die einzige – zum Glück nur ein paar Stunden anhaltende – parteiinterne Kritik an den schwarzen Personalentscheidungen ausgerechnet mit dem dümmsten aller Argumente vorgebracht worden ist: mit der feministischen Kritik daran, dass der Herr Kopf, der ins Nationalratspräsidium abgeschoben werden soll, ein Mann ist. Das sind offenbar die größten Sorgen, die sich jemand in der ÖVP macht . . .

 

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Die Vorteile der direkten Demokratie

23. Oktober 2013 02:37 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Einführung von mehr direkter Demokratie hat viele Vorteile, die der öffentlichen Diskussion gar nicht bewusst sind. Sie ist vor allem Garant gegen Anlassgesetzgebung und gegen schlechte Huschpfusch-Gesetze. Beides ist in den letzten Jahren in Österreich ja fast die dominierende parlamentarische Mode geworden. In Ländern mit direkt demokratischen Instrumenten wirkt die Phase vor dem Referendum hingegen durch ihre Dauer und ihre öffentlichen Diskussionen versachlichend und beruhigend.

Es ist immer wieder beeindruckend, wie nüchtern etwa in der Schweiz von den Medien und Bürgern alle Pro- und Kontra-Argumente dargelegt und abgewogen werden. Daher sollten auch die österreichischen Parteien endlich lernen, dass es bei einem Referendum um die Sache und nie um einen Politiker (beispielsweise um den einst angekündigten Rücktritt Bruno Kreiskys) gehen sollte.

Auch die – eigentlich nur aus populistischen Motiven angeordnete – Bundesheerabstimmung des vergangenen Winters hat bei den Österreichern solche Abwägungen in breiter Front ausgelöst. Bei den Wählern noch mehr als bei den Medien. Diese behandelten die Abstimmung so wie die Parteisekretariate noch immer verfehlterweise als parteipolitische Angelegenheit.

Das sind Referenden aber nur noch für einen kleinen Prozentsatz der Bürger. Die Mehrzahl hingegen hat im Winter weitestgehend sachlich, nicht parteipolitisch über das Heer nachgedacht. Und dann entschieden.

Dennoch äußern nach wie vor viele Politiker und Beamte Einwände gegen die direkte Demokratie. Der am häufigsten vorgebrachte: Sie warnen, dass das Volk in dieser oder jener Frage „falsch“ entscheiden könnte.

Das ist in Wahrheit ein skandalös provozierender Einwand. Denn er geht davon aus, dass irgendjemand da oben das absolute, oder zumindest ein höherrangiges Wissen über „falsch“ oder „richtig“ habe. Aber die Demokratie ist nicht zuletzt deshalb entstanden, weil man erkannt hat, dass niemand und niemandes Wissen höherwertig sind. Die Elite – und damit die Machthaber – versucht jedoch, sich moralisch und intellektuell über das zu bevormundende Volk zu erheben. Motto: „Wir wissen‘s besser.“

Das ist reine Anmaßung, und hat auch keine Grundlage in der Verfassung oder in der Rechtsphilosophie. Dahinter verbirgt sich auch der Gesinnungsterrorismus der Political correctness, der den Menschen eine wachsende Menge an Denk-, Sprech- und Verhaltensregeln aufzwingen will. Zugleich versucht er diese Regeln als höherwertig denn normale (=abänderbare) Gesetze einzustufen.

Diese Haltung verwandelt den alten Scherz über die Verfassung in beklemmende Wirklichkeit: Das Recht geht vom Volk aus, aber es ist nie wieder zum Volk zurückgekehrt; denn eine herrschende Mandarinen-Klasse hat es sich inzwischen angeeignet.

Diese hält das Volk für ungeeignet, seine eigenen Angelegenheiten zu regeln. Sich selber hält diese Klasse hingegen für sehr gut geeignet, auch die Angelegenheit anderer Menschen zu regeln. Ihre wahren Motive sehen freilich ein wenig anders aus. Bei vielen Abgeordneten hört man primär egoistische und geradezu primitive Bedenken. Etwa des Inhalts, dass bei den Referenden dann die Politikerbezüge oder Parteiförderung reduziert würden.

Die Behauptung der Überlegenheit repräsentativdemokratischer Abstimmungen wird durch die Realität jedenfalls total ad absurdum geführt. So schlechte, so überflüssige, so populistische, so viele nachhaltig zum ökonomischen und gesellschaftlichen Kollaps führende Gesetze, wie sie die repräsentative Demokratie in den letzten Jahren produziert hat, bringt das Volk nie und nimmer zusammen.

Die Staatsschulden oder der Zustand der Universitäten oder das seit Jahrzehnten gesunkene(!) Pensionsantrittsalter oder die vielen verfehlten Schulreformen oder die überflüssig teure Rettung von Hypo und Kommunalkredit oder die Aufblähung der bürokratischen Regulierungsmenge: All diese Beispiele zeigen ein Versagen der repräsentativen Demokratie.

Diese versucht ständig eilfertig, vermeintlichen Wünschen der Bevölkerung entgegenzukommen. Jedoch hätten die Bürger selbst die meisten Unsinnigkeiten der repräsentativen Demokratie gar nie beschlossen, wenn sie selbst die Letztverantwortung hätten. Denn meistens werden ja nur lautstarke Lobbies bedient. Und dort, wo sich die Bevölkerung für eine Schimäre engagiert, tun die repräsentativen Politiker aber auch gleich servil mit. Siehe etwa Neutralität.

Man kann übrigens die um das eigene Überleben bangenden Politiker trösten: Das Parlament bleibt ohnedies das entscheidende Gremium, und zwar in all jenen Fällen, wo niemand die vielen Unterschriften für ein Referendum zustandebringt. Daher werden die meisten Aufgaben der Parlamentarier weiterlaufen – aber vielleicht mit mehr Nachdenken verbunden, ob man auch gut begründet agiert. Zugleich nimmt direkte Demokratie viel des derzeit ständig wachsenden Erwartungsdrucks von den Parlamentariern. In Wahrheit wissen die ja längst selber, dass sie immer weniger die vielfältigen und widersprüchlichen Erwartungen erfüllen können, die an sie gestellt werden.

Eine Reform nach Schweizer Muster wäre daher absolut richtig. Schwarz, Blau und meist auch Grün sind ja bei ihren Reformüberlegungen der letzten Jahre auch von diesem Ziel ausgegangen. Also: verpflichtende direktdemokratische Abstimmungen im Falle einer erfolgreichen Unterschriftensammlung für oder gegen ein Gesetz. Aber inzwischen ist unter dem Druck der SPÖ und einiger schwarzer Bedenkenträger das Projekt stark verstümmelt worden. Auch Grün und zum Teil Blau haben anscheinend die Lust ein wenig verloren.

Die ersten Entwürfe Richtung direkter Demokratie sind im Sommer fertiggestellt worden. An diesen wird öffentlich vor allem die Festlegung einer sehr hohen Grenze für die notwendige Unterschriftenzahl kritisiert. 10 beziehungsweise 15 Prozent der Wähler sind eine gewaltige Menge. Diese muss man binnen einer Woche in die Amtsstuben bringen, damit die Menschen dort das einleitende Volksbegehren unterschreiben (und sich dabei vor politisch vielleicht andersdenkenden Funktionären outen!). In der Schweiz sind hingegen je nach Materie nur 50.000 beziehungsweise 100.000 Unterschriften nötig. Also maximal ein Sechstel.

Noch viel schlimmer aber als bei der notwendigen Unterschriftenzahl fällt der Vergleich in Hinblick auf den Zeitraum aus: Die Schweizer haben ein halbes Jahr Zeit, um die nötigen Signaturen zu sammeln. Bei uns gibt es nur eine Woche.

Am ärgerlichsten aber ist die umfangreiche Liste der Bereiche, über die nicht abgestimmt werden darf. Dabei geht es vor allem um das EU-Recht. Während es noch nachvollziehbar ist, dass gegen dessen Geltung keine sinnvollen Referenden möglich sind, wären Referenden bei der Frage der Schaffung neuen EU-Rechts sehr wohl möglich und sinnvoll.

Denn absurderweise bestimmen über neue EU-Gesetze (Richtlinien oder Verordnungen) in den EU-Räten einzig und allein die zuständigen Ressortminister. Die im österreichischen Ministerrat immer vorgeschriebene Einstimmigkeit ist dabei nicht notwendig. Zwar könnte das österreichische Parlament das Abstimmungsverhalten jedes Ministers durch einen Beschluss vorweg auch inhaltlich festlegen. Aber nur wenn es will. Und es will nie. Denn die Koalition hat sich auf eine skandalöse Linie festgelegt: Die Schwarzen reden den roten Ministern nicht drein, und die Roten nicht den schwarzen Ministern. Dass nachher auch noch das EU-Parlament abstimmt, ist da absolut kein Trost. Denn dieses ist nicht nur total undemokratisch gewählt (ein deutscher Abgeordneter vertritt 811.000 Menschen, einer aus Malta nur 67.000!), ihm fehlt auch die nationale Gesamtverantwortung einer Regierung.

Provozierenderweise sollen die Bürger künftig also bei EU-Themen nicht einmal das dürfen, was das Parlament kann. Direkte Demokratie hin oder her. Dabei geht es in der EU wirklich um Wichtiges: Denn im EU-Rat können Minister im Alleingang zusammen mit ihren 27 Kollegen aus den anderen Ländern Gesetze für die ganze EU genehmigen oder blockieren. Und die sind auch inhaltlich meist wichtiger als normale österreichische Gesetze.

Minister sind also via EU viel mächtiger als innerösterreichisch. Daher wäre es absolut logisch, dass sie bei ihrer europäischen Gesetzgebertätigkeit künftig durch Referenden zwingend gebunden werden können. Denn, auf einen Satz gebracht: Wenn man die direkte Demokratie ernst und nicht nur als Augenauswischerei versteht, dann muss künftig das Volk dieselben Möglichkeiten wie das Parlament bekommen.

Noch ein weiteres schweres Manko prägt die kursierenden Entwürfe für mehr direkte Demokratie: Sie beschneiden die Rechte des Volkes bei Verfassungsgesetzen zusätzlich. Bei diesen soll das Quorum für eine erfolgreiche Einbringung noch um 50 Prozent höher sein als bei normalen Gesetzen. Das hat keinerlei Berechtigung. Denn im Parlament braucht es ja auch nicht mehr Abgeordnete als sonst, um eine Verfassungsänderung vorzuschlagen. (Die „Verfassungsmehrheit“ ist nur bei der Abstimmung, nicht aber bei der Einbringung nötig). Und auch bei der allerhöchsten Stufe, einer Gesamtänderung der Verfassung, ist nur eine Mehrheit bei einem Referendum notwendig. Nicht mehr. Dass ausgerechnet in diesem - einzigen - Fall die Verfassung eine Volksabstimmung sogar vorschreibt, zeigt aber auch, dass die ursprünglichen Verfassungsautoren durchaus das Volk als alleroberste Instanz angesehen haben.

Aber heute will der Machtdünkel der Politik das Volk weiterhin von wirklichen Entscheidungen möglichst fernhalten. Mit allen möglichen Tricks.

Überdies schafft sich das Parlament laut dem Entwurf die Möglichkeit, durch fünfmonatige Ausschussberatungen und Verhandlungen den Antrag wieder zu verwässern. In der Schweiz ist hingegen eine Volksabstimmung ein automatisches Muss, wenn das Parlament nicht zur absoluten Gänze dem von Bürgern begehrten Entwurf zustimmt.

Zugleich wollen Rot und Schwarz die Bundeswahlbehörde sowie den Verfassungsgerichtshof bei solchen Verwässerungen durchs Parlament in eine Schiedsrichterposition bringen. Der VfGH ist jedoch ein auf Jahrzehnte absolut unaufbrechbares Machtrefugium von Rot und Schwarz. Alle Verfassungsrichter sind ausschließlich auf einem Ticket einer dieser beiden Parteien dort hineingesegelt. Damit haben Rot und Schwarz auf Jahrzehnte einen starken Verhinderungshebel in der Hand.

Wenn man Schweizern diese Rolle des VfGH erklärt, schütteln sie nur entgeistert den Kopf. Kennen Sie doch eine solche Institution gar nicht. Das einzige, was es dort gibt, ist das Recht der Regierung, zu einer Volksabstimmung ihre Meinung zu sagen und dann eventuell neben der eingebrachten Formulierung den Bürgern auch noch eine eigene zur Abstimmung vorzulegen.

In Österreich hingegen wird der Souverän behandelt wie ein Kindergartenkind, das man ständig fest an der Hand halten muss.

Die allergrößte Einschränkung der Bürgerrechte liegt aber im Bereich der in ihrer Urform zweifellos unabdingbaren Menschenrechte. Den Bürgern ist aber noch viel zu wenig bewusst: Unter Berufung auf die angeblich notwendige ständige Fortentwicklung der Menschenrechte haben sich die obersten Richter Österreichs und Europas Schritt für Schritt ein unglaublich weitreichendes politisches Gestaltungs- und Einmischungsrecht geschaffen. Dadurch gilt in hohem Ausmaß Richterrecht – total an Geist und Buchstaben der Menschenrechtskonvention und der Verfassung vorbei. Diese haben ja die Schaffung von neuem Recht eigentlich exklusiv dem Gesetzgeber vorbehalten.

Die Schöpfer der Verfassung und Menschenrechtskonvention haben offensichtlich die expansive und machtbewusste Partisanentaktik von Richtern unterschätzt. Fast in ganz Europa haben diese unter Berufung auf "Menschenrechte" ihre Macht ständig ausgeweitet. Dadurch nähert sich die europäische Realität immer mehr den USA an. Dort sind es ja auch die Richter und nicht der eigentlich gewählte Kongress, die über fundamentale Fragen wie Schwulenehe oder Abtreibung entscheiden.

Da aber die Parlamente der eigenen Entmachtung jahrzehntelang tatenlos zugesehen haben, sollen nun offenbar auch die (vielleicht eines Tages) direktdemokratisch entscheidenden Stimmbürger sofort wieder weitgehend entrechtet sein.

Dieser Beitrag beruht in großen Teilen auf einem Aufsatz, den ich für einen Sammelband der Wochenzeitung „Zur Zeit“ zum Thema „Direkte Demokratie“ geschrieben habe.

 

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Eine Union zerstört ihre Werte

21. Oktober 2013 01:58 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Strafen für jene Parteien, die nicht die Werte der EU vertreten! Diese Forderung der europäischen Sozialisten stößt auch in Teilen der EU-Kommission auf große Zustimmung. Dennoch ist völlig klar: Würde Europa solche Strafen wirklich einführen, verlässt es endgültig den Weg des demokratischen Rechtsstaats. Denn der baut auf weltanschaulicher Neutralität auf, wie sie etwa schon die österreichische Verfassung seit fast hundert Jahren ganz wertfrei verkörpert. Sobald diese Neutralität aufgegeben wird, ist Tür und Tor zu einem neuen Totalitarismus geöffnet.

Der Vorstoß Richtung Strafbarkeit ist umso chancenreicher, als im EU-Parlament auch Gruppierungen sitzen, die sich zwar als „liberal“ bezeichnen, die aber in Wahrheit große Sympathien für solche Ideen einer Wertekontrolle haben.

Jede Strafbarkeit für Meinungen und Werte ist aber ein schwerer Verstoß gegen die fundamentale liberale Grundidee der Aufklärung und aller in der Folge darauf aufbauenden Revolutionen und Verfassungen. Das oberste Verlangen der Aufklärung war der Ruf nach Meinungsfreiheit. In der Präzisierung von Voltaire: Auch wenn ich total den Inhalt dessen ablehne, was ein anderer sagt, so werde ich (als freiheitsbewusster Einzelmensch ebenso wie als Rechtsstaat) alles tun, damit dieser andere seinen Inhalt weiter verbreiten kann. Meinungsfreiheit nur für jene, die so denken wie man selbst, wäre ja nur eine Karikatur.

Auch Nazis und Kommunisten schützten ihre Werteordnungen

Um die Notwendigkeit der echten Meinungsfreiheit zu unterstreichen, denke man an die Geschichte der letzten paar Jahrhunderte, da es eben keine Meinungsfreiheit gegeben hat. Da wurde in der mariatheresianischen Zeit sogar der Messbesuch kontrolliert; da gab es in der Nazi-Zeit den Zwang, die nationalistischen, antisemitischen und rassistischen „Werte“ der Nazis zu unterstützen; da musste bis 1989 halb Europa die „Werte“ des Klassenkampfes und des ausbeuterischen Aufbaus sozialistischer Gesellschaften einhalten. In Wahrheit wurde freilich immer die eigene Macht geschützt.

Jetzt droht also die Verordnung „europäischer Werte“. Schon etliche Urteile der obersten europäischen Gerichte (in Luxemburg wie Straßburg) in den letzten Jahren waren stark vom Geist einer Machtelite geprägt, die den Zwang zu einem politisch-korrekten Denken und Reden auf Kosten der Meinungsfreiheit durchsetzen will. Künftig will offenbar die Politik (oder zumindest ein Teil der politischen Klasse) wieder ganz unser Denken kontrollieren.

Natürlich hat der EU-Binnenmarkt, der freie und damit preisgünstige Austausch von Gütern und Dienstleistungen, den Europäern viel gebracht. Daher setzt sich jeder für seine Bewahrung ein, der die ökonomischen Grundrechnungsarten beherrscht. Aber es wäre ein absoluter Wahnsinn und absolut kontraproduktiv, wenn man Kritik am Binnenmarkt oder einzelnen seiner Aspekte als „Verstoß gegen die europäischen Werte“ zu bestrafen versucht.

Das schon deshalb, weil Menschen (erfreulicherweise) immer gerne das Gegenteil dessen glauben, was ihnen eine Obrigkeit zu glauben anordnet. Sie tun das zumindest ab dem Zeitpunkt, da sie die erste Lüge, Dummheit, Korruption dieser Obrigkeit entdecken. Und das war selbst unter einem Hitler oder Stalin trotz totaler Kontrolle über Medien und andere Kommunikationsschienen nicht zu verhindern.

Solange die EU eine reine Wirtschaftsgemeinschaft gewesen ist, hat sie sich auch ohne Zwang höchster Zustimmung und Sympathie erfreut. Die damalige EU passte auch gut zu dem zweiten großen und erfolgreichen Netzwerk der Nachkriegsjahre, der Nato, in der sich die Westeuropäer – und insbesondere die Amerikaner – gegenseitigen Beistand im Falle einer Bedrohung versprochen haben.

Brüssel sucht neue Betätigungsfelder

Beides hat exzellent funktioniert. Als aber nach 1989 die gemeinsame Herausforderung aus dem Osten weggefallen ist, haben die Machthaber, insbesondere die (von zweitklassigen Kommissaren geführte) Brüsseler Bürokratie neue Betätigungsfelder gesucht. Von der Justiz bis zur Kultur, von den Universitäten über die Währung und Duschköpfe bis zu den Glühbirnen haben sie begonnen, immer mehr zu regulieren, zu vereinheitlichen. Immer mehr Regeln und Richtlinien wurden den Gemeinden, Provinzen und den – sich interessanterweise noch für souverän haltenden – Staaten vorgeschrieben. Und damit vor allem den Menschen.

Viele in der EU taten das sicher in der besten Absicht. Oder, wie Margaret Thatcher es einmal formulierte: Wenn sie Italienerin wäre, würde sie vielleicht auch mehr auf Brüssel als auf Rom setzen. Umso enttäuschter ist man in Brüssel und Straßburg, weil die Menschen immer mehr auf innere Distanz zur EU gehen.

Wie schon so oft in der Geschichte ist den Menschen meist die mittelmäßige eigene Regierung lieber als ein sich für noch so weise haltender fremder Herrscher irgendwo weit draußen. An dieser Grundhaltung sind letztlich alle großen Reiche der Geschichte wieder zerbrochen. Was uns in den nächsten Monaten auch die hundertste Wiederkehr des Weltkriegs-Ausbruchs in Erinnerung ruft.

Die EU-Führer wären daher gut beraten, auch für sie ärgerliche Ansichten und Gruppierungen zu tolerieren. So wie es die Briten als Musterland der Demokratie vorbildlich vorexerzieren. Sie haben klargemacht, dass sie auch eine Sezession von Nordirland oder Schottland widerwillig, aber gelassen hinnehmen würden, wenn es dort eine Bevölkerungsmehrheit verlangt.

Genauso muss es Europa hinnehmen, wenn Gruppierungen wieder die Loslösung von der EU anstreben. Diese wäre klug beraten, auf jeden Versuch zu verzichten, unerwünschte und unverständliche Forderungen zu verbieten, zu bestrafen, oder sonstwie mit undemokratischen Mitteln zu unterdrücken.

So zu denken fällt freilich auch vielen autoritär strukturierten Mitgliedsstaaten gar nicht so einfach. Denn während sich die Briten zur prinzipiellen Tolerierung von Sezessionen durchgerungen haben, während die Tschechoslowakei eine solche schon erfolgreich absolviert hat, sehen andere EU-Staaten in der bloßen Idee noch immer Hochverrat. Ja, selbst das bloße Wort „Autonomie“ wird mancherorts bestraft.

Diese autoritär-zentralistischen Tendenzen sind besonders in jenen Staaten der EU übermächtig, in denen die Bevölkerung großer Gebiete – oder zumindest die mutmaßliche Mehrheit – weg will von diesem Staat. Man denke an die Basken und Katalanen, an die Südtiroler und Flamen, an die Ungarn in Rumänien und der Slowakei. Um nur die wichtigsten Gruppen zu wünschen, die unter Zwang zu einem nicht gewünschten Staat gehören.

Niemand hat bisher überhaupt definiert, was beispielsweise in dieser so grundlegenden Frage die angeblichen „europäischen Werte“ überhaupt bedeuten. Brutaler Zentralismus oder freie Entscheidung der Einwohner über die wichtigste staatspolitische Frage? Die EU schweigt. Aber dennoch wagen es europäische Politiker, von gemeinsamen Grundwerten der EU zu schwafeln. Und deren Nichteinhaltung zu bestrafen.

Auch Grundrechte ändern sich ständig

Allein der bloße Gedanke ist absurd. Sind doch auch in vielen anderen Fragen die „europäischen Werte“ eine absolute Schimäre, unter der jeder versteht, was er eben will. Selbst die sogenannten Grundrechte sind keine fixen Werte, sondern ändern sich ständig. Sollten sie aber einen Bestandteil der nie definierten, jedoch durch Strafen geschützten Werteordnung bilden (wie es eben bei totalitären Instrumenten der Fall ist), dann macht sich jeder Richter strafbar, der eine neue Judikatur entwickelt, und jeder Politiker und Beamte, der eine Änderung des Rechtsregeln vorschlägt.

Wenn eines hoffentlich fernen Tages die EU wieder auseinanderfallen sollte, dann sind jene die Hauptschuldigen, die die Union mit völlig unrealistischen Ansprüchen weit über den Aufbau eines Binnenmarkts hinaus aufzuladen versucht haben. Denn sie haben etwas versucht, was noch nie in der Geschichte dauerhaft geglückt ist, nämlich Werte und Loyalität mit Strafen durchzusetzen.

Um nicht missverstanden zu werden: Natürlich gibt es Werte, die in Europa mehr Signifikanz haben als in Asien oder Afrika. Aber dabei ist eben immer zentral, dass es Werte sind, die aus Überzeugung befolgt werden, und nicht aus Not oder Zwang oder Angst vor Strafe.

Auch "Anti-Feminismus" soll verboten werden

Aber diese Initiative ist noch lange nicht alles, wie die dominierende Linke in der EU die Meinungsfreiheit einschränken will. Es steht auch schon ein Richtlinienentwurf in den Pipelines der Kommission, welcher die Meinungsfreiheit auch noch auf anderen Gebieten einzuschränken  versucht. Schon die ersten Richtlinien-Entwürfe versuchen die Mitgliedsstaaten zu zwingen, Meinungen zu "bekämpfen", welche die Kommission als "anti-feministisch", "homophob", "xenophob", "ethnisch diskriminierend" oder "religiös intolerant" einstuft.

Wobei ja auch der Kampf gegen "religiöse Intoleranz" keineswegs so harmlos ist, wie er klingt. Denn in der europäischen Praxis wird diese Formulierung praktisch nur gegen die Kritiker des Islam eingesetzt. Gewiss: Dieser Text ist erst am Beginn des europäischen Gesetzeswergungsprozesses.

Was man gegen diesen Wahnsinn tun kann? Nun, das Dümmste wäre es jedenfalls, aus Protest gegen europäischen Totalitarismus und weitere Einschränkungen der Meinungsfreiheit etwa den EU-Wahlen fernzubleiben. Auch die ÖVP wird dabei wohl absolut unwählbar sein, wenn sie wirklich auf der fanatisch EU-zentralistischen Linie des Otmar Karas bleiben sollte.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Marode Unternehmen: Rettung durch den Staat?

20. Oktober 2013 04:38 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Frankreich leistet in verschiedenen Bereichen Hervorragendes. Einige der großen Rotweine aus Burgund, Bordeaux oder der südlichen Rhône sind unübertrefflich. Als Land der Modeschöpfer, Parfumeure und Schmuckproduzenten der Luxusklasse ist es unerreicht. Und im Stellen unbeteiligter Zuschauer bei einer Invasion setzt es bekanntlich Maßstäbe. Weniger toll läuft es indes mit Frankreichs Industrie, deren Anteil an seiner gesamten Wertschöpfung bei mittlerweile zehn Prozent angelangt ist – mit weiter fallender Tendenz.

Beim Erzrivalen Deutschland beträgt der gleiche Wert immerhin 23 Prozent. Besonders der Metallbranche und den Automobilherstellern geht es gar nicht gut. Die Weltnachfrage nach Autos französischer Provenienz ist ähnlich jener nach bulgarischen Ski, dänischem Wein oder jemenitischen Designermöbeln. Jeder, der einmal eine französische Karre gefahren hat, weiß auch warum.

Ein schwerer Nachfrageeinbruch im Segment der Kompaktfahrzeuge in Europa und stetig wachsende Konkurrenz aus Übersee tun das ihre, um den französischen Herstellern stärker zuzusetzen, als etwa den deutschen. Der PSA-Konzern (mit den Marken Peugeot und Citroen) schreibt seit Jahren tiefrote Zahlen. Der Hut brennt.

Es muss etwas geschehen! Die Politik ist gefordert! Ist sie das wirklich?

Die Wirtschaftsgeschichte zeigt: Unternehmen kommen und gehen. In einer arbeitsteiligen, innovativen, von Wettbewerb geprägten Volkswirtschaft ist das keine Katastrophe, sondern ganz normal. Unternehmen können, müssen aber nicht ein Menschenleben überdauern (das geschieht auch nur in den seltensten Fällen). Nur in Wirtschaftsfragen völlig unbedarfte Zeitgenossen halten Unternehmen, besonders die großen, für „unsinkbare Schiffe“.

Josef Schumpeter hat für das Phänomen der Verdrängung des unrentablen Alten durch das rentable Neue einst den Begriff „Schöpferische Zerstörung“ geprägt. Hunderttausende Landarbeiter, Leinenweber, Lastenträger und Schriftsetzer haben infolge des technischen Fortschritts ihre Arbeitsplätze verloren und an anderer Stelle Lohn und Brot gefunden. Der kleine Greißler ums Eck ist den Filialbetrieben der Handelsketten gewichen. Keine finsteren Mächte, sondern veränderte Konsumentenpräferenzen haben dafür gesorgt. Das mag mancher bedauern. Mit politischen Mitteln zu ändern ist es nicht.

Zweifellos ist es für unmittelbar Betroffene, Kapiteleigner wie Beschäftigte, dramatisch, seinen Betrieb untergehen zu sehen. Ihr Interesse an dessen Erhaltung ist daher verständlich. Allerdings stellt sich die Frage nach Kosten und Nutzen der Bewahrung eines Unternehmens, dessen Produkte nicht (mehr) gefragt sind. Kann es sinnvoll sein, die aus freien Stücken getroffenen Entscheidungen der Marktakteure konterkarieren zu wollen?

Zusätzliches Gewicht gewinnt diese Frage dann, wenn nicht ausschließlich Geld privater Investoren, sondern Steuermittel zu diesem Zweck aufgewendet werden sollen. Gegenwärtig wird von PSA ja nicht nur mit dem chinesischen Staatsbetrieb Dongfeng über eine Beteiligung verhandelt, sondern auch darüber spekuliert, ob die französische Regierung Steuermittel dazu einsetzen soll, um dem angeschlagenen Konzern unter die Arme zu greifen.

Vor nicht allzu langer Zeit erfolgten staatliche „Rettungsaktionen“ zum Beispiel für die angeschlagene Luftlinie Alitalia oder den Autohersteller General Motors. Wie sinnvoll sind derartige Engagements?

Empirisch lässt sich die volkswirtschaftliche Zweckmäßigkeit der Erhaltung von an der Nachfrage vorbei produzierenden Produzenten nicht nachweisen. Die Belohnung eines nicht marktorientierten Verhaltens, wie die subventionierte Produktion von nicht nachgefragten Gütern und Dienstleistungen, verursacht allemal Kosten, liefert aber netto keinen Nutzen.

Staatsinterventionen in die Wirtschaft sollen Konkurse verhindern, etwa von Banken, die es geschafft haben, von einer Regierung als „too big to fail“ eingestuft zu werden. Sie laufen aber regelmäßig auf die Zementierung bestehender, unwirtschaftlicher Strukturen hinaus und behindern notwendige Korrekturen und wirtschaftliche Innovationen.

Dass derlei „Rettungsaktionen“ ausschließlich Großbetrieben zugute kommen, die mit Steuermitteln finanziert werden, die von ordentlich wirtschaftenden KMU und deren Mitarbeitern erbracht werden, fügt dem ökonomischen Irrsinn den blanken Hohn hinzu: Der Staat plündert die Kleinen aus, um jene Giganten zu päppeln, welche die Kleinen peu à peu aufkaufen oder aus dem Geschäft drängen. Am Ende sehen dann linke Etatisten das marxistische Märchen von der „Gesetzmäßigkeit des kapitalistischen Konzentrationsprozesses“ bestätigt…

Die Menschen wissen sehr genau, weshalb sie keine Peugeots kaufen wollen. Es gibt keinen plausiblen Grund anzunehmen, dass es die französische Regierung besser wissen könnte. Der Ökonom und Pamphletist Frédéric Bastiat brachte das Problem mit folgender Formel auf den Punkt: „Was man sieht und was man nicht sieht.“ Eine staatliche Rettungsaktion erhält den Beschäftigten (zumindest kurzfristig) Tausende Arbeitsplätze, den Aktionären ihr Kapital und der Regierung eine Menge Wählerstimmen.

Das ist es, was man sieht. Das nun andernorts fehlende Geld kann allerdings nun nicht mehr in ertragreichere und, vor allem, zukunftstaugliche Projekte investiert werden, wo es wesentlich mehr Nutzen hätte stiften können. Das ist es, was man nicht sieht.

Ökonomisch kluge Entscheidungen sind daher nicht nur auf die Verwirklichung unmittelbar sichtbarer Ziele gerichtet, sondern beziehen auch allfällige, möglicherweise erst später eintretende „Kollateralschäden“ mit ein. Der bei Peugeot Verluste produzierende Ingenieur oder Facharbeiter könnte mittel- und langfristig in wirtschaftlich gesunden Unternehmen weit bessere Dienste leisten. Und das bei Peugeot verbrannte Kapital würde, anderweitig eingesetzt, erheblich mehr Wertschöpfung generieren.

Angesichts des von der linksradikalen Regierung Frankreichs hinreichend erbrachten Nachweises ihrer atemberaubenden wirtschaftspolitischen Inkompetenz, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass sie die jahrelang betriebene Misswirtschaft bei Peugeot mit Steuermitteln belohnen wird. Immerhin steht ja auch das Prestige der gallischen Autobauer auf dem Spiel. Und ohne Gloire und Grandeur geht ja bei den Franzosen schließlich gar nichts – auch nicht bei den ordinärsten Sozialisten…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Gut gemeint: Der Papst, die Sparsamkeit und die Effizienz

18. Oktober 2013 00:39 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Stündlich wird mit der Maßregelung des Bischofs von Limburg durch den Papst gerechnet. Der muss wohl handeln, will er nicht seinen binnen kurzem errungenen Ruf der persönlichen Bescheidenheit und Sparsamkeit gefährden. Nur: Wie sieht es mit der Sparsamkeit des Papstes selbst aus? Was kann man heute schon über die Effizienz seiner vielen gutgemeinten und weitpublizierten Aktionen sagen, außer dass sie gut gemeint waren? Ein näherer Blick auf diese zeigt: Gut gemeint ist noch keineswegs immer gut gelungen.

Der argentinisch-italienische Papst hat zwar im Gegensatz zu seinem deutsch-trockenen Vorgänger ein charismatisches Talent für Ausstrahlung und Symbole. Aber bisweilen sollte man auch nüchtern hinter die Symbole blicken und deren Wirkung prüfen.

Wohl meist publiziertes Symbol war der Entschluss des neuen Papstes, nicht in den von vielen seiner Vorgänger benutzten päpstlichen Gemächern zu wohnen, sondern in einem vatikanischen Gästehaus. Das ist für viele der Inbegriff der Bescheidenheit. Durchaus möglich, dass dieses Gästehaus tatsächlich bescheidener ist als die mit viel Geschichte und wohl auch Einrichtung belasteten päpstlichen Räume. Durchaus nachvollziehbar auch, dass Franziskus deren Abgeschiedenheit nicht sonderlich liebt.

Nur eines ist diese Wohnsitzwahl sicher auch: teurer als die Benutzung der alten Papstzimmer. Denn ein vatikanisches Gästehaus ist nichts anderes als ein Hotelbetrieb. Auch geistliche Menschen in violett oder Purpur müssen für dessen Benutzung zahlen, wenn sie ein paar Tage in Rom wohnen wollen. Und wenn dort ein oder mehrere Räume eben nicht mehr vermietet werden können, dann ist das ziemlich schlecht für dieses Gästehaus. Aus örtlichen wie aus Sicherheitsgründen kann der Vatikan aber nicht gleichsam ersatzweise die alte Papstwohnung vermieten. Die steht ungenützt und leer.

Gut gemeint war es aber, gewiss.

Gut gemeint waren auch die anfangs in aller Welt heftig und begeistert kommentierten Telefonanrufe des Papstes bei Menschen, die ihm Briefe oder Mails geschrieben haben. Welch ein wunderbares Gefühl, wenn plötzlich der Papst anruft. Nur: Dem Papst schreiben täglich auch Tausende andere. Darauf antworten aber so wie bisher nur Mitarbeiter im Namen des jeweiligen Papstes.

Jetzt aber werden all diese Menschen, die auch weiterhin nur solche Antworten bekommen, bitter enttäuscht sein. Was früher nicht der Fall war. Denn jetzt rechnet fast jeder Briefschreiber zumindest insgeheim mit dem Anruf eines „Francesco“ aus Rom. Damit ist aber im Ergebnis die Beglückung einzelner mit der Enttäuschung einer tausendfachen Vielzahl erkauft. Von den Spaßvögeln gar nicht zu reden, die angeblich schon Wetten abschließen, mit welcher besonders skurril erfundenen Geschichte es ihnen gelingen könnte, den Papst an den Apparat zu bekommen.

Gut gemeint, gewiss.

Gut gemeint war auch der demonstrative Besuch des Papstes auf Lampedusa, also auf jener italienischen Insel, vor deren Küste Schlepperschiffe die transportierten „Passagiere“ ins Meer setzen (weil sie ja nicht sonderlich gerne anlegen). Nur sehr naive Menschen können es für einen Zufall halten, dass seit diesem Besuch viel mehr Afrikaner – die ja alle daheim vom Papst-Auftritt gelesen, gehört und gesehen haben – die Überfuhr nach Lampedusa versuchen als in früheren Monaten und Jahren.

Gut gemeint, gewiss.

Gut gemeint sind wohl auch die Predigten des Papstes gegen Armut, Hunger und Profit. Nur wird dadurch noch nichts geändert. Viel sinnvoller wäre es gewesen, wenn der Papst klar gesagt hätte, was im Kampf gegen Hunger und Armut wirklich geholfen hat: Das war der Kapitalismus, die Marktwirtschaft, der Rechtsstaat.

Dieser Zusammenhang ist leicht beweisbar. Je mehr ein Land an der wirtschaftlichen Globalisierung teilnimmt, je mehr es die Mechanismen des Marktes wirken lässt, je sauberer und schlanker eine staatliche Verwaltung ist, je weniger sich islamische Geistliche in die Politik einmischen können, je mehr Möglichkeiten die Einzelinitiative jedes Menschen im Vergleich zu Anordnungen der Regierung hat, umso erfolgreicher ist ein Land. Ob man den Erfolg nun am Kampf gegen Hunger und Krankheiten misst oder an einer höheren Lebenserwartung. Aus solchen Ländern will dann übrigens auch kaum noch jemand auswandern. Egal, ob Richtung Lampedusa oder sonstwo hin.

Aus den Texten des früheren Papstes hat man all dieses Wissen und die damit verbundene Weisheit auch herauslesen können. Aus denen des jetzigen Papstes kann man nur herauslesen, dass er es wirklich gut meint, dass er aber nicht wirklich eine Ahnung hat, wie all das denn überhaupt  zusammenhängt. Man sollte es ihm nicht wirklich vorwerfen: Ich glaube nicht, dass man in Argentinien in den letzten Jahrzehnten irgendwo wirtschaftlich Nachahmenswertes lernen konnte. Dazu hätte man schon über die lange Grenze mit Chile nach Westen fahren müssen. Die Tradition der katholischen Kirche, dass man eigentlich immer ein schlechtes Gewissen haben muss, dass nie etwas von Menschen Unternommenes auch gut gelungen sein kann, ist vielleicht nicht ganz hilfreich zur Beurteilung der Effizienz von Entwicklungspolitik.

PS.: Um nicht missverstanden zu werden: Das alles ist weder direkt noch indirekt eine Unterstützung für die von allen Medien berichtete Verschwendungssucht des Limburger Bischofs. Sein Verhalten sollte für kirchliche Würdenträger in alle Zukunft abschreckend sein. Nur eines darf man dem Bischof zubilligen: Sehr viele Bischöfe leben in Gebäuden, deren Errichtung durch noch viel mehr Bauprunk und noch höhere Kosten geprägt gewesen ist. Die Päpste tun das erst recht. Aber dennoch war das die beste Investititon, die jemals in Rom getätigt worden ist. Oder Salzburg: Man stelle sich den Rang der Stadt vor ohne die Prachtbauten der früheren Fürsterzbischöfe. Nur sind eben die Salzburger und all die anderen Bischöfe heute mit (vor allem für die Kirche!) gutem Grund nicht mehr „Fürsten“. Da passt der Prunk nicht mehr. Und das ist gut so. In Hinblick auf die Vergangenheit können Christen aber jedenfalls weiterhin durchaus stolz sein auf all die einmaligen Zeugnisse der architektonischen und sonstigen Kulturleistungen im Namen der Kirche. Über Tausend Jahre waren Mönche und Bischöfe die weitaus wichtigsten Träger der Zivilisation und jeder Form von Kultur in einem lange recht unzivilisierten Kontinent gewesen. Und manch ein Bischof glaubt halt, noch in diesen Zeiten zu leben.

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Die Erpresser

17. Oktober 2013 00:02 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

„Wir können Erpressung in unserer Demokratie nicht zur Routine werden lassen.“ Also sprach Barack Obama am Höhepunkt seines Kriegs mit der Mehrheit des Repräsentantenhauses, der für die Weltwirtschaft schon bedrohlich geworden ist. Klingt völlig richtig. Nur: sind es immer bloß die anderen, die erpressen?

Denn in Wahrheit haben sowohl der amerikanische Präsident den Kongress, wie auch der Kongress den Präsidenten zu erpressen versucht. Beide Seiten erpressen einander. Und Amerikas Verfassung gibt da keiner Seite automatisch das letzte Wort.

Ganz ähnlich ist es auch anderswo. Etwa in Österreich. Alle Oppositionsparteien sagen: Wenn uns Rot-Schwarz nicht das Oppositionsrecht auf U-Ausschüsse gibt, stimmen wir keinem Verfassungsgesetz mehr zu. Ein solches wird aber etwa der EU wegen immer wieder nötig. Glatte Erpressung, denn inhaltlich hat das eine mit dem anderen nichts zu tun.

Genauso geht es aber auch in der Koalition zu: Die Interessen von Bauern oder Branchen werden im Gegenzug für den Ausbau des Wohlfahrtsstaats abgetauscht. Das wird dann zwar als toller Kompromiss verkauft, ist aber nichts anderes als gegenseitige Erpressung. Dabei einigt man sich meist zu Lasten Dritter, nämlich der künftigen Steuerzahler. Diese müssen die dabei entstehenden Schulden einmal abzahlen. Via Steuererhöhungen, via Inflation oder (am wahrscheinlichsten) auf beiden Wegen.

Am schlimmsten ist die Erpressung, die alle Staaten gegenüber ihren Bürgern begehen: Entweder du zahlst alle von uns festgesetzten Steuern, Gebühren und Abgaben oder wir holen uns das Geld mit Gewalt. Eine Exekution ist ja nichts anderes als Gewalt.

Gewiss, Steuerzahlen kann sich nicht auf freiwillige Spenden reduzieren. Aber gerecht wäre der Steuer-Zwang nur, wenn es auch eine echte Mitsprache der Bürger bei den ständig höher werdenden Ausgaben durch die Politik gäbe. So wie es eigentlich ja auch der Urgedanke der Demokratie war. Eine solche Mitsprache verweigern aber bis auf die Schweiz praktisch alle Machthaber. Deshalb hat gerade die Schweiz besonders niedrige Steuern und einen besonders hohen Wohlstand.

Auch die Amerikaner hätten mit großer Mehrheit die Einführung von „Obamacare“ abgelehnt. Ohne eine solche Legitimation fällt es aber schwer zu sagen, Bürger und Abgeordnete dürfen sich nicht mit legalen Mitteln gegen ständige Neuverschuldungen wehren, die – nicht nur, aber eben auch – durch diese Gesundheitsversicherung notwendig wird.

Das Tragische ist jetzt aber, dass ein plötzlicher Neuverschuldungsstopp – dessen Herannahen der Präsident noch vor einem Monat ignoriert hatte – schockartige Folgen für die gesamte Weltwirtschaft haben wird. Diese reagiert logischerweise wie ein schwer Süchtiger, der plötzlich zu einem totalen „harten“ Entzug gezwungen wird. Aber insgesamt sollte es keine Frage sein, dass ein geordneter Entzug dringend notwendig wäre. Für Amerika wie für Europa.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Die Kunst der Zentralbanken

12. Oktober 2013 05:37 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Janet Yellen wird also die neue Chefin der wichtigsten Zentralbank der Welt, der amerikanischen Federal Reserve Bank. Die Nachfolgerin von „Helikopter-Ben“ Bernanke ist eine überzeugte Befürworterin „kontrollierter Inflation“. Der zu erwartende Kurs: Fortsetzung, oder gar weitere Intensivierung der Politik des „quantitative easing“. Die amerikanische Notenpresse wird so bald also nicht zur Ruhe kommen.

Am gleichen Tag, da Yellen ernannt wurde, befasste sich im Wiener Hayek-Institut der Chefökonom der BlackSummit Financial Group mit den Herausforderungen für das weltweite Finanzsystem. Der griechischstämmige Amerikaner John E. Charalambakis, der auch an Universitäten lehrt, konstatierte: Das entscheidende Problem der „westlichen Welt“ bestehe heute darin, dass sie die Fähigkeit verloren hat, Wohlstand mittels Kapitalbildung zu produzieren. Kapitalismus ohne Kapitalakkumulation sei indes unmöglich.

Man dürfe keinesfalls den Fehler begehen, Kapital (assets) mit Haftungen und Verpflichtungen (liabilities) zu verwechseln. Nichts anders als derartige Schuldtitel aber seien etwa Staatsanleihen oder auf dem Finanzmarkt gehandelte Derivate. Dabei handle es sich lediglich um Forderungen, die durch nichts anderes als „…aus dünner Luft geschaffene Kredite“ entstanden und durch keinerlei Realwerte unterlegt seien. Durch Sparen gebildetes Kapital dagegen produziere „greifbare“ Werte. Es könne so zur Grundlage der Wohlstandsmehrung werden. Gewinne würden heute aber zum Großteil nicht mehr durch die Produktion von Waren und Dienstleistungen, sondern vielmehr durch Geldgeschäfte realisiert.

Die Zentralbanken stünden nunmehr vor der paradoxen Aufgabe, jene Banken, welche ihre „ultimativen Reserven“ bei ihr zu halten hätten, mit eben diesen Reserven auszustatten, sobald sie in Probleme geraten würden. Das sei der Weg in die „mengenmäßige Lockerung der Geldproduktion“ – in die hemmungslose Ausweitung der ungedeckten Geldmenge.

Es sei aber klar, dass diese Politik zu Blasenbildungen führe und alle Blasen – gleichgültig, ob sie sich im Wertpapier- oder Immobiliensektor bilden – früher oder später platzen und die Anleger mit Verlusten zurücklassen. Zudem wären die Zentralbanken mittlerweile dazu übergegangen, Staatsschulden zu „monetisieren“ [Staatsanleihen direkt oder indirekt aufzukaufen und damit unmittelbar den Staat zu finanzieren, Anm.], während sie durch eine künstliche Absenkung des Zinssatzes „finanzielle Repression“ betrieben [ein Vorgang, den man, weniger euphemistisch, auch als Raub an den Sparern bezeichnen könnte, Anm.].

Charalambakis befürchtet, dass das System in dieser Art zwar noch ein paar Jahre lang fortzuführen sein wird – wenn auch nur unter der Voraussetzung, dass die Geldmengenausweitung gebremst wird („tapering“) und es damit zu einem Zinsanstieg kommen kann. So oder so aber sei die in den zurückliegenden Jahren explosionsartig erfolgte Ausweitung der Geldreserven so weit fortgeschritten, dass damit jedenfalls die Voraussetzungen für eine „Implosion“ geschaffen worden seien.

Wir würden es dann mit der „Mutter aller Krisen“ zu tun bekommen, gegen die sich die Depressionszeit nach 1929 oder der Crash von 2007/2008 als geradezu harmlos ausnehmen würde. Arbeitslosenquoten von 50 Prozent wären mithin zu erwarten. Schon David Ricardo habe einst festgestellt, dass „weder ein Staat noch eine Bank jemals die Macht hatten, unbegrenzte Mengen von Papiergeld zu produzieren – ohne diese Macht zu missbrauchen.“

Wäre der Wohlstand einer Nation tatsächlich, wie von der Hauptstromökonomie hartnäckig behauptet, von der Geldproduktion abhängig, müsste Zimbabwe ein Paradies sein. Zimbabwe ist indes kein Paradies, ebenso wenig wie Haiti oder Argentinien. Ein Europäer, der anno 1900 ans Auswandern gedacht habe, hätte sich zwischen Buenos Aires und New York entscheiden können, indem er eine Münze wirft. Argentinien sei damals wirtschaftlich ebenso attraktiv gewesen wie die USA. Heute dagegen liege Argentinien, dank seiner katastrophalen Finanzpolitik, am Boden und keiner wolle mehr dorthin.

Im wirtschaftlichen Wettstreit mit Europa verfügten die USA – trotz aller in der Vergangenheit begangenen Fehler – über die weitaus besseren Karten:

Charalambakis plädiert für ein „solides Geld“, das jedenfalls über einen „inneren Wert“ verfügen müsse und keinen bloßen Schuldtitel repräsentiere. „Echtes Geld hat Sicherheiten hinter sich.“ Er schlägt als Basis dieser Sicherheiten ein „Warenbündel“ vor, das z. B. aus Edelmetallen, Öl und Korn bestehen könnte. Auf dieser Grundlage trete er für ein „Free Banking“ ein – und für das Ende der Zentralbanken.

Man würde nicht auf die Idee kommen, den Preis für Mäntel, Autos, etc. politisch festsetzen zu wollen. Bis vor genau hundert Jahren, als das US-Fed-System aus der Taufe gehoben wurde, habe auch niemand je daran gedacht, den Preis für Geld (den Zins) zentral und politisch zu steuern. Die Idee der planwirtschaftlichen Festsetzung des Geldpreises sei ebenso wenig mit einer freien Ökonomie zu vereinbaren, wie ein (staatliches) Geldmonopol.

Der Gedanke, dass „geborgte Reserven“ als Dünger für neu zu schaffende wirtschaftliche Aktivitäten fungieren, mittels derer reales Kapital gebildet und die herrschende Krise überwunden werden könne, sei illusorisch. Der „Krebs“ im System sei die ungebremste Ausweitung des Kredits. Das Kreditsystem müsse daher einem chirurgischen Eingriff unterzogen werden. Sollte es dadurch kurzfristig zu einer Kreditverknappung kommen, habe das mittel- und langfristig nur positive Effekte: Seriöses Wirtschaften würde sich dann wieder lohnen.

Zum Problemfall Griechenland: Es sei ein Fehler der griechischen Regierung gewesen, sich auf ein von der „Troika“ orchestriertes „Bail-out“ einzulassen. Dieses habe faktisch ausschließlich den involvierten Banken geholfen, nicht jedoch dem griechischen Staat oder dessen Bürgern. Es wäre stattdessen wesentlich besser gewesen, eine Staatspleite hinzulegen.

Charalambakis erwartet, dass das Beispiel Zyperns („Bail-in“) Schule macht und in den nächsten Jahren auch andere Länder (etwa Griechenland) dessen Beispiel folgen könnten. Einen Zerfall der Eurozone halte er für nicht ausgeschlossen. Länder wie Griechenland könnten sich dann etwa der Dollar-Zone (!) anschließen…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Wie eine Privatrechtsgesellschaft freier Bürger aussehen könnte

08. Oktober 2013 01:41 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Die „Österreichischen Schule der Volkswirtschaftslehre“ greift weit über den Bereich der Ökonomie hinaus. Das zeigt etwa das 1949 erschienenen Hauptwerk Ludwig von Mises’, „Human Action“. Die Lehren der „Österreichischen Schule“ könnten als Grundlage einer ausschließlich privatrechtsbasierten Gesellschaftsordnung dienen.

Ohne auf Fragen hinsichtlich deren technischen Organisation im Detail einzugehen, soll an dieser Stelle, anhand der Beurteilung sich jeder Gesellschaft stellenden Herausforderungen, das Wesen einer staatsfreien Privatrechtsgesellschaft erläutert werden.

Soziale Sicherung

Erfolgt durch den Einzelnen. Keine, oder sehr niedrige Steuern und keinerlei Hindernisse auf dem Weg in die selbständige Tätigkeit begünstigen die Möglichkeit zur Eigenvorsorge. Damit reduziert sich der Anteil der Bedürftigen auf eine leicht überschaubare Zahl von Personen. Wenige gibt es, die nicht können. Viele dagegen, die (vom rezenten Wohlfahrtstaat dazu nach Kräften motiviert!) nicht wollen!

Es kann aber kein Recht darauf geben, auf Kosten anderer zu leben – ohne damit innere Widersprüche zu etablieren. Damit gibt es aber auch keine garantierten Ansprüche auf Vermögensbestandteile Dritter. Ein Rechtsanspruch auf von Dritten zu leistende Frondienste existiert daher nicht. Wohlfahrt ist eine Aufgabe freiwilliger Verbände wie Caritas, Diakonie oder nichtkonfessioneller wohltätiger Organisationen.

Gesundheitswesen

Nahrung, Bekleidung und Behausung kosten Geld. Gesundheitsdienstleistungen ebenfalls. Es gibt keinen logischen Grund, warum man zwar für einen Mantel, eine Semmel oder einen Liter Milch bezahlen muss, den Gips am Bein oder ein Antirheumatikum aber „gratis“ erhalten soll. Das staatliche Krankheitsverwaltungssystem ist ineffizient und teuer (Beispiel: Krankenhäuser in unmittelbarer Nähe zueinander, wie in Mödling/Baden oder Stockerau/Korneuburg) – und von widerstreitenden Interessen geprägt.

Die Kostenintransparenz für die Beitragszahler sorgt für eine unbekümmerte Nachfrage. Die Förderung einer Nulltarifmentalität lädt zu sozialer Verantwortungslosigkeit ein. Private Arztpraxen werden (nicht nur von Rentnern) als kommode Wärmestuben zweckentfremdet. Das Vergnügen am Verzehr unbekömmlicher Kost, an exzessivem Alkoholkonsum oder der Ausübung gefährlicher Sportarten liegt beim Einzelnen, die Kosten der Wiederherstellung dadurch Erkrankter dagegen werden sozialisiert.

In einer Privatrechtsgesellschaft existiert dagegen weder eine Zwangsversicherung noch eine Versicherungspflicht. Wer Leistungen benötigt, bezahlt entweder selbst dafür, oder die von ihm freiwillig abgeschlossene Versicherung tut das. Wer nicht zahlt, hat auch keine Ansprüche. Er kann sich aber im Notfall jederzeit an privat finanzierte Hilfsorganisation wenden.

Geld

Es gibt weder ein staatlich verordnetes noch produziertes Zwangsgeld. Geld war von Anbeginn ein Produkt des Marktes – nicht das einer planenden Behörde. Staatliche Währungsmonopole und ein freier Markt passen nicht zueinander! Geld ist, wie auch die Sprache, „spontan“ entstanden, als Folge menschlichen Handelns, nicht als per Hoheitsakt konstruiertes Ergebnis eines Plans.

Jeder Bürger ist frei zu entscheiden, in welcher Währung er seine Geschäfte abzuwickeln wünscht. Wer das für utopische Phantasie hält, sollte sich vergegenwärtigen, dass in den USA erst 1913 eine einheitliche Währung und ein monopolistischer Geldproduzent auf den Plan trat.

Noch jedes staatliche Geld wurde früher oder später ein Opfer von Manipulationen zu Lasten der Bürger: Hyperinflationen, Währungsreformen und Geldwertvernichtung sind das typische Kennzeichen staatlicher Geldmonopole. Zentralbanken sind Inflationierungsbehörden und damit die natürlichen Feinde jedes Sparers.

Pensionen

Prinzip Eigenvorsorge. Einen „Generationsvertrag“, gibt es nicht. Staatliche Umlagesysteme gleichen in einer alternden Gesellschaft Pyramidenspielen. Jeder Bürger hat daher nach Belieben und seinen Möglichkeiten selbst für sein Alter vorzusorgen, mittels Lebensversicherungen, Firmenbeteiligungen, Vermietung und Verpachtung, durch das Anlegen von Horten, etc., oder er arbeitet stattdessen lebenslänglich – was dem herrschenden Frühverrentungszeitgeist natürlich massiv zuwiderläuft.

Für Problemfälle – aus Eigenverschulden oder schicksalhaft bedingt – sind private Wohlfahrtsvereine zuständig. Die jahrzehntelang geübte Praxis des jedes Verantwortungsgefühl zerstörenden Wohlfahrtsstaates hat zu einer Erosion des Vorsorgegedankens geführt.

Das beschriebene, privat organisierte System hat sich indes als absolut funktionstüchtig erwiesen. Chile hat unter Augusto Pinochet und Jose Pinera die Umstellung des Umlagesystems auf ein durch Kapital gedecktes Prinzip erfolgreich vorexerziert. Und es funktioniert – ohne dass Menschen zu Hunderttausenden verhungern. Denn sie wissen eben, dass sie für sich selbst verantwortlich sind!

Schule

Es gibt keine staatliche Zwangsvollstreckung – und damit auch keine Kindesverstaatlichung wie im Status quo. Staatliche Schule bedeutet zuallererst Erziehung und Formung von Untertanen, nicht aber die Vermittlung relevanter Bildung. Ohne entsprechende Bildung und berufliche Ausbildung kann eine zunehmend wissensbasierte Gesellschaft aber nicht überleben. Es ist daher zunächst an den Eltern, für ihre Kinder die ersten Weichen zu stellen und für deren Unterricht zu sorgen. Das kann in professionellen Anstalten, in privat finanzierten Schulen, oder – wie in den USA, insbesondere bei religiösen Randgruppen weit verbreitet – auch in Form von „Homeschooling“ erfolgen. Die Eltern sind allemal die vertrauenswürdigsten und besten Anwälte ihrer Kinder, nicht die bezahlten Agenten des Leviathans.

Wie Milton Friedman einst korrekt festgestellt hat: „Es gibt kein freies Mittagessen!“ Schulen, Akademien und Universitäten sind daher kostenpflichtig. Der Wettbewerb unter den Anbietern von Bildungsinhalten sorgt – wie in jedem anderen nach Marktgesetzmäßigkeiten organisierten Bereich – für Qualität und niedrige Kosten. Die Kinder von Mittellosen oder Waisen werden von Sponsoren und Schulmäzenen unterstützt.

Drogen, Kriminalität

„Opferlose Verbrechen“ gibt es in einer freien Gesellschaft nicht. Entweder die Rechte Dritter werden verletzt oder eben nicht. Wer sich in seinem Haus betrinkt, Marihuana raucht oder Sexorgien mit zustimmenden Erwachsenden organisiert, schädigt niemanden. Wer mit seinem Ferrari – dort wo es gefahrlos möglich ist - Tempo 300 fährt, auch nicht.

Derlei „Vergehen“ sind daher keine und werden folglich auch nicht bestraft. Konsequenzen hat indes derjenige zu gewärtigen, der Dritte, etwa in Folge unverantwortlichen Schnellfahrens in alkoholisiertem Zustand, schädigt.

Aufgabe der Sicherheitspolitik ist es, die kollektive Sicherheit zu befördern, nicht sie zu reduzieren. Durch die Kriminalisierung von Drogen, egal ob Alkohol, Cannabis oder Heroin, geschieht aber genau das. Man züchtet die organisierte Kriminalität der Drogenproduzenten und -verteiler einerseits und die Beschaffungskriminalität der Abhängigen andererseits. Mehr als 50 Prozent der Gefängnisinsassen in den USA sitzen mittelbar oder unmittelbar wegen Drogendelikten ein. Im Norden Mexikos tobt – einer irrwitzigen Drogengesetzgebung sei Dank – seit geraumer Zeit ein regelrechter Krieg, der jährlich Tausende Menschenleben fordert.

Es steht einem Staat nicht zu, mündigen Bürgern in Fragen der privaten Lebensführung Vorschriften zu machen. Kinder über die Gefahr des Drogenkonsums aufzuklären, bzw. sie davon fernzuhalten, ist zuallererst die Aufgabe der Eltern, nicht die einer staatlichen Tugendbehörde.

Paternalismus hat in einer freisinnigen Gesellschaft keinen Platz. Bei der Verfolgung von Verbrechen steht das Ziel der Wiedergutmachung, nicht das bloße Wegsperren von Delinquenten auf Kosten der Opfern, im Mittelpunkt. Mörder haben keinen Anspruch darauf, weiterzuleben, da sie ein Leben „gestohlen“ haben und der Grundsatz des Tatausgleichs die Rückgabe des gestohlenen Gutes erfordert.

Ehe, Familie

Es liegt auf der Hand, dass Eltern in längeren Zeithorizonten denken als Kinderlose. Nach den Eltern kommt eben nicht – wie für kinderlose Hedonisten – die Sintflut. Die Zeitpräferenzrate liegt bei ihnen füglich niedriger als bei Menschen ohne Kinder. Eine niedrige Zeitpräferenz – also die Fähigkeit und Bereitschaft, Konsumentscheidungen zugunsten der Nachkommen auf die Zukunft zu verschieben, begünstigt die Vermögensbildung.

Eine Gesellschaft, in der Eigenverantwortung und Zukunftsorientierung etwas zählen, wird daher der Ehe und Mehrkindfamilien positiv gegenüberstehen. Der Wohlfahrtsstaat hat es im krassen Gegensatz dazu dahin gebracht, dass nur noch das Prekariat sich reproduziert – und zwar zu Lasten des Mittelstandes, der sich Kinder nicht mehr leisten zukönnen glaubt.

Die daraus resultierende Abwärtsspirale hat etwa Thilo Sarrazin in seinem Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ in allen Details beschrieben, ohne allerdings zur logischen Konsequenz zu finden, den Wohlfahrtsstaat dafür verantwortlich zu machen und dessen sofortige Abschaffung zu fordern.

Landesverteidigung

Zwangsverpflichtung – eine allgemeine Wehrpflicht – gibt es nicht. Bürger gegen deren Willen zu einem Dienst zu pressen, mit dessen Zielen sie sich nicht identifizieren können, liegt nahe an der Sklaverei und ist daher inakzeptabel. Die Verteidigung nach außen erfolgt, nach dem Vorbild der Armee George Washingtons im Unabhängigkeitskrieg gegen die Briten, ausschließlich durch Freiwilligenmilizen,verstärkt durch professionelle Kader, die für den Einsatz modernster Waffensysteme verantwortlich sind. Diese können von privaten Sicherheitsfirmen bereitgestellt werden.

Erst die allgemeine Wehrpflicht, die im Zuge der napoleonischen Kriege „erfunden“ wurde, hat zu einer totalen Politisierung und Militarisierung der Gesellschaften geführt, die vordem undenkbar war. Die Nachteile einer Zwangsrekrutierung sind unübersehbar.

Waffenbesitz

Ist frei. Kein redliches Geschäft – auch nicht der Kauf eines Gewehres – unterliegt einer Beschränkung. Kriminelle finden immer Mittel und Wege, sich zu bewaffnen. Es ist zynisch, friedliebende Bürger – die potentiellen Opfer – zu entwaffnen, während man die illegale Bewaffnung krimineller Gewalttäter niemals unterbinden kann und damit rechtschaffene Bürger der Willkür von Gangstern aussetzt, denen sie sich wehrlos gegenübersehen.

An der Freiheit des Waffenbesitzes bemisst sich die Freiheit der Bürger einer Gesellschaft. Sklaven und den Insassen totalitärer Staatsgebilde war und ist der Waffenbesitz strikt verboten.

Diskriminierungsverbote

Gibt es in einer freien Gesellschaft nicht. Diskriminieren heißt unterscheiden und das kann nicht ohne Zerstörung der Freiheit unterbunden werden. Jedermann kann frei entscheiden, mit wem er Verträge abzuschließen gedenkt und mit wem nicht. Derjenige, der aus Angst vor einem Vermögensschaden oder aus Sorge um seine Sicherheit seine Wohnung nicht an Schwarze, Briten, Rothaarige, Brillenträger oder Behinderte vermieten will, kann dazu nicht genötigt werden.

Der Gastwirt, der sich etwa weigert, Familien mit Kindern zu bedienen, weil er keine Kinder mag, der darf das tun. Er hat dafür die Kosten der von ihm geübten Diskriminierung zu tragen – indem er auf Geschäfte mit Familien verzichtet.

Ein konsequent zu Ende gedachtes Diskriminierungsverbot würde selbst die Wahl des Sexualpartners kriminalisieren. Dann hätten nämlich alle verschmähten Kandidaten ein Schadenersatzrecht gegen den/die Diskriminierende(n). Welch eine absurde Vorstellung!

Subventionen/Protektionismus

Subventionen sind der klassische Ausdruck für die Unterstützung eines vom Markt abgelehnten Verhaltens. Wenn niemand Maßschuhe oder Maßanzüge nachfragt, ist es widersinnig, Menschen dafür zu belohnen, dass sie Schuhe oder Anzüge per Hand herstellen. Das würde einerseits unwirtschaftliches Handeln fördern und andererseits die Entscheidung von Menschen, die bereits auf dem Markt ihre Präferenzen bekundet haben, indem sie nämlich keine Maßschuhe oder -anzüge kaufen, konterkarieren.

Auf Basis welchen Rechts sollte das geschehen? Subventionen – gleich wofür – widersprechen dem Prinzip der freien Entscheidung des mündigen Bürgers und sind daher abzulehnen. Sie sind ein Instrument planwirtschaftlichen Denkens und führen zwangsläufig zur Konservierung unrentabler Strukturen, zur Umverteilung von produktiven zu unproduktiven Teilen der Wirtschaft, gleich welcher Branche.

Umweltfragen

Eine freie Gesellschaft ist nicht blind für Umweltfragen. Es war der Staat des 19. Jahrhunderts, der – um bestimmte Industrien zu fördern – einseitig in Eigentumsrechte eingegriffen und die Möglichkeit zur Forderung von Schadenswiedergutmachung ausgeschlossen hat – z. B. infolge von Schmutzemissionen.

Ein strikt angewandtes Eigentumsrecht bietet jederzeit Titel zur Klage gegen die individuelle Schädigung durch Fremdeinwirkung. Für die ist allerdings ein Nachweis zu erbringen, der mitunter schwierig gelingt.

Zusammenfassung

Der auf den Erkenntnissen der Österreichischen Schule fußende Libertarismus orientiert sich strikt am Individuum und lehnt jeden Kollektivismus ab. Seine Wurzeln reichen in die Spätscholastik, wie den in Salamanca lehrenden Jesuiten Mariana, in die Philosophie von John Locke und die der schottischen Moralphilosophen David Hume und Adam Smith, sowie zu den französischen Physiokraten wie Jean-Babtiste Say und Frédéric Bastiat zurück.

Der immer wieder gegen den Libertarismus erhobene Vorwurf der „Unchristlichkeit“ entbehrt jeder Grundlage: Das Neue Testament kennt ebenfalls ausschließlich die Verantwortung des Einzelnen! In einer auf strikte Subsidiarität bedachten Gesellschaft freier Bürger ist – wie auch in der christlichen Lehre – kein Platz für Paternalismus, Zwang und Gewalt!

Eine libertäre Alternative zum Zentralismus bildet, neben der oben beschriebenen „voluntaristischen“ Privatrechtsgesellschaft, auch die Kleinstaaterei. Je kleiner die politische Einheit, desto milder der Umgang deren Regierung mit dem Bürger. Die Möglichkeit zur „Abstimmung mit den Füßen“ zwingt die politischen Eliten zum Maßhalten. Positive Beispiele: Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg Hong Kong, Singapur – allesamt im Index of Economic Freedom der Heritage Foundation auf den vordersten Plätzen.

Die radikalere Alternative zum staatlichen System ist dagegen das herrschaftsfreie, privatrechtlich organisiertes System, frei finanziert, ohne die Pflicht zur Leistung von Zwangsabgaben, in welchem der Rechts- und Eigentumsschutz des Bürgers von miteinander konkurrierenden Agenturen wahrgenommen wird. Diese Agenturen könnten etwa aus heute bestehenden Versicherungsunternehmen hervorgehen.

Private Firmen, die sich des Eigentumsschutzes der bei ihnen Versicherten annehmen, hätten – im Gegensatz zum Staat – größtes Interesse an Konflikt- und Schadensvermeidung und würden den Bürger, falls dennoch ein Schaden einträte, abfinden. Der Staat dagegen maximiert unentwegt seine Einnahmen, ohne aber den Bürgern entsprechend verbesserte Leistungen anzubieten.

Am Beginn des Weges steht in jedem Fall die Zurückdrängung von Zwangsgesellschaften durch das Instrument der Sezession. Das bedeutet den Austritt kleinerer aus größeren Organisationen – das Gegenteil dessen, was wir gegenwärtig im Zuge des Ausbaus der politischen Strukturen der EUdSSR erleben. Der Frieden und Wohlstand mehrende Freihandel benötigt keine politische Union – keine harmonisierten Sozialstandards und schon gar keine „harmonisierten“ Steuerlasten.Die Träger des Marktes – freie Bürger – treffen „zwanglos“ täglich ihre demokratischen Entscheidungen mit der Geldbörse: Jede ausgegebene Geldeinheit ist eine Stimme – und damit die perfekte Demokratie der Zahler.

Ob der Wohlfahrtsstaat an seine Grenzen gekommen ist und implodieren wird wie der Sozialismus anno 1989, ist also nicht mehr die Frage. Diese stellt sich lediglich nach dem Zeitpunkt, zu dem das geschieht, und der vermutlich recht dissonanten Begleitmusik dieses Ereignisses.

Margaret Thatcher stellte einst hellsichtig fest: „Das Problem mit dem Sozialismus ist, dass ihm früher oder später das Geld fremder Leute ausgeht.“ Wir sind mittlerweile so weit. Es ist daher an der Zeit für etwas Neues!

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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H.C. Drückeberger

02. Oktober 2013 00:43 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der Mann kann zwar gut Fahnenschwingen, er hat aber teuflische Angst vor der Regierungsverantwortung. Das wurde seit dem Wahltag endgültig klar. Etwa durch Straches entlarvenden Satz: „Die FPÖ führt keinen Wahlkampf. Sie ist Wahlkampf.“ Wenn man immer Wahlkampf „ist“, dann kann man nie Regierung sein. Vielleicht erzählt aber jemand Strache und der restlichen Für-ewig-Oppositions-Fraktion in der FPÖ, was in Norwegen derzeit geradezu als Selbstverständlichkeit passiert. Und der ÖVP, was sich in Großbritannien und Ungarn andere konservative Parteien trauen (Die Gutmenschen haben die Schwarzen ja ohnedies schon weitgehend an Grüne und Neos verloren).

Zuerst zum freiheitlichen Parteichef. Er zeigt sich auch nach Wahl, auch nach dem Verschwinden der Rivalen vom BZÖ, nicht ernsthaft interessiert, eine Regierung zu bilden. Wenn er sagt, er will „keine Gespräche über die Hintertür“, dann will er gar keine Gespräche, auch wenn man formell ein FPÖ-Verhandlungsteam präsentiert hat. Denn nach den vielen Jahren der Eiszeit und der (gegenseitigen) Aggressionen weiß jeder erfahrene Politiker, dass man zuerst vertraulich Vertrauen aufbauen müsste, bevor irgendetwas in Gang kommen kann.

Wenn man den SPÖ-Klubobmann Cap sofort bloßstellt, dass er einen ersten Kontakt zur FPÖ gesucht habe, dann outet man sich logischerweise einmal gleich selbst als kontaktunwillig. Dasselbe tut man mit A-Priori-Aussagen Richtung ÖVP, dass diese das Interesse an den Freiheitlichen ohnedies nicht ernst meint.

Zwar ist die ÖVP in dieser Frage keineswegs einig, aber bis auf den niederösterreichischen Landeshauptmann Pröll stimmt diese Behauptung so ganz sicher nicht. Und Pröll selbst war auch schon im Jahr 2000 gegen ein Bündnis mit den Freiheitlichen. Er konnte es aber nicht verhindern (beide Male handelt er aus leicht durchschaubarem Egoismus: Er sieht bessere Chancen für seine Wiederwahl, wenn es einen roten Bundeskanzler gibt. Mit dem er im Gegenzug dann auch heftig packeln kann).

Zurück zu Strache. Dieser träumt lieber weiter ganz unverbindlich von der Macht, statt konkret auf eine Regierungsteilnahme hinzuarbeiten. Er tut das schon seit zehn Jahren. Irgendwann einmal, nur nicht jetzt.

Natürlich ist es leichter, auf Protest und Opposition zu machen, als zu regieren, Verantwortung zu tragen und zu erkennen, wie vieles von dem leichtfertig Versprochenen nicht möglich ist. Natürlich hat die FPÖ einst durch die Regierungsbeteiligung einen Rückschlag erlitten; den größten hat sie sich damals freilich in Knittelfeld selbst zugefügt (unter lebhafter Mitwirkung Straches). Natürlich ist so gut wie sicher, dass die Partei bei Verantwortungsübernahme sofort einen Teil des dumpfen Protestpotentials aus der XYZ-Schicht verliert, das prinzipiell gegen jeden ist, der zu „denen da oben“ gehört; aber das wird in fünf, in zehn, in fünfzehn Jahren haargenauso sein wie jetzt.

Europaweit verlieren Regierungsparteien Wahlen (Lediglich Angela Merkels CDU war da eine Ausnahme). Daher ist es durchaus wahrscheinlich, dass solches dann auch der FPÖ droht. Aber kann die Konsequenz sein, nie in eine Regierung zu gehen? Wozu ist man dann eigentlich eine politische Partei? Wer nicht an der Macht teilhaben will, will auch nichts machen. Denn Macht kommt eben von Machen.

In Wahrheit hat die FPÖ sogar schon vor dem Wahltag ihr Desinteresse an der Verantwortung gezeigt. Sie ist zwar alles andere als neonazistisch (das sagen nur ein paar linke Dummköpfe, deren Schallplatte ewig in der gleichen Propagandarille steckengeblieben ist). Sie hat aber so extreme Lizitationsforderungen aufgestellt, dass sie selber um deren totale Unerfüllbarkeit wissen musste.

Weder FPÖ noch ÖVP haben in den letzten Jahren das getan, was eigentlich zum politischen Handwerk gehören würde, wenn man perspektivisch denkt: nämlich gute vertrauliche menschliche Kontakte untereinander aufzubauen. Diese hatte es vor 2000 zwischen ÖVP und FPÖ – in einem eigentlich noch viel explosiveren Klima – hingegen sehr wohl gegeben. Nicht nur in Form des bekanntgewordenen Kaffeehausgesprächs Haider-Bartenstein. Haider hat sogar schon Ende November 1999 im privaten Gespräch die Ministerien genannt, die seine Partei will. Und die sie dann im Februar auch ganz genau bekommen hat.

Mit ihrer totalen Orientierung auf die XYZ-Schicht droht der FPÖ ein klares Schicksal: Sie wird nie wirklich über das Protestpotential hinauskommen. Das sind maximal 20 bis 30 Prozent. Auch die Hoffnung, beim nächsten Mal die wahrscheinlich dann freiwerdenden Stronach- und BZÖ-Stimmen erben zu können, ändert daran nichts Wesentliches. Diese Hoffnung ist überdies zumindest zum Teil falsch. Denn wirtschafts- und sozialpolitisch sind beide Listen eindeutig liberal. Also das Gegenteil des FPÖ-Wahlprogramms. Daher dürften deren Stimmen eher zu den Neos oder auch wieder ÖVP als zur FPÖ gehen.

Wahrscheinlich geht man fehl, wenn man nach Straches strategischer Perspektive forscht. Es ist einfach das dumpfe Gefühl, dass es sich als starker, wenn auch lebenslänglicher Oppositionspolitiker besser leben lässt. Er sieht sich höchstens als Wiener Bürgermeister denn als Mitglied einer Bundesregierung.

Und selbst von jenem Ziel, das Strache einst auf die Frage nach seinem Mindestziel genannt hat, ist er meilenweit entfernt: Er hat ein Drittel der Mandate angestrebt, damit er Verfassungsänderungen blockieren kann. Er steht jetzt bei 20 Prozent.

Im Gegensatz zu dieser Realitätsverweigerung spielt sich gerade jetzt in Norwegen Erstaunliches ab: Vier bürgerliche Parteien beschlossen zu kooperieren; dennoch werden nur die Konservativen und – ausgerechnet – die Rechtspopulisten die Regierung bilden. Die beiden kleineren (zum Teil christlichen) Parteien haben jedoch parlamentarische Unterstützung versprochen. Obwohl sich der Massenmörder B. eine Zeitlang im Dunstkreis der norwegischen Rechtspopulisten bewegt hatte (was nicht einmal die Linksmedien der FPÖ vorwerfen können), haben in Norwegen alle bürgerlichen Parteien gewusst, dass es ihnen die Wähler übel nehmen würden, wenn sie trotz ihrer klaren Mehrheit wieder die Sozialisten an die Regierung ließen.

In Norwegen haben alle bürgerlichen Parteien kompromissbereit verhandelt. So haben die Rechtspopulisten zwar eine strengere Asylpolitik, eine konsequentere Abschiebepolitik, die Anstellung von mehr Polizisten und eine Reduktion der Väterzeit durchgesetzt. Sie mussten aber auf die von ihnen geforderten Ölbohrungen in den Lofoten verzichten und auf eine Öffnung des norwegischen Pensionsfonds, wo Milliarden aus den Nordseeöl-Erträgen für schlechtere Zeiten gehortet sind.

Dass in Österreich nicht einmal ernsthaft über ein ähnliches Modell gesprochen wird, ist schade. Die Neos und die Stronachs haben zumindest anklingen lassen, dass sie so etwas von außen unterstützen könnten. Damit wären es auch bei uns im Übrigen genau vier Parteien . . .

Aber die FPÖ träumt offenbar nur von den Sternen einer irgendwann einmal bevorstehenden absoluten Mehrheit. Und die ÖVP scheint primär von Feigheit beseelt. Sonst würde auch sie – ganz unabhängig von der Koalitionsfrage – zumindest ernsthafter über Vorschläge ihnen nahestehender Parteien diskutieren. So hat der konservative britische Finanzminister Osborne angekündigt, dass Langzeitarbeitslose künftig nur dann das ganze Geld bekommen, wenn sie auch gemeinnützige Arbeit verrichten. So haben die ungarischen Konservativen beschlossen, den Gemeinden das Recht auf Schaffung obdachloser Zonen einzuräumen.

Solche Vorschläge klingen zwar in den Ohren mancher ÖVP-Funktionäre wohl unschön. Aber in Wahrheit ist in der ÖVP das Gefühl verlorengegangen, dass eine Law-and-Order-Politik jedenfalls das Fundament einer bürgerlichen Partei sein muss.

So wie in der FPÖ traurigerweise das Gefühl verloren gegangen ist, dass man ohne wirtschaftspolitische Vernunft nicht regieren kann.

Die verzweifelten bürgerlichen Wähler wollen aber alles, nur nicht ständig einen sozialistischen Bundeskanzler unterstützen. Und das tut die eine Partei durch eine Koalition mit ihm, und die andere durch ihr Desinteresse an einer eventuellen bürgerlichen Koalition.

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Wählen und was dann?

29. September 2013 00:12 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Viele Österreicher wählen am heutigen Tag nur noch mit sehr geringer Begeisterung das nur sehr relativ geringste Übel. Und das war‘s dann wieder? Dann kann wieder nur fünf Jahre geschimpft werden? So verhalten sich in der Tat viele Österreicher. Dabei gäbe es eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich politisch auch über das Kreuzerl am Stimmzettel und eventuell eine Vorzugsstimme hinaus einzubringen. Man muss sie nur nutzen.

Der steigende Frustpegel unter den Menschen ist nicht allein, und vielleicht auch nicht in erster Linie die Schuld der Parteien und der Politik. Er ist vielmehr primär Ergebnis einer immer differenzierter werdenden Gesellschaft, in der über immer mehr Fragen durch Gesetze, Regierung und Verwaltung entschieden wird. Daher ist es eigentlich ganz logisch und zwingend, dass der Drang der Menschen immer größer wird, sich konkret in Einzelfragen einzubringen.

Beim Entstehen der Demokratie im 19. und 20. Jahrhundert waren heute im Vordergrund stehende Bereiche noch gar nicht in irgendeiner Weise Thema der Politik: das unfinanzierbar werdende Pensionssystem, Asylmissbrauch, Finanzmarkt, Gentechnik, Methoden der Energiegewinnung, Geburtenregelung, Politische Korrektheit, Demographie, globale Erwärmung, Gesamtschule: Tausende solcher Fragen beherrschen heute den politischen Raum.

Das macht es völlig unwahrscheinlich, noch eine Partei finden zu können, die dann all diese Fragen genauso sieht wie man selbst. Das geht höchstens bei neugegründeten Oppositionsparteien, die für alles gleichzeitig sind: für 95prozentige Einkommensteuern, um sich als sozial zu geben, und gleichzeitig gegen jede Steuererhöhung, um sich bei wirtschaftlich Denkenden sympathisch zu machen. Daher ist letztlich konkrete Einmischung in konkreten Fragen immer unverzichtbarer geworden. Das gilt auch dann, wenn man eigentlich der Meinung ist, dass der Staat sich lange nicht in so viele Themenbereiche einmischen sollte, wie er das schon tut oder zu tun beabsichtigt. Gerade dann muss man ja erst recht Stellung beziehen.

Das logische Instrument, um auf diese Ausdifferenzierung der modernen Welt zu reagieren, ist die direkte Demokratie. Da kann dann der Bürger unabhängig von 999 anderen Fragen klar seine Meinung sagen, wenn einmal ein konkreter Vorschlag zur Abstimmung kommt. Die direkte Demokratie wird freilich noch von der mächtigen Mandarinenklasse aus Altpolitikern, Beamten und Richtern gebremst. sie will so, wie es am Ende der Feudalzeit der Adel versucht hatte, ihre Macht nicht mit dem gemeinen Volk teilen. Aber immerhin: Schwarz, Blau, Grün haben sich in Richtung der direkten Demokratie – mehr oder weniger – festgelegt. Und selbst die abtretende Regierung hat da zumindest einen halbherzigen, aber keineswegs ganz irrelevanten Entwurf vorgelegt.

Aber selbst wenn in Sachen direkter Demokratie trotz dieser Vorboten doch nichts weitergehen sollte, ist der Bürger keineswegs so ohnmächtig, wie sich der Österreicher hält.

Da gibt es einmal die Möglichkeit, viel mehr Druck auf die Parteien auszuüben. Etwa in den USA ist es vielen Bürgerbewegungen schon gelungen, ihre Partei, ihren Abgeordneten zum Umdenken zu bringen. Durch zahllose Mails, durch Briefe, durch Anrufe in seinem Büro, durch Öffentlichkeitsarbeit, durch soziale Medien.

Politiker wollen ja vor allem eines: wiedergewählt werden. Und da ist es absolut wichtig, ihnen immer wieder zu vermitteln, dass die veröffentlichte Meinung (die ja besonders in Österreich einem dumpfen linksliberalen Mainstream folgt) in den meisten Fragen keineswegs mit der öffentlichen Meinung identisch ist. Politiker, die noch immer glauben, sich mit einem morgendlichen Blick in die Zeitungsausschnitts-Mappe über die Stimmung im Land informieren zu können, müssen zur aussterbenden Spezies gemacht werden.

Genauso wichtig ist es, sich intensiv auch in andere öffentliche Foren einzubringen. In Internet-Foren, in Postings, in Facebook, in Twitter. Ohne Schimpfen, aber mit klaren Positionen. Man glaubt gar nicht, wie sehr auch nur ein einziges kluges Argument, dass man in die Öffentlichkeit bringt, dann bisweilen doch den Gang der Ereignisse mit beeinflussen kann. Keineswegs immer, aber immerhin.

Wir leben eben nicht mehr in Zeiten, wo ein guter – oder schlechter – Kaiser von oben alles reguliert. Und wo wir uns nur noch freuen oder jammern können. Wir leben vielmehr in einer an sich erfreulichen Epoche, wo Politiker im Grund nur noch Angestellte von uns Bürgern sind. Wie ein guter Chef müssten wir ihnen halt künftig viel öfters als bisher sagen, wo es lang geht. Und endlich aufhören, an eine höhere Weisheit von Politikern zu glauben.

Es bedeutet auch jede Äußerung im öffentlichen Raum einen Beitrag zum politischen Klima. Sie wirken am Wirtshaustisch ebenso wie bei öffentlichen Versammlungen. Zugegeben: Da gehört auch ein bisschen Mut dazu. Aber es kann doch nicht sein, dass immer nur die Allerdümmsten bei solchen Veranstaltungen den allergrößten Mut haben, sich zu Wort zu melden.

Die Aktivitäts-Skala eines modernen Bürgers ist eine nach oben offene. Finanzielle Unterstützung für gute Initiativen kommt da genauso in Frage wie Teilnahme an Demonstrationen (obwohl man bei letzteren leicht für etwas mitvereinnahmt werden kann, was man gar nicht so will. Daher ist diesbezüglich Vorsicht am Platz).

Auch die EU-Ebene ist für Mitspracheversuche relevant geworden, seit es das Instrument europaweiter Bürgerinitiativen gibt. Die Antiabtreibungsinitiative „One of us“, die gegenwärtig läuft, ist eine der ersten und schon erfolgreichsten.

Man sollte sich nur vor zwei naiven Haltungen hüten: Erstens gleich wieder frustriert aufzugeben, weil die ersten Mails an Politiker, die dann oft noch von minderbemittelten Assistenten beantwortet werden, nichts bewirkt haben. Und zweitens zu glauben, mit einer Aktion (oder gar der Gründung der tausendsten Neupartei) alle Problem mit einem Schlag lösen zu können. Beispielsweise ist das Verlangen "Verwaltungsreform" noch viel zu diffus und allgemein, um wirksam werden zu können.

Viel wichtiger wäre es, sich mit ganz gezielten Aktionen auf ganz konkrete Einzelziele zu konzentrieren. Ein wunderbares Beispiel hat sich jetzt etwa in Polen abgespielt (es zeigt auch, dass Bürgermut nicht nur in den USA zum Erfolg führt): Dort haben gezielte Proteste im Internet und auf sozialen Medien den Konzern C&A in die Knie gezwungen. Es ging um T-Shirts mit dem Abbild des lateinamerikanischen Massenmörders Che Guevara. Das Produkt wurde als Folge von Boykotten schließlich aus allen C&A-Filialen abgezogen.

In Amerika gelingt es auch immer wieder, durch Druck auf werbende Konzerne ganze Fernsehketten zu Änderungen in ihrem Verhalten zu zwingen. Warum sollte das in Österreich nicht möglich sein? Wenn ein paar Tausend – ernstgemeinter! – Boykott-Ankündigungen etwa bei der täglich zahllose Male im ORF werbenden Möbelkette eingehen, wird diese mit Sicherheit sehr bald ein sehr ernstes Gespräch mit dem ORF führen. Aus nacktem Eigeninteresse.

Natürlich muss klar sein: Das geht nur über den Boykott von besonders werbeaktiven Firmen und nur zugunsten ganz konkreter und auch erfüllbarer Forderungen. Das Verlangen nach „einem besseren Programm“ oder nach einem Austausch der ganzen Redaktion hat da wenig Sinn (so berechtigt es an sich auch wäre). Aber sehr wohl kann der ORF solcherart unter Druck gesetzt werden, beispielsweise seinen Redakteuren polemisches und ideologisches Twittern zu untersagen. Oder ihn zu zwingen, gerichtlich angeordnete Entschuldigungen von grünen Politikern für unwahre Behauptungen auch zu senden. Um nur zwei Beispiele zu nennen.

 

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Der ewig wachsende Nanny-State

26. September 2013 13:42 | Autor: Rudolf Bretschneider
Rubrik: Gastkommentar

Ein Viertel (26 Prozent) der österreichischen Bevölkerung hat den Eindruck, dass es zu viele gesetzliche Bestimmungen gibt, durch die sich der Staat in Bereiche des täglichen Lebens einmischt. Weitere 46 Prozent empfinden derartige Einmischungen als „lästig, aber auszuhalten“.

Man ärgert sich oft im Einzelfall, aber man nimmt das Phänomen der staatlichen Regelungswut (der Mikronominierung des Alltagslebens) selten als „Trend“ wahr. Aber es gibt diesen Trend. Anderswo (USA, UK) hat er sogar einen Namen: Nanny-State.

Von ihm ist die Rede, wenn der New Yorker Bürgermeister große Flaschen, die kohlensäurehaltige Getränke enthalten, verbieten will, oder den (bislang gescheiterten) Versuch unternimmt, Potato chips (Pommes frites) nur in kleinen Tüten zuzulassen. Der Einzelfall scheint harmlos – wenn auch „belämmert“ (wie auch die Forderung der deutschen Grünen, in Kantinen einmal pro Woche einen verpflichtenden „Veggie-day“ einzuführen); aber er ist Ausdruck einer politischen Grundhaltung.

Weniger wäre mehr

Es gibt die „Man-muss-irgendetwas-tun“ Politik. Die ist vermutlich alt. Wenn ein Problem in der Öffentlichkeit auftaucht, schreit es danach beseitigt zu werden – ins Ohr mancher Politiker, die mit ihrer Handlungsbereitschaft Stärke beweisen wollen (oder Problembewusstsein oder Sensibilität, etc.). Dabei spielt es keine Rolle, ob das „Problem“ durch politische Aktion gelöst werden kann, ob Maßnahmen zur Verfügung stehen, die „greifen“ und ob es ein Problem ist, das den Staat etwas angeht. Entscheidend ist, dass man den Willen zur Tat zeigen kann. Hilfestellung leisten da, „allzeitbereit“, selbst- und sogenannte Experten, Lobbyisten, NGOs, die „betroffen“ sind und Medien, die den Nachrichtenraum füllen müssen.

In der Folge werden Einrichtungen geschaffen, die sich um das Problem kümmern sollen: Es wird beobachtet; es werden Pläne erstellt, Maßnahmen getroffen, Kampagnen gestartet; es wird überwacht und analysiert, Aktionspläne werden revidiert, Budgets reserviert und aufgestockt usw. Die mit den Maßnahmen befassten Einrichtungen arbeiten nach bestem Wissen und Gewissen – und werden (auch aus Eigeninteresse) zu dauerhaften Institutionen.

Besonders gut für die Erfindung solcher Aktivitäten scheinen sich „Gesundheits-, Sicherheits-, und Umweltprobleme“ zu eignen; und natürlich alle Fragen der „Gender-Politik“. Auf dem letztgenannten Gebiet z.B. tut sich ein weites Feld für „Sprachpolizist_Innen“ und Sprachverbesser aller Art auf: Bis hin zu „Bibelübersetzer_Innen“ („der Ewige/die Ewige“ usw.).

Fettleibigkeit? Muss vom Staat bekämpft werden. Rauchen im Auto? Sollte verboten werden – sicherheitshalber. Energieverschwendung? Glühbirnenverbot und Duschkopfverordnung. Die Wirksamkeit (Relevanz) der jeweiligen Maßnahmen steht kaum zur Diskussion; und auch nicht die Frage, ob der Staat oder die EU der notwendigerweise zuständige Akteur ist.

Hauptsache, es geschieht etwas („Man-muss-irgendetwas-tun“). Bezahlung in barem Geld wird ab einer bestimmten Höhe in manchen EU-Ländern verboten (wegen Korruptionsverdacht). Ölflaschen in Lokalen sind aus dem Verkehr zu ziehen (aus Hygienegründen oder wegen einer Olivenöllobby?); Salz- und Zuckergehalt sind in bestimmten Lebensmitteln zu reduzieren (selbstverständlich der Gesundheit wegen und im Vertrauen darauf, dass die Konsumenten es nicht merken und nicht nachsalzen bzw. -zuckern).

Jede Maßnahme erfordert Kontrolle. Es bedarf der Kontrollore. Das kostet Geld. Dieses wird durch Budgets bereitgestellt. Es kommt von den Steuerzahlern. Diese bezahlen somit das „Gehäuse der Hörigkeit“ (M. Weber), das „zu ihrem Besten“ gereichen soll, selbst.

Selten hört man davon, dass eine derartige Einrichtung, ist sie erst einmal geschaffen, abgeschafft wird: Weil sie sich überlebt hat, nichts bewirkt, oder sich selbst für überflüssig hält.

Im alten Athen, das eine direkte Demokratie hatte, lief der Antragsteller für ein neues Gesetz Gefahr, eine Zeit lang des Landes verwiesen zu werden; paradoxerweise auch dann, wenn der Antrag von einer Mehrheit angenommen wurde (zitiert nach Moses Finley. Antike und moderne Demokratie, Reclam 1980). Zu suchen wäre ein modernes Äquivalent für Bürokratiestopp.

Vor einiger Zeit ist in Österreich eine Initiative entstanden, die auf die staatlichen Bevormundungstendenzen aufmerksam machen will. Wenn Sie diese Bemühung unterstützen wollen, besuchen sie:

homepage: www.meinveto.at
facebook: https://www.facebook.com/MeinVeto
twitter: https://twitter.com/meinveto

Dort finden Sie mehr zum Thema und die Möglichkeit, die Initiative, der auch der Autor dieser Zeilen angehört, zu unterstützen.

Rudold Bretschneider ist seit Jahrzehnten in diversen Cheffunktionen bei GfK (früher Fessel-GfK) tätig und einer der prominentesten Marktforscher und politischen Analysten des Landes. 

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Achte Konferenz der Property and Freedom Society

25. September 2013 05:37 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

„Kompromisslosen intellektuellen Radikalismus und politische Unkorrektheit“ versprach der deutsche Ökonom Hans-Hermann Hoppe zu Beginn seiner Konferenz deren Besuchern. Das Auditorium wurde nicht enttäuscht. Wieder war es dem Veranstalter gelungen, namhafte Fachleute und Wissenschaftler in Bodrum zu versammeln, die zu Themen, wie „Why are Jews so smart?“, „A Brief History of US Race Relations“ oder „Public Health or Public Totalitarism?“ Gedanken präsentierten, die allesamt als „gegen den Strich gebürstet“ zu bezeichnen sind. Geriert sich die Masse der Intellektuellen anderswo als zuverlässige Propagandisten von Staatsinteressen, herrscht hier ein völlig anderer Geist. Im Mittelpunkt standen erneut Wirtschaftsthemen.

Thorsten Polleit, Honorarprofessor an der Frankfurt School of Finance and Management, sprach über „Organized Crime and the Progression Toward a Single World Fiat Currency.“

Er begann mit der vom FBI stammenden Definition der organisierten Kriminalität: „Organisierte Kriminalität bedeutet jede Gruppe mit einer Art formaler Struktur, deren primäres Ziel es ist, sich Geld durch illegale Aktivitäten zu beschaffen. Solche Gruppen bewahren ihre Position durch den Einsatz oder durch die Androhung von Gewalt, die Korruption von Beamten, Bestechung, Erpressung und haben einen insgesamt signifikanten Einfluss auf die Menschen in den Gemeinden, Ländern und auf den Staat in seiner Gesamtheit.“ Es ist nicht zu übersehen, dass diese auf die Mafia zugeschnittene Begriffsbestimmung in allen Einzelheiten exakt auf den Staat zutrifft.

Der amerikanische Ökonom und Philosoph Murray Rothbard definiert den Staat so: „… eine Organisation, die entweder eine oder beide der folgenden Charakteristiken aufweist: Er akquiriert sein Einkommen durch physischen Zwang (Besteuerung) und hält ein Gewalt-Zwangsmonopol und die Macht zur letzten Entscheidung innerhalb eines gegebenen Territoriums.“ Der libertäre Theoretiker Albert Jay Nock meint: „Der Staat beansprucht und vollzieht ein Monopol der Kriminalität.“

Dass es sich hier nicht um bloße Behauptungen radikaler Staatsfeinde handelt, sondern um nüchterne Tatsachenfeststellungen, folgt aus der Tatsache, dass kein Staat je ohne Gewalt und/oder den Bruch individueller Rechte entstanden ist. Einen konstituierenden „Gesellschaftsvertrag“ sucht man weltweit vergebens. Es gab und gibt keinen.

Die Idee, dass der Staat etwas Gutes und Nützliches sei, ist ein Mythos aus der Zeit Platons, der im Staat eine „moralische Anstalt“ erblickte. Dass nur der Staat privates Eigentum und Eigentumsrechte schützen könne begründet die Fiktion seiner Unabdingbarkeit. Doch exakt hier liegt der fundamentale Fehler, da ja bereits vor der Entstehung des Staates Eigentum vorhanden war, das dieser sich dann (gewaltsam) aneignete.

Es erhebt sich die Frage: Wie kann der Staat überleben? Da der Einsatz brutaler Gewalt auf Dauer zu aufwendig ist und zu viel Opposition schafft, greift er zum Mittel der Propaganda. Den Bürgern werden – von auf die eine oder andere Weise staatsfinanzierten Intellektuellen – die Vorteile der Unterwerfung unter die Staatsmacht schmackhaft gemacht. Es reicht aus, eine relative Mehrheit der Bürger zu überzeugen.

Im demokratischen Wohlfahrtsstaat gibt der Durchschnittswähler jenen Parteien seine Stimme, von denen er erwartet, dass sie seine wirtschaftliche Situation verbessern. Im Laufe Zeit wird der Staat seine Aktivitäten immer weiter ausdehnen, um einem immer größeren Teil der Bürger (vermeintliche) Wohltaten zu verschaffen. Die Finanzierung dieses kostspieligen Unterfangens ist nur mittels der Erlangung totaler Kontrolle über das Geldsystem möglich.

Die Antwort auf die Frage, wie das vor sich geht, gibt Murray Rothbard in seiner 1963 erschienenen Arbeit „What Has Government Done To Our Money?“: Zuerst wird die Münzproduktion monopolisiert, dann die Ausgabe von Geldsubstituten. Dann folgt die Zulassung der Teilreservehaltung durch die Geschäftsbanken und die Schaffung von Zentralbanken als „ultimativer Kreditgeber“. Schließlich wird die Umtauschbarkeit in „echtes Geld“ (= Gold) aufgehoben und damit ein reines Fiat-Geldsystem etabliert.

Aufgrund der damit erreichten Möglichkeiten sehen sich besonders stark inflationierende Staaten alsbald mit Problemen konfrontiert, die durch den Verfall der Währung nach außen entstehen. Analog zur Überlegung, die zur Einführung von Zentralbanken geführt hat, liegt daher die Idee einer internationalen Währung – und einer „Weltzentralbank“ auf der Hand. Diese würde es den Staaten erlauben, im internationalen Gleichschritt zu inflationieren.

Polleit meint, dass in den meisten Staaten der Welt die Ideologie eines „sozialdemokratischen Sozialismus“ herrscht. Damit verbindet sich der Wunsch nach einem Ersatz nationaler Währungen durch eine internationale Fiat-Währung. Tatsächlich hätten die führenden Zentralbanken (FED, EZB, BOE (Vereinigtes Königreich) und BOJ (Japan)) ihre monetären Politiken – in Reaktion auf die Finanzkrise – bereits harmonisiert. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Mundell sagte bereits im Jahr 2000 die Schaffung einer Weltwährung voraus.

Langfristig würde eine welteinheitliche Weltwährung allerdings auch eine zentrale „Weltregierung“ erfordern. Spätestens dann indes würden sich nicht zu bewältigende Schwierigkeiten auftürmen – zumindest bei Beibehaltung demokratischer Standards. Schon 1919 schrieb Ludwig von Mises in „Nation State and Economy“ über die Unmöglichkeit der Etablierung demokratischer Zentralregierungen in multiethnischen Staaten: „In polyglot territories, democracy seems like opression to the minority.“ Seine in diesem Buch niedergelegten Thesen wurden von der Geschichte seither vielfach bestätigt. Auf einen globalen Maßstab übertragen, würde es zu einer gewaltigen Zunahme von Konflikten kommen. Die Etablierung eines „Weltstaats“ ist so bald also nicht zu befürchten. Es sollte indes klar sein, dass der Staat die vermutlich bestentwickelte Form organisierter Kriminalität darstellt…

Verwaltung der Arbeitslosigkeit

David Howden, Ökonomieprofessor an der St. Luis Universität in Madrid, sprach zum Thema „Labor Laws: Legislating Unemplyoment“. Er erläuterte anhand einer Fülle statistischer Daten, dass ein Großteil des in den letzten Jahren ausgewiesenen Wachstums der europäischen Volkswirtschaften – sofern ein solches überhaupt vorhanden war – auf einen vergrößerten Anteil von Staatsaktivitäten entfällt. Wird dieser Effekt berücksichtigt, zeigt sich, dass sowohl das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung als auch das verfügbare Einkommen in fast allen Staaten Europas zurückgegangen ist. Nur in den Niederlanden und in Italien hat sich der relative Anteil des Staates an der Binnenwertschöpfung verringert. Auch das Wirtschaftswachstum Deutschlands, der wichtigsten Volkswirtschaft des Euroraumes, wird allein durch die Steigerung der öffentlichen Ausgaben getrieben. Die Wirtschaft Spaniens, eines der von der Krise an schwersten getroffenen Länder, ist in den zurückliegenden vier Jahren sogar um volle zehn Prozent geschrumpft.

Howden konzentrierte seine Arbeit auf eine Untersuchung des Zusammenhangs zwischen der Wachstumsentwicklung der einzelnen Staaten in den Jahren der Krise (seit 2008) und deren jeweiligen Anteil an „Schattenwirtschaft“. Das Ausmaß des Anteils „schwarzer“ Geschäfte ist naturgemäß nur schwer abzuschätzen. Deren Quantifizierung ist mit entsprechenden Unsicherheiten behaftet. Dennoch lassen sich relative Veränderungen recht klar herausarbeiten. So fällt auf, dass der Anteil der Schattenwirtschaft in denjenigen Ländern, die unter der Krise am schwersten zu leiden hatten – also Irland, Portugal und Spanien – gewachsen ist, während er ansonsten durchgängig rückläufige Tendenz zeigt.

Die Liste der Gründe für stark ausgeprägte wirtschaftliche Grauzonen reicht von der Steuervermeidung bis zu Problemen mit schwer kündbaren, gesetzeskonform angestellten Mitarbeitern. Als entscheidenden Punkt nennt Howden die Steuermoral, die maßgeblich vom Urteil der Bürger über Regierungen und Beamtenapparate bestimmt wird. Demnach ist es weniger eine hohe Steuerbelastung denn eine starke Korruptionsanfälligkeit in einer Volkswirtschaft, die positiv mit dem relativen Anteil der Schattenwirtschaft korreliert. So lässt sich der geringe Anteil von Schwarzarbeit in den weitgehend korruptionsfreien skandinavischen Hochsteuerländern plausibel erklären.

Versucht nun eine Regierung der Schattenwirtschaft mit verschärften Kontrollmaßnahmen – wie etwa der Einschränkung von Bargeldtransaktionen – und mit erhöhten Strafen zu begegnen, kommt es keineswegs zur erwünschten Erhöhung der Zahl von regulär Beschäftigten, sondern es wird lediglich der Wertschöpfungseffekt der Schwarzarbeit reduziert. Dadurch wird, entgegen der intendierten Absicht, eine wirtschaftliche Abwärtsspirale in Gang gesetzt.

Für Spanien ergibt die Interpretation der erhobenen Daten, dass der tatsächliche Anteil der Arbeitslosigkeit von offiziell 27 Prozent in Wahrheit deutlich niedriger liegt. Dasselbe gilt auch in anderen Staaten mit einem während der Krise gewachsenen Anteil der Schattenwirtschaft.

Die Niederlande sind gegenwärtig das einzige Land im Euroraum, das sowohl Wirtschaftswachstum als auch einen Rückgang des Staatsanteils an der Wertschöpfung zu verzeichnen hat und in dem das reale Pro-Kopf-Einkommen steigt.

Zusammenfassend stellt Howden fest, dass die einseitig negative Annäherung an das Phänomen der Schattenwirtschaft, nämlich mittels staatlicher Repression, keine positiven volkswirtschaftlichen Effekte zeigt. Um die Zahl der Arbeitslosen zu senken und die dafür nötigen Investitionsentscheidungen zu veranlassen sind vielmehr positive Anreize nötig, die derzeit in keiner der von der Krise betroffenen Volkswirtschaften gesetzt werden. Der Staat wird zum bloßen Verwalter der Arbeitslosigkeit…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Die Suche nach dem geringsten Übel

19. September 2013 00:56 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Viele Österreicher zweifeln: Hat es überhaupt einen Sinn, wählen zu gehen? Gibt es überhaupt irgendeine Partei, die meinen Vorstellungen entspricht? Ich kann die Zweifler extrem gut verstehen. Und doch haben sie nicht Recht.

Denn wer nicht wählen geht oder ungültig wählt, schadet nur sich selbst. Und nicht der Politik. Er verschenkt auch noch das winzige Ausmaß an Mitbestimmung, das den Bürgern derzeit zugestanden wird. Er macht nur die Stimmen jener, die sehr wohl hingehen und gültig wählen, automatisch gewichtiger.

Ein verbreiteter Irrglaube ist, dass man solcherart den Politikern – auf gut österreichisch – eine „Watschen“ geben könnte. Das ist naiv, denn keinem Politiker wird damit auch nur ein Haar gekrümmt. Und auch die Zeitungen schreiben maximal drei Tage lang die üblichen, schon im Speicher liegenden Klagen über die geringe Wahlbeteiligung. Dann aber ist das fünf Jahre lang absolut kein Thema. Oder erinnert sich jemand, dass in den letzten Jahren irgendjemand den Umstand erwähnt hätte, dass 2006 und 2008 die Beteiligung unter 79 Prozent gefallen ist? Die jahrzehntelang über 90 Prozent gelegen war!

Unrichtig ist aber auch das häufig gehörte Argument: Die sind eh alle gleich . . . (samt einem meist nicht druckfähigen Eigenschaftswort). Dieser Satz verdeckt nur die eigene Faulheit, die Angebote näher zu analysieren. Oder es steckt die naive Erwartung dahinter, eine Partei zu finden, die ganz den eigenen Erwartungen entspricht. Aber nicht einmal auf den Listen stehende Kandidaten können sich mit allem identifizieren, was als Summe der Strömungen in der eigenen Partei dann deren Linie ergibt.

Wer wirklich eine hundertprozentige Kongruenz der eigenen Ideen mit einer Parteilinie verlangt, der träumt im Grunde von 6,4 Millionen Parteien (das ist die Zahl der Wahlberechtigten). Oder gar von 7,5 Millionen (=Staatsbürger) oder 8,5 (=Einwohner). Zum Glück ist aber – noch? – niemand der Klon eines anderen Menschen. Daher haben selbst die besten Freunde oder Partner in der einen oder anderen Frage des gesellschaftlichen Zusammenlebens unterschiedliche Auffassungen.

Es kann daher immer nur um die Suche gehen: nach der relativ größten Schnittmenge, nach dem geringsten Übel, nach dem, was jedenfalls verhindert werden sollte. Was das aber ist, muss jeder Wähler für sich selbst herausfinden. Gemäß seiner persönlichen Wertehierarchie; mit seinem Wissen um das Scheitern einzelner Gesellschaftsmodelle in anderen Ländern; mit seinen Sorgen um die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen; mit seinen Vorstellungen vom Bildungssystem; mit seinem Vertrauen in einzelne Politiker; mit seinen Vorstellungen von Freiheit und Gerechtigkeit; mit dem Stellenwert, den man dem Einzelnen und der Familie versus dem Staat (also Gemeinde+Bundesland+Republik+EU+Sozialversicherungen) einräumt.

Das ist durchaus ein mühsamer Nachdenkprozess. Aber niemand hat ja versprochen, dass Demokratie einfach und mühelos wäre.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Was wir brauchen

18. September 2013 03:39 | Autor: Waltraut Kupf
Rubrik: Gastkommentar

Was Österreich braucht, ist eine Regierung, die nicht – wie übrigens die aller anderen Länder auch – gegen das Volk regiert, sondern vielmehr die Interessen des Souveräns mit Entschiedenheit vertritt.

Schon arbeiten die so genannten Eliten daran, nach dem Prinzip des Hexeneinmaleins Minderheiten zur Mehrheit zur erklären und den Begriff der Demokratie umzudefinieren. Hieß es vor siebzig Jahren „du bist nichts, dein Volk ist alles“, so transponiert man diesen fragwürdigen Slogan heute auf eine erweiterte Ebene, nämlich: „Dein Volk ist nichts, die Zentraldiktatur ist alles“. Daraus resultiert ein artifiziell konstruierter Begriff von Einheit und Solidarität, der ebenso wenig durchzusetzen ist wie ein etwaiges Postulat, man solle in Notzeiten für fremde Leute sorgen, zu Lasten der eigenen Kinder.

So wie die Familie gesellschaftspolitisch zerschlagen wird, werden Zugehörigkeiten aller Art systematisch untergraben. Der Begriff „Volk“ ist in der veröffentlichten Meinung verpönt, die „Egoismen“ der Nationalstaaten werden kontinuierlich gegeißelt und deren Vertreter nach Möglichkeit isoliert und geächtet. Als flankierende Maßnahme werden Migration und Verfall des Bildungs- und Sozialsystems gewaltig angekurbelt. Auch die Unterschiede der Geschlechter werden eingeebnet und alles, was zumindest bisher dem natürlichen Empfinden entsprach, wird unter dem Begriff der Biologismen abgetan. Dafür floriert der Todeskult der Abtreibung, die man Schulklassen durch Besuch von einschlägigen Kliniken als Lösungsansatz für die Beseitigung der Folgen eines möglichst frühen Sexualverkehrs schmackhaft machen will.

Politiker, die sich dagegen aussprechen (was sich bezeichnenderweise niemand mehr zu tun getraut), würden sofort als „Rechtsextreme“ von weiteren Gestaltungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden. Auch auf die Religion (besonders die katholische) wird aus vollen Rohren geschossen, weil diese ja den geplanten Entwicklungen mit ihrem Wertekatalog hinderlich sein könnte. Mittlerweile rückt selbst der medial hochgejubelte progressive Flügel der Kirche von früher als unverhandelbar betrachteten Grundsätzen ab. Das ist der traurige Befund, den man nach Belieben weiter ausführen und vervollständigen könnte.

Wo ist nun eigentlich der Politiker, der allen diesen Missständen ernsthaft und mit Konsequenz entgegenträte? Der die gesetzlichen Möglichkeiten eines Vetos auf EU-Ebene einsetzen würde? Der die Möglichkeit eines EU-Austritts zu nützen bereit ist?

Denn die Europäische Union ist ja zumindest hierzulande der Spiritus Rector hinter allen genannten Missständen, auch wenn das einige Unentwegte in Abrede stellen. Zwar sind die meisten der in Brüssel fuhrwerkenden Gestalten zu beschränkt, um alle Zusammenhänge zu sehen, die dahinter stehenden Drahtzieher (Teilnehmer an diversen Geheimkonferenzen in Europa und Vertreter der Hochfinanz vor allem in Übersee) arbeiten aber mit Hochdruck an der Neuen Weltordnung, in welcher unter Vorspiegelung einer Perspektive von Friede, Freude, Eierkuchen eine Masse von gezielt verblödeten Zombies willfährig oder auch nur apathisch, gut choreographiert, nach der Pfeife der so genannten Eliten tanzen soll.

Niemand wird ernsthaft versuchen, Sand in die Maschinerie dieses Treibens zu streuen. Ein solcher Mensch würde ja auch ziemlich gefährlich leben. Überdies wäre jeder Widerstand nicht nur für die eigene Person, sondern möglicherweise auch für die Allgemeinheit riskant. Und dennoch: Sollen sich die herrschenden Tendenzen wirklich ungebremst fortsetzen und weiter verschärfen?

Es gibt Anti-EU-Kleinparteien, die aber mangels medialer Unterstützung chancenlos sind bzw. gar nicht erst zur Wahl stehen.

So bleibt nur die Möglichkeit, die Kräfte auf einem bereits vorhandenen Fundament zu bündeln und sich darüber klar zu werden, was man überhaupt will. Kann man sich nicht einigen, so sind jene Leute, die letztlich im Sinne der derzeit untragbaren Zustände arbeiten auszutauschen gegen solche, die bereit wären Nägel mit Köpfen zu machen.

Manche linientreue Katholiken sind der Meinung, das Heil könne noch am ehesten in der FPÖ liegen, was aber fraglich ist. Ich denke mit Schrecken daran, wie man Barbara Rosenkranz zur Präsidentschaftswahl einerseits aufstellte, ihr aber dann praktisch in den Rücken fiel, weil ein paar Leute ihre heimliche Liebe zur EU nicht auf dem Altar einer charaktervollen, weitblickenden Frau opfern wollten oder auch antiquierte Ansichten hinsichtlich der Bekleidung hoher politischer Ämter durch Frauen hatten. Es war auch kein Glücksgriff, sich im neuen Programm vom Christentum zu verabschieden, obgleich ja neuerdings Bibelzitate plakatiert werden und man die Kurve zwischen säkularer Haltung und einer Verbeugung vor der Religion irgendwie zu kratzen hofft.

Das etwas leiser werdende Gefasel von der Revolution von 1848 war von Anbeginn kontraproduktiv, da diese ganz andere Wurzeln hatte als jene, auf die man sich heute besinnen sollte. Jedenfalls ist aber die Erhaltung des christlichen Abendlandes wenigstens als Kulturgemeinschaft ein vorrangiges Anliegen. Kann man sich teilweise nicht mit der Religionsgemeinschaft identifizieren, so möge man doch bedenken, dass man vor allem im linken Lager die Kirche zu demontieren trachtet und antiklerikales Agitieren lediglich das Geschäft der politischen Gegner besorgt.

Jener Wertekatalog, dessen Beachtung man heute schmerzlich vermisst, ist vor allem in der Kirche verankert oder zumindest hier in konsequenter Form niedergelegt. Man sollte sich nach dem Gebot der Stunde richten und anstelle der Vergangenheit lieber die Fährnisse der Gegenwart zu bearbeiten und zu bewältigen trachten, was in der ursprünglich dazu berufenen ÖVP seit geraumer Zeit nicht mehr stattfindet. Sie ist zu jenem Reichen geworden, der in das Himmelreich nicht eingehen wird und zu dem Jüngling, der traurig davonging, weil er sich nicht von seinen Gütern trennen konnte.

Grundsätze (die dann keine mehr sind) nach der gängigen unerfreulichen Praxis zu richten (wie das selbsternannte Reformatoren verlangen) wird zu keinen befriedigenden Ergebnissen führen. Die scheinbare Unterscheidbarkeit zwischen ÖVP und SPÖ besteht nur noch in kasperltheaterhaftem Geplänkel vor Publikum. Als ich vor Jahren in einer ÖVP-Veranstaltung nach dem offiziellen Teil das Thema Abtreibung und die Unvereinbarkeit mit der noch immer so bezeichneten „Christ“-Demokratie ansprach, wechselten die Herren Tschirf und Hahn (der damals noch nicht in Brüssel war) einen bedeutungsvollen Blick und murmelten einige inhaltslose Floskeln.

Über die Grünen braucht man an dieser Stelle kaum etwas zu sagen. Sie propagieren den „Crossover“ bei allem und jedem und sind selbst ein Hybrid aus Hardcore-Kommunismus und labeltragender Bobo-Community. Sie lassen eine Weste heraushängen, die so weiß gar nicht ist. Das auszuführen würde aber hier zu weit führen.

Alles kleinliche Herumdoktern an unliebsamen Gegebenheiten und Reförmchen in Teilbereichen ist Flickwerk. Jeglicher konkreten Maßnahme vorauszugehen hat eine eindeutige ideologische und moralische Ausrichtung, und es wird schwer genug sein, hier einen gemeinsamen Nenner zu finden, allerdings wäre es bekanntlich die Einigkeit, die stark macht.

Die Grundsätze der fehlenden Partei

Die ideale Partei müsste aus meiner Sicht für folgende Grundsätze glaubwürdig eintreten:

  1. Respekt vor dem einen Gott und allen Religionen, wobei einem politischen Imperialismus, der unter der Flagge der Religion segelt (wie in einer fehlgeleiteten Form des Islam zu beobachten), entgegenzutreten ist. Wenn andererseits islamische Politiker ihre Reden mit den Worten „im Namen des gütigen Gottes“ einleiten, so ist es das, was ihnen jene Kraft verleiht, die uns (bis auf schwache Rudimente) fehlt.
  2. Respekt vor der Natur und dem Leben. Ergreifen sinnvoller Maßnahmen (zu denen z.B. der verbrecherische Bio-Sprit und die überdimensionierte Fleischproduktion nicht gehören). Wichtig wäre die Ablehnung der Abtreibung, die leider auch in „konservativen“ oder „rechten“ Kreisen keineswegs einhellig verurteilt wird, obgleich es hier mannigfache überzeugende Argumente gibt. Mit diesem Thema polarisiert man erfahrungsgemäß am meisten; die Leute verteidigen mit Zähnen und Klauen ihr vermeintliches Recht, ihren Nachwuchs umzubringen. Wer gegen die Abtreibung ist, gilt eo ipso als Nazi, Selbstannullierung ist zur Pflicht geworden.
  3. Kulturelle Institutionen und Veranstaltungen dürfen nicht zu Schauplätzen der politischen Agitation oder zu Spielwiesen für abartige Einfälle aller Art umfunktioniert werden. Die seltsame Koexistenz lasziver sexueller Aufklärung schon im Volksschulalter und gleichzeitiger absurder Prüderie, in der das Küsschen der Großtante bereits zum sexuellen Übergriff stilisiert wird, ist durch eine vernünftige Handhabung dieser Themen zu ersetzen. Die weit verbreitete Frustration von Lehrern, auch deren teilweise unzulängliche Qualifikation, sind durch Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen zu mildern und möglichst zu beheben.
  4. Einbremsung der Immigration. Sich hier die Rosinen herauszupicken halte ich allerdings für problematisch bis fast schon unmoralisch, da z.B. Fachkräfte in ihren Herkunftsländern fehlen und diese folglich in ihrer Entwicklung hin zur Gleichrangigkeit mit den Zielländern beeinträchtigt und ihres Humankapitals beraubt werden. Hier könnte man zur Abwechslung einmal wirklich solidarisch sein und eigene Leute entsprechend ausbilden, damit die Herkunftsländer mit den Zielländern mittelfristig gleichziehen können. Daran bestand aber bisher kein Interesse, da man ja von dem wirtschaftlichen Gefälle zumindest eine Zeit lang profitierte. Die Anreize für weitere Zuwanderung sind drastisch zu reduzieren.
  5. Regulierung des Bankwesens. Kredite sind mit Maß und Ziel zu vergeben, die Einstellung der Konsumenten, man müsse alles sofort haben (auf Pump) ist einzudämmen. Weitere Rettungsschirme für andere Länder sind abzulehnen.
  6. Anordnungen der EU, soferne sie sich schädlich auswirken, sind zu unterlaufen, wenn man nicht überhaupt den Austritt auf den Weg bringt. Da die EU ihre eigenen Regeln bzw. Gesetze wiederholt gebrochen hat, stellt sich die Frage, ob man die unautorisierten Neuregelungen überhaupt befolgen muss. Man könnte hier europaweit einen Stein ins Rollen bringen. Die Voraussetzung wäre, dass die kritischen Kräfte eine Stärke erlangen, die eine dominierende Stellung in der Regierung ermöglicht.

Vielleicht wird sich so manches Problem durch die sich anbahnenden Unruhen von selbst erledigen, allerdings nur dann, wenn man das Rebellieren nicht diversem Geschmeiß überlässt, sondern sich breite Kreise der Bevölkerung den Protesten anschließen, die dann aber auch wissen müssen, was das Resultat sein soll. Zwar dürfte primär das Fressen (nach Brecht) und, wenn überhaupt, dann erst die Moral kommen, aber die Leute sind offenbar zum guten Teil „rerum novarum cupidi“ (begierig auf das Neue), wie das seinerzeit der Lateiner nannte.

Mir (und nicht nur mir) fällt angesichts der Lage der Nation Schillers Wilhelm Tell ein, dessen Wertschätzung heute eine enden wollende ist. Das folgende Zitat könnte die Stimme des Wutbürgers sein: „Ich lebte still und harmlos, … Du hast aus meinem Frieden mich heraus geschreckt, in gärend Drachengift hast du die Milch der frommen Denkart mir verwandelt.“ Und: „Ans Vaterland, ans teure schließ dich an, das halte fest mit deinem ganzen Herzen, hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft.“

Leute wie Nigel Farage oder Viktor Orban haben wir leider nicht.

Was man als Privatperson tun kann, sind – wenn auch noch so bescheidene – Beiträge in Richtung einer Meinungsbildung, indem man in Internetforen oder auch im Gespräch im privaten Umfeld seine Meinung mit Unerschrockenheit vertritt.

Dkfm. Waltraut Kupf, geb. 1933 in Wien, Matura am Wasagymnasium 1952, Studium an der Hochschule für Welthandel bis zum Diplom, nach einigen kurzzeitigen Jobs von 1958 bis 1969 in der Finanzabteilung der Internationalen Atombehörde, dort wegen Unvereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Kindererziehung ausgeschieden, nach dem Selbständigwerden der Kinder verstärktes Interesse für Politik. Mehrjährige Mitgliedschaft beim Akademikerbund und später der FPÖ, aus beiden Organisationen wieder ausgetreten.

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Buchbesprechung: Wir sollen sterben wollen – Todes Helfer

12. September 2013 23:19 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Zentraler Punkt zweier der drei Aufsätze in diesem Buch ist der neue § 217 des deutschen StGB, der die gewerbsmäßige Sterbehilfe untersagt, die private aber – quasi durch die Hintertür – erlaubt. Der Philosoph Andreas Krause Landt und der Medizinhistoriker Axel W. Bauer warnen davor, mit dem individuellen „Selbstbestimmungsrecht“ hinsichtlich der willkürlichen Beendigung seines Lebens am Ende eine Art von „Fremdbestimmungsrecht“ durch Dritte zur Verfügung eines „sozialverträglichen“, frühzeitigen Ablebens herbeizuführen.

Wer heute an Sterbehilfe denkt, hat gewöhnlich einen alten, bettlägerigen, sterbenskranken, schwer leidenden Patienten im Blick, der selbst nicht mehr Hand an sich legen kann und daher der Assistenz eines barmherzigen Helfers bedarf, um seine Qualen vorzeitig zu beenden. Rund 90 Prozent jener Menschen, die im selbst gewählten Tod ein geringeres Übel erblicken als im Weiterleben, seien indes keineswegs an unheilbaren oder gar tödlichen Leiden erkrankt, sondern an Depressionen, die das Denken der Betroffenen maßgeblich verengen und einschränken. Dieser Umstand lasse es daher nicht zu, deren Todeswunsch als „frei und selbst bestimmt“ zu qualifizieren.

Eine wirksame Psycho- oder Medikamententherapie wäre in diesen Fällen meist imstande, die Todessehnsucht zu beseitigen. Mittlerweile allerdings sei es so weit gekommen, dass nicht mehr nur als aussichtslos und unheilbar eingestufte Erkrankungen mit hohem Leidensdruck als „guter Grund“ für das vorzeitig herbeigeführte Lebensende gelten würden, sondern auch schon die bloße Befürchtung, dass etwas Schlimmes drohen könnte (dazu wird das Beispiel von Gunther Sachs angeführt, der zum Zeitpunkt seines Freitodes im Jahre 2011 lediglich den Ausbruch einer Alzheimer-Erkankung befürchtet habe). In Holland, mit seinen diesbezüglich extrem „liberalen“ Bestimmungen, dürften heute bereits 16-Jährige – ohne die Zustimmung der Eltern – ein Programm zur Sterbehilfe in Anspruch nehmen.

Die Strafbarkeit jeder Art von Sterbehilfe müsse allein schon deshalb erhalten bleiben, um sicherzustellen, dass eine „Hilfe aus Mitgefühl“ nicht in Wahrheit aus eigennützigen Motiven (wie etwa Habgier eines potentiellen Erben) gewährt wird. Wer aufrichtig meine, etwa seinen schwer und unheilbar kranken Ehepartner dabei unterstützen zu müssen, seine Qualen zu beenden und aus dem Leben zu scheiden, der würde wohl auch bereit sein, eine nachfolgende Anklage und Strafe in Kauf zu nehmen.

Der Medizinhistoriker Bauer meint, dass die auffallend wohlwollende Haltung verantwortlicher Politiker – namentlich der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger – vor dem Hintergrund der Überalterung der Gesellschaft und den daraus resultierenden Schwierigkeiten bei der Rentenfinanzierung zu sehen sei: Vorzeitiges Ableben zwecks Entlastung der Pensionskassen. Sterbehilfe sei letztlich nichts weniger als ein Synonym für Euthanasie. Wer aber dieser das Wort rede, würde die Büchse der Pandora öffnen – mit völlig unabsehbaren Konsequenzen. Fazit: Das Buch bildet einen bedenkenswerten und erfreulich ideologiefreien Debattenbeitrag zu einem äußerst heiklen Thema.

Wir sollen sterben wollen
Todes Helfer
Über den Selbstmord
Andreas Krause Landt/Axel W. Bauer/Reinhold Schneider
Manuscriptum Verlagsbuchhandlung, 2013
199 Seiten, broschiert
ISBN: 978-3-937801-78-0
€ 14,90,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Der Gesundheitsschock: Was alles nötig wäre, und was alles total falsch läuft

11. September 2013 00:19 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Eine kritische Analyse der österreichischen Gesundheitspolitik führt gleich zu mehreren hochriskanten Folgen: Erstens zu Schock über den planwirtschaftlichen Murks, den uns die Politik (Bund, Länder, Sozialversicherungen) als gelungene Reform verkaufen will. Zweitens zu Schock über alles, was da seit Jahren strukturell falsch läuft. Und drittens zu Schock über jene einschneidenden Maßnahmen, die alleine eine sinnvolle Therapie wären.

(eine grundsätzliche Analyse, nichts für eilige Leser).

Zu Beginn zwei persönliche Anekdoten. Erstens jene von meiner Entlassung aus dem Spital. Mein Internist fand nach zwei Nächten sehr beruhigende Worte für mich. Diese Beruhigung endete jedoch abrupt, als ich seinen schriftlichen Bericht las. Dessen Lektüre veranlasste mich zur panischen Anfrage: "Wie lange habe ich denn noch zu leben, da ich jetzt die ganze Wahrheit gelesen habe?" Die Antwort des Arztes: „Aber Nein, das ist ja nur für die Versicherung.“

Ein anderes Erlebnis spielte auf einer orthopädischen Station, als ich mich wie bestellt zu einer Meniskus-Athroskopie meldete. Die erste Frage an der Abteilungs-Rezeption war: „Ambulant?“ Ich reagierte ziemlich erstaunt, denn ich wusste bis zu diesem Zeitpunkt nicht, dass das auch ambulant möglich ist. Ergebnis: Bis zu meiner Entlassung behielt man den mit einer Zusatzversicherung versehenen Patienten Unterberger schließlich fünf Nächte stationär in jener Abteilung. Dabei hatte es keinerlei Komplikationen rund um den Eingriff gegeben. Dafür wurde ich dann auch noch von einem Schlaflabor-Experten beglückt, der meinen ganzen Körper so verkabelte, dass ich keine Minute ein Auge zumachen konnte. Dabei hatte ich nur gesagt, ich schlafe manchmal schlecht, wenn ich am nächsten Tag einen Vortrag habe. aber es zahlt ja eh alles die Allgemeinheit, also scheinbar niemand.

Natürlich weiß ich: Persönliche Erlebnisse können zwar Symptome zeigen, sind aber noch keine Gesamtanalyse eines zentralen Bereichs der Gesellschaft, den ich hier versuchen möchte. Meine Sichtweise ist dabei eine mehrfache:

Verfolgt man die politischen und medialen Äußerungen des letzten Jahres zur Gesundheitspolitik, dann wird einem die Überzeugung vermittelt: Die Gesundheitspolitik sei am Ziel angekommen; die Finanzierungsprobleme seien gelöst; und man müsse nur noch nachdenken, für welche neuen Aufgaben man jetzt das reichlich vorhandene Geld ausgeben wird.

Der erstaunliche kommunikative Konsens rund um die Gesundheitspolitik wurde nur zeitweilig von Ärztekammervertretern gestört. Die waren freilich nie imstande, sich konsistent zu äußern. Das Donnern der Faust auf den Tisch, Vergleiche der elektronischen Gesundheitsakte Elga mit Auschwitz und Streikaktionen wechselten abrupt mit offenbar zufriedenem Schweigen. Ohne strategische wie inhaltliche Konsistenz und Strategie hat man aber im 21. Jahrhundert in einer kompliziert gewordenen Gesellschaft keine Positionierungs-Chance.

Aber das ist primär das Problem der offensichtlich uneinigen Ärzteschaft.

Die vielen grundsätzlichen Defizite

Hier geht es jedoch um eine ordnungspolitische Sicht auf die Gesundheitspolitik. Die ich ohne hybriden Anspruch eines Gesamtkonzeptes einfach in einigen Überlegungen aufgliedere. Das jetzige Gesundheitssystem hat viele Fehler, die zwar großteils bekannt sind, von denen aber kaum einer durch die groß bejubelte Reform wirklich gelöst wird:

  1. Die Finanzierung der Gesundheit erfolgt in anderen Staaten entweder durch die Versicherungen oder durch Steuereinnahmen. Wir hingegen haben ein Mischsystem, das zu jährlich mehr als 5 Prozent Kostensteigerungen geführt hat.
  2. In einer Art doppelter Planwirtschaft schieben einander öffentlich-rechtliche Moloche ständig gegenseitig Kosten zu, wobei gleichzeitig diese Moloche heftig um die Macht kämpfen.
  3. In keinem Land werden so viele Menschen so lange im Spital behandelt wie in Österreich.
  4. Zumindest statistisch liegt unsere gesunde Lebenserwartung unter dem EU-Schnitt.
  5. Eine Ursache der hohen Kosten ist der Mangel an Pflegebetten, weshalb durch Pflegefälle teure Akutbetten belegt werden.
  6. Eine weitere ist regionalpolitischer Chauvinismus, der um die Erhaltung jedes noch so kleinen Spitals kämpft.
  7. Viele Primariate werde nicht nach Leistung und Können, sondern nach Beziehungen und Parteipolitik besetzt.
  8. Die im Vergleich zu Privatordinationen viel teureren Ambulanzen werden vor allem deshalb aufgesucht, weil man dort immer sofort einen Termin hat, weil vielerorts die Kassen die Zahl der Kassenärzte zu streng limitieren, weil diese ab Freitagmittag kaum erreichbar sind. Aber auch weil oft Ambulanzen trotz ihrer Unpersönlichkeit höhere Qualität zugeschrieben wird.
  9. Die behauptete Teilsanierung der Krankenkassen in den letzten zwei Jahren ist vor allem auf die relativ gute Arbeitsmarktsituation und damit ausreichende Beiträge zurückzuführen, nur zum sehr kleinen Teil auf echte dauerhafte Veränderungen.
  10. Daher ist es absurd, dass wegen einer leichten Verbesserung der Einnahmen sofort dauerhafte Ausgabenerhöhungen beschlossen werden, wie etwa gerade im Bereich Zahnmedizin.
  11. Weltweit ist genauso wie etwa im Schulsystem die ständige fortschreitende Verrechtlichung ein Hauptproblem. In fast allen Ländern, mit den USA an der Spitze, verteuern die ständig steigenden Haftungsfolgen von wirklichen oder vermeintlichen Kunstfehlern, die immer stärker aufgeblähte Bürokratie und Kontrollen das Gesundheitssystem enorm, aber ohne sachlichen Nutzen. Aber Juristen wie Journalisten üben da gewaltigen Druck aus. Nichts darf mehr ohne dramatische rechtliche Folgen passieren. Daher werden auch die Haftpflichtversicherungen für Ärzte massiv teurer. Und damit die kosten des Gesundheitssystems.
  12. Die ständig steigende Lebenserwartung ist zwar ein Erfolg auch der Medizin, sie macht diese aber ebenfalls unweigerlich teurer.
  13. Das tut auch die – an sich sehr erfreuliche – Tatsache, dass früher unheilbare oder gar letale Krankheiten behandelbar geworden sind.
  14. Eine besonders schmerzhafte Tatsache: Vorsorgeuntersuchungen führen zu mehr Behandlungen.
  15. Internationale Statistiken zeigen eine klare Korrelation: Je mehr Ärzte und Spitäler es gibt, umso teurer ist ein Gesundheitssystem.
  16. Berechnet man die Gesundheitskosten korrekt, müsste man primär die bessere Hygiene, Wasserversorgung, Abwasserklärung und – trotz der rapiden Zunahme von Adipositas – wohl ebenso die gesündere Ernährung zu den primären Ursachen der gestiegenen Lebenserwartung rechnen und nur zu 20 Prozent die eigentliche Medizin.
  17. Sehr erfreulich ist auch der Rückgang der Arbeitsunfälle durch Sicherheitsmaßnahmen am Arbeitsplatz. Während die privaten Unfälle, wo man nicht so reglementierend eingreifen kann, hoch blieben. Es wäre aber unerträglich, jedes Jahr einen Kontrollbesuch des Arbeitsinspektors in der eigenen Wohnung zu bekommen.
  18. Besonders die gut bezahlten Operationen nehmen statistisch zu. Nach einer deutschen Studie werden zwei Drittel der zusätzlichen Operationen nur deshalb gemacht, damit Krankenhäuser besser verdienen.
  19. Ein besonderer Kostentreiber in vielen öffentlich rechtlichen Spitälern in Wien: Die jungen Ärzte müssen vieles an Systemarbeit tun, was die Gewerkschaft den Krankenschwestern untersagt.
  20. Die Arbeitszeiten von Spitalsärzten sind unverantwortlich lang. Das zeigt vor allem der Vergleich mit dem sonstigen Arbeitsrecht, wo man als Arbeitgeber bestraft wird, wenn ein Mitarbeiter – auch durchaus freiwillig! – länger als zehn Stunden arbeitet.
  21. In fast keinem anderen Berufsfeld ist die Diskrepanz zwischen extrem gut Verdienenden und sehr schlecht Verdienenden so extrem wie bei den Ärzten.
  22. Schlechte Gehälter, hohe Abgaben und die Dauer wie die Qualität der Ausbildung führen seit einiger Zeit zu starker Abwanderung: 700 Ärzte verlassen Österreich jährlich.
  23. Gut verdienende Ärzte können meist ihre Doppelstellung als ärztlicher Leiter in Spitälern und gleichzeitiger Inhaber einer Privatordination nutzen, ohne dass immer das finanzielle und zeitliche Verhältnis zwischen beiden Einkommen geklärt wäre.
  24. Angesichts ihrer Finanznöte zahlen die Kassen die Allgemeinmediziner sehr schlecht, sodass diese zu wenig Zeit für ärztliches Wirken haben; manche forcieren deshalb ertragreichere Nebengeschäfte, wie etwa fragwürdige Nahrungsergänzungen. Zugleich verstärkt der Mangel an Allgemeinmedizinern den Patienten-Run aufs Spital.
  25. Ein weiterer schwerer Fehler der Kassen ist es, die Bildung von Gruppenpraxen lange ver- oder behindert zu haben.
  26. Zahllose weitere Formen der Geldverschwendung bestehen in Organisationsmängeln, überflüssiger Bürokratie, und Abschiebung der bürokratischen Lasten von den Kassen zu Ärzten und Spitälern.
  27. Selbstverständlich gibt es eine Mehrklassenmedizin, auch wenn es viele Politiker leugnen. Es wird sie mit absoluter Sicherheit auch immer geben; die einzige Frage ist, ob legal oder illegal, ob nur zum individuellen Nutzen oder in einem sinnvollen Gesamtsystem.
  28. Ein ökonomisch explodierendes Problem ist, dass immer öfter Alltagsprobleme als seelische und psychiatrische Krankheiten gesehen und auch behandelt werden. Alleine dieser Aspekt lässt mit Sicherheit die Gesundheitskosten weiter explodieren.
  29. Der Politik wie der Öffentlichkeit ist noch nicht ausreichend bewusst, dass wir aus demographischen Gründen in einen Ärztemangel hineingleiten. Eine neue Uni zu gründen, statt sich auf die Stellung der Jungmediziner zu konzentrieren, ist aber der total falsche Weg, solange so viele Jungmediziner sofort ins Ausland abwandern.
  30. Eine bei Patienten beliebte Betrugsform ist die Verwendung der e-card durch Nichtberechtigte, die durch biometrische Daten leicht gestoppt werden könnte.
  31. Die Patienten sind im hohen Ausmaß zum bloßen Objekt degradiert. Sie durchschauen das System in keiner Weise. Auf der einen Seite wird ihnen einfach das Geld fürs Gesundheitssystem abgenommen, ohne dass sie gefragt werden, ob das nun über die Sozialversicherungsbeiträge oder die Steuern geschieht. Auf der anderen Seite sind sie auch im Krankheitsfall Objekt. Das hat die Menschen in den letzten Jahrzehnten so erzogen, dass sie sich in der Gesundheitsmaschinerie nur noch als Objekt fühlen. Dass sie sich fühlen wie das Auto, das in der Servicewerkstatt steht. Ohne jede Motivation zur Eigenverantwortung.
  32. Hingegen tritt der Arzt meist sowohl als Anbieter wie Nachfrager von Gesundheitsleistungen auf. Daran ändert auch eine teilweise ohne Ärzte ausverhandelte Gesundheitsreform nichts. Die starke Rolle der Ärzte ist zwar zum Teil unvermeidlich. Aber eben nur zum Teil.
  33. Ein unpopulärer Hinweis zur Pharmazie: Zahlen zeigen einen steilen Rückgang der Erträge dieser Konzerne. Die Ursachen sind vor allem durch Preisreduktionen und die Verwendung von Generika. Das ist nur vordergründig und kurzfristig positiv. Langfristig dämpft das jedoch die Ausgaben für Forschung und damit auch den medizinischen Fortschritt. Eine eher kurzsichtige Einsparung.

Alle bejubeln die Planwirtschaft

Jetzt aber zur sogenannten Reform: Wenn die letzten Beschlüsse von Bund, Ländern, Gemeinden, Sozialversicherungen und Sozialpartnern wirklich zu einer effizienteren, billigeren und menschlicheren medizinischen Versorgung führen sollten, dann wäre das eine absolute Premiere: Dann würde zum ersten Mal in der Geschichte noch mehr Planwirtschaft statt Eigenverantwortung und Freiheit zu irgendeinem Fortschritt führen.

Die Erfahrung lässt jedoch statt dessen mit einem weiteren Verlust an Effizienz und Menschlichkeit rechnen. Die Politik und die Planer scheitern in allen Ländern derzeit daran, auch nur einen neuen Flughafen zu planen oder ein neues Konzertgebäude. Oder in Salzburg binnen weniger Wochen festzustellen, wie viele Schulden das Land eigentlich hat. Und da wollen uns Politik und Bürokratie allen Ernstes einreden, ein komplett neues Gesundheitssystem planen und administrieren zu können?

In Wahrheit muss es einen doch vor Entsetzen beuteln, wenn uns ein „Bundeszielsteuerungsvertrag“ und neun dann folgende Landesverträge als Wunderdroge verkauft werden. Oder wenn man ernstlich glaubt, heute – also schon vor Abschluss dieser Verträge! – ein „Dämpfungsvolumen“ von 3,4 Milliarden Euro bis 2016 verkünden zu können. Das erinnert stark daran, dass man uns ja derzeit auch weismachen will, dass es 2016 mit Sicherheit das letzte Budgetdefizit geben werde. Wie oft haben wir das freilich in den letzten Jahrzehnten schon jeweils für andere Zeitpunkte gehört?

Was heißt eigentlich „Zielsteuerung“? Heißt es wörtlich, dass man die Ziele beliebig verändern kann? Derzeit gibt es jedenfalls neun Ziele, die miteinander ungeordnet ohne Hierarchie konkurrieren sollen. Aber auch die jetzt scheinbar friedlich zusammengeschweißten Akteure, die Zahler, die Opfer wie die zahllosen Lobbies haben weiterhin völlig unterschiedliche Ziele und Motive.

Um nur ein Beispiel zu nennen: Wenn Ambulanzen, wie versprochen, noch besser werden, ist das ökonomisch schlecht im Gesamtsystem. Denn dann werden noch mehr Patienten in Ambulanzen statt Ordinationen gehen.

Man hat die Absurdität einer rein politisch-bürokratischen Regelung der Gesundheitsausgaben ja erst im Frühjahr rund ums Thema Hüfte gesehen. Sobald die Öffentlichkeit auch nur glaubt, dass irgendeine „Kostendämpfung“ die vermeintlich oder wirklich beste Therapie limitiert, beginnt politischer und medialer Druck, bis dann alle unisono verkünden: Nein, natürlich war das nicht so gemeint. Selbstverständlich bekommt jeder unbegrenzt die beste Therapie. Auch wenn er sie gar nicht braucht.

Es geht um die Rechte der Patienten

Fassungslos macht, dass bei den zahllosen Reformgesprächen neben den nur teilweise beigezogenen Ärzten, die aber zumindest viel faktische Macht haben, eine Gruppe völlig ausgeschlossen geblieben ist. Offenbar weil zu unbedeutend. Das sind die Patienten. Zwar machen sich viele zu ihren Sprechern. Aber alle angeblichen Patienten-Vertreter haben in Wahrheit ganz andere Eigeninteressen.

Eine Stärkung der Rechte der Patienten als eigentliche und einzige Kunden des Gesundheitssystems ist in einer entwickelten Demokratie jedoch unverzichtbar. Sie wird auch angesichts der für zentralistische Planer völlig unüberschaubaren Individualbedürfnisse und insbesondere angesichts des bevorstehenden europaweiten Finanzkollapses unumgänglich sein.

Statt Patientenrechte zu verstärken, will die Politik nun von oben her „Best Points of Service“ dekretieren. Ohne zu begreifen, dass sich Menschen, so wie das Wasser, immer ihre eigenen Wege suchen. Egal was dekretiert ist.

Zur Stärkung der Patientenrechte und zur gleichzeitigen Sanierung des Gesundheitssystems gibt es in Wahrheit nur zwei Wege, die durchaus auch additiv gegangen werden können. Der eine Weg ist, den Bürgern die Wahl zwischen mehreren möglichen Krankenversicherungen zu geben. Dadurch entstünde Wettbewerb und Patientenorientierung bei den Kassen.

Das ständige Gegenargument „Was ist mit den schlechten Risken, also insbesondere chronischen Patienten?“ lässt sich wie bei den Autoversicherungen durch Zwangskontrakte leicht lösen. Da bekommen ja auch unfallfreudige Fahrer eine Kaskoversicherung.

Alles (außer dem Populismus) spricht für einen allgemeinen Selbstbehalt

Die zweite mögliche Stärkung der Rolle des Patienten besteht darin, dass sie bei einer Senkung der Sozialversicherungsbeiträge einen zumindest kleinen Teil jeder Behandlung, jeder Medikation selbst in Form eines Selbstbehalts zahlen müssten. In diesem Fall würden sie automatisch viel häufiger fragen als jetzt, ob diese oder jene Behandlung wirklich sinnvoll ist. Dann würde aber auch bei den allermeisten Ärzten ein Umdenken einsetzen.

Denn viele Menschen – und auch Ärzte sind Menschen! – sind nämlich bereit, eine anonyme Allgemeinheit, egal ob Staat oder Privatfirma, ohne sonderliche Gewissensbisse zu schädigen. Sie sind aber viel weniger bereit, einen unmittelbar vor ihnen sitzenden oder liegenden Patienten mit überflüssigen Kosten zu belasten. Wenn der Satz „Zahlt eh die Krankenkassa“ aus unserem Repertoire verschwunden ist, dann wird sich mit Sicherheit im Gesundheitssystem mehr ändern als durch noch so viele papierene Fünfjahrespläne.

Eine stärkere Eigenverantwortung der potentiellen Patienten bei den Behandlungskosten würde mit Sicherheit die noch viel wichtigere Eigenverantwortung auch in Hinblick auf eine gesündere Lebensweise erhöhen. Dabei geht es um ein generelles Umdenken. Viel mehr und verständlich kommunizierte Aufklärung ist dabei aber jedenfalls zentral. Das zeigt etwa die enge Korrelation zwischen Bildung und Gesundheit. Wissen erhält länger gesund. Wissen kann aber natürlich nicht so hergestellt werden, dass man jetzt einfach jedem eine Matura oder einen Master schenkt.

Nicht ein Plan, sondern Selbstdisziplin samt einem freiwillig gewählten sozialen Netz erhält gesund. Das zeigt die hohe Lebenserwartung in Klöstern.

Eine notwendige Konsequenz wäre aber auch das Recht, nein: die Pflicht des Systems zu sagen: Bevor du eine neue Hüfte bekommen kannst, muss das Übergewicht weg. Heute und auch nach der Reform suggerieren wir hingegen: Mach was du willst, die Gesellschaft wird eh die gesamte Reparatur zahlen.

Zur Mündigkeit der Patienten gehören auch viel bessere Informationen über medizinische Qualität. Dazu gehören beispielsweise Vergleiche von Operationszahlen und -erfolgen zwischen einzelnen Spitälern. Amtsgeheimnisse, Datenschutz und ähnliches haben da absolut nichts verloren.

Eines der falschesten Argumente kommt bei dieser Diskussion gerne von der Politik: Wenn Selbstbehalte eingeführt werden, dann könnten sich die Armen keine Gesundheitsausgaben mehr leisten. Das hat zu dem verheerenden Prinzip geführt: Gesundheit darf nichts kosten. Was nichts kostet, ist aber auch automatisch in den Augen der Menschen nichts oder wenig wert. Damit wird auch die Eigenverantwortung drastisch reduziert. Die sogenannten oder wirklich Armen wissen ja hingegen auch bei Essen, Fernseher oder Auto, dass sie sich da selber kümmern müssen.

Ich will hier nicht die gesamte Armutsdebatte aufrollen. Aber ein Hinweis sei gestattet: Die statistisch ärmsten Österreicher geben nicht nur relativ, sondern auch in absoluten Euro-Beträgen mehr für Unterhaltungselektronik aus als die Besserverdienenden.

Eine weitere absurde Randerscheinung der Reformdebatte ist, dass die schon jetzt diskriminierten Privatspitäler neuerlich ignoriert worden sind, obwohl sie bei durchaus gleicher Qualität weniger kosten. Weshalb man von ihnen viel lernen könnte.

Genauso ein Tabu ist auch die Frage, ob nicht mehr Geld für altersgerechte Wohnungen wirksamer sind als mehr Geld für das Gesundheits- und Pflegesystem.

Die Conditio humana

Die wirklich fundamentale, aber nie ausdiskutierte Frage ist die philosophische nach dem Menschenbild, nach der Freiheit. Haben Menschen das Recht zu ungesundem Leben? Ich kann das nur bejahen. Anders lässt sich eine freie Gesellschaft außer in extremem Totalitarismus gar nicht vorstellen. Das muss freilich auch subjektive Konsequenzen haben.

Es wäre der Anfang vom Ende jeder Menschlichkeit, wenn der Staat die Menschen auch zu ihrer Gesundheit zwingen wollte. Dann bekommen wir ihn überhaupt nicht mehr aus unserem intimsten Leben hinaus. Von der Zahnputzkontrolle bis zu den Essens- und Alkoholverboten. Ja, die Krankheit und der ja sichere Tod müssen das Risiko des Patienten bleiben, nicht der Politik. Sie sind Teil der Conditio humana.

Manche meinen nun sicher, ich würde zu ökonomisch argumentieren. Aber gerade mit der Medizin und anderen Naturwissenschaften ist die Ökonomie sehr eng vergleichbar: Ihre Regeln und Gesetze gelten ganz unabhängig vom Willen der Menschen. So können ja auch noch so viele blöde Sprüche von Rauchern wie „Ohne Rauch stirbst auch“ den Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs, Herzinfarkt sowie etlichen anderen Krankheiten nicht aus der Welt schaffen. So können ja auch Päpste und alle Mächtigen der Erde nicht die Regeln der Astronomie bestimmen, obwohl sie es einst versucht hatten. So wirkt ja auch die Gravitationskraft ganz unabhängig von Beschlüssen der Politik.

Und ganz genauso gelten auch ökonomische Regeln ganz unabhängig von unserer Zustimmung. Wie etwa der millionenfach bewiesene Zusammenhang: „Was nichts kostet, ist in den Augen der Menschen auch nichts wert und wird verschwendet.“ Oder: „Nur wenn man individuell Kosten tragen muss, werden die Kosten beachtet, niemals, wenn die Allgemeinheit sie trägt.“ Oder: „Kostenfolgen haben sich als einzig funktionierender Weg erwiesen, Eigenverantwortung zu tragen.“ Und ebenso: „Wenn wir nichts tun, wird unsere Gesellschaft, unser demokratischer Rechtsstaat in den nächsten 20 Jahren an drei Kostenfaktoren zerschellen: Pensionen, Gesundheit, Pflege.“ (In dieser Reihenfolge)

Ganz anders ist es um juristische Regeln und Gesetze bestellt: Sie können je nach politischer Lust und Laune abgeändert werden. Sie können auch gegen die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten beschlossen werden. Nur führen sie dann regelmäßig zu unerwünschten Folgen: Wenn man etwa Preise unter die Marktkosten limitiert, wird das Produkt aus den Regalen verschwinden; oder Dienstleistungen werden nur noch zu Schwarzmarktpreisen angeboten. Wie es beispielsweise mit vielen Gesundheitsdienstleistungen auf dem Balkan der Fall ist.

Ebenso unsinnig ist der Satz: „Gesundheit ist ein so hohes Gut, das darf doch keine Frage des Geldes sein.“ Wer so spricht, sollte immer auch die Frage beantworten müssen: Ist er etwa bereit, umsonst im Dienste der Gesundheit anderer zu werken? Das sind eben nur ganz wenige. Lobenswert, aber völlig unzureichend.

Auch das immer  so gern bemühte Prinzip der Gerechtigkeit spricht gegen die gegenwärtige Form der Gratismedizin. Es ist ja zweifellos absolut ungerecht, wenn diszipliniert lebende Menschen ohne Bremse und Limit die statistisch viel höheren Gesundheitsausgaben für Raucher, für Übergewichtige, für bewegungsaverse Couch-Potatoes, für Risikosportler tragen müssen.

Bitte nur kein Gesamtkonzept

Das waren einige Anmerkungen über einige gesundheitspolitische, ethische und ökonomischeZusammenhänge. Dahinter steht zwar eine klare ordnungspolitische Idee, aber sicher nicht die Anmutung, ein neues Gesamtkonzept zu haben. Mir ist im Gegenteil jeder unheimlich, der behauptet, ein solches zu haben.

Ich bin mir auch keineswegs sicher, dass das wohl unvermeidliche Scheitern von Reform wie Praxis automatisch zu mehr Vernunft führen wird. Das Wissen um die Rolle von Eigenverantwortung, um die genannten Zusammenhänge ist nämlich europaweit nicht gerade im Steigen.

Daher ist es auch durchaus möglich,

Aber in einem bin ich mir sicher: Wenn ein Gesundheitssystem funktionieren soll, dann kann es nur in einer Verbindung der Gesetzmäßigkeiten von Ökonomie UND Medizin bestehen. Je mehr hingegen Politik und damit Populismus, Gesetze und Gerichte mitspielen und überregulieren, umso schlechter werden die Dinge funktionieren.

(Diese Ausführungen fassen zusammen, was ich in teilweisen Passagen in der medizinischen Zeitschrift „Spectrum Urologie“, in der „Academia“ sowie in einem Vortrag vor Ärzten formuliert habe)

 

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Die Ideen der Österreichischen Schule als Grundlage einer Gesellschaft freier Bürger

03. September 2013 23:19 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Dem Ruf der veröffentlichten Meinung nach immer mehr hoheitlicher Regulierung aller Lebensbereiche kommt die Politik nur allzu gerne nach. Von der Benzinpreisbildung bis zur Ladenöffnung, von einer „gerechten“ Entlohnung bis zu „angemessenen“ Mieten – so gut wie nichts soll und darf der freien, privatrechtlichen Vereinbarung mündiger Bürger überlassen bleiben.

Wilhelm Röpke (1899 – 1966): „Eines von beiden wird früher oder später weichen müssen: das freie Gesellschafts- und Wirtschaftssystem oder der heutige Wohlfahrtsstaat.“

Ludwig von Mises (1881 – 1973): „Man kann Liberalismus nicht ohne Nationalökonomie verstehen. Denn der Liberalismus ist angewandte Nationalökonomie, ist Staats- und Gesellschaftspolitik auf wissenschaftlicher Grundlage.“

Was gilt schon der Prophet im eigenen Land – noch dazu in einem, in dem „verantwortliches“ Denken allein Politikern, Beamten und staatsabhängigen Intellektuellen überlassen bleibt und wo kritisches Denken zunehmend als Verrat am „Gemeinwohl“ gilt?

Von den Protagonisten der Österreichischen Schule ist hierzulande heute gerade einmal Friedrich August Hayek, dank des 1974 an ihn verliehenen Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften, bekannt. Allenfalls noch Eugen von Böhm-Bawerk ist manchen ein Begriff. Wenigstens als Portrait, das die letzte gültige 100-Schilling-Banknote zierte. Carl Menger, Friedrich von Wieser oder Ludwig Mises dagegen sind der breiten Öffentlichkeit in Österreich heutzutage weitgehend unbekannt. Mit Murray Rothbard oder den Namen der rezenten Vertreter der Österreichischen Schule weiß allenfalls eine kleine Gemeinde ideengeschichtlich interessierter Zeitgenossen etwas anzufangen. In den USA oder in Großbritannien – Ländern mit Jahrhunderte alter liberaler Tradition – liegen die Dinge anders…

Am Beginn der Österreichischen Schule stand die akademische Auseinandersetzung mit der deutschen „Historischen Schule“, zu deren wichtigsten Protagonisten Werner Sombart, Luigi Brentano und der Kathedersozialist Gustav von Schmoller zählten. Der von Carl Menger 1883 angestoßene „Methodenstreit“ stand im Mittelpunkt dieser Kontroverse. Die historische Schule sah keine Möglichkeit, eine konsistente, von Zeit und Ort unabhängige Wirtschaftstheorie zu entwickeln. Sie konzentrierte sich stattdessen auf die Betrachtung eng umgrenzter Untersuchungsbereiche und versuchte, empirisch gewonnene Erkenntnisse induktiv auf andere Zusammenhänge – von Deutschland auf das größere Ganze – zu übertragen.

Der „Vater“ der Österreichischen Schule, Carl Menger (1840 – 1921), ersann eine logisch deduktive Methode, die den Wert konsistenter Theorien betont und die eine bloße Sammlung empirischer Daten, die niemals allgemein gültigen Erklärungswert besitzen können, vergleichsweise gering schätzt. 1871 erschien Mengers Werk „Grundsätze der Volkswirtschaftslehre“, mit welchem er der bis dahin herrschenden klassischen Werttheorie eine „Grenznutzenbewertung“ entgegensetzte. Es ist ein historisch reizvolles Detail, dass Carl Menger Lehrer und Freund des 1889 durch Suizid zu Tode gekommenen österreichischen Thronfolgers, Kronprinz Rudolf, war. Hätte der die Chance gehabt, seine durch Menger beeinflussten Ideen umzusetzen – wer weiß, welchen Weg die k.u.k. Monarchie – ja ganz Europa – in der Folge eingeschlagen hätte und was unseren Vorfahren erspart geblieben wäre…?

Eugen von Böhm-Bawerk (1851-1914), der zweite große Geist der „Austrians“ war nicht nur als Gelehrter, sondern auch in der Politik tätig. Von 1895 bis 1904 wurde er drei Mal, nach einer Beamtenkarriere im Finanzressort, als Finanzminister ins Kabinett berufen. Im Anschluss daran lehrte er bis zu seinem Tode Finanzwissenschaften an der Universität Wien. In seiner Amtszeit als Finanzminister sah er sich einer ausgeglichenen Gebarung der Staatsfinanzen, die er u. a. durch die Einführung einer direkten Einkommenssteuer (mit einem Spitzensatz von fünf Prozent!) erreichte, sowie einer strikten Golddeckung der Währung verpflichtet. Nach seinem wissenschaftlichen Hauptwerk „Kapital und Kapitalzins“ veröffentlichte er unter dem Titel „Macht oder ökonomisches Gesetz?“ eine kleinere Publikation, in welcher er den Nachweis führte, dass auch ein Staat sich der Gültigkeit wirtschaftlicher Gesetzmäßigkeiten nicht entziehen kann.

Ludwig von Mises (1881 – 1973), ein Schüler Böhm-Bawerks, war der wohl produktivste Geist aus dem Kreise der Protagonisten der Österreichischen Schule. Angesichts seiner staatskritischen Haltung nimmt es nicht Wunder, dass er zeitlebens niemals eine seinem brillanten Geist angemessene Position auf universitärem Boden erlangte. Das Motto „Wes´ Brot ich ess´ des Lied ich sing“ war seine Sache nicht. 1922 veröffentlichte er – ein Jahr nach der Ausrufung der „Neuen ökonomischen Politik“ durch Lenin (die eine Rücknahme zahlreicher Kollektivierungsmaßnahmen unter dem Eindruck katastrophaler Versorgungsmängel brachte) – ein umfangreiches Werk mit dem Titel „Die Gemeinwirtschaft“ (in der englischen Version: „Socialism“).

Darin führt er den stringenten Nachweis für die – angesichts des Fehlens von Marktpreisen – Unmöglichkeit einer Wirtschaftsrechung in der sozialistischen Planwirtschaft. Eine zentral gelenkte Kommandowirtschaft ist zur willkürlichen Preisfestsetzung, zur systematischen Fehlallokation der Ressourcen und damit zu Verschwendung, Ineffizienz und Wohlstandsvernichtung verurteilt. Es ist bemerkenswert, dass bis zum heutigen Tage keine nennenswerte akademische Erwiderung dieses Frontalangriffs auf die Planwirtschaft vorliegt. Mises selbst durfte die empirische Bestätigung seiner Thesen – den Zusammenbruch des Realsozialismus – nicht mehr erleben.

Mit seinem 1929 – noch vor dem „Schwarzen Freitag“ – erschienenen Text „Kritik des Interventionismus“ zeigte dieser Mann geradezu seherische Gaben. Er beschrieb darin jene durch staatliche Geldmengenausweitung und Wirtschaftsgängelung ausgelöste Dynamik, die schließlich in Börsencrash und jahrelanger Depression ihre notwendigen Konsequenzen fand. Dass es den Staatsinterventionisten anschließend auf ganzer Linie geglückt ist, dieses ausschließlich ihrer Politik geschuldete Desaster zu einer „zyklischen Krise des Kapitalismus“ umzudeuten und daraus die Notwendigkeit noch drastischerer Eingriffe in den Markt abzuleiten, ist ein schlechterdings nicht zu überbietender Treppenwitz der Geschichte. Mises´ Hauptwerk ist das 1940 erschienene Werk „Nationalökonomie“ (in der erweiterten englischsprachigen Fassung: „Human Action“). Darin legt er eine umfassende Theorie menschlichen Handelns vor, die weit über den Bereich der Ökonomie hinaus greift.

Der wirkungsmächtigste Nationalökonom des 20. Jahrhunderts, John Maynard Keynes, hat die Auseinandersetzung mit den „Austrians“ indes klar für sich entschieden. Seit den Dreißiger Jahren dominieren seine als „Keynesianismus“ kanonisierten Ideen bis heute die Wirtschaftspolitik. Er hat es verstanden, mit seinem Plädoyer für umfassende staatliche Interventionen in die Wirtschaft die politische Klasse und große Teile der tendenziell marktkritisch und antikapitalistisch eingestellten Intellektuellen auf seine Seite zu ziehen. Zwischen den beiden Weltkriegen setzten nationale Regierungen diesseits und jenseits des Atlantiks konsequent keynesianische Ideen ins Werk.

Die „ordentliche Beschäftigungspolitik des dritten Reiches“ unterschied sich nur marginal vom „New Deal“ der Roosevelt-Administration. Beide setzten auf Staatsverschuldung zugunsten von Arbeitsbeschaffungsprogrammen, massive „soziale Umverteilung“ und vermeintliche Kaufkraftsicherung für die Massen. Marxistische und nationalsozialistische Wirtschaftslenkung sind mit freiem Auge kaum voneinander zu unterscheiden – eine Tatsache, auf die Ludwig Mises schon in den Vierzigerjahren mit Nachdruck hinwies (acht von zehn Programmpunkten des „Kommunistischen Manifests“ wurden von den Nationalsozialisten umgesetzt. Lediglich die Abschaffung des Grundbesitzes und des Erbrechts fehlten noch). Liberale „österreichische“ Konzepte hatten – insbesondere unter den Bedingungen eines in den 40er-Jahren weltweit grassierenden Kriegssozialismus – keine Chance.

Die modernen Vertreter der Österreichischen Schule

Erst nach dem 2. Weltkrieg wurden die wirtschaftspolitischen Vorstellungen der „Austrians“ – wenn auch nur zum Teil und für jeweils kurze Zeit – z. B. unter der Federführung des Wirtschaftsministers Ludwig Erhard in Deutschland, unter Margaret Thatcher im Vereinigten Königreich, unter Ronald Reagan in den USA und vom Regime Augusto Pinochets in Chile umgesetzt.

Friedrich August von Hayek, (1889 – 1992) ein Schüler L. Mises´, ist der bis heute prominenteste Protagonist der Österreichischen Schule. Seinen Weltruhm begründete er mit dem 1944 erschienen Werk „The Road to Serfdom“ (Der Weg zur Knechtschaft), in welchem er, unter dem Eindruck des Kriegssozialismus, eine eindringliche Warnung vor dem Abgleiten in den Totalitarismus formuliert. Die Veröffentlichung des Textes durch „Readers Digest“ im Jahr 1945 verhalf dem Buch – und dessen Autor – zu weltweiter Popularität. Von größter Bedeutung für sein Werk ist die These von der „Anmaßung von Wissen“, an dem jede zentral planende Macht scheitern muss. 1974 erhält er für „… seine bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet der Geld- und Konjunkturtheorie …“ den Nobelpreis für Wirtschaftwissenschaften. Das offizielle Österreich – das Kreisky/Androsch-Regime ist damals auf keynesianischem Kurs – schweigt zu diesem Erfolg eines Landsmannes; es gibt keinerlei Ehrung Hayeks. Seine Thesen finden (in Teilen) ihre reale Umsetzung in der „neoliberalen” Politik Margaret Thatchers im Vereinigten Königreich (insbesondere in deren Kampf gegen die Hegemonie der Gewerkschaften) und den „Reaganomics“ in den USA.

Der in New York geborene Murray Newton Rothbard (1926 -1995) ist der erste nicht aus Europa stammende „Austrian“. Wie sein Mentor Mises versteht er sich eher als politischer Philosoph, denn als Wirtschaftswissenschaftler. Während Hayek und Mises erklärte Vertreter des „Minimalstaatskonzeptes“ waren, lehnt Rothbard jede staatliche Autorität dem Grunde nach ab und wird zum Vordenker einer staatsfreien Ordnung, des „Anarchokapitalismus“. Er steht dabei auf jenem gedanklichen Fundament, das von der spanischen Scholastik und von John Locke (1632 – 1704) gelegt wird, dessen Philosophie strikt dem Konzept des Naturrechts folgt. Rothbards Gedanken basieren auf der Vorstellung von angeborenen, unveräußerlichen Rechten, über die jedes Individuum verfügt und der Locke´schen Idee des „Eigentums an sich selbst“. Wesentliches Kennzeichen seiner Philosophie ist das „Nichtaggressionsprizip“, welches besagt, dass kein Mensch das Recht hat, auf andere Zwang und Gewalt auszuüben oder das Recht, in seinem Namen Zwang und Gewalt auszuüben, an andere zu delegieren. Damit steht er in fundamentalem Widerspruch zu jedem politischen System, dessen Wesen in der Ausübung von Zwang und Gewalt liegt.

Hans-Hermann-Hoppe (geb. 1949) ist einer der bekanntesten lebenden Vertreter der Österreichischen Schule. In Deutschland geboren, unterrichtete er ab 1986 an der Universität von Las Vegas/Nevada Volkswirtschaftslehre. Mit seinem Werk „Demokratie, der Gott der keiner ist“ legt er 2003 eine vernichtende Demokratiekritik vor. Wie sein Lehrer Rothbard plädiert auch er für eine staatsfreie Privatrechtsgesellschaft, deren Konzept er u. A. im genannten Buch skizziert. Der an der Universität Madrid lehrende Jesús Huerta de Soto (geb. 1956), der an der Universität Angers/Frankreich wirkende Jörg Guido Hülsmann (geb. 1966) und Philipp Bagus („Die Tragödie des Euro“) bilden heute die jüngste Generation von Wirtschaftswissenschaftlern, die in der Tradition der Österreichischen Schule stehen. Sie alle haben hochinteressante Abhandlungen zur Geldtheorie vorgelegt, denen – im Lichte der aktuellen Entwicklungen – größte Bedeutung zukommt.

Hoppe meint, wohl zu Recht, dass die Fehler der Massendemokratie nicht auf dem Boden dieses Systems behoben werden können und fordert eine „Nachfolgelösung“. Er meint damit eine (im „Endausbau“) staatsfreie Privatrechtsgesellschaft, in welcher miteinander konkurrierende Agenturen jene Aufgaben wahrnehmen, die der Staat im Laufe der Zeit übernommen hat (z. B. Bildung, Unfall- Kranken und Pensionsversicherung, Straßenbau, Energieversorgung, Rechtsprechung und Sicherheitsproduktion).

Zu glauben, die Schuld der in der „freien westlichen Welt“ (was für ein zynischer Witz!) in den letzten Jahren unübersehbaren Fehlentwicklungen allein einer durch und durch verkommenen Politikerkaste zuschreiben zu können, wäre verfehlt. Die Korruption beginnt vielmehr beim Wahlberechtigten, der, von den vermeintlichen Segnungen des Demokratismus und der vom Wohlfahrtsstaat scheinbar garantierten Sicherheit gegen sämtliche Fährnisse des Lebens geblendet, seiner eigenen Entmündigung, Ausplünderung und Unterdrückung bedenkenlos Vorschub leistet.

Darüber nachzudenken, wie das kurz vor dem Einsturz stehende Gebäude des Wohlfahrtsstaates vor dem Kollaps bewahrt werden könnte, ist verlorene Liebesmüh. Ein bis in die Grundmauern defektes Bauwerk ist durch das bloße Aufbringen einer neuen Fassade einfach nicht zu sanieren. Ein Abriss bis auf die Grundmauern wird sich nicht vermeiden lassen – falls beabsichtigt ist, seine Bewohner davor zu bewahren, bei dessen Zusammenbruch verschüttet zu werden. Andernfalls kann weitergewurstelt werden wie in den letzen Jahren…

Die wohl einzig brauchbare Alternative zum allsorgenden Wohlfahrtsstaat besteht nicht im „Nachtwächterstaat“ (© Ferdinand Lasalle), sondern in einer staatsfreien Privatrechtsgesellschaft.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Fußnote 482: Intellektuelle Selbstverteidigung

23. August 2013 17:01 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Gerade rechtzeitig vor dem Höhepunkt des politischen und medialen Verdummungswahlkampfes hat die neugegründete Plattform „Agenda Austria“ ein „Handbuch zur intellektuellen Selbstverteidigung“ herausgebracht.

Darin werden viele der Mythen zertrümmert – so wie es oft schon auch dieses Tagebuch unternommen hat. Dabei geht es etwa um die populären Behauptungen: „Die Globalisierung bedroht unsere Gesellschaft und Arbeitsplätze“, „Wirtschaftswachstum zerstört unseren Planeten und hilft nur den Reichen“, „Die Banken müssen endlich streng reguliert werden, damit sie der Wirtschaft nicht mehr schaden“, „Föderalismus ist ineffizient und teuer“, „Die Wirtschaft schwächelt – deshalb braucht es höhere Löhne“, „Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich. Mehr Umverteilung behebt diese Ungerechtigkeit“ oder: „Der Staat wird kaputtgespart und der Sozialstaat der Wirtschaft geopfert“. Zu jedem einzelnen Satz wird sehr plausibel dargelegt, warum er – auch wenn in hunderten Leitartikeln verwendet – falsch oder schädlich ist.

PS: Tagebuch-Leser, die diese auf 126 Seiten zusammengestellten Argumente genauer kennenlernen wollen, können sich die Broschüre gratis zusenden lassen: durch ein Mail (mit der eigenen Adresse) an office@agenda-austria.at. Da der Ansturm inzwischen alle Grenzen übersteigt und es zu längeren Wartezeiten kommt, empfehle ich den Download direkt von der Webseite: www.agenda-austria.at.

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Was für uns zählt, hat keinen Preis!

20. August 2013 00:42 | Autor: Friedrich Romig
Rubrik: Gastkommentar

„Satanische Verse“ wider die „reine“ Ökonomie des Mainstreams, vorgetragen von Tomáš Sedlacek. Es gehört zu der bitteren Wahrheit des schleichenden Kulturverfalls, dass auch in der Wirtschaftswissenschaft Vorlesungen über die Entwicklungsgeschichte der Haupttheorien der Volkswirtschaftslehre kaum noch gehalten werden. An die Stelle der Dogmengeschichte ist die „reine“ Ökonomie getreten mit ihrem „ökonomischen Kalkül“ von Nutzen und Aufwand, Kosten und Ertrag, „pleasure and pain“ (W. St. Jevons). Mathematik, Ökonometrie, Modelltischlerei haben sich derart verselbständigt, dass der Verlust ihres Bezugs zur Realität nun schon von den Klagemauern der Massenmedien widerhallt.

Als Musterbeispiel dürfen hier die Voraussagen der hochkarätigen Experten der „Troika“ (IWF, EZB, EU) über die Entwicklung von Griechenlands Wirtschaft angeführt werden, die, kaum veröffentlicht, gleich wieder revidiert werden mussten. Die Versuche, die Entwicklung des Bruttosozialprodukts auf zehntel Prozentpunkte genau vorauszusagen, ruft heute nur noch Kopfschütteln hervor.

Ist Ökonomie Wissenschaft? Nicht im naturwissenschaftlichen Sinn!

Angesichts dieser Leerstelle, den der universitäre Lehrbetrieb offen lässt, darf es uns nicht wundern, dass sich das Buch eines jungen Ökonomen (Jg. 1972) zum Bestseller mausern konnte, welches die herkömmlich gelehrte und praktizierte „reine“ Theorie in Frage stellt oder, wenn wir noch deutlicher werden dürfen, als Humbug entlarvt. Wenn nämlich nach Auguste Comte „der Zweck aller Wissenschaften die Voraussage ist“, dann ist die Ökonomie keine Wissenschaft. „Die letzte Wirtschaftskrise hat erneut gezeigt, dass die Ökonomen die Zukunft einfach nicht vorhersagen können“. (S. 379).

Der Autor, der sich nach dem Urteil vieler seiner Kollegen zu solchen Aussagen „erfrecht“, der Tscheche Tomáš Sedlácek, ist kein meckernder „misfit“ (Ungustl), sondern Chefökonom der größten tschechischen Bank. Er ist Mitglied des Nationalen Wirtschaftsrates. Er hält Vorlesungen an der Prager Karls-Universität und wird laufend zu Gastvorlesungen an namhaften Universitäten in den USA, der Schweiz und sogar Österreich eingeladen. In Yale, Oxford, Cambridge oder London gilt er gar als Kanone („big gun“) und Popstar unter den Ökonomen. Während der Amtszeit von Vaclav Havel war er Berater des Präsidenten, und ihm hat er auch das Vorwort zu seinem Buch „Die Ökonomie von Gut und Böse“ zu verdanken.

In der deutschen Edition ist der Untertitel weggeblieben, der in der tschechischen Originalausgabe und auch in der englischen Übersetzung angeführt ist: „Die Frage nach dem Sinn und nach der Bedeutung des Wirtschaftens vom Gilgameschepos bis zur Finanzkrise“. Mit Fug und Recht darf Tomáš Sedlácek behaupten, er habe mit diesem Buch eine „Kulturgeschichte der Ökonomie“ für gebrannte Kinder geschrieben, die mit der Krise von heute nicht fertig werden. Und dass er das auch noch auf kreative, einfallsreiche und humorvolle Weise getan hat, macht sein Buch zu einer ernsten, bedenkenswerten und zugleich amüsanten Lektüre.

Die falsche Auffassung der Ökonomie als Grund für die Krise

„Einer guten Theorie hält die Wirklichkeit nicht stand“, hat uns Hegel gelehrt. Leider gilt sein Satz auch für schlechte Theorien. In ihnen erkennt Tomáš Sedlácek den eigentlichen Grund für unsere Misere. Unsere Wirtschaftsauffassung ist einfach falsch. Wir betrachten Wirtschaft nicht mehr als Teil unserer Kultur und Zivilisation, sondern glauben, wir könnten sie sich selbst überlassen, irgendeine mystische, geheimnisvolle „unsichtbare Hand“ sorge dafür, dass die Bäume des Eigennutzes in den Himmel des Gemeinwohls wachsen. Wir glauben, die Wirtschaft funktioniere wie ein Mechanismus, nach Regeln der Physik.

Wie bei der Konstruktion eines Automotors ethische Vorschriften nichts zu suchen haben, so verhielte es sich auch mit dem „Wirtschaftsmotor“, der, wenn richtig konstruiert, nach den Mechanismen des Marktes abläuft. Ethische Normen oder „Werte“, so die Auffassung der meisten Ökonomen von Adam Smith bis zu den „Austrians“ (Mises, Hayek etc.), könnten den reibungslosen Ablauf nur stören. Doch, so die These von Sedlacek, in jeder wirtschaftlichen Entscheidung, ob sie nun ein Manager trifft oder der Käufer einer Banane, ist Moral mit im Spiel. „In every purchase, every managerial decision there is moral impact on others”, schärfte er den „Leaders of Tomorrow” in St. Gallen (Schweiz) ein.

Was ist eigentlich ist „wertvoll“ oder „gut“?

Wie konnte es dazu kommen, fragt sich Tomáš Sedlácek, dass eine Wissenschaft, in der „Werte“ eine so große Rolle spielen, „Werte außen vor lässt“, wie man heute neudeutsch sagt? Es ist für ihn geradezu „paradox, dass ein Gebiet (Anm.: gemeint ist die Ökonomie als Wissenschaft), das sich vorwiegend mit Werten beschäftigt, wertfrei sein will“. Er kann Milton Friedman nicht verstehen, für den die Ökonomie eine „positive Wissenschaft“ zu sein hat, „wertneutral“, „die Welt so beschreiben(d) wie sie ist, nicht wie sie sein sollte“ (S. 18). „Im wirklichen Leben“, wendet Tomáš Sedlácek ein, „ist die Ökonomie keine positive Wissenschaft“, die meisten Wissenschafter versuchen sie nur dazu zu machen, um „lästigen Grundfragen – das heißt der Metaphysik – aus dem Wege zu gehen“ (S. 19).

Ein schwerer, doch treffender Vorwurf! Indem wir die Grundfragen nicht mehr stellen, wissen wir auch nicht, ob das, was wir tun, verlangen, veranlassen, eigentlich „gut“ oder „böse“ ist. Ist hohes Wachstum des BIP gut oder sollten wir uns bescheiden mit dem, was wir bereits haben und die ständige Unzufriedenheit aufgeben (vgl. . 400)? Sollen wir Konkurrenz anheizen oder runinöse und halsabschneiderische Konkurrenz dämpfen? Müssen wir über Monopole und hohe Preise, wie Friedrich August von Hayek es vertritt, sub specie aeternitatis froh sein, weil sie den verschwenderischen Umgang mit nichterneuerbaren Rohstoffen hintanhalten oder sollen wir die Rohstoffkonzerne zwingen, sie billig auf den Markt zu bringen, um unsere gegenwärtigen Lebenshaltungskosten zu Lasten der Versorgung künftiger Generationen zu senken? Dürfen wir (ethisch gesehen) alles machen, was wir (technisch) machen können, z.B. die Gene von Pflanzen manipulieren, Tiere oder gar Menschen klonen? Was ist eigentlich überhaupt der Zweck der Ökonomie? Wofür nehmen wir die ganzen Anstrengungen auf uns? Doch wohl nur, um ein gutes Leben zu führen. Doch was ist das, das „gute Leben“?

Die Ökonomie und das gute Leben

Die Antwort geben uns nicht Graphiken, Tabellen, ökonomische Kalküle von Nutzen und Aufwand oder mathematische Modelle, mit denen unsere Lehrbücher voll gestopft sind. Wir finden die Antworten viel eher in unseren Annahmen, Vor-Urteilen, Überzeugungen, Ideologien, Welt-Anschauungen, philosophischen Erkenntnissen und zuletzt sogar in unseren religiösen Überzeugungen. Wirtschaft ist nämlich, so die triviale, doch wahre Aussage von Tomáš Sedlácek, eine kulturelle Erscheinung, ein Produkt unserer Zivilisation.

Dem sollten Ökonomen Rechnung tragen, sie sollten die Grenzen ihres Fachs überschreiten, fordert er. Die Ökonomie kann nämlich nicht verstanden werden ohne „Einbettung“ in die Gesellschaft, also in ihre Gestaltung durch Religion, Philosophie, Wissenschaft, Kunst, Ethik, Moral, Recht, Politik, Machtverhältnisse, staatliche Strukturen, bildungsmäßige Voraussetzungen der Bevölkerung, Arbeitsauffassung, demographische Entwicklung, Stand der Technik, Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen.

Der Mensch, ein unnatürliches Wesen

Das war schon immer so. Im Gilgamesch-Epos wird vor mehr als viertausend Jahren das beschrieben, was wir heute „Stadtwirtschaftspolitik“ nennen. Der Held des Epos, Gilgamesch, will das Leben in der Stadt Uruk für die Bewohner sicherer und angenehmer gestalten. Um sie gegen die Bedrohung von außen zu schützen, umgibt er sie mit einer Mauer und zieht so eine Grenze gegen die drohende, unheimliche, von Dämonen und bösen Geistern beherrschte Umgebung, den undurchdringlichen „Wald“. Gilgamensch scheut den Wald nicht, er holzt ihn ab und zeigt uns Späteren, dass „die Natur existiert, um den Städten und Menschen Rohstoffe und Produktionsmittel zu liefern“ (S. 40).

Hier werden wir Zeugen einer wichtigen geschichtlichen Veränderung: Die Menschen fühlen sich in einem unnatürlichen, künstlichen Konstrukt, in der von ihnen gebauten Stadt, wohl. Gilgamesch lehrte uns, uns als Geschöpfe zu begreifen, „für die es natürlich ist, unnatürlich zu sein“ (S. 342). „Die Natur ist nicht mehr der Garten, … in den er (der Mensch) gesetzt wurde, um den er sich kümmern und in dem er wohnen sollte, sondern nur noch ein Reservoir natürlicher Ressourcen“ (S. 41). Sie liefert Bauholz. Innerhalb der Stadtmauern können sich Reichtum und Wohlstand entwickeln, die Bewohner können sich spezialisieren, Handwerk und Handel blühen auf, durch Erziehung und Zivilisation wird der Mensch aus der Abhängigkeit von der Natur oder, wie Marx schrieb, „aus der Idiotie des Landlebens“ befreit, er gewinnt an „Menschsein“.

Doch das hat seinen Preis: Je mehr Zivilisation, desto abhängiger wird der Mensch von der Gesellschaft (vgl. S. 46). So wie Gilgamesch verhalten wir uns gegenüber der Natur: Wir beuten sie nur noch aus. Und das auf Kosten künftiger Generationen. In „Global 2000“ haben im Auftrage des amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter tausende Experten eindrücklich beschrieben, wie wenig nachhaltig wir mit unseren Lebensgrundlagen umgehen.

Was uns die Juden lehren

Zu einem der interessantesten Kapitel des Buches gehört jenes über den Einfluss der Juden, welchen sie seit dem Alten Testament bis zum heutigen Tage auf unsere ökonomischen Auffassungen ausüben. „Die Juden“, so gleich der erste Satz des relevanten zweiten Kapitels, „haben bei der Entwicklung der heutigen europäisch-amerikanischen Kultur und ihrer Wirtschaftssysteme eine Schlüsselrolle gespielt – doch weder die führenden Fachbücher zu ökonomischen Ideen noch andere Wirtschaftstexte haben ihnen viel Platz eingeräumt“ (S. 65). Dabei „können wir den Einfluss des jüdischen Denkens auf das gegenwärtige Stadium der freien Marktwirtschaft gar nicht überbewerten“ (S. 121). Der Autor, so sei hier eingeschoben, verwendet die Bezeichnungen Jude, Hebräer oder Israeli synonym. Mit den führenden Köpfen, die wirtschaftsgeschichtliche Fragen diskutieren, ist er sich über die ausschlaggebende „Bedeutung des Beitrags des jüdischen Denkens und seiner Rolle bei der Entwicklung der modernen kapitalistischen Ökonomie“ einig. Die Juden sind es, die den Himmel auf die Erde holten: „Die hebräische Religion ist also stark mit dieser Welt verbunden, nicht mit irgendeiner abstrakten Welt“ (S. 67).

Die Juden bringen uns die Idee des Fortschritts, ihr Zeitverständnis ist linear, nicht, wie für Gilgamesch, zyklisch, Zeit hat für sie Anfang und Ende. Am Ende kommt der Messias, bringt allen Völkern das „gute Leben“, das Paradies auf Erden, Wohlstand und ewigen Frieden. Mit dem Kommunismus hat Marx diese religiöse Vorstellung in eine säkularisierte Form gebracht.

Reichtum ist keine Schande

Für Juden ist Reichtum keine Schande, ihre Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob, die Begründer des Judaismus, waren alle reich. Reichtum, auch wenn er nur der Befriedigung durch und durch irdischer Bedürfnisse diente, betrachteten die Hebräer als Ausdruck der Gnade Gottes. Sich an äußeren Gütern zu erfreuen und leibliche Bedürfnisse zu befriedigen, ist für Juden keine Sünde, ist doch auch die materielle Welt von einem guten Gott erschaffen. Askese und Armut gehören nicht zu den von Juden gepflegten Tugenden.

„Die Religion des Alten Testaments agierte nicht als asketische Religion, sie untersagte irdische Freuden nicht. Ganz im Gegenteil“ (S. 97). Die Helden der Juden sind keine Heiligen, sondern eher „Trickster“ (S. 75) und manches Mal heroisch Leidende wie Ijob und Jesaja. Sie machten aus ihren Königen und Herrschern keine Götter, sondern wiesen ihnen ihre Fehlbarkeit nach und unterwarfen sie scharfer Kritik. Sie verließen sich lieber auf die Richter, die weniger Exekutivmacht hatten. Politik konnte hinterfragt werden, sie ist alles andere als unfehlbar.

Heute wird Politik und Politikern kaum noch Vertrauen entgegengebracht oder Kompetenz zugetraut. Und was die Ablehnung von Askese für den Konsum bedeutet, braucht hier nicht besonders hervorgehoben zu werden, haben wir doch die Konsum-Ankurbelei und das Güterwachstum zu einer säkularen Religion gemacht.

Wir sind in die Wachstumsfalle hineingetappt und glauben, Güterfülle bedeute mehr Glück und Zufriedenheit. Wir merken gar nicht, wie teuer sie oft erkauft ist. Manchmal nämlich durch Schulden, die uns zu Sklaven machen.

Nur noch Arbeitstier?

Nicht weniger bedeutsam ist die Einstellung zur Arbeit. Anders als bei den Griechen, ist für Juden Arbeit ursprünglich nicht mit Erniedrigung verbunden. Arbeit im Paradies sollte Adam Spaß machen, ihm war die ganze Schöpfung zur Pflege anvertraut, er „herrschte über die Fische des Meeres über die Vögel des Himmels, die Tiere, die sich auf dem Lande regen“, sie alle folgten ihm aufs „Wort“. Der Mensch sollte als Vollender der Schöpfung fungieren. Leider hat sich das mit dem Sündenfall geändert. Vertrieben aus dem Paradies, muss er nun „sein Brot im Schweiße seines Angesichts essen“. Arbeit wurde zum Fluch, der Mensch zum „Roboter“. Robotnik ist das slowakische Wort für „Arbeiter“.

Doch nach jüdischer Auffassung soll der Mensch nicht zum Arbeitstier werden, noch soll die Ökonomie die Gemeinschaft zerstören. Wie Gott bei seiner Schöpfungsarbeit, so sollte auch der Mensch am siebenten Tage ruhen, nachdenken und sich sammeln. Im siebenten Jahr sollte der Boden ausruhen und nicht bebaut werden. Alle sieben Jahre sollten auch die Hebräer, die durch hohe Schulden in die Sklaverei gefallen waren, von ihren Herren aus der Sklaverei und in die Freiheit entlassen werden. Alle sieben mal sieben, also nach 49 Jahren sollten alle Schulden erlassen werden und das Land an die ursprünglichen Stammesfamilien zurückgegeben werden.

Das Wachstum des BIP war also nicht das letzte Ziel aller wirtschaftlichen Aktivitäten, die „Sabattökonomie“ beschränkte es, sogar auf Grund strikter göttlicher Gebote. Gesetzliche Ruhetage, Bodenbrache, Forderungsverzicht, Restitution, ist das ökonomisch vernünftig? Sicher nicht. Ökonomen würden ja zwecks Optimierung am liebsten die Pausen in einer Sinfonie streichen, spottet Vaclav Havel im Vorwort, Pausen „ sind ja schließlich zu nichts gut, sie halten nur den Lauf der Dinge auf, und die Mitglieder des Orchesters können doch nicht dafür bezahlt werden, dass sie nicht spielen…“ (S. 10).

Glück lässt sich nicht messen

Für die Wirtschaftsauffassung der Griechen haben Poesie und Philosophie größte Bedeutung. Zur Arbeit sind wir Menschen nach Hesiod verdammt durch die Strafe, welche die Götter über den „krummgesinnten Prometheus“ verhängten, der ihnen das Feuer raubte. Tiere brauchen kein Feuer, wir brauchen es zum Leben. Manches Mal verbrennt es uns. So wie in Sodom und Gomorra, Hirsoshima, Nagasaki, Fukushima, Tschernobyl.

Pythagoras lehrte uns Zahlen („numbers“) zu schätzen, aber Zahlengläubigkeit kann man auch übertreiben. Das, worauf es im Leben ankommt, „Glück“, messen sie nicht. Was Glück ist, haben uns Sokrates, Platon und Aristoteles beizubringen versucht – nämlich ein fortwährendes Streben nach dem „Guten“ im persönlichen Leben wie in der Gesellschaft.

Sie räumten jeden Zweifel aus über das, was denn das Gute sei, nämlich das Göttergleiche, ewig Wahre, Schöne und Gerechte. Es sollte Menschsein und Ordnung im Staate bestimmen. Doch das Gute, so lehrten sie es uns, wird einem nicht geschenkt. Zu erreichen ist es nur durch große Anstrengung, Führung und Erziehung zur Tugend. Weisheit, Gerechtigkeitssinn, Klugheit, Tapferkeit, Maßhalten und die überschießenden Triebe zähmen, das gelte es zu entwickeln und dazu müsse auch der Staat, die ganze Politik und selbst die Wirtschaft in die Pflicht genommen werden.

Es gibt kein gutes Leben im falschen

Den Griechen war bewusst, dass der Mensch, dieses „zoon politicón“, dieses auf die „polis“, die Gemeinschaft oder Gesellschaft angewiesene „Tier“, den gut geführten Staat braucht, um ein gutes Leben führen zu können. Die Staatsführung sollte deshalb den „Weisen“ vorbehalten werden, denn „bevor nicht die Philosophen Könige werden oder die Könige Philosophen“, sei an ein Ende der ärgsten Übel im Staate nicht zu denken.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Wo Demagogen herrschen – Platon nennt sie „Volksverführer“ – ist mit dem guten Leben Schluss. Bald zweieinhalb Jahrtausende nach Platon und Aristoteles findet Theodor Adorno für die Einsicht dieser beiden griechischen Meisterdenker in die Notwendigkeit einer rechtgestalteten und -geführten „Polis“ (= Stadt, Gesellschaft, Gemeinschaft, Staat) die prägnante Formulierung: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“

Für manche Güter gibt es keinen Markt

Allergrößten Einfluss auf die Entwicklung der modernen Ökonomie hat das Christentum genommen. „Ohne das Christentum“, so die gewagte These von Tomáš Sedlácek, „wären die heutigen westlichen Demokratien mit ihrer freien Marktwirtschaft kaum denkbar“ (S. 170). Dem Christentum ist es gelungen, wesentliche Elemente des jüdischen und griechischen Denkens aufzunehmen, mit seinem Erlösungsglauben eine neue Dimension hinzuzufügen und so zur „Entwicklung der europäisch-amerikanischen Zivilisation“ (S. 170) wesentlich beizutragen.

Zumindest lehrte es uns, den weltlichen Dingen nicht Priorität zuzuerkennen, denn hier auf Erden haben wir keine ewige Heimstätte. Zum Unterschied zum Judentum wird Armut gepriesen. Für das Heil der Seele gibt es keinen Markt, was für uns von wirklichem Wert ist – Freundschaft, Liebe, Selbstzufriedenheit – kann man nicht kaufen. Reichtum öffnet keine Tür zum Himmelreich, der Reiche kommt nicht durchs Nadelöhr.

Gerechtigkeit ist in der Welt nicht zu haben

Neunzehn von dreißig Gleichnisreden Jesu schneiden ökonomische Fragen in einer Weise an, die Ökonomen vor den Kopf stößt. Die Arbeiter im Weinberg erhalten abseits jeder Form von Gerechtigkeit gleichen Lohn für ungleiche Leistungen. Die Verschwendung des Verlorenen Sohnes wird vom Vater dem Fleiß seines Bruders vorgezogen. Der barmherzige Samariter verzichtet auf Kompensation. Die wieder gefundene Drachme wird sogleich verfeiert. Die zwei Münzen, welche die arme Witwe in den Opferkasten wirft, sind mehr wert als die vielfach größere Spende des Wohlhabenden. Die überreiche Ernte einzulagern, wird als wenig sinnvoll bezeichnet. Sich um die Nahrung für den nächsten Tag zu sorgen, erscheint überflüssig, die Sperlinge, für die der Herr sorgt, tun es ja auch nicht (S. 180).

Von überragender Bedeutung ist die Streichung von Schulden. Der Betende bittet den Herrn um die Vergebung seiner Schuld und verspricht auch seinen Schuldigern zu vergeben. Die Schuldner werden von Christus „losgekauft“, und das sogar unter Opferung des eigenen Lebens. Heute halten wir das Versprechen der Schuldvergebung ein, indem wir unsoliden Staaten und Banken ihre Schulden erlassen und sie mit Unsummen loskaufen, die umso größer sind, je mehr sie versagt und je unökonomischer sie gehandelt haben.

Den Gestrauchelten aufzuhelfen, gehört zum Liebesgebot. Unsere ganze moderne Gesellschaft, so Tomáš Sedlácek, „kann ohne die ungerechte Vergebung von Schulden nicht funktionieren“ (S. 174). Marktwirtschaft und Wettbewerbsregeln werden in der Krise ohne Hemmung außer Kraft gesetzt.

Glück ist ein Geschenk

Das Schenken und die „Gnadengabe“ gehören zum Christentum wie das Amen zum Gebet. Die Erlösung ist kostenlos, wir können sie uns nicht „verdienen“, weder durch gute Werke noch Taten (S. 174f). Für Menschen, die sich nahe stehen oder in einer Gemeinschaft zusammenleben, spielt Geld und Bezahlung gar keine oder höchstens eine sehr untergeordnete Rolle.

„Freunde sind Menschen, die sich gegenseitig so viel schulden, dass sie vergessen wie viel“ (S. 178). Ihre Beziehung in Geld oder Preisen auszudrücken, gilt als „vulgär“. Der Vorwurf der „Profitgier“ wird als kränkend empfunden. Privateigentum ist kein absolutes Recht, „die Erde gehört allen gemeinsam“, die Ausübung von Besitzrechten steht unter dem Gemeinwohlvorbehalt (vgl. S. 193).

In den frühchristlichen Gemeinschaften „nannte keiner von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam“ (S195, unter Bezug auf Apostelgeschichte 2, 44 – 4, 35). Tomáš Sedlácek ist der Ansicht, dass die Kommunisten den Christen die Idee des Gemeineigentums verdanken, fügt allerdings hinzu, die Geschichte zeige, „dass die marxistische Vision vom Kommunismus keine funktionierende Alternative zum Kapitalismus bieten konnte“ (vgl. S. 195).

Den idealen Staat gibt es nicht

Mit der Verurteilung der irdischen Welt als „civitas diaboli“ durch Augustinus wurde uns für immer eingeprägt, dass es auf dieser Erde weder den idealen Staat geben, noch den Bürgern der „civitas terrena“ Gerechtigkeit zuteil werden kann. Das Böse kann nicht ausgerottet werden, Unkraut und Weizen gedeihen nur gemeinsam. Das „laissez faire, laissez passé, le monde va de lui même“ der Liberalen findet nach Tomáš Sedlácek hier einen seiner Ursprünge. Noch ältere hat er bei den Stoikern und Aristophanes entdeckt (vgl. S. 203).

Mehr Wirklichkeitssinn als von Augustinus erhielt das Christentum erst durch Thomas von Aquin (1225-1275) und die von ihm vorgenommene „Taufe“ des Aristoteles. Statt Weltverneinung erfolgt jetzt Weltbejahung. „Gott ist in allen Dingen“ (Summa theologica, I, 8, Art. 1), alles was Dasein hat, ob lebendig oder nicht, ob materiell oder geistig, ob vollkommen oder armselig, ja, ob gut oder böse, ist „heilig“ (S. 199), „denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut“ (S. 200).

Ontologisch gesehen, ist jedes Phänomen (Ding, Tatsache), wenn auch noch so unvollkommen und verzerrt, Ausdruck seines „Wesens“ (Noumenon), und dieses ist immer „gut“. „Es existiert kein Böses an (und für) sich“, es gibt kein Heil ohne Unheil, kein Licht ohne Dunkel, „selbst Satan, die Verkörperung des Bösen, spielt eine Doppelrolle: In seiner bösen Rolle hat er die Funktion zu etwas Gutem beizutragen“ (S. 204), er ist „ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“ (S. 205).

Kein Böses ohne das Gute: Gott pflügt mit dem Teufel

Hier wagt sich Tomáš Sedlácek außerordentlich weit vor. Die größten Gräueltaten wurden, wenn auch irrtümlich, in dem Bemühen begangen, irgendetwas Gutes zu bewirken (S. 202). „Selbst die großen Übel (wie der Holocaust und die Hexenverbrennungen) werden unter dem Vorwand (rhetorisch, aber auch aus Überzeugung vieler heraus) begangen, dass hinter diesem Bösen ein größeres Gutes steht (die Nazis führten an, das deutsche Volk brauche einen größeren Lebensraum, die Inquisitoren, sie würden die Welt durch ihr Handeln vom Bösen befreien).“ Die Einfügungen in Klammer finden sich im Original!

Diese Passage hat Tomáš Sedlácek den Vorwurf des Antisemitismus eingetragen, doch damit wird er wohl fertig werden. Seine zugespitzte Aussage entspricht nicht nur katholischer Lehre, sondern der Logik. „Es ist unmöglich, Böses zu tun, ohne dass es etwas Gutes gäbe, um dessentwillen man das Böse tut“ (S. 201, unter Berufung auf Thomas v. Aquin, Summa contra gentiles, III. Buch, Kapitel 4, 6-7).

Der Vernunft eine Gasse, doch ohne Vorfahrt

Durch Thomas von Aquin wurden Vernunft und Logik gegenüber dem Glauben ihr Recht eingeräumt. Eine Tat, die für die spätere, „wissenschaftlich“ geprägte Zivilisation und ihre Ökonomie ausschlaggebend wurde. Anders als für Martin Luther, für den die Vernunft „des Teufels Braut“ und eine „Metze“ ist (S. 209), besteht der Aquinate darauf, dass natürliche Vernunft und rechter Glaube sich niemals widersprechen können, denn Gott, der ja selbst Geist ist und sich im Logos der Schöpfung offenbart, täuscht weder sich noch uns. Auflehnung gegen die Vernunft ist gleichbedeutend mit der Auflehnung gegen Gott.

Der „Vernunft als Vertretung Gottes im Menschen“ kommt es zu, zu herrschen, nicht auf sie zu hören und entsprechend zu handeln ist für Thomas „Sünde“ (S. 210). Eine höhere Anerkennung kann der Vernunft nicht zuteil werden, sie ist Ausgangspunkt für den „Rationalismus“, der in Wissenschaft, Technik und Wirtschaft bald triumphieren sollte. Durch übertriebene Rationalisierung wurden Großbetriebe, Verwaltungen und Büros für viele Arbeitnehmer zu frustrierenden, „stählernen Gehäusen der Hörigkeit“ (Max Weber), die ihnen die Lebensfreude nahmen und sie zu Eskapisten machten.

Der Mensch, das gesellige Wesen, braucht Ordnung und Führung

Besondere Beachtung verdient das Hohelied der Gemeinschaft, mit dem Tomáš Sedlácek, gestützt auf Thomas von Aquin, jede individualistische Gesellschaftsauffassung, wie sie heute in liberalen Kreisen gang und gäbe ist, in die Schranken weist. „Es ist aber die natürliche Bestimmung des Menschen, das für gemeinschaftliches und staatliches Leben erschaffene Geschöpf zu sein, das gesellig lebt“, weil es anders seinen Zweck nicht erreicht und auch nicht an den Kulturgütern teilnehmen kann, welche die Gesellschaft ihm bietet. „Wenn er (der Mensch) jedoch in einer Gesellschaft lebt und deren Vorteile nutzen will, muss er Teil der Ordnung sein, die es der Gesellschaft ermöglicht, ein gemeinsames Ziel anzustreben“ (S. 212). Als Teil der Ordnung muss er sich der Führung der Gesellschaft, die auf das gemeinsame Wohl Bedacht nimmt, unterordnen, denn „wo kein Regent ist, zerstreut sich das Volk“ (S. 209, unter Berufung auf Buch der Sprüche 11, 14).

Die Gesellschaft braucht also einen „Steuermann, der am Ruder steht“ (S. 209). Wenn jeder nur auf das bedacht ist, was ihm nützt, würde die Gesellschaft auseinander geraten, „falls nicht eben jemand da wäre, der für das Sorge trägt, was das Wohl der Gesellschaft betrifft“ (S. 209).

Was bleibt außer dem Zweifel?

Die auf die lutherische Verneinung der Autorität von Vernunft und Kirche folgenden politischen Wirren, der dreißigjährige Glaubenskrieg (1618-1648), ließen Zweifel an allem aufkommen, was bis dahin durch Offenbarung, Dogma, Sitte, Recht, Brauchtum oder breiten Konsens als gesicherte Wahrheit galt. Diesen Zweifel griff einer der schärfsten Denker jener Zeit auf, René Descartes (1596 – 1650).

Er ließ nur eine einzige Gewissheit zu, dass er – wie auch jeder andere Mensch – es nämlich selbst ist, der da zweifelte und nach Erkenntnis des Wahren ringt: Cogito ergo sum.

Das „Ich“ oder „Subjekt“, ausgesetzt einer Vielfalt von äußeren Eindrücken, Erfahrungen und Einflüssen unterschiedlichster Art und Stärke, wie konnte es da zu einer allen gemeinsamen und von allen anerkannten Wahrheit gelangen, einem Wissen, dass jedem zugänglich sein sollte? Mit der Stellung dieser Frage leitete Descartes das bis heute andauernde „wissenschaftliche Zeitalter“ ein. Ab nun setzte sich wissenschaftliches Denken zum Ziel, „eine Methode zur Untersuchung der Welt durchzudrücken, die keinen Zweifel zuließ und frei von jeder subjektiven, disputablen Dimension war“ (S. 215).

Das war nur möglich durch Beschränkung auf die „körperlichen“ Teile der Welt, die mit den Sinnen erfasst, gezählt, gemessen und gewogen, deren Bewegungen im Raum beobachtet und zueinander in Beziehung gesetzt werden konnten. Wissenschaft war von nun an nur das, was beobachtet und durch Experiment bewiesen werden konnte. „Unsichtbaren Dingen“, von denen im Credo die Rede ist, oder „Werte“, die auf subjektiven Empfindungen und Urteilen beruhen, waren von da an keine Gegenstände der „science“ mehr.

Die Gegenstände oder „Objekte“ der Wissenschaft, die physischen Körper, zerlegte die Atomistik in ihre kleinsten Teile, die Mechanistik erfasste ihr Zusammenwirken, die aufgefundenen Regelmäßigkeiten wurden als Naturgesetze formuliert und ausgedrückt in einer kulturunabhängigen, allen gemeinsamen Sprache: der Mathematik.

Das ökonomische Kalkül

Tomáš Sedlácek sieht in dieser kartesianischen Beschränkung und Methode „den großen Durchbruch, besonders für Ökonomen“. Der kleinste Teil der Wirtschaft ist das Individuum, das nicht mehr teilbare „Atom“ der Gesellschaft, das so gut es nur kann, seinen „Nutzen“ sucht, mithin der berühmte „homo oeconomicus“. Seine hedonistische (A-)Moral stammt von Epikur. Seine mathematische und mechanistische Seite verdankt er Descartes. Der homo oeconomicus „ist ein mechanisches Konstrukt, das gemäß unfehlbaren mathematischen Prinzipien und durch reine Mechanik funktioniert“ (S. 218).

Das Individuum, „der Mensch wird nicht im Kontext der Gesellschaft definiert“ (S. 226), er wird reduziert „auf ein mechanisch-mathematisches Kalkül“, auf „eine mathematische Gleichung: kalt, distanziert, für alle gleich, historisch und räumlich konstant“ (S. 226). Für eine Rechenmaschine ist es gleich, ob sie in China oder in der Schweiz ihre ökonomischen Kalküle von Nutzen und Aufwand, Ertrag und Kosten, Lust und Unlust, ausführt. „Das einheitliche, fundamentale und alles erklärende Prinzip, zu dem die Ökonomie bei nahezu jeder Gelegenheit neigt, ist verständlicherweise das Selbstinteresse“ (S. 219), der Egoismus, die Selbstsucht.

In allem sein Selbstinteresse zu verfolgen, gehört seit Descartes zum Prinzip der Wirtschaftstheorie des Mainstreams. Die herkömmliche Theorie besteht darauf, keine ethische Wissenschaft zu sein und daher zwischen Gut und Böse nicht zu unterscheiden. Moralische „Werturteile“ verbannt sie in die subjektive Sphäre.

Die Verwandlung von Amoral in Moral

Der Zynismus dieses Systems findet eine kaum überbietbare Darstellung in der berühmten „Bienenfabel“ des Bernhard von Mandeville, durch welche private Unmoral und Laster („private vices“) als Beitrag zum Gemeinwohl („public benefits“) gefeiert werden. Als sie 1723 in zweiter Auflage erschien, rief sie eine riesige Kontroverse hervor, denn alle Gutmenschen und Moralprediger der damaligen Zeit sahen sich der Heuchelei angeprangert und überführt.

„Mandeville begründete die Auffassung, dass der materielle Wohlstand umso größer ist, je mehr Laster es gibt. Das ursprünglich universelle Konzept des Zusammenhangs zwischen Ethik und Ökonomie, dem wir schon im Alten Testament begegnen, wird auf den Kopf gestellt“ (S. 230). Er „war derjenige, der das Konzept in das westliche Mainstream-Denken einführte, dass moralische Laster des Einzelnen dem Ganzen wirtschaftlichen Wohlstand bringen können“ (S. 231).

Er, „nicht Smith, muss als erster moderner Ökonom gelten“ (S. 231). Seine These: „Es gibt keinen Handel ohne Betrug, keine Obrigkeit ohne Bestechung und Korruption“ (S. 232). Sie sind Bedingung für eine florierende Gesellschaft. Wenn der Luxus zusammen mit den oberen, lasterhaften Gesellschaftsschichten schwindet, haben die „kleinen Leute – Bauern, Diener und Dienstmädchen, Schuhmacher und Schneider – unter der gesunkenen Nachfrage zu leiden“ (S. 233).

„Stolz, Luxus und Betrügerei
Muss sein, damit das Volk gedeih …
Mit Tugend bloß kommt man nicht weit;
Wer wünscht, dass eine goldene Zeit
Zurückkehrt, sollte nicht vergessen:
Man musste damals Eicheln essen“.

Mit der Pflege der Kardinaltugenden wird kein Suppentopf gefüllt und kein Rock genäht (vgl. S. 235). Auf welches Wirtschaftssystem haben wir uns da eigentlich eingelassen? Wagen wir es, diese Frage überhaupt noch zu stellen?

Durch die unsichtbare Hand wird aus Gier Fortschritt

Die Wandlung oder Transsubstantiation von Selbstinteresse in Gesamtinteresse, Eigennutz in Gemeinnutz, Eigenwohl in Gemeinwohl geschieht, so unser neuer Glaube, durch eine mystische, geheimnisvolle, „unsichtbare Hand“ („invisible Hand“), deren wunderbares Wirken Mandeville einige Jahre vor Adam Smith wiederentdeckt hat. Und auch dem Markt ordnet er hohe Bedeutung zu. „Nach Ansicht von Mandeville sind die Märkte nicht nur Koordinatoren der menschlichen Interaktionen, sondern (sie) können auch persönliche Laster in öffentliche Vorteile verwandeln“ (S. 239).

Selbst Gier, dargebracht auf dem Altar des Marktes, wird zum „Heilsgut“ oder „Sakrament“: Gier ist „notwendige Bedingung für den Fortschritt einer Gesellschaft“ (S. 238).

„Mandeville war eindeutig ein Befürworter des hedonistischen Programms“. Ja „er ging sogar noch weiter als die Hedonisten: Unsere Nachfrage muss immer weiter wachsen, denn das ist … der einzige Weg zum Fortschritt. In dieser Hinsicht ist die moderne Ökonomie aus seinem Denken erwachsen“ (S. 238). Nie mehr sollten wir zufrieden sein mit dem, was wir haben, denn das würde Stillstand bedeuten. Der „Bliss Point“ (Sättigungspunkt) wird umso schneller höher geschraubt, je mehr wir uns ihm nähern. Massen arbeiten in Jobs, „die sie hassen, nur damit sie kaufen können, was sie gar nicht wirklich brauchen“ (S. 299).

Ist Ziel der Wirtschaft mehr Wirtschaft? Wie kann mehr Wirtschaft ökonomisch sein? Hängt Ökonomie nicht mit dem richtigen Haushalten zusammen, dem Kräftesparen, dem „Optimieren“? „Wenn die Ökonomie ihr Ziel verliert, bleibt uns nur noch eines – ein Wachstum, das nichts kennt als sich selbst, da es kein Ziel als Maßstab hat“ (S. 301). Ist Ziellosigkeit unser Ziel? „Die ganze Produktion scheint eine Leere zu füllen, die sie selbst erzeugt“ (S. 303).

Der schizophrene Adam Smith

Joseph Schumpeter, der in seinem Leben der größte Don Juan, der größte Herrenreiter und der größte Nationalökonom werden wollte (und bedauerte, die beiden ersten Ziele nicht erreicht zu haben), hatte für einen Hagestolz wie Adam Smith, der nie mit einer anderen Frau als seiner Mutter verkehrte, und die Schönheiten und Leidenschaften des Lebens nur aus Literatur kannte, nichts übrig. Er sprach ihm auch als Nationalökonom jede Originalität ab, „denn keine einzige analytische Idee oder Methode und kein analytisches Prinzip“ hätte er neu hervorgebracht (S. 263). Er war sich darin mit Friedrich August von Hayek einig, der sich weigerte, in Adam Smith einen großen Ökonomen zu sehen (ebenda).

Der Historiker Norman Davis hält den kauzigen Schotten gar für einen „chaotischen Mann“, der in Edinburgh zu wiederholten Malen halb nackt auf den Straßen herumlief und schwadronierte, mit seltsam affektierter Stimme und wie in Trance hitzig mit sich selbst debattierend, bei seiner Mutter wohnte und nie eine Chance hatte, eine Frau zu finden (vgl. S. 243). Tomáš Sedlácek – und mit dieser Ansicht ist er keineswegs allein – hält ihn gar für schizophren (vgl. S. 253). Lehnt Smith doch in seinem Buch über die Theory of Moral Sentiments Selbstsucht und Eigeninteresse als verwerflich ab, während er sie in den Wealth of Nations als „die einzige, offenbar ausreichende Verbindung zwischen den Menschen“ ansieht und zur Notwendigkeit von Sympathie, gegenseitigem Wohlwollen und moralischen Gefühlen als Kitt der Gesellschaft „kein einziges Wort sagt“ (S. 252). 

Für Sedlácek kann Smith als Moralphilosoph gelten, „nicht als Ökonom“. Zum „Vater der klassischen Nationalökonomie“ wurde Smith nur bei Freunden der kartesianischen Engführung dieser Wissenschaft, welche bis heute in der Nutzenmaximierung des Egoisten ihr einigendes und einziges Prinzip sehen.

Die Entleerung des Nutzenbegriffs macht die meisten Lehrbücher zur Makulatur

Diesen Freunden wirft Tomáš Sedlácek vor, den Nutzenbegriff derart von allem Inhalt entleert zu haben, dass er jede Bedeutung verlor. Johan Hus maximiert seinen Nutzen, indem er lieber die Verbrennung auf dem Scheiterhaufen in Kauf nimmt, als seine „ketzerischen“ Überzeugungen zu widerrufen. Ob die Tschechen je diese Tragödie als Verletzung ihres Nationalstolzes überwunden haben und was sie für ihren Sonderweg durch die europäische Geschichte auch wirtschaftlich bedeutete, interessiert Nationalökonomen nicht. Für sie hat Johan Hus seinen Nutzen genauso selbstsüchtig maximiert wie Judas, der seinem Herrn untreu wurde und ihn um 30 Silberlinge verriet.

Den Trick, Selbstsucht moralisch als Laster zu verurteilen und sie in das eher salonfähige, neutralere und weniger anstößige Eigeninteresse „umzutaufen“ (vgl. S. 251), gelang bereits Adam Smith, dem „Moralphilosophen“. Seine Moralphilosophie, so sei nebenbei bemerkt, basierte er im Übrigen, ganz ähnlich wie sein Freund David Hume, auf „Gefühlen“ („sentiments“), ohne zu erkennen, dass irrationale Gefühle niemals imstande sind, eine verbindende und verbindliche Form von Gesellschaftsethik hervorzubringen.

Für Thomas Hobbes war dieses Unvermögen der Grund, nach dem Leviathan zu rufen, der festlegt, was als Gut oder als Böses gilt und der das mit dem Monopol auf Gewalt im Staat auch durchsetzt: auctoritas facit legem.

Gary S. Becker bekam 1992 seinen Nobelpreis für die absurde These, dass alle menschlichen Entscheidungen, seien es wichtige wie die Ehe, oder auch nebensächliche wie der Kauf einer Kinokarte, durch den ökonomischen Ansatz abgedeckt werden. Wie alle Ökonomen des Mainstreams brachte er damit die Ansicht zum Ausdruck, „dass jeder – ganz egal was er macht – seinen Nutzen maximiert“ (S. 279).

Doch was bedeutet das Wort „Nutzen“? „In der Flut der ganzen mathematischen Definitionen haben unsere >strengen< Lehrbücher aber leider vergessen, zu definieren, was der Begriff >Nutzen< eigentlich bedeutet“.

Das geschah ganz mit Absicht, denn wenn ihre Verfasser „eine Definition des Nutzens liefern würden, würden die Studenten schnell das Interesse an ihren Büchern verlieren“ (S. 280). Sie wären bloß noch Makulatur. Die Jahre, die sie Studenten zwingen, sich mit tausenden von Optimierungsrechnungen zu befassen, täuschen darüber hinweg, dass ihr Erkenntnisgewinn auf tautologischen Leerformeln beruht, nach dem Muster „TautoUtlity, MaxU“ (S. 279).

Ob der Homo oeconomicus untätig herumsitzt, mit seinen Kindern plaudert, schläft oder arbeitet, er kann gar nicht anders, als in allem, was er macht, seinen Nutzen zu maximieren. Damit tappen die Ökonomen in die poppersche Falle der Unüberprüfbarkeit ihrer Modelle: Wenn es für den homo oeconomicus ausgeschlossen ist, seinen Nutzen nicht zu maximieren, sind Theorie und Modelle, die sein Verhalten erklären wollen, „de facto sinnlos“ (S. 283), sie können nicht „falsifiziert“ werden.

Heute macht sich sogar der Nobelpreisträger Paul A. Samuelson – nach Sedlácek der „orchestrator of the orchestration“ des uniformen Mainstream-Denkens ganzer Generationen von Studenten aller Kontinente – über den tautologischen Inhalt des „Gesetzes von Angebot und Nachfrage“ lustig: Warum ist der Preis von Schweinefleisch so hoch? Weil der Preis für Futtermais so hoch ist. Und warum ist Preis für Futtermais so hoch? Weil der Preis von Schweinefleisch so hoch ist!

Ökonomie ist keine wertfreie und empirische, sondern eine normative Sozialwissenschaft

„Blasphemische Gedanken“ überschreibt Tomáš Sedlácek den zweiten und letzten Teil seines Buches. Blasphemisch sind die geäußerten Gedanken, weil sie allen wesentlichen Annahmen und Methoden der herkömmlichen Wirtschaftstheorie und ihren prominentesten Vertretern widersprechen. Wir fassen hier seine wichtigsten Aussagen zusammen.

Für Tomáš Sedlácek ist die Ökonomie keine empirische Wissenschaft. Es gibt in ihr keine „Gesetzmäßigkeiten“, die sich aus Erfahrungen, Beobachtungen oder Zeitreihen ableiten ließen. Mit ökonometrischen Methoden lassen sich keine Kausalverhältnisse feststellen, z. B. lässt sich die Inflation nicht immer durch die Geldmenge erklären. „Die Benutzung ökonometrischer Modelle für die Projektion der wahrscheinlichen Ergebnisse verschiedener politischer Entscheidungen … gilt weithin als nicht zu rechtfertigen oder sogar als Hauptursache der Probleme, die in letzter Zeit aufgetreten sind“ (S. 366, unter Berufung auf Jeffrey Sachs, Christopher Sims und Stephen Goldfeld: Policy Analysis with Econometric Models, Cambridge 1997, S 107).

 „Mathematik ist eine reine Tautologie.“ (S. 363). „Numerische Einheiten … tragen ihre Existenz in sich, beziehen sich auf nichts, verweisen auf nichts, repräsentieren nichts, stehen für nichts, zeigen nichts an und bedeuten nichts außer sich selbst“ (S. 361). Mathematik hat zur äußeren Welt von sich aus keine Verbindung, die entsteht erst in unserem Kopf. Mathematik benutzen wir als Sprache zur sehr eingeschränkten Beschreibung der Welt.

Wir können die Sonne als Kreis beschreiben, doch sie ist für uns weit mehr. So ist es auch mit mathematischen Modellen. Sie bilden die Realität, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt ab. Ihre Ergebnisse sind nur logische Ableitungen aus getroffenen Annahmen. Ändern sich die Annahmen – und die ändern sich im Zeitverlauf immer – dann auch die Ergebnisse. Mathematische Modelle eignen sich daher auch nicht für Prognosen. Kein mathematisches Modell konnte vor dem Zusammenbruch von Märkten schützen (S. 356).

Die Ökonomie ist keine wertfreie, positivistische Wissenschaft. Sie trifft Aussagen über das, was „ist“ (Analyse), was sein „soll“ (angestrebter Zustand, Ziel) und über die Wege (Maßnahmen, Politik), wie das „Soll“ erreicht werden kann. Urteile über „wirtschaftlich“ und „unwirtschaftlich“, „produktiv“ oder „unproduktiv“, „effizient“ oder „ineffizient““, „exzellent“ oder „dürftig“, „gut oder böse/schlecht“, sind grundsätzlich normativ oder „value loaded“ (Nobelpreisträger Gunnar Myrdal), sie orientieren sich an „Vollkommenheitszuständen“.

Der kartesianische Ansatz der herkömmlichen Ökonomie ist nicht zu halten. Das isolierte, an allem zweifelnde „Ich“ existiert nicht. Die individualistische Gesellschaftsauffassung, derzufolge die Gesellschaft nur eine Summe von Individuen ist, entspricht nicht der Realität.

Der Mensch ist von seiner Natur her ein Gemeinschaftswesen, er wurde „geschaffen als Mann und Frau“ (Genesis 1, 27), er existiert nur als „geselliges Wesen“, als animal culturalis et socialis. Er ist kein „Individuum“, sondern „Person“, in welcher der Geist der Gemeinschaft „tönt“, durchklingt und Ausdruck findet.

Die einzelne Person handelt daher immer nur als „Gemeinschaftswesen“, als „Organ“ einer Gemeinschaft, in deren Auftrag und für diese. Auch das Individuum, der einzelne Mensch, ist kein Homo oeconomicus, der selbstsüchtig seinen Nutzen abwägt, sondern er ist eine Person, die ihre Aufgaben und Pflichten gegenüber der Gemeinschaft mehr oder minder gut erfüllt und dafür von dieser entsprechend geachtet und gesellschaftsüblich (z.B. Beamtengehaltsschema, Kollektivvertrag, im Familienverband häufig auch nichtmonetär!) belohnt wird.

Wie die einzelne Person, so steht auch die ganze Wirtschaft im Dienst des Gemeinwohls, des Bonum commune. Wirtschaftlich primär ist darum nicht das Wohl des Einzelnen, sondern des „Ganzen“. Das „Ganze“, die Gemeinschaft, hat den Vorrang vor den Teilen, den „Angehörigen“, den „Mitgliedern“. Ihre Aktivitäten und Besitztümer stehen unter Gemeinwohlvorbehalt. Den Nachweis für diesen Vorrang bringt Tomáš Sedlácek im kulturgeschichtlichen Teil seines Buches (Gilgamesch, Judentum, Griechentum, Christentum).

In den Bereich der Wirtschaft fällt die Bereitstellung der äußeren Mittel, welche für die Erreichung der von der Gemeinschaft oder „Gesellschaft“ vorgegebenen Ziele notwendig sind. Obwohl betroffen, entscheidet über diese Ziele nicht das einzelne Individuum, es nimmt höchstens Teil an diesen Entscheidungen und beeinflusst sie als mitbestimmendes Glied der Gemeinschaft.

Alle wesentlichen, wirtschaftlich relevanten Entscheidungen werden nicht nach Nutzenkalkülen getroffen, sondern „politisch“ nach den Zielen oder Bedürfnissen der jeweiligen Gemeinschaft (der Nutzen von „to put a man on the moon“ ist keine Rechengröße!). Entschieden wird von den Repräsentanten der Gemeinschaft darüber, welcher Aufwand oder welche Kosten vertretbar erscheinen, und welche nicht. Politische Entscheidungen werden gefällt im politischen „Prozess“. „Die“ Wirtschaft kann in diesem Prozess nur ihren Sachverstand einbringen, der sich auf die Bereitstellung der Mittel bezieht.

Mit Paul Feyerabend warnt Tomáš Sedlácek vor den „Irrwegen der Vernunft“. Der Versuch, die Realität an falsche Denkansätze und Modelle anzupassen und zu vergewaltigen, ist nicht nur für die Wirtschaft von Nachteil, er kann ganze Kulturen und Völker „abschaffen“. Beide fordern auf, die Spanischen Stiefel auszuziehen, die uns an Grenzüberschreitungen hemmen und wieder mehr auf unsere innere Stimme zu hören, welche neue Wege weist: „Farewell to reason“, „anything goes.“ (vgl. S. 396).

Ein Plädoyer für „wildes Denken“

Mainstream-Ökonomen werden sich damit abfinden müssen, dass sie von Fachkollegen herausgefordert werden, welche mit Tolkiens „Herr der Ringe“ oder dem Film „Matrix“ die Ökonomie neu interpretieren.

Solche Fachkollegen warnen vor einem Volk wie die „Orks“, dessen Angehörige wie verrückt daran arbeiten, das Bruttoinlandsprodukt zu steigern und dunklen Mächten als willige Vollstrecker dienen. Die Vertreter dieser neuen Generation von Fachkollegen halten es lieber mit den Elben, jenen Zauberwesen, die in ihren Träumen, Geschichten und Mythen leben und vieles, was sie an Wertvollem besitzen, aus der Vergangenheit schöpfen. Sie schätzen immaterielle Güter höher als materielle und wissen, dass geistiges Kapital der wichtigste Produktionsfaktor ist, um, wie Tomáš Sedlácek meint, „alles nach oben zu ziehen“.

Er und seine Freunde sympathisieren mit den „Auserwählten“ im Film, die Widerstand gegen die „Matrix“ leisten, die die Menschen durch eine hochkomplexe Computersimulation in einer virtuellen Welt gefangen hält, welche Realität suggeriert und von den Gefangenen als „Energielieferanten“ auch noch erhalten wird. Sie loben den Hacker „Neo“ – heute Assange, Manning, Snowden – der das System knacken will, jedoch verfolgt und vom Agenten des Systems, (Adam?) Smith, erschossen wird. Im Film wird der Tote durch den Kuss seiner Komplizin und Freundin „Trinity“ wieder auferweckt. Er fängt dann an, ein paar Menschen aus der „Matrix“ zu befreien, um dann bald nach Art des Superman in den Lüften zu entschwinden. Die biblische Geschichte wird so den Kindern von heute nahe gebracht, freut sich Tomáš Sedlácek, und auch darüber, dass die Zahl seiner Hörer in der Welt von Tag zu Tag wächst.

Vielleicht hängt mit dem Durchbruch, den er durch sein Buch erzielt hat, zusammen, dass nun auch „The Other Austrians“ (T. Ehs, 2011), sehr zum Missfallen der Linken und Liberalen, neues Interesse erwecken. Diese „anderen Österreicher“ – schon 1953 hat F. A. Graf von Westphalen für die Kongressbibliothek der USA einige von ihnen gewürdigt – haben nie aufgehört, eine „ganzheitliche“ oder christlich-naturrechtliche Nationalökonomie zu vertreten, welche größten Wert auf die „Einbettung“ von Mikro- und Markroökonomie in Kultur, Politik und Soziales gelegt hat.

Erinnert sei hier nur an Johannes Messner, Anton Orel, Leopold Kohr, Ferdinand Graf von Degenfeld-Schonburg, Othmar Spann, Walter Heinrich, Wilhelm Andreae, Ferdinand A. Graf von Westphalen, Anton Tautscher, Fritz Ottel, Erich Hruschka, Erich Loitlsberger, Joseph Kolbinger, Michael Hofmann, Hans Bach, J. H. Pichler, Anton Schöpf, Adolf H. Malinsky, Geiserich E. Tichy, Ernest Kulhavy, Walter Sertl u. v. a.

Obwohl nach 1945 zu einer „unerwünschten Forschungsrichtung“ zählend, haben sie sich nicht davon abhalten lassen, sich vielfach mit äußerster Schärfe gegen die individualistisch-liberale Gesellschaftsauffassung, die naturwissenschaftlichen Methoden in den Sozialwissenschaften und die neoklassischen Theoreme zu wenden. Im Unterschied zu Tomáš Sedlácek, haben sie ihr eigenes „wildes Denken“, mit dem sie zahlreiche Durchbrüche schafften, durch Ringen um System in geordnete Bahnen gezwungen. Ihre unzähligen Schüler danken es ihnen noch heute.

Tomáš Sedlácek: Die Ökonomie von Gut und Böse, Carl Hanser, München 2012, 447 Seiten. (Übersetzung aus dem Amerikanischen von Ingrid Proß-Gill), ISBN 978-3-446-42823-2, Euro 24,90

Friedrich Romig lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Er verfasste u.a. „Wirtschaft der Mitte“ (Salzburg), „Die Theorie der wirtschaftlichen Zusammenarbeit“ (Berlin), „Die ideologischen Elemente der neoklassischen Theorie – eine Auseinandersetzung mit Paul A. Samuelson“ (Berlin), „Vier Traktate über das Wesen des Konservativismus“ (Wien), „Die Rechte der Nation“ (Graz), „Der Sinn der Geschichte“ (Kiel).

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Die Todsünden des klassischen Liberalismus

19. August 2013 05:37 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Friedrich August von Hayek verdanken wir die folgende Einsicht: „Der echte Liberalismus zeichnet sich dadurch aus, dass er die nicht auf politischem Zwang beruhenden Konventionen des gesellschaftlichen Zusammenlebens als wesentliche Faktoren für die Erhaltung einer sozialen Ordnung betrachtet.“ Der Wirtschaftsnobelpreisträger des Jahres 1974 stellt das im Gegensatzpaar von Kosmos und Taxis in seinem Opus Magnum „Die Verfassung der Freiheit“ dar.

Kosmos bezeichnet das, was er eine „spontane Ordnung“ nennt – eine, wenn man so will, „informelle“ Ordnung, die nicht in Gesetzesform gegossen sein muss, die aber jedenfalls nicht oktroyiert wird. Beispiel: die Sprache. Der Begriff Taxis dagegen bezeichnet die (staatliche) Sphäre von Befehl und Gehorsam. In der Sicherung der Rechte des Bürgers mittels einer strikten Beschränkung (der staatlichen) Macht, erblickten die Vertreter des klassischen Liberalismus den Schlüssel zur Bewahrung der Freiheit.

Hans-Hermann Hoppe, einer der prominentesten lebenden Vertreter der „Austrian School“ und radikaler Staatskritiker, sieht den ersten fundamentalen Fehler des klassischen Liberalismus darin, dass er sich – anstatt konsequent Freiheit und Eigentum der Bürger zu schützen – auf die Seite des Staates stellt, der gewaltsam in deren Eigentum eindringt, indem er – ohne Zustimmung der Betroffenen – von ihm festgelegte Zwangsabgaben (Steuern) erhebt. Denn der Staat „… eine durch zwei typische Charakteristika geprägte Agentur: den Anspruch, innerhalb eines begrenzten Territoriums monopolistischer „Rechtsetzer und Letztentscheider“ zu sein; und dem Recht, Zwangsabgaben einzuheben,“ schafft das ihm genehme Gesetz, anstatt Recht zu suchen und zu finden – ein fundamentaler Widerspruch zur klassisch-liberalen Forderung nach der Rule of Law.

Stefan Blankertz kommt in seinem 1997 erschienen Aufsatz „Wie liberal kann ein Staat sein?" zu folgendem Befund: „Missachtung des Eigentumsrechts führt zu einer nicht freiwilligen Interaktion. Diese ist die Struktur der Herrschaft. Prinzipiell kann von jedem Menschen Herrschaft ausgeübt werden. Die Wegnahme oder Zerstörung von Eigentum (eingeschlossen das Eigentum der Selbstbestimmung) ist kriminell, nicht weil es gegen ein Gesetz, sondern weil es gegen das Recht verstößt. Kriminell verhält sich jeder Mensch, der mit Gewalt in die Entscheidungen anderer Individuen interveniert.“ Er liefert damit eine einleuchtende Begründung für das libertäre „Nichtaggressionsaxiom“.

In keiner sozialen Gruppe würde einem Einzelnen je das Recht zugestanden, auch in Streitfällen, in die er selbst involviert ist, als Schiedsrichter zu fungieren. Der Staat jedoch nimmt sich dieses Recht unwidersprochen heraus. Im Fall einer Auseinandersetzung eines Bürgers mit dem Staat entscheidet immer der Staat in letzter Instanz. Der Staat als parteilicher, enteignender Eigentumsschützer – ein offensichtlicher Widerspruch!

Einen zweiten Kardinalfehler des klassischen Liberalismus sieht Hoppe in dessen völlig unkritischer Parteinahme für die Demokratie. Der historische Grund dafür liegt auf der Hand: Die Privilegien des Königs sollten verschwinden. Allerdings wurden im antimonarchistischen Überschwang die persönlichen Privilegien des Monarchen durch funktionelle Privilegien der demokratischen Funktionsträger ersetzt. Dieser Gedanke wird von Bertrand de Jouvenel in seinem Buch „On Power“ bereits Ende der 1940-er Jahre elaboriert ausgeführt. Die Grundannahme, dass Liberalismus und Demokratie natürliche Verbündete wären, ist ein sich hartnäckig haltender Mythos, der durch die Fakten längst widerlegt ist. Totalitärer als die zunehmend alle Lebensbereiche regulierende Demokratie hat kein absoluter Monarch jemals agiert. Den Bürgern sogar vorzuschreiben, auf welche Weise sie ihr Stiegenhaus zu beleuchten haben, oder was und wo sie rauchen oder trinken dürfen, ist selbst den übelsten autokratisch regierenden Tyrannen niemals in den Sinn gekommen.

Während ein Monarch sein Land als Privateigentum betrachtet und „nachhaltig“ bewirtschaftet – schließlich hat er ein dynastisches Interesse an dessen Werterhaltung – folgt das Denken demokratisch gewählter Funktionäre gänzlich anderen Erwägungen. Der demokratische Politiker ist nämlich dem angestellten Unternehmensmanager vergleichbar, nicht aber dem einen Betrieb führenden Eigentümer! Er hat folglich größtes Interesse daran, innerhalb der kurzen, ihm zugestandenen Funktionsperiode das Maximum an Ertrag herauszuholen, zu dessen Gunsten er langfristige Ziele vernachlässigt. Er denkt eben nur in Vier- oder Fünfjahreszyklen.

Die von Karl Popper (in seinem Werk „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“) formulierte Überlegung, dass Demokratien die Möglichkeit bieten, schlechte Funktionäre abzuwählen und durch bessere zu ersetzen, ist durch die Realität nicht zu belegen. Der Grund liegt in den völlig unterschiedlichen Funktionsweisen der Sphären von Markt und Politik. Zum Verständnis dieses Umstandes lesenswert ist das 1914 erschienene Buch „Der Staat“ von Franz Oppenheimer. Er definiert darin zwei Arten, Einkommen zu erwerben: Erstens das wirtschaftliche Mittel, also den freien Austausch von Waren oder Dienstleistung gegen Geld – ein Verfahren, bei dem beide Seiten gewinnen. Zweitens das politische Mittel – die gewaltsame Enteignung der einen Seite durch die andere – ohne, dass den Enteigneten dafür ein Anspruch auf eine konkrete Leistung erwächst. Während aber den wirtschaftlichen Wettbewerb stets die Besten gewinnen – zum Wohl des Konsumenten – siegen im politischen immer die Übelsten: Diejenigen, die am besten lügen und betrügen können – zum Schaden der Bürger.

Politiker sind skrupellos, der Staat produziert Ungüter

Der Schuster, der Kaufmann und der Zahnarzt – sie liefern aus freien Stücken nachgefragte Leistungen. Sie und alle anderen auf dem Markt tätigen Akteure schaffen Werte – Güter. Hier kann ein Wettbewerb der Nachfrageseite nur Vorteile bringen – unabhängig davon, ob diese nun in niedrigeren Preisen oder in höherer Qualität ihren Niederschlag finden. Der Staat dagegen produziert – nichts.

Man könnte es noch pointierter formulieren, indem man sagt, er produziert nicht nur keine Güter, sondern sogar Übel, also „Ungüter“. Da das so ist, kann ein Wettbewerb in der politischen Sphäre nie zu etwas Gutem führen! Hoppe: „Es kann kein öffentliches Interesse an einen Wettbewerb bestehen, wer der effizienteste KZ-Kommandeur oder der brutalste Räuber ist.“ Schon Kirchenvater Augustinus wusste um dieses Problem, als er dem Staat attestierte, unter Umständen nichts anderes zu sein als eine Räuberbande (zitiert von Papst Benedikt XVI. bei seinem Besuch im Deutschen Bundestag am 22. September 2011).

In einer Erbmonarchie besteht die Möglichkeit, dass zufällig ein dafür charakterlich, geistig und körperlich geeigneter, oder wenigstens „netter“ Mensch auf den Thron gelangt (in Preußen und Großbritannien war es mehrfach der Fall, dass solche Persönlichkeiten die Krone trugen. Österreich hatte leider weniger Glück). Im demokratischen Wettbewerb dagegen würde ein „netter Mensch“ niemals eine Chance haben zu obsiegen. Den demokratischen Wettstreit gewinnen stets die skrupellosesten Individuen. In Österreich etwa hatten anständige Biedermänner wie Josef Klaus oder Josef Taus gegen Bruno Kreisky keine Chance. Was die große, weite Welt angeht, reicht ein Blick auf Figuren von Abraham Lincoln über Georges Clemenceau bis Jacques Chirac. Wer kennt heute noch die Namen ihrer einstigen Gegner?

Das demokratische Prinzip ist nur auf unterster Ebene sinnvoll anzuwenden – also in kleinen Gemeinden, wo jeder jeden kennt und daher die Gefahr einer institutionalisierten Ausbeutung einer Minderheit durch die Mehrheit gering ist (was auch der gerne – kontrafaktisch – als Generalanwalt des Demokratismus zitierte Jean-Jacques Rousseau genau so sah!). Der klassische Liberalismus dagegen – und das ist ein weiterer seiner Kardinalfehler, hatte als Ziel stets eine Weltregierung im Blick.

Da das Wesen der Demokratie in der Aneignung fremden Eigentums mittels Stimmzettels liegt, kann man sich unschwer ausmalen, was angesichts der internationalen Bevölkerungsverteilung in einem solchen Fall heute geschehen würde: Eine asiatisch dominierte Koalitionsregierung würde den in Europa und den USA vorhandenen Wohlstand nach Fernost umverteilen – immerhin leben dort und in Ozeanien mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung!

Der klassische Liberalismus hat einfach übersehen, dass die Demokratie – als Gegenentwurf zur Monarchie – zu einer weithin unbeschwerten Akzeptanz staatlicher Machtansprüche führt: Immerhin bietet sich Krethi und Plethi eine zumindest theoretische Möglichkeit, selbst einmal an die Schalthebel der Macht zu gelangen, was in einer dynastischen Monarchie unmöglich wäre. Die Chimäre der möglichen eigenen Beteiligung an den Staatsgeschäften bildet somit einen billigen Trostpreis für die zunehmende Ausbeutung durch den Staat.

Die Entkoppelung von Recht und Verantwortung einerseits, von individuellen Ansprüchen und Verpflichtungen andererseits, ist im demokratischen Wohlfahrtstaat am Beginn des 21. Jahrhunderts nahezu vollständig verwirklicht. Der Schutz der Rechte des Individuums ist dem Streben nach (wirtschaftlicher Ergebnis-) Gleichheit geopfert worden. Freiheit und Gleichheit sind eben schlicht unvereinbare Ziele.

Der größte Triumph des klassischen Liberalismus bestand wohl in der Sezession von dreizehn amerikanischen Kolonien von deren Mutterland England. Dieses Ereignis liegt mehr als 200 Jahre zurück. Seit damals ging es mit ihm bergab. Spätestens seit Beginn des Ersten Weltkriegs ist der klassische Liberalismus – großteils selbstverschuldet – weltweit mausetot…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien. 

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Es ist Bürgerkrieg – und wo stehen wir?

16. August 2013 00:44 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Neuerliche Blutbäder in Ägypten: Die Vorgänge im größten arabischen Land können nur noch als Bürgerkrieg eingeordnet werden. Dieser ist aber im Grund eine weitere Etappe eines in zahllosen Ländern der islamischen Welt schon seit Jahrzehnten ablaufenden Bürgerkriegs mit vielen hunderttausenden, wenn nicht Millionen Todesopfern, der an immer neuen Schauplätzen aufflammt. Das ist schon wegen der Gefahr eines Übergreifens extrem beklemmend. Genauso beklemmend ist aber noch ein zweiter Aspekt: Der Westen taumelt hilflos und widersprüchlich herum. Er weiß nicht, welche Haltung und Reaktion richtig ist.

Der Westen, also Amerika und Europa, weiß nicht, auf welcher Seite er denn eigentlich steht: bei den Islamisten, bei den Gemäßigten, bei den Diktatoren, bei den Demokraten? Der Westen weiß nicht, warum er jeweils dort steht, wo er zu stehen scheint. Einmal da, einmal dort. So macht er sich alle zum Feind. Aber auch für eine echte Neutralität fehlt ihm die Kraft und Kohärenz.

In Kürze sei rekapituliert:

  1. In Algerien steht der Westen an der Seite der Militärs, die den Wahlerfolg der dortigen Islamisten mit aller Härte hinweggefegt haben.
  2. In Marokko steht der Westen an der Seite des Königs, der eine ähnliche Politik verfolgt.
  3. Im Iran stand man einst eisern und bis zuletzt an der Seite des autoritären Schahs und liegt bis heute mit dem (schiitisch-)islamistischen Regime im Clinch.
  4. Dem Iran droht man wegen der Entwicklung einer Atombombe sogar mit einem großen Krieg; beim viel chaotischeren und Terrorismus Richtung Afghanistan wie Indien exportierenden Pakistan nimmt der Westen die Beschaffung (und den heimlichen Export!) von Nuklearwaffen hingegen schulterzuckend hin.
  5. In Syrien steht der Westen, wenn auch nur dreiviertelherzig, jedoch an der Seite der teils islamistischen, teils demokratischen Revolutionäre, die gerade gegen Präsident Assad den Kürzeren zu ziehen scheinen.
  6. In Libyen hat der Westen sogar mit einer militärischen Intervention einen relativ laizistischen und auf seine alten Tage berechenbar gewordenen Diktator gestürzt, wo nun Islamisten viel mehr Spielraum haben.
  7. In Saudi-Arabien und Bahrain paktiert der Westen hingegen heftig mit den totalitären Herrschern, die jedes Aufmucken niederwalzen. In Saudi-Arabien wird sogar jedes kleine Anzeichen einer westlichen Lebensform wie das bloße Autofahren von Frauen, der Konsum von Alkohol oder der Besitz einer Bibel drakonisch verfolgt. Beim heftig bekämpften Assad war hingegen all das und noch viel mehr an Verwestlichung nie ein Problem.
  8. In Syrien haben die USA in aller Deutlichkeit angekündigt, beim Beweis des Einsatzes chemischer Waffen militärisch einzugreifen. Dann behauptete man, diesen Beweis zu haben – und seither ist überhaupt nichts mehr geschehen.
  9. In der Türkei steht der Westen wieder total an der Seite des Islamismus-verdächtigen Premierministers und ignoriert völlig die demokratisch-liberalen Demonstranten.
  10. In Tunesien und Ägypten waren die alten Machthaber, man könnte sie als nichttotalitäre Diktatoren bezeichnen, lange im Westen überaus wohlgelitten und wurden von Barack Obama durch einen Besuch geehrt; sie waren sogar bei der Sozialistischen Internationale. Nach den ersten Demonstrationen – genauer: Nach der ersten Medieneuphorie über die angebliche Twitter-Revolution – wurden diese Männer jedoch fallgelassen wie ein heißer Erdäpfel. Dann bejubelte man die Demokratie – und stand damit plötzlich an der Seite der Islamisten. Und man bekam kaum mit, wie diese begannen, die Demokratie von innen auszuhöhlen. Und jetzt, seit sich die Bevölkerungsmehrheit vom formal gewählten islamistischen Präsidenten abgewendet hat, seit das Militär mit aller Brutalität dessen Amtszeit beendet hat, weiß der Westen überhaupt nicht weiter. Man tadelt die Armee, sodass man dort alle Freunde verliert; man lässt die griechischen Kopten im Stich, die jetzt als die Allerschwächsten von den verfolgten Islamisten abgeschlachtet werden; und man kann aber niemals auch nur einen einzigen Freund bei den Islamisten gewinnen.

Damit sind nur einige Beispiele einer absolut chaotischen Politik des Westens gegenüber der arabischen Welt genannt. Die Tatsache, dass mit „Westen“ in vielen – nicht allen (siehe Libyen) – Fällen nur die Amerikaner gemeint sind, weil es meist gar keine europäische Politik gibt, lassen wir heute einmal beiseite.

Das Hauptübel der Malaise auf den Punkt gebracht: Weder die USA noch Europa haben klare Prinzipien für den Umgang mit solchen Ländern. Sie haben nie geklärt – weder nach innen noch nach außen –, ob die Unterstützung des formalen Prinzips „Demokratie“ die oberste Leitlinie darstellt, oder andere Interessen.

Was wäre da nun wirklich richtig? Nun, eine nüchterne politische Analyse müsste die westlichen Ambitionen und Illusionen (ob nun neokonservativ oder sozialistisch) dramatisch zurücknehmen und sich auf logische und durchsetzbare Leitlinien einigen:

1.    Am wichtigsten für die Haltung des Westens einem Drittweltstaat gegenüber sollte sein, ob sich das Land nach außen korrekt verhält, ob es Grenzen beachtet, niemanden bedroht, keinen Terrorismus unterstützt, keine Atombomben entwickelt. Dabei ist es egal, ob es sich um ein wirklich demokratisches System handelt – das es ohnedies fast nirgends in der islamischen Welt gibt – oder um ein autoritäres. Nur wenn nach außen Gefahr droht, ist auch die Außenwelt moralisch zum Eingreifen legitimiert.

2.    Wenn die außenpolitische Friedfertigkeit eines Landes gesichert ist, dann muss der Westen für die vielen zwischen Islamisten, Armeen, Diktatoren, Liberalen, Stämmen und ethnischen oder religiösen Minderheiten tobenden Bürgerkriege ein Prinzip aus früheren Epochen reaktivieren: das der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten. Denn der Westen ist ja ohnedies zu schwach, um Ordnung zu schaffen. Könnte er intervenieren, dann wären überdies auch bald alle gegen ihn. Zugleich ändern sich in solchen Ländern die Fronten dauernd. Jede Seite erzählt einem die abenteuerlichsten Schauergeschichten. Man weiß daher oft nicht, wer die wirklich Guten sind, und ob es überhaupt welche gibt.

3.    Menschenrechtsverletzungen sind eine schlimme Sache. Die Medien sollen sie auch kritisch aufzeigen, die Menschen in Europa und Amerika können und sollen kräftig dagegen protestieren. Aber die westlichen Regierungen sind kein Weltpolizist, der überall militärisch eingreifen könnte, wo Menschenrechte verletzt werden. Er hat nicht einmal eine völkerrechtliche Legitimation dazu. Daher ist zähneknirschende Neutralität oft schlauer und hilfreicher. Und wenn man menschenrechtlich aktiv werden will, dann sollte man einmal mit den dazu geschaffenen Gremien beginnen: Wieso sitzen Polizeistaaten aus Osteuropa noch immer unhinterfragt in Europarat und Menschenrechtsgerichtshof? Warum können üble Regierungen Mitglieder (und Quasi-Richter) des UN-Menschenrechtsrates werden – von dem sich sogar Musterstaaten wie selbst Deutschland demütig ohrfeigen lassen? Solange man nicht einmal auf rechtlicher Ebene für Sauberkeit sorgt, können Menschenrechte politische oder gar militärische Interventionen von außen schon gar nicht rechtfertigen.

4.   Vor allem Europa muss jedes Interesse haben, dass es zu keinen neuen Flüchtlingsströmen kommt. Es sollte daher zumindest sein ganzes ökonomisches Gewicht in die Wagschale werfen, solche zu verhindern. Denn sonst wären in Kürze in Europa mehr echte oder falsche Flüchtlinge als Europäer (was dank der Linken und der Caritas ohnedies bald der Fall sein wird).

5.    Erst dahinter stehen Wirtschaftsinteressen wie das – zum Glück an Bedeutung verlierende – Öl. Dabei darf man ohnedies annehmen, dass friedliche Länder ohnedies langfristig auch ganz seriöse Handelspartner sind.

6.    Und an allerletzte Stelle hat der missionarische Glaube zu rücken, man könne mit dem Geist unserer Demokratie alle Übel dieser Welt heilen. Das funktioniert meist nicht einmal theoretisch: Denn nicht alles, was sich demokratisch nennt, ist es auch. Denn in der Geschichte sind immer wieder Herrscher halbwegs demokratisch an die Macht gekommen, die dann undemokratisch die Macht nie wieder friedlich hergegeben haben. Denn manches lässt zweifeln, ob etwa die islamische Welt auf Grund ihrer kulturellen Prägung überhaupt zur Demokratie imstande ist (oder „reif“, wie manche formulieren). Denn in manchen Situationen mag die Demokratie überhaupt nicht das beste System für eine Nation sein.

Aber in Wahrheit ist das alles irrelevant. Denn in Wahrheit wird die Außen- und Interventions/Nichtinterventions-Politik des Westens von ganz anderen Faktoren als rationalen Regeln bestimmt:

Das sind die entscheidenden Punkte. Oder sieht irgendjemand andere Regeln wirksam für den Umgang Europas und der Obama-USA mit dem Chaos in Ägypten&Co?

 

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Wie ernst ist uns der Schutz einer Minderheit?

12. August 2013 00:42 | Autor: Georg Vetter
Rubrik: Gastkommentar

Derzeit touren die sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Österreichs und Deutschlands durch die Lande und rechtfertigen ihre Steuererhöhungspläne mit dem Argument, dass nur eine Minderheit von einem bzw. fünf Prozent betroffen wäre. Machen wir uns über dieses Quantitätsargument einmal demokratiepolitische Gedanken.

Zunächst erscheint die Sache ja demokratisch in Ordnung zu gehen. Warum sollen in einer Demokratie nicht 95 Prozent beschließen dürfen, dass die restlichen fünf Prozent überproportional enteignet werden? Mehrheit ist schließlich Mehrheit.

Es wäre in Ordnung, wenn es nicht die Grund- und Freiheitsrechte gäbe. Jedermann weiß, dass 95 Prozent der Wähler nicht beschließen können, dass die übrigen fünf Prozent gehängt werden.

Zu diesen Grund- und Freiheitsrechten gehört auch der Gleichheitsgrundsatz, der es schon prinzipiell erschwert, eine bestimmte Minderheit – und auch die Wohlhabenden stellen eine Minderheit dar – ungleich zu behandeln.

Gerade Sozialdemokraten müssen also über ihr Gleichheitspostulat springen, wenn sie die Wohlhabenden mit einer Sondersteuer belegen wollen.

Besonders pikant erscheint diese Sondersteuer unter dem Gesichtspunkt, dass es gerade die von demokratischen Politikern erkämpfte Chancengleichheit gewesen ist, die diese ungleiche Vermögensverteilung stark begünstigt hat. Wenn ein Wlaschek, ein Mateschitz oder auch ein Schlaff heute zu den reichsten Österreichern zählen, dann verdanken sie diesen Wohlstand in erster Linie ihrer eigenen Tüchtigkeit in einem nicht privilegierten Umfeld.

Wer also das Vermögen der genannten Herren im Namen der Gerechtigkeit angreifen möchte, sagt implizit, dass die Chancengleichheit zu einem unerwünschten Ergebnis, nämlich einer Ergebnisungleichheit, geführt hat.

Letztlich bedient ein solcher Ungerechtigkeitssinn nur den Neid, der in Wirklichkeit gar nicht so verbreitet ist, wie die Politiker glauben. Wenn an jedem Wochenende 22 reiche Menschen vor Zehntausenden Armen um einen Ball spielen – die für das Zuschauen auch zahlen – und selbst eine Steuernachzahlung eines Herrn Messi von zehn Millionen Euro keine Proteststürme auslöst, erscheint die Neidverbissenheit der Menschen gar nicht so ausgeprägt.

Im Übrigen hat die Entfesselung des Neides in der Geschichte niemals vor den Reichen Halt gemacht. Schon in der französischen Revolution endete das, was man mit dem Slogan „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“ begann, mit tausenden und abertausenden Toten. Auch die Enteignung der weißen Farmer in Simbabwe hat nicht zu mehr Gerechtigkeit, sondern zu Nahrungsmittelknappheit geführt. Jeder mag sich seine eigenen Beispiele finden, wenn Minderheiten im Namen des Neides der gesellschaftlichen Aggression ausgeliefert wurden.

Auch die Minderheit der Reichen verdient den Schutz der Gesellschaft, die von dieser Minderheit umso mehr profitieren wird, je größer sie ist. Wer nicht die gleichmäßige Verteilung der Armut anstrebt, muss die ungleiche Verteilung des Reichtums in Kauf nehmen. Nicht weniger Reiche, sondern mehr Reiche zu haben muss daher das Ziel einer erfolgreichen Politik sein.

Dr. Georg Vetter ist selbständiger Rechtsanwalt mit Schwergewicht auf Gesellschaftsrecht und Wahrnehmung von Aktionärsinteressen in Publikumsgesellschaften.

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Kritik des Wohlfahrtsstaats

11. August 2013 02:40 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Viele große Denker des 20. Jahrhunderts stehen der Massendemokratie mit ihren gezählten, nicht gewogenen Stimmen aus gutem Grund kritisch gegenüber. Zu ihnen zählen Bertrand de Jouvenel und Erik von Kühnelt-Leddihn oder lebende Zeitgenossen wie Anthony de Jasay, Gerd Habermann und Hans-Hermann Hoppe. Sie sehen in dieser Art der Demokratie, die nur dem Namen nach etwas mit dem in der Polis der griechischen Antike praktizierten System zu tun hat, den Wegbereiter des Totalitarismus, ein Synonym für Pöbelherrschaft und Sozialismus.

Damals ging es nicht ums Wählen, sondern um eine Partizipation verantwortlicher Männer an der Politik. Der rezente Wohlfahrtsstaat hingegen bildet die letzte Entwicklungsstufe der auf gewaltsame Nivellierung gerichteten Massendemokratie. Seine Grenze zur totalitären Demokratie – zur Diktatur des Pöbels – ist fließend.

Der moderne Wohlfahrtsstaat am Beginn des 21. Jahrhunderts ist – scheinbar – ein Paradies: Wir genießen Fürsorge und Versorgung von der Wiege bis zur Bahre, losgelöst von individueller Leistung und Bedürftigkeit. Alles ist gratis – Schulen, Hochschulen, Renten, Gesundheitsdienstleistungen. Das alles ist staatlich monopolisiert und damit bombensicher.

Die funkelnde Krone auf alledem bildet die „Grundsicherung“. Damit wurde endlich auch ein einklagbares Recht auf Faulheit gesetzlich verankert.

Wo gehobelt wird, da fallen allerdings Späne – und so sind kleine Opfer unvermeidlich: Obrigkeitliche Regulative bis in den privaten Lebensbereich sind hinzunehmen; sie dienen ja nur dem Besten der Bürger. Die nunmehr vorgeschriebene Verwendung staatlich anerkannter Leuchtmittel und eine dräuende „Duschkopfverordnung“ sind prächtige Beispiele. Massive Eingriffe in die Privatrechtsautonomie, teilweise sogar deren Abschaffung, sind an der Tagesordnung. Eine Aufhebung der Vertragsfreiheit in vielen Bereichen – z. B. im Arbeitsrecht, bei der Ladenöffnung, im Mietrecht und auch Preisvorschriften – erscheint bereits ganz selbstverständlich…

Wir erleben die totale Gängelung der Bürger – weit jenseits dessen, woran George Orwell dachte, als er seine 1984er-Dystopie ersann. Das Schlimme ist: Regulierung und Überwachung sind nicht nur unproduktiv, sondern sie behindern sogar die Produktion. Darüber hinaus verursachen sie hohe Kosten! Und da – den falsch gesetzten Anreizen sei Dank – eine stetig kleiner werdende Schar von Produktiven die Chose finanzieren muss (der Rest führt eine parasitäre Existenz als Mitarbeiter oder Klient des Wohlfahrtsstaats), steigt deren Steuerlast unentwegt – was die Effizienz des Gesamtsystems weiter reduziert.

Der Wirtschaftsnobelpreisträger des Jahres 1986, James Buchanan, stellte treffend fest: „Die Steuerlast ist endlich“. Spätestens bei 100 Prozent Steuerbelastung lässt auch ein notorischer Workaholic den Herrgott einen guten Mann sein und setzt sich lieber in den Park.

Im Wohlfahrtsstaat wird weniger produziert als unter Marktbedingungen. Alle essen nun mit gleich großen Löffeln, die Schüssel, aus der sie das tun, ist indes kleiner. Im Land am Strome sind weniger als 50 Prozent der Bevölkerung erwerbstätig. Der Rest sitzt als Pensionist, Früh- oder Invalidenrentner, Sozialhilfebezieher oder Langzeitstudent herum, ohne zu produzieren.

Von den Werktätigen liefert – der progressive Einkommensteuertarif macht es möglich – die Hälfte keine direkten Steuern ab. Zieht man von der Zahl der Erwerbstätigen jene ab, die von Steuern leben, also den öffentlichen Dienst, Kammermitarbeiter, Politfunktionäre etc., dann bleiben rund 20 Prozent als Nettozahler übrig. Diese Opfer der Umverteilung sind genötigt, zwei Drittel ihres Einkommens an den Fiskus abliefern (43% direkte Steuern, + 16,66% USt. + Abgaben + Arbeitgeberanteil zur SV). Aber trotz einer nie da gewesenen Ausbeutung der Leistungsträger durch den Staat erleben wir einen Staatsschuldenexzess ohnegleichen, da die staatlichen Anmaßungen nicht mehr allein durch Steuern finanziert werden können, ohne massive Widerstände auszulösen.

Ohne die von den jüngeren Generationen dereinst abzuzahlenden Schulden wäre der Wohlfahrtsstaat längst nicht mehr finanzierbar. Seine Grenzen sind erreicht. Am deutlichsten sieht man das wohl in Griechenland, dem Land mit dem größten Anteil an mittelbar und unmittelbar Staatsbediensteten im zivilisierten Teil der Welt.

Paradoxerweise nimmt – trotz des laufend steigenden Umverteilungsvolumens – die Zahl der Armutsgefährdeten dennoch ständig zu. Das ruft die Linken auf den Plan und veranlasst sie zum Ruf nach einer noch höheren Enteignungsquote für die Leistungsträger. Möglich ist das, da die Ergebnisgleichheit – Gleichverteilung des Wohlstands – ein zentrales Anliegen des Wohlfahrtsstaats ist. Armut ist vorgeblich sein Hauptgegner.

Was aber bedeutet Armut? Kein Dach über dem Kopf zu haben, krank zu sein und nichts zu essen zu haben! Wer so etwas sehen will, muss heute nach Kalkutta, nach Lagos oder wenigstens nach Moldawien reisen. Die Armutsbekämpfungs- Umverteilungs- und Wohlfahrtsindustrie ist hierzulande daher im Grunde arbeitslos. Abertausende ihrer Mitarbeiter (die Caritas ist inzwischen einer der größten Arbeitgeber im Lande!) – alle gut ausgebildet und mit ansehnlichen Bezügen dotiert – wären überflüssig, wenn sie nicht ein geniales Alternativkonzept entwickelt hätten: Das Konzept der relativen Armut.

Damit ist ein Perpetuum Mobile geschaffen, denn relative Armut wäre nur mittels totaler Gleichmacherei auszurotten. Und die hat es selbst unter Stalin und Mao nicht gegeben. Zur Veranschaulichung der aberwitzigen Grundlage dieser Vorstellung: „Armut“ bemisst sich am Medinaeinkommen. Wer weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens bezieht, ist „armutsgefährdet“! Auch eine Verdoppelung aller Einkommen hätte demnach keine Wirkung auf die Zahl der „Armen“.

Eine Abwanderung der Reichsten dagegen senkt nach diesem irrwitzigen Konzept die Armenquote:

Legende: Gelb unterlegt das Medianeinkommen, rosa markiert die Armutsgefährdeten.

Gerd Habermann,(„Polemisches Soziallexikon“): meint: „Der Wohlfahrtsstaat ist das reformerische Nachfolgemodell des versinkenden Sozialismus“. Und weiter:„Der Wohlfahrtsstaat ist eine Methode, die Leute mit ihrem eigenen Geld vom Staat abhängig zu machen.“

Gerard Radnitzky (1921 – 2006) stellt fest: „Der Wohlfahrtsstaat hat eine neue Art des „Individualismus“ hervorgebracht: den Individualismus ohne Verantwortung.“

Auf Wikipedia lesen wir:„Wohlfahrtsstaat bezeichnet einen Staat, der weit reichende Maßnahmen zur Steigerung des sozialen, materiellen und kulturellen Wohlergehens seiner Bürger ergreift.“ Der Wohlfahrtsstaat geht daher weit über den Sozialstaat hinaus, der nur Existenzsicherung in Notlagen bietet. Im Wohlfahrtsstaat ist Sozialpolitik nicht mehr allein auf bedürftige Gruppen ausgerichtet.

Die Wiege des Wohlfahrtsstaats steht in Preußen, und zwar nicht erst seit Bismarck, der – ebenso genialer wie zynischer Machtmensch, der er war – die Sozialversicherung „erfunden“ hat, um den damals im Aufwind befindlichen Sozialisten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Schon Friedrich II. („der Große“) hatte klare Vorstellungen von der Beglückung seiner Untertanen – z. B. mittels „Magazinpolitik“, Handelsbeschränkungen, um die eigene Produktion zu schützen (z. B. Seide), und Staatsmonopolen. Der Staat sollte der Fürsorger für seine Bürger, für ewig unmündige Kinder, sein.

Bereits damals regte sich allerdings Kritik an staatlicher Bevormundung und Handelshemmnissen: Graf Mirabeau nahm den Autarkiegedanken unter Beschuss: Der Wohlfahrtsstaat „…macht weder reich noch glücklich (…) bringt um den Vorteil der internationalen Arbeitsteilung…“. Und weiter, als ob die Zustände im europäischen Immigrantenstadel der Gegenwart beschrieben würden: „…durch königliche Geschenke angelockt, [sei] Gesindel hingewandert, das nicht die geringste Arbeitslust mitgebracht habe“(!) „Der König müsse nicht schenken, er müsse nur frei erwerben lassen“. Mirabeau fordert völlige Gewerbefreiheit und „Genußfreiheit“ (z. B. für das „unnötige Luxusprodukt“ Kaffee).

J. Wolfgang v. Goethe, Beamter und Minister: „Kehre jeder vor seiner eigenen Tür … Das Glück des Ganzen – eine „bewegliche Ordnung“ – ergibt sich so als Ergebnis spontanen individuellen Handelns“.

Friedrich Schiller formuliert einesystematische Kritik des gängelnden Staates in seinen „Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen“ als „Sparta vs. Athen“. (Wohlfahrts-)Staat vernichte die Moral. „Zur moralischen Schönheit der Handlungen ist die Freiheit des Willens die erste Bedingung, und diese Freiheit ist dahin, sobald man moralische Tugend durch gesetzliche Strafen erzwingen will."

Wilhelm von Humboldt spricht vom „… passiven Leben des genährten Sklaven“ Persönlichkeit ist für ihn wichtiger als ein komfortables Leben. Nicht auf fremde Hilfe verlassen – das stumpft ab, macht passiv, untüchtig, verhindert Erfahrungen – und es erzieht zu asozialem Verhalten: Er lehnt, wie Adam Smith, beamtete Erzieher ab. Der Staat soll nicht Unternehmer sein. Einziger Staatszweck sei dieProduktion vonSicherheit nach innen und außen.

Immanuel Kant sieht die menschlicheWürde davon abhängig, seine Ziele selbst definieren zu können: „… dem Leben durch Handlungen einen Wert zu geben.“ Menschen als unmündige Kinder zu halten, sei dagegen „… der größte denkbare Despotismus“.

Eine Fundamentalkritik von Lysander Spooner (1808-1887, US-Sklavereigegner und Anarchist), die über den wohlfahrtstaatlichen Gedanken hinausgreift und sich mit dem Prinzip der politischen Vertretung durch Abgeordnete kritisch auseinandersetzt [aus dem Aufsatz „No Treason“ ]: „Wenn ein Mensch mein Diener, Agent oder Anwalt ist, bin ich im Rahmen der ihm von mir übertragenen Vollmacht notwendigerweise verantwortlich für alle seine Handlungen. Wenn ich ihm, als meinem Agenten, entweder absolute oder irgendeine Macht über Personen oder Besitztümer anderer Menschen als mir selbst übertragen habe, bin ich dadurch notwendigerweise gegenüber diesen Personen verantwortlich für jeden Schaden, den er ihnen zugefügt hat, solange er innerhalb des Rahmens der Machtbefugnis wirkt, die ich ihm gewährt habe. Kein Individuum jedoch, das in seiner Person oder seinem Eigentum durch Handlungen des Kongresses geschädigt worden sein mag, kann sich an die individuellen Wähler wenden und sie für diese Handlungen ihrer so genannten Agenten oder Repräsentanten zur Verantwortung ziehen. Diese Tatsache beweist, dass diese anmaßenden Agenten des Volkes – von uns allen – in Wirklichkeit die Agenten von Niemandem sind.“

Die neoliberale Kritik des 20. Jahrhunderts richtet sich primär gegen das Setzen falscher Anreize durch den Wohlfahrtsstaat. Statt Eigentum zu schaffen und die Produktion zu steigern, wird zum Neid angestachelt und eine wohlstandsvernichtende Umverteilung – Kapitalverzehr – gefordert und befördert (Ludwig Erhard, Wilhelm Röpke).

Abseits der funktionalistischen Kritik, die auf die reduzierte Effizienz des Systems zielt, ist der Wohlfahrtsstaat aber vor allem deshalb zu kritisieren, weil er den frei geborenen Menschen daran hindert, seiner Vorstellung gemäß nach Glück zu streben. Stattdessen wird der Mensch – wie der Zoologe und Verhaltensforscher Konrad Lorenz feststellt – „verhausschweint“ und den Fährnissen einer wandelbaren Sozialpolitik unterworfen. Der Verlust der Freiheit ist die logische und unvermeidliche Folge.

Auch wenn die Sozialisten in allen Parteien es – ganz besonders vor Wahlen – nicht wahrhaben wollen: Auch dem Staat ist es nicht auf unbegrenzte Zeit möglich, immer höhere Schuldenberge aufzutürmen, ohne die Gesellschaft zu zerstören. Margaret Thatcher stellte einst hellsichtig fest: „Das Problem mit dem Sozialismus ist, dass ihm früher oder später das Geld fremder Leute ausgeht.“

Wir sind so weit. Es ist daher an der Zeit für etwas Neues! Dieses Neue wird auf dem Boden der bestehenden (Un-)Ordnung allerdings nicht zu errichten sein…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Das Internet und die Zukunft der Demokratie

09. August 2013 04:38 | Autor: Rudolf Bretschneider
Rubrik: Gastkommentar

Über die Zukunft nachzudenken ist, wenn man die Sache ernst nimmt, ein schwieriges Geschäft; schon die Vergangenheit richtig zu analysieren hat so seine Probleme: Muss man doch wohlbegründete Hypothesen haben, welche gesellschaftlichen, ökonomischen, politischen, technologischen Faktoren (Variablen) den Gang der Ereignisse mit großer Wahrscheinlichkeit bestimmt haben bzw. bestimmen werden. Ein sicheres Wissen um die Zukunft ist, was die menschliche Gesellschaft etwa im Jahr 2025 betrifft, nicht möglich.

Das gilt sogar für ihren demographischen Aufbau. Das gilt für ihre politischen Werthaltungen. Das gilt für die technischen Tools, die in 12 Jahren zur Verfügung stehen werden. Oder haben Sie im Jahre 2000 auch nur geahnt, was Sie mit Ihrem Handy zwölf Jahre später alles in Sekundenschnelle empfangen und senden können, oder wer aller Ihre Botschaften beobachten und gegebenenfalls analysieren kann?

Und dennoch kann man verschiedene Annahmen machen, wie die nähere bzw. weitere Welt in 10-12 Jahren aussehen wird. Fast alle Menschen tun das; implizit oder explizit: jeder Unternehmer, jede Familie, die z.B. ein Haus baut, jede Gemeinde, die vorsorgt, jede Institution, die noch länger überleben will.

In dieser ausklingenden Legislaturperiode wird der Begriff der Partizipation noch mit herkömmlichen Verfahren der „direkten Demokratie“ diskutiert: Die Instrumente des „Volksbegehrens“, der „Volksbefragung“, der „Volksabstimmung“ – und ihr Verhältnis zueinander – spielen eine dominierende Rolle; ebenso der mögliche (verstärkte) Einfluss der Wähler auf die Kandidatenauswahl.

Ich erspare mir eine durchaus mögliche Kritik am Einsatz von Volksbegehren und Volksbefragung, wie sie in der jüngeren und ferneren Vergangenheit und in der Gegenwart praktiziert worden sind. Die Erinnerung daran, wer die Fragen formuliert, wie sie formuliert sind, und wozu die Ergebnisse (etwa der letzten Wiener Volksbefragung) ge- und missbraucht werden, mag genügen.

Für eine wertende Kurzcharakteristik fehlt mir etwas, was mir selten fehlt: die Worte. Also kurz und neutral: Was gefragt wurde, wie gefragt wurde und wie interpretiert wurde, oblag der Wiener Koalitionsregierung. Es war Partizipation zum Abgewöhnen.

Das periodische Auftauchen des Partizipationskonzepts hat – auch in Österreich – eine lange Geschichte. Erinnern Sie sich an den Slogan der Durchflutung aller Lebensbereiche mit Demokratie (K. Blecha). Dieser machte als Sozialforscher auch ernsthaft den Vorschlag, man solle die Demoskopie als Instrument der Demokratie nutzen. Angesichts der Verwendung von Umfragen im politischen Marketing sträubt sich beim bloßen Gedanken daran mein nicht mehr vorhandenes Haupthaar. Abgesehen davon, dass auch bei Umfragen die Fragen „von oben“ kommen und der Befragung kein Prozess der systematischen Information, der Überlegung und Willensbildung vorausgegangen ist. Die Demoskopie ist keine neutrale Institution, die die „Vox populi“ wertfrei widergibt – auch wenn sie manchmal vorgibt, eine Abbildungsmaschine zu sein, die fast auf Knopfdruck die sogenannte öffentliche Meinung, die dann in den Medien „erscheint“, abzubilden.

Oft stellt sie, in Zahlen ausgedrückt, etwas dar, was es vor der Befragung gar nicht gegeben hat: Sie summierte Reaktionen auf Fragen, die sich der Einzelne nie bewusst gestellt hat; das ist „öffentliche Meinung“, die es als wahrnehmbares Phänomen nur durch das Instrument der Meinungsforschung gibt – und nirgends sonst, außer später in den Medien.

Nein, das Instrument der Meinungsforschung ist kein Demokratieersatz, keine wünschbare Form der Mitwirkung, wie sie für eine Demokratie immer wieder gefordert wird (zu ihrer Vitalisierung, zur Stärkung der Verantwortlichkeit, um die Bereitschaft, Entscheidungen mitzutragen zu erhöhen, ja um konkrete Entscheidungen zu legitimieren).

Die Geschichte der Bürgerbeteiligung

Der Gedanke, die Bürger einer Demokratie, den demos, entscheidend entscheiden zu lassen, ist alt; so alt wie die athenische direkte Demokratie. Die Griechen haben bekanntlich nicht nur die Demokratie entdeckt, sondern auch die Politik, also die Kunst, durch öffentliche Auseinandersetzung Entscheidungen zu erreichen und diesen dann zu gehorchen.

Elias Canetti hat das so gedeutet, dass der Kampf nicht mehr physisch ausgetragen wird und mit der Vernichtung eines Kontrahenten endet, sondern durch das Zählen von Stimmen. Joseph Schumpeter sah in demokratischen Verfahren eine Methode, die darauf abzielt, eine entscheidungsfähige Regierung hervorzubringen. Andere betonten, dass Wahlen dazu zwingen, zwischen miteinander konkurrierenden Expertengruppen/Eliten/Parteien zu wählen.

Bei den griechischen „Erfindern“ war die Sache noch etwas komplexer und zugleich einfacher. In der Volksversammlung wurden nicht nur Beamte auf Zeit gewählt, meist ein Jahr (so kamen im Lauf der Zeit viele dran und erwarben „Erfahrung“). Es wurden auch auf Antrag einzelner Sprecher (die meisten hörten wohl nur zu) konkrete Entscheidungen getroffen. Nur wenige waren stimmberechtigt. Und Teilnahme war gefordert. So heißt es in einer berühmten Perikles-Rede: „Denn einzig bei uns heißt einer, der daran (an den staatlichen Dingen) überhaupt keinen Teil nimmt, nicht ein stiller Bürger, sondern ein nutzloser“. Wer sich nur um seine eigenen Angelegenheiten kümmert, der war ein „Idiot“ (nicht in unserem Sinne).

Die Teilnahme, die Teilhabe an den politischen Entscheidungen gehörte zu einem „guten Leben“. Von diesem Ideal sind wir heute weit entfernt. Die Selbstverwirklichung wird im „privaten Leben“ angestrebt; zu ihrer Realisierung ist – wohl nach Auffassung der meisten Menschen, die in demokratischen Ländern leben – die regelmäßige, aktive Teilnahme am politischen Leben nicht nötig. Vielfach beschränkt man sich auf den einschlägigen Medienkonsum, auf das Haben (und Wechseln) von Meinungen, auf gelegentliche Gespräche im engeren Lebenskreis, auf die Teilnahme an Wahlen.

Oft wird die Lethargie der Bevölkerung beklagt. „Politikverdrossenheit“ und Desinteresse werden analysiert und es wird nachgedacht, wie man diesen als gefährlich empfundenen Phänomenen entgegenwirken könnte. Dabei wird oft übersehen, dass eine gewisse Lethargie der Bevölkerung durchaus ihr Gutes hat. Eine permanenten Erregung aller über alles wäre auf die Dauer unerträglich, eine Dauerpartizipation vermutlich lähmend, eine ständige Mobilisierung eher ein Kennzeichen einer revolutionären Atmosphäre.

Wie so oft, ist das richtige Maß an politischer Teilnahme der Bevölkerung zu bestimmen. Es liegt zwischen den Extremen der völligen Apathie und der Dauererregung – leider ohne Gedenkstein. Und es ist ziemlich sicher abhängig von unreflektierten Traditionen, gesellschaftlichen Trends, aktuellen Ereignissen und technischen Möglichkeiten.

Einstellung der Österreicher zur direkten Demokratie

Versuchen wir – anhand rezenter sozialwissenschaftlicher Studien und Beobachtungen – einen Blick auf die gegenwärtige Situation zu werfen, auf die Rahmenbedingungen für mehr Teilnahme am politischen Geschehen jenseits von Wahlen: Da sind zum einen Einstellungen/Werthaltungen, zum anderen technische Voraussetzungen zu beachten. Nur ein relativ kleiner Teil der Bevölkerung interessiert sich eingestandenermaßen „sehr stark“ für Politik (12 Prozent), ein weiteres Drittel (33 Prozent) bezeichnet sich als „einigermaßen interessiert“.

Das sind (abhängig von der Problemlage) sehr variable Größen. Interesse drückt sich u.a. im einschlägigen Medienkonsum, in Gesprächen über politische Ereignisse, in (schwankenden) Beteiligungsraten bei diversen Wahlgängen, aber auch in Einstellungen zu Instrumenten der direkten Demokratie aus. Auf Grund der Ergebnisse des letzten „Demokratievolksbegehrens“ („Mein Oe“) könnte man glauben, dass an einem Mehr an Partizipation nur wenig Interesse besteht; aber das wäre ein Fehlschluss.

Die geringe Unterzeichnerzahl hat viele Ursachen: Eine davon ist der Umstand, dass nicht ein inhaltliches, sondern ein formales Thema (Verfahrensfragen) angesprochen wurde. Dieses ist „kühler“, erfordert „Kennerschaft“, stellt Verfahren als Lösung politischer Fragen zur Diskussion. Bei der Abstimmung zum Bundesheer war hingegen – entgegen den Erwartungen vieler politischer Beobachter/Meinungsforscher – die Beteiligung hoch (obwohl das Interesse am Bundesheer üblicherweise gering ist, traditionelle Parteistandpunkte irritierenderweise verlassen worden waren und das Thema in Zeiten einer Schuldenkrise kaum von brennender Aktualität war).

Obwohl nur ein kleiner Teil der österreichischen Bevölkerung als politisch „stark interessiert“ gelten kann, gilt: Mehr als 50 Prozent finden, dass Instrumente der direkten Demokratie verstärkt zum Einsatz kommen sollten (Herbst 2012), etwa 4/10 finden, man sollte mit dem Ausbau der direkten Demokratie eher vorsichtig vorgehen.

Nur eine knappe Mehrheit findet (in einer Umfrage, in der naturgemäß ohne viel Reflexion, ohne Abwägung nach Konfrontation mit pro und contra-Argumenten geantwortet wird), dass die Bevölkerung nicht automatisch über Verfassungsgesetze abstimmen können soll (falls ein entsprechend starkes Volksbegehren das „erzwingt“). Immerhin 45 Prozent halten eine Abstimmung in einem solchen Fall für wünschenswert.

Für zwei Drittel ist auch eine Abstimmung über Menschenrechte vorstellbar, für fast ebenso viele eine über Steuern und Gebühren. Zwar hält man (ebenso oft) die Warnung für berechtigt, dass bei „verpflichtenden Volksabstimmungen“ (nach entsprechend starken Volksbegehren) viele Entscheidungen am Parlament „vorbei“ fallen. Aber dennoch: Geht nicht „alles Recht vom Volk aus“? Ist nicht das Volk der Souverän (das hat man so gelernt)?

Ja, und rund die Hälfte der Bevölkerung wäre für den Vorschlag, dass man sich via Internet an Volksbegehren beteiligen kann. Demokratische Partizipation per Mausklick, Mitwirkung at our finger tips. Beppe Grillo lässt grüßen. Sein Erfolg mit seiner bizarren Internet-Utopie zeigt, welche Folgen das Versprechen von Mitwirkung durch moderne Mittel unter bestimmten Voraussetzungen (radikale Enttäuschung durch „herkömmliche Politik“) haben kann.

Die „Schwarmintelligenz“ und die „flüssige" Demokratie

 

 

In seiner „besten aller möglichen Welten“ befreit die „Schwarmintelligenz“ den „entmündigten Bürger“ von „vermittelnden Instanzen“. Er träumt von einer radikalen Form der Demokratie, „ohne Parteien, ohne Regierung“, in der (Web-)Bürger über das Netz Kandidaten wählen, Gesetze diskutieren und beschließen. Nachzulesen in dem Buch „5 Sterne“ (von Dario Fo, Beppe Grillo, Gianroberto Casaleggio). Über Demokratie und die Zukunft Europas.

Das Internet ist modern; es ist Teil des Lebens. Hilfsmittel für alles und jedes. Für Information und Kommunikation, für Ein- und Verkäufe, für Bewertungen und Einholung von Bewertungen, für Sammlung und Speicherung von Erfahrungen anderer Menschen, für Austausch mit Gleichgesinnten, für die Organisation von Events, für Instant-Abreaktion in einem Shitstorm … usw. Vor 20 Jahren war es erst wenigen gebrauchs-geläufig. Heute würde sein Zusammenbruch bei vielen Menschen Entzugserscheinungen auslösen.

94 Prozent (2012) haben persönlich die Möglichkeit aufs Internet zuzugreifen. Fast 80 Prozent davon tun das zumindest einmal täglich von zuhause aus. 40 Prozent der User gebrauchen es auch für politische Information (Medienangebote, Blogs, politische Kommunikation). 45 Prozent sind bei einem sozialen Netzwerk angemeldet; weitere 8 Prozent gleich bei mehreren. Rund knappe 2/3 haben ein Smart-Phone mit Internetzugang. Die praktischen Voraussetzungen für „Grillini“ aller Spielarten sind somit einigermaßen gegeben.

Aber mit der Verfügbarkeit von technischen Mitteln steigt nicht automatisch das politische Interesse, das Engagement, der Informationsgrad über Konsequenzen politischer Entscheidungen. Interesse, Engagement, Informiertheit sind vielmehr ein Resultat eines längeren Prozesses, einer politischen Sozialisation. Am Anfang steht oft (nicht immer) das Aufwachsen in einem politischen Milieu (eher abnehmend), die regelmäßige Beschäftigung mit öffentlichen Themen (medial bzw. im sozialen Austausch), Betroffenheit durch ein Problem (beruflich oder privat), die Politisierung durch ein Thema (Atom, EU, Sterbehilfe), das „überpersönliche“ Fragen, z.B. ethische Fragen berührt und längere Zeit in der Öffentlichkeit diskutiert wird.

Auch diese Sozialisation wird sich künftighin im Netz abspielen und andere Formen des politischen Lernens ermöglichen als bisher vorhanden. An einem Beispiel ausgedrückt: Bisher schrieb man (und tut es noch) bei besonderer Erregung Leserbriefe oder Briefe an Abgeordnete (mühsam). Heute reagiert man „spontan“ (und leicht) via E-mail; Treffen in Selbsthilfegruppen oder mit „Gleichgesinnten“ erforderten früher einen längeren Such- und Organisationsprozess – heute sucht und findet man auf Knopfdruck (wenn man weiß, was man sucht).

Und dabei vermischt sich, vom Einzelnen oft unbemerkt, der private und der öffentliche „Raum“. Schließlich „agiert“ man oft von „zuhause“ aus und ist doch vielen öffentlich sichtbar. Die Probleme, die die Verwischung der Grenze zwischen Privatem und Öffentlichem aufwirft, seien hier nur angedeutet: „Öffentliches Auftreten“ hat eine gewisse Verbindlichkeit, folgt anderen Verhaltensregeln und Rollenmustern als privates Agieren. „Im Netz“ benimmt man sich oft wie eine private oder auch anonyme Person und ist doch zumindest potentiell in einer sichtbaren Öffentlichkeit. Und manche wundern sich, dass sie gesehen werden, wenn sie sich in einer belebten Fußgängerzone blicken lassen. Es ist keine Frage, ob die Möglichkeiten des Netzes für die öffentlichen Angelegenheiten, die „res publica“, genutzt werden. Es ist nur die Frage, wie dies mittel- und langfristig geschieht und wie sich die politische Kultur dadurch verändert.

Viele mit den Fragen „direkter Demokratie“ befasste Menschen, auch sogenannte „Fachleute“, denken in konventionellen Bahnen, wenn sie über Möglichkeiten der Nutzung der „electronic tools“ (Internet & Co) nachdenken: Sie sprechen über die „Wahlen per mouse-click“, wie sie im Baltikum teilweise schon üblich sind; wie sich ein solches Angebot auf die Wahlbeteiligung z.B. bei Hochschülerschaftswahlen auswirken würde; über die mögliche Benachteiligung der nach wie vor „internetfernen“ Bevölkerungsschichten; über Gefahren, die durch eine mögliche „Instant-Politik“, die extrem stimmungsbeeinflusst ist, drohen.

Seltener reflektiert man die Möglichkeiten, die mit den neuen Mitteln gegeben sind – und deren Realisierung freilich wohlüberlegt sein will (was, wie).

Da gibt es z.B. die Möglichkeit, politische Vorhaben frühzeitig einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen; und die Stellungnahmen und Expertisen vieler einzuholen (weit über den Kreis der derzeitigen „Begutachter“ hinaus). „Crowd Intelligence“ heißt das. An einem solchen Prozess könnten unterschiedliche „Anrainergruppen“ teilnehmen: Solche, die nur anonym mitdiskutieren wollen; solche, sie sich durch fachliche Kenntnisse oder berufliche Qualifikation ausweisen (Freilich: Wer bestimmt die?); solche, die unmittelbar vom Problem betroffen sind (Wer definiert das?).

Eine andere Form der politischen Partizipation entwickelt sich unter dem etwas irreführenden Begriff „Liquid democracy“. Da wird nicht einfach abgestimmt, sondern es wird ein politischer Prozess bei einer definierten Gruppe (Parteimitglieder, Gemeindebürger, definierte Betroffene) in Gang gesetzt. Vorschläge werden zu einer bestimmten Frage gemacht – und modifiziert. Man kann seine „Stimme“ an Vertrauensleute delegieren und auch wieder entziehen. Der Diskussionsprozess und seine Schritte und Ergebnisse sind für alle Beteiligten transparent und erst am Schluss erfolgt allenfalls eine Abstimmung.

Geeignet erscheint mir ein solches Modell für regionale Diskussionen/Fragen/Projekte. Die Beteiligung setzt Engagement, Betroffenheit etc. voraus; so wie sich weiterbilden Bildung voraussetzt, erfolgreiche Informationssuche, das Wissen, was man sucht usw.

Das Netz vergisst nicht

Sich als „Konsument“ im Netz zu bewegen ist – nach verhaltensmäßig kurzer Zeit – für sehr viele Menschen geradezu selbstverständlich geworden. Dabei benützt man etwas, dessen Mechanismen und Nebenwirkungen man kaum versteht: Man bestellt Bücher (und wundert sich, dass man wenig später artverwandte Publikationen angeboten bekommt); man erledigt seine Bankgeschäfte online und verlässt sich darauf, vom Rest der Welt unbemerkt zu bleiben; man bucht Flüge und Reisen, spielt im Internet, googelt (statt ins Lexikon zu schauen), dokumentiert auf Facebook & Co jeden kleinen Lebensschritt, kauft und verkauft usw.

Im „Mitbewusstsein“ ist zwar präsent, dass man Spuren hinterlässt, dass „das Netz nicht vergisst“, dass die eigenen Daten gesammelt und verwertet werden können – aber Verhaltenskonsequenzen hat dieses „Mitbewusstsein“ kaum. „Kein Mensch weiß, wie viel Chemiker an ihn denken“, heißt es im metaphorischen Sinn bei Paul Valery. Nun, man weiß nicht, wer sich aller für die „Spuren im Netz“ interessiert, aber man ist erschrocken, wenn man merkt, wer aller Gelegenheit hat beziehungsweise bekommt, darauf zuzugreifen. Nicht nur „internationale Skandale“, auch die permanenten, allgemein gehaltenen Warnungen von offiziellen oder selbsternannten Datenschützern tragen zur Irritation bei. Das Gerücht um „big data“ macht die Medienrunde („dein Verhalten ist komplett vorhersagbar“, du bist durchsichtig“, „wenn man die Daten verknüpft, entsteht der gläserne Mensch“ etc.). Ich wage die (leichte) Prognose, dass derartige Botschaften in Hinkunft zunehmen werden.

Das schafft unter Umständen Probleme für elektronische politische Partizipation. Es mag einem ja (hierzulande!) ziemlich egal sein, ob jemand via Amazon & Co erfährt, welchen Krimi man gekauft hat, in welchem Hotel man gewohnt, welchen YouTube-Beitrag man sich angesehen hat. Welche politischen Stellungnahmen man abgegeben hat, mit wem man über Politik kommuniziert hat, wie man „gewählt“ oder abgestimmt hat: Das aber sollte in aller Regel – außer man will an die Öffentlichkeit treten – geheim bleiben.

Wenn man, so meine These, im Netz als „politisches Wesen“ agiert – in welcher Form auch immer – will man darauf vertrauen können, dass die Daten „sicher“ sind, und dass kein Missbrauch betrieben werden kann (durch Verknüpfung oder Weitergabe). Man will sicher sein, dass Daten nur zu dem Zweck genutzt werden, den man bei seiner Beteiligung im Sinn hatte.

Man möchte vertrauen können; muss vertrauen können. Aber Vertrauen ist eine „veränderliche Variable“. „Veränderliche Variable“ das ist eine Bezeichnung aus der Statistik. Sie bezeichnet z.B. im Experimente jene Größe, deren Variation beobachtet wird, während sich die Rahmenbedingungen ändern. In meinem Beruf als Sozial- und Marktforscher hat man es oft mit der „veränderlichen Variable Vertrauen“ zu tun: So geht es bei vielen Studien um die Frage: „Was konstituiert bzw. gefährdet Vertrauen in Personen (z.B. Politiker), Parteien und andere Institutionen, in Berufsstände, in Marken, Medien, in die Politik oder die Wirtschaft oder gar in die Zukunft“.

Ich will kurz verdeutlichen, wie weit verbreitet das Verlangen nach Vertrauen ist, wie allgegenwärtig im Alltag und in spezifischen Lebenswelten. Es ist im Kern ein Verlangen nach konstanten Verhältnissen, die man kennt. Neues, vom Vertrauten Abweichendes, kann Gefahr bedeuten und mehr als nur das psychische Gleichgewicht stören.

Ein Kind braucht „vertraute“ Personen, sogenannte „Bezugspersonen“, denen es vertrauen können will; es braucht sie nicht nur im Säuglingsalter. Störungen dieses „Urvertrauens“ haben oft lang andauernde negative Folgen. Jugendliche wollen ihren Freunden vertrauen können, dass sie „verstanden“ werden. Lehrer aller Spielart müssen das Vertrauen der ihnen Anvertrauten/der sich ihnen Anvertrauenden gewinnen, um ihrer Rolle gerecht werden zu können. Permanente Skepsis würde gerade in einer arbeitsteiligen Gesellschaft alle notwendigen Abläufe blockieren. Man möchte darauf vertrauen, dass sich die anderen an die gleichen Regeln halten (im Spiel und im Straßenverkehr – siehe „Vertrauensgrundsatz“). Man möchte seinem Partner vertrauen können – auch der chronisch Eifersüchtige, der die Vertrauensbasis durch Kontrollwahn zerstört.

Die „Vertrauensfrage“ ist allgegenwärtig

Man möchte dem Arzt vertrauen, den man aufsucht, dem Handwerker, den man beauftragt, der Bank, der man sein Geld hoffentlich nur temporär überlässt, der Pensionsversicherung, in die man für spätere Zeiten einzahlt, ja auch den Politikern, die für das Gedeihen von Staat, Land oder Gemeinde sorgen sollen. Man möchte „der Wissenschaft“, deren Haus bekanntlich viele Räume hat, vertrauen können, den Medien, die man zur Information nutzt; ja und auch dem eigenen Glauben (ob es sich nun um eine säkulare oder religiöse Weltanschauung handelt).

Die Aufzählung war klarerweise nicht vollständig. Sie sollte nur vor Augen führen, dass „vertrauen können“ allüberall gebraucht wird. Ohne zu vertrauen ist jegliches Handeln schwierig. Ständig zu prüfen, ob man den Bezugspersonen, den Freunden, den Vorgesetzten, den Ärzten, den Wissenschaftlern, den Beamten etc. vertrauen kann, ist praktisch unmöglich; selbst für den habituellen Skeptiker.

Manche Leser werden sich bei dem einen oder anderen Punkt meiner Aufzählung gesagt haben: „ja aber wie soll man denn „denen“ vertrauen können“? Und dennoch ist es bis zu einem gewissen Grad geradezu notwendig. Man lebt nicht nur auf Grund der eigenen Erfahrung. Nicht in der „vertrauten Welt“, schon gar nicht in der „gedeuteten Welt“ (Rilke).

Wenn man politische Partizipation mittels moderner Kommunikationstechniken geordnet auf den Weg bringen will, spielt das Vertrauen in jene Institutionen, die Strukturen und Rahmenbedingungen dafür bereitstellen, eine Schlüsselrolle.

Fragen Sie sich selbst, welchen Institutionen, welcher Einrichtung sie vertrauen würden, wenn es um ihre allfällige politische Partizipation geht; und wie unbedingt das Vertrauen ist. Wodurch kann es allenfalls erschüttert oder gar zerstört werden? Ist es ein Vertrauen auf Zeit (z.B. für einen bestimmten, zeitlich begrenzten Prozess) oder „für immer“? Ist es „blindes“ Vertrauen oder muss es durch gute Argumente gerechtfertigt sein.

Bekanntlich können sich nicht nur Technologien ändern, sondern auch politische Systeme. Daten, die theoretisch unsterblich sind, weil sie nie gelöscht werden, können unbeabsichtigte Folgen haben.

Man darf nie aus dem Auge verlieren, wozu politische Partizipation letztlich dienen soll: Es ist ein altes, ehrwürdiges Ziel, das unter ganz anderen Bedingungen „erfunden“ wurde. Teilnahme am politischen Leben ermöglicht eine Selbstentfaltung, Verwirklichung, die für das „zoon politicon“ charakteristisch ist. Nicht allein (und durch Konsum) wird der Mensch glücklich, sondern erst im Zusammenleben und -wirken mit seinesgleichen. Das Mitwirken stärkt das Vertrauen und das Gefühl, mitverantwortlich zu sein. Hehre Ziele … Es wird vertrauen-können vorausgesetzt, um Vertrauen zu stärken.

Es sind nicht nur technische Lösungen, die vertrauensbildende Wirkungen haben; es muss wohldurchdachte Gesetze geben, die Missbrauch verhindern. „Leaks“ (auch späte) müssen durch Datenlöschung unmöglich werden. Man muss „Bremsen“ in die möglichen Partizipationsprozesse einführen – um nur einige Beispiele zu nennen.

Viele Fragen bleiben offen. Es wird darauf ankommen, sich/einander die richtigen Fragen zu stellen und keine allzu schnellen Expertenantworten darauf zu geben.

Rudold Bretschneider ist seit Jahrzehnten in diversen Cheffunktionen bei GfK (früher Fessel-GfK) tätig und einer der prominentesten Marktforscher und politischen Analysten des Landes.

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Worüber man nicht sprechen darf: Intelligenz, Berufs- und Schulerfolg sind (auch) erblich

08. August 2013 23:19 | Autor: Michael Hörl
Rubrik: Gastkommentar

Eine OECD-Sonderauswertung von PISA-Ergebnissen beschuldigt Österreichs Lehrer, reiche Kinder bei der Notengebung zu bevorzugen. Dabei ignoriert man die Korrelation von schulischem bzw. beruflichem Erfolg mit Intelligenz – und deren teilweise Erblichkeit.

Seit 50 Jahren beklagt Österreichs linker Mainstream die konstant hohe Erblichkeit von Bildung – obwohl er die Schul- und Bildungspolitik fast ebenso lange dominierte. Nun hat man einen neuen (alten) Buh-Mann ausgemacht: die Lehrer. Weil Schüler aus beruflich erfolgreichen Elternhäusern seit Jahrzehnten bessere Noten schreiben, und alle Menschen offensichtlich gleich talentiert sein müssen, deuteten die schulfernen Sozialwissenschaftler an, man hätte die Noten von „Rich Kids“ wohl hinaufkorrigiert.

Tolerant und (links-)liberal

Die Ergebnisse von Tests und Schularbeiten lassen sich aber auch bei bösestem Vorsatz nicht fälschen, schon seit geraumer Zeit müssen Notenschlüssel und Erfolgskriterien auf jedem Test abgedruckt werden.

Auch Schülerkataloge verraten heute nur mehr wenig über die soziale Lage von Eltern – geschweige denn ihr Einkommen. Und ein Lehrer, welcher Nachforschungen über die soziale Stellung eines Schülers (oder gar von 150) anstellen wollte, wäre sofort auffällig – und geächtet. Denn es ist vielen Lehrern geradezu wesensimmanent, besonders für die Schwächeren zu fühlen. Nicht zufälligerweise sind Pädagogen in jeder Gesellschaft stets toleranter, weltoffener und (links-)liberaler als andere Bevölkerungsgruppen.

Was bedeutet Korrelation?

Für die Frage, wie weit die eine Variable, Intelligenz, zur Ausprägung einer anderen, Schulerfolg, führt, müssen Testergebnisse so ausgewertet werden, dass man deren Korrelation r messen kann. Der Wert r nimmt einen Wert zwischen 0 und 1 ein.

Je größer die Stichprobe ist, desto niedriger kann r sein. So genügt bei 30.000 untersuchten Personen bereits ein Wert von 0.2, um einen starken Zusammenhang der beiden Variablen zu untermauern. Bei nur befragten 30 Personen müsste r hingegen 0.9 einnehmen.

Talente bedingen Schul- und Berufserfolg

Die Korrelation zwischen Intelligenz und Schulerfolg gehört zu den höchsten in der psychologischen Diagnostik. Für Schulnoten liegt sie laut American Psychological Association bei r = 0,50, für Schulerfolg bei r = 0,55. Bei Asendorpf von der Berliner Humboldt Universität korrelieren „höchste abgeschlossene Ausbildung“ (bis zu einem Alter von 40) und Intelligenz sogar mit 0,7.

Im Jahr 2009 verdichtete Kramer von der Uni Bonn in einer aufsehenerregenden Metastudie 244 Intelligenz-Studien mit über 30.000 Probanden – beginnend von 1928 bis 2006 – zur Meta-Aussage: Intelligenz korreliert mit beruflicher Lernleistung extrem stark (r=0.62), ebenso mit Einkommen (0.35) und beruflichem Erfolg (0.33). Entgegen oft vorgebrachter Einwände, solche Tests wären wenig valide, zeigte sich, dass gerade Intelligenztests zu den Testverfahren mit der höchsten Validität gehören.

Arme nicht weniger intelligent

Dabei ist der Rückkehrschluss, Wenig-Verdiener wären weniger intelligent, nicht zulässig. Auf der einen Seite trachten immer mehr Menschen immer seltener nach hohem Einkommen – schon eher nach Freizeit oder Sicherheit. Auf der anderen Seite verhindern auch negative Umweltfaktoren entsprechende Entwicklungen: So schaffen es manche Gesellschaften noch immer nicht, hochtalentierten, aber allein erziehenden Frauen eine angemessene Karriere zu ermöglichen.

„Intelligenz ist erblich“

So eröffnete der deutsche Tagesspiegel 2012 eine Diskussion, der sich mittlerweile auch „Spiegel“ & Co angenommen haben. Grundtenor: Intelligenz ist (ziemlich) erblich. Je älter Menschen würden, desto größer wäre der Einfluss ihrer Gene. Das Postulat der 68er-Generation, „bei entsprechender Förderung könnten selbst Hilfsarbeiter Uniprofessoren werden“, hätte sich als frommer Wunsch herausgestellt. „Der Durchschnitts-IQ von naturwissenschaftlichen Akademikern liegt 30 Punkte über dem von Packern“, so der Wissenschaftspublizist Dieter Zimmer („Die Zeit“).

Was Menschen – privat gefragt – als selbstverständlich ansehen, nämlich die Erblichkeit von Merkmalen, wird von Österreichs Mainstream als „Biologismus“ abgekanzelt, eine öffentliche Diskussion damit verboten. Dabei ist die Erblichkeit von Talenten fast so hoch wie die der Körpergröße. Bei US-Mittelschichtkindern werden die Talente laut Turkheimer von der University of Virginia zu 72 Prozent von Genen beeinflusst, bei solchen aus der US-Unterschicht (mit ihren extremen Ausformungen von Armut) hingegen fast gar nicht.

Mit „5er“ aufsteigen

Österreichs Schule muss die Potentiale seiner Schüler aber besser ausschöpfen. Stattdessen drängt es junge Menschen aus dem System, nur weil sie auf einem einzigen Gebiet, etwa der Mathematik, untalentiert sind. Man zwingt Eltern und Kinder, große Energien für den (oft aussichtslosen) Ausgleich einer Teil-Schwäche zu verschwenden, anstatt sich auf die (erträglichere) Förderung der vielen anderen Talente zu konzentrieren.

Auch Ganztagesschulen, modernere Gebäude mit Freizeitmöglichkeiten und „Summer School“-Angebote nach US-Vorbild könnten lernschwache Kinder künftig stärker fördern.

Noten messen nicht Leistung

Wo PISA Recht hat, ist der Vorwurf, Österreichs Schulnoten würden nicht immer die tatsächliche Leistung messen. So wurde jeder fünfte Wiener Volksschüler in Deutsch mit „Sehr Gut" (3 Prozent) oder „Gut" (17%) benotet, obwohl er laut Erhebung massive Probleme beim Lesen hatte.

Neben den natürlichen Problemen, die sich aus einer starken Zuwanderung ergeben, liegt es aber auch an der mangelnden Güte vieler Testfragen. Oft werden diese (trotz neuer Vorgaben) so konstruiert, dass mit der auswendig gelernten Wiedergabe eines homogenen, abgeschlossenen Stoffgebietes die meisten Punkte erzielt werden. Auf Verknüpfungen mit anderen Inhalten beziehungsweise die eigenständige Anwendbarkeit wird weniger geachtet.

Dies ist aber (auch) der Entwicklung der letzten 20 Jahre geschuldet: Statt – vereinfacht gesagt – wie früher 8 Fächer mit jeweils 4 Wochenstunden gibt es heute 16 Fächer mit jeweils 2. Damit erwirbt man pro Fach zwar weniger Kompetenzen, verbreitet seine Kenntnisse aber durch neue Fächer wie Computer, Internet oder Rhetorik horizontal.

„Lehrer-Verschwörung“ abgesagt

Die meisten hoch begabten Schüler kommen weltweit aus Mittel- und Oberschicht. Aber nicht weil ärmere Kinder an der Schulpforte abgewiesen oder von sadistischen Lehrern bewusst diskriminiert und ausgegrenzt würden, sondern weil die Kinder ihre Intelligenz von jenen Eltern geerbt haben, denen schon ihre eigene Intelligenz zu sozial hohem Status verholfen hatte.

Wer jetzt eins und eins zusammenzählt, den Einfluss der Talente auf Noten und Einkommen und deren teilweise Erblichkeit, der kann die These, Lehrer würden Schüler aufgrund ihrer Herkunft mehr oder weniger bewusst diskriminieren, nicht mehr aufrechterhalten.

Der Betriebswirt und Wirtschaftspädagoge Michael Hörl ist Lehrer an den Tourismusschulen Salzburg Klessheim. In seinem letzten Buch, „Die Gemeinwohl-Falle“, befasste er sich mit den Mythen des „linken Mainstreams“.

www.michaelhoerl.at

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Sie werden immer gefährlicher: die Psych.s

07. August 2013 01:36 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Sieben Jahre lang war der Nürnberger Gustl Mollath in einem psychiatrischen Krankenhaus interniert. Bis ihn jetzt endlich ein Gericht freiließ. Die Ursache des Justizskandals: Das ist die viel zu große Macht, die Psychiater und andere Psych.-Berufe errungen haben. Und diese Macht ist viel bedrohlicher als das parteipolitische Vorwahlgezänk, das in Deutschland um den Fall Mollath entbrannt ist.

Ohne in die Details des Falles eintreten zu wollen: Alles hat mit gegenseitigen Vorwürfen und Anzeigen im ehelichen Rosenkrieg begonnen. Daraus entstand das Drama des Herrn Mollath: Gerichtsgutachter attestierten ihm gravierende psychische Störungen und Wahnvorstellungen.

Ein Hauptgrund für diese Gutachten war, neben den Vorwürfen seiner Frau: Mollath hatte – im Gegenzug zu den ihn treffenden Anschuldigungen seiner einst besseren Hälfte – dieser (sowie etlichen ihrer Kollegen und Kunden) vorgeworfen, in ihrem Bankjob bei der HypoVereinsbank in Steuerhinterziehung, Schwarzgeld- und Insidergeschäfte verwickelt zu sein.

Die Justiz und die Psychiater glaubten ihm aber nicht, gingen den Vorwürfen auch nicht sonderlich nach, sondern nähten ihn unbefristet in der Klinik ein. Dort wurde er seither behalten, denn dort traf ja dann ein weiterer Psych.-Vorwurf sogar wirklich zu: Der Mann zeigte keine Einsicht, dass er krank ist. Er kämpfte vielmehr immer weiter um die Wiedergewinnung seiner Freiheit. Lange Zeit vergeblich.

Aber dann passierte das Unerwartete: nicht die Justiz oder Polizei oder gar ein Psych., sondern ein interner Revisionsbericht der Bank fand heraus, dass Mollaths Vorwürfe zumindest großteils zutreffen. Was jedenfalls für die Bank spricht. Dennoch gab es noch etliche ablehnende Entscheidungen zu seinen Anträgen. Erst jetzt ließ ihn ein Obergericht in Freiheit setzen.

Ein beklemmender Justizskandal. In dessen Kern finden sich gleich zwei deprimierende Aspekte, die man immer öfter auch in Österreich beobachten kann: Erstens ist das die neuerlich bestätigte Tatsache, dass Polizei und Justiz nur ungern zum Umdenken bereit sind, wenn sie einmal in die falsche Richtung galoppieren. Zu ihren Galoppier-Stereotypen zählt etwa in Ehekriegen halt auch oft automatisch: Der Mann ist der Böse.

Noch beängstigender ist der zweite Aspekt: Das ist die viel zu große Macht, die Psychiater und Psychologen über unser Leben errungen haben. In allen möglichen Bereichen.

Über manche Aspekte dieses Psychosiegs könnte man ja fast lächeln, wenn nicht die Anlässe traurige wären: Heute kann fast kein Unglücksfall mehr passieren, ohne dass nicht sofort Psych.s auf Angehörige und Überlebende losgelassen würde. Früher hat einen halt – wenn man es überhaupt wollte – ein Priester unentgeltlich getröstet; aber diesen Beruf hat man ja längst zur Seite gedrückt (und es gibt auch viel zu wenig von ihnen). Jetzt wird hingegen ständig nach dem Psych. als fixem Bestandteil eines Unglücksablaufs gerufen.

Heute kann auch kaum ein Kind mehr Probleme in der Schule haben oder heftig pubertär werden, ohne dass es nicht sofort zu Psych.s geschickt wird, wo es mit Pillen oder kostspieligen Therapien gequält wird. Man wundert sich geradezu, dass es vor dem Psych.-Boom überhaupt jemanden gegeben hat, der seine Pubertät, seine Schulprobleme oder einen Unglücksfall überstanden hat.

Noch schlimmer: Am Beginn vieler Berufslaufbahnen - etwa eben auch des Richterberufs! - stehen psych. Gutachten. Mit vielen fragwürdigen Tendenzen. So berichten empörte alte Richter, dass manche höchstqualifizierte Richteramtsanwärter abgewiesen worden sind, weil ein Psych. gemeint hat, ein religiöser Mensch könne doch nicht ein guter Richter sein.

Über die Rolle der Psych.s in der Justiz kann man aber nicht einmal aus der Distanz lächeln. Denn dort maßen sie sich an, in Situationen die Wahrheit herauszufinden, wo diese einfach nicht herausfindbar ist. Viele Richter schließen sich aber allzu oft bedenkenlos den Psych.-„Erkenntnissen“ an. Statt den wunderbaren alten Rechtsgrundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ zu praktizieren, freuen sie sich über ein Gutachten, in dem ein Psych. behauptet, die Wahrheit herausgefunden zu haben. Und schon können die Richter ein „auf Gutachten gestütztes“ Urteil verkünden, das dann angesichts dieser Stütze meist auch in der Instanz hält.

Wie ist das Leben doch dadurch für die Richter leicht geworden! Sie müssen sich nicht mehr mit alten Rechtsgrundsätzen oder mit der philosophischen Erkenntnis „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ begnügen. Wunderbar. Die Wahrheit ist ja heutzutage nur jeweils ein Gutachten entfernt.

Das ist freilich für viele Opfer dramatisch. Denn in aller Regel können sie ja nicht mit dem Mollath-Zufall rechnen, dass zumindest Jahre später eine Bankrevision die Wahrheit aufdeckt und die Psychs. Lügen straft.

Man denke nur über den Fall hinaus. In wie vielen familienrechtlichen Konflikten verkünden die Psych.s bloße persönliche Meinungen als Wahrheiten, wie viele Kinderschicksale werden durch sie – bisweilen nach wenigen Minuten Diagnose! – entschieden. Was die Rolle der Psych.s besonders dramatisch macht: Immer öfter wird gerade bei Scheidungskriegen ein „Missbrauch“ erfunden und in die Schlacht geworfen. Gegen den (Ex-)Mann, gegen den neuen Freund der Mutter. Fast nie gibt es jedoch Beweise. Dennoch wird allzu oft ein Psych. zum allmächtigen Entscheider, der so tut, als könnte er alles herausfinden.

Einer aus ihrer Gilde hat vor kurzem in einem konkreten Fall diagnostiziert, ein tatverdächtiger Jugendlicher wäre noch zu unreif gewesen, um das Verbotene seiner Tat einzusehen. Der selbe Jugendliche ist aber davor nicht zu unreif gewesen, um Passanten mit Hilfe eines Messers um Handy und Bargeld zu erleichtern. Aber offenbar hat er halt nicht gewusst, dass man das eigentlich nicht tun sollte. Und daher könne man ihn doch nicht bestrafen.

Ein anderer Psych. hat sogar behauptet, dass 90 Prozent aller jugendlichen Straftäter eigentlich psych. Fälle seien. Das heißt natürlich im Klartext: All diese 90 Prozent gehören eigentlich ihm und seinen Berufskollegen.

Wenn solche Wahrheitsspender und Gurus Gehör finden, hört sich letztlich der Rechtsstaat auf. Denn die logische Folge aus all dem ist ja die Abschaffung von Straf- und Familiengerichten und ihre Ersetzung durch die Weisheit der allwissenden Psych.s.

Die Wahrheit gepachtet zu haben, ist gut fürs eigene Ego

Woher kommt dieser absurde Trend? Drei Wurzeln sind wohl entscheidend:

Zum ersten ist es für jeden Menschen, also auch einen Psych., sehr verführerisch, wenn ihm a priori die Behauptung abgenommen wird, dass er die Wahrheit kennt. Es erhöht das eigene Ego ungemein, wenn man das anderen einreden kann. Warum sollte man da zugeben, dass man eigentlich nur Vermutungen äußert, oder gar, dass man bloß aktuellen (Psych.-)Modetrends folgt?

Zum zweiten ist das gutachterliche Urteilen über andere Menschen eine einträgliche Einnahmequelle. Das ist selbst dann der Fall, wenn man sich mit seinen „Objekten“ eingehender, also zeitaufwendiger zu befassen bereit ist und nicht bloß eine Viertelstunde lang.

Und zum dritten ist dieser Trend eine logische Folge der reinen Quantität. Denn die Menschen mit irgendeiner Psych.-Ausbildung werden ja immer zahlreicher. Und wie in vielen anderen Bereichen gilt auch hier: Wenn es nicht genug Arbeit für eine Berufsgruppe gibt, schafft sie sich halt welche.

Aber schuld an dem Irrweg sind eigentlich die Richter, die Lehrer – und wir alle. Denn wir trauen diesen Psych.s viel zu viel zu. Wir fallen immer wieder auf ihre wissenschaftlich verbrämte Durchblicks-Attitüde hinein. Und mangels anderer Orientierungen gefällt uns das auch oft. Sind doch Seele und/oder Geist für die meisten von uns sowieso so etwas wie eine Blackbox. Uns ist jedenfalls das Psych.-Gerede viel lieber als die Erkenntnis, dass sich die Wahrheit gerne der menschlichen Erkenntnis entzieht. Das kennen wir ja auch in anderen Bereichen, wo Menschen massenweise und leichtgläubig einem Guru folgen. Umso lieber, je abstruser er ist.

Das alles heißt nun gewiss nicht, dass ich automatisch alle Psychologie und Psychiatrie für einen Nonsens halte. Aber den Psych.s stünde – wie vielen anderen Berufen – ein ordentliches Stück Demut und Bescheidenheit dringend an.

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Politisch korrekte Philosophie

05. August 2013 23:42 | Autor: Friedrich Romig
Rubrik: Gastkommentar

Auf 271 Seiten versucht Markus Gabriel – mit Jahrgang 1980 der wohl jüngste Philosophieprofessor Deutschlands – zu begründen, „warum es die Welt nicht gibt". Seine wort- und einfallsreichen Begründungen lassen sich in einem Satz zusammenfassen: Es gibt die Welt nicht, weil es Gott nicht gibt. Gott existiert nicht „in dem Sinne, dass es eine Person gibt, die Gesetze verhängt oder sich außerhalb des Universums an einem unzugänglichen Ort befindet" (S. 208).

Gott ist „kein Prinzip, das alles zusammenhält und organisiert. Die Welt gibt es nicht. Auch Gott kann es demnach nicht geben, wenn wir unter <Gott> ein solches Prinzip verstehen" (S.211).

„Man könnte provokativ sogar sagen, dass Religion die Einsicht ist, dass es Gott nicht gibt, dass Gott kein Objekt oder Supergegenstand ist, der den Sinn unseres Lebens garantiert" (S. 211). „Wenn man meint, dass es einen großen Regenten gibt, der das Universum und das menschliche Leben steuert, täuscht man sich. Denn es gibt kein solches Weltganzes, das dann auch noch jemand zu regieren hätte" (S. 212). Religion als „Vorstellung von einem allumfassenden, alles beherrschenden Weltprinzip" ist „Fetischismus" (S. 185). „Der Fetischismus identifiziert ein Objekt als den Ursprung von allem und versucht, aus diesem Objekt die Identitätsmuster zu entwickeln, denen alle Menschen Folge leisten sollten. Dabei spielt es dann nur noch an der Oberfläche eine Rolle, ob Gott oder der Big Bang verehrt wird" (S. 190).

Gabriels Auffassung hat politische Konsequenzen: Wenn es Gott und die Welt nicht gibt, „dann gibt es auch keine einheitliche deutsche Gesellschaft, in die man dann irgendjemand integrieren müsste" (S. 236). Demokratie steht „dem Totalitarismus entgegen, weil sie in der Anerkennung der Tatsache besteht, dass es keine abschließende, alles umfassende Wahrheit" gibt (S. 236). Weil die eine Welt nicht existiert, „existieren viele Sinnfelder" und Perspektiven (vgl. S. 240). „Die Vielzahl real existierender Perspektiven anzuerkennen ist gerade die Pointe moderner Freiheit (…), die nicht auf eine unnötige Vereinheitlichung setzt" (S. 254). Politik ist gefordert, sich dem „Perspektivenmanagement" zu stellen (S. 236).

Markus Gabriel nennt seine Anschauungen „Neuen Realismus". In ihm spiegelt sich die heute allgegenwärtige „Diktatur des Relativismus, die nichts als endgültig anerkennt" (J. Ratzinger, 2005). Nichts gegen Philosophen, welche sich dieser Diktatur unterwerfen und, gestützt auf Film- und Fernsehserien, eine Art Show about Nothing abziehen. Doch zum akademischen Comment gehört es, sich mit der wichtigsten Gegenstimme auseinanderzusetzen, die sich dieser Diktatur des Relativismus widersetzt. Das ist heute wie seit eh und je das Lehramt der katholischen Kirche, dessen Äußerungen zu philosophischen Grundfragen höchste Beachtung verdienen.

Zum einen kommt in diesen Äußerungen nicht eine persönliche Meinung, sondern eine kollektive Stimme zum Ausdruck, die für über eine Milliarde Menschen spricht, ihnen Handlungsnormen und Werte vorgibt, und schon deswegen in der Öffentlichkeit ein weites Echo findet. Zum anderen sind lehramtliche Äußerungen häufig das Ergebnis intensiver Beratungen, an denen die feinsten Geister teilgenommen haben. Dadurch erhalten diese Äußerungen eine natürliche Autorität, die auf Argumentation und geistiger Gültigkeit beruht.

Solche autoritativen, kollektiven Äußerungen stellen häufig genug „Zeitgeistsperren” dar. Sie zu unterschlagen beruht entweder auf Ignoranz, oder meist auf dem Vorsatz, dem Lumen gentium keinen Platz einzuräumen und einer Auseinandersetzung mit diesem „Licht der Völker” aus dem Wege zu gehen. Für Markus Gabriel ist das typisch.

Im Quellenregister finden sich zwar zeitgenössische Regisseure wie Christoph Schliengensief oder Jean-Claude Brisseau, nicht jedoch philosophische Denker vom Rang eines Joseph Ratzinger oder Karol Wojtyla. Eine Auseinandersetzung mit so beutenden Enzykliken und Lehrdokumenten aus jüngster Zeit wie jenen über das Verhältnis von Glaube und Vernunft (Fides et ratio, 1998), von Wahrheit, Freiheit und Moral (Veritatis splendor, 1993), der Religionen zueinander (Nostra aetate, 1965), von Kirche und Welt (Gaudium et spes, 1965), von Kirche, Naturrecht und Demokratie (Evangelium vitae, 1995) oder über die Würde des Menschen (Dignitatis humanae, 1965) oder über die Soziale Frage (heute zusammengefasst im „Kompendium der Soziallehre der Kirche”, 2004), sucht man bei Gabriel vergebens.

Obwohl er die gleichen Themen in extenso behandelt, verzichtet er auf die Heranziehung dieser Weltdokumente. Philosophisch bewegen sich diese Dokumente auch auf der Ebene der „natürlichen Vernunft” und nicht nur der Theologie. Sie als die entschiedene und starke philosophische Gegenstimme gegen Relativismus und Modernismus nicht zu berücksichtigen, verkitscht den „Neuen Realismus” Gabiels zu einer primitiven Rechtfertigungs- und Beschwichtigungsphilosophie zum Zwecke der politisch korrekten Affirmation einer uns vorgespiegelten „heilen” Welt, welche die Sinn- und Wahrheitsfrage nicht mehr stellt und in einem wohlfeilen Gebräu aus Toleranz und Pluralismus ertränkt.

Cui bono? Der Unisono-Beifall aus der Ecke der gelenkten Qualitätsmedien (NZZ, FAZ, Spiegel, Süddeutsche, Welt, TV) legt die Antwort nahe.

Der Autor lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Er veröffentlichte zuletzt „Die Rechte der Nation“ (Stocker, Graz 2002), „Der Sinn der Geschichte“ (Regin-Verlag, Kiel 2011) und „ESM-Verfassungsputsch in Europa“ (Schnellroda 2012).

Markus Gabriel: Warum es die Welt nicht gibt. 271 Seiten. 5. Aufl. Ullstein-Verlag, Berlin 2013. ISBN 978-3-550-0810-4. 18,00 €

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Die Ökonomie von Gut und Böse

04. August 2013 23:19 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Der Autor, Tomáš Sedlácek, Chefökonom einer tschechischen Großbank, lehrt an der Universität Prag Wirtschaftswissenschaften und fungierte während der Amtszeit von Präsident Václav Havel als dessen Berater. Kein ausschließlich im Elfenbeinturm sitzender Gelehrter also, sondern vielmehr ein Mann mit praktischem Zugang zu den in seinem Buch behandelten Fragen.

Der von John Stuart Mill (dem „Vater“ des Utilitarismus), später auch von F. A. Hayek, formulierte Gedanke „Wer nichts anderes ist, wird wahrscheinlich kein guter Volkswirt sein“, charakterisiert die Arbeit Sedláceks. Hier schreibt eher der Philosoph, weniger der Ökonom. Sein zentrales Anliegen ist es, der Frage nachzugehen, ob es sich auszahlt, gut zu sein, oder ob das Gute außerhalb jedes Nutzenkalküls liegt.

Zu diesem Behufe schlägt der Autor – nicht ohne Witz und mit scharfem Blick fürs Wesentliche – einen weiten Bogen von den Anfängen aller schriftlichen Überlieferungen, dem Gilgamesch-Epos, über das Alte und Neue Testament (letzteres hat er akribisch auf seine erstaunlich zahlreichen wirtschaftlich relevanten Aussagen untersucht) und die „Klassiker“ der Ökonomie, bis in unsere von einer langjährigen Schulden- Währungs- und Demokratiekrise gekennzeichneten Tage.

Sedlá?ek geht mit seiner eigenen Zunft durchaus hart ins Gericht. So kritisiert er etwa scharf deren Reduzierung des Menschen auf den Homo oeconomicus und dessen rein mathematische Funktionen. Die moderne Ökonomie lege seiner Meinung nach „zu viel Gewicht auf die Methode anstatt auf die Substanz.“ In der Tat: Moderne Lehrbücher der Ökonomie sind – seit Paul Samuelsons „Economics: An Introductory Analysis“ – anders als die der Klassiker, voll mit Formeln und Diagrammen. Man meint, es mit Werken zur Physik zu tun zu haben…

Betrachtungen der Phänomene Geld, Zinsen, Wert und Bedeutung der Arbeit (die dem Menschen erst mit seiner Vertreibung aus dem Garten Eden zum Fluch wurde) bilden ebenso Bestandteile seiner Ausführungen, wie solche zum Unterschied von Tausch- und Gebrauchswert von Gütern und die Beschäftigung mit der Spieltheorie.

Der heutzutage so gut wie ausschließlichen Festlegung von Studenten der Wirtschaftswissenschaften auf die total mathematisierte „Neoklassik“ steht Sedlácek kritisch gegenüber: „Obwohl wir am stärksten an die menschliche Entscheidungsfreiheit glauben, erlauben wir es den Stundenten ja nicht, ihre eigene ökonomische Denkschule auszuwählen – wir lehren sie nur noch den Mainstream.“ Man meint, den Befund eines Protagonisten der „Austrian Economics“ vor sich zu haben.

Bilanz des Autors: „Wir haben zu viel Weisheit gegen Exaktheit getauscht, zu viel Menschlichkeit gegen Mathematisierung.“ Mein Fazit: Erhellende Sommerlektüre!

Die Ökonomie von Gut und Böse
Tomáš Sedlácek (Carl Hanser Verlag, München 2012
ISBN 978-3-446-42823-2
447 Seiten, gebunden, € 24,90,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Angepasste Hosenscheißer

03. August 2013 00:42 | Autor: Werner Reichel
Rubrik: Gastkommentar

Bernhard Heinzlmaier ist ein bekannter und renommierter Jugendkulturforscher. Er hat Lehraufträge an der Popakademie in Mannheim, am Institut für Bildungswissenschaften der Universität Innsbruck oder am Joanneum Graz, er ist gefragter Gast in Radio und Fernsehen, hat mehrere einschlägige Bücher geschrieben und leitet das Marktforschungsinstitut Tfactory in Hamburg.

Politische Parteien, Ministerien, NGOs, Verlagshäuser, Konzerne und Universitäten hören auf das, was Herr Heinzlmaier über die junge Generation und ihre Vorlieben, Interessen, Motive und Ziele zu sagen hat. Politiker, Beamte, Staatsanwälte, Journalisten, Studenten, Programmgestalter, Lehrende und Marketingmenschen beziehen ihr Wissen über die junge Generation zu einem beträchtlichen Teil von solchen Wissenschaftlern und Instituten.

Der Einfluss, den Heinzlmaier und seine Kollegen auf Gesellschaft, Kultur, Medien, Politik und damit auf unser aller Leben haben, ist nicht zu unterschätzen. Zu den TFactory-Kunden gehören etwa die Arbeiterkammer NÖ, der ORF, die ÖBB, die Kinder- & Jugendanwaltschaft Salzburg, das Sozial- und das Innenministerium, der Salzburger Landeskulturbeirat oder die Stadt Wien. Die Erkenntnisse eines Herrn Heinzlmaier finden so ihren Niederschlag in Werbekampagnen, Parteiprogrammen, Wahlkampfstrategien, Lehrplänen, Drehbüchern, Förderrichtlinien, Gesetzestexten usw.

Herr Heinzlmaier hat dem Jugend-Internetmagazin „paroli“ jetzt ein Interview gegeben. Darin spricht er über seine Gedankenwelt, seine Ressentiments und seine ideologische Verortung. Ein äußerst aufschlussreiches Gespräch, auch wenn oder vor allem weil Heinzlmaiers Ein- und Ansichten, was er über die Gesellschaft und die Jugend denkt und zu sagen hat, nicht neu und wenig originell sind. Er ist ein geradezu idealtypischer Vertreter der rezenten Geistes- und Sozialwissenschaften.

Obwohl um ein paar Jahre zu spät geboren, ist Heinzlmaier ein waschechter Alt-68er. Da verwundert es auch nicht weiter – Jugendkulturforscher hin oder her – wenn er in „paroli“ über den „Trend zum angepassten Hosenscheißer“ lamentiert. Ja, ja die heutige Jugend ist nicht zu vergleichen mit dem jungen Heinzlmaier. Was war der früher nicht für ein unangepasster Teufelskerl und Revoluzzer. Keine Spur von Hosenscheißer: „Damals habe ich von Tag zu Tag gelebt und mir das Recht herausgenommen, keine Pläne zu haben. (…) Das Leben kann auch daraus bestehen, dass man sich täglich besäuft und bekifft und Nietzsche liest.“

Wow! So wie Klein-Heinzlmaier haben damals allerdings ein Großteil der Studenten gedacht, gelebt und gehandelt. Er war nicht mehr und nicht weniger als ein Kind seiner Zeit: Ein linker Mitläufer, der wie viele andere auch schlicht und einfach jene großzügigen Angebote und Freiräume, die Politik, Staat und Gesellschaft damals der Jugend machten, intensiv ausgenutzt hat. Das hatte mit Unangepasstheit, Eigenständigkeit, „kreativer Selbstverwirklichung“ oder gar Mut rein gar nichts zu tun. Die zumeist aus der Mittelschicht stammenden gut behüteten linken Studenten haben nie irgendetwas riskiert. Man rannte lediglich offene Türen ein. Darauf sind Heinzlmaier und seine linken (Alters)Genossen auch noch heute mächtig stolz.

Und während der Forscher seine eigene Jugend in schönsten Pastellfarben ausmalt, drischt er unbarmherzig auf die jetzige ein. Im Klappentext seines aktuellen Buches „Perfomer, Styler, Egoisten“ heißt es großspurig: „Doch die gut ausgebildeten Ungebildeten sind ängstliche Kreaturen mit begrenztem Horizont und engem Herz (…)“ Und im „paroli“-Interview mokiert sich der blasse Alt-68er über „langweilige Menschen, die alle im gleichen Jargon und den gleichen Vokabeln daher reden und alle dieselben Absichten und dasselbe Erfolgskonzept haben, das mit ihren persönlichen Gefühlen und mit ihrem Leben und Bedürfnissen überhaupt nichts zu tun hat.“

Wie immer schuld: der Neoliberalismus!

Die ängstlichen blöden jungen Spießer bräuchten sich doch nur an den 68-ern und ihren Epigonen ein Beispiel nehmen. Die hatten alle eine ganz individuelle Sprache und ganz unterschiedliche Vokabeln (und konnten sich trotzdem verständigen) und natürlich total individuelle Ziele und Pläne (man sieht ja was aus ihnen geworden ist). Und wer ist schuld, dass die Jungen nicht mehr so toll wie früher sind? Bingo! Der böse Neoliberalismus. Der Beelzebub und Sündenbock aller frustrierten Altlinken.

Vor allem in Österreich ist die neoliberale Ideologie ja besonders dominant, in einem Land in dem – mit einer einzigen kurzen Unterbrechung – seit 1970 sozialistische Bundeskanzler an der Macht sind und das eine der höchsten Steuer- und Abgabenquoten weltweit hat. Neoliberalismus in seiner reinsten Ausprägung eben. Aber Heinzlmaier ruft einfach: Haltet den Dieb!

Natürlich wird der wirtschaftliche Druck auf die junge Generation immer größer. Kein Wunder, befindet sich doch Österreich und ganz Europa im wirtschaftlichen Sinkflug. Das hat allerdings wenig mit Neoliberalismus und viel mit den Folgen leistungsfeindlicher sozialistischer Umverteilungspolitik zu tun. Die europäische Jugend zahlt jetzt die Zeche für die „kreative Selbstverwirklichung“ der vielen Tausenden Heinzlmaiers, die noch immer vom sozialistischen Schlaraffenland träumen: „Der Neomaterialismus steht für eine Grundhaltung, die postmaterielle Werte der ‘68er Generation wie Solidarität, Toleranz, idealistische Selbstverwirklichung und die Kritik an gesellschaftlicher Ungerechtigkeit und Unterdrückung durch ein neomaterialistisches Wertesetting ersetzt.“

Wenn man das liest, bekommt man richtig Lust, sein Che-Guevara-T-Shirt überzuziehen, eine Grateful Dead Platte aufzulegen, einen Joint anzuzünden und ein bisschen in der Mao-Bibel zu schmökern. Und weil diese Zeit damals so furchtbar toll war, hat sie auch so großartige Geister und Denker wie Herrn Heinzlmaier hervorgebracht: „Aber ich bevorzuge den ausgeflippten Punk, oder einen alten, versoffenen Philosophen gegenüber den coolen, performenden Anzug-Typen, die vorbei laufen und ihre komische, lächerliche Erfolgsgeschichte inszenieren, die zum Beispiel darin bestehen kann, irgendeine verblödete Applikation für das Handy zu programmieren und diese dann verkaufen. Diese Typen interessieren mich einfach nicht. Das sind langweilige, öde Menschen.“

Denn, so der spannende Heinzlmaier: „Strebsam sein ist an sich widerlich“. Sein brillanter Gegenentwurf zur widerlichen neoliberalen Leistungsgesellschaft und zum angepassten Hosenscheißertum: „Auf dem Weg zu diesem Interview bin ich an Punks vorbeigegangen, die mit Hunden auf der Straße sitzen, denen ich auch immer Geld gebe, denn das ist für mich der richtige Weg zu einer Erneuerung der Gesellschaft. Diese „Verpunkung", also dass wir uns mit Hunden irgendwo auf die Straße setzen und Bier trinken und das Leben an uns vorbeiziehen lassen: Das wäre ein Ideal, das ich dem heutigen Ideal entgegen halten würde.“

Man kann seine Vision zur Erneuerung der verkommenen europäischen Gesellschaft richtig vor sich sehen: Mit Graffiti beschmierte Großstädte voll mit besoffenen Punks samt verdreckten streunenden Hunden und dazwischen die letzten verbliebenen widerlichen angepassten Hosenscheißer, die ständig für Nachschub an Dosenbier, Haarfärbemittel, Lederjacken und Sozialhilfegeldern sorgen müssen. Man muss wohl mehrere Semester Germanistik studiert haben und bekannter Jugendkulturforscher sein, um solch richtungweisende gesellschaftliche Utopien entwerfen zu können. Fragt sich nur, warum Herr Heinzlmaier nicht selbst mit Irokesenschnitt und speckiger Lederjacke herumläuft? Liegt es vielleicht daran, dass er selbst das ist, was er der Jugend vorwirft? Man will doch schließlich nicht die Marktingabteilung von Procter und Gamble oder der ÖBB vor den Kopf stoßen.

Und weil die widerliche und langweilige Jugend Heinzlmaiers feuchte Träume partout nicht realisieren möchte, schmollt er eben bisschen: „Es ist ein Menschentypus dominant, der, wenn er das Wort Solidarität gebraucht, dann in erster Linie seine Freunde und Familie damit meint.“

Wie können sie nur. Familie! Wie widerlich. „Ich selbst möchte am liebsten morgen schon nicht mehr aktiv sein. Ich hasse das Aktiv-Sein. Aber meine finanzielle Situation erlaubt es mir nicht anders.“ Vielleicht hätte er halt doch eine unnötige App entwickeln sollen. Aber so muss er weiter über die dumme, angepasste, langweilige und widerliche Jugend „forschen“ und publizieren. Und das ist fatal. Schließlich glauben viele Politiker, Beamte, Marketingmenschen und sonstige Entscheidungsträger das wissenschaftlich verbrämte Geschwätz eines frustrierten Alt-68ers.

Das gesamte Interview mit Bernhard Heinzlmaier: http://www.paroli-magazin.at/dargestellt/interview/ich-sehe-den-trend-zum-angepassten-hosenscheisser/

Werner Reichel ist Journalist und Autor aus Wien. Von ihm ist 2012 „Die roten Meinungsmacher – SPÖ-Rundfunkpolitik von 1945 bis heute” im Deutschen Wissenschaftsverlag erschienen. Derzeit arbeitet er an einem Buch über Geschichte, Politik, Ideologie und Ziele der österreichischen Grünen.

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Depressiv, dekadent und überflüssig: Europa 2013

02. August 2013 01:03 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der große Historiker Walter Laqueur mag mit seinen 92 Jahren nicht mehr lange unter uns weilen. Aber die Weisheit, mit der er dieser Tage Europa analysiert hat, geht wohl weit über die Spanne seines Lebens hinaus. Es ist wohl das klügste, aber auch bestürzendste Interview gewesen, das man in den letzten Jahren über Europa lesen konnte.

Dabei ist das, was Laqueur da in einem Interview mit dem „Spiegel“ gesagt hat, in fast jeder Zeile von großer, ja verzweifelter Liebe zu Europa geprägt. Er spricht in vielem das aus, was man selber für die Zukunft des Kontinents fürchtet.

Vergnügungspark für die Neureichen aus anderen Kontinenten

Dennoch klingt seine Zukunftsvision aufs erste und oberflächlich recht harmlos. „Die Möglichkeit, dass Europa ein Museum oder ein kultureller Vergnügungspark für die Neureichen der Globalisierung wird, ist nicht völlig von der Hand zu weisen.“ Dies ist in Wahrheit ja heute schon der beherrschende Eindruck, den die Städte des Kontinents vermitteln.

Prinzipiell ist das – auch für den Historiker Laqueur – ja nichts Schlechtes: „Das Ausscheiden aus der Champions League ist nicht das Ende.“ Nur sollte man sich dessen eben auch bewusst sein. Denn „dann wäre es vielleicht auch ratsam, die freigiebige Verteilung von guten Ratschlägen an andere Länder etwas einzuschränken und die eigenen Leistungen weniger pathetisch zu beschwören.“

Laqueur sieht das aus der weit vom Objekt der Betrachtung zurücktretenden Perspektive des Analytikers (und sicher auch seines eigenen Alters): „Aufstieg und Zerfall von Reichen sind Konstanten der Geschichte.“ Das erinnert stark an Oswald Spengler, der schon am Beginn des vorigen Jahrhunderts den Untergang des Abendlandes prophezeit hat. Für Laqueur ist diese Perspektive entweder eine Konsequenz des Alterungsprozesses Europas oder die Folge seines Wohlstandes; dieser habe eine furchtsame Gesellschaft herausgebracht, die allen Konflikten ausweichen will und alle Warnsignale missachtet, durch die sie ihren Wohlstand gestört fühlt.

„Bevor der Zusammenbruch kommt“

Man sollte sich bei der Beurteilung nicht durch seine die relative Stabilität Europas in den letzten Jahrzehnten täuschen lassen: „Es gibt immer ein retardierendes, beharrendes Moment, bevor der Zusammenbruch kommt.“ Europa hoffe auf ein Wunder – wende aber jenes Rezept an, dass auf längere Sicht den geringsten Erfolg verspreche: „ein bisschen Reform hier, ein Stück Flickschusterei da und eine Dosis business as usual.“ Dahinter habe Europa aber das Gefühl für die klare und unmittelbare Gefahr verloren, welche seine Krise bedeutet. Der europäische Antiamerikanismus, „der auf der Linken wie auf der Rechten stets latent geblieben ist“, habe nämlich den Blick auf die eigenen Schwächen Europas verstellt, so Laqueurs unbarmherziges Urteil.

Die Europäer bleiben lieber in Deckung. Sie versuchen gar nicht mehr, wieder zu einer politischen Großmacht aufzusteigen. Aber: „Die Europäer haben noch nicht begriffen, dass es keinen Schutz vor den Folgen der Weltpolitik gibt.“ Ein Rückzug biete keine Sicherheit vor den Konsequenzen.

Europa sei von einer unerklärlichen Willenlosigkeit erfasst. Die europäische Krise sei nämlich keineswegs vorrangig eine Schuldenkrise. „Europäische Werte mögen noch so oft angerufen und angepriesen werden – Willensschwäche, Trägheit, Ermüdung, Selbstzweifel, mangelndes Selbstvertrauen, das läuft auf die psychologische Diagnose eines schwachen Egos hinaus.“

Den Umgang mit Rüpeln und Schurken lernen

Diese Ängstlichkeit strahle Europa naturgemäß auch nach außen aus. „Das merken die Rüpel, und das spüren auch die Hilfsbedürftigen.“ Laqueur verlangt von Europa, dass es endlich zur Kenntnis nehmen solle, in einer Welt zu leben, „in der allzu oft das Chaos herrscht, nicht das internationale Völkerrecht.“ Es müsse daher lernen, sich nach zwei verschiedenen Methoden in der Welt zu verhalten: „einmal nach solchen, die den Umgang untereinander regeln“; jedoch „wenn es um die Rüpel und Schurken geht, die noch nicht den aufgeklärten Zustand der Postmoderne erreicht haben“, dann sollte Europa begreifen, das ganz andere Methoden notwendig sind.

Zweifellos könnte man auch Europas unsichere Reaktion in der aktuellen NSA-Überwachungskrise so interpretieren. Die Europäer sehen in diesem Zusammenhang immer nur brave und anständige Bürger als Opfer, die Amerikaner (und zum Teil Briten) haben hingegen immer Schurken und Schurkenstaaten als Ziel all der Abhöraktionen vor ihrem Auge. Daher fällt es Europa auch so furchtbar schwer, mit den Amerikanern einen Konsens bei der Interpretation der Geheimdienstaktionen zu erzielen.

Zurück zu Laqueurs Bilanz. Sie ist jedenfalls deprimierend. Europa habe seinen moralischen Kredit weitgehend verspielt, fürchtet er. „Es scheut sich Sanktionen zu verhängen; es tut sich unendlich schwer, in Krisen außerhalb Europas zu intervenieren; es hat seine weitgehende Ohnmacht sogar bei Kriegen im eigenen Hinterhof bewiesen.“

Spielball der Weltpolitik

Europa spiele zwar in Wirtschaft und Handel weiterhin eine Rolle. „Aber bis heute steht der Kontinent politisch und militärisch nicht auf eigenen Füßen.“ Das wäre aber nur möglich, wenn global die Machtpolitik keine Rolle mehr spielten würde. „Die Konflikte sind jedoch nicht zurückgegangen, der Fanatismus und die Leidenschaft in ihnen brennen weiter“. Das mache es daher fragwürdig, ob der Gedanke einer europäischen Unabhängigkeit von der Weltpolitik realistisch ist.

Europa erweise sich angesichts der heraufziehenden Stürme vielmehr als hilflos und werde zu einem Spielball dieser Weltpolitik.

Brillante und mutige Gedanken zur Lage des Kontinents und der Union, die einem viel zum Nachdenken geben. Am beklemmendsten ist aber wohl, wie weit diese Gedanken ganz offensichtlich von der Realität Europas, von den Themen seiner Wahlkämpfe und von der Denkwelt seiner Politiker entfernt sind.

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Fußnote 459: Die Ganztagsschule, die „Experten“ und die Demokratie

17. Juli 2013 00:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Nur rückständige Hinterwäldler und die Lehrergewerkschaft verhindern den brennenden Wunsch der Eltern, dass ihre Kinder ganztägig und „verschränkt“, also mit Nachmittagsunterricht, in Schulen unterrichtet werden.

In Wahrheit aber wollen die Eltern das ganz und gar nicht. Diese Schulform könnte nämlich schon seit Jahren dort eingeführt werden, wo ein Drittel der Eltern zustimmt (also ohnedies nur eine Minderheit). Daher haben nur 1,8 Prozent der Schüler an AHS-Unterstufen solchen Unterricht bekommen. Viel mehr Schüler saßen hingegen in „unechten“ Ganztagsschulen, wo am Nachmittag nur Lernbetreuung angeboten wird. Diese Form lässt Kindern die Möglichkeit, an externen sportlichen oder kulturellen Aktivitäten teilzunehmen, am Reit-, Klavier- oder Balletttraining. Und die ganz große Mehrheit der Eltern hat sich überhaupt für die traditionelle Halbtagsform entschlossen. Quer durchs Land. Es waren immer die Eltern und praktisch nie die Lehrer, welche die progressive Reform abgelehnt haben. Dabei hatten Ministerium, Androsch und Industriellenvereinigung diese ihnen seit Jahren einzutrommeln versucht. Das alles hat jetzt das Unterrichtsministerium selbst zugegeben. Das alles ist doppelt erfreulich: Erstens weil einmal sogar von dort ein Teil der Wahrheit zu hören ist. Und zweitens, weil die große Mehrheit der Eltern durchaus willens und interessiert ist, die eigenen Kinder selbst zu betreuen. Was wieder einmal zeigt: die Menschen sind familienorientiert und jedenfalls viel vernünftiger als Medien, Politik und selbsternannte „Experten“.

 

 

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Wir zahlen für die Fiesta

16. Juli 2013 01:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wie sich binnen weniger Tage eines so zum anderen fügt. Beide spanischen Großparteien sind derzeit wegen schwerem Korruptionsverdacht in der Krise. Niemand aber braucht lange nachzudenken, woher denn das Bestechungsgeld für sie eigentlich gekommen ist. Die Antwort gibt diesmal sogar der sonst zahnlose und verschlafene EU-Rechnungshof: Er hat fast zeitgleich mit dem Platzen der Korruptionsaffären enthüllt, dass ein Quadratmeter Fahrbahn in Spanien fast doppelt so teuer ist wie in Deutschland. Na, bumm.

Der Rest ist geradezu zwingend logisch. Denn da spanische Arbeitskräfte nicht teurer sind als deutsche, ist die Vermutung in Wahrheit längst Gewissheit: Das europäische Geld für den Autobahnbau ist in dunkle Kassen geflossen.

Ein Teil floss zu den spanischen Eigentümern der Bauindustrie; diese hatten ja einige Jahre lang jede Summe Geldes, um von der Alpine bis Hochtief jede Baumaschine zusammenzukaufen. Der andere Teil floss zu den Parteien. Der konservative Ministerpräsident, der von einem Parteifreund verpfiffen worden ist, hängt ja seit einigen Tagen als mutmaßlicher Geldempfänger schwer groggy in den Seilen. Und die Sozialisten haben sich insbesondere in ihrer Hochburg Andalusien ebenso heftig an öffentlichen Geldern bedient.

„Öffentliche Gelder“ ist freilich ein recht unpräziser Ausdruck. Denn die spanischen Autobahnen sind nur zum Teil mit spanischem Geld, sondern vor allem mit EU-Geldern finanziert worden. Wie? Nun, die spanischen Regierungen haben seit Jahrzehnten Europa ständig erpresst. Sie haben diversen wichtigen Beschlüssen immer nur zugestimmt, wenn es frisches Geld für sie gab.

Dieses Geld wurde dann mit Hilfe von für die Durchschnittseuropäer kaum verständlichen Programmen nach Süden geschafft. Welcher Europäer fängt denn schon etwas an mit Worten wie „Kohäsionsfonds“ oder „Strukturgelder“? Jeder Europäer hat aber bei einem Spanien-Besuch gesehen, wie quer durchs Land kaum benutzte Luxus-Autobahnen gelegt worden sind. Er hat nur nicht begriffen, dass er selbst und nicht etwa die Spanier diese bezahlt hat.

Womit wir bei einer der vielen Erkenntnisse der neoliberalen Marktwirtschaft sind: Wenn nicht der Empfänger bezahlt, sondern ein Dritter – meist der Steuerzahler –, dann sind Verschwendung und Korruption nicht weit. Ja, meist stehen sie sogar im Zentrum der Dinge.

Und was tun unsere „Volksvertreter“ Swoboda oder Karas in der EU? Sie verlangen lauthals nach immer noch mehr von unserem Steuergeld. Mit dem offensichtlichen Zweck, damit die EU dieses in Spanien&Co verteilen kann. Glauben die beiden ernsthaft, dass irgendeiner ihrer Wähler sie auch beim nächsten Mal wieder wähnen wird?

PS: Ich würde fast wetten, dass die Spanier zur Ablenkung bald einen der alten ethnischen Konflikte wieder neu aufflammen lassen. Offen ist nur, welchen. Wird es wieder gegen die Basken oder Katalanen gehen? Oder gar gegen Gibraltar?

 

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Wir haben in Scheremetjewo keine Grenze. Leider, leider

06. Juli 2013 00:15 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wir haben in den letzten Tagen glasklar gelernt, wie halt die Macht in der Welt verteilt ist. Das ist zwar vielleicht ernüchternd, aber Tatsache. Viel ärgerlicher ist jedoch, wie Politiker aller Länder ständig an dieser Tatsache vorbei herumreden und herumlügen. Das zeigt der Fall des Edward Sowden besonders anschaulich.

In Google finden sich momentan schon über 110 Millionen Eintragungen zu seinem Namen. Natürlich hat die niemand alle gelesen. Aber jede Wette gilt, dass der allergrößte Teil der nichtamerikanischen Eintragungen ein und denselben Tenor hat: massive Solidarität mit Snowden und heftige Kritik an den neugierigen amerikanischen Geheimdiensten. Insbesondere Europas Regierungen klingen so empört, dass man fast glauben könnte, den USA werde demnächst unter großem Jubel der Massen der Krieg erklärt.

Die Verlogenheit beginnt jedoch spätestens dort, wo es um die konkreten Antworten auf die Asylanträge des schüchtern wirkenden Brillenträgers geht. Diese Anträge werden dann plötzlich unter den absurdesten formalistischen Vorwänden abgelehnt, nur nicht mit der Wahrheit. Meistens wird gesagt, der Mann stehe ja nicht an der Grenze des eigenen Landes oder auf dessen Boden. Daher könne ihm leider, leider deswegen kein Asyl gewährt werden. Sonst natürlich…

Geht’s noch mieser? Warum stellt sich keiner hin und sagt die Wahrheit? Die da lautet: „Wenn sich nicht einmal Russland und China trauen, dann trauen wir uns natürlich auch nicht; wir fürchten uns alle vor den unberechenbar gewordenen Amerikanern. Und Solidarität unter den derzeitigen Kritikern der USA würde es im Falle einer Asylgewährung mit Sicherheit sowieso keine geben. Also denken wir nicht daran, ihn zu nehmen.“

Das wäre die einzige Wahrheit zu diesem Thema. Aber niemand spricht sie aus. Staaten haben halt nur Interessen, keine Moral. Sie tun nur so, als ob sie eine hätten.

Dabei wären die Menschen – zumindest in Österreich – durchaus reif genug, um die Wahrheit auch zu begreifen. Sie werden statt dessen von ihrer Regierung angelogen. Genauso verlogen sind übrigens die Oppositionspolitiker, die nach Asyl für Snowden rufen. Sie brauchen sich ja bloß nach der Stimmung im Internet zu richten. Sie würden freilich sofort einen Grund finden, doch Nein zu Snowden zu sagen, sobald sie selbst in die Verantwortung rutschen würden.

Würde das Argument von Grenze und so stimmen, dann wäre es jedenfalls absolut unverständlich, wieso die Asylwerber in Österreich vor allem aus Russland, Afghanistan, Syrien, Pakistan, Algerien und Nigeria stammen. Wieso haben die hier allesamt Chancen? Sind das neuerdings Nachbarländer? Oder nehmen wir sie halt auf, weil sonst niemand – oder zumindest keine Supermacht – Interesse an diesen Menschen hat?

Dabei sind sie in Wahrheit meist ungebildete Arbeitsmigranten, deren Freiheit nicht bedroht ist, und schon gar nicht so wie die von Snowden. Gilt bei ihnen das Argument vom österreichischen Boden nicht mehr so richtig? Oder hätte Snowden halt auch nur irgendeinen Schlepper bezahlen müssen, der ihn auf geheimen Wegen bis vor eine österreichische Polizeiinspektion bringt, wo dann das Formalargument vom österreichischen Boden wegfällt?

Die Lehre der letzten Tage: Wir sind eben nur in Teilbereichen ein Rechtsstaat. Und sonst ein opportunistisch seine Eigeninteressen suchender Kleinstaat. Was im Falle Österreichs ja sogar irgendwie verständlicher ist als bei Deutschland oder Frankreich. Die sind nicht nur größer, sondern für sie haben sich noch dazu Amerikas Spione wirklich interessiert. Bei uns glaubt ja nur der Herr Fellner (ein von SPÖ-nahen Inseraten lebender Boulevard-Journalist), dass sich irgendjemand für die Worte eines Faymann interessieren würde.

PS: So viel sind die 110 Millionen ja auch nicht, habe ich mich inzwischen beruhigt. Selbst ich habe 340.000 Google-Ergebnisse. Und die kann auch niemand alle zur Gänze lesen…

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Freuen wir uns über unsere Reichen

29. Juni 2013 00:46 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Er ist eine der beliebtesten Hassfiguren in öffentlichen Diskussionen quer durch Europa geworden: der Reiche. Ständig werden wir mit Statistiken bombardiert, wie viel Prozent die obersten Promille/Prozent/Dezile/Quintile an irgendeinem fiktiven nationalen Gesamtvermögen besitzen würden. Das sind für uns Normalsterbliche aufs erste eher unvorstellbare Dimensionen. Daher versuchen viele, damit auf Marktplätzen populistisch Stimmung zu machen und dabei unterschwellig den Eindruck zu erwecken, Vermögen würde ohnedies nur in Luxus, Nachtlokale oder lockere Frauen investiert. Konsequenz: Wegnehmen, enteignen, zumindest kräftig besteuern. Damit der weise Staat mit den Vermögen Klügeres anstellt.

Aus dieser Denkweise folgt dann mit der gleichen Logik gleich die geradezu zwingende Folgerung: Wenn wir das tun, dann können wir locker das Schlaraffenland des anstrengungslosen Wohlfahrtsstaates weiter finanzieren. Selbst wenn diese Annahmen stimmen – was sie nicht tun –, dann ist  die ganze Überlegungskette auch deshalb völlig unsinnig, weil mehrere entscheidende Fragen dabei nie gestellt oder untersucht werden. Sie lauten:

  1. Hat jemals in der Geschichte so ein Modell dauerhaft funktioniert?
  2. Woher kommt Reichtum?
  3. Was passiert, wenn der Staat auf private Vermögen/Erbschaften zugreift?

Zuerst zu den historischen Beispielen. Versucht sind solche Finanzierungsmodelle ja in der Tat schon oft worden. Die Realisierungen haben jedoch alle bitter geendet. Das gilt nicht nur für den überhaupt größten derartigen Versuch, also die einige Jahrzehnte agierenden kommunistischen Regime mit ihren zahllosen Abarten. Immer wurde den Ärmeren, den Arbeitern und Bauern, dabei eingeredet, man müsse nur die Besitzenden, die Adeligen, das Bürgertum, die Großbauern enteignen, und schon wären die Probleme der Armen gelöst. Und insbesondere Schriftsteller und Künstler mit ihrer großen Multiplikatorwirkung fanden das (auch im vermeintlichen eigenen Interesse) faszinierend.

Wie wir heute eigentlich alle wissen sollten: Nichts war gelöst. Das Gegenteil trat ein. Am Schluss war für (fast) alle viel weniger da als zu den Zeiten des bösen Reichtums. Arbeiter und Bauern gerieten im Kommunismus auf Generationen in noch tiefere Armut. Und Künstler konnten nur überleben, wenn sie regimekonform agierten.

Es dauerte jedenfalls nach der Abschaffung des Kommunismus Jahrzehnte, bis die Arbeiter und Bauern wieder mit denen gleichziehen konnten, die ohne die großen Umverteilungen ausgekommen sind. Besser ging es einzig der Funktionärsklasse, der Nomenklatura, die sich in die Villen der Reichen setzte, aber ohne Reichtum zu schaffen oder auch nur zu erhalten.

Den Armen helfen nur freie Aufstiegschancen

Es ist heute statistisch eindeutig nachweisbar: Je weniger Umverteilung, umso besser geht es auch den untersten Schichten. Das sieht man von der Schweiz bis Amerika. Zwar herrschen in solchen Ländern oft größere Verteilungsunterschiede als in anderen. Aber relevant kann ja nur sein, ob es den Armen durch Umverteilung langfristig und nachhaltig besser geht also ohne. Und das war nie der Fall.

Zur Bekämpfung der Armut muss etwas ganz anderes gewährleistet sein: dass Arme, Nichtadelige, Ungebildete ohne rechtliche oder formale Schranken genauso jede wirtschaftliche Tätigkeit ausüben können wie jene, die durch Adel und dergleichen einen scheinbaren Startvorteil haben. In den westlichen Staaten passierte das historisch in der Epoche zwischen der amerikanischen Tea Party und dem Sturz beziehungsweise der Entmachtung der Feudalsysteme. Sobald das möglich war, erfolgte in den nächsten Generationen eine große, friedliche UND nachhaltig erfolgreiche Umverteilung, eine Explosion an nationalem Reichtum.

Man denke nur an den sensationellen Aufstieg der europäischen Juden ab Ende der Diskriminierung und der Herstellung der Startgleichheit. Zünfte und Aristokratie hatten lange mit Tricks, Standesdünkeln und Ressentiments den Aufstieg der Bauern (die waren ja lange „schollegebunden“, also leibeigen), Juden und Handwerksgesellen zu verhindern versucht. Konkrete Beispiele dieser Tricks waren etwa Innungsmauern, Zugangshindernisse zu bestimmten Tätigkeiten und Zollmauern.

Sobald die benachteiligten Schichten aber gleichberechtigt waren, überflügelten die Fleißigen und Talentierten unter ihnen im Wettbewerb sehr oft die bisher dominierenden Schichten.

Von Zimbabwe bis Schweden: Umverteilung gescheitert

Gescheitert sind auch alle nichtkommunistischen Versuche, durch Reichenhatz zu Wohlstand zu kommen. Man denke etwa an das dramatische Beispiel Zimbabwes. Das Land war lange Zeit der führende Nahrungsproduzent und Exporteur Afrikas. Als aber ein angeschlagener Diktator dann populistisch zur Jagd auf die nicht einmal 5000 meist weißen Farmer rief (die im Vergleich zu den anderen Zimbabwe-Bürgern in der Tat sehr reich erschienen), errang er zwar kurzfristig den Beifall der vermeintlichen Profiteure aus seinen Reihen. Ein oder zwei Ernten später brach jedoch der bittere Katzenjammer aus: Es brach eine gewaltige Hungersnot aus, vor der Millionen Menschen ins Ausland flohen, wo sie bis heute noch darben.

Enteignung hat sich wieder einmal als der völlig falsche Weg erwiesen, um im Wettbewerb voranzukommen.

Aber auch Schweden ist hier anzuführen. Gewiss gab es dort kein Blutvergießen, keine Jagd auf politisch Missliebige oder Hungersnöte. Strukturell war das Ergebnis dennoch ähnlich: Jahrzehnte des immer intensiveren Zugriffs auf die „Reichen“, ständig erhöhter Steuern, ständig noch heftiger Regulierungen stürzten das lange von manchen als „Vorbild“ gehandelte Land in den Neunziger Jahren in eine tiefe Krise. Nur ein gewaltiger nationaler Kraftaufschwung mit Steuersenkungen, Abbau vieler „Errungenschaften“ und eben wieder mehr Rücksicht auf die Reichen hat Schweden seither wieder nach oben gebracht. Das hat auffälligerweise dazu geführt, dass keiner der Ideologen heute mehr vom schwedischen Vorbild spricht, wie es davor jahrzehntelang üblich gewesen ist.

Erbschaften sind nicht die Hauptqelle des Reichtums

Aber nicht nur der Blick in die Geschichte und auf die internationalen Beispiele sollte dringend vor Reichenhatz warnen. Zu dem selben Ergebnis führt auch der Blick auf die Quellen des Reichtums. In der Propaganda wird oft der Eindruck erweckt, dass dieser primär durch seit Generationen akkumulierte Erbschaften zustandegekommen und daher arbeitsloses Einkommen sei.

Das stimmt nur überhaupt nicht. Weder ein Bill Gates noch ein Dietrich Mateschitz noch ein Karl Wlaschek bauten nach dem Krieg auf irgendeinem vorgefundenen Reichtum auf, um nur einige Namen der in ihren Ländern jeweils Reichsten zu nennen. Das gilt auch für die meisten anderen auf den in manchen Medien so beliebten Listen der Reichen und der großen Vermögen.

Die meisten Reichen wurden als Unternehmer reich

Eine internationale Studie (Barclays) kommt zu dem Ergebnis, dass die durch unternehmerische Tätigkeit erworbenen Vermögen gegenüber den ererbten in einem Größenverhältnis von 40 zu 26 stehen. Das heißt, dass unternehmerische Aktivitäten den weitaus größten Teil der Vermögensbildung erzielen. Dass es aber kaum gelingt, Vermögen über mehrere Generationen zu erhalten. Dass man primär durch Arbeit und Leistung – und gewiss dem nötigen Quäntchen Glück – reich wird.

Nun können gewiss Moralisten die Nase darüber rümpfen, dass es ein zentrales Motiv vieler Unternehmer ist, reich zu werden. Realisten werden das aber im Sinne der Allgemeinheit zu nutzen versuchen. Denn sie wissen und haben an unzähligen Beispielen gelernt, dass ein Land ohne ausreichende unternehmerische Tätigkeiten in die Armut absinkt. Nur Unternehmer schaffen Arbeitsplätze.

Logischerweise stammt auch der weitaus größte Teil der Einkommensteuer-Einnahmen von Gutverdienern, von Reichen, von Unternehmern oder leitenden Angestellten, die wie ein Eigentümer Entscheidendes zum Erfolg eines Unternehmens beitragen.

An dieser Tatsache kann auch der Umstand nichts ändern, dass es Steuerhinterzieher gibt. Die sind mit allen rechtlich erlaubten Methoden zu verfolgen. Die illegalen Einkommen vom Pfusch bis zum Drogenschmuggel können aber niemals die teilweise oder gar gänzliche Konfiskation legal erworbener und versteuerter Vermögen legitimieren.

Wer nicht reich werden kann, strengt sich nicht an

Vor allem ist jede gänzliche oder teilweise Konfiskation kontraproduktiv. Denn die Dynamik, die Leistung, die Risikobereitschaft von Millionen auf Reichtum hoffenden Menschen ist absolut unersetzbar. Der Versuch, diese Motivation – polemisch neuerdings oft Gier genannt – durch Beamte und staatliche Planer zu ersetzen, ist immer dramatisch gescheitert.

Eine weitere schädliche Folge der Reichenhatz: Viele Menschen stellen ihre Anstrengungen ein, wenn sie keine Chance mehr sehen, Reichtum zu erwerben. Überdies sind schon unzählige Male Unternehmer und Leistungsträger in ein anderes Land übersiedelt, wenn ihnen der Staat ihr erarbeitetes Vermögen wieder wegzunehmen beginnt. Solange nicht wieder Eiserne Vorhänge aufgezogen werden, ist Abwanderung von Vermögen leicht und schnell. Lediglich bestimmte Freie Berufe (insbesondere Rechtsanwälte und Steuerberater) können meist nur im eigenen Land hoffen, reich zu werden.

Die angeblich arbeitslosen Vermögen

Nun wird von den Reichenjägern argumentiert: Es ginge ja nur um die arbeitslosen Vermögen. Dabei lügen sie aber gleich mehrfach:

Sind Erbschaften wirklich leistungsfrei?

Aber die Erbschaften! Die sind doch wirklich leistungsfreies Einkommen, sagen da manche. Und liegen auch damit völlig falsch. Denn für den Erblasser sind sie keineswegs leistungsfrei, sondern ganz im Gegenteil die Summe seiner Lebensleistung. Für viele Erblasser war und ist es eine oft sogar dominierende Motivation, Werte für die Kinder zu schaffen und hinterlassen.

Noch abschreckender sollte auch die Tatsache sein, dass große Erbschaften fast immer primär aus unternehmerischem Vermögen bestehen. Dadurch würde also wiederum unternehmerische, arbeitsplatzschaffende Aktivität belastet. Es gibt viele Beispiele aus Ländern mit Erbschaftssteuer, wo Betriebe den Todesfall des Eigentümers auf Grund der Steuerlast nicht überleben konnten.

Dennoch wollen die österreichischen Gewerkschaften sogar schon ab 150.000 Euro nach den Erbschaften greifen. Dieser Betrag ist in der Summe von Autos, Briefmarkensammlungen, Häusern, Bargeld und vielem anderen in den meisten Familien erreicht, noch bevor man auf Unternehmensanteile und Aktien kommt.

Doppelte Steuer bei zwei Todesfällen

Was ebenfalls gerne übersehen wird: Bei einem doppelten Schicksalsschlag, also bei zwei Todesfällen in kurzer Abfolge, ist die Erbschaftssteuer dann gleich doppelt zu bezahlen, also für kaum jemanden noch finanzierbar.

Eine Wiedereinführung einer Erbschaftssteuer hätte noch eine weitere Wirkung: Sie würde zu einer Fülle von Umgehungskonstruktionen führen, weil ältere Menschen eben alles tun, um ihren Besitz zur Gänze ihren Erben zu sichern. Sie lassen sich auch dadurch nicht abhalten, dass diese Konstruktionen meist sehr teuer werden, nicht nur wegen der Anwaltskosten. Oder dass sie sich erfahrungsgemäß später oft ärgern werden, wenn sie in Notsituationen ohne ihr einst erworbenes Vermögen dastehen, wenn sie nicht mehr Herr im eigenen Haus sind.

Die Konklusion kann also nur heißen: Seien wir froh, wenn wir Reiche haben. Je mehr desto besser. Lassen wir sie und das von ihnen Erworbene in Ruhe, zu Lebzeiten wie am Todestag. Es wäre für uns alle schlechter, wenn es keine Reichen, keinen Reichtum oder viel weniger davon gäbe.

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Permanente Revolution: Totalitarismus im Zeitalter des internationalen Bürgerkriegs

21. Juni 2013 04:38 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Das nun erstmals in deutscher Sprache vorliegende Werk des 1933 aus Deutschland emigrierten Soziologen und Historikers Sigmund Neumann ist insofern bemerkenswert, als es 1942 publiziert wurde. Das war also ein Zeitpunkt, da noch keineswegs absehbar war, in welcher Weise sich der ständig eskalierende Zweite Weltkrieg weiter entwickeln würde.

Dieses Buch stand stets im Schatten jener der Totalitarismusforscherin Hannah Arendt, die mit Werken wie „Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft“ weltweite Berühmtheit erlangte. Dem hierzulande wenig bekannten Autor gebührt indes Respekt dafür, mit „Permanente Revolution“ als erster eine vergleichende Untersuchung verschiedener Formen des Totalitarismus vorgelegt zu haben. Er konzentriert sich dabei auf die Entwicklung in Deutschland, Italien und der Sowjetunion. Spanien, andere europäische Diktaturen und Japan finden nur am Rande Erwähnung.

Dass Neumann den Hauptteil seiner Arbeit einer Analyse der Ereignisse in Deutschland widmet, hat ihm nach dem Krieg einige Kritik eingetragen: Er habe sich bei der Beurteilung der Entwicklung der Sowjetdiktatur deshalb zurückgehalten, weil diese damals zum Kreis der gegen die Achsenmächte kämpfenden Alliierten zählte.

Neumann sieht in den drei untersuchten Fällen den vorangegangenen Ersten Weltkrieg als eine der Hauptursachen – ja geradezu als Bedingung – für den weiteren Weg in den Totalitarismus, so unterschiedlich dieser auch verlaufen sein mag. Fünf Kernelemente identifiziert der Autor als in jedem der gewählten Beispiele gleichermaßen verwirklicht:

  1. das Versprechen von Sicherheit und Stabilität
  2. permanente Aktion statt eines konsistenten Programms
  3. eine pseudodemokratische Legitimierung
  4. die Geburt der Totalitarismus als „Kind des Krieges“ und
  5. das Führerprinzip

„Das erste Ziel des Totalitarismus ist es, die Revolution zu verewigen und zu institutionalisieren.“ So schreibt Neumann in der Einleitung. Die Institutionalisierung ist erforderlich, da ein klares Ziel – abseits von vagen Verheißungen, alles besser zu machen – fehlt. Aktionismus wird zum Ersatz für ein Programm. Die Entwicklung, die der Begriff Diktatur seit der Antike genommen hat, wird durch deren „modernen“ Anspruch auf Permanenz deutlich. Die für den Alltag moderner Diktaturen typische Durchdringung aller Lebensbereiche mit Politik ist ebenfalls ein Element, das den Despotien vergangener Zeiten fehlt.

„Vier Kriegsjahre hatten eine Kultur der Gewalt hervorgebracht.“ Besonders im besiegten, durch „Versailles“ gedemütigten und gesellschaftlich zerrütteten Deutschland, standen die Bedingungen für eine totalitäre Entwicklung demnach günstig.

Im Gegensatz zu den Nationalsozialisten verfügten die Kommunisten über ein vollständiges Weltbild. „Der Bolschewismus war die Revolution der radikalen Intelligenz.“ Der Kampf gegen Großgrundbesitzer, die Kontrolle über die Industrieproduktion und die Beendigung des Krieges sind zentrale Elemente der Sowjetrevolution. Dass die Umsetzung der von Karl Marx nicht mit praktischen Handlungsanweisungen versehenen Theorie auf erhebliche Schwierigkeiten stößt, findet in der 1921 von Lenin ausgerufenen „Neuen Ökonomischen Politik“ ihren Ausdruck. Damit wird, sehr pragmatisch, ein Teil der vorangegangenen Kollektivierungsmaßnahmen wieder rückgängig gemacht.

Italien, das „Land der Städte, nicht der Metropolen“, sieht Neumann – wie Deutschland – als „verspätete Nation“. Das Land befand sich nach dem ersten Weltkrieg in einem recht frühen Stadium des Kapitalismus. Eine Parteienstruktur, wie im weiter entwickelten England, Frankreich oder Deutschland, existierte nicht. Politische Fraktionen basierten auf persönlicher Gefolgschaft, nicht auf einem Programm. Obgleich das Land zu den Siegermächten des Ersten Weltkrieges zählt, ist den meisten Italienern klar, dass seine „Triumphe eher seinen ruhmreichen Verbündeten geschuldet“ sind, als eigenen Anstrengungen. Dies wird zur Quelle nationaler Minderwertigkeitskomplexe. Der faschistische Schlachtruf „Wer ein Schwert hat, hat auch Brot“, fällt bei den durch die Nachkriegsdepression am schwersten getroffenen Gesellschaftsgruppen auf fruchtbaren Boden – bei jungen Facharbeitern und Angestellten.

Neumann analysiert Herkunft und Werdegang der Führer der drei totalitären Bewegungen und hebt die wichtige Rolle von deren Stellvertretern für die innere Organisation ihrer Parteien hervor. Er weist außerdem darauf hin, dass es sich – insbesondere bei den nationalsozialistischen Revolutionären der ersten Stunde – um, im Vergleich zum politischen Establishment, durchwegs junge Männer handelt.

Das Phänomen der Masse, das Wesen des Einparteienstaats, die institutionellen Rahmenbedingungen zur Kontrolle der Massen und die Konsequenzen des für den Totalitarismus sinnstiftenden, permanenten Krieges, sind weitere Schwerpunkte des Buches. In der von den Westmächten bis 1939 betriebenen Politik des „Appeasement“ sieht der Autor eine Konsequenz der völligen Fehleinschätzung des seinem Wesen nach auf permanente Expansion gerichteten Nationalsozialismus´. Das Dilemma Deutschlands, das im Nationalsozialismus seinen letzten Ausdruck findet, fasst Neumann so zusammen: „Es ist das Herz Europas, sein Bollwerk gegen den Osten, und gleichzeitig der große Fremde inmitten der europäischen Zivilisation.“

In einer zwanzig Jahre nach der Ersterscheinung geplanten zweiten Auflage geht es Neumann um einen „Weg zur Theorie des Totalitarismus“. Wegen des frühen Todes des Autors kommt dieses Projekt über den Rahmen einer Konzeption nie hinaus.

Aus heutiger Sicht erscheint es – angesichts der unverkennbar totalitären Tendenzen in den Imperien beiderseits des Atlantiks – befremdlich, dass der Autor die Gefahr des Totalitarismus´ ausschließlich mit autokratischen Regimes verbindet, nicht aber mit Demokratien. Autokratische Regimes können jedoch in mancher Hinsicht durchaus „liberal“ sein (man denke an Chile unter Augusto Pinochet, in dem ein radikal wirtschaftsliberaler Kurs gefahren wurde, von dem das Land heute noch profitiert), während (am Ende alle?) Demokratien sich mehr und mehr zu geschlossenen Zwangserziehungsanstalten für ihre Bürger aufschwingen. Stalin, Mussolini oder Hitler jedenfalls dachten niemals daran, ihren Bürgern das Rauchen zu verbieten oder vorzuschreiben, auf welche Weise sie ihre Wohnungen zu beleuchten hätten. Die politischen Führer der EU sind da aus völlig anderem Holz geschnitzt. Die Frage zu beantworten, weshalb das so ist, bleibt rezenten Totalitarismusforschern vorbehalten…

Permanente Revolution
Sigmund Neumann
LIT-Verlag 2013
472 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-64312046-5
49,90 €

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Fußnote 450: Der Mann hinter den Enthüllungen und seine Freiheit

10. Juni 2013 00:07 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Überaus erfreulich: Der Mann, der die US-Regierung bloßstellte, versteckt sich nicht in Anonymität, sondern stellt sich nun mit vollem Namen der Öffentlichkeit.

Es ist der 29-jährige Techniker Edward Snowden. Er hatte enthüllt, dass die USA in großem Umfang bei Google, Facebook und Microsoft Daten sammeln. Selbst wenn das durch den Kampf gegen Terrorismus gerechtfertigt wird – was in einigen Fällen auch stimmen dürfte –, so ist es dennoch dringend an der Zeit, aller Welt klarzumachen, dass die schönen sozialen Medien vieles können und kennen, nur eines nicht: Privatheit. Daher sollten insbesondere auch die jungen Menschen mit ihrem Hang zum Exhibitionismus die Konsequenzen beachten. Es sind ja auch nicht nur die Amerikaner, die da wie wild herumspionieren. Daher sollte die eigentlich normale Vorsicht in den sozialen Medien erst recht am Platz sein. Speziell in Zeiten, wo die Political correctness die Meinungsfreiheit immer mehr einschränkt. Man hat mehr „Freunde“, als man denkt. Wir sind jetzt gespannt, wie die US-Regierung reagiert. Denn zum Unterschied von den Wikileaks-Enthüllungen kann sie nicht behaupten, die Sicherheit und Soldaten wäre durch die Enthüllungen gefährdet worden. Daher müsste eigentlich die theoretisch (noch immer) in der US-Verfassung garantierte Freiheit von Informationen und Meinungen auch Edward Snowdens Freiheit garantieren. Schauen wir mal.

 

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Die Armen werden immer ärmer: unwahr und gelogen

09. Juni 2013 00:31 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Immer mehr Menschen werden immer ärmer. Tausende Leitartikel, Sonntagspredigten und Politikererklärungen werden in ganz Europa auf diesen Satz und seine Konsequenzen aufgebaut. Meistens will man damit schlechtes Gewissen erwecken, damit man noch mehr Schulden machen, noch mehr Steuern erhöhen kann. Zum Nutzen der Sozialindustrie und der eigenen Klientel. Nur stimmt der eingangs stehende Satz nicht. Ganz und gar nicht. Das Gegenteil stimmt: Die Menschheit befindet sich trotz ihrer Vergrößerung in Milliardendimensionen nachweislich im steilsten Aufwärtskurs ihrer Geschichte. Lediglich Europa hat es vorgezogen zu stagnieren.

Das Erstaunliche: Diese wichtigste und erfreulichste Botschaft seit Menschengedenken wird von den Medien und der Politik weitgehend ignoriert. Sie leben nämlich (fast) alle von den negativen Nachrichten. Und sie wollen schon gar nicht zugeben, dass der Zuwachs an Lebensqualität genau jenen Faktoren zu danken ist, die sie und andere Gutmenschen ständig verurteilen.

Armut und Hunger nehmen ab, die Lebenserwartung steigt

Faktum ist, dass in den letzten Jahrzehnten die Lebenserwartung (mit wenigen Ausnahmen wie das kommunistische Nordkorea, wie das in Korruption versinkenden Russland oder das von einem senilen Diktator gequälten Zimbabwe) jedes Jahr um einige Monate länger wird. Faktum ist, dass es kaum noch Hungersnöte in der Welt gibt, die jahrtausendelang fixer Teil der Conditio humana waren. Und ebenso Faktum ist, dass die ersten Jahre des neuen Jahrtausends seit 2000 „den schnellsten Rückgang der Armut in der Geschichte der Menschheit gebracht haben“.

Dieses Zitat stammt wohlgemerkt nicht von einer Schönfärbeagentur, sondern aus einer mehr als unverdächtigen Quelle: aus der neuen Millenniumsstudie der UNO.

Der Einfluss der Sozialindustrie-Profiteure

Über diese Studie und diese Fakten wird nur erstaunlich wenig geredet. Denn ganz offensichtlich ist das Interesse vieler an der Armuts-Behauptung größer als an der Wahrheit. Die Sozialindustrie lebt ja vom schlechten Gewissen all jener, die keine Probleme haben, sich täglich sattzuessen, ein wohnliches Heim zu besitzen, hie und da auf Urlaub zu fahren und ihre Kinder in die Schule schicken können. Und sie lebt hervorragend davon, weil eben die Zahl und der Anteil dieser für schlechtes Gewissen empfänglichen Menschen ständig größer werden.

Gewiss, die Sozialindustriellen können auf Knopfdruck Einzelbeispiele von schrecklichen Einzelschicksalen präsentieren. Seriöse Studien gehen hingegen von der gesamten Menschheit aus. Nur so lassen sich gesamthafte Aussagen machen. Tatsache ist, dass die absolute Zahl der Armen trotz Bevölkerungsexplosionen in den letzten zwei Jahrzehnten mehr als halbiert worden ist. Die relative noch viel mehr.

So mancher weitblickende Europäer denkt schon daran, in welchem Zustand sich das heute noch so viel von Armut redende Europa selbst befinden wird, wenn einmal viele Länder Asiens Europa überholen. Das wird noch in diesem Jahrhundert passieren. Auch viele Länder Lateinamerikas und Afrikas erzielen seit Jahrzehnten ein höheres Wachstum als die EU. In Europa schauen hingegen die Zukunftserwartungen dank Geburtenverweigerung, Schulden, Sozialstaat, Abgabenhöhe und Überregulierungen gar nicht gut aus.

Entwicklungshilfe ist ein Irrweg

Umso wichtiger wäre es, die Faktoren zu kennen, die der Dritten Welt zu einem solchen Erfolg verholfen haben. Der politisch am häufigsten genannte Faktor hatte dabei aber keine entscheidende Bedeutung: die Entwicklungshilfe. Die hat zwar sicher auch etliches Positives bewirkt. In der Summe aber hat sie nicht nur Korruption und Fehlentwicklungen vermehrt, sondern in den am meisten unterstützten Ländern deren Wachstum beschädigt. Entwicklungshilfe löst nämlich einen sozialökonomischen Hospitalismus aus: Man muss nur laut genug jammern, und schon wird einem von außen geholfen.

Eigene Anstrengungen und Lernprozesse sind hingegen bei der Entwicklungshilfe-Rhetorik kein Thema, ja sogar schädlich. Nützlich ist es hingegen, möglichst oft von Kolonialismus (der schon zwei Generationen her ist), Neokolonialismus (was auch immer das genau sein soll) und Global Warming (wobei jede Infragestellung der diesbezüglichen Thesen streng verfolgt wird) zu reden sowie die absurde Behauptung zu verbreiten, der Reichtum anderer Teilnehmer des Welthandels wäre die Ursache der eigenen Armut.

All diese so gerne verbreitete Rhetorik ist jedoch Nonsens. Würde sie stimmen, müssten ja Länder wie Nordkorea, die sich fast zur Gänze vom Welthandel abkoppeln, besonders gut dastehen. Das müsste auch in jenen Ländern der Dritten Welt der Fall sein, die nie Kolonien waren. Umgekehrt kann diese Rhetorik auch nicht erklären, warum in vielen Statistiken ausgerechnet die Schweiz und Singapur an der Spitze stehen, die nie Kolonien hatten.

Die Rezepte eines Welt-Erfolgs

Was aber hat wirklich die Menschheit vorangebracht? Die wichtigsten Elemente des globalen Erfolgsrezepts:

  1. Die moderne Hygiene (etwa Trinkwasser- und Abwasser-Versorgung) hat viermal so viel zur Verlängerung der Lebenserwartung beigetragen wie die moderne Medizin. Trotzdem hat auch diese eine positive Auswirkung insbesondere auf die Erhöhung der Lebensqualität.
  2. Die moderne Landwirtschaft kann ein Vielfaches jener Massen ernähren – und sogar mit Fleisch versorgen! –, als vor wenigen Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten irgendjemand zu hoffen gewagt hätte. Dabei waren moderne Züchtungen, Genveränderungen, Pflanzenschutzchemie, Kunstdünger und viele andere wissenschaftliche Methoden im Spiel. Mit den von den vielen NGOs rund um die Grünen verfochtenen Zurück-zur-Natur-Methoden wären hingegen Hunderte Millionen verhungert.
  3. Alleine das bei uns heute so verpönte DDT hat viele, viele Millionen Menschen gerettet.
  4. Der Menschheit steht heute mehr Energie denn je zur Verfügung. Wachsender Energieverbrauch von der Dampfmaschine bis zu den Atomkraftwerken war und ist untrennbar mit jeder Verbesserung der Lebensdauer und -qualität verbunden.
  5. Viele Fehlentwicklungen konnten verhindert oder gestoppt werden, weil als Ergebnis der neuen Grundrechte vor allem die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Wissenschaft die Fortsetzung von Irrwegen meist rasch beendet haben. Umso schlimmer sind die zunehmenden europäischen Versuche, diese zentralen Grundrechte im Zeichen der Political correctness zu reduzieren und durch die Gleichstellung mit „sozialen“ Grundrechten (Recht auf Gesundheit usw.) total zu relativieren.
  6. Bis auf den Islam verzichten heute erstmals alle Religionen auf Gewalt und offensive Missionierung.
  7. Die Zahlen der Eroberungskriege, die blutigen Folgen von nationalistischem und ideologischem Expansionismus sind im historischen Vergleich stark zurückgegangen.
  8. Gesellschaftliche Ungleichheit ist zwar kein erstrebenswertes Ziel. Aber dort, wo sie zugelassen wird, hat sie sich als starker Antrieb erwiesen. Denn nur in ungleichen Gesellschaften hat es Sinn, sich anzustrengen, damit man zu den erfolgreichen zählt. Das ist in Feudalgesellschaften nicht möglich, wo die aristokratische Abstammung entscheidet und nicht die Leistung. Aber in einer offenen Gesellschaft ist es extrem hilfreich, Reichtum zuzulassen. Nichts treibt den Erfolg eines Landes mehr voran. Und daher ist auch nichts dümmer, als die Reichen durch Hochsteuern zu vertreiben, wie etwa jetzt in Frankreich. Umgekehrt war es viel schlauer, einem Gates, einem Stronach, einem Mateschitz zu erlauben, reich zu werden, als sie von Anfang an daran zu hindern. Und abertausenden anderen. Viele von ihnen finanzieren dann Stiftungen und Spenden mit viel besserer Wirkung, als es die von Beamten und Politikern verteilten Steuergelder jemals haben.
  9. Und last not least ist der Liberalismus zu nennen, egal ob man ihn Neo-, Alt-, Paläo- oder Wirtschaftsliberalismus nennt. Die Entfesselung der Kräfte des „Kapitalismus“, wie er von seinen Feinden genannt wird, also die Dynamik der eigenen (genauer: der familiären) Interessen von Milliarden Menschen: All das hat mehr für die Menschheit getan als alle anderen Faktoren zusammen.

Jede Vielfalt ist zentral verwalteten Staaten und Unionen überlegen

Nur mit all diesen Faktoren war es möglich, das Wissen und Können von so vielen Menschen zu aktivieren. Diese Summe ist selbst dem klügsten zentralistischen Fünfjahresplaner um ein Vielfaches überlegen. Natürlich passieren auch ohne Planwirtschaft Fehler, Dummheiten, Gaunereien. Aber in liberaler Vielfalt und Freiheit setzt sich das Bessere – eben meist auch das Gewinnträchtigere – viel rascher durch als in einem zentralverwalteten Staat oder in einer solchen Union. In einem zentralistischen Gebilde dauert es viel zu lange, bis eine Planungsbehörde einmal eingesteht, dass sie auf dem Holzweg unterwegs gewesen ist. Wenn sie es überhaupt tut.

Und Europa? Jahrhundertelang war der Kontinent nicht zuletzt auf Grund der Vielfalt seiner Staaten und Nationen, vielleicht auch wegen seines Klimas, sicher auch durch Christentum, Judentum, Aufklärung und das Erbe der griechisch-römischen Antike allen anderen weit überlegen. Heute jedoch ist Europa alt und müde geworden. Es kann sich offensichtlich nicht mehr aus den lähmenden Banden eines trügerischen Wohlfahrtssystems retten. Es muss daher zumindest am Beginn des neuen Jahrtausends im Gegensatz zu den letzten 2000 Jahren allen anderen Regionen den Vortritt lassen. Ob das noch einmal revidiert werden kann, werden erst unsere Nachfahren wissen. Sofern es solche überhaupt gibt.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Plakat-Wahrheit und Wirklichkeit

03. Juni 2013 06:30 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jetzt wird also gegen den früheren Kanzler Alfred Gusenbauer wegen des Verdachts nachrichtendienstlicher Tätigkeit ermittelt. Dass die Aufregung sich ebenso schnell legen wird wie die Ermittlungstätigkeit der Wiener Staatsanwaltschaft, ist vorauszusehen. Kein Medium wird die fütternde Hand des SPÖ-Kanzlers beißen, dem die Affäre Gusenbauer gerade im Wahlkampf nicht zupass kommt. Aber so ist das eben: Auch in einer Partei, die gegen Gier und für Gerechtigkeit agitiert, sind manche von der Parteimoral ausgenommen.

Alfred Gusenbauer, der einst sowjetischen Boden küsste, hat sich, kaum aus dem Kanzleramt gedrängt, hochbezahlt in die Dienste des Kapitals gestellt. Da ist die Firma Novomatic, der Glücksspielkonzern, für die er nicht erst jetzt als Aufsichtsrat werkt, sondern schon früher im Südamerika-Geschäft mitmischte (ach ja, noch früher ist ihm beim Thema Südamerika nur die Solidarität mit den revolutionär-marxistischen Sandinistas ein Anliegen gewesen...). Als Aufsichtsrat der Strabag gibt’s 50.000 Euro, als Vorsitzender der Familienstiftung Haselsteiner lukriert er angeblich 200.000 Euro, ebenso viel bringt sein Engagement beim Luxusimmobilien-Entwickler René Benkö ein. Daneben ist er Miteigentümer einer Investmentgruppe, Direktor eines chilenischen Investmentfonds.
Und für den ehemaligen Bundeskanzler einer demokratischen Republik besonders unschön: Er verdingte sich als Berater des kasachischen Diktators Nursultan Nazarbajev. Freilich ist er da nicht der einzige, denn der Kasache hält sich fast die gesamte ehemalige europäische Sozialdemokratie - von Schröder bis Blair. Pecunia non olet.
Und diesem seinem kasachischen Herrn soll Gusenbauer nun Untersuchungsausschuss-Material über dessen abtrünnigen Schwiegersohn Rakhat Alijew weitergegeben haben, dessen Auslieferung er erfolglos von Österreich begehrt.
Den Vorwurf des Landesverrats weist Gusenbauer empört zurück. Und vielleicht ist ihm da auch nur bei seinem sprichwörtlichen Geschick eine späte Rache an Michael Häupl daneben gegangen? An dessen Lieblingsprojekt „Medienquartier Marx“ (apropos: auch da ist der „Sankt“ vorm Marx verschwunden) soll nämlich Alijew mit dubiosen Geldern beteiligt sein.
Und diese nicht unbedenkliche Beteiligung untersucht ausgerechnet – die Consultatio.
Jene Steuerberatungskanzlei, die Hannes Androsch 1970 gegründet hat, die in der Zeit seiner Tätigkeit als Finanzminister geschäftsmäßig nahezu explodiert ist – und an der er immer noch beteiligt ist.
Und da wären wir bei dem zweiten Fall von Plakat-Dichtung und Wahrheit. Schließlich ist Androsch mittlerweile ein großer Industrieller. Kein böser Kapitalist, denn er tut Gutes mit seinem Geld - etwa finanzierte er das Bildungsvolksbegehren in Sachen Gesamtschule. Seinen eigenen Sohn hätte der (ausgebliebene) Erfolg ohnehin nicht betroffen. Den hat er vorsorglich in einer katholischen Privatschule (Marke: Gymnasium) untergebracht. Für alle anderen aber soll endlich „Chancengleichheit“ gelten.
Dass Androsch so viel Geld in Parteianliegen investieren kann, ist kein Wunder. Schließlich ließ er sich bei der Privatisierung der Verstaatlichten von Viktor Klima den Leiterplatten-Hersteller AT&S zuschanzen. Ein prosperierendes Werk mit tausenden von Arbeitsplätzen, das immer weiter expandiert – allerdings längst in Shanghai. Weil die Arbeitskräfte dort billiger sind.
Ein anderes österreichisches Paradeunternehmen, der Flugzeugzulieferer FACC, gehörte bis vor kurzem auch Androsch. Das war die Firma, die am stärksten von den Gegengeschäften im Abfangjäger-Deal profitieren konnte. Mittlerweile hat er sie verkauft – an Chinesen.
Nicht dass man es nicht wüsste, dass antikapitalistische Überzeugung dort aufhört, wo es das eigene Bankkonto betrifft. Aber der neidgenossenschaftliche Angriff auf jeden, der es zu Wohlstand bringt, klingt dann noch verlogener – besonders wenn sich Werner Faymann gerade wieder moralisch erregen musste, dass die Zahl der Millionäre in Krisenzeiten gestiegen ist.
Vielleicht sollte er an seine eigene berufliche Zukunft denken, bevor er Reichensteuern einführen lässt. Wer weiß, wen er dann lukrativ beraten darf.
 

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Die schwulen Adoptionen und das Recht

02. Juni 2013 01:36 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das Justizministerium will Adoptionen durch Homosexuelle erlauben. Und zwar nur deshalb, weil es aus einem Gerichtsurteil die falschen Erkenntnisse zieht.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der EGMR in Straßburg, hat ein Urteil gefällt, das nur bei oberflächlicher Betrachtung dem Ministerium Recht zu geben scheint. Der Gerichtshof hat gemeint, dass Österreich Schwule gegenüber anderen Pärchen diskriminiere, weil es nicht zulasse, dass Schwule das Kind ihres Partners adoptieren.

Also scheint Österreich ja tatsächlich unter Zugzwang zu stehen, die Stiefkindadoption künftig zu erlauben. Freilich nur, wenn man sich unter Druck der rotgrünen Medien fühlt, die ja gleich noch mehr erlauben wollen. Freilich nur, wenn man das Erkenntnis sehr oberflächlich liest. Und vor allem nur, wenn man nicht das Kindeswohl im Auge hat, dem sehr wohl eine Adoption nur dann dienlich ist, wenn das Kind dadurch Vater und Mutter, also eine normale Familie erhält.

Es gäbe eine bessere Regelung, die nicht nur einfacher, sondern auch logischer wäre: Österreich müsste die Adoption auf Ehepaare einschränken. Das wäre in jedem Fall für die Kinder besser, als die Tür erstmals ein Stück für homosexuelle Adoptionen zu öffnen. Es gibt ja mehr als genug Ehepaare, die auf Adoptionskinder warten und oft vergeblich auf solche hoffen. Also fällt auch das Argument weg, dass man notfalls auch Schwule nehmen solle, bevor man gar keine Adoptionseltern hat.

Die Vorlage der Justizministerin muss jetzt durchs Parlament. Daher kann man noch hoffen: Vielleicht gibt’s da ja genug Abgeordnete, die wiedergewählt werden wollen und die in den letzten Monaten auch die Berichte aus Frankreich gelesen oder gesehen haben. Die daher gegen die Vorlage der Frau Karl stimmen werden, wenn sie nicht persönlich mitschuld werden wollen. Denn sie haben aus Frankreich gelernt, dass die schwule Lobby zwar bei Rotgrün und den Medien sehr stark vertreten ist, aber keineswegs bei den Bürgern und Wählern.

Alles andere sollte man dann einmal in Ruhe diskutieren. Nämlich insbesondere die Tatsache, dass der Menschenrechtsgerichtshof (der übrigens nichts mit der EU zu tun hat, was die meisten nicht wissen) in seinen Urteilen immer seltsamer wird. Dass er sich immer weiter vom demokratischen Wertekonsens entfernt.

PS.: Wer noch immer zweifelt, dass die Caritas zu einer grünen Vorfeldorganisation geworden ist, sollte einmal auf deren Schweigen zum Thema Adoptionskinder achten (ein durchaus Caritas-nahes Thema!) und es beispielsweise mit ihrem lautstarken Einsatz für illegale islamische Zuwanderer vergleichen.

 

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Der Hass ist links, ebenso wie Denunziation und Meinungsknebelung

24. Mai 2013 00:18 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wer links genug ist, ist über jede Kritik, ja auch über jedes Recht erhaben. Diese Regel gilt in vielen Bereichen unterschwellig – aber immer öfter jetzt auch schon oberschwellig. Ohne dass irgendeine rechte Gaunerei damit verteidigt werden soll, wird immer klarer: Polemik und Hass, Denunziation und Desinformation sind heute ganz überwiegend links. Und die Bestrebungen, die Meinungsfreiheit endgültig zu beenden, sind sogar exklusiv links.

Die Generation G in den Medien (der brillante deutsche Publizist Bok hat sie so getauft: G wie Gutmensch, Global und Greenpeace) unterstützt das alles völlig kritiklos. Sie führt das linke Gedankengut als Nachfolgerin der 68er organisch weiter. Ihre Methode: Jede noch so schwindlige und einseitige „Studie“ von Greenpeace, Arbeiterkammer, Amnesty, Armutskonferenz und wie all die sonstigen linken Vereine heißen, die von unserem Geld gedeihen, wird groß und als unbestreitbare Wahrheit berichtet. Wenn hingegen ein rechter (ÖVP-, FPÖ-, BZÖ-, TS-)Politiker etwas sagt, wird sofort auch schon in der scheinbar objektiven Nachricht wilde Polemik verpackt.

Aber längst geht es um mehr als um die organisierte Desinformation durch linkslastige Medien. Es geht um organisierte Gewalt, Einschüchterung und Meinungsfreiheit. Aber auch das hat mit den Medien zu tun: Das kann sich nur deshalb so sehr ausbreiten, weil die Medien so einäugig berichten.

Ein Beispiel der linken Gewaltaffinität sind die zahlreichen kriminellen Taten des links-grünen Vorfelds gegen farbtragende Studenten, egal ob nun schlagend oder katholisch. Immer öfter werden von Wien bis Deutschland deren „Buden“ und Mitglieder, sobald sie sich auf der Straße als solche zu erkennen geben, attackiert und verletzt beziehungsweise beschädigt. Zuletzt am 8. Mai. Vom Polizeipräsidenten, dem Genossen Pürstl, werden nach solchen Zwischenfällen nicht etwa die Täter gesucht, sondern die Opfer beschimpft (Nur zur Klarheit: Ich bin bei keiner Verbindung in irgendeiner Form Mitglied, weil ich persönlich mit Trachten aus dem 19. Jahrhundert nichts anfange. Aber ich habe mein ganzes Leben Farbstudenten als gesellschaftlich positiv engagierte und in keiner Weise rechtswidrige Personen kennengelernt).

Ein anderes Beispiel – zwar einen Kontinent weiter, aber aus haargenau der gleichen linken Denkwelt kommend: Beamte der amerikanischen Steuerbehörden haben ganz gezielt scharfe Steuerprüfungen gegen alle Vereine durchgeführt, die als „patriotisch“ oder Teil der Tea Party galten. Jetzt ist das zwar aufgeflogen, und einige kurze Tage lang ist sogar ein wenig diskutiert worden, ob Barack Obama davon gewusst hat. Eigentlich jedoch nur mit dem besorgten Unterton, ob ihm das am Ende schaden könnte. Aber das ist gar nicht das zentrale Thema. Das besteht vielmehr in der Tatsache, dass sich unter Obamas – von politisch korrekten Menschen laut als ethisch besonders wertvoll bejubelten – Regierung ein solcher Geist breitmachen konnte. Ein Geist, der alles für sakrosankt hält, was „gegen Rechts“ ist. Also einschließlich krimineller Methoden.

Ein weiteres Beispiel ist die Überwachung der Mails und Telefone der größten amerikanischen Nachrichtenagentur AP. Diese hatte einige für die Regierung unerfreuliche Dinge enthüllt. Worauf die Regierung des so nett wirkenden Barack Obama mit einer Brutalität, die man einst nur in kommunistischen Staaten oder unter Mubarak & Co gekannt hätte, die gesamte Redaktion zu überwachen begann. Big Brother Barack. Richard Nixon war ein Waisenkind dagegen.

Das nächste Beispiel finden wir wieder in Europa. Hier stoßen wir bei den Grünen – vor allem in Deutschland – auf eine massiv päderastische Vergangenheit. Diese findet sich keineswegs nur in den autobiographischen und von seiner Fraktion nie beanstandeten Texten der 68-er Ikone Cohn-Bendit; dieser wurde übrigens gerade mit einer Auszeichnung und einer Festrede des Linksjournalisten de Weck gefeiert. Die grüne Liebe zur Päderastie findet sich vielmehr auch in ihren ganz offiziellen Parlamentsanträgen, diese Tätigkeit doch straffrei zu stellen.

Ein anderes Beispiel klingt im Vergleich dazu harmlos, ist aber letztlich ebenfalls sehr folgenschwer. Das ist die Grüneuphorie in zahllosen österreichischen Zeitungskommentaren. Da werden die katastrophalen Ideen der grünen Wirtschafts- und Sozial-Politik total ignoriert (bedingungsloses Grundeinkommen und dergleichen); ebenso deren totalitärer Tugendfuror; ebenso ihre gewalttätige Vergangenheit; ebenso die weitgehende Deckungsgleichheit der grünen Positionen und Kampagnen mit denen der Kommunisten. Und jetzt wird sogar so getan, als ob Grün der Zukunftstrend wäre.

Dabei haben die Grünen lediglich in zwei Bundesländern gewonnen, wo sie als Folge des schwarz-roten Antagonismus den Vorsitz in wichtigen U-Ausschüssen bekommen haben. Womit sie sich dort als Sauberkeitspartei positionieren konnten. In Wien hingegen, wo man erstmals grüne Kommunalpolitik ganz konkret erlebt, sind sie bei den Umfragen auf steiler Talfahrt. Und noch steiler ist diese an den Universitäten: Dort sind die Grünen in den letzten Jahren von 29 auf unter 16 Prozent gesunken. Bei den Großen schreibt man bei einem solchen Abstieg von Katastrophe, bei den Grünen wird das einfach medial weggeschwiegen.

Komplett von Grünen durchsetzt sind so gut wie alle Institutionen, die "Umwelt" im Titel haben (auch dort, wo die Grünen nicht an der Regierung beteiligt sind). So auch das deutsche Umweltbundesamt in Dessau. Dises hat nun zu endgültig totalitären Methoden gegriffen: Es publiziert die Namen aller "Klimawandelskeptiker in Deutschland", also die Namen von Journalisten und Wissenschaftlern, die behördlich nicht erwünschte Positionen vertreten. Im alten Rom hat man das Proskriptionslisten genannt. Die sind nur oberflächlich harmloser als das, was vor einigen Monaten ein Grazer Musikwissenschafter gefordert hatte: nämlich gleich direkt die Todesstrafe für sogenannte Klimaskeptiker (die Staatsanwälte hat natürlich ein solcher Mordaufruf nicht interessiert).

Als kleines weiteres Beispiel kann ich mein eigenes Tagebuch nehmen. Da darf ich mich regelmäßig über linke Gäste freuen, die mich als „senilen Dolm“ bezeichnen. Oder die Ex-Bundeskanzler Schüssel „widerliche Dreckssau“ nennen.

Noch viel schlimmer ist das, was sich im Leserforum des rot-grünen Zentralorgans Standard“ abspielt. Diese Hass-Orgien sind nun in einem ganzen e-book dokumentiert worden, bei dessen Lektüre einem geradezu übel wird (auch wenn die Autoren die Ton- und Stimmungslage der „Standard“-Leser mit Humor erträglich zu machen versuchen). Man bekommt ein ziemlich deutliches Bild, wie gut und moralisch die selbsternannten Gutmenschen wirklich sind.

Ein weiteres Beispiel für linken Schmutz sind fast sämtliche Wahlkämpfe. Da wurde Wolfgang Schüssel von einem SPÖ-nahen Sudelmagazin eine erfundene illegale Pflegerin unterschoben, die eine alte Frau im Familienkreis gepflegt hätte. Da wird jetzt aus der gleichen Ecke der Dienstvertrag der Spindelegger-Ehefrau in die Öffentlichkeit gespült (ein absolut nicht problemloser Vertrag, nur schaut sich eben niemand die Verträge und Plagiate linker Politiker an). Da wird gerade jetzt in Deutschland ein Buch auf den Markt gebracht, das Angela Merkel wegen ihrer Mitgliedschaft in der einstigen Ostgewerkschaft einen Strick drehen will. Und, jede Wette, die Menge des Schmutzes wird bis September da wie dort noch zunehmen.

Ganz typisch für die Grünen war auch ein kürzlich in Deutschland kursierender Facebook-Eintrag eines Grünpolitikers. „Schade, dass die NSU-Gruppe sich nicht solche vorgenommen haben“ – und dazu wurde ein Photo des FDP-Chefs Rösler gezeigt. („Die NSU-Gruppe“ ist die Neonazi-Bande – man sollte sie keineswegs beschönigend „Gruppe“ nennen –, die über viele Jahre Morde an zugewanderten Türken begangen hat). Dass der Mann daraufhin von den Grünen ausgetreten ist, sei der Vollständigkeit halber hinzugefügt; aber er sah in seinem Text auch danach bloß eine „Überreaktion“. Und der Eintrag bleibt wohl signifikant für die Hass-Stimmung bei den deutschen Grünen. Er erinnert auch an die blutigen, ganz ähnlich gelagerten Hassorgien aus dem linken Eck, nachdem die vorvorletzte Innenministerin plötzlich verstorben ist.

Während ausschreibungsfreie Agenturaufträge schwarzer Ministerien nicht nur im ORF, sondern auch in vielen anderen Medien landauf, landab scharf und breit berichtet und kritisiert werden, kommt Claudia Schmied völlig kritiklos davon. Dabei hat sie mindestens 1,5 Millionen an „Experten“ aus dem SPÖ-Umfeld vergeben. Natürlich ohne jede Ausschreibung. Dabei hat sie allein mindestens 670.000 Euro an die überaus SPÖ-nahe Agentur Ecker und Partner bloß für die „Koordination“ der Propaganda zugunsten der „Neuen Mittelschule“ ausgegeben.

Diese Agenturaufträge interessieren dennoch keinen Staatsanwalt. Was rechtswidrig ist. Denn selbst, wenn die Ecker-Leistung werthaltig gewesen sein sollte, was dubios ist, darf dennoch ein Ministerium kein Steuergeld für Propaganda gegen die Gesetze ausgeben. Und die NMS-Propaganda hatte unbestreitbar massive Elemente einer parteipolitischen Bewerbung der Zwangsgesamtschule für alle. Im Gesetz steht jedoch das Gegenteil, nämlich das achtjährige Gymnasium.

Zugleich werden die sogar etwas kleineren Aufträge der Telekom an eine FPÖ-nahe Agentur gerade von der einäugigen Staatsanwaltschaft in einem großen Prozess aufgerollt. Ich bin sehr dafür, dass das bestraft wird (falls die Agentur-Leistungen nicht ihr Geld wert waren, sondern nur aus parteipolitischer Liebedienerei vergeben worden sind). Aber der wirkliche Skandal ist, dass die Selbstbedienungsmentalität einer Partei gegenüber dem mehrheitlich staatskontrollierten Unternehmen Telekom groß dramatisiert wird, während die Selbstbedienungsmentalität einer anderen Partei gegenüber anderen staatskontrollierten Unternehmen von der gleichen Staatsanwaltschaft unter den Teppich gekehrt wird. Das geschieht etwa beim einstigen Griff der Herren Faymann und Ostermayer in die Kassen von Asfinag und ÖBB. Auch diese Staatsfirmen mussten – noch viel mehr – Geld für Dinge zahlen, die einzig der Partei und Faymann genutzt haben. Und die zumindest im Fall ÖBB dem Unternehmen sogar geschadet haben. Aber die einen sperrt man ein, die anderen werden Bundeskanzler. Quod licet Iovi, non licet bovi.

Ist dem Leser noch nicht übel genug ob all des linken Hasses, ob all der Einäugigkeiten, ob all der grün-roten Zerstörung des demokratischen Rechtsstaats? Dann sollte man sich noch zu Gemüte führen, was die Sozialisten im EU-Parlament fordern (Sie werden übrigens von Hannes Swoboda geführt, der auch aus der Wiener Rathaus-Partie kommt, welche Österreich schon Faymann und Ostermayer beschert hat und die sich seit Jahrzehnten über Recht und Ordnung erhaben dünkt.). Nach den roten Wünschen sollen künftig Parteien, welche die „Werte der EU nicht respektieren“ mit Strafzahlungen belegt werden.

Das ist nichts anderes als eine Bestrafung jener Parteien, welche die falsche Meinung haben. Dabei wird wohlweislich nicht einmal definiert, was denn überhaupt die Werte sind, die wir künftig wie einst den Geßler-Hut respektieren müssen. Genügt es dreimal täglich zu sagen: „Hoch die EU und ihre Werte“? Oder muss man künftig auch ganz detailliert sagen: „Hoch das Glühbirnenverbot; Hoch die unbegrenzten Schuldenhaftung; Hoch die Zuwanderung; Hoch die vielen die Meinungsfreiheit einschränkenden Political-Correctness-Regeln der EU; Hoch die ständig größer werdende Zahl der EU-Kommissare; Hoch die Geldverschwendung durch einen doppelten Sitz der EU-Parlaments; Hoch das undemokratische Parlament, in dem ein maltesischer Abgeordneter nur einen Bruchteil der Wähler einer deutschen braucht; Hoch das (geplante, aber vorerst wieder schubladisierte) Verbot von Salatöl-Flaschen in Restaurants; Hoch der Milliardenbetrug mit EU-Förderungen von den mediterranen Ölbäumen bis zu den österreichischen Almen!“?

Aber das alles ist eh nur der Vorschlag einer Minderheitsfraktion, sagen jetzt wohl manche. Sie sollten sich nicht täuschen. Die EU-Kommission hat den Vorschlag nämlich schon gierig aufgegriffen und will ihn zwingend realisieren.

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Mehr direkte Demokratie durch konsequente Dezentralisierung

21. Mai 2013 21:21 | Autor: Gregor Hochreiter
Rubrik: Gastkommentar

Nicht zuletzt in (stark) sinkenden Wahlbeteiligungen manifestiert sich die zunehmende Politik- und Politikerverdrossenheit. So machten bei der vor kurzem abgehaltenen Landtageswahl in Tirol nur mehr 56 Prozent der Wahlberechtigten von ihrem Wahlrecht Gebrauch und die kürzlich vereinbarte schwarz-grüne Regierung repräsentiert damit zum Zeitpunkt ihrer Angelobung mit ihrem Stimmenanteil von knapp 52 Prozent gar nur mehr 29 Prozent der Wahlberechtigten.

Um das Abgleiten in eine Legitimationskrise zu verhindern, werden von den politischen Parteien unter dem Schlagwort „mehr direkte Demokratie“ unter anderem der Ausbau direktdemokratischer Instrumente wie Volksbefragungen, Volksbegehren und Volksabstimmungen gefordert sowie die Ausweitung des Instruments der Vorzugstimme vorgeschlagen. Mit derselben Intention, die Beteiligung der Bürger am politischen Prozess zu erleichtern, besteht seit 2012 im Rahmen der EU-Bürgerinitiative für EU-Bürger eine direkte Möglichkeit, die EU-Kommission aufzufordern, einen Rechtsakt vorzuschlagen. Und Vizekanzler Spindelegger hat vor kurzem die Direktwahl des EU-Kommissionspräsidenten durch die Bürger der Mitgliedsstaaten befürwortet.

All diesen Vorschlägen zur stärkeren Bürgerbeteiligung ist jedoch eines gemein. Sie ignorieren eines der größten Übel des gegenwärtigen politischen Systems: die fortschreitende Zentralisierung der Gesetzgebungskompetenz.

Der grundlegende Irrtum besteht darin, die sicherlich ausbaufähigen Formen der Bürgerbeteiligung mit der tatsächlichen politischen Gestaltungsmöglichkeit zu verwechseln. Das politische Ohnmachtgefühl des Einzelnen nährt sich gerade auch aus dem Umstand, dass die eine Stimme eines noch so engagierten Bürgers unter mehr als 500 Millionen Einwohnern in der EU, ja selbst die eine Stimme unter mehr als 8 Millionen Einwohnern in Österreich schlichtweg keinen nachvollziehbaren Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung haben kann. An diesem Größenproblem der politischen Einheiten wird selbst der Ausbau direktdemokratischer Instrumente nichts ändern.

In der Debatte um „mehr direkte Demokratie“ sollte folglich die konsequente Dezentralisierung der Gesetzgebungskompetenz und der damit eng verknüpften Steuerhoheit für die untergeordneten Gemeinwesen in das Zentrum der Auseinandersetzung gerückt werden. Mit anderen Worten: Das Subsidiaritätsprinzip muss wieder ernst genommen werden. Seine klassische Formulierung findet sich in der 1941 veröffentlichten Enzyklika „Quadragesimo Anno“ von Papst Pius XI. Dort heißt es:

„… wie dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen; zugleich ist es überaus nachteilig und verwirrt die ganze Gesellschaftsordnung. Jedwede Gesellschaftstätigkeit ist ja ihrem Wesen und Begriff nach subsidiär; sie soll die Glieder des Sozialkörpers unterstützen, darf sie aber niemals zerschlagen oder aufsaugen.“ (Nr. 79)

Die angemessene Rückführung der Gesetzgebungskompetenz auf die untergeordneten Gemeinwesen versetzt den Einzelnen wieder in die Lage, sein unmittelbares Lebensumfeld – allen voran in der Familie, in der Gemeinde und im Bundesland – gemeinsamen mit jenen Menschen zu gestalten, deren Auffassungen vom guten Leben relativ homogen sind. Diese relative Homogenität ist für die Legitimität politischer Beschlüsse unabdingbar, weil politische Entscheidungen ihrem Wesen nach Allgemeinverbindlichkeit beanspruchen. Mit der Zentralisierung nimmt die Heterogenität der Bevölkerung notwendigerweise zu und politische Entscheidungen fördern gerade in einer sich pluralistisch verstehenden Gesellschaft die gesellschaftlichen Konflikte anstatt die Einheit. Zudem hätte die Stimme des Bürgers, sei es in der Wahlzelle oder in einer öffentlichen Debatte, wieder das ihr zustehende Gewicht, weil sie eine unter überschaubar Vielen und nicht mehr unter unüberschaubar Unzähligen wäre.

Drei weitere Vorteile hätte die verstärkte Rückführung von Kompetenzen an die untergeordneten Gemeinschaften der Gesellschaft. Erstens vermag diese den immer weiter aufgehenden Graben zwischen den Bürgern und den Politikern zu überbrücken, weil sie die enge räumliche, persönliche und kulturelle Bindung zwischen dem Bürger und den das jeweilige Gemeinwesen verkörpernden Politikern überhaupt erst ermöglicht. Der Politiker würde seinerseits konkrete Personen in konkreten Lebensumständen adressieren und wäre nicht mehr versucht, mit inhaltsleeren oder populistischen Parolen und äußerst zweifelhaften Kommunikationstechniken die anonymen Wählermassen für sich zu gewinnen.

Zweitens verhindert die vertikale Gewaltenteilung die das Gemeinwohl bedrohende Machtakkumulation beim Zentralstaat, die durch die horizontale Gewaltenteilung bestenfalls gemildert wird. Die in regelmäßigen Abständen zu vernehmenden Forderungen nach Abschaffung der Nationalstaaten, wie vor kurzem von Staatssekretär Lopatka lanciert, oder nach Abschaffung der Bundesländer begünstigen die weitere Entfremdung der Bürger von der technokratischen Politik-Elite, die sich durch derartige Maßnahmen der direkten und unmittelbaren Kontrolle durch die Bürger entziehen können.

Und drittens wäre die Initiierung eines politischen Prozesses und die Beteiligung daran mit einem wesentlich geringeren (finanziellen) Aufwand möglich.

Vorzüge der vertikalen Gewaltenteilung

Gerade auch die EU würde durch die Rückführung von Kompetenzen und Souveränitätsrechten an die Nationalstaaten ihrem eigenen Wahlspruch „in Vielfalt geeint“ wesentlich besser entsprechen. „In Vielfalt geeint“ kann gerade nicht bedeuten, EU-weite Einheitsgesetze zu beschließen, so als ob einheitliche Gesetze die Voraussetzung für Vielfalt seien. Wohin dieser Uniformitätswahn eines überzogenen Gleichheitsverständnisses führt, zeigt gerade auch die anhaltende und noch lange nicht überwundene Euro-Krise. Die Einheitswährung zwingt die in ihrer Wirtschaftsstruktur und ihren wirtschaftspolitischen Auffassungen höchst unterschiedlichen Mitgliedsstaaten in ein einheitliches, und damit im jeweiligen Einzelfall unpassendes geldpolitisches Korsett.

In einem wohlgeordneten, auf dem Subsidiaritätsprinzip beruhenden Gemeinwesen würde die jeweils übergeordnete Einheit die untergeordnete Einheit zur Entfaltung der eigenen politischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Eigenheiten anregen, damit diese eigenständig und eigenverantwortlich die ihnen zukommenden Aufgaben erfüllen können.

Zudem müssen die übergeordnete Einheit und insbesondere der Staat als höchste Gemeinschaft eines Gemeinwesens die Hinordnung der untergeordneten Einheiten auf das Gemeinwohl des gesamten politischen Gemeinwesens sicherstellen. Die dauerhafte Einverleibung jener Aufgaben, die von den untergeordneten Einheiten zu erfüllen sind, durch die übergeordnete Einheit ist ein schwerwiegender Verstoß gegen die Rechte dieser Gemeinschaften.

So wäre es eigentlich die Aufgabe des Staates, die Familien wieder in die Lage zu versetzen, ihre Erziehungsaufgaben vollumfänglich und (möglichst) eigenständig zu erfüllen, statt den Eltern die Kompetenz der Kindererziehung durch Verstaatlichung scheibchenweise zu entziehen.

Diese „Verwirrung der Gesellschaftsordnung“ bringt nicht die ersehnte Ruhe der Ordnung (Augustinus) sondern die Unordnung führt zu anhaltendem Unfrieden im Gemeinwesen, weswegen es wie immer gilt, die Extreme zu meiden: Den jede Vielfalt erstickenden Einheitsbrei des Zentralismus auf der einen Seite und den jeden Einheitsgedanken ablehnenden Partikularismus auf der anderen Seite.

Eine auf dem Subsidiaritätsprinzip beruhende politische Ordnung verstanden als „Einheit in wohlgeordneter Vielfalt“ (Thomas von Aquin) ist ein unabdingbarer Puzzlestein in der Bekämpfung der Politik- und Politikerverdrossenheit. Die Aufwertung der untergeordneten und intermediären Gemeinschaften würde das Grundübel der fortschreitenden Zentralisierung bekämpfen und einen bedeutsamen Schritt zur Re-Personalisierung des gesellschaftlichen Miteinanders setzen. Eines seiner äußerst lesenswerten Bücher versah der in seinem Heimatland viel zu wenig bekannte Sozialwissenschafter Leopold Kohr treffend mit dem programmatischen Titel „Vom Ende der Großen – Zurück zum menschlichen Maß.“

Nur durch diese kopernikanische Wende weg von anonymen, bürokratischen und gesichtlosen Großstrukturen hin zu auf persönlichen Beziehungen beruhenden, lebendigen, am gemeinsamen Guten ausgerichteten politischen Einheiten wird es möglich sein, den fortschreitenden Zerfall der intermediären politischen Glieder und den damit eng verbundenen Rückzug der Bürger vom Politischen Einhalt zu gebieten.

Wer vom mündigen Bürger spricht, sollte ihm nicht nur zutrauen seine Stimme an der Wahlurne abzugeben oder öffentlich zu erheben, sondern gerade auch für die lokalen und regionalen Probleme, die er tagtäglich am eigenen Leib verspürt, passende Lösungsvorschläge zu finden und diese in den Gemeinden und Bundesländern gemeinsam mit den Mitbürgern umzusetzen.

Gregor Hochreiter
Vorstand, Oekonomika – Institut für angewandte Ökonomie und christlich-abendländische Philosophie (www.oekonomika.org) 

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Die britische Lunte brennt (Europa samt Führung pennt)

21. Mai 2013 00:15 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die spannendste Debatte für Europas Zukunft findet derzeit in Großbritannien statt. Eine Rechtspartei ist so erfolgreich, dass sie die Konservativen nun schwer unter Druck setzt und umkrempelt. Sie sorgt damit zugleich dafür, dass die Chancen Labours gewaltig wachsen, wieder an die Macht zurück zu kommen. Dies könnte als Folge des britischen Wahlsystems sogar ohne irgendeinen Zuwachs an Wählerunterstützung passieren. Vor allem ist nun ein britischer EU-Austritt recht wahrscheinlich geworden. Das macht die Briten derzeit für die EU relevanter als irgendein anderes Land. Europa müsste eigentlich dringendst darauf reagieren.

Die EU zeigt jedoch ein Bild der Lähmung. Frankreich, Italien & Co sind nur noch zu einem imstande: ständig nach immer neuem Geld aus Deutschland (und anderen relativ stabilen Ländern) zu rufen. Dabei wären – trotz des ständigen Gelddruckens in der Europäischen Zentralbank – bei ihnen überall Reformen dringend notwendig, selbst wenn Deutschland noch mehr zahlen sollte.

Die notleidenden Länder wollen jedoch lieber unter dem harmlos klingenden Titel „Bankenunion“ Zugriff auf die deutschen (und sonstigen) Sparguthaben. Sie hoffen überdies auch, durch die extrem zentralistische Idee einer europäischen „Wirtschaftsregierung“ noch mehr Zugriff auf das Steuergeld der Nordländer zu bekommen. Dadurch glauben sie, sich selbst das wirkliche Regieren ersparen zu können. Dieses wäre ja derzeit keine sehr populäre Tätigkeit. Und schon gar nicht dann, wenn man mit teuren Wahlversprechen angetreten ist, so wie etwa die Regierungsparteien Frankreichs und Italiens.

Deutschland wiederum ist durch den Wahlkampf gelähmt. Die Regierung kämpft dabei insbesondere gegen die wachsende Erkenntnis der Bürger, dass sie europa- und finanzpolitisch in den letzten drei Jahren einen völlig falschen Weg gegangen ist (woran übrigens die Tatsache nichts ändert, dass sie in Sachen Bankengesetz in der Vorwoche wieder einmal recht vernünftig gehandelt hat). Und die deutsche Opposition wollte und will in der Schuldenkrise sogar einen noch viel schlimmeren und teureren Weg als die Regierung gehen.

Die britische Revolution

Ganz anders die Entwicklung in Großbritannien. Dort hat sich mit der Unabhängigkeitspartei UKIP eine neue Gruppierung nun anscheinend dauerhaft durchsetzen können, die England erstmals ein Vierparteiensystem verschafft. Dabei ist jedoch das Wahlrecht (the winner takes it all) eindeutig auf ein Zweiparteiensystem ausgerichtet. Die UKIP bewegt sich bei Umfragen und Regionalwahlen zwischen 18 und 23 Prozent, sie lässt die Liberaldemokraten weit hinter sich und liegt nur knapp hinter Labour und Tories.

Die Folgen sind sensationell:

Erstens könnte Großbritannien beim nächsten Mal von einer Partei mit absoluter Mandatsmehrheit regiert werden, die keine 30 Prozent Wählerunterstützung hat. Nach der gegenwärtigen Lage wäre das Labour. So niedrige Regierungsmehrheiten sind absolut ungewöhnlich und würden die Frage aufwerfen, ob das britische Wahlsystem überhaupt noch als demokratisch gelten kann. Diese Frage ist auch für die EU besonders heikel, da manche gerade derzeit den Ungarn mit viel weniger konkreten Beweisen (eigentlich fast gar keinen) diese Qualifikation abzusprechen versuchen.

Zweitens rücken jetzt die zwei Hauptforderungen der UKIP ins Zentrum der britischen Politik. Die Konservativen haben sie nämlich weitgehend übernommen. Diese Forderungen stoßen auch bei einer Mehrheit der Briten auf volle Sympathie. Ihr Inhalt: erstens ein scharfer Anti-EU-Kurs; und zweitens ein scharfer Kurs gegen die Immigration.

Drittens löst der Erfolg der UKIP vor allem bei der derzeit größten Partei des Landes, den Tories, Panik aus. Denn vor allem sie wurden bisher von einem Teil der UKIP-Unterstützer gewählt. Ein guter Teil der Tory-Abgeordneten fürchtet daher, beim nächsten Mal abgewählt zu werden, und vergisst jede Parteidisziplin. Aber auch Premier David Cameron selber zeigt Interesse an europakritischen Akzenten. Wenn auch vielleicht nur, um politisch zu überleben.

Scharfer Anti-Migrantenkurs

Das sollte man alles anderswo genau beobachten und nicht ganz verschlafen. Jedoch hat beispielsweise die ÖVP das Gegenteil beschlossen: Sie setzt nach einer Periode recht kritischer Akzente nun im Wahlkampf wieder ganz auf Begeisterung für die EU und Zuwanderung. Den Erfolg dieses doppelten Positionswechsels wird man im September beurteilen können.

Jedenfalls zeigt Großbritannien, dass Europa- und Immigrationsskepsis keineswegs vorübergehende Phänomene sind, wie beispielsweise in Österreich manche Zeitungskommentatoren glauben. Die britische Regierung hat sogar offiziell angekündigt, dass sie für Migranten, auch für solche aus anderen EU-Ländern, den Zugang zu Wohngeld und anderen sozialen Leistungen erschweren wird. In ihrer Thronrede heißt es: „Das Gesetz wird sicherstellen, dass dieses Land Menschen anzieht, die ihren Beitrag leisten wollen, und diejenigen abschreckt, die das nicht wollen.“ Den zweiten Teil dieses Satzes wagt in anderen Ländern kaum jemand auszusprechen.

Das alles steht vor dem Hintergrund eines dramatischen sozialen Wandels in Großbritannien. Nur eine Zahl dazu: die Zahl der Christen nahm im Königreich binnen bloß zehn Jahren von 72 auf 59 Prozent ab; der Anteil der Muslime wuchs hingegen stark (wenn auch noch auf viel niedrigerem Niveau). Die Migrations-Probleme der Briten zeigen jedenfalls massive Parallelen zu den Problemen anderer europäischer Staaten. Ähnlich ist es auch beim zweiten britischen Thema, der wachsenden Anti-EU-Stimmung.

Gewiss ist klar, dass für viele Briten Europa immer schon etwas recht Fremdes war. Für sie war „Europa“ der Kontinent, und sie selbst waren ein globales, außereuropäisches Imperium. Diese uneuropäische Stimmung auf den Inseln hat sich aber in den letzten Jahren noch dramatisch vertieft, ebenso wie die Anti-Migrations-Haltung – trotz der globalen Vergangenheit des Königreiches. Noch nie seit dem EU-Beitritt waren diese beiden Emotionen so dominierend wie heute.

Die Ursachen der Anti-Europa-Stimmung

Was sind nun die wichtigsten Ursachen dieser doppelten Emotionalisierung bei den Briten wie auch bei den Bürgern vieler anderer EU-Länder:

Und Cameron hat doch recht

Damit wird viertens das von Cameron angekündigte (und durch die Tory-Hinterbänkler nun einzementierte) EU-Austrittsreferendum der Briten zum europäischen Fanal. Wenn die anderen Europäer den Briten nicht durch echte Neuverhandlung des Vertrags substanziell entgegenkommen, dann geht das Referendum mit Sicherheit gegen die EU aus.

Da kann man nun gewiss zynisch sagen: Geschieht den Briten recht, sie werden ja bei einem Austritt mit Sicherheit wirtschaftlich ordentlich draufzahlen. Den anderen EU-Ländern sollte aber viel stärker bewusst werden:

Konzentration auf den Binnenmarkt

Mit anderen Worten: Ein konstruktives Neuverhandeln der EU-Verträge und deren Konzentration und Reduktion auf einen wirklich funktionierenden Binnenmarkt wären absolut im Interesse aller Europäer. Nebstbei bemerkt: Immerhin haben die Briten in ihrer prinzipiellen Korrektheit die bisherigen Binnenmarkt-Richtlinien vollständiger und ordentlicher umgesetzt als viele romanischen Länder. Besonders stark unterscheiden sich die Briten in Sachen Korruption von den Mittelmeer- oder gar den Balkan-Ländern.

Freilich: Bei nüchterner Analyse hätten auch die Briten und Cameron eigentlich starke Motive, in der EU zu bleiben. Das gilt für die gesamte Industrie, aber auch die britische Identität: Denn wenn sie ausscheiden, dann ist nämlich im nächsten Schritt die Sezession Schottlands absolut sicher. Die dortigen Sezessionisten werden dann mit Sicherheit obsiegen; die Schotten werden in der Folge die Metropole London einfach ignorieren und gleich direkt der EU beitreten (beziehungsweise in dieser zu verbleiben suchen). Bei den Schotten gibt es nämlich keine Anti-EU-Emotionen. Sie wollen nur eines: ihren Öl- und Gasreichtum nicht mit den verarmten Städten Nordenglands teilen. Sie wollen aber sehr wohl vom EU-Binnenmarkt profitieren.

Ein Ausscheiden der Schotten wäre wiederum für Labour eine Katastrophe: Denn Labours politische Stärke liegt ja in Schottland und Nordengland, nicht im wohlhabenden Süden der Insel. Ohne schottische Abgeordnete schrumpft aber Labours Chance auf eine Mehrheit in Westminster dramatisch, während die Konservativen in Schottland völlig unbedeutend sind.

Es ist eine Situation mit gewaltig vielen Variablen, die einander alle gegenseitig beeinflussen. Und mit nur einer vernünftigen Lösung.

In der Geschichte hat sich freilich schon oft die Vernunft nicht gegen nationale und sonstige Emotionen durchsetzen können. Umso dringender wäre es, zumindest grundsätzlich zu erkennen, was der gesunde Menschenverstand sagt: Camerons gewagtes Spiel ist überraschenderweise der einzige Ausweg. Angela Merkel scheint die einzige zu sein, die das zumindest ahnt.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Wir habens ja: Der OGH räumt jedem Studenten nun vollen Schadenersatz ein

20. Mai 2013 10:28 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der Oberste Gerichtshof hat in Tateinheit mit der SPÖ die Quadratur des Kreises beschlossen: Er hat jetzt höchstgerichtlich entschieden, dass jeder zwar unentgeltlich studieren kann, so viel er will und was er will, dass er aber dennoch vollen Schadenersatzanspruch gegen den Steuerzahler hat, wenn es nicht genug Lehrveranstaltungsplätze gibt.

Das Geld dafür ist in der realitätsfremden Phantasieträumen des OGH ja offensichtlich unbegrenzt vorhanden. Ihn stört es dabei auch nicht, dass (bis auf wenige Ausnahmen) kein Student einen Cent für die – wenn er will – lebenslange Inanspruchnahme der Universität zahlt. Es stört ihn auch nicht, dass es nur in ganz wenigen Fällen funktionierende Zugangsbeschränkungen zu den Unis gibt.

Der OGH (und unisono die SPÖ): Die Republik müsse halt den Unis ausreichend Geld zur Verfügung stellen. Und zwar –  nach diesem Urteil – in absolut unlimitierter Höhe. Woher das Geld in einem der jetzt schon höchstbesteuerten und mit 73 Prozent weit über alle Stabilitätspakt-Grenzen hinaus verschuldeten Land kommen soll, ist denen doch egal. Und davon, dass dazu noch ein Vielfaches an versteckten Haftungen vom europäischen Schuldenmechanismus ESM bis zum Pensionssystem kommt, weiß man im richterlichen Elfenbeinturm erst recht nichts. Oder vom uralten Rechtsprinzip: Ultra posse nemo tenetur. Niemand, auch der Steuerzahler nicht, kann über seine Grenzen hinaus beansprucht werden. Aber wie sollen das Richter begreifen, die selbst durchaus üppig von diesem Steuerzahler leben?

Dabei könnte die Koalition mit einfacher Mehrheit den Schadenersatzanspruch sofort unterbinden. Das aber verhindert wiederum die SPÖ. Ihr Prinzip: Alles gratis und das für alle (selbst wenn sich dadurch die Qualität dramatisch verschlechtert, wie seit Jahren die des Uni-Systems). Und wenn die Genossen hie und da doch nachdenken, wo all das Geld herkommen soll, dann haben sie eine einfache Lösung: Sie planen halt einen Raubzug auf Mateschitz, Swarovski & Co. Und schon glauben sie, alles finanziert zu haben.

Ein solches Land muss einfach gegen die Wand fahren. Und dann schiebt es halt den Banken und sonstigen üblichen Verdächtigen die Schuld zu.

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Hurra, Der Sozialismus ist mausetot

17. Mai 2013 17:13 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das ist im Grund die schönste Nachricht des Jahrzehnts: Die Sozialistische Internationale wird zu Grabe getragen.

Die SPD als größter Geldgeber kürzt ihre Gaben an die SI auf ein Zwanzigstel. Die an ihren Rockschößen hängenden Parteien wie die SPÖ tun Ähnliches. Schwer korrupte SI-Funktionäre, skandalöse Mitglieder wie die früheren ägyptischen oder tunesischen Regierungsparteien und eine völlige inhaltliche Leere haben diesen Schritt ausgelöst.

Das alles heißt nichts anderes als: Der Sozialismus ist tot! Das hat in Wahrheit Dimensionen, wie wenn die katholische Kirche keinen Papst mehr wählen würde. Oder wenn sich alle Mafia-Bosse der Polizei stellen wollten.

Ein kleiner Schritt, der ein großer für die Menschheit ist. Das ist schon mehr als ein herzliches Hurra wert.

Jetzt gründen einige dieser bisherigen S-Parteien halt ein neues Vereinchen mit dem Adjektiv „progressiv“. Nun denn: Sie haben ja in den letzten Jahren den schleichenden Tod des Sozialismus schon mit etlichen Adjektiven übertünchen wollen, wie „sozialdemokratisch“ oder „liberal“ (letzteres war ein besonders frecher Diebstahl, aber die Sozialisten werden es wohl als Mundraub in höchster Not gesehen haben).

Die Linken haben jedoch ihr eigentliches Problem wohl noch immer nicht begriffen: Sie haben keine historische Rolle mehr. Ihr Identitätsmerkmal der letzten Jahrzehnte – ständig unter der Parole des die gesamte Zukunft verkaufenden Wohlfahrtsstaates immer noch mehr Schulden zu machen – ist endgültig am Ende. Geistig wie ökonomisch. So wie es vorher Verstaatlichungen, Enteignungen, Gewerkschaftsbewegung, Kampf gegen die Kirche und Liquidierungen der Leistungsträger als Signale des Sozialismus waren. Auch der Internationalismus ist schon lange verblichen, waren die Überreste des Sozialismus doch zuletzt fast überall die eines sehr nationalen Sozialismus.

Köstlich nur, wie die Funktionärsschicht, also die einzige Gruppe der Profiteure des Wohlfahrtssystems, jetzt verzweifelt nach neuen Orientierungen sucht. Grünismus? Caritas-kommunistisch? Unpolitisch? Vom Erdboden verschwunden sind sie ja nicht. Denn Populismus ist unsterblich.

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Paneuropa – wie eine falsche Idee zur erzwungenen Realität werden soll

16. Mai 2013 05:37 | Autor: Friedrich Romig
Rubrik: Gastkommentar

Im Rahmen des in Wien im November 2012 veranstalteten Festaktes zu 90 Jahren „Paneuropabewegung" wurde der Präsident des Europäischen Rates, Hermann van Rompuy, mit dem „Europapreis Coudenhove-Kalergi" ausgezeichnet. Der Preisträger bedankte sich mit einer bemerkenswerten Rede, in welcher er auf die von Graf Coudenhove-Kalergi in den 20er Jahres des vorigen Jahrhunderts vorgetragenen Ideengrundlagen einging. Die Paneuropabewegung habe lange vor 1945 den „intellektuellen Nährboden" vorbereitet, der „die Idee eines vereinten Europa für viel mehr Menschen als jemals zuvor möglich machte."

Noch heute bestimme diese Idee Entwicklung, Erweiterung und Vertiefung der Europäischen Union. Coudenhove-Kalergi habe bereits damals die noch immer gültige Frage gestellt, ob denn „Europa in seiner politischen und wirtschaftlichen Zersplitterung seinen Frieden und seine Selbständigkeit den wachsenden außereuropäischen Weltmächten gegenüber wahren kann – oder es gezwungen ist, sich zur Rettung seiner Existenz zu einem Staatenbunde zu organisieren?"

Diese Grundsatzrede des Präsidenten des Europäischen Rates, des höchsten Gremiums der EU, ist Anlass genug,  auf die Ideen von Coudenhove-Kalergi abwägend näher einzugehen.

Vereinigte Staaten von Europa nach dem Muster der USA

Über die Finalité der paneuropäischen Bestrebungen räumt Coudenhove-Kalergi jeden Zweifel aus: „Die Krönung der paneueropäischen Bestrebungen wäre die Konstituierung der Vereinigten Staaten von Europa nach dem Muster der Vereinigten Staaten von Amerika." Wie nahe dieses Ziel bereits ist, beschreibt Hermann van Rompuy mit „Europas politischer Reise, von einem Markt und Handelsblock hin zu einer politischen Rechtspersönlichkeit in voller Blüte mit ihrem eigenen Parlament, ihrer eigenen Währung, ihrer eigenen Flagge, einer gemeinsamen Außenpolitik.“

In seiner euphorischen Feststimmung übersieht van Rompuy, dass  an dieser Reise  längst nicht alle Staaten des europäischen Kontinents teilgenommen haben, dem Europäischen Parlament  noch immer die legislative Gewalt fehlt,  der Europäischen Währungsunion einstweilen nur 17 von derzeit 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union beigetreten sind, von einer gemeinsamer Außenpolitik nur in Ansätzen die Rede sein kann und die europäische Flagge von manchen Mitgliedern auf ihren Regierungsgebäuden nicht aufgezogen wird.

Die geistige Basis der „Europäischen Nation“

Coudenhove-Kalergi träumte von einer „Europäischen Nation“ als der geistigen Basis der Vereinigten Staaten von Europa. Europa sei geistig „verbunden durch die christliche Religion, durch die europäische Wissenschaft, Kunst und Kultur, die auf christlich-hellenischer Basis beruht. Die gemeinsame europäische Geschichte begann mit dem Römerreich und der Völkerwanderung, fand ihre Fortsetzung in Papsttum und Feudalismus, Renaissance und Humanismus, Reformation und Gegenreformation, Absolutismus und Aufklärung, Parlamentarismus, Industrialismus, Nationalismus und Sozialismus.“ Diese „abendländische Kultureinheit gibt uns das Recht, von einer europäischen Nation zu sprechen, die sprachlich und politisch in verschiedene Gruppen gegliedert ist.“ Über die Zugehörigkeit zu seiner Nation hinaus, sollte jeder „gute Deutsche, Franzose, Pole und Italiener auch ein guter Europäer sein.“

Es fällt heute zunehmend schwer, in diesem Konglomerat von divergenten geschichtlichen Einflussfaktoren die europäische „Kultureinheit“ zu entdecken, welche die „Nation Europa“ begründen könnte. Die drei Hügel, auf denen einst die Wahrzeichen Europas standen – Akropolis, Golgatha und Kapitol – sind abgetragen, eingeebnet und unsichtbar geworden. Die einstigen Geistesgrößen der Griechischen Philosophie gelten heute als „Feinde der offenen Gesellschaft“, die Kreuze werden abgehängt, die römische Rechtskultur wich positivistischer Willkür.

„Europa schafft sich ab“, diagnostizierte der Altabt des Stiftes Heiligenkreuz im Sommer 2011. „Der Untergang Europas ist besiegelt, weil es sich mit seiner heutigen modernen Weltanschauung, die sich aus einer pervertierten Aufklärung entwickelt hat, verrannte“ (Gregor Graf Henckel von Donnersmarck). Geprägt ist diese „moderne Weltanschauung“ vom Geist des Antichristen, den Papst Franziskus sogar mit der Teufelsanbetung in Verbindung bringt. Sicher kein tragfähiges Fundament für Paneuropa und die „europäische Kultureinheit“!

Religionsbekenntnis und Nationalität müssen „Privatsache“ werden

Mit Coudenhove-Kalergi möchte auch Hermann van Rompuy für Europa „die Herzen der Menschen gewinnen“ und ihrer Denkweise den „Stempel Europa aufdrücken.“ Coudenhove-Kalergi wollte erreichen, dass Paneuropa „Wurzeln“ schlägt „in den Herzen und Köpfen der Europäer… Das paneuropäische Gemeinschaftsgefühl, der europäische Patriotismus muss Platz greifen als Krönung und Ergänzung des Nationalgefühls.“ Um das zu erreichen sei die „Trennung von Nation und Staat“ notwendig, und zwar so, wie Religion und Kirche vom Staat getrennt wurden: „Jeder Kulturmensch muss daran arbeiten, dass wie heute die Religion, morgen die Nation zur Privatsache jedes Menschen wird.“

Es sei eine Schande, dass heute Menschen wie einst für ihre Religion, so heute für ihre Nation „leben und sterben, morden und lügen“ würden. Die Nation sei „ein Reich des Geistes“, das nicht durch Grenzpfähle begrenzt werden könne. „Die deutsche Nation endet nicht an der Reichsgrenze: Österreicher und Südtiroler, Deutschböhmen, Deutschpolen und Deutschschweizer gehören ihr nicht minder an als Preußen und Bayern.“ Staatsbürgerliche Pflichten müssen von jedem Bürger erfüllt werden, „ohne je die kulturelle Zugehörigkeit zu seiner eigenen Nation zu verleugnen.“

Man kann Coudenhove-Kalergi vom Vorwurf der Ambiguität bei der Behandlung der nationalen Frage nicht freisprechen. Abgesehen davon, dass die Trennung von Kirche und Staat oder von Religion und Politik nach katholisch-orthodoxer wie römisch-katholischer Lehre eine Häresie darstellt. Papst Franziskus: „Das, was einer auf der Kanzel sagt, bezieht sich auf die Politik mit Großbuchstaben geschrieben, das ist die Politik, die Werte berücksichtigt; aber die Medien pflegen oft das Gesagte aus dem Zusammenhang zu reißen und es zugunsten der Parteipolitik an die Modeströmungen anzupassen.“

Einerseits fordert Coudenhove-Kalergi „europäischen Patriotismus“ und europäisches „Nationalgefühl“, um Europa als „Vereinigte Staaten“ begründen zu können; auf der anderen Seite plädiert er für die Trennung von Staat und Nation. Nationalistische Politik ist für ihn die „Totengräberin der europäischen Kultur“, doch laufen seine ganzen Vorschläge auf eine nationalistische Politik für „Paneuropa“ hinaus. Abgesehen von diesem Widerspruch, sind die Nationalstaaten ja „kein überständiger Restbestand des 19. Jahrhunderts, sondern eine in 2000 Jahren gewachsene Struktur und die lebendige Wirklichkeit des heutigen Europa. (Thilo Sarrazin)“ Verständlich, dass ganz in diesem Sinne der Ministerpräsident Großbritanniens, David Cameron, die Europäische Union aufforderte, „den Wert nationaler Identität anzuerkennen  und  die Diversität der europäischen Nationen als Quelle der Stärke zu schätzen.“

Europa, ein Machtzentrum der Welt

Coudenhove-Kalergi fürchtete, dass ohne „ihre Einigung die europäischen Staaten binnen kurzem von den wachsenden Weltmächten verschlungen werden“ Neben den vier anderen großen Weltzentren – dem panamerikanischen, dem britischen, dem russischen und dem ostasiatischen – könne Europa nur durch einen Zusammenschluss seiner die Zersplitterung bewirkenden Nationalstaaten sich behaupten. Entweder erfolge die Einigung freiwillig oder gewaltsam, durch Eroberung.

Als Coudenhove-Kalergi  1923 sein Buch schrieb und herausbrachte, sah er Europa durch Russland wie auch durch die amerikanische Wirtschaftskraft bedroht. Der Zusammenschluss „aller Staaten, von Polen bis Portugal“ sei die einzige Chance, wie Europa seine Selbständigkeit, sein Kolonialreich, seine Kultur und seine Zukunft noch retten könne.

Das Argument wird heute noch immer mit Vehemenz vertreten, doch es verliert zusehends an Überzeugungskraft. Nicht nur haben weit über hundert Kolonialvölker nach 1945 ihre Unabhängigkeit errungen, sondern auch der Zerfall des Sowjetimperiums sowie Jugoslawiens hat zur Entstehung von neuen Nationalstaaten geführt. In Ostasien widerspricht der Aufstieg relativ kleiner und in der Weltwirtschaft erfolgreicher „Tiger-Staaten“ der These Coudenhove-Kalergis, „Kleinstaaterei“ führe zum Untergang. Im Nahen Osten ist der erst 1948 gegründete Staat Israel ein Musterbeispiel, welche Macht Kleinstaaten in der Welt ausspielen können.

Zollunion unter sozialistischer Kontrolle

Dürftig sind die Vorstellungen Coudenhove-Kalergis auf wirtschaftlichem Gebiet. In der von den Schutzzöllen profitierenden Nationalindustrie sieht er einen wichtigen Gegner seiner Paneuropabestrebungen. Würde durch europäischen Zusammenschluss die Kriegsgefahr verschwinden, gäbe es keinen Grund mehr für national geschlossene Wirtschaftsgebiete und Autarkie, von denen monopolartige Treibhausindustrien profitierten. Freihandel und freie Konkurrenz würden nicht nur die europäischen Konsumenten mit besseren und billigeren Waren versorgen, sondern jene Industrien neue Märkte gewinnen lassen, welche die Konkurrenz nicht zu fürchten brauchen. Die Gefahren, die von Monopolindustrien und Trustbildungen ausgehen, könnten gebannt werden „durch eine sozialistische Kontrolle, die in Europa leichter durchzuführen ist als in Amerika, weil hier der Sozialismus über mehr Macht verfügt.“

In den über die Grenzen hinausdrängenden „paneuropäischen Monopolindustrien“  und dem „internationalistischen Sozialismus“ sieht Coudenhove-Kalergi starke Antriebskräfte für die Bildung der Vereinigten Staaten von Europa, ebnet doch dort „die natürliche Vervollkommnung des kapitalistischen Systems … den Weg zum Sozialismus.“, jenem „Sozialismus, der die ganze Welt regeln wird“ und „die Menschheit wie von anderen Ausbeutungsfesseln auch befreien (wird) von den hemmenden zwischenstaatlichen Zollschranken.“

Coudenhove-Kalergi sollte mit diesem Hinweis auf die Verbindung von Monopolkapitalismus und Sozialismus Recht behalten. So berichtete Wolfgang Böhm jüngst über das 1983 erfolgte „Treffen der wichtigsten Konzernchefs von Philips über Siemens, Fiat, Volvo bis Nestlé, um die Idee eines gemeinsamen europäischen Binnenmarktes zu forcieren. Dieser „European Round Table“ fand Gehör beim sozialdemokratischen Kommissionspräsidenten Jacques Delors.“ 1986 öffneten „die einheitlichen Europäischen Akte“ den Weg zum Binnenmarkt.

Jetzt werden über „das mit Abstand wichtigste Projekt der Aufbau einer gemeinsamen transatlantischen Freihandelszone zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union“ noch im Sommer 2013 Verhandlungen aufgenommen. Inzwischen mehren sich die Stimmen der Auguren, die nach dem bereits 1993 erfolgten Beschluss über die „Agenda 21“ der UNO sogar eine Weltregierung im Entstehen sehen, welche die nachhaltige Entwicklung der Weltwirtschaft („sustainable development“) durch umfassende Regelungen und Kontrollen sichern soll.

Der Einspruch gegen dieses grundfalsche, eben auch von Coudenhove-Kalergi vertretene, liberale Konzept „gemeinsamer Märkte“, erfolgt jetzt nicht nur von Nationalökonomen alter Schule, sondern sogar von den Intelligenteren unter den Juristen. Sie sehen im Binnenmarkt einen „Grundfehler der Integration“ und wenden sich „gegen die Freihandelsdoktrin. (Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider)“ Der Eindruck drängt sich auf, die Politikversager möchten den ob seiner horrenden Arbeitslosigkeit gescheiterten, von der Bevölkerung nicht mehr mitgetragenen europäischen „Binnenmarkt“ durch die Flucht in den noch größeren „Nato-Markt“ kompensieren

„Welt-Union“ statt „Europäischer Union“? Das kann die Fahrt in den Abgrund nur beschleunigen.

Die Führung Europas durch den neuen Adel

Die bemerkenswerten Feststellungen zur Verbindung von Kapitalismus und Sozialismus durch gemeinsame Interessen bahnen den Weg zum Verständnis der elitären Vorstellungen Coudenhove-Kalergis über die politische Führung Europas, ihre Rekrutierung und Zusammensetzung.

Einen guten Zugang zu diesen Vorstellungen erhält der Leser durch eine kleine Schrift, die Coudenhove-Kalergi 1922 unter dem Titel „Adel“ veröffentlicht, aber wohl schon 1920 fertiggestellt hat. Die Schrift gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil ist die Rede vom „rustikalen und urbanen Menschen“. Er enthält Gegenüberstellungen von Landmensch und Stadtmensch; Junker und Literat; Gentleman und Bohemien; Inzucht und Kreuzung; heidnischer und christlicher Mentalität.

All diese Charakterisierungen sind amüsant zu lesen. Der rational denkende Stadtmensch habe den organisch denkenden Landmenschen abgelöst, der Literat und Geistesmensch den geistig minderbemittelten Junker und Blutadel verdrängt, der Bohemien den Gentleman. Der Rustikalmensch sei vielfach ein Produkt der Inzucht, der Urbanmensch eher ein Mischling, in dem sich Vielseitigkeit, geistige Regsamkeit, Freiheit von Vorurteilen und Weite des Horizontes verbinden. Schon diese in Kurzform wiedergegebenen Gegenüberstellungen lassen erkennen, wem die Führung in Zukunft gehören wird: Nicht dem „Blut- und Schwertadel“, sondern dem „Hirnadel“.

Der Held und der Heilige

Von besonderem Interesse in diesem ersten Teil ist der letzte Abschnitt mit der Gegenüberstellung von heidnischer und christlicher Mentalität, den wir weitgehend zitieren wollen.

„Heidentum stellt Tatkraft, Christentum Liebe an die Spitze der ethischen Wertskala.“ Christentum will das Raubtier Mensch in ein zahmes Haustier verwandeln, während Heidentum den Menschen zum Übermenschen umschaffen will. Im Mittelalter lebt das Heidentum als ritterliche, in der Neuzeit als imperialistische und militaristische Weltanschauung fort. Offiziere, Junker, Kolonisatoren, Industriekapitäne sind die führenden Repräsentanten modernen Heidentums. Tatkraft, Tapferkeit, Größe, Freiheit, Macht, Ruhm und Ehre: das sind die Ideale des Heidentums;

während Liebe, Milde, Demut, Mitleid und Selbstverleugnung wahre christliche Ideale sind. Allgemeingültiger heidnischer Individualismus ist nur in dünn bevölkerten Erdstrichen möglich, wo der Einzelne sich behaupten und rücksichtslos entfalten kann, ohne gleich in Gegensatz zu seinen Mitmenschen zu geraten. In übervölkerten Gegenden, wo Mensch an Mensch stößt, muss das sozialistische Prinzip gegenseitiger Unterstützung das individualistische Prinzip des Daseinskampfes ergänzen und zum Teil verdrängen.

Christentum und Sozialismus sind internationale Großstadtprodukte. Das Christentum nahm als Weltreligion seinen Ausgang von der rasselosen Weltstadt Rom; der Sozialismus von den national gemischten Industriestädten des Abendlandes. Beide Äußerungen christlicher Mentalität sind auf Internationalismus ausgerichtet, welcher die Zukunft bestimmen wird.

Christentum und Judentum

„Das Christentum, ethisch von jüdischen Essenern (Johannes), geistig von jüdischen Alexandrinern (Philo) vorbereitet, war regeneriertes Judentum. Soweit Europa christlich ist, ist es (im ethisch-geistigen Sinne) jüdisch; soweit Europa moralisch ist, ist es jüdisch. Fast die ganze europäische Ethik wurzelt im Judentum. Die prominentesten und überzeugtesten Vertreter christlicher Ideen, die in ihrer modernen Wiedergeburt Pazifismus und Sozialismus heißen, sind Juden … Der theokratischen Idee der Identifikation von Politik und Ethik ist das Judentum im Wandel der Jahrtausende treu geblieben: Christentum und Sozialismus sind beides Versuche, ein Gottesreich zu errichten. Vor zwei Jahrtausenden waren die Urchristen, nicht die Pharisäer und Sadduzäer, Erben und Erneuerer mosaischer Tradition; heute sind es weder die Zionisten noch die Christen, sondern die jüdischen Führer des Sozialismus: denn auch sie wollen, mit höchster Selbstverleugnung, die Erbsünde des Kapitalismus tilgen, die Menschen aus Unrecht, Gewalt und Knechtschaft erlösen und die entsühnte Welt in ein irdisches Paradies wandeln. Diesen jüdischen Propheten der Gegenwart, die eine neue Weltepoche vorbereiten, ist in allem das Ethische primär: in Politik, Religion, Philosophie und Kunst.“

Charakterstärke verbunden mit Geistesschärfe prädestiniert den Juden in seinen hervorragendsten Exemplaren zum Führer urbaner Menschheit, zum falschen wie zum echten Geistesaristokraten, zum Protagonisten des Kapitalismus wie der Revolution.

Das demokratische Zwischenspiel und sein Ende

Nicht minder anregend ist der zweite Teil dieser kleinen Schrift, der mit „Krise des Adels“ überschrieben ist. Er besteht aus 5 Abschnitten und wird mit einem „Ausblick“ abgeschlossen.

Gleich der erste Abschnitt „Geistesadel statt Schwertherrschaft“ hat es in sich. „Unser demokratisches Zeitalter“, schreibt Coudenhove-Kalergi, „ist ein klägliches Zwischenspiel zwischen zwei großen aristokratischen Epochen: der feudalen Aristokratie des Schwertes und der sozialen Aristokratie des Geistes. Die Feudalaristokratie ist im Verfall, die Geistesaristokratie im Werden. Die Zwischenzeit nennt sich demokratisch, wird aber in Wahrheit beherrscht von der Pseudo-Aristokratie des Geldes.“ Das Schwarzpulver bedeutete das Ende der Ritterschaft, der Buchdruck gab dem schriftstellernden Geist Machtmittel von ungeheurer Tragweite.

„Der Einfluss des Blutadels sank, der Einfluss des Geistesadels wuchs. Diese Entwicklung, und damit das Chaos moderner Politik wird erst dann ein Ende finden, bis eine geistige Aristokratie die Machtmittel der Gesellschaft: Pulver, Gold, Druckerschwärze, an sich reißt und zum Segen der Allgemeinheit verwendet. Eine entscheidende Etappe zu diesem Ziel bildet der russische Bolschewismus, wo eine kleine Schar kommunistischer Geistesaristokraten das Land regiert und bewusst mit dem plutokratischen Demokratismus bricht, der heute die übrige Welt beherrscht und korrumpiert.“

Dürfen wir hier, Coudenhove-Kalergi ergänzend, anmerken, dass manche nicht unbegründet vermuten, die kommunistische Geistesaristokratie sei in die Glaspaläste der Europäischen Union eingezogen, habe den Stuhl des Kommissionspräsidenten eingenommen und führe nun auch den Vorsitz im Europäischen Parlament? Und mit China würde diese „kommunistische Geistesaristokratie“ bereits eine Weltmacht regieren, von deren Wohl und Wehe der „Westen“ weitgehend abhängig sei? Hat demnach Coudenhove-Kalergi mit der Bemerkung recht, Kapitalismus und Kommunismus seien „beide rationalistisch, beide mechanistisch, beide abstrakt, beide urban“, im Grunde also verwandt? Offen bleibt für uns die Frage, ob aus dieser geistigen Verwandtschaft von Kapitalismus und Sozialismus tatsächlich, wie Coudenhove-Kalergi vermutet, ein neuer Geistesadel erwächst, dem die Führung Europas anvertraut werden kann?

Die Krise des Adels

Mit der Erfindung des Schwarzpulvers hat der Schwertadel endgültig ausgespielt. Der Ritter wurde vom Pferd geschossen. Der Blutadel, der einst seine Ländereien verwaltete und bodenständig war, kam bei Hofe mit der Dekadenz in Berührung und verdarb. Der Geistesadel aus Literatur, Wissenschaft, Kunst wurde vom korruptionistischen Kapitalismus „vergiftet“, „Schule und Presse sind heute beide in den Händen einer ungeistigen Intelligenz.“

Auch die „Geldaristokratie“, die Plutokratie, welche die Macht an sich riss, befindet sich „gegenwärtig in einer Verfallsperiode.“ Ihr war es gelungen, ihre Herrschaftsform hinter einer demokratischen Fassade aufzurichten, die Staatsmänner zu ihren Marionetten zu machen und ihnen die Richtlinien der Politik durch Bestechung zu diktieren. Herabgekommen zur Schieber- und Spekulantenaristokratie, droht der kapitalistischen Plutokratie durch den Bolschewismus und Sozialismus eine Katharsis, welche sie zwingt, soziale Forderungen mehr und mehr zu berücksichtigen. Der gemeinsame Tanz von Kapitalismus und Sozialismus hat schon begonnen.

Der unverzichtbare Adel

Trotz aller Verfallsformen ist Adel unverzichtbar: „Will die Menschheit vorwärts schreiten, braucht sie Führer, Lehrer, Wegweiser; Erfüllungen dessen, was sie werden will; Vorläufer ihrer künftigen Erhebung in höhere Sphären. Ohne Adel keine Evolution. Eudämonistische Politik kann demokratisch – evolutionistische Politik muss aristokratisch sein. Um emporzusteigen, um vorwärts zu schreiten sind Ziele nötig; um Ziele zu erreichen, sind Menschen nötig, die Ziele setzen, zu Zielen führen: Aristokraten.“ Das Zwischenspiel der Demokratie „entstand aus Verlegenheit: nicht deshalb, weil die Menschen keinen Adel wollten, sondern deshalb, weil sie keinen Adel fanden.“

„Von der europäischen Quantitätsmenschheit, die nur an die Zahl, die Masse glaubt, heben sich zwei Qualitätsrassen ab: Blutadel und Judentum. Voneinander geschieden, halten sie beide fest am Glauben an ihre höhere Mission, an ihr besseres Blut, an menschliche Rangunterschiede. In diesen beiden heterogenen Vorzugsrassen liegt der Kern des europäischen Zukunftsadels: im feudalen Blutadel, soweit er sich nicht vom Hofe; im jüdischen Hirnadel, soweit er sich nicht vom Kapital korrumpieren ließ.“

Die Überlegenheit ihres Geistes „prädestiniert“ die Juden „zu einem Hauptfaktor zukünftigen Adels“ und zur „Menschheitsführung. Bei ihnen ist seit jeher „das Gemeinsame, Verbindende und Primäre nicht die Nation, sondern die Religion. Im Laufe des ersten Jahrtausends unserer Zeitrechnung traten in diese Glaubensgemeinschaft Proselyten ein, zuletzt König, Adel und Volk der mongolischen Chazaren, der Herren Südrusslands. Von da an erst schloss sich die jüdische Religionsgemeinschaft zu einer künstlichen Volksgemeinschaft zusammen und gegen alle übrigen Völker ab. (Richard N. Coudenhove-Kalergi nimmt hier Bezug auf das Buch seines Vaters, Dr. Heinrich Coudenhove-Kalergi: Antisemitismus )“

Die Jahrhunderte währende Verfolgung und Ausrottungsversuche durch das europäische Christentum [Anm.: Die erst mit dem Zweiten Vatikanum einsetzende Reflexion und Reaktion der römisch-katholischen Kirche auf diesen Vorwurf hat ihre Glaubwürdigkeit zutiefst erschüttert und sogar zur Änderung ihrer liturgischen Texte und Riten geführt] haben das Judentum gestählt und einem Ausleseprozess unterzogen, der es „zu einer Führernation der Zukunft erzogen“ und „zu einem geistigen Adel entwickelt“ hat. Das Judentum wird deshalb der Schoß sein, „aus dem ein neuer, geistiger Adel Europas hervorgeht; ein Kern um den sich ein neuer, geistiger Adel gruppiert“.

Lenin und Trotzki, der neue Adelstyp

Dieser neue Adel rekrutiert sich beileibe nicht nur aus dem Judentum. Coudenhove-Kalergi schwebt ein neuer Adelstyp vor, der aus „einem kleinen Rest sittlich hoch stehenden Rustikaladels und eine(r) kleinen Kampfgruppe revolutionärer Intelligenz“ besteht. „Hier wächst die Gemeinschaft zwischen Lenin, dem Mann aus ländlichem Kleinadel, und Trotzki, dem jüdischen Literaten, zum Symbol: Hier versöhnen sich die Gegensätze von Charakter und Geist, von Junker und Literat, von rustikalem und urbanem, heidnischem und christlichem Menschen zur schöpferischen Synthese revolutionärer Aristokratie.“ Der nicht korrumpierte Landadel hat eine Fülle vitaler Kräfte in tausendjähriger Symbiose mit der Natur gesammelt und aufgespeichert Gelingt es, diese gesteigerte Lebensenergie ins Geistige zu sublimieren, dann könnte vielleicht der nichtjüdische Adel der Vergangenheit  zusammen mit dem jüdischen Geistesadel Anteil nehmen am Aufbau des Adels der Zukunft, der sich durch alles „Hervorragende an Schönheit, Kraft, Energie und Geist“, an „Unbeugsamkeit des Willens, Seelengröße und Selbstlosigkeit“ auszeichnet.

Man kann über dieses neue „Herrschervolk“, diese neue „Herrenrasse“, deren Bildung Coudenhove-Kalergi sogar mit eugenischen Züchtungsmethoden fördern wollte, leicht die Nase rümpfen, doch die Bildung von Führungseliten gehört zu den unverzichtbaren Aufgaben staatlichen Überlebens. Auch wenn man die Verbindung von altem Adel und Sozialismus – ob nun „katholischem“ oder „jüdischem Sozialismus“ – ablehnt, so sollte zumindest das Faktum ein wenig des Nachdenkens wert sein, dass seine Kaiserliche und Königliche Hoheit, Otto von Habsburg, die Präsidentschaft der Paneuropabewegung nach dem Tode von Coudenhove-Kalergi übernommen hatte.

Sein Sohn Karl gehört dem Präsidium der Paneuropa-Union seit 1994 an. Unterstützt wurden und werden sie von vielen Angehörigen des Hochadels, die politische und soziale Verantwortung zu ihrem Anliegen gemacht haben. Darüber hinaus sind heute etwa einhundert Abgeordnete zum Europäischen Parlament Mitglieder der Paneuropa-Union.

In zahlreichen Querverbindungen wird die Zusammenarbeit mit den in den USA beheimateten Einflussgruppen gepflegt. Damit wird von der Paneueropabewegung dem Umstand Rechnung getragen, dass die Europäische Union heute nur noch als „euroasiatischer Brückenkopf der USA“ (Zbigniew Brzezinski) fungiert. Die von Hermann van Rompuy eingangs gestellte Frage, ob denn Europa seinen Frieden und seine Selbständigkeit den anderen Weltmächten gegenüber wahren kann, hat sich damit ebenso erledigt wie die Vorstellung Coudenhove-Kalergis, Europa könne durch Zusammenschluss zu einer auf der globalen Bühne mitspielenden Weltmacht werden. Denn trotz Europäischer Union ist Europa, wie Coudenhove-Kalergi schon 1923 befürchtete, „politisch und militärisch zum Schachbrett der Welt“ und anderen Großmächten hörig geworden.

Die Vereinigten Staaten von Europa – eine „idée fausse“

„Europa als politischer Begriff besteht nicht.“ Diese, wenn auch von ihm bekämpfte Einsicht, die Coudenhove-Kalergi 1923 vortrug, ist heute so gültig, wie sie es immer war. In seiner Geschichte war Europa nie eine staatliche Einheit, weder unter der Herrschaft Roms, noch unter den Kaisern und Päpsten des Mittelalters. Ganz zu schweigen von den gescheiterten Versuchen, die Napoléon, Stalin oder Hitler zur Neuordnung Europas unternommen haben.

Nach ihrer von Freiherrn von der Heydte so beredt beschriebenen „Geburtstunde des souveränen Staates“ im 13. Jahrhundert, hat die Entwicklung zu Nationalstaaten bis heute nicht an Fahrt verloren. Es ist einfach Utopie zu glauben, dass selbstbewusste Völker wie die Briten, Irländer, Holländer, Franzosen, Spanier, Italiener, Dänen, Schweden, Norweger, Finnen, Polen oder Tschechen ihre Souveränität an einen europäischen Bundesstaat abtreten. Selbst Vielvölkerstaaten wie Österreich, Belgien oder gar die Schweiz denken nicht daran, ihre staatliche Existenz aufzugeben.

Europa ist ein opakes, intransparentes, vergiftetes Wort, missbraucht zur Irreführung und zur Verschleierung politischer Zwecke. „Scheitert der Euro, scheitert Europa“ – selten hat ein Satz die Runde gemacht, der an Unsinnigkeit kaum zu überbieten ist. Europa „scheitert“ nicht einmal, wenn die EU sich auflöst! Die europäischen Völker und ihre Staaten werden auch ohne übergestülpte Zwangsjacke in Frieden weiterleben, solange jedenfalls wie die NATO ihn wahrt.

Völker sind Völker. Niemand hat das Recht, ihnen ihre Existenz in der von ihnen bejahten staatlichen Form zu verweigern. Weder kulturell noch politisch gibt es ein Substrat, das für die Vereinigten Staaten von Europa die notwendigen Ligaturen oder Bindekräfte beistellen könnte. Es gibt kein „europäisches Volk“. Die Abstimmungen über die Europäische Verfassung haben das dort, wo sie stattfinden konnten (Irland, Frankreich, Holland), eindeutig bewiesen. Heute kann die EU nur noch durch ständigen Rechtsbruch am Leben gehalten werden (Paul Kirchhof, Jürgen Stark).

Die EU steht vor einem Scherbenhaufen und muss zusehen, wie in vielen Staaten die Bevölkerung protestiert, Gewerkschaften mit Streiks das Land lahm legen, Parlamente gestürmt, Banken belagert, Schaufenster eingeschlagen, Geschäfte geplündert, Autos, Barrikaden und Häuser angezündet werden und ganze Stadtviertel außer Kontrolle geraten. Ein Europa, in dem es notwendig ist, Knüppel, Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschosse  einzusetzen, um das Versinken in Anarchie zu verhindern, ist das das Europa, das Coudenhove-Kalergi erträumte? Sicher nicht!

Es ist an der Zeit, Alternativen ins Auge zu fassen und den Völkern nicht länger das Naturrecht  auf Existenz in den von ihnen im Laufe der Geschichte gebildeten poltisch-staatlichen Einheiten zu verweigern. Europa der Vaterländer, das Konzept de Gaulles, ist das, was von den Völkern akzeptiert wird: Kooperation auf gleicher Augenhöhe, nicht aber die Vereinigten Staaten von Europa!

Der Autor ist Dozent für Theoretische Volkswirtschaftslehre und Politik. Er war Mitglied der Europakommission der Österreichischen Bischofskonferenz. Seine letzten Publikationen: Die Rechte der Nation (2002, slowakisch 2008), Der Sinn der Geschichte (2011), ESM-Verfassungsputsch in Europa (2012). 

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Mit Steuern steuern

12. Mai 2013 01:41 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

„Mehrheit der Deutschen will Steuererhöhungen“ meldet „Die Welt“. Demnach befürworten 72 Prozent der Wahlberechtigten die Anhebung der Steuern für die „Gutverdienenden“. 62 Prozent sprechen sich für die Einführung von Vermögenssteuern aus.

Frankreichs sozialistischer Staatspräsidentendarsteller Francois Hollande möchte – unter dem tosenden Applaus der Neidgenossen – „Steueroasen in aller Welt ausradieren“ und dadurch den Erdball in eine einzige Steuerwüste verwandeln.

Angesichts der kollektiven Hatz auf perfide Steuersünder, wie etwa den Ex-Kicker Uli Hoeneß, kann der deutsche Bundespräsident nicht länger an sich halten und verkündet: „Wer Steuern hinterzieht, verhält sich asozial". Wer wäre wohl eher legitimiert, über asoziales Verhalten zu räsonieren, als ein von Steuern lebender Mann, der keinen Tag seines Lebens produktiv gearbeitet hat?

Dass auch die üblichen Verdächtigen unter den österreichischen Geistesathleten – speziell solche aus dem Dunstkreis von Gewerkschaften und Arbeiterkammern – ihre begehrlichen Blicke verstärkt auf jene Bürger richten, die ihr Einkommen nicht versoffen und verhurt, sondern zur Vermögensbildung genutzt haben, sei der Vollständigkeit halber nicht unerwähnt.

Jeder vom Bürger zum Staat umverteilte Euro bedeutet nicht nur einen Wohlstandsverlust, sondern bringt auch eine Zunahme der (Kontroll-)Macht des Leviathans über den Bürger mit sich. Angesichts dessen ist es erstaunlich, dass die Tage offenbar vorbei sind, in denen mit dem Ruf nach Steuersenkungen auf dem politischen Parkett gepunktet werden konnte. So kurios es auch scheint, verspricht ausgerechnet in einer Zeit historisch höchster Abgabenlasten die erklärte Absicht, die Steuerschraube noch weiter anziehen zu wollen, Wahlerfolge.

Ob die feuchten Träume der Obertanen dabei nun um die Erfindung oder Einführung neuer Tribute, wie Kapitaltransaktions- oder Vermögenssteuern, oder um die Verschärfung bereits bestehender Enteignungsinstrumente (wie die Einkommenssteuer) kreisen, erscheint nebensächlich. Das einzige, worauf die Umverteiler zu achten haben, ist, den Steuerhammer selektiv auf kleine, in der Massendemokratie unbedeutende Gesellschaftsgruppen niedersausen zu lassen, als da wären: Unternehmer, Mietshausbesitzer, „Spekulanten“, (kurz: Eigentümer von Vermögen aller Art) und „Besserverdiener“.

Die genannten Minderheiten zu Sündenböcken zu erklären, die unausgesetzt beschuldigt werden, an der herrschenden Krise die Alleinschuld zu tragen und daher jetzt – „Gerechtigkeit muss sein!“ – entsprechend bluten sollen, ist eine leichte Fingerübung, da es die Politelite verstanden hat, die Hauptsrommedien zu ihren treuesten Symbionten zu machen. Die Damen und Herren Redakteure sind artig mit von der Partie, wenn das Lied vom treu sorgenden, verantwortungsvoll im Sinne des „Gemeinwohls“ agierenden Staat angestimmt und zugleich der ruchlose Egoist und ausschließlich den eigenen Vorteil suchende Private verdammt wird. Die „Vierte Macht“ im Staate ist – einer konsequenten Negativauslese und Korrumpierung der Bericht erstattenden Zunft sei Dank – mittlerweile zum zuverlässigsten Wasserträger staatlicher Allmachtsbestrebungen und zugleich zum erbarmungslosen Zensor jeglicher Staatskritik degeneriert.

Steuern sind niemals gerecht

Allerdings gibt es keinen Schatten ohne Licht: Immerhin könnte das die allgemeine Moral zerstörende Prinzip der Demokratie nicht deutlicher enthüllt werden, als durch den immer lauter erschallenden Ruf einer Mehrheit nach immer höheren Steuerlasten für eine Minderheit. Demokratie bedeutet eben knallharte Diktatur der Mehrheit. Diese Tatsache jedermann ungeschönt vor Augen zu führen, ist schon etwas wert.

Für privat handelnde Personen gelten Tabus. Kaum jemand würde den Raub an seinem Nachbarn gutheißen oder den Versuch unternehmen, diesen zu rechtfertigen. Auch leuchtet es jedermann ein, dass ein Verbrechen nicht dadurch zur Wohltat mutiert, indem man es im Kollektiv begeht. Ein in der Gruppe verübter Raub ist eben kein kleineres Übel als die Tat eines Einzelnen. Interessanterweise gibt es aber ab dem Moment keinerlei Halten und keinen moralischen Einwand mehr, da die Ausführung des Raubes mittels eines Stimmzettels an politische Parteien – die damit völlig ungeniert und ungestraft werben dürfen – delegiert und am Ende durch Staatsschergen vollzogen wird. Die Sozialisten in allen Parteien waren, sind und bleiben nichts weiter als von ihren (anonymen) Wählern gedungene Räuber.

Es ist kaum zu fassen: Rechtschaffene Menschen, der Großteil davon würde nie im Leben daran denken, kriminell zu werden – 72 Prozent der Bundesbürger – heißen die willkürliche Ausplünderung von Menschen gut, deren Fehler darin besteht, es materiell weiter gebracht zu haben, als sie selbst. Das reicht, um diesen – ohne dabei von Gewissensbissen geplagt zu werden – den Steuervogt an den Hals zu hetzen, der ihnen in der Folge seine Beute (oder wenigstens einen Teil davon) übergeben soll. Dass diejenigen, die ihre Enteignung nicht widerstandslos hinnehmen und entsprechende Gegenstrategien entwickeln, als „asozial“ denunziert werden, fügt dem Unrecht den blanken Hohn hinzu.

Steuern sind niemals gerecht. Stets werden sie gewaltsam und nicht im Konsens erhoben und stets schaffen sie zwei Klassen von Menschen: Eine, die sie bezahlt und eine, die davon lebt. Doch selbst wenn diese Tatsache unbeachtet bleibt, ist eines klar: Wer sich den Kampf für die Gerechtigkeit aufs Panier schreibt und dabei ein Minimum an Glaubwürdigkeit bewahren will, der kann eines keinesfalls tun: Willkürlich gestalteten (progressiven) Steuertarifen das Wort reden. Genau das aber tun alle in den Parlamenten Österreichs und Deutschlands vertretenen Parteien – möglicherweise ohne zu wissen, dass progressive Steuern ein Instrument sind, das von Karl Marx einst dazu erdacht wurde, um die bürgerliche Gesellschaft zu zerstören…

Montesquieu schreibt in seinem wichtigsten Werk „Vom Geist der Gesetze“ zum Thema Steuern folgendes: „…die Wirkung (…) übermäßiger Besteuerung ist, dass die Freiheit ihrerseits die Knechtschaft hervorbringt und die Wirkung der Knechtschaft ist die Verminderung der Steuereinnahmen.“ Mit dem letzten Satz hat der hellsichtige Mann bereits den Jahrhunderte später gefundenen „Laffer-Effekt“ beschrieben. Die tragbare Steuerlast ist eben endlich! Eine Seite zuvor stellt der Baron fest: „Die maßvollen Staaten bieten eine Entschädigung für den Steuerdruck: eben die Freiheit. Die despotischen Staaten bieten ein Entgelt für die Freiheit: eben die geringfügigen Steuern.“ Der selige Mann lebte allerdings in einer absoluten Monarchie. Er hatte keine blasse Vorstellung vom Ausmaß der in einer Massendemokratie herrschenden Despotie – bei zugleich maximalen Steuerlasten…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Wohlfahrtsstaat – leb wohl!: Buchbesprechung

07. Mai 2013 00:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Rund ein Jahr nach „Die Demokratische Krankheit“, legt der deutsche Ökonom Christoph Braunschweig erneut eine Arbeit vor, die sich mit jenen Herausforderungen auseinandersetzt, mit denen sich liberale Demokratien dieser Tage zunehmend konfrontiert sehen. Auslöser der anhaltenden Schulden- Wirtschafts- und Finanzkrise ist nach Meinung des Autors die „kollektive Unvernunft in der Massendemokratie“.

Der fortschreitende Siegeszug des Sozialismus, der nach dem Zerfall der UdSSR keineswegs zum Ende gekommen ist, findet seinen deutlichsten Ausdruck in der planmäßigen Zerstörung der Familien, die ein letztes Bollwerk des Privaten gegen den übermächtigen, alle Lebensbereiche durchdringenden Staat bilden. Ein umlagebasiertes Rentensystem ist gleichermaßen für den Geburtenrückgang und die Verlangsamung der Kapitalbildung in privater Hand verantwortlich: Wozu noch individuell für die Zukunft vorsorgen, wenn einem doch der Sozialstaat von der Wiege bis zur Bahre alle Lasten zuverlässig abnimmt? An die Stelle individueller Verantwortung tritt ein – immer häufiger kritiklos geleisteter – Gehorsam gegenüber dem Staat, der seine Fortsetzung und Erweiterung im supranationalen Imperium der EU findet. Die Vergrößerung von Entscheidungseinheiten führt indes stets zu einer immer weiteren Entfremdung zwischen Herrschern und Beherrschten und zu einer stetigen Entkoppelung von Recht und Verantwortung.

Ein ausführlicher historischer Abschnitt – der sich in mehrere Teile gliedert und an den Ideen großer Denker, von der Antike bis in die Gegenwart, orientiert – nimmt sich der Untersuchung des Gegensatzes zwischen Freiheit und Gleichheit an. Anders als die angloamerikanische Welt, die freiheitsorientierten aristotelischen Grundsätzen folgt – die über John Locke, Edmund Burke und David Hume den liberalen Verfassungsstaat hervorbringen – orientiert sich das kontinentale Europa stark an den Ideen Platons, die über Rousseau zur Französischen Revolution und in den Napoleonischen Totalitarismus und in der Tradition Fichtes und Hegels zum Deutschen Idealismus und Nationalismus führen.

Die „Kathedersozialisten“, wie Gustav Schmoller und Werner Sombart beschädigen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nachhaltig das Ansehen des wirtschaftsorientierten Bürgertums in Deutschland. Besonders Sombart wird nicht müde, den angeblich verächtlichen „britischen Krämergeist“ mit dem edlen, aber kriegerischen Wesen der Deutschen zu kontrastieren. Seine Ausführungen fallen auf fruchtbaren Boden und so ist es kein Wunder, dass in deutschen Landen kein freiheitsliebendes, selbstbewusstes Bürgertum entstehen kann, wie es in Großbritannien und in den von diesem emanzipierten USA tonangebend wird. Das unentwegte Streben nach mit Gerechtigkeit assoziierter Gleichheit hat bis heute eindeutig Vorrang vor dem Kampf für die Freiheit. Dass es politische Freiheit allerdings ausschließlich dort geben kann, wo auch wirtschaftliche Freiheit herrscht, wird vielfach nicht erkannt.

Die jedem Freisinnigen haarsträubend anmutende Staatsgläubigkeit konnte dem Deutschen Michel selbst durch zwei Weltkriege und Jahrzehnte langen nationalsozialistischen, bzw. kommunistischen Terror nicht ausgetrieben werden. So oft heute ein Problem auftaucht (das oft genug durch nachteilige, hoheitliche Regulative oder Misswirtschaft bedingt ist), erschallt reflexartig der Ruf nach noch mehr Staat. Folgerichtig soll etwa dem Problem der ausufernden Staatsverschuldung durch noch mehr Schulden begegnet werden. Legionen von mit Steuergeldern bezahlten oder im Dienste des staatsnahen Finanzsektors stehenden „Experten“ und Intellektuellen liefern dazu den geistigen Unterbau, der von den Hauptstrommedien willfährig und dankbar publiziert wird. „Der Aktionismus und Machbarkeitswahn der „Mainstream-Ökonomen“ führt lediglich dazu, dass sich die Lage weiter verschlimmert – zu Lasten der zukünftigen Generation.“

Braunschweig plädiert für ein Ende des staatlichen Geldmonopols, das – als lupenrein planwirtschaftliches Instrument – mit einer freien Marktwirtschaft auf Dauer unvereinbar ist. Nur die Rückkehr zu einem Warengeld, wie es bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs international gebräuchlich war (Gold), und ein Ende des Teilreservesystems der Banken kann das Geldwesen wieder auf eine gesunde Grundlage stellen. Der Wegfall der Möglichkeit des Stimmenkaufs mittels „Fiat Money“, würde dem Leviathan einen beträchtlichen Machtverlust eintragen und die Bürger in einen großen Teil der ihnen entrissenen Rechte wieder einsetzen.

Kleine politische Einheiten sind für den Bürger vorteilhafter als große: „Kleinstaaten müssen eine Niedrig-Steuerstrategie und ein klare Ordnungspolitik praktizieren, ansonsten wandern insbesondere die produktivsten Bürger und Unternehmen ab“. Und schon Montesquieu, geistiger Vorkämpfer der Gewaltenteilung, bemerkte: „In großen Staaten wird das Gemeinwohl tausenderlei Rücksichten geopfert, während es in einem kleinen Land näher bei jedem Bürger ist.“ Es liegt auf der Hand, dass diese Verhältnisse sich im zentral kommandierten Moloch EU, selbst gegenüber großen Nationalstaaten, weiter verschlimmern. Um das Unheil zu komplettieren, ist die katastrophale Fehlentscheidung zur Einführung einer gemeinsamen Zwangswährung soeben im Begriff, längst überwunden geglaubte Ressentiments zwischen den Nationen erneut aufleben zu lassen.

Den einzig gangbaren Ausweg aus dem Dilemma sieht Braunschweig in einer Rückbesinnung auf Verantwortungsethik und liberale Ordnungspolitik. „Es gilt die zeitlose Weisheit des Perikles (500 – 429 v. Chr.): „Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit, das Geheimnis der Freiheit aber ist der Mut.“ Und Mut bedeutet, dass man standhaft gegen die Mehrheit steht.“ Eleganter kann man es nicht formulieren.

Wohlfahrtsstaat – leb wohl!
Christoph Braunschweig
LIT-Verlag Berlin, 2013
317 Seiten, broschiert
ISBN 978-3-643-12112-7
€ 29,90,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Haben Europas Bürger zu viel oder zu wenig Macht?

28. April 2013 00:53 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Immer öfter stößt in Europa das wirklich oder vermeintlich Notwendige mit einem anderen ehernen Grundprinzip zusammen: mit dem demokratischen. Immer öfter stößt man als Folge auf die Forderung, die Demokratie substanziell einzuschränken. Die Machthaber wollen nicht durch die Bürger gestört werden, weil diese nicht so viel Einsicht hätten wie die Politiker. Liberale sehnen die Zeiten zurück, da nur wählen durfte, wer auch Steuern zahlt. Und Linke haben seit 1968 die extrem undemokratische Praxis, Andersdenkende erst gar nicht zu Wort kommen zu lassen oder gar physisch zu verfolgen. So wie es die protonazistische Rechte in den 20er und 30er Jahren getan hatte.

Der deutsche Verteidigungsminister De Maiziere musste dieser Tage deswegen sogar nach einem halbstündigen Versuch einen Vortrag an der Berliner Humboldt-Universität abbrechen, weil Linksradikale den Gast „erfolgreich“ sabotiert haben. Und weil der dortige Rektor wie viele Professoren nicht gerade standfest reagierte.

Dass solche Extremisten nicht die Antwort auf die Krise der Demokratie sind, braucht wohl nicht weiter bewiesen zu werden. Wer Andersdenkende nicht reden lässt, ist Exponent eines neuen Faschismus. Wer sich vor Argumenten so fürchtet, dass er ihre Formulierung verhindern will, hat in Wahrheit selber sehr schlechte Argumente. Oder gar keine.

Das Demokratieproblem der Euro-Retter

Damit ist aber die Frage nach der Zukunft der europäischen Demokratie noch keineswegs beantwortet. Denn die Krisensymptome sind ja trotzdem vorhanden. Man schaue nur auf die diversen Wahlergebnisse in Europa. Je verantwortungsloser eine Gruppe agiert, umso eher hatte sie zuletzt in den Krisenstaaten Chancen, gewählt zu werden. Damit wird es aber auch immer schwieriger, das umzusetzen, wozu sich Europa, oder konkreter: Deutschland, seit 2010 entschlossen hat, als mit Griechenland der erste EU-Staat zahlungsunfähig geworden ist: Zahlungsunfähige Staaten werden entgegen der ökonomischen Vernunft gerettet, aber zugleich werden sie mit sehr strengen Sanierungs- und Sparsamkeitsauflagen zugedeckt.

Nur: Was tut man, wenn diese Staaten zwar die Rettungsgelder begierig aufgreifen, aber nach der Reihe die hoch und heilig beschworenen Sanierungsauflagen unterlaufen?

Um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Die Drohungen sind als leer entlarvt

Was tun? Europas Drohungen und Forderungen werden gegenüber solch passiver Resistenz immer unglaubwürdiger. Allzu oft hat man schon gesagt: Wenn ihr dies und jenes nicht umsetzt, gibt es kein Geld von uns mehr. Es hat am Ende aber doch immer Geld gegeben, obwohl nicht umgesetzt worden ist.

Wer immer nur droht, aber seine Drohungen nie verwirklicht, wird halt am Ende nicht mehr ernst genommen. Aus dieser Falle kommt Europa nicht mehr heraus. Die ganze Union weiß jetzt: Die Euro-Länder haben lieber Billionen an Krediten und Haftungen hergegeben, statt einmal Konsequenz zu zeigen. Sie meinen, kein Land dürfe zahlungsunfähig werden.

Die Eigenverantwortung wurde ignoriert

Die Finanzakrobaten haben dabei aber eines vergessen: Europa besteht aus Demokratien und Rechtsstaaten. In einem solchen System müsste man endlich das entscheidende Schlüsselwort (wieder) entdecken. Und das heißt: Eigenverantwortung.

Wer weiß, dass er selbst ganz alleine die Folgen seines Handelns tragen muss, der handelt ganz anders. Der wirtschaftet sparsamer und verantwortungsbewusster. Nationen, die wissen, im Eventualfall die eigene Zahlungsunfähigkeit auslöffeln zu müssen, akkumulieren nicht solche gigantische Staatsverschuldungen, wie es bei uns seit 1970 passiert. Sie tolerieren kein Pensionssystem, das zum Kollaps führen muss. Sie verteilen das Geld nicht sinnlos an lauter gutmenschliche oder interessenpolitische Lobby-Organisationen. Sie geben keine leichtfertigen Einlagegarantien an alle Sparer.

Was die Bürger wieder lernen müssen

Ein Staatsbankrott in Europa wäre auch sehr heilsam für die Zukunft der Demokratie. Denn erst wenn (wieder) klar ist, wie katastrophal sich ein Staatsbankrott zwangsläufig auf alle Bürger auswirkt, werden auch diese anders handeln. Sie werden dann kaum mehr ihre Stimme jenen geben, die lauten Populismus verbreiten und ohne Rücksicht auf Finanzierungsmöglichkeit versprechen: Wenn Ihr uns wählt, dann ist die Rente sicher, dann gibt es ständig und jedes Jahr von allem mehr. Und jedenfalls nie weniger.

Die Eigenverantwortung des Wählers ist jedoch völlig in Vergessenheit geraten. Fast alle Parteien haben immer nur versprochen und gefordert, aber nie auf die unvermeidlichen ökonomischen Konsequenzen hingewiesen. Da ist es besonders erschreckend, wenn die (meist noch total unreifen) Erstwähler jetzt überall als Teil ihrer politischen Erziehung in den Schulen zu hören bekommen: „Was hast du davon, wenn du die oder jene Partei wählst?“ Das „Was hast du davon“ bedeutet schlicht den Ratschlag: Wählt den, der euch die meisten Zuckerln verspricht, auch wenn sie auf Schulden angeschafft sind.

Die Eigenverantwortung des Wählers wird aber auch auf vielen anderen Gebieten völlig ignoriert. Wechseln wir etwa ins Fach Vergangenheitsbewältigung.und zu den vielen Gedenktagen rund um die nationalsozialistische Schreckensherrschaft. Da tut die extreme Rechte so, als ob nur Hitler oder höchsten ein paar Dutzend andere an der Katastrophe schuld gewesen seien. Da tut man links so, als ob alle schuld gewesen wären.

Beide Male ist jedoch die Sicht auf diese Geschichtsepoche absolut falsch. Denn beide Male wird die individuelle Verantwortung ignoriert. Da wurden jahrelang von den Geschichtsaufarbeitern absurde Debatten geführt, ob die Menschen denn um die Konzentrationslager gewusst haben. Das haben natürlich alle gewusst, sind die KZ doch auch ständiger Teil der NS-Selbstdarstellung gewesen. Ganz anders müsste die Antwort aber ausfallen, wenn das Wissen um den Bau von Gaskammern in Konzentrationslagern erforscht würde. Diesen Aspekt bemühte sich das NS-System nämlich sehr geheim zu halten.

Die Frage nach der Verantwortung für den Nationalsozialismus würde bei seriöser Vorgangsweise weder zu pauschalen Rechtfertigungen noch zu Verurteilungen führen, sondern zu der Frage, wie sich jemand damals bei demokratischen Wahlen verhalten hat. Diese hat es nämlich in Deutschland und Österreich durchaus bis 1933 gegeben. Und da wäre nun das Entscheidende, dass man heute daraus lernt, wie sehr auch problematische Wahlentscheidungen die Eigenverantwortung belasten. Wer etwa damals nationalsozialistisch oder kommunistisch gewählt hatte, wurde mitschuld daran, dass sich in Mitteleuropa kein demokratischer Rechtsstaat entwickeln hat können.

Auch Wut und Zorn rechtfertigen keine Fehlentscheidungen

Wobei auch Zorn über Fehler der demokratischen Parteien der Mitte keine Reduktion der Schuld darstellt. Das müsste auch – um wieder in die Gegenwart zu wechseln – den vielen Italienern endlich klar werden, die sich aus dumpfer Wut einfach für einen Kabarettisten ohne jedes ernsthafte Programm entschieden haben.

Das beste Beispiel, wie positiv sich eine Kultur der bürgerlichen Verantwortung auswirkt, ist hingegen die Schweiz: Dort produziert die direkte Demokratie viel bessere inhaltliche Ergebnisse als die paternalistische Repräsentativdemokratie. Bürger handeln viel verantwortungsbewusster, wenn sie überzeugt sind, dass sie selber die Folgen tragen  müssen.

Indirekt, repräsentativ gewählte Gesetzgeber agieren hingegen viel stärker opportunistisch und populistisch, weil sie die Bürger als weitgehend unfähig behandeln. Erwachsene Bürger fühlen sich als Folge auch oft wie Kinder und führen sich so auf; auch beim Wählen haben sie es dann verlernt, an die eigene Mitverantwortung zu denken.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Was können die Tschechen, was wir nicht können?

24. April 2013 00:26 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der russische Ministerpräsident hat wieder einmal weise und kluge Menschen aus aller Welt zu einem exklusiven Nachdenkforum eingeladen. Darunter etwa den tschechischen Ex-Präsidenten Vaclav Klaus und den britischen Ex-Premier Tony Blair. Auch Wolfgang Schüssel ist immer wieder gern gesehener Gast bei ihm. Wie erklärt sich das?

Dimitri Medwedew nahm sich alleine für Klaus zwei Stunden Zeit unter vier Augen, um ihn auszuhorchen. Dabei störte es ihn keineswegs, dass Klaus auch öffentlich durchaus kritische Worte für Russland findet, etwa mit der Formulierung, dass dieses keine „vollwertige parlamentarische Demokratie“ sei. Dennoch sind offensichtlich seine Ratschläge wichtiger als der fehlende Propagandawert.

Kann man sich vorstellen, dass sich jemals irgendjemand bei der jetzigen österreichischen Führungsgarantie Rat holen wird, egal ob es um amtierende oder in Kürze abtretende Führungspersonen geht? Also etwa bei einem Werner Faymann, einem Heinz Fischer oder einem Ewald Nowotny? Wobei man übrigens letzterem zugute halten muss, dass er schon lange keinen Unsinn mehr gesagt hat. Aber er ist halt zu feige und vorsichtig, um die von ihm langsam entdeckte ökonomische Wahrheit (also etwa die schlichte Tatsache, dass man nicht mehr ausgeben als einnehmen könne) auch klar und öffentlich auszusprechen. Und hinter den SPÖ-Polstertüren wird er ja bei der leisesten Andeutung der Wahrheit von schuldensüchtigen Großökonomen wie Michael Häupl sofort niedergemacht. Und schweigt daher.

Nun ist gewiss auch Medwedew selber kein besonders Mutiger. Aber er ist wenigstens hochintelligent und hat ein gutes Gespür für interessante und wegweisende Persönlichkeiten.

Auch er wird wohl ahnen, dass Österreich nur deswegen noch halbwegs gut dasteht, weil es eine Zeitlang von den wenigstens auf halbem Weg vorangekommenen Reformen der Schüssel-Zeit zehren kann. Und bei Vaclav Klaus hat er gesehen, dass da bis vor kurzem wenigstens noch ein Politiker in Europa amtiert hat, der auch unpopuläre Wahrheiten auszusprechen wagt. (Wenngleich dessen finale Massenamnestie für tschechische Korruptionstäter überaus merkwürdig ausgesehen hat).

Die Weisheit der heimischen Politiker oder Wirtschaftsforscher von heute wird hingegen zu Recht nirgendwo nachgefragt. Oder jemals nachgefragt werden. Dabei werden die „Österreichische Ökonomen“ der Verganenheit von Hayek bis Mises weltweit geradezu abgöttisch verehrt. Wenn "Austrians" in einem positiven Zusammenhang vorkommen, dann geht es fast immer um sie.

Nicht so in Österreich. Da haben – gleichsam zur Illustration dieses Faktums – dieser Tage drei von ihnen in einem Beitrag für die „Presse“ allen Ernstes gewagt, Europa und Griechenland Ratschläge zu geben. Der Sukkus war: noch mehr Planwirtschaft für Griechenland. Im Konkreten: Die EU solle sich bei Betriebsgründungen einschalten, Griechenland solle auf „Gesundheitstourismus“ umstellen usw. In dem arbeiterkammer- und staatsfinanzierten Wifo gibt es offenbar keinen einzigen, der endlich begriffen hätte, was Griechenland wirklich bräuchte: viel mehr Freiheit für Privatwirtschaft und Unternehmensgründer. Punkt. Und sicher nicht noch mehr bürokratische Intervention und Ideen von oben.

Wenn sie sich nicht ständig unerträglich mit renitenten Gewerkschaften, lähmendem Arbeitnehmerschutz, gesetzlichen Überregulierungen und Verwaltungsbürokratie herumschlagen müssten, würden unternehmerische Menschen ganz von allein draufkommen, wo die Gründung von Unternehmen in Griechenland sinnvoll ist und wo nicht. Sie riskieren ihr Geld, sie kümmern sich daher im Gegensatz zu Politikern oder Schreibtischökonomen wirklich um ihre Investition.

Hingegen sind gesundheitstouristische oder sonstige Unternehmensgründungen ganz sicher nicht von Büros im Wiener Wifo oder in der EU-Bürokratie zu entscheiden. Von lauter Menschen, die viel trockene (neokeynesianische) Theorie verzapft, aber noch nie ein Unternehmen gegründet haben.

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Alle gegen Hoeneß: Die Stunde der Etatisten

23. April 2013 22:20 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Wie konnte er nur?! Was für eine Gemeinheit – welch unvorstellbare Gier! Empörung allerorten. Ausnahmsweise sind es nicht Banker, „Spekulanten“ oder unternehmerische Ausbeuter, die vom Zorn der Neidgenossenschaft getroffen werden, sondern ein erfolgreicher Ex-Fußballer. Von „Hunderten Millionen Euro“, die er – Uli Hoeneß – angeblich „am Fiskus vorbei“ ins feindliche Ausland verbracht hat, weiß die stets zur moralischen Entrüstung bereite Hauptstromjournaille zu berichten.

Dass Kanzlerkandidat Steinbrück, in seiner einstigen Eigenschaft als Finanzminister, die deutsche Kavallerie nicht auf die Schweiz losgelassen hat, um auch diese (Steuer-)Oase zur (Steuer-)Wüste zu machen, kann, im Lichte der rezenten Ereignisse, gar nicht genug beklagt werden. Zumindest nicht von jenen, die auf beiden Augen blind sind oder die der langjährige Aufenthalt im Umverteilungsstaat um jedes Gespür für das rechte Maß gebracht hat.

Mehrere Auffälligkeiten gilt es festzustellen:

  1. Dass es ein illegal beschafftes Beweismittel ist, das nun die Grundlage der Erregung der Berufsbetroffenen bildet, scheint keinen Menschen zu kümmern.
  2. Dass der Staat ungeniert – für Millionen an Steuergeldern – Diebesgut (wieder einmal einen elektronischen Datenträger) ankauft und damit den Tatbestand der Hehlerei verwirklicht, wird völlig unbekümmert mit dem für den Fiskus positiven Saldo dieses kriminellen Vorgehens gerechtfertigt. Schließlich übertrifft die zu erwartende Beute den für die Konterbande aufgewendeten Preis mutmaßlich bei Weitem.
  3. Dass die staatliche Vollziehung nur auf gesetzlicher Grundlage zu handeln hat (die bekanntlich weder zu Datenklau noch zu Hehlerei berechtigt!), wird im vorliegenden Zusammenhang nirgendwo thematisiert. Der Nachweis für Hans-Hermann Hoppes These, wonach es sich beim Staat um eine kriminelle Organisation handelt, ist jedenfalls – einmal mehr – unzweifelhaft erbracht.
  4. Weshalb man den Nachstellungen einer kriminellen Organisation nicht mit Mitteln der Notwehr (in diesem Fall dem der Steuerflucht) begegnen sollte, würde ein hervorragendes Thema für eine Grundsatzdiskussion hergeben. Der deutsche Ökonom Philipp Bagus meinte dazu launig „Steuer zahlen ist kein Kavaliersdelikt!“
  5. Dass diejenigen, die sich derzeit am lautstärksten moralisch empören, durch die Bank entweder Nettosteuerempfänger oder mit der Staatsmacht innig liierte Figuren sind, lässt berechtigte Zweifel daran aufkommen, dass die Kampagne gegen den bösen Steuerhinterzieher frei von handfesten Eigeninteressen gefahren wird. Schließlich geht es – mutmaßlich illegale Vermeidungshandlungen hin oder her – um einen Nettosteuerzahler.

Dem Autor dieser Zeilen sind übrigens der Fußball im Allgemeinen und Herr Hoeneß im Besonderen gleichgültig. Erprobtermaßen unfähig, einen Hydranten zu überdribbeln, und an der Beobachtung 90-minütiger Laufrituale mehrheitlich schlichter Gemüter mit proletoidem Hintergrund uninteressiert, scheinen mir nur die begleitenden Umstände der kollektiven Aufregung bemerkenswert.

Das – wie eben von Peer Steinbrück – bei derlei Gelegenheiten stereotyp vorgebrachte „Argument“, dass es unfair sei, wenn Leute wie Hoeneß ihr Geld dem Zugriff des Finanzministers entzögen, während die Masse der Einkommensbezieher dazu doch gar keine Chance hätte, ist an Putzigkeit schwer zu überbieten: Der Fiskus brauchte ja nur die Unternehmen von der Last zu befreien, unbezahlt als verlängerte Werkbank des Finanzamts zu dienen, lasse sie Löhne und Gehälter netto auszahlen, und schon bestünde schlagartig „Waffengleichheit“ zwischen Ausbeutern und Lohnsklaven. Der Finanzminister könnte in diesem Fall seinen Laden allerdings Tags darauf dichtmachen, denn die Steuerwiderstände stiegen schlagartig ins Uferlose, würde den Lohnabhängigen mit einem Male bewusst, dass sie die Hälfte (oder mehr) ihres sauer verdienten Geldes zur Finanzierung staatlicher Korruption und Misswirtschaft abzuliefern haben. Wer indes meint, die Steuerlast steuerehrlicher Bürger könnte sinken, wenn egoistische Steuerflüchtlinge nur brav ihren Tribut ablieferten, glaubt vermutlich auch an die Existenz von Feen und Kobolden. Abgesehen von der vergleichsweise vernachlässigbaren Größenordnung dieser „Fluchtgelder“: Noch nie haben zusätzliche Steuereinnahmen den Anlass zu Tarifsenkungen gebildet.

Dass es nicht der Bosheit Selbständiger, Künstler und Sportskanonen geschuldet ist, wenn immer nur sie, niemals aber kleine Hackler Steuern hinterziehen, hat nichts mit der moralischen Überlegenheit oder gar mit „Fairness“ Letzterer zu tun, sondern allein mit deren mangelnden Möglichkeiten zum Unterschleif. Wer kann, der vermeidet Steuern ohnehin – und sei es beim Nettohaarschnitt, oder der Nachbarschaftshilfe am Bau, die ja besonders dem „kleinen Mann“ nicht ganz unbekannt ist.

Angesichts der drückenden Steuerlasten, die im Wohlfahrtsstaat herrschen, verwundert weniger der Umstand, dass in wachsendem Maße Vermeidungsstrategien zur Anwendung kommen, sondern eher, dass es noch immer nicht zu Steuerrevolten gekommen ist. Wenn mehr als die Hälfte des Verdienten vom Großen Bruder enteignet wird, ist das rechte Maß klar überschritten. Es sei daran erinnert, dass es in der Vergangenheit – als die Bürger noch nicht wohlfahrtsstaatlich gehirngewaschen und verhausschweint waren – bekanntlich schon wegen weit geringerer hoheitlicher Übergriffe als heute üblich zu bewaffneten Aufständen kam…

Die aktuelle Hoeneß-Kampagne ist, wie schon die Hetze gegen angeblich schädliche „Steueroasen“, von der impliziten Vorstellung getragen, jeder vom Bürger verdiente Cent gehöre im Grunde dem Staat. Der allerdings – so die krause Logik – ist in seiner grenzenlosen Huld immerhin geneigt, einen kleinen Teil des vom Bürger Erwirtschafteten diesem als Taschengeld zum Eigengebrauch zu überlassen. Jene seltsamen Spaßvögel, die gelegentlich mit der Behauptung „ich zahle gerne Steuern“ auffallen, finden sich so gut wie ausschließlich in den Reihen der Nettosteuerempfänger. Natürlich geht derartiger Unfug leicht über die Lippen, wenn man in Wahrheit nicht nur keinen Cent an Steuern und Sozialversicherungsabgaben löhnt, sondern lebenslänglich von jenen Steuern lebt, die in der Privatwirtschaft fronende Lastesel gezwungenermaßen abzuliefern haben.

Der amerikanische Ökonom Thomas Sowell bringt den hinter der aktuellen Neiddebatte um Hoeneß steckenden Sachverhalt präzise auf den Punkt, wenn er feststellt:
„Ich habe noch nie verstanden, warum es Gier genannt wird, das eigene, verdiente Geld behalten zu wollen, es aber keine Gier ist, sich das Geld anderer Leute aneignen zu wollen.“

Ein Satz, den man allen Steinbrücks und der Phalanx der hauptberuflichen Desinformanten in den Hauptstrommedien ins Stammbuch schreiben sollte.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Europas Bürger erwachen

22. April 2013 13:30 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jahrelang schien es, als ob Demonstrieren ein Privileg der Linken wäre. Eine einseitige Medienlandschaft hat diesen Eindruck noch verstärkt. Sie jubelte ein paar Dutzend Camper einer sogenannten Occupy-Bewegung zu einer relevanten Größe hoch. Sie behandelte die skurrilen Typen von Attac als ernsthafte Ökonomen. Sie berichtete über nichtlinke Kundgebungen hingegen nur dann, wenn man diesen einen extremistischen Anstrich geben konnte. Inzwischen aber haben sich die Dinge massiv geändert. Jetzt hat das konservative Erwachen eine Größenordnung erreicht, welche die Medien nicht mehr totschweigen können.

Bisheriger Höhepunkt des neuen bürgerlichen Erwachens in Europa sind die riesigen Kundgebungen in Frankreich gegen die Gleichstellung der Schwulenehe mit normalen Ehen und Familien durch die Linke. Diese ist ja heute so ausgelaugt, dass sie ausgerechnet durch die schwule Karte ihr geistiges wie sozial- und wirtschaftspolitisches Scheitern zu verdecken versucht. Dabei sind schwule Allianzen in den Vor-68er-Zeiten der Arbeiterbewegung völlig undenkbar gewesen.

Die heutigen Linksparteien begreifen nicht einmal, wie sehr diese Karte einer zweiten widerspricht, die sie noch aus dem Ärmel ziehen, nämlich der islamischen. Da ihnen ja die traditionellen Arbeitnehmer davonlaufen, versuchen die Linksparteien halt, auf die Zuwanderer zu setzen, die sie deshalb auch möglichst rasch stimmberechtigt machen wollen. Da jedoch diese Zuwanderer überwiegend aus dem islamischen Raum kommen, schadet den Linken ihre Schwulisierung mehr, als sie nützt. Denn im Islam werden Schwule überall verfolgt – sehr zum Unterschied von Europa, wo die Diskriminierung längst nur noch eine geschickte Propagandabehauptung der schwulen Wortführer ist. Ebenso wie diese beispielsweise die Aids-Erkrankungen raffiniert benutzt haben bis hin zur Veranstaltung von Bällen (während mir Bälle und Fahnen für – oder gegen – Lungenkrebs und Herzinfarkt nicht bekannt sind).

Frankreichs Bürger reagieren auch noch aus einem anderen Grund besonders sensibel: Frankreich ist nämlich – trotz all seiner seit langem angewachsenen und durch die jetzige Regierung noch dramatisch verschärften Probleme – ein sehr familienfreundliches Land. Es hat eine weit höhere Geburtenquote als etwa Österreich (und das nicht nur bei den Zuwanderern). In Frankreich werden Kinder auch nirgendwo als Störfaktor empfunden. Aber das ist schon wieder ein anderes Thema.

Mehr zum Thema gehört hingegen die Tatsache, dass Präsident Hollande bei Umfragen schon heute so unbeliebt ist wie noch nie ein französisches Staatsoberhaupt.

Offensichtlich wird der Protest des bürgerlichen Frankreichs gegen die Schwulen-Ehe keineswegs rasch verebben, auch wenn es nicht jede Woche über eine Million in die Straßen von Paris treiben wird. Wo immer rote und grüne Minister und Politiker jetzt auftreten, werden sie nun mit Jugendlichen und deren Protesten gegen die Schwulenpolitik der derzeitigen Mehrheit konfrontiert. Das ist für Linke eine ziemlich unangenehme Erfahrung, haben doch etwa die Sozialdemokraten umgekehrt in Deutschland CDU-Politiker jahrzehntelang bei Wahlkampfveranstaltungen zu stören versucht.

Ähnliche Massenkundgebungen aus dem selben Anlass hatte es schon davor in Spanien gegeben. Auch dort haben Kirche und konservative Parteien einen mächtigen Schulterschluss vorgenommen und die größten Massenkundgebungen der Geschichte veranstaltet. Freilich warten viele Spanier heute schon ungeduldig darauf, dass sich nach dem Machtwechsel in Madrid dieser Schulterschluss in konkreten Beschlüssen umsetzt.

Das Selbstbewusstsein der Katholiken hat in letzter Zeit auch durch den neuen Papst Auftrieb erfahren. Dieser verwendet gerade zum Thema Schwulenehe mehr als deutliche Worte (während das Gerede mancher „Experten“ etwa über Frauenpriesterinnen als mediale Blase längst wieder geplatzt ist).

Umso beschämender ist es freilich, dass sich die Kirche in Österreich derzeit nur als Wurmfortsatz der Linken präsentiert. Das zeigt sich bei jedem einzelnen politischen Auftritt des österreichischen und des Wiener Caritas-Chefs. Das zeigt sich an der erzbischöflichen Unterstützung für die Votivkirchenbesetzer. Das zeigt sich am Nichtstun gegen rebellische Linkspriester bei gleichzeitig scharfen Disziplinierungsmaßnahmen gegen ungeschickt formulierende konservative Kirchenmänner. Das zeigt sich am weitgehenden Desinteresse der österreichischen Amtskirche an allen Solidaritätskundgebungen für die verfolgten Christen (immerhin werden derzeit weit mehr Christen verfolgt und umgebracht als in den heroischen Zeiten der Katakomben).

Umso erstaunlicher sind die Signale anderswo. Auf vielen Gebieten, bei denen die Konservativen früher nur deprimiert geschwiegen hatten, sind sie nun mutiger geworden. So ist auch im laizistischen Berlin jetzt die Auszeichnung Daniel Cohn-Bendits mit einem linksliberalen Preis auf heftige Proteste gestoßen. Mit gutem Grund: Hat der grüne Vormann doch in einem Buch selbst von – vorsichtig ausgedrückt – erotischen Begegnungen mit Kindern geschwärmt. Gegen einen Grünen ging aber natürlich – natürlich? – bisher kein Staatsanwalt vor. Grüne werden vielmehr noch immer mit Preisen geziert.

Mit größerer Ambivalenz ist ein anderer Vorgang in Berlin zu bewerten. Da ist es zwar an sich sehr positiv, dass CDU/CSU und FDP im Bundestag den Vorstoß der Linken abgeschmettert haben, eine verpflichtende Frauenquote in Aufsichtsräten einzuführen. Die Mühe und die Not und die Begleitumstände, wie das geschehen ist, zeigen aber: In der CDU sind noch immer manche von linken Dummheiten erfasst, obwohl Angela Merkel seit ein paar Monaten angesichts nahender Wahlen verzweifelt wieder nach rechts schwimmt.

Ein CDU-Parteitag hatte die Quote zwar vor kurzem strikt abgelehnt. Dennoch hat ein parteiinternes Grüpplein jetzt durchgesetzt, dass sich die CDU-Fraktion zugleich mit der Ablehnung des linken Antrags ausdrücklich für die Androhung einer Quote ab 2020 ausspricht. Diese Gruppe wird von der Ministerin von der Leyen angeführt. Ihr ist es egal, was ein Parteitag sagt. Und ebenso, dass die Mehrheit der Deutschen strikt gegen die Quote ist.

Das ist bei Männern wie Frauen der Fall. Bei den Frauen sehen die einen die Aufsichtsrats-Debatte als absurdes Elitenthema; die anderen sehen, wie ihre Männer und Söhne jetzt schon allerorten diskriminiert werden, weil ja die Ausschreibungen schon überall im öffentlichen Bereich Frauen bevorzugen; und die Frauen, die längst interessante Karrieren machen, erkennen, dass sie nun als Quotenfrauen diskriminiert sind. Aber Frau von der Leyen ist halt bei linken Medien sehr beliebt; das war ihr oft wichtiger als die eigenen Wähler.

Wie das alles zusammenhängt? Nun jedenfalls insofern, als die schweigende Mehrheit in Europa immer weniger schweigt; als die Linke geistig überall in der Defensive ist; als nur jene Bürgerlichen, die sich so gern dem Zeitgeist anpassen, das noch nicht gemerkt haben; als Europa in Wahrheit mehr mit einem christlich-jüdischen Abendland und dessen traditionellen Werten als mit hektischen Schuldenmachereien zu tun hat; als immer mehr grundsätzlich konservative Menschen auf der Suche nach einer neuen geistigen Heimat sind; als viele in den einst so großen Parteien der rechten Mitte, aber auch manche Amtsträger der Kirche, noch immer nicht erkennen, wo ihre Gefolgschaft steht; und als viele von ihnen daher immer stärker von Orientierungslosigkeit gepackt werden.

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Rezension: Return to Order von John Horvat

15. April 2013 21:21 | Autor: Gregor Hochreiter
Rubrik: Gastkommentar

Die Liste an Büchern zur Wirtschaftskrise ist lang und wird angesichts der Verstetigung der Krise beständig länger. Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen behandeln die sich zu Wort meldenden Autoren lediglich die strukturelle Dimension der Systemkrise. Dementsprechend werden zu ihrer Überwindung nahezu ausnahmslos strukturelle Reformvorschläge unterbreitet, die normalerweise in ihren Schlussfolgerungen stark ideologisch gefärbt sind. Die einen sehen in einem Mehr an staatlichen Regulierungen das wirtschaftspolitische Allheilmittel, die anderen fordern ebenso undifferenziert „mehr Markt“ und entlang dieser ermüdend simplifizierenden Argumentationsketten erschöpfen sich die meisten Diskussionen.

Eine in jeder Hinsicht hervorstechende Ausnahme ist das Buch „Return to Order“ des US-Amerikanischen Autors John Horvat. Seine umfassende Analyse baut auf der unserem materialistischen Zeitalter verloren gegangenen grundlegenden Einsicht auf, dass die Seele als Lebensprinzip alles Lebendigen den menschlichen Körper bewegt. Je nachdem, ob die Seele geordnet oder ungeordnet ist, bringt sie andere Verhaltensweisen und in weiterer Folge unterschiedliche gesellschaftliche Institutionen hervor. Den engen Zusammenhang zwischen Seelenverfassung und Staatsverfassung, zwischen innerer (Un-)Geordnetheit und äußerer (Un-)Geordnetheit hat bereits Platon in seiner „Politeia“ ausführlich dargelegt.

Daher verortet John Horvat die Wurzel der wiederkehrenden Wirtschaftskrisen richtigerweise in der ungeordneten Seelenverfassung des modernen Menschen. Der Autor des rezensierten Werkes weist dieser Ungeordnetheit den Begriff der zügellosen Maßlosigkeit (engl. „frenetic intemperance“) zu und erkennt in dieser jenes herausragende Laster, das die Wirtschaft und die Gesellschaft aus dem Gleichgewicht bringt. Ein klassischer Fall zügelloser Maßlosigkeit ist das vom ungeordneten Gewinn- und Konsumstreben motivierte Eingehen exzessiver Risken.

Der sich von moralischen, kulturellen, religiösen und gesellschaftlichen Beschränkungen Befreiende ist durch diesen emanzipatorischen Befreiungsakt jedoch entgegen den verlockenden Verheißungen zu einem Getriebenen seiner unsteten Leidenschaften geworden und damit alles andere als frei. Denn wahrhaft frei ist eine Person, die Ursache ihrer selbst ist und durch die Übung der Tugend der Mäßigung Herr seiner Triebe, Leidenschaften und Begierden ist. Der dem Laster Verfallene ist hingegen nicht Herr seiner selbst. Biblisch ausgedrückt: Der Sünder ist der Sünde Knecht (vgl. Joh 8, 34). Weiterhin charakterisiert John Horvat den neuzeitlichen Menschen dahingehend, dass er das Angenehme dem Guten, die Quantität der Qualität, sowie die kurzfristige Bedürfnisbefriedigung um jeden Preis der umsichtigen Bewirtschaftung vorzieht.

Einen Gutteil seines Erstlingswerks widmet John Horvat der Skizzierung jener gesellschaftlichen Ordnung, zu deren Rückkehr er den Leser ermuntern möchte. Dieses Unterfangen ist gleichermaßen verdienstvoll wie schwierig, weil die von ihm vertretene christlich-organische Gesellschaft kein dem Menschen von außen oktroyiertes Gesellschaftssystem ist, das Freiheit durch die Errichtung bestimmter Strukturen verspricht. In eben dieser Annahme, dass der Mensch „sozial-institutionell bedingt“ sei, macht der deutsche Historiker Thomas Nipperdey den Wesenskern der Utopie fest. Utopien fordern nicht die Gesinnungsänderung des Einzelnen als unabdingbare Voraussetzung für eine Gesellschaftsreform, sondern locken mit dem verführerischen Versprechen, dass der gute Mensch eine Folge der richtigen gesellschaftlichen Strukturen sei.

In Zeiten des grassierenden Subjektivismus, der die Existenz objektiver und allgemeinverbindlicher sittlicher Normen bestreitet, mahnt Horvath daher nichts Geringeres als eine kopernikanische Wende ein. Die christlich-organische Gesellschaft ist somit die Frucht der Verinnerlichung jener Prinzipien, die das christliche Abendland als zeitlos und unveränderbar erkannt hat. Zu diesen unwandelbaren Prinzipien sind die vier Kardinaltugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung sowie die drei christlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe zu zählen.

Horvat gelingt es außerordentlich gut, die fundamentale Kluft zwischen dem neuzeitlichen Systemdenken und der abendländischen Vorstellung von Organizität herauszuarbeiten. Organizität bedeutet zum einen, dass der Mensch sein Mensch-Sein nur in den natürlichen Bindungen der Gemeinschaft entfalten kann. Die einzelnen Glieder einer Gesellschaft bedürfen einander so wie die Zellen, Glieder und Organe eines menschlichen Körpers aufeinander angewiesen sind. Der Mensch ist eben nicht, wie das individualistische Menschenbild behauptet, ein fertiges Individuum, das als solches dem Anderen gegenübertritt und in diesem Gegenübertreten nicht weiter zur Vollkommenheit geformt wird.

Organizität bedeutet aber auch, dass in der Befolgung der genannten zeitlosen Prinzipien das gesamte Gemeinwesen – und die es bildenden untergeordneten Gesellschaften wie die Familie, die Gemeinden, die Vereine, die Berufsstände und die Regionen – das ihnen zustehende Eigenleben entfalten können, wobei sich die innere Verfasstheit der einzelnen Gesellschaften wie auch das enge Beziehungsgeflecht zwischen diesen Gesellschaften an die verändernden äußeren Rahmenbedingungen ebenso anpassen kann. Dies steht im fundamentalen Widerspruch zur gegenwärtig dominierenden mechanistischen Auffassung, die die Gesellschaft wie den Einzelnen in vorgegebene Abläufe zwängt und durch Individualisierung, Standardisierung und Zentralisierung familiäre, lokale, regionale und nationale Identitäten zerstört.

Vorbild Mittelalter

Das Buch räumt zudem mit vielen, von der Aufklärung in Umlauf gebrachten Fehlurteilen über das Mittelalter auf. So hat das Mittelalter schließlich die Sklaverei überwunden. Zum einen deshalb, weil das Christentum jeder Person als Geschöpf Gottes die ihr daraus resultierende Würde zuerkennt und zum anderen, weil das Christentum im Unterschied zur heidnischen Antike die körperliche Arbeit wertschätzt. Unabhängig vom Berufsstand ist jeder Mensch dazu berufen, an der Vervollkommnung der sehr guten Schöpfung aktiv mitzuwirken. Unbeschadet der damaligen Missbräuche, die aufgrund der Neigung zur Sünde im Diesseits nie vollständig zu vermeiden sind, zielte die mittelalterliche Feudalordnung auf die umfassende Verwirklichung eines auf konkreten personalen Beziehungen und wechselseitigen Dienst- und Treueverhältnissen beruhenden Zusammenlebens, das die innertrinitarische Liebesgemeinschaft als Urbild jeder Gemeinschaft vor Augen hatte. Diese menschliche Komponente ist, so John Horvat, in der neuzeitlichen Wirtschaftsauffassung verloren gegangen, weil das Gewinnmaximierungsprinzip menschliche Beziehungen auf zeitlich begrenzte Nutzenbeziehungen reduziert und die mechanistische Wirtschaftstheorie im wahrsten Sinne des Wortes geist- und seelenlos ist.

Wie die noch immer von unzähligen Touristen bestaunten Bauwerke jener Epoche wie Kathedralen, Burgen und Schlösser eindrucksvoll bezeugen, kannte das Mittelalter einen regen technologischen Fortschritt, der im Unterschied zur Neuzeit jedoch nicht auf die heidnische Trias des „Schneller, Höher und Weiter“ abzielte. Die Hinwendung der menschlichen Seele zum Schönen, Guten und Wahren manifestierte sich an der formvollendeten Bauweise und der meisterhaften Ausgestaltung durch die unzähligen (Kunst-)Handwerker dieser Epoche. Es ist unmittelbar einsichtig, dass die Menschen jener Epoche von einem gänzlich anderen Geist bewegt waren – alles wurde zur höheren Ehre Gottes verrichtet – als dies seit dem Hereinbrechen des „Geist des Kapitalismus“ (Max Weber) der Fall ist, der beispielsweise gesichtslose, ausschließlich der wirtschaftlichen Verwertung dienende Wolkenkratzer hervorbringt.

Dennoch hängt John Horvat weder einem verklärenden Romantizismus an noch fordert er das Unmögliche, das Zurückdrehen der Zeit. Das Mittelalter ist eine abgeschlossene Epoche der Vergangenheit, in dem jene Ordnungsprinzipien, deren Rückgewinnung Horvat vorschlägt, bislang am vortrefflichsten verwirklicht worden sind. Insofern ist die Auseinandersetzung mit dem Mittealter hilfreich, um die Verwerfungen und Verirrungen der Gegenwart klarer erkennen zu können. Ein weiterer Pluspunkt dieses Buches sind die zahlreichen farbigen Abbildungen, die dem zeitgenössischen Leser helfen, ein tieferes Verständnis von der verblichenen christlich-organischen Gesellschaftsauffassung in der eingänglichen Sprache der Bilder zu erlangen, deren bauliche, künstlerische, gesellschaftliche und institutionelle Überreste uns in Europa (noch) vielfach begegnen. Aber niemals verliert der Autor die Gegenwartsbezogenheit seines Anliegens aus den Augen; und weil er der Gesellschaft gerade kein System überstülpen möchte, wird die Wiederbelebung der zeitlosen Prinzipien einer christlich-organischen Gesellschaft im 21. Jahrhundert andere Formen hervorbringen als vor 1000 Jahren.

Obschon sich „Return to Order“ speziell an die US-Amerikanische Öffentlichkeit wendet, ist dieses Buch aufgrund seiner grundlegenden Ausführungen zum christlich-abendländischen Ordnungsdenken auch für Nicht-Amerikaner eine gewinnbringende Lektüre. John Horvat ermutigt den Leser, diese Ordnung der Dinge im 21. Jahrhundert erneut zum Leben zu erwecken. Glück, Ruhe und Frieden, nach denen sich der Mensch sehnt, sind letztlich allesamt Früchte dieser inneren wie äußeren, von Gott geschaffenen Ordnung.

Gregor Hochreiter: Vorstand – Oekonomika-Institut für angewandte Ökonomie und christlich-abendländische Philosophie

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Gerechtigkeit muss sein: Her mit der Marie!

07. April 2013 04:38 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Im Normalfall gehen Wahlkampfzeiten mit der Ankündigung kostspieliger Wohltaten einher, die sich – nach geschlagener Schlacht – in steigenden Steuerlasten niederzuschlagen pflegen. Schließlich hat der Staat – mangels jeglichen Produktiveinkommens – nichts zu verteilen, was er zuvor nicht enteignet hat.

Im Wahljahr 2013 indes scheinen die Uhren ein wenig anders zu gehen, da sich die politischen Parteien, die – mit Ausnahme jener Frank Stronachs, die derzeit noch nicht so recht einzuschätzen ist – ausnahmslos sozialistisch zu nennen sind, gegenseitig nicht mit dem Ausloben von Geschenken, sondern mit der Ankündigung neuer Belastungen überbieten. Das ist auf den ersten Blick ungewohnt, aber nicht wirklich eine Überraschung. Denn treffen soll es ja nur die „Reichen“, die mittlerweile zu Parias unserer Gesellschaft erklärt worden sind.

Für jemanden, der es – aus eigener Kraft und ohne die Hilfe politischer Seilschaften – zu etwas gebracht, ein Unternehmen gegründet und ein mehr oder weniger großes Vermögen aufgebaut hat, gilt von Vornherein die Schuldvermutung. Wer so etwas – bei den in Kakanien herrschenden, prohibitiv hohen Steuerlasten – geschafft hat (700.000 Euro reichen, um als „reich“ zu gelten), muss es auf kriminelle Weise geschafft haben. Der- (oder die)jenige muss deshalb bestraft werden. Das gebietet die „Gerechtigkeit“ – so die Logik der räuberischen Umverteiler!

Die Erkenntnis, dass es die nun zunehmend ins Visier der Expropriateure geratenden Vermögen der „Reichen“ sind, die – in Gestalt produktiver Unternehmen – die Zahlung von Löhnen und Gehältern an die proletarischen Massen vornehmen, hat sich bis in die Zentralkomitees der Parteien und die Kommandozentralen der Vorfeldorganisationen noch nicht durchgesprochen. Dass das nun zu enteignende Vermögen der „Reichen“ zum Großteil nicht in Jagdschlössern, Privatjets, Luxusjachten und Gemäldesammlungen, sondern in Wirtschaftsbetrieben steckt, wird verschwiegen. Und dass eine Volkswirtschaft nicht von wachsenden Scharen unproduktiver Beamter, „Beauftragter“ und von defizitären Staatsbetrieben leben kann, sondern gut kapitalisierte – private – Betriebe benötigt, um zu prosperieren, ist in die Hirne der Masse politisch tätiger Zivilversager offenbar nicht hineinzubekommen.

Besonders rabiate Forderungen erheben – wenig überraschend – die siamesischen Zwillinge Gewerkschaft und Arbeiterkammer, beide zuverlässig funktionierende Vorfeldorganisationen der SPÖ. Unter dem hochoriginellen Aufhänger „Gerechtigkeit muss sein!“ trommelt die AK seit Monaten für die Wiedereinführung von Vermögenssteuern und suggeriert kontrafaktisch, dass nur noch hart fronende Arbeitnehmer Steuern zahlen, während müßige „Reiche“ sich in der alpenländischen Steueroase ein bequemes Leben machen und die Steuerhinterziehung zu ihrer Hauptbeschäftigung erkoren haben. Dass die rund zwanzig Prozent der Bezieher höherer Einkommen (unter ihnen natürlich viele Selbständige) etwa achtzig Prozent der Lohn- und Einkommensteuern bezahlen, fällt bei dieser dreisten Kampagne unter den Tisch.

Die Aufrechnung verschiedener Steuerarten gegeneinander – um am Schluss zu behaupten, eine bestimmte davon wäre zu niedrig – ist ein besonders durchsichtiger Schmäh, der von der Tatsache ablenken soll, dass jeder dem Bürger vom Staat abgepresste Tribut ein Übel ist – gleich aus wessen Tasche er stammt und unter welchem Vorwand er eingetrieben wird. Denn einerseits bleibt Diebstahl immer ein Verbrechen – auch dann, wenn es an jemandem verübt wird, dem die Neidgenossen von ÖGB, AK & Co. die Pest an den Hals wünschen. Andererseits ist bislang kein Fall bekannt geworden, in welchem der Staat die von ihm eingetriebenen Gelder nicht schlechter eingesetzt hätte, als der unvernünftigste Privatmann es je hätte tun können.

Schaden auch für die Besitzlosen

So können auch die Spiegelfechtereien um den Erhalt des Bankgeheimnisses in Österreich nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Ziel der gläserne Bürger ist. Geld zu besitzen, über das Big Brother nicht im Bilde ist (und das daher nach Belieben konfisziert werden kann!), wird systematisch kriminalisiert – unter dem begeisterten Beifall der besitzlosen Neidgenossenschaft. Allerdings verkennen diese schlichten Gemüter die verheerenden Konsequenzen einer solchen Politik, an deren Ende alle den Schaden haben werden – am meisten sie selbst.

Der große britische Liberale, Lord Dalberg Acton, hat den Sachverhalt in folgende Worte gefasst:
„Die Arbeiterklasse hat durch eine Schädigung des Kapitals mehr zu verlieren als die Kapitalisten, denn was für letztere den Verlust von Luxus und Überfluss heraufbeschwört, bedeutet für erstere den Verlust des Notwendigen.“

Dazu passend drei weitere Zitate großer Denker:

„Umverteilung ist tatsächlich viel weniger die Umverteilung von freiem Einkommen von den Reicheren zu den Ärmeren, sondern vielmehr eine Umverteilung von Macht vom Individuum zum Staat."
Bertrand de Jouvenel

„Das Sondereigentum schafft eine staatsfreie Sphäre des Individuums, es setzt dem Auswirken des obrigkeitlichen Willens Schranken, es lässt neben und gegen die politische Macht andere Mächte aufkommen. Das Sondereigentum wird damit zur Grundlage aller staats- und gewaltfreien Lebensbetätigung, zum Pflanz- und Nährboden der Freiheit, der Autonomie des Individuums und in weiterer Folge aller fortschreitenden Entwicklung des Geistigen und des Materiellen.“
Ludwig Mises

„Wenn das Eigentum mehr und mehr zum prekären Besitz herabsinkt, der von der Willkür der Verwaltung oder von der Gnade des Stimmzettels abhängig ist, wenn es zu einer Geisel in der Hand der Eigentumslosen oder Minderbesitzenden wird, wenn es aufhört, eines der selbstverständlichen und elementaren Rechte zu sein, das keiner anderen Begründung als der des Rechtes selbst bedarf, dann ist das Ende einer freien Gesellschaft abzusehen.“
Wilhelm Röpke

Eine pragmatische Überlegung zum Schluss: Die Vorstellung, mit den via Vermögens- und Erbschaftssteuern zu erbeutenden Geldern den Staatshaushalt nachhaltig ins Lot bringen zu können, ist geradezu kindisch. Schließlich sind schon bisher steigende Steuerquoten und zunehmende Staatsverschuldung miteinander Hand in Hand gegangen. Selbst wenn der Fiskus 100 Prozent aller Vermögen und Einkommen enteignete, würde das nicht reichen. Seine Gier ist unstillbar.

Am Ende aber bringt jeder bösartige Tumor, der nicht radikal bekämpft wird, den von ihm befallenen Organismus um. Der Wohlfahrtsstaat wird in dieser Hinsicht keine Ausnahme bilden. Wundern muss man sich allenfalls über das Ausmaß der Tüchtigkeit jener 20 Prozent Nettosteuerzahler, die die Chose immer noch am Laufen halten – und über ihre sagenhafte Geduld! Dass sie nicht längst eine „Revolution der gebenden Hand“ vom Zaun gebrochen haben, ist ein Wunder. Zeit, (wieder einmal!) Ayn Rands Opus Magnum Atlas Shrugged zur Hand zu nehmen…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Thema verfehlt – was war eigentlich das Thema?

01. April 2013 01:12 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss hat einen Großteil des Jahres 2012 dominiert. Viele Politiker haben ihn ebenso wie fast alle Medien positiv kommentiert. Vom Standpunkt des Rechtsstaats und der Gewaltenteilung war er aber überaus problematisch. Das Instrument Untersuchungsausschuss ist dringend reformbedürftig. Die vielfach behauptete Aufdeckung von konkreten Korruptionsverbrechen war in Wahrheit nicht Verdienst des Ausschusses.

Dieser war von serienweisen Aussage-Verweigerungen und Verletzungen des Persönlichkeitsschutzes geprägt. Seine primäre Bedeutung lag vielmehr darin, dass Abgeordnete Zugang zu vertraulichen Akten der Strafverfolgung erhielten; diese wurden dann – sofern sie jeweils andere Parteien belasten – an Magazine weitergespielt, die solcherart den „Aufdecker“ spielten.

Die dem Ausschuss zugeschriebenen Reformen sind Ergebnisse des schon davor erfolgten Bekanntwerdens von Korruptionsfällen gewesen – und in der Sache völlig unzureichend. Die wirklich entscheidenden Gesetze fehlen weiterhin.

Die Politik bis hin zum Bundespräsidenten hat den Antikorruptions-Untersuchungsausschuss dennoch intensiv gelobt. Dieses (Eigen-)Lob ist aber weitgehend unberechtigt, auch wenn der durch den Ausschuss entstandene Arbeitsumfang – insbesondere das Aktenstudium – mit Respekt anzuerkennen ist. Ebenso ist die Begeisterung vieler Journalisten über den parlamentarischen U-Ausschuss zwar verständlich, aber recht vordergründig: Er hat ihnen jede Menge an problemlos aufbereitbaren Stoffen geliefert. Das war für die Journalisten hilfreich, da ja die Innenpolitik ansonsten wenig Schlagzeilen lieferte (Die europäische Schuldenkrise und deren Bekämpfung sind vielen Medien zu kompliziert).

Bei einer distanzierten Betrachtung muss man zu einem kritischeren Blick kommen. An konkreten rechtlichen Ergebnissen hat dieser Ausschuss nämlich außer Strafanzeigen wegen falscher Zeugenaussagen nichts zustandegebracht.

Zugleich haben sich grundlegende strukturelle Probleme früherer Ausschüsse wiederholt. Deren Hauptursache sind verfahrensrechtliche Defizite sowie der verdeckte und nie offen ausdiskutierte Dissens, wozu ein solches Instrument denn überhaupt sinnvoll ist. Die zahlreichen Vorverurteilungen durch Mitglieder des Ausschusses erinnern an die üblen Zeiten des Inquisitionsprozesses (wenn auch ohne Folter). Viele Abgeordnete haben dabei das üble Verhalten vieler Medien imitiert, die gesetzliche und menschenrechtliche Unschuldsvermutung bei politischen Gegnern in eine automatische Schuldvermutung zu verwandeln.

Die im Ausschuss behandelten Korruptionsfälle

Viele Korruptionsfälle sind vom Ausschuss nur teilweise und kurz, einige intensiver angeschnitten worden. Aber auch jene Fälle, die der Öffentlichkeit überhaupt erst durch den Ausschuss bekannt geworden sind, waren schon davor Gegenstand von Untersuchungen der Staatsanwaltschaft und Polizei. Eine endgültige Bewertung und eine umfassende Übersicht über die Korruption in Österreich wird daher trotz Ausschuss erst möglich sein, wenn die diesbezüglichen Strafverfahren – so oder so – abgeschlossen sind. Daher erfolgt hier nur eine demonstrative Übersicht einzelner öffentlich besonders heftig diskutierter Fälle:

1.     Der Berater Hochegger war in einem erschreckenden Umfang die Gelddrehscheibe für Bestechungen durch die Telekom Austria. Diese hatte in der Hoffnung auf eine freundliche Gesetzgebung und entsprechende Verordnungen gleich in Richtung von vier Parteien Gelder fließen lassen.

2.     Der intensiv von staatlichen Regulierungen und Vergaben abhängige Konzern der Casinos Austria hat weitgehend wertlose Gutachten als offensichtliche Tarnung für ganz anders motivierte Zahlungen teuer finanziert.

3.     Wie schon in den letzten drei Jahren stand Exfinanzminister Karlheinz Grasser mehrfach im Zentrum. Dabei ging es vor allem um die Begleitumstände des Verkaufs der Buwog, aber auch um einige andere Vorgänge. Die Aussagen eines früheren Kabinettmitarbeiters belasteten Grasser, aber ohne dass man den schillernden Politiker dadurch als überführt bezeichnen könnte.
In der Causa Buwog sind zwei Aspekte zu prüfen: Der eine ist die Entscheidung darüber gewesen, welche Investment-Bank Ausschreibung und Verkauf begleiten soll; konkret geht es dabei um die Frage: Wieweit hat Grasser die Vergabe dieses Auftrags an eine große amerikanische Investment-Bank beeinflusst (was vielleicht rechtswidrig, aber eigentlich verständlich und im Interesse der Steuerzahler gewesen wäre, ist doch der Minister am Ende ja selbst für die optimale Ausschreibung verantwortlich)? Und zweitens: Hat Grasser dabei mitgewirkt, dass der von einem Konkurrenten gebotene Preis für die Buwog dem siegreichen Bieter bekannt geworden ist? Das wäre freilich ein ganz übler Skandal, weil dadurch die Republik zweifellos einen Schaden erlitten hat. Es ist jedoch weiterhin offen, ob Grasser das getan und in diesem Zusammenhang auch Geld kassiert hat.
Insgesamt billigten ihm jedenfalls auch Gegner zu, dass er seine mehrfachen Auftritte vor dem Ausschuss recht souverän absolviert hat. Jedenfalls muss man weiterhin auf die ausstehenden Entscheidungen der Justiz warten.

4.     Die Vergabe des Blaulichtfunks Tetron und damit verbundene Zahlungen an einen Lobbyisten sind zumindest dubios.

5.     In der Inseratenaffäre wurde aus den Akten der Staatsanwaltschaft bekannt, dass diese von Lügen („Schutzbehauptungen“) des Bundeskanzlers und seines Staatssekretärs überzeugt ist.

Die Gesetzesreformen im Kampf gegen die Korruption

Im ersten Halbjahr 2012 ist es im Kampf gegen die Korruption zu etlichen Gesetzesänderungen gekommen. In der Selbstdarstellung der Politik werden diese als Ergebnis der Tätigkeit des U-Ausschusses dargestellt. Das ist aber sowohl vom zeitlichen Ablauf wie auch von der Kausalität her falsch.

Die Gesetzesänderungen beruhen in keiner Weise auf einem Ausschuss-Bericht mit konkreten Empfehlungen, einen solchen hat es ja nie gegeben. Und diese Gesetzesänderungen sind auch schon lange vor Ende des Ausschusses und überdies in ganz anderen Gremien beraten, verhandelt und beschlossen worden. Neben den Parteienverhandlungen spielte dabei auch das Justizministerium eine Schlüsselrolle.

Viel wichtiger als diese Debatte über die Urheberschaft der Reformen ist aber ohnedies die inhaltliche Frage: Ist Österreich mit diesen Reformen künftig ausreichend gut gegen Korruption gefeit?

Die wichtigsten Reformen in Stichworten:

·        Änderung der Strafbestimmungen zu den Bereichen Anfütterung und Bestechlichkeit

·        Strengere Korruptionsregeln für Abgeordnete, Bürgermeister und Minister

·        Größere Transparenz bei Nebenjobs

·        Deutlich strengere Transparenzregeln für Parteispenden, zu denen nun auch Inserate und „Sponsoring“ gezählt werden (mit zwei öffentlich heftig kritisierten negativen Begleiterscheinungen: erstens die gleichzeitig als Ausgleich für den erwarteten Rückgang der Spenden erfolgte Erhöhung der staatlichen Parteifinanzierung und zweitens die Ausnahmebestimmungen für Spenden an Bezirksorganisationen)

·        ein Lobbyistengesetz mit einer neuen Registrierungspflicht (und verfassungsrechtlich problematischen Abgrenzungen, wer überhaupt darunter fällt – siehe Sozialpartner, Interessenorganisationen, Rechtsvertreter)

·        das Medientransparenzgesetz: Alle öffentlichen Stellen müssen den Umfang ihrer Inseratenschaltungen und sonstigen Kooperationen mit Medien melden; diese Meldungen werden dann veröffentlicht

·        ein neuer Wohlverhaltenskodex für ÖVP-Politiker.

Defizite der Reformen

Die größten Defizite der Rechtslage rund um das Thema Korruption sind jedoch so gut wie gar nicht diskutiert geschweige denn behoben worden. Insbesondere die folgenden zwölf Punkte wären für ein erfolgreiches Zurückdrängen der Korruption unverzichtbar:

·        Die als angebliche Maßnahme gegen die Schuldenkrise erfolgte Erhöhung der Vergabegrenzen: Wenn öffentliche Aufträge erst ab 100.000 Euro und nicht wie früher schon ab 40.000 Euro öffentlich nach den strengen Regeln des Vergabegesetzes ausgeschrieben werden müssen, dann reißt das ein großes Tor für korruptionsartige Vorgänge und überteuerte Beschaffungen auf.
Diese Vergabegrenzen sollten daher dringend wieder reduziert werden.

·        Die Tatsache, dass Österreich in der EU gemessen am BIP absoluter Spitzenreiter bei der Vergabe von Förderungen ist (insbesondere auch durch die Länder!): Förderungen sind von ihrem Wesen her ein ideales Instrument, um Steuergelder nach parteipolitischem Interesse an sympathisierende Organisationen zu lenken. Sie grenzen daher eng an Korruption, selbst wenn in konkreten Fällen kein Amtsmissbrauch nachgewiesen werden kann, etwa weil sie durch „demokratische“ Beschlüsse von Landtagen oder Gemeinderäten vergeben werden.
Die Dimensionen der Förderungen gehören dramatisch reduziert; die Vergaben müssen gerichtlich und verfassungsrechtlich nachprüfbar werden.

·        Die Tatsache, dass Österreichs Parteien in Wahlkämpfen weit intensiver plakatieren und inserieren, als das in allen anderen Ländern üblich ist, kostet enorm viel Geld. Keine Partei wagt aber aus Angst vor Wahlniederlagen auszuscheren. Das führt zu einem international unüblich hohen Geldbedarf der Parteien.
Plakatierungen und Inserate bzw. Privat-TV-Schaltungen durch Parteien, aber auch durch politisch aktive Organisationen (wie die scheinunabhängigen PAC-Komitees in den USA) gehören streng gesetzlich limitiert, mit besonderen Regelungen für Wahlkampfzeiten. Bei Plakaten wäre auch ein Verbot denkbar. Gleichzeitig sollte aber den Parteien entsprechend ihrer Größe (beziehungsweise für neue Parteien in fairer Dimension) im ORF unentgeltlicher und im Privatfernsehen entgeltlicher Werberaum zur Verfügung stehen.

·        Die Suche nach den Geldflüssen dauert oft Jahre.
Es fehlt weiterhin ein zentrales Bankkonten-Register: Dadurch wird die Suche nach illegalen Geldflüssen deutlich erschwert und verlangsamt.

·        Amtsgeheimnis und Datenschutz sind die besten Helfer der Korruption.
Die in Skandinavien oder Neuseeland selbstverständliche und auch in Deutschland zunehmende volle Transparenz öffentlicher Akten – mit bestimmten, engen Ausnahmen (etwa im Bereich der Strafverfolgung) – würde automatisch den Spielraum für korrupte Vorgangsweisen stark reduzieren.

·        Ein Gutteil der inkriminierten Vorgänge ist rund um staatliche oder staatsnahe Unternehmen passiert (ÖBB, Asfinag, Buwog, Telekom, Casinos Austria).
Eine rasche und vollständige Privatisierung wie auch eine Reduktion der relevanten Gesetze und Verordnungen würde die Möglichkeiten für Korruption stark reduzieren.

·        Die Oberstaatsanwaltschaft Wien hat versucht, die Inseratenvergabe zulasten rechtlich an sich völlig unabhängiger Aktiengesellschaften durch Minister als „Geschäftsführung ohne Auftrag“ zu rechtfertigen.
Diese gewagte Konstruktion gehört durch eine Änderung des Strafgesetzes und Aktiengesetzes unterbunden.

·        Media- (Schalt-) und Werbeagenturen, die in irgendeiner Form öffentliche Aufträge erhalten, arbeiten als Dank oft gratis oder fast gratis für Parteien.
Künftig sollten sie vier Jahre lang vor und nach einem solchen Auftrag nicht für Parteien arbeiten dürfen. Das muss auch für die in neuen Konstellationen antretenden Gesellschafter gelten.

·        Bei ÖBB und Asfinag sind nicht gefügige Vorstände dienstfreigestellt worden.
Unbegründete Dienstfreistellungen von Vorständen einer AG oder GmbH vor Ende der Periode müssen vom Strafrecht als Amtsmissbrauch gewertet werde.

·        Die Verletzung der Kennzeichnungspflicht von Anzeigen und Kooperationen durch Medien muss als Offizialdelikt von amtswegen verfolgt werden.

·        Die Bestechung von Medien mit Steuergeld geht trotz Medientransparenzgesetz ungehindert weiter.
Inserate und Kooperationen der öffentlichen Hand (und von ausgegliederten Gesellschaften mit einer 25 Prozent übersteigenden öffentlichen Beteiligung) müssen künftig gemäß dem Vergabegesetz ausgeschrieben werden. Dabei ist der Auftragswert eines Kalenderjahres zusammenzuzählen.

·        Alle diese Neuregelungen müssen nicht nur auf Bundes-, sondern auch auf Landes- und Gemeindeebene gelten, wo ohnedies die Kontrolle viel schwächer ist.

Der Nutzen und die Problematik des U-Ausschusses

Der Ausschuss war wie die meisten seiner Vorgänger durch mehrere unterschiedliche Problemschichten geprägt:

1.     Vor allem ist nicht klar, was eigentlich die Aufgabe solcher Untersuchungsausschüsse ist. In Frage kommen:

a.      Die Ausarbeitung von Vorschlägen für Verwaltungs- oder Gesetzesreformen in kritisch gewordenen Bereichen (wie es etwa britische Kommissionen bei sensiblen Fragen mit oft großem Erfolg tun): Das hat der Ausschuss in keiner Weise geschafft. Man hat beispielsweise nicht einmal versucht, die schwierigen Regulierungen und Vergaben im Bereich Telekom, Lotterien und Casinos aufzuarbeiten.

b.     Die konzentrierte Kontrolle der amtierenden Regierung und der Verwaltung in komplizierten Materien: Das haben die Regierungsparteien zu verhindern gewusst. Dadurch wurde der Ausschuss ganz von der Gegenwart ab- und auf die Vergangenheit hingelenkt.

c.      Die von der Justizministerin mehrfach als zentrale Aufgabe des Ausschusses genannte Wahrnehmung der „politischen Verantwortung“: Diese würde theoretisch in der Abberufung eines Regierungsmitglieds oder zumindest in einem Tadel gipfeln. Die politische Verantwortung ist aber ganz offensichtlich reine Theorie, solange keine Regierungspartei Konsequenzen verlangt.

d.     Parteipolitische Polemik und Attacken: Das ist in überreicher Form passiert.

e.      Untersuchung strafrechtlich relevanter Sachverhalte: Das ist ebenfalls in überreicher Form als Wiederholung von Aktionen der Kriminal- und Strafverfolgungs-Behörden passiert, aber zweifellos von der Verfassung her nicht Zweck eines parlamentarischen Ausschusses. Denn dadurch wird die Gewaltenteilung verletzt.

f.       Untersuchung der korrekten und effizienten Arbeitsweise der Staatsanwaltschaften: Das wäre angesichts der überlangen Dauer von Strafverfahren und der Serie von Brüchen des Amtsgeheimnisses eine legitime und wichtige Aufgabe – hätte aber logischerweise erst nach Ende der betreffenden Strafverfahren stattfinden können.

2.     Die Tätigkeit besonders dieses Ausschusses hat sich ständig mit jener der Justiz überschnitten. Zeitweise ähnelte er einem Schauprozess und Tribunal. Das ist ein schwerer Verstoß gegen die Gewaltenteilung zwischen Legislative und Justiz, aber auch gegen rechtsstaatliche Grundsätze wie etwa die Unschuldsvermutung und die Trennung von Anklage und Gericht. Vor allem die Oppositionsabgeordneten Pilz und Petzner haben sich ständig wie überscharfe Staatsanwälte geriert. Aber auch andere Parlamentarier haben die ihnen berufsbedingt innewohnende Lust an der Zuspitzung demonstriert. Der Zeuge Martin Schlaff verglich daher mit gutem Grund den Ausschuss sogar mit der Gestapo.

3.     Ein parlamentarischer Ausschuss hat bei weitem nicht die Instrumente der Strafjustiz. Er kann insbesondere keine Aufträge an die Exekutive erteilen, er kann weder Lauschangriffe starten noch ausländische Akten und Vernehmungen beschaffen. Es ist also auch aus diesem Grund sinnlos, einen Ausschuss in Konkurrenz zur Strafjustiz zu setzen.

4.     Die unfruchtbare Konkurrenz zur Justiz zeigte sich schon beim ersten und weitaus am intensivsten behandelten Kapitel; das waren die von der Telekom ausgehenden Bestechungsaktionen. Trotz vieler Zeugenauftritte wurde der weitaus wichtigste Zeuge und Haupttäter nicht geladen: Er ist von der Staatsanwaltschaft zum „Kronzeugen“ gemacht worden (der möglicherweise sogar straffrei ausgeht). Daraufhin hat das Parlament auf den Auftritt im Ausschuss verzichtet. Das hat diesen Ausschuss schon im ersten Kapitel trotz des großen gerade dafür aufgewendeten Zeitaufwandes ad absurdum geführt.

5.     Die Staatsanwaltschaft hat dem Ausschuss keineswegs alle Dokumente zur Verfügung gestellt. Einige Vernehmungsprotokolle bekamen die Parlamentarier „aus ermittlungstaktischen Gründen“ nicht, so etwa jenes des ehemaligen Asfinag-Vorstandes Franz Lückler rund um den Komplex Inseratenvergaben durch Faymann und Ostermayer. Gerade in diesem Fall kann das nur zweierlei bedeuten: Die Staatsanwaltschaft schützt die verantwortlichen Politiker Faymann und Ostermayer – oder sie hat weiteres belastendes Material gegen die beiden in der Hand. Davon ist aber bis heute nichts zu sehen.

6.     Noch sinnloser wurde der Ausschuss durch die zahllosen Antwortverweigerungen: Bis zur letzten Sitzung haben sich viele Auskunftspersonen unter Verweis auf ein gegen sie laufendes Strafverfahren der Aussage entschlagen. Das ist selbstverständliches Grundrecht jedes Zeugen (auch vor Gericht), wäre also ein weiterer Grund gewesen, die Strafverfahren erst abzuwarten.

7.     Der Ausschuss deckte zwar kaum etwas Neues auf, wurde dafür aber von den Parteien in anderer Hinsicht genutzt: Sie kamen in breitem Umfang (insgesamt 1,6 Millionen Aktenseiten) an geheimes Material der Strafverfolgung und anderer Behörden heran. Dadurch wurden Strafverfahren bekannt, von denen nicht einmal die Betroffenen etwas gewusst haben (was zwar rechtsstaatlich ebenfalls unakzeptabel ist, aber generell zu lösen ist und nicht auf dem Zufallsweg eines Ausschusses). Dieses Aktenmaterial wurde von allen Parteien penibel durchforstet – und zwar jeweils unter dem Gesichtspunkt, ob man damit politischen Gegnern etwas anhängen kann. Wenn Abgeordnete auf solches Material stießen, wurde es im Ausschuss groß thematisiert – oder vertraulich an befreundete Journalisten weitergegeben, damit diese es dann durch „Exklusivgeschichten“ in die Öffentlichkeit tragen. Es ist alles andere als Zufall, dass der heftigste Konflikt im Ausschuss, der dann auch zur Abberufung der Vorsitzenden Gabriela Moser führte, gerade um die weitere Lieferung von Akten aus Justiz und Verwaltung entbrannt ist. Das zeigt, dass es hier insbesondere (aber nicht nur) bei den Grünen um den Kern des parteipolitischen Interesses gegangen ist. Die Grünen haben sogar noch nach Ausschussende durch einen umfangreichen Bericht geheime Akten der Strafverfolgung an die Öffentlichkeit getragen. Dies alles schädigte massiv die Rechte der Betroffenen und ist zugleich eine potentielle Gefährdung der Strafverfolgung.

8.     Die Themenbereiche des Ausschusses wurden sehr unterschiedlich behandelt: bei den Bestechungen durch die Telekom geschah dies ausführlich und in vielen Details, die aber ohne Befragung des Hauttäters kein komplettes Bild ergeben konnten; hingegen wurden die Bestechungen von Tageszeitungen und Wochenmagazinen durch Inserate von Bundes- und Landesinstitutionen fast überhaupt nicht aufgearbeitet. Das hat erstaunliche parteipolitische Dimensionen: Denn rund um die Telekom gerieten vor allem Schwarz, Blau und Orange in ein schiefes Licht; rund um die Inserate wäre das vor allem der SPÖ (und etlichen Medien) passiert. Weshalb der ÖVP dieser schwere taktische Fehler passiert ist, entzieht sich der Kenntnis des Autors, ist aber deren eigene Angelegenheit.

9.     Die Weigerung der SPÖ, ihren Parteivorsitzenden in den Ausschuss zu laden, hat Werner Faymann als Hauptdrahtzieher der Inseratenaffäre peinliche Fragen und die Gefahr einer strafbaren Falschaussage erspart. Dadurch entstand aber überhaupt die größte Sinnkrise des Ausschusses. Diese Weigerung ist auch in der Öffentlichkeit heftig kritisiert worden und hat Faymann bei seiner Wiederwahl als Parteichef ein schlechtes Ergebnis eingebracht.

10.                      Der Ausschuss verzichtete sogar auf die Vernehmung durchaus aussagewilliger Personen, wie die des ehemaligen ÖBB-Personenverkehrsvorstandes Stefan Wehinger. Dieser hätte mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit Faymann schwer belastet.

11.                      Schon das Ausschussprogramm ließ Beobachter den Kopf schütteln: Anstelle der Konzentration auf ein Thema ging es nach dem Kraut-und-Rüben-Prinzip um alles, was in den Monaten davor an Vorwürfen zu hören gewesen ist, etwa durch Indiskretionen der Staatsanwaltschaft.

12.                      Die mutmaßlichen Amtsmissbräuche in der StA und OStA (durch Indiskretionen aber auch durch Nichtverfolgung strafbarer Handlungen) sind in keiner Weise thematisiert worden, obwohl hier ein unabhängiger und am Rechtsstaat orientierter Ausschuss zweifellos viel Handlungsbedarf gefunden hätte.

13.                      Der Vorsitz im Ausschuss durch Abgeordnete ist regelmäßig problematisch. Dadurch wurde die Entartung zu einem Tribunal ebensowenig verhindert wie die parteipolitische Instrumentalisierung. Abgeordnete als Vorsitzende haben nicht einmal den Anschein objektiver Unabhängigkeit.

14.                      Der Ausschuss ist mitten in seiner Arbeit durch die Koalition mit Brutalität und fadenscheinigen Argumenten abgedreht worden. Die letzten Kapitel sind höchstens kursorisch angerissen worden. Dahinter steckte die Sorge der Koalition, ein Weiterlaufen des Ausschusses hätte den Wahlkampf 2013 beherrscht. Ein weiterer Hintergrund des vorzeitigen Ausschuss-Ende: Die SPÖ hätte in einer Vorladung ihres Parteichefs einen Bruch der Koalition gesehen, wovor sich die angeschlagene ÖVP fürchtete.

15.                      Ein Untersuchungsausschuss, der ohne einen zumindest mit Mehrheit beschlossenen meritorischen Abschlussbericht und Empfehlungen endet, ist jedenfalls ein Fehlschlag.

16.                      In der Summe hat durch den Ausschuss das Image der gesamten politischen Klasse schwer gelitten. Auch die Grünen, die ja als einzige nie in Regierungsverantwortung gewesen und daher automatisch inhaltlich weitgehend unbehelligt geblieben sind, können nicht wirklich von der Ausschussarbeit profitieren. Die Vielfalt an dort erhobenen Vorwürfen hat nämlich jede individuelle Verantwortung verwischt.

17.                      Der Ausschuss war auch dadurch eines Rechtsstaates unwürdig, dass all jene Aktenteilen der Justiz ignoriert wurden, die entlastende Aussagen enthalten. Dass dies offenbar in signifikantem Umfang geschehen ist, geht aus einem leider weitgehend unbeachtet geblieben Interview des zuständigen Strafjustiz-Sektionschefs hervor.

18.                      Offen muss daher die nicht nur an Österreichs Stammtischen diskutierte Frage bleiben, ob das Land wirklich korrupter geworden ist und wie es im internationalen Vergleich dasteht. Gibt es doch in demokratischen Ländern von den USA bis Frankreich noch viel problematischere Vorfälle. Die Intensität der im Ausschuss wenigstens zum Teil behandelten Fälle ist jedenfalls erschreckend:

a.       So hat etwa die Inseratenkorruption auf Bundesebene erst mit dem Einrücken von Werner Faymann aus dem Wiener Rathaus demokratiegefährdende Dimensionen erreicht.

b.     So ist ein (inzwischen ehemaliger) Finanzminister, der beispielsweise im Plastiksack große Geldsummen über die Grenze schafft, selbst dann unerträglich, wenn man ihm seine diesbezügliche Rechtfertigung glaubt.

c.      So ist das Verhalten der Telekom als Bankomat der Parteien auch dann skandalös, wenn man ins Kalkül zieht, dass ein bis dahin von befreundeten Ministern immer behütetes rotes Unternehmen plötzlich ob der schwarz-blauen Koalition von Panik gepackt wird.

Auf der anderen Seite ist es zweifellos Faktum, dass die Sensibilität der Öffentlichkeit, die technologischen Kontrollmöglichkeiten, der schwere Verlust der Reputation der politischen Klasse und die Aggressivität der Medien heute viele Vorgänge an die Öffentlichkeit bringen, die früher nicht zu einem Skandal geworden wären.

Empfehlungen für ein besseres Funktionieren von U-Ausschüssen

Aus den Erfahrungen dieses und früherer U-Ausschüsse sowie aus internationalen Beispielen lassen sich einige Empfehlungen ableiten.

1.     Der Vorsitz sollte nur noch durch unabhängige Persönlichkeiten mit Gewicht und Erfahrung ausgeübt werden dürfen. Wenn sich die Parteien nicht mit Zweidrittelmehrheit auf einen (oder zwei) Vorsitzenden einigen können, sollte dieser durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshof nominiert werden.

2.     Die Einberufung eines Ausschusses muss einen einzigen klaren, nicht die Gewaltenteilung verletzenden Auftrag haben. Themen eines Ausschusses dürfen nur sein:

a.      die Aufarbeitung komplizierter Fragen zum Zweck einer Gesetzesreform (ein aktuelles Beispiel wäre etwa eine sinnvolle Regelung der Fragen rund um die Veranlagung öffentlicher Gelder und der dabei möglichen Risken, also das Thema der sogenannten „Spekulationen“);

b.     die Kontrolle der gegenwärtigen Regierung, Verwaltung in Hinblick auf Korrektheit und Effizienz;

c.      und die Tätigkeit oder Nichttätigkeit der Strafverfolgungsbehörden NACH dem Abschluss eines Verfahrens (beziehungsweise zwei Jahre nach Erstattung einer Anzeige, womit auch eine Verschleppung durch die Staatsanwaltschaft thematisiert werden kann).

3.     Kein Thema für einen U-Ausschuss kann ein von der Justiz verfolgtes Delikt sein. Das würde den vielen sinnlosen Vernehmungen von Personen ein Ende bereiten, die sich als Beschuldigte jeder Aussage entschlagen.

4.     Ein U-Ausschuss kann von einem Drittel der Abgeordneten einberufen werden, wobei aber jeder Abgeordnete nur zweimal in einer Legislaturperiode das Recht hat, eine solche Einberufung zu unterstützen.

5.     Behauptet ein anderes Drittel der Abgeordneten die Rechtswidrigkeit der Einberufung des Ausschusses, muss der Verfassungsgerichtshof in einem Eilverfahren entscheiden.

6.     Ebenso kann ein Drittel der Ausschussmitglieder – im Rahmen des Themas eines Ausschusses und unter Aufsicht des unabhängigen Vorsitzenden – Zeugeneinvernahmen durchsetzen.

7.     Jeder U-Ausschuss muss binnen sechs Monaten beendet werden.

8.     Wenn es über den Abschlussbericht keinen Mehrheitsbeschluss gibt, kann der Vorsitzende ad personam dem Parlamentsplenum einen Bericht samt Empfehlungen übermitteln.

(Dieser Beitrag ist in weitgehend ähnlichem Wortlaut auch im soeben erschienenen „Jahrbuch für Politik 2012“ veröffentlicht worden. Dieses Jahrbuch mit Dutzenden weiteren wichtigen politischen Analysen ist im Böhlau-Verlag erschienen).

 

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Bargeldverbot: Alle Macht dem Leviathan!

31. März 2013 00:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Die beiderseits des Atlantiks betriebene Politik der „finanziellen Repression“ zeigt Folgen: Auf der Suche nach Möglichkeiten zum bloßen Erhalt der Vermögenssubstanz werden Sparer in Anlagen gezwungen, die weit jenseits ihrer normalen Risikobereitschaft liegen. Blasenbildungen wie im nur scheinbar sicheren Immobilienbereich oder bei dubiosen „Wert“papieren – und damit das Risiko schmerzhafter Vermögensverluste – sind die Folge.

Die Erwartung, das Geld würde zunehmend an Kaufkraft verlieren, steigert weiters die Zeitpräferenzrate, was zu einer Verringerung der Sparneigung und erhöhten Konsumausgaben führt. Dauerhafter Wohlstand setzt die Existenz eines soliden Kapitalstocks voraus – der nicht zu verwechseln ist mit dem vom Bankensektor in beliebiger Menge herzustellendem Papier-  oder Buchgeld. Dieser Kapitalstock wird aber unter den herrschenden Bedingungen nicht nur nicht aufgestockt, sondern sogar aufgezehrt. Daher sollte man sich hinsichtlich der auf uns zukommenden Entwicklung keiner Illusion hingeben: Es geht bergab. Der „Peak Wohlstand“ liegt hinter uns. Den Jungen wird es, und das nicht nur materiell, schlechter gehen als der zügig auf die Pension zumarschierenden Generation der Babyboomer.

Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, dräut eine weitere Bedrohung, derer sich die meisten Zeitgenossen noch gar nicht bewusst geworden sind: Die schleichende Einführung von Bargeldverboten. Unter allerlei Vorwänden werden von den herrschenden Dressureliten immer weiter reichende Einschränkungen des Bargeldverkehrs verordnet. Möglichst alle Zahlungen sollen über elektronisch überwachte Konten abgewickelt werden. Eine Hitliste der beliebtesten Märchen dazu:

Da es zu den weit verbreiteten menschlichen Schwächen gehört, erst durch Schaden klug zu werden, haben die Obertanen in einigen Ländern bereits beachtliche Erfolge bei der schrittweise erfolgenden Abschaffung des Bargeldes erzielt: Italien geht mit leuchtendem Beispiel voran. Bereits jetzt gilt ein Limit von 1.000 Euro, das – falls das Land bis dahin über eine handlungsfähige Regierung verfügt – ab Mitte des Jahres auf 50 (!) Euro heruntergesetzt werden soll. Damit wird der allgegenwärtigen Cosa Nostra unzweifelhaft ein schwerer Schlag versetzt. Sie ist damit wohl so gut wie fertig. Dass indes der Besuch einer braven Familie im Eissalon schon bald im Kriminal enden könnte, falls vergessen wurde, die Kreditkarte einzustecken und sich der Gelataio auf die Annahme von Bargeld einlässt, tut dieser brillanten Maßnahme keinen Abbruch.

In Griechenland endet der Bargeldspaß bei 1.500, in Spanien bei 2.500 Euro, in Frankreich sind die regierenden Neobolschewiken noch nicht ganz mit sich im Reinen und brüten über ein zweckmäßiges Limit, in England ist der Gebrauch von 500,-- Euro-Scheinen verpönt und in Schweden träumt man bereits von der totalen Kontrolle durch den Leviathan und einem „Leben ohne Bargeld“.

Wenn das eben in Zypern über die Bühne gehende Drama nur ein Gutes gebracht hat, dann die brachial erteilte Lehre, was ein „Leben ohne Bargeld“ in einer entwickelten, arbeitsteiligen Gesellschaft bedeutet: blankes Chaos. Hätten die zypriotischen Haushalte nicht noch über gewisse Bestände an Bargeld verfügt, wäre es ihnen nach der hoheitlich verordneten fast zweiwöchigen Schließung der Banken nicht einmal mehr möglich gewesen, selbst einfachste Grundbedürfnisse zu befriedigen, also etwa Lebensmittel einzukaufen. Wer allein auf „virtuelles“ Geld in Gestalt bunter Plastikkarten angewiesen ist, muss im Fall der Fälle eben hungern. Wer an den politischen Schalthebeln sitzt, entscheidet dagegen, ob – und von wem – gegessen wird oder nicht. Entspricht das dem Wunsch mündiger Bürger?

Dass Nomenklatura und Bankenwelt entschlossen auf eine Abschaffung des Bargeldes hinarbeiten, leuchtet indes ein. Den Apparatschiks in den Politbüros geht es um eine weitere Ausdehnung ihrer Macht: Wenn es ihnen gerade nicht passt, kann sich der Bürger auf legale Weise dann nicht einmal mehr ein Stück Brot kaufen. Für die Banken ist es der zusätzlich winkende Umsatz. Schließlich bringt jede einzelne Transaktion den Finanzhäusern Geld.

Ein Leben ohne Konto wäre nicht mehr möglich – selbst einem Einsiedler nicht. Die Kontrolle des Staates über seine Bürger wäre nahezu total, denn schließlich hinterlässt jede Benutzung von Kredit- oder Bankomatkarten Spuren. Dass mit der Abschaffung des Bargeldes auch privates Eigentum ein Stück weiter dem Zugriff des Fiskus ausgesetzt wird, liegt auf der Hand. Konten einzufrieren oder abzuräumen ist für den Staat allemal bequemer, als Haussuchungen vorzunehmen, um unter Matratzen verstecktes Geld zu konfiszieren. Seine treuesten Handlanger und Komplizen – die Geschäftsbanken – stehen jederzeit bereit, dem Großen Bruder zu helfen.

Wer einwendet, er habe tatsächlich nichts zu verbergen, und es sei ihm daher egal, ob die Regierung jeden seiner Schritte überwacht, sollte sich einen Moment lang in die Lage eines regierungskritischen Nonkonformisten versetzen. Hätten die Terrorregimes des 20. Jahrhunderts über Mittel verfügt, in dem Maße jede Geldbewegung zu kontrollieren oder zu unterbinden, wie es in der Alten Welt gerade verwirklicht wird, wären die von ihnen produzierten Leichenberge noch deutlich höher ausgefallen. Und viele weitere Menschen wären dann schlicht verhungert…

Der naive Traum vom real existierenden Rechtsstaat kann – spätestens nach den rezenten Ereignissen auf Zypern – endgültig begraben werden. Jedes Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns läuft seither auf grobe Fahrlässigkeit hinaus. Der Staat ist und bleibt – wie es die zypriotische Regierung eben beispielhaft vorgeführt hat – eine kriminelle Organisation. Seine Macht kommt aus den Gewehrläufen – denen seiner eigenen Büttel oder denen der Eurogendfor, also der europäischen Gendarmerie. Rechtssicherheit gibt es nicht (mehr).

Es ist zu spät, den Anfängen zu wehren. Jetzt geht es – bis zum bevorstehenden Kollaps des herrschenden Ponzi-Systems – nur noch um Schadensbegrenzung. „Leben ohne Bargeld“ bedeutet, den in den Regierungsvierteln lauernden Räuberbanden auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein. Der Besitz von Bargeld dagegen ist ein Ausdruck von Freiheit. Entschlossener Widerstand gegen seine Abschaffung ist daher Bürgerpflicht.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Die Kirche und ihre Rolle in der Welt

30. März 2013 00:54 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Nicht nur weil Ostern ist: Die katholische Kirche steht so stark im allgemeinen Interesse wie schon lange nicht. Dank des Papst-Rücktritts, der genauso wie die Persönlichkeit des Nachfolgers eindrucksvolle Demut signalisiert. Dank der Tatsache, dass das neue Kirchenoberhaupt erstmals aus der Dritten Welt kommt. Dank der immer stärkeren Desorientierung der Menschen, die aber eigentlich nach einem festen Halt suchen. Aber auch dank der brutalen Attacken von Islamisten auf Christen, und dank eines radikal-antikirchlichen Volksbegehrens aus dem linksradikalen Eck.

Das ist eine gewaltige Chance. Das könnte Aufbruchsstimmung vermitteln – die es in einigen Pfarren in Österreich schon seit längerem tatsächlich gibt. Sie ist meist, aber nicht immer von starken Priesterpersönlichkeiten geprägt, denen nur eines gemeinsam ist: Sie sehen so wie der neue Papst ihre Aufgabe nicht im Schimpfen auf andere Teile der Kirche, auf Linke oder Rechte, sondern im Dienst an der Gemeinschaft. Gewiss: Nicht jeder hat auch Charisma, wie es die Päpste Franziskus und Johannes Paul II. gehabt haben. Aber auch der büchertrockene Benedikt hat als Gelehrter eine wichtige Funktion gehabt. Auch wenn ihm organisatorisch und disziplinär manches außer Kontrolle geraten ist.

Zu Recht werden da manche sagen: Aber die üblen Verbrechen, die – auch – von Funktionsträgern der Kirche begangen worden sind! Und die auch wohl noch heute da und dort begangen werden!

An diesen Untaten gibt es nichts zu deuteln. Sie haben stattgefunden, so wie in allen anderen Bereichen menschlicher Aktivität auch. Aber es gilt Klarheit herzustellen: Nirgendwo in der Bibel wird behauptet, dass jemand automatisch deshalb ein besserer Mensch wäre, weil er Priester oder Ordensfrau ist. Diesen Eindruck hat nur ein falscher Klerikalismus zu erwecken versucht.

Bei Kirche und Christentum geht es letztlich um ganz anderes als um die menschliche Qualität der Priester: Es geht vor allem um den Auftrag an jeden einzelnen zu einer an Werten, an Idealen, an konkreter Nächstenliebe orientierten Lebensführung; und es geht um die Suche nach Wahrheit, Freiheit und Transzendenz.

Dieser Wahrheit ist die katholische Kirche deutlich nähergerückt, seit sie klar sagt, dass nichts Teil des Glaubens sein könne, was der Vernunft widerspricht. Damit ist auch der tiefe Graben überwunden, der sich einst zwischen Kirche und Aufklärung, zwischen Kirche und Liberalismus aufgetan hatte. Wobei man bei der Aufklärung genausowenig an die blutigen Exzesse der Französischen Revolution denken darf, wie beim Liberalismus an die geistige Beschränktheit eines Liberalen Forums in Österreich und bei der Kirche an die Missbräuche in manchen Konvikten.

Bei allen überwiegt heute bei weitem der positive Beitrag für den Zustand der Menschheit. Was man von den großen Totalitarismen des Nationalsozialismus, Kommunismus und Islamismus ganz und gar nicht sagen kann – auch wenn das deren Propagandisten ständig zu verwischen versuchen.

Daher ist auch das Kirchenvolksbegehren aus dem linken Eck ein ganz übler Beitrag für die Zukunft dieses Landes. Wenngleich es von der Freimaurerpartie im ORF heftig unterstützt wird, ist es in vielen Punkten verlogen.

So verdreht das Gerede von angeblichen Privilegien der Kirche alles, was der christliche wie jüdische Glaube für Land und Menschheit tut, ins Gegenteil:

Nur in den von ihnen geprägten Kulturen haben sich Freiheit und Wissenschaft in so hohem Ausmaß entwickeln können (trotz allem, was man in beiden Bereichen oft sorgenvoll beobachten muss). Nur dort gibt es (trotz aller feministischen Attacken) eine Gleichberechtigung von Frauen. Nur dort sind so früh alle Sklavenhaltergesellschaften verschwunden. Nur dort gibt es heute die weltweit größte Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit. Ist das alles Zufall oder ist es nicht viel mehr klare Konsequenz der christlich-jüdischen Werte?

Christlich motivierte Menschen haben die gewaltigsten Kunstschätze der Menschheit geschaffen, von der Musik bis zur Malerei. Es wäre beispielsweise ein riesiger kultureller, und nicht zuletzt touristisch-ökonomischer Schaden für Österreich, würde die Kirche nur noch jene Klöster und Gotteshäuser erhalten und pflegen, die sie für ihre eigenen Zwecke benötigt. Für die Kirche wäre das hingegen kein Schaden, sondern eine gewaltige Ersparnis.

Allein dieser Wert übersteigt bei weitem das, was die Kirchen aus Budgetmitteln bekommen. Wobei das ja nur ein Ersatz für jene ökonomischen Werte ist, die der Kirche von den Nazis weggenommen worden sind. Und die einst in hohem Ausmaß von frommen Spendern gestammt haben, die noch geglaubt haben, über ihr Privateigentum frei verfügen zu können. Es ist daher wohl kein Zufall, dass die Attacken der Linken auf die Kirchen auch in hohem Ausmaß Hand in Hand gehen mit deren Attacken auf das Privateigentum schlechthin. Sie bekämpfen alles, wo nicht der Staat, also möglichst sie selber, die Macht hat. Und da sind Kirche wie Eigentum die größten Hindernisse.

Die linke Hetze gegen die Kirche

Eine besonders infame Attacke der Linken richtet sich gegen christliche Schulen, Altersheime und Spitäler: Statt täglich den Trägern zu danken für ihren Beitrag zum Allgemeinwohl, wird dagegen gehetzt. Dabei kommt jeder Schüler, jeder Patient, jeder Pflegebedürftige dort die Allgemeinheit viel billiger als in staatlichen Einrichtungen. Wollen die linken Kirchenhetzer diese wirklich alle auf die Straße setzen? Oder soll das Defizit der Republik um einige Milliarden größer werden, nur damit man der Kirche scheinbar eines auswischen kann?

Gewiss kann man nachdenken über die Art des Religionsunterrichts: Wäre es nicht auch für die Kirche viel sinnvoller, dass die jungen Menschen wie in anderen Ländern dazu in Pfarrgebäude kommen müssten, und nicht total orientierungslose Religionslehrer in die Schulen? Es ist wohl auch über die Art des Kirchenbeitrags zu diskutieren: Ist nicht der in immer mehr Ländern übliche Kultus/Kultur-Beitrag sinnvoller, bei dem ohne eigene Einhebungs-Bürokratie automatisch ein Teil der Einkommensteuer einem vom Steuerpflichtigen frei zu nennenden Zweck zufließt? Einer Kirche (wenn man sie zumindest für Heirat, Taufe und Tod in Anspruch nehmen will), einem Denkmalamt, einem Atheistenverein . . .

Kardinal Schönborn hat – offenbar schon vom neuen Papst beeinflusst – ja zu Recht für eine viel stärkere Distanz zwischen Kirche und Staat plädiert. Auch wenn er bisher nicht danach gehandelt hat. Solche Distanz hat der Kirche weltweit immer gut getan, auch wenn sie in Österreich das fast nie wirklich praktiziert hat.

Man denke nur an die vollen Kirchen 1945 in Österreich nach dem Ende der nazistischen Kirchenhasser. Man denke an Polen, die Slowakei oder Slowenien, wo die Kirche als Zuflucht gegen eine Fremdherrschaft besonders stark geworden ist (ja, auch die nationale Identitätssuche war dabei wichtig – aber die ist ja nur für Linke etwas Böses). Man denke an das Aufblühen der katholischen Kirche in den Perioden einer extrem blutigen laizistischen Herrschaft in Mexiko oder Spanien, beziehungsweise die christliche Stärke nach Jahrhunderten der islamischen Herrschaft in Spanien. Man denke an die Kraft der Christen im kommunistischen Vietnam oder im islamistisch bedrohten Afrika. Und man kann fast sicher sein, dass das Christentum in seinen allerersten drei Jahrhunderten vor allem deshalb so stark gewachsen ist, weil es die einzige und daher besonders gefürchtete Antithese zu den damaligen Herrschern war.

Man denke umgekehrt an das Schwächeln der protestantischen Kirchen Nord- und Westeuropas, wo sie als Staatskirchen rapide an Bedeutung verloren haben. Dabei haben gerade die Protestanten nach Luther vielerorts als Antithese zum Kaiser Zulauf gefunden.

Man könnte im Grund die Geschichte der letzten Tausend Jahre vor allem als ein ständig wechselndes Näher- und Auseinanderrücken zwischen Kirche und Staat interpretieren. Die Kirche als Antwort auf die unbeschränkte Willkür der Herrscher: Siehe Canossa, siehe die Zweischwertertheorie.

Die Kirche, der Glaube war die erste relevante und große Antithese zur Allmacht von Staaten. Sie wurde genau dadurch (und durch viele Bibelworte) zur ersten Verkörperung der Idee von Freiheit und persönlicher Verantwortung. Und genau dies hat beispielsweise der neue Papst auch in der Antithese zur linksliberalen Populisten-Herrschaft der Kirchner-Familie gelebt.

Alte Äbte in einer alten Denkwelt

Umso erstaunlicher ist es, wie ein niederösterreichischer Abt (der sich bisher immer in der Nähe der Mächtigen gezeigt hat) in dieser Situation in einem Radio-Interview spricht. Statt sich massiv mit dem Kirchenvolksbegehren auseinanderzusetzen, mit der islamisch getriebenen Christenverfolgung, mit dem Fehlverhalten einzelner Menschen, mit den immer an der Spitze der Kirchverfolger stehenden Grünen (und deren gegenwärtigen Generalangriff auf das Konkordat) hat der Mann zu einer Generalattacke auf die „Wirtschaft“ ausgeholt. Populistischer geht’s nimmer.

Er definiert nicht, was „Wirtschaft“ eigentlich ist (denn würde er nachdenken, dann müsste er erkennen, dass es wir alle sind!). Er begreift nicht, dass die Politik den Karren in den Dreck gefahren hat, und will der Politik, die er nur oberflächlich tadelt, noch viel mehr Macht verschaffen. Er begreift nicht, dass die Freiheit des individuellen Agierens die dringend notwendig Antithese zur immer größeren Allmacht der Politik, also der Parteien ist. Er begreift nicht, dass das Vorbild des Papstes in persönlicher Demut, Bescheidenheit und Nächstenliebe sowie im Mut, Menschen an ihre individuelle Verantwortung zu erinnern, besteht und nicht in irgendwelchen politischen Konstruktionen. Er hat nicht gehört, dass die Worte des Papstes vor allem gegen „eine verweltlichte Kirche“ gerichtet sind. Statt dessen will der Propst von Herzogenburg noch näher an die Welt, also die Politik heranrücken.

Aber jedes Mal, wenn ich solche politisierenden Kirchenmänner gefragt habe, welches konkrete Wirtschafts- und Politikmodell denn ihrer Meinung nach verwirklicht werden soll, kneifen sie und flüchten sich in das Argument: Wir sind ja keine Ökonomen. Eh nicht. Aber sie sollten halt auch nicht so tun, als ob sie es wären. Die Kirche hat ja auch irgendwann einmal eingesehen, dass sie nicht die Hüterin der Astronomie oder der Evolution ist. Also sollte sie es auch bei der Wirtschaft nicht.

Sie hat ja ohnedies von der Nächstenliebe bis zur Transzendenz gewaltige Aufgaben, denen sich viele Männer und Frauen jenseits des Scheinwerferlichts mit neuer Kraft stellen.

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Buchbesprechung: Inside Occupy

18. März 2013 03:39 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Beim Erwerb dieses Buches schloss der Rezensent aus dessen Titel auf eine kritische Auseinandersetzung mit dem besprochenen Thema – etwa in der Art der amüsant zu lesenden Polemik „Unter Linken“, aus der Feder von Jan Fleischhauer. Ein Irrtum. Denn der Autor, der amerikanische Kulturanthropologe David Graeber, ist keineswegs von der zeitgeistigen Religion des Antikapitalismus abgefallen, sondern ein von seiner Sache mehr denn je überzeugter Aktivist der Occupy-Wallstreet-Bewegung.

Nach eigener Einschätzung ist er Anarchist. Wenn das jemand von sich behauptet, dann handelt es sich gewöhnlich um radikale linke Kollektivisten, die privates Eigentum strikt ablehnen, sofern es das Ausmaß von Leibwäsche, Monatsbinden und Rasierzeug übersteigt. Historische Exemplare dieser Gattung waren etwa Pierre-Joseph Proudhon oder Michail Bakunin. „Rechte“ Anarchisten dagegen – die sich auch selbst als solche verstehen, Individualanarchisten oder „Anarchokapitalisten“ – traten, wie Murray Rothbard, wesentlich später, nämlich erst im zwanzigsten Jahrhundert, auf den Plan. Dagegen hätten die Herren Lysander Spooner, Henry Thoreau oder Max Stirner wohl vehement bestritten, Anarchisten zu sein.

Von einem Mann, der seine Hand an der Wiege der Occupy-Bewegung hatte und der von der Verwerflichkeit der Marktwirtschaft einerseits und der Korruption des politischen Systems der USA andererseits tief überzeugt ist, kann keine kritische Auseinadersetzung mit dem Thema „Occupy“ erwartet werden. Dafür liefert er hochinteressante Einblicke in die Welt dieser vermeintlich Unterprivilegierten, die sich zu einem, nach anfänglicher Zurückhaltung von den Hauptstrommedien (besonders in der Alten Welt) sehr wohlwollend kommentierten, kapitalismusfeindlichen Haufen zusammengefunden haben.

Graeber sieht in ihnen eine Mischung aus „klassischen Liberalen“ und ein „bunt zusammengewürfeltes Häufchen von Anarchisten und Marxisten“ versammelt. In der Tat scheint Occupy – im Unterschied zur Tea Party – ein recht heterogenes Gemenge von Frustrierten und Zukurzgekommenen zu vereinen, die sich im Wesentlichen durch zwei Affekte verbunden wissen: Neid und den Hass auf „die da oben“. Die da oben – auch das unterscheidet Occupy von der Tea Party – sind in ihrer Wahrnehmung nicht etwa Politbonzen und beamtete Staatsdiener, sondern das „eine Prozent“, dem angeblich fast der gesamte Reichtum der Nation gehört; Menschen also, die ihren Besitz, wenigstens zum größeren Teil, nicht Nepotismus und politischen Seilschaften, sondern ihrem Fleiß, ihrer Tüchtigkeit und ihrem wirtschaftlichem Geschick zu verdanken haben.

Wenn also die Occupy-Bewegten etwas am Staat stört, dann nur, dass es nicht genug davon gibt – den „Reichen“ also nicht genug von ihrem Wohlstand abgenommen und an sie – die „99 Prozent“ – umverteilt wird. Dem akademischen Lumpenproletariat (der Autor enthält sich der Verwendung dieses von Karl Marx erfundenen Begriffs) kommt bei Occupy eine wesentliche Bedeutung zu. Das ist kaum verwunderlich, da es in den USA „Gratisstudien“ wie in Europa nicht gibt. Folglich haben Studienabsolventen, die sich für Orchideenfächer entschieden haben, nicht über reiche Eltern verfügen und – Überraschung! – keine ihren hochgesteckten Erwartungen entsprechende Anstellung finden, mit der Rückzahlung ihrer Studienkredite naturgemäß große Probleme (dazu wird der Fall einer Literaturwissenschafterin zitiert).

Dass jene Geldhäuser, die Studienkredite vergeben haben und nun rigoros auf Rückzahlungen durch die Jungakademiker dringen, im Zuge von „Bankenrettungsaktionen“ mit Steuermitteln gestützt wurden und werden, befördert den Unmut dieser jungen Leute, was zu verstehen ist. Dass es allerdings die hohe Politik war, die die „Finanzkapitalisten“ erst zu jenen Monstern hochgepäppelt hat, die nun angeblich „too big to fail“ sind und deren Rettung nun die Schulden der Nation in Schwindel erregende Höhen befördert, scheint ihrer und der Aufmerksamkeit des Autors entgangen zu sein.

Im interessantesten Abschnitt des Buches, „Was, zum Teufel, ist Demokratie?“ kommt Graeber zu einigen – für einen Linken – bemerkenswerten Einsichten, was systembedingte Konstruktionsfehler der Demokratie angeht. Eher ermüdend dagegen fällt jener Abschnitt aus, der sich mit prozessoralen Fragen, wie solchen der Organisation und Abwicklung von Zusammenkünften, beschäftigt. Endlose, wohl organisierte, Palaver um des Kaisers Bart scheinen auch heute noch schlechthin das sinnstiftende Merkmal „basisdemokratischer“ Organisationen zu sein – da bildet Occupy Wallstreet keine Ausnahme.

Dass der Autor – wie die meisten selbsternannten Kapitalismuskritiker – keine Ahnung von der Funktionsweise einer arbeitsteiligen Wirtschaft zu haben scheint, bedarf kaum der Erwähnung. Besonders deutlich wird dieses Wissensdefizit, wenn er wohlwollend über einen gewissen Michael Albert schwadroniert, der einen detaillierten Plan ausgearbeitet hat, „wie eine moderne Wirtschaft ohne Geld nach basisdemokratischen Prinzipien funktionieren könnte.“ In Plastikfelle gehüllte Basisdemokraten, die in unbeheizten Höhlen Eier gegen Nägel und Ziegel gegen Semmeln tauschen – das wäre bestimmt spaßig! Die bemerkenswerte Erkenntnis, dass der „…Kommunismus (…) ohnehin Fundament jeder einvernehmlichen sozialen Beziehung ist.“ beseitigt die letzten Zweifel darüber, wes Geistes Kind hier am Werk ist. Sich weiter von der Realität zu entfernen, scheint kaum noch möglich zu sein.

David Graeber nennt sich Anarchist. Entscheidend ist allerdings nicht, wie jemand sich bezeichnet oder was er glaubt zu sein, sondern vielmehr, was er tatsächlich ist. Seine Begeisterung für das „Gemeineigentum“ teilt er mit den utopischen Sozialisten des 18. und 19. Jahrhunderts. Und wenn er – im persönlichen Wunschkatalog am Schluss seines Buches – „die Entfesselung politischen Verlangens“ und „eine Art Garantie für existenzielle Sicherheit“ fordert, dann riecht das schon stark nach Marx´ Credo „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“. Der Autor lebt also mit einem manifesten inneren Widerspruch, der einer Auflösung harrt: Orthodoxe Marxisten nämlich wollten mit (syndikalistischen) Anarchisten nicht nur nie etwas zu tun haben, sondern haben sie sogar – und zwar noch eher als ihren kapitalistischen Klassenfeind – vehement bekämpft. Was also ist er nun tatsächlich – Anarchist oder Kommunist? Fragt sich aus Sicht des Autors, mit den Worten Johann Nestroys: Wer ist stärker – i oder i?

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Inside Occupy
David Graeber
Campus Verlag 2012
200 Seiten, broschiert
ISBN 978-3-593-39719-1
€ 14,99,-

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SN-Kontroverse: Papsttum

15. März 2013 00:13 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten gibt es eine Doppelkolumne mit dem Titel Kontroverse, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Ist das Papsttum noch zeitgemäß?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Menschennähe statt Dogmen

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Katholikinnen und Katholiken weltweit wissen, dass das Papsttum derzeit nicht zeitgemäß ist. Der zurückgetretene Papst Benedikt XVI. hat die Kirche dem neuen Papst aus Argentinien stark reformbedürftig hinterlassen. Der erste lateinamerikanische Papst wird neue Wege beschreiten müssen, nach außen und nach innen. Franziskus I. wird gut daran tun, den Umgang mit Angehörigen andere Religionen zu entkrampfen und das Verhältnis zu den einfachen Mitgliedern der Katholischen Kirche auf Augenhöhe zu gestalten.

Unvernünftig, unverständlich, menschen- und lebensfeindlich ist das Festhalten am Zwangszölibat. Jene, die sich mit sexuellen Missbrauchsfällen im katholischen Umkreis auseinander setzten mussten, weisen deutlich darauf hin, dass das Zölibat eine der Hauptursachen für viele Übergriffe ist. Insgesamt ist die Haltung zur Sexualität verkrampft. Eine Kirchenführung, die ihren Mitgliedern die Verwendung von Empfängnisverhütungsmitteln verbietet, weiß wenig über die wirklichen Probleme der Menschen. Verzopft, veraltet und verkrampft ist das Verhältnis gegenüber Frauen. So als wären sie Menschen zweiter Klasse. Die Pfarrinitiative verlangt mit vielen guten Gründen einen Papst, vor dem alle Menschen, Frauen und Männer, gleich sind an Würde und Rechten - wie vor Gott; einen Papst, der nicht regieren will, sondern die Kirche anleitet und ihr hilft, sich selbst zu regieren; einen Papst, der nicht so sehr Stellvertreter Christi, sondern Stellvertreter der Gläubigen bei Gott sein will; einen Papst, der statt die Einheitlichkeit der Kirche zu fordern, ihre Einheit in der Verschiedenheit fördert; einen Papst, der statt die Unterschiede der Konfessionen und Religionen deren Gemeinsamkeiten betont; einen Papst, der weniger Dogmen, Zucht, Ordnung predigt, sondern Freude, Hoffnung, Zuversicht.

Will Papst Franziskus I. die Kirche zeitgemäß gestalten, hat er viel zu tun.


Die Zeit ist ein ganz schlechter Ratgeber

Andreas Unterberger

Es ist geradezu amüsant, wenn in zahllosen Kommentaren derzeit verlangt wird, das Papsttum, die Kirche, der Katholizismus solle endlich zeitgemäß werden. Die große Mehrzahl der Katholiken – wenn man von ein paar Schüllers absieht – will das nämlich keineswegs. Dazu ist diese "Zeit" auch viel zu wenig attraktiv: mit ihrer Zerstörung der Familie, mit ihren radikalfeministischen Blüten, mit ihrer Konsumorientierung, mit ihrem Verlust von persönlicher Verantwortung in Wirtschaft und Gesellschaft, mit ihren korruptionären Sümpfen, mit ihrer Verstaatlichung – und damit automatisch Destruktion – der individuellen Aufgabe der Nächstenliebe.

In jenen Phasen ihrer Geschichte, wo die Kirche "zeitgemäß" war, ist es ihr besonders schlecht gegangen, etwa als die Renaissancepäpste ein genauso mieses Lotterleben führten wie die anderen Renaissancefürsten ihrer Zeit. Oder als Priester im Zuge der "sexuellen Befreiung" der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts reihenweise des Missbrauchs an Jugendlichen schuldig wurden, so wie die staatlichen Erzieher jener Zeit etwa auch in grünen Vorzeige-Internaten (nur mit weniger schlechtem Gewissen).

Hätte das Christentum in seinen Gründungsjahrhunderten "zeitgemäß" sein wollen, dann hätte es nicht zahllose Gläubige zum Märtyrertod geführt, sondern halt "zeitgemäß" die jeweils regierenden Kaiser als Götter anerkannt und ihnen geopfert. Nach dem zeitgemäßen Wort: Eh wurscht. Aber es war sich damals der Worte seines Gründers voll bewusst: "Mein Reich ist nicht von dieser Welt." Zum Glück für die Kirche deutet alles darauf hin, dass auch der neue Papst mit seiner total unzeitgemäßen Demut und Bescheidenheit mehr auf die dauerhaften Werte seiner Kirche schauen wird. Und nicht auf die oberflächlichen Kommentare vieler Journalisten – von denen noch dazu der Großteil keinerlei inneren Bezug zur Kirche hat.

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Fußnote 418: Linksliberaler Selbstmord

11. März 2013 11:18 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Für viele ist durch den Zusammenschluss von Neos und Liberalem Forum die letzte Hoffnung auf eine wirklich liberale Alternative zu den anderen Parteien gestorben.

Während man eine bloße Listen-Kooperation zwischen den beiden noch als unvermeidliche Wahlstrategie zweier Kleinstgruppen hinnehmen hätte können, so hat Neos-Obmann Matthias Strolz nun selbst die letzten Illusionen zerstört: Die Wahlprogramme von LIF und Neos seien „so gut wie deckungsgleich“, jubelte er. Ein paar Wochen zuvor hatte Strolz auch die Nähe vieler seiner Neos zu den Grünen klargemacht. Na dann, gute Reise. Von links nach links. Was das LIF bedeutet, haben wir ja schon bisher immer wieder sehen können: Desinteresse an wirtschaftlichen Fragen, Genderismus, Political Correctness, Antifa, pro-schwule und anti-christliche Positionen, kurz: linker Sozialdemokratismus ohne Gewerkschaft. Das Ganze wird nun auch noch durch einen fanatischen EU-Europäismus übertroffen. Wirklich Liberales wie das Recht auf Freiheit in allen Bereichen (von der Familie bis zur Meinung), das Recht auf Eigentum, weniger Staat, Deregulierung, Privatisierung und eine Betonung der Rechte kleiner Einheiten hat sich hingegen schon beim LIF nicht einmal in Spurenelementen gefunden.

 

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Die Verlogenheit der Wiener Rathaus-Partie

07. März 2013 02:51 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Sie hetzen unter Verschwendung vieler Steuermillionen gegen die Privatisierung und privatisieren dennoch zugleich selbst wie wild drauf los. Wo es ihnen passt und nützt. Verlogener geht’s nimmer.

Rot und Grün genieren sich nicht einmal, sogar am Höhepunkt der Propaganda gegen Privatisierungen ein Riesenstück der Stadt zu privatisieren. Offenbar können sie sich sicher sein, dass die von ORF, Krone und „Österreich“ verblödeten Menschen dennoch im Sinne von Rotgrün gegen die Privatisierung stimmen werden.

Im jüngsten Beispiel der linken Doppelzüngigkeit geht es um die Donau-Insel. Ein soeben neu gegründeter Verein (natürlich ganz bestimmt lauter ehrenwerte Leute ohne Nähe zur Partei) wird jetzt alle Konzerte auf der „Festwiese“ der Donauinsel exklusiv koordinieren und die „Rahmenbedingungen“ schaffen. Und er wird auch gleich mit 200.000 Euro Steuergeld gesegnet. Wie es in Wien ja zweifellos jeder Verein bekommt.

Diese Rathaus-Logik muss ein normaler Mensch erst lernen: Wenn Linke einen Verein gründen, ist das gut. Und da darf weiter privatisiert werden. So wie die Gemeinde – um nur ein weiteres Beispiel zu nennen – mit den parteieigenen beziehungsweise -nahen Verlagen Echo und Bohmann weiterhin die windigsten Geschäfte machen darf. Wenn es hingegen andere Vereine oder Unternehmen sind, bricht plötzlich die Katastrophe eines ominösen Liberalismus aus.

Unverschämter und verlogener geht’s nimmer. Oder doch?

Es geht sehr wohl. Das Rathaus war sogar imstande, zwischen zwei unmittelbar hintereinander stehenden Sätzen einen absoluten Widerspruch zu formulieren.

Man schaue sich nur die Fragen 3 und 4 der sogenannten Volksbefragung an. In der Frage 3 heißt es: „Die kommunalen Betriebe bieten der Wiener Bevölkerung wichtige Dienstleistungen. Zum Beispiel Wasser, Kanal, Müllabfuhr, Energie, Spitäler, Gemeindewohnbauten und öffentliche Verkehrsmittel. Sind Sie dafür, dass diese Betriebe vor einer Privatisierung geschützt werden?“ In der folgenden Frage 4 heißt es hingegen: „Soll die Stadt nach dem Beispiel der Bürger/innen-Solarkraftwerke weitere erneuerbare Energieprojekte entwickeln, die mit finanzieller Beteiligung der Bürger/innen realisiert werden?“

Alle Juristen und Ökonomen sind sich freilich einig: Wenn sich Bürger an einem Kraftwerk beteiligen, dann ist dieses zur Gänze oder zum Teil privatisiert. Aber genau das (also die Privatisierung) soll laut Frage 3 verboten werden! Dabei will Frage 3 sogar ausdrücklich die Privatisierung eines Energie-Unternehmens verbieten!

Bisher habe ich ja geglaubt, nur der Bürgermeister ist die meiste Zeit berauscht. Aber ganz offensichtlich kennt der rot-grüne Machtrausch in Wien weit über die Person des Herrn Häupl hinaus überhaupt keine Grenzen der Unanständigkeit und Unlogik mehr.

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Weil die Wirtschaft Dienerin ist…

01. März 2013 01:41 | Autor: Gregor Hochreiter
Rubrik: Gastkommentar

Wir leben in einer Zeit ideologischer Engführungen. Insbesondere politische, mittlerweile aber auch wissenschaftliche Diskurse leiden unter der ideologischen Vereinnahmung der Vernunft, die nicht mehr demütig Wahrheit und Wirklichkeit ergründen, sondern diese hervorbringen will. Daher muss den folgenden Ausführungen zum Dienstcharakter der Wirtschaft ein kurzer Exkurs zu den grundlegenden geistigen Verwerfungen der Gegenwart vorangestellt werden. Diese Anmerkungen sollen jedoch mit Blick auf das wesentlich engere Anliegen dieses Kommentars, der eine Entideologisierung der Wirtschaft auf gesellschaftlicher Ebene bzw. der materiellen Güter auf der individuellen Ebene begehrt, gelesen werden. Mit anderen Worten: Es ist höchst an der Zeit, dass das Streben nach materiellen Gütern wieder Maß nehmen lernt.

Ein Kennzeichen des neuzeitlichen Denkens ist seine Zersplitterung, die sich in weiterer Folge in der Ausformulierung von notwendig einseitigen Ideologien manifestiert. Dort, wo die abendländische Ordnungsvorstellung das ergänzende Aufeinanderbezogensein alles Geschaffenen erkennt – das, wie dem Schöpfungsbericht zu entnehmen ist, für sich genommen von Gott als „gut“, in der geordneten Ganzheit sogar als „sehr gut“ bezeichnet wird, weswegen trotz relativer Eigenständigkeit die das jeweilige Begriffspaar konstituierenden Einzelteile Glaube und Vernunft, Mann und Frau, Gerechtigkeit und Liebe nicht voneinander getrennt werden dürfen – sieht die Gegenwart nur mehr ein unüberbrückbares oder – Individuum oder Gesellschaft, Privateigentum oder öffentliches Eigentum, Sinneswahrnehmung oder Verstand, Talent oder Fleiß, Erkenntnis oder Tat.

Charakteristisches Merkmal einer Ideologie ist eben, dass sie einen wesentlichen Aspekt der menschlichen Existenz seinswidrig überhöht, d.h. Bedingtes absolut setzt. Das Problematische z.B. am Liberalismus ist nicht seine Feststellung, dass der Mensch ein freies Wesen ist, sondern die Auffassung, dass es keine verbindliche Wahrheit und damit auch keine Wahrheit vom Menschen, sein Woher und sein Wohin gäbe. Das Problematische am Individualismus ist nicht, dass er die Personenwürde gegen eine unbotmäßige Vereinnahmung der Gesellschaft schützt, sondern die Ansicht, dass der Mensch seinem Wesen nach kein soziales Wesen sei, das erst am Du des Nächsten ganz Mensch wird. (Darunter krankt auch der Feminismus als eine Variante des Individualismus.) Mutatis mutandis gilt für die extremistischen Zerrformen des Sozialismus und des Kollektivismus, dass sie dem Einzelnen nicht den nötigen Freiraum zur eigenständigen und damit eigenverantwortlichen Entfaltung zugestehen.

Es gilt diesen wenig fruchtbaren und die Gesellschaft spaltenden Kampf zwischen den genannten ideologischen Zerrformen zu überwinden. Es ist weder die Freiheit, die uns frei macht, noch ist es die Gesellschaft (oder die Institutionen) sondern, wie gerade auch Papst Benedikt XVI. immer wieder betont hat, die Wahrheit (vgl. Joh 8, 32).

Mit anderen Worten: Ein Freiheitsverständnis, das sich in einem ideologischen Emanzipationsakt von der Wahrheit loslöst und nur mehr in der Kategorie der „Freiheit von“ denkt, übersieht, dass der Mensch geschaffen ist, sich in Freiheit für das höchste Gut schlechthin, d.h. Gott zu entscheiden. Ein ganzheitliches Freiheitsverständnis weiß um die aufeinander bezogenen und einander bedingenden beiden Aspekte der Freiheit. Es verbindet die zu achtende freie, subjektive Entscheidung des Einzelnen – die formale Dimension – mit der dem Menschen vor- und aufgegebenen vollen Erfüllung der Freiheit in der Ausrichtung auf das summum bonum – die materielle Dimension. Ein ganzheitliches Menschenbild anerkennt dementsprechend die Individual- und Sozialnatur des Menschen, sowie die wechselseitige Ergänzungsbedürftigkeit von Mann und Frau.

Wider die Materialisten

Nimmt man sich aus diesen, heutzutage allgegenwärtigen ideologischen Scheindebatten heraus, so ergeben sich bemerkenswerte Gemeinsamkeiten der beispielhaft erwähnten Ideologien. Aus einem nicht-ideologischen Blickwinkel erscheinen sie in den wesentlichen Punkten nicht mehr als Gegner, sondern bloß als Konkurrenten. Woraus setzt sich jenes Substrat zusammen, das den genannten Ideologien gemein ist und deren Überwindung die dringend nötige intellektuelle und gesellschaftliche Großtat darstellt?

Liberale und Sozialisten sind etwa im Regelfall Materialisten. Eines der höchsten gesellschaftlichen Ziele ist für beide Gruppierungen die Maximierung des materiellen Wohlstands, der zum Selbstzweck überhöht wird. Der Streit dieser beiden Fraktionen entzündet sich vornehmlich an der technischen Frage, wie dieses Ziel zu erreichen sei. Von der einen Fraktion, namentlich der liberalen, wird tendenziell auf die weitest mögliche Ausdehnung der auf dem Privateigentum an den Produktionsmitteln basierenden Marktwirtschaft gedrängt, während die Sozialisten das Gesellschaftseigentum an den Produktionsmitteln, neuerdings die weitest mögliche Politisierung des Einkommens anstreben.

Daher ist es wenig überraschend, dass Liberale und Sozialisten in der Geschichte gleichermaßen die überlieferten Tugendvorstellungen instrumentalisiert bzw. bekämpft haben und die sie stützenden Institutionen, darunter insbesondere die Katholische Kirche, das Naturrecht, die monogame, auf die Weitergabe des Lebens offene Ehe und die subsidiäre Gesellschaftsordnung attackierten. Wirtschaftspolitisch unterstützten beide Strömungen die Großindustrie und das auf exzessiver Kreditproduktion beruhende, die wirtschaftliche Zentralisierung fördernde moderne Bankensystem. Liberalen wie Sozialisten galt die Großindustrie als wesentlich effizienter als das Handwerk und das Kleingewerbe und beide Gruppierungen waren und sind entschiedene Gegner der Landwirtschaft. Aufgrund des von beiden Ideologien geteilten Materialismus ist es nur nahe liegend, dass seit jeher die Großindustrie und ihre Interessensvertreter eine unheilsvolle Allianz mit den familienfeindlichen, marxistischen Ideologen bildet. Die zum Produktionsmittel entwürdigte menschliche Arbeitskraft ist auf das Ziel der Gewinn- und BIP-Maximierung auszurichten und jegliche Bindung, wie die Bindung der Mütter an ihre Babys, steht diesem Unterfangen im Weg.

Das ob seiner eklatanten methodischen Schwächen unhaltbare Konzept des Brutto-Inlandsprodukts spiegelt diese einseitige Auffassung von materiellem Wohlstand wider, denn das BIP bildet lediglich die monetären Markttransaktionen ab. Eine sich mit allen wirtschaftlichen Gütern selbst versorgende Familie, um ein Extrembeispiel zur Verdeutlichung heranzuziehen, würde ein BIP von Null Euro ausweisen. Ob diese Familie auch materiell arm ist, steht auf einem anderen Blatt.

Die entgeltliche, steuerfinanzierte Fremdbetreuung von Kindern erhöht wiederum das BIP und ist einer der Motoren des „Wirtschaftswachstums“ in den als fortschrittlich geltenden skandinavischen Ländern. Die entscheidenden vor- und außerökonomischen Fragen, welche Form der Kinderbetreuung denn dem Kindeswohl am besten entspricht oder welche Form der Güterproduktion den Bedürfnissen von Familie und Gemeinwesen die seinsgemäße Entfaltung sichert, dürfen in Zeiten des Wachstumsfetischs nicht mehr gestellt werden.

Gerade die so genannten konservativen Parteien sind gegenwärtig dem Götzen Wirtschaftswachstum hoffnungslos verfallen, mehr noch als viele linke Parteien, die tendenziell die Verteilungsproblematik (über-)strapazieren. Diese Haltung ist jedoch alles andere als im eigentlichen und besten Sinne konservativ, sondern im Kern ein plumper Materialismus, der ideengeschichtlich immer links verortet war.

Wozu statt Wie

Und wie jedes Idol, so fordert auch die ideologische Überhöhung der Wirtschaft zum Selbstzweck – die das letzte einigende Band einer zunehmend geistlosen Gesellschaft zu sein scheint – ihre Opfer. Der Mensch, der ein Leib-Seele-Wesen ist, verkommt zu einer materialistischen Kümmerexistenz als bloßer Produzent und Konsument. Die Familie wird zu einer Zuchtanstalt für Humankapital degradiert, die sich an die Bedürfnisse der Wirtschaft ebenso widerstandslos anzupassen hat wie die Heimat, die in ihrer Entwertung zum Wirtschaftsstandort all ihre gesellschaftlichen, kulturellen und sozialen Eigenheiten im Wettbewerb um Investitionen und Arbeitskräfte aufzugeben hat und deren Naturschönheiten vor der Zerstörung nur gerettet werden, sofern sie touristisch ausgeschlachtet werden können. In einer Gesellschaft, die nur mehr (subjektive) Tauschwerte anerkennt, haben die Eigenwerte des Schönen, Guten und Wahren keinen Platz mehr.

Die Antwort auf diese fundamentale Gesellschaftskrise der Gegenwart – die Wirtschaftskrise ist nur Ausdruck dieser Krise, deren Wurzeln viel tiefer liegen – ist die Abwertung der technizistischen Frage „Wie?“ und die Aufwertung der Frage: „Wozu? Wozu leben wir? Wozu benötigen wir die wirtschaftlichen Güter?“

Mit diesen Fragestellungen werden jene Themenfelder geöffnet, die durch Individualismus, Subjektivismus und Relativismus für Jahrzehnte der öffentlichen Erörterung entzogen worden waren. Um zu erkennen, worin das Maß des Wirtschaftens liegt, muss zunächst die Frage nach dem Sinn des Lebens und der Bestimmung des Menschen gestellt werden.

Das abendländische Menschenbild hat in der Erlangung der Tugendhaftigkeit das Äußerste dessen erkannt, was der Mensch seiner Natur nach erreichen kann. Der kluge, gerechte, tapfere und Maß haltende Mensch agiert wahrhaft frei, da er durch die Anerkenntnis seiner Natur die Ursache seiner eigenen Handlungen ist, während das Laster und die Sünde den Menschen fremd bestimmen und damit verknechten (vgl. Joh 8, 34). Deswegen ist es auch nur die Wahrheit, und insbesondere die Wahrheit über den Menschen, die den Menschen frei macht.

Das Streben nach materiellen Gütern erhält somit sein Maß aus den übergeordneten Gütern der menschlichen Existenz. Dies ist keine Sozialromantik, sondern schlichtweg eine Schlussfolgerung aus der Tatsache, dass der Mensch ein Leib-Seele-Wesen ist, das zur Erlangung der ewigen Glückseligkeit bestimmt ist. Dass vergängliche, materielle Güter niemals ewiges Glück bewirken können, sollte unmittelbar einsichtig sein. Das bedeutet aber eben auch nicht, dass das Streben nach materiellen Gütern an sich unmoralisch ist, sondern nur insofern, als sie uns von diesem natürlichen Ziel abringen. Das Zuviel ist ebenso zu meiden wie das Zuwenig. Christlich gewendet darf das Streben nach den vergänglichen Gütern nicht dazu führen, dass der Mensch das ewige Gut – die glückseligende Schau Gottes – verliert.

Streben nach Tugendhaftigkeit und Heiligkeit

Die Öffnung des Menschen hin auf die Transzendenz führt geradewegs dazu, dass auch die Wirtschaft wieder in den Dienst des Wahren, Schönen und Guten gestellt wird und dadurch zur geistig-sittlichen Hebung des Menschen, gerade auch im Arbeitsalltag beiträgt.

In praktischer Hinsicht würde sich die Hinordnung der Wirtschaft auf die Bedürfnisse der Familie, die als Keimzelle der Gesellschaft für deren Fortbestand unaufgebbar ist, u.a. in die Förderung einer kleinräumigen Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur übersetzen, was der in seiner Heimat viel zu wenig beachtete Leopold Kohr in das schöne Bild der „Fußgängerstadt“ verarbeitet hat. Wie viel gemeinsame Zeit verlieren heutzutage die Familien, ja überhaupt die sozialen Kontakte durch das Pendeln?

Der Irrwitz der „Wirtschaftsförderungsmaßnahme Fremdbetreuung“ käme klar zum Vorschein, weil eine ihren Dienstcharakter annehmende Wirtschaft nicht mehr die Ergebnisse der Bindungsforschung ignorieren würde, wonach insbesondere Unter-Dreijährige unter der Fremdbetreuung leiden. In einem anderen wirtschaftspolitischen Kontext würde die Rückbesinnung auf den Dienstcharakter der Wirtschaft die Frage stellen, ob etwa die von einer ideologischen Überhöhung des Handels bewirkte Auslagerung von Schlüsselindustrien und der Lebensmittelversorgung tatsächlich im Interesse des Gemeinwesens wäre, selbst wenn die Ausweitung des internationalen Handels kurzfristige Effizienzgewinne verspräche.

Sämtliche menschliche Institutionen sind dazu da, dem Menschen in seinem Streben nach Tugendhaftigkeit und Heiligkeit zu unterstützen. Überall dort, wo Institutionen beginnen, den Menschen zu verzwecken, sei es das Postulat der Gewinnmaximierung, sei es die Politisierung aller Lebensbereiche, verletzen sie die dem Menschen unabsprechbare Personenwürde.

Noch jede Ideologie hat Freiheit und Glück versprochen und Dritte für die Nichtverwirklichung des Paradieses auf Erden verantwortlich gemacht. Noch jede Ideologie brachte aber stattdessen Knechtschaft und existentielle Leere, weil der jeder Ideologie innewohnende Reduktionismus die ganzheitliche und auf Selbstüberschreitung angelegte Natur des Menschen verkennt.

Weil die Wirtschaft Dienerin ist, muss sie von Aufgaben befreit werden, die sie ihrem Wesen nach nicht erfüllen kann. Die Überhöhung der Wirtschaft zum Selbstzweck wird allerdings erst enden, wenn die gesellschaftliche Debatte auf allen Ebenen erneut die grundlegenden existentiellen Fragen zu debattieren beginnt und erkennt, dass der Mensch nicht von Brot allein lebt.

Mag. Gregor Hochreiter, Ökonom
Vorstand „Oekonomika – Institut für angewandte Ökonomie und christlich-abendländische Philosophie“
http://www.oekonomika.org

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Der letzte Tag eines Papstes

28. Februar 2013 00:56 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jetzt ist auch noch das Gasthaus in Rom, wo Joseph Ratzinger einst gelegentlich gegessen hat, medial vielerorts porträtiert worden. Nichts symbolisiert deutlicher die krampfhafte Hilflosigkeit der Öffentlichkeit, mit einer Institution zurecht zu kommen, die nicht von dieser Welt ist. Noch weniger sind die meisten Medien mit dem Phänomen eines aus Bescheidenheit zurücktretenden Papstes fertig geworden, von dem wir vermutlich nach dem großen und bewegenden Abschied nicht mehr viel zu sehen bekommen werden.

Die Medien haben die Kirche nie begriffen. Sie waren aber zugleich immer absolut fasziniert von einer geheimnisvollen Institution mit großem historischen Atem, bei der man nicht ständig durch Pressekonferenzen eines Parteiobmannes oder Ministers informiert – beziehungsweise meist desinformiert wird. Daher haben sie, insbesondere die italienischen Zeitungen, mit großer Gier jedes Gerücht und selbst die wildesten Spekulationen veröffentlicht.

Umgekehrt begreift aber auch die Kirche nicht die Rolle der Medien. Wie mit ihnen umgehen? Es ist ja auch kein Zufall, dass beim Nachlesen der Konzilsdokumente jenes über die Medien das weitaus schwächste und platteste ist. Den Umgang mit dieser Medienwelt hat der einstige Konzilstheologe Ratzinger viel weniger verstanden als etwa der polnische Papst, der sein Pontifikat weniger mit Theologie als mit Charisma geprägt hat.

Gibt es aber überhaupt eine richtige Umgangsform zwischen den Medien, die auf Inszenierung, auf Schlagzeilen, auf Gschichteln aus sind, und einer Institution, die zumindest im Prinzip für Wahrheit, Freiheit und Transzendenz steht? Man darf zweifeln.

Der Umgang wird umso schwieriger, als auch die Kirche selbst meist nicht die Spannung zwischen ihrem hehren prinzipiellen Ziel und Anspruch auf der einen Seite und ihren oft sehr diesseitigen Akteuren auf der anderen Seite zu überbrücken versteht. Daher stehen dann stehlende Kammerdiener, sich in schwulen Zirkeln treffende Vatikan-Prälaten und kindesmissbrauchende Mönche alleine im Scheinwerferlicht. Hat doch die Kirche sehr oft und sehr lange den Eindruck zu erwecken versucht, als ob das Hehre ihres Anspruchs auch automatisch ihre Akteure zu besseren Menschen machen würde.

Dieser Eindruck ist auch theologisch in keiner Weise gerechtfertigt. Selbst manche Päpste der langen Kirchengeschichte waren böse, katastrophale Persönlichkeiten. Daher ist es auch nicht sehr weise, wenn der Wiener Kardinal in fast jeder Wortmeldung der letzten Tage dem Heiligen Geist die Verantwortung für durchaus menschliche Personalentscheidungen zuschiebt.

Es würde der Kirche am besten tun, wenn sie wieder viel stärker die logische und oft gewaltige Diskrepanz zwischen ihrer geistigen Dimension und dem durchaus irdischen Personal zu akzeptieren und klarzulegen bereit ist. Sie verkörpert ja den Glauben an Gott und nicht jenen an irgendeinen Kaplan oder Kardinal oder Papst.

Daher sollte die Kirche nicht ständig den lieben Gott für alles Mögliche bemühen. Von den Schulnoten bis zum Wetter. Denn sonst wird sie von der unbeantwortbaren Frage überrollt, wie Gott die vielen Katastrophen zulassen kann, die auch zahllosen Guten und Unschuldigen Leid und Tod bereiten. Ob das nun große Naturkatastrophen sind oder Massenmorde wie jene in Auschwitz oder im Gulag.

Die Kirche darf aber natürlich dennoch auch die Mittel der diesseitigen Welt für ihren Auftrag einsetzen. Das mag das Theater sein, das etwa die barocken Jesuiten für kirchliche Zwecke entdeckt hatten; das mag die Liturgie sein, die sie seit Jahrtausenden als Mittel der Inszenierung ihres transzendenten Kerns verwendet; das mag die kulturelle Vielfalt zwischen Afrika, Asien oder Europa sein; das mag die seit dem Mittelalter verwendete Kirchenmusik sein; das mag die Kraft der Mystik sein.

Aber trotz all dem wird sie nur dann auch von Nichtgläubigen respektiert werden, wenn sie sich auch selbst vor allem anderen und immer als etwas im Kern über diese Welt Hinausweisendes begreift. Solange sie das tut, bleibt sie die wichtigste Institution der Weltgeschichte. Und sich selbst treu. Freilich wird sie dann aber auch automatisch immer Hassobjekt sein. Für Kommunisten, für Nationalsozialisten, für militante Atheisten, für geifernde Boulevard-Journalisten.  Mit anderen Worten gilt aber auch: Nur solange die Kirche Hassobjekt ist, wird sie kein beliebiges Etwas sein. Nur dann kann sie auch geliebt werden.

Hinter dieser Herausforderung verschwimmen viele heute so laut diskutierte Fragen zu Details. Wie es etwa das Thema verheiratete Priester ist, um nur eine einzige zu nennen. Solche hat es ja in Wahrheit in der römischen Kirche immer gegeben, von den unierten, also papsttreuen Ostkirchen bis zu den neuerdings zum Katholizismus übergetretenen anglikanischen Geistlichen.

Benedikt XVI., der intellektuelle Papst und große Theologe, hat all diese Zusammenhänge gespürt und kommuniziert. Als Person hat er aber erst durch seinen Rücktritt wirklich Emotionen ausgelöst. Solche waren ihm eigentlich Zeit seines Lebens unangenehm. Er sah – und sieht – Emotionen nur gegenüber Gott, Kirche und Religion als gerechtfertigt an. Eben weil er die Kirche immer als etwas ganz Anderes begriffen hat.

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Ideengeschichte Europas im 20. Jahrhundert

25. Februar 2013 01:21 | Autor: Rudolf Bretschneider
Rubrik: Gastkommentar

„Demokratie … ist institutionalisierte Ungewissheit“: Mit diesen Worten endet Jan-Werner Müllers Buch „Das demokratische Zeitalter. Eine politische Ideengeschichte Europas im 20. Jahrhundert“ (Suhrkamp 2013). Es ist ein Streifzug durch das an politischen Extremen reiche vergangene Jahrhundert. Seine Protagonisten sind Wissenschaftler, Agitatoren, Revolutionäre, Politiker, Philosophen, Schriftsteller – und ihre Ideen. Viele Gedanken sind „schlagend geworden“, manche dann sogar tödlich.

Es wurde für viele Bewohner Europas eine „bittere Erfahrung, dass die gelehrten Worte der Philosophen, so unverständlich und absurd sie dem Durchschnittsmenschen auch erscheinen mochten, auf ganz unmittelbare Weise ihr Schicksal bestimmen konnten“ (Czes?aw Mi?osz). Politische Glaubenslehren aller Art wurden produziert; nachgerade zwanghaft. Sie sollten die jeweilige politische Herrschaft – die existierende oder angestrebte – legitimieren und ihre Taten oder Untaten rechtfertigen. Dabei wurde oft auf der Klaviatur „demokratischer“ Werte gespielt; auch von jenen, die eine liberale parlamentarische Demokratie verachteten: Von den Ideologen der „Volksdemokratien“, die eine kommunistische klassenlose Gesellschaft versprachen ebenso wie von den Faschisten, die einen „Volksstaat“ theoretisierten.

Ursprünge der radikalen „politischen Religionen“

Im ersten Teil seines Buches beschäftigt sich Jan-Werner Müller vornehmlich mit den marxistischen, faschistischen und nationalsozialistischen Ideen (und ihren Trägern), die allesamt – aus unterschiedlichen Gründen – durch eine Abwendung von der „liberalen Demokratie“ gekennzeichnet waren. Sie betonten ursprünglich, manche stärker, andere weniger stark – Gleichheit (nicht nur vor dem Gesetz), eine echte Einbeziehung in die politische Gemeinschaft, eine auf Dauer gestellte Teilhabe an der Politik, einen Kollektivkörper (eine „gesäuberte“ Nation oder ein sozialistisches Volk). Manche glaubten dafür einen „neuen Menschen“ erfinden/schaffen zu müssen – und wenn es denn sein musste, mit Gewalt.

„Alles Radikale, alles Gewaltsame schien bereits unmöglich in einem Zeitalter der Vernunft“. Mit diesem Satz bezog sich Stefan Zweig 1942 auf die Vorkriegsjahre bis 1914. Die Kriegsjahre zeigten die Wirklichkeit des gedanklich „Unmöglichen“; und sie begünstigten die Entwicklung von Ideen, die schon vor dem Großen Krieg existiert hatten: Des Marxismus, der nun neue, höchst verschiedenartige Blüten trieb; die Absage an die Ideen der Aufklärung, die ideologische Verherrlichung der Gewalt (z.B. bei George Sorel. Er wurde von Rechten und Linken gepriesen und „genutzt“; sein Beispiel zeigt, dass man auch als kleiner Provinzbeamter durch Schriften Revolutionäre inspirieren kann).

Auch der Rassismus wurde gedanklich lang vor dem Weltkrieg grundgelegt. Es ist nicht das geringste Verdienst dieses Buches, auf die Möglichkeiten solcher „Spätzündungen“ aufmerksam zu machen, auf die Quellen, die im günstigen Augenblick auszubrechen beginnen.

Vielfach illustriert ist die Rolle der Intellektuellen bei diesen Ideen- und Produktionsprozessen: Oft als notwendige und zu gewinnende „Second-hand-dealer“ (A. v. Hayek), manchmal als „Ingenieure der menschlichen Seele“ (J. Stalin), oft als akademische Schüler, die ihren Lehrer (M. Weber) entsetzten (G. Lukacs und E. Bloch), andere als ambitionierte oder tatsächliche Chefideologen (G. Gentile), wieder andere als Dissidenten, die nicht mit der Macht schwammen, sondern – höchst risikoreich – gegen sie ankämpften (J. Pato?ka, V. Havel, A. Michnik).

Das Zeitalter der „politischen Religionen“ (E. Voegelin) war auch nach dem 2. Weltkrieg nicht vorbei. Die Faszination, die der Kommunismus für viele Eurokommunisten (Italien, Frankreich) hatte, bestand auch dann noch fort, als im östlichen Teil Europas der Glaube an ihn im Verschwinden begriffen war.

Die praktische „Europäische Ideologie“

Aber die praktische Politik war vielerorts mit anderen Fragen beschäftigt. Mit Fragen des Wiederaufbaus, der Sicherheit, der Vermeidung eines Rückfalls in totalitäre Strategien. Verfassungsgerichte sollten die neue Ordnung als ganze schützen und individuelle Rechte gewährleisten (Österreich war das dritte Land – nach den USA und Kanada – das einen eigenen Gerichtshof damit beauftragte). Für „undemokratisch“ hielt dies Hans Kelsen, anders als viele Gegner, nicht.

Eine „neue Ideologie“ müsse eine europäische sein, verkündete K. Adenauer 1952 und De Gasperi bezeichnete die europäische Föderation „als einen Mythos … im Sinne Sorels … dieser Mythos ist ein Mythos des Friedens“. Also wieder einmal Sorel…

Es entwickelte sich zunehmend und lagerübergreifend ein Glaube an „technokratische“ Lösungen für soziale und ökonomische Probleme. Die Ideale der Arbeiterselbstverwaltung blieben in den meisten Ländern auf der Strecke.

Bemerkenswert ist die Einschätzung des Autors bezüglich der Christdemokratie. Er nennt sie „die wichtigste ideologische Innovation der Nachkriegszeit und eine der bedeutendsten des 20. Jahrhunderts überhaupt“. Sie trat für Subsidiarität und ein Europa ein, das „in seinem christlich-humanistischen Erbe vereint wäre, wobei über Details nicht allzu viel diskutiert wurde, solange sie unterm Strich auf Antikommunismus hinausliefen“.

Sie erklärte die Menschenrechte für unverzichtbar für eine wirklich katholische Weltanschauung; man scheute sich nicht „in der Mitte zu regieren und mit den Methoden der Rechten die Politik der Linken zu betreiben“ (G. Bidault).

Wirtschaftsliberale und sozialkonservative Katholiken fanden einen Kompromiss: „Wenn erstere die traditionelle Moral akzeptieren, fänden sich letztere mit dem Markt ab – so lautete der Deal“.

1968: Ursachen und Folgen

Die „Allerweltsparteien“ entstanden; langweilig, aber auch weniger gefährlich. Auch den Ideen der 68-er Bewegung(en) widmet der Autor einige Seiten. Er hat diese Zeit – so wie die davor – nicht erlebt, sondern erlesen. Sanfter Spott ist unverkennbar.

Für konservative und liberale Antitotalitäre hatten damals allerdings die Alarmglocken geschrillt, schließlich schienen „die Studenten das Parlament so sehr zu verachten, wie es die Links- und Rechtsextremen in den 1920er Jahren getan hatten." 68 schien die Webersche These zu bestätigen, dass die Herrschaft unpersönlicher Mächte wie der Technik, stets eine hocherregbare subjektivistische Kultur als vermeintliches Gegengewicht auf den Plan ruft. Er verweist aber auch auf die Verachtung, ja Wut, die die 68er mitunter von kommunistischen Intellektuellen erfuhren (P.P. Pasolini 1968: „Die Journalisten aus aller Welt (mitsamt/denen vom Fernsehen) / lecken euch (wie man glaube ich immer noch sagt in der Sprache der Uni), den Arsch. Ich nicht, Freunde / Ihr habt Gesichter von Vatersöhnchen“).

Auf die existierenden Verfassungen hatte 68 ff keine Auswirkungen. Auf die Sitten, so meint der Autor, schon. Manche diagnostizieren, dass die sozialen Beziehungen von Kindern und Eltern, Lehrern und Schülern, Vorgesetzten und Arbeitern aufgeschlossener geworden sind (U. Eco). Man kann sich auch fragen (J.W. Müller), ob es nicht auch ohne 68 zu einer Liberalisierung gekommen wäre. N. Luhmann formulierte als trockenes Resumeé: „Nach 68 konnte man über den Rasen laufen“.

Dissidenten im Kommunismus

Man mag über die gelegentlich geäußerte These streiten, dass es in Westeuropa auf die Intellektuellen immer weniger ankam. Für Mittel- und Osteuropa gilt sie mit Sicherheit nicht. Die Strategien der Dissidenz in den „Volksdemokratien“ waren relativ neu. Sie bestanden nicht in neuen Ideologien oder Kampfschriften, sondern u.a. in einer Art Rechtspositivismus mit unausgesprochenen politischen Absichten. Die „sozialistischen“ Regierungen (nicht alle) hatten die Helsinki-Schlussakte von 1975 unterzeichnet und damit auch den „Menschenrechtskorb“ (missachteten oder verhöhnten sie ihn gar im Stillen? Henry Kissinger tat es immerhin öffentlich).

Schon in den 60er Jahren hatte es in der Sowjetunion Versuche gegeben, mit radikalem „zivilen Gehorsam“ zu operieren. Jessenin-Wolpin versuchte eine „Revolutionierung der Art und Weise, wie Revolutionen gemacht werden“. Nach der Festnahme der Schriftsteller A. Sinjawski und J. Daniel organisierte er am „Tag der sowjetischen Verfassung“ eine Demonstration. Auf Flugblättern wurde „zur strikten Einhaltung der Gesetze“ aufgerufen, auf Spruchbändern zu: „Respektiert die sowjetische Verfassung!“ – Nach herrschender Sitte wurde er verhaftet und in die Psychiatrie eingewiesen.

Ein Jahrzehnt später trat die Charta 77 mit dem Anspruch auf, dem tschechoslowakischen Staat dabei zu „helfen“, die Helsinki-Schlussakte umzusetzen. Es war eine Konzentration auf Rechte, die der Strategie zugrunde lag. Man nahm die Regierung beim Wort. Den traditionellen politischen Kampf hielt man für aussichtslos; den Aufbau einer „Parallelgesellschaft“ nicht; nach 1989 übernahmen viele Länder, sehr zur Enttäuschung westlicher Linker, das Modell westlicher Demokratien und – oft in stärkerer Ausprägung als in Westeuropa – marktliberale Methoden.

Conclusio

Ein Buch wie dieses zeigt in der möglichen Kürze (ohne Anhang ca. 400 Seiten) das Aufkommen und Erodieren politischer Ideen (ihre Träger und ihre Opfer). Es vermittelt – ähnlich wie Tony Judt’s „Postwar“ – den Glauben (nein, nicht die Gewissheit!), dass wir in diesem Europa in einer besseren Zeit leben (das glaubten, siehe Stefan Zweig, auch viele Menschen vor 1914). Der Autor bemerkt nach diesem Streifzug, dass „wir mehr als einmal sahen, wie die Europäer das Vertrauen in liberaldemokratische Politik verloren haben … Es könnte sie die Dauerhaftigkeit und Flexibilität ihrer Art und Weise, seit 1945 Politik zu machen, mit einem gewissen (zweifellos gedämpftem) Gefühl des Vertrauens in vergangene Errungenschaften und zukünftige Möglichkeiten erfüllen“.

In der Nachbetrachtung ist es eine faszinierende Geschichte, voll von Aufbruchsstimmung und Scheitern, von wahnsinnigen Konstrukten und bemühten Visionen, von Visionären und Schurken.

Der Autor ist Professor für politische Theorie und Ideengeschichte in Princeton. Der professorale Ton fehlt ihm – und das macht das Buch so gut lesbar, ja geradezu spannend; aus seiner Abneigung gegenüber manchen Ideenproduzenten macht er kein Hehl, viele behandelt er mit Ironie, aber stets versucht er ihre Botschaft und deren Motivation klar zu beschreiben. Es ist ein Buch, das politisch interessierte Menschen lesen sollten. Es hält einige Überraschungen und Erinnerungen für sie bereit.

Rudold Bretschneider ist seit Jahrzehnten in diversen Cheffunktionen bei GfK (früher Fessel-GfK) tätig und einer der prominentesten Marktforscher und politischen Analysten des Landes.

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Noch einmal Votivkirche – Beobachtungen und Fragen zu einem Fanal unserer Zeit

24. Februar 2013 06:36 | Autor: Wolfram Schrems
Rubrik: Gastkommentar

Die „Flüchtlinge“ in der Votivkirche kündigten letztens zum wiederholten Male an, sie würden ihren „Hungerstreik“ unterbrechen. Sehr interessant. Wir haben ohnehin schon ein wenig den Überblick verloren. Die Aufmerksamkeit an der Erpressungsaktion hatte aber offensichtlich nachgelassen, darum musste es mittels Pressekonferenzen, Aussendungen und Demonstrationen immer wieder hochgeköchelt werden.

Die Demonstration am Samstag, 16. Februar, vor dem Parlament, erbrachte das übliche Bild: Rote Fahnen, kommunistische Symbole und Sprüche, gesprayte Transparente, utopische Forderungen, schwarzgekleidete Demonstranten und viel Polizei, deren Kräfte wieder einmal von einer friedlichen Demonstration gebunden wurden. Also wie immer. Wir nehmen auch an, dass die Demonstranten und die Polizisten im Großen und Ganzen alte Bekannte sind.

Wie kann es sein, dass der österreichischen Gesellschaft, dem Staat und vor allem der Kirche eine schändliche Kirchenbesetzung – ein Novum in der österreichischen Demonstrationsunkultur, eine bislang für unmöglich gehaltene Grenzüberschreitung – einschließlich einer bestens koordinierten und inhaltlich gleichgeschalteten Medienkampagne aufgezwungen wird?

Wenn man das Gesamtphänomen Kirchenbesetzung und Medienkampagne aufmerksam betrachtet, ergeben sich einige Fragen:

Wer sind die „Flüchtlinge“?

Sind die „Flüchtlinge“ in der Votivkirche, bzw. wenn sie sich gerade dort aufhalten und nicht gerade auf Tournee sind, wirklich Flüchtlinge in einem relevanten Sinn? Wir wissen es nicht. Wir kennen auch keine konkreten Fluchtgründe. Ein solcher wäre im Falle eines Pakistani zum Beispiel, dass er den Islam verläßt und sich taufen lässt. Im gegenständlichen Fall handelt es sich aber um Moslems. Es würde daher naheliegen, dass sie in einem islamischen Land um Asyl ansuchen. Wir wissen auch nicht, über wie viele sichere Drittstaaten sie gekommen sind.

Die genauen Umstände der „Flüchtlinge“ sind also sehr unklar, wenigstens für die Öffentlichkeit. Was jedoch klar ist, ist, dass diese „Flüchtlinge“ von einem Netzwerk unterstützt werden. Manche sagen offen, dass sie instrumentalisiert werden. Dem kritischen Beobachter scheint es nämlich völlig ausgeschlossen, dass einige Flüchtlinge, noch dazu aus verschiedenen Ländern, erstens einig auftreten und zweitens über solch eine beeindruckende Logistik verfügen.

Es wird immer wieder der „bayrische Anarchist“ Hans Georg Eberl als Drahtzieher genannt, der die Kirchenbesetzung angeleitet haben soll. Grüne Bezirksräte und einschlägige Rechtsanwälte gerieren sich bei den Pressekonferenzen als Wortführer. Unterstützer finden sich, wenn auch meist anonym, auf einschlägigen Webseiten wie www.no-racism.net, www.slp.at und http://refugeecampvienna.noblogs.org/ und natürlich im notorischen „Ernst Kirchweger-Haus (EKH)“ (http://www.med-user.net/~ekh/). Wenn man sich durch deren wirre Gedankenwelten durchgearbeitet hat, stellt sich die nächste Frage: Bezahlen diese Leute Internetauftritte, Telephonkosten und die anderen Spesen, einschließlich der Unterstützung der „Flüchtlinge“, aus eigener Tasche, also aus rein „idealistischen“ Gründen?

Das scheint angesichts der Szene und ihrer Usancen eher unrealistisch.

Wer steckt also hinter den Unterstützern?

Die Leitfrage, die zur Identität der Unterstützer führen soll, ist: Cui bono? Welche Interessen bedient die Kirchenbesetzung mit ihren Begleitaktionen? Das Motto der inflationären Demonstrationen ist laut Sprechchören, Transparenten und Interneteinträgen: „No border – no nation – stop deportation!“ Dem kann man entnehmen, dass es den Hintermännern also ganz offensichtlich nicht um „Asyl“ geht.

Denn Asyl setzt von der Sache her einen starken Staat voraus, der in der Lage ist, Flüchtlinge vor dem Zugriff seitens derjenigen zu schützen, vor denen die Asylanten geflohen sind. Dazu benötigt es verlässliche Grenzen. Die Forderung „no border“ widerspricht dem evidenterweise. „No nation“ ist ein Affront gegen das Gastland. Irgendwo einzumarschieren, ein Gotteshaus zu besetzen und der ansässigen Bevölkerung zu sagen, sie mögen sich doch bitte als Nation auflösen, ist gelinde gesagt ziemlich dreist.

Ist diese Aktion von höherer Stelle koordiniert?

Was den Beobachter stutzig macht, ist, dass die Drahtzieher der Aktion offensichtlich bekannt sind, es aber kein konsequentes Durchgreifen der Polizei trotz vieler Anzeigen gibt. Es wurde zwar von einigen Festnahmen berichtet, die Polizei darf sich jedoch im Wesentlichen als Putztruppe betätigen, wie bei der Räumung des Saustalls im Votivpark ersichtlich.

Es stellt sich daher die Frage: Stehen die „Flüchtlinge“ und ihre „Helfer“ also unter einem höheren Schutz? Dafür gäbe es Erfahrungswerte: Angesichts des Verhaltens der Polizei beim diesjährigen freiheitlichen „Akademikerball“ z.B. (und bei vielen anderen Gelegenheiten, bei denen gegen nicht-linke Personen und Gruppen demonstriert wird) muss man den Eindruck bekommen, dass auf politische Weisung hin linke Aktivisten, auch gewaltsame, eine gewisse Protektion genießen.

Wem ist „No border – no nation“ noch ein Anliegen?

Hat sich das glorreiche „Friedensprojekt“ namens „Europäische Union“ nicht die Aufhebung von Grenzen und Abschaffung von Nationen zu seinem Anliegen gemacht? Kann man also sagen, dass die No border-Aktivisten nicht nur im Ernst-Kirchweger-Haus, sondern auch in der EU-Kommission sitzen? Die EU hat eine personalstarke, aber in der Öffentlichkeit praktisch unbekannte „Grundrechteagentur“ in Wien plaziert (vormals „Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“). Was man dort den ganzen lieben langen Tag macht, weiß die Öffentlichkeit nicht. Lediglich einige Broschüren und Schülerkalender sind bekannt geworden, die unverhohlen Werbung für ein nicht- bzw. antichristliches und nationenloses Europa machen. Auch der Islam hat dort gemäß den genannten Druckwerken einen mächtigen Protektor.

Anzunehmen, dass diese oder eine andere Einrichtung der EU (es gibt ja nicht zu wenig davon) ihre schützende Hand über die „Anarchisten“ hält, die mithilfe islamischer „Flüchtlinge“ eine katholische Kirche schänden, würde Sinn machen. Alle drei Personengruppen stehen in radikaler Opposition zum Christentum. Die „Anarchos“ als – wissentliche oder unwissentliche – Helferlein der Mächtigen? Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Jedenfalls wäre das bonum aus Cui bono? auf alle drei anwendbar. Das wäre jedenfalls eine realistische Hypothese.

Eine mächtigere Protektion der „Aktionisten“ würde auch die Einhelligkeit der veröffentlichten Meinung zugunsten der Kirchenbesetzer erklären. Dass eine Frau Brickner im „Standard“ ihre eigenen Ergüsse wirklich glaubt, kann man sich beim besten Willen nicht vorstellen. Sogar im dortigen Online-Forum, das nicht gerade ein „rechtes“ Milieu abbildet, wird sie massiv kritisiert. Aber das System hat genug Mittel, seine Propagandisten zu bezahlen. Es muss jedenfalls nicht auf die Meinung des Volkes hören.

Das weitreichende Versagen der katholischen Amtsträger

Schließlich würde eine Einflussnahme von mächtigerer Seite auch das beschämende Verhalten der Kirchenleitung und ihre bereitwillige Kollaboration erklären. Andererseits benötigt es hier am wenigsten direkte Druckausübung, weil die „no border“-Indoktrination der Kirche in Österreich ohnehin flächendeckend ist. Zwar nicht im gläubigen Volk, aber im Apparat und bei den Bischöfen. So war Mitte Jänner im – übrigens geradezu schmerzhaft sinnlosen – „Radio Stephansdom“ tatsächlich zu hören, wie Weihbischof Franz Scharl bei einer Veranstaltung namens „Österreichische Pastoraltagung“ zum Thema „Migration und Integration“ allen Ernstes von einer „Weltinnenpolitik“ schwadronierte. Wo hat er das wieder her? Man glaubte, nicht recht zu hören, als der Weihbischof meinte: „Solange es keine Weltinnenpolitik gibt, wird die göttliche Menschenwürde von Asylanten durch die Asylgesetze der Nationalstaaten verletzt“ (oder Ähnliches, aus der Erinnerung zitiert).

Exzellenz fühlen sich nicht wohl? Oder ist der österreichische Episkopat Befehlsempfänger? Die Scharlsche Einlassung ist symptomatisch für die Geistespathologie der österreichischen Nationalkirche: Es gibt nur mehr politische und soziale Dogmen, alles andere, besonders das depositum fidei ist zweitrangig. Daher zur Klarstellung: Erstens ist die Herbeiführung einer – zwangsläufig ins Monströse mutierenden – „Weltinnenpolitik“ definitiv nicht Missionsauftrag der Kirche, zweitens verteidigt die Kirche das Recht von Staat und Nation als wesentliche Ordnungselemente der Menschheitsfamilie, drittens schließen sich – siehe oben – „Weltinnenpolitik“ und Asyl sachlich aus, weil es in einem Weltstaat keine Fluchtmöglichkeit, ergo kein Asyl mehr gibt und viertens tritt die Kirche zwar für eine Asylgewährung ein, aber nicht als einklagbares Recht und unter Berücksichtigung der beschränkten Kapazitäten im Gastland – und mit selbstverständlichen Forderungen an den Asylwerber. Das müsste ein Bischof eigentlich wissen.

Aber seitens der Bischöfe, der Caritas und der kirchlichen Verbände wird oft so getan, als gäbe es nur mehr eine einzige Sünde, nämlich die sogenannte „Ausländerfeindlichkeit“ und als wäre die Aufnahme von Fremden die einzige oder höchste Forderung des Evangeliums. Das ist natürlich eine Narretei. Im Neuen Testament finden sich naturgemäß keine diesbezüglichen Erklärungen. Denn dort ist nicht die Errichtung eines christlichen Staates, der eben Asyl garantieren könnte, als letztes Ziel christlichen Handelns genannt, sondern das ewige Leben. Zum ewigen Leben gelangt der Gläubige durch das Tun des evident Guten. „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, habt ihr Mir getan“, sagt Christus und darunter fällt – z. B. – auch die Aufnahme von Fremden (Mt 25, 34ff). Freilich ist das ein Appell an den Einzelnen. Nicht daraus ableitbar ist eine durch konfiskatorische Steuersätze finanzierte Asyl- und Migrationsindustrie, von der viele Leute gut leben. Auch nicht ableitbar ist die „Transformation“ einer Nation und Kultur durch schrankenlose Zuwanderung. Schon gar nicht die Etablierung antichristlicher Kulte und die Aufzehrung der christlichen Kultursubstanz.

Die Untergebenen orientieren sich natürlich am Vorgesetzten: Der Hirtenbrief von Kardinal Schönborn vom 15. Mai 2011 ist ein bizarres Dokument kirchlicher Selbstaufgabe und Unterwerfung unter die herrschende weltliche Logik. Eminenz bekennt sich auch zu der – von dem Marxisten Gramsci konzipierten – „Zivilgesellschaft“. Dass Eminenz seine verwaschenen Ausführungen zudem immer wieder penetrant als „Masterplan“ bezeichnet hat, ist geradezu absurd.

Wenn man einen Zeitraum von zwanzig, fünfundzwanzig Jahren überblickt, muss man resümieren: Die Lehrverkündigung der Kirche Österreichs leugnet praktisch die (auf den hl. Augustinus zurückgehende) Lehre vom ordo amoris (Rangordnung der Liebe), gemäß der es natürlich eine Abstufung der Nächstenliebe nach Familie, Verwandtschaft, Gemeinde, Land u.s.w. gibt (die dadurch eben nicht eine Übernächsten-Liebe oder Fernsten-Liebe ohne irgendeine Verbindlichkeit ist).

Die Apostasie in der Kirche

Unter diesen Umständen erscheint die kirchliche Unterstützung für das lächerliche „Lichtermeer“ vor zwanzig Jahren als besonders krasses Symptom des Verrates an eben genannter Lehre.

Das Versagen der Lehrverkündigung in Fragen des Glaubens, der Moral und der Gesellschaftsordnung zeitigt die Folgen, die wir jeden Tag sehen und von denen die Schändung der Votivkirche nur ein Symptom – und ein Fanal schlimmerer Ereignisse – ist:  Das Verdunsten von Recht, Moral und Manieren und die Re-Paganisierung und Re-Barbarisierung der Gesellschaft.

Resümee

Das führt zur Schlussfolgerung. Wer auch immer die Schändung der Votivkirche konkret organisiert hat, der tiefste, spirituelle Grund dieses Fanals liegt in der fast flächendeckenden Apostasie von Gott:

Der Fremde, der in deiner Mitte wohnt, steigt immer höher nach oben, hoch über dich hinaus, und du steigst immer tiefer hinab. Er leiht dir aus und du kannst ihm nichts ausleihen. Er wird zum Kopf und du wirst zum Schwanz. Alle diese Verfluchungen werden über dich kommen, dich verfolgen und dich erreichen, bis du vernichtet bist, wenn du auf die Stimme des Herrn, deines Gottes, nicht hörst und nicht auf seine Gebote und Gesetze, auf die er dich verpflichtet hat, achtest. (…) Der Herr trägt zum Kampf gegen dich ein Volk aus der Ferne herbei, von den Enden der Erde, das wie ein Adler herabstößt, ein Volk, dessen Sprache du noch nie gehört hast, ein Volk mit unbeweglichem Gesicht, das sich dem Greis nicht zuwendet und für das Kind kein Mitleid zeigt (5. Moses, Deuteronomium, 28, 43-45.49; Einheitsübersetzung).

Da die amtlichen Verkünder der de facto autokephalen österreichischen Kirche weder erkennbar den katholischen Glauben verkünde noch für eine christliche Gesellschaftsordnung eintreten, die Kirche dadurch in der Praxis (wenn auch nicht im Wesen) zu einem allgemeinen interreligiösen Humanitätsverein mit linker Sozialpolitik und absoluter EU-Hörigkeit mutiert ist, liegt eine Kirchenbesetzung durch Moslems und deren marxistische Hintermänner unter der – mutmaßlichen – Protektion noch höherer Kreise in der tragischen Logik der Sache. Tanzende Derwische hatten im Jahr 2007 einen showmäßigen Auftritt in der Votivkirche: Man hat die Geister gerufen, jetzt sind sie da.

Unter diesen Umständen hatte der geistreiche und witzige Auftritt der „Identitären“ am 10. Februar „Wir besetzen die Besetzung“ einen geradezu exorzierenden Effekt. Die Aktion entlarvte sowohl den humorlosen Fanatismus der Linken als auch die Absurdität der politischen Forderungen der „Flüchtlinge“ – und leider auch das Versagen der zuständigen kirchlichen Führung.

Es ist wohl klargeworden, dass in der Besetzung der Votivkirche und den sie begleitenden Nebenspektakeln die Pathologie unserer Zeit schlaglichtartig beleuchtet wird. Auch wenn nicht alle Drahtzieher und Hintermänner der Aktion namentlich bekannt sind, kann man sich seinen Reim darauf machen.

So lange sind sie schon in der Kirche und haben sich noch nicht bekehrt?

MMag. Wolfram Schrems, Linz und Wien, ist katholischer Theologe und Philosoph mit viel kirchlicher Erfahrung.

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Wiener Volksbefragung: Was ich tun werde

21. Februar 2013 03:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In Wien werden bereits die Stimmzettel zur unverschämtesten Volksbefragung der  Nachkriegsgeschichte versendet. Daher muss man jetzt entscheiden, was man damit tut. Die Fragen sind allesamt eine einzige Chuzpe. Dennoch wäre es absolut falsch, die Stimmzettel wegzuschmeißen oder ignorieren. Auch wenn es gegen die Dampfwalze der bestochenen Zeitungen im Ergebnis aussichtslos sein wird, sollte man doch unbedingt die Fragen beantworten und jeweils genau das ankreuzen, was man für richtig hält. Das hätte noch einen zweiten Nutzen: Das Richtige ist jeweils genau das, was die Rathausmanipulatoren nicht wollen. Daher wäre jeder in diesem Sinne eingeschickte Stimmzettel zumindest ein kleiner Beitrag für mehr Anstand, Sauberkeit und Demokratie.

Dass nur ein solches Verhalten richtig sein kann, war eigentlich ab dem Zeitpunkt klar, als die SPÖ mit ihren Plakaten frech das noch gar nicht vorhandene Ergebnis als Faktum und eigenes Werk behandelt hat. Dass die Menschen anders stimmen könnten, kommt da als Möglichkeit gar nicht mehr vor. Demokratie auf Genossenart.

Für Nichtwiener: Die Stadt ist übersät von roten Plakaten, auf denen steht „Die SPÖ schützt . . .“ und dann folgt zum Beispiel „. . . das Wiener Wasser vor den Folgen einer Privatisierung“. Sie, die SPÖ, – also nicht erst die noch gar nicht abgestimmt habenden Wähler! – schützt auf weiteren dieser Plakate Gemeindebauten, schützt „Öffis“, schützt „kommunale Betriebe vor Privatisierung“.

In Wahrheit schützt ein Ergebnis der Volksbefragung im Sinne der SPÖ natürlich weder Wasser noch Straßenbahn, sondern ausschließlich die SPÖ selbst und ihre schmutzigen Interessen! Wasser würde auch bei einer Privatisierung genauso viel und sauber fließen. Nur billiger. Die Straßenbahn würde genauso verkehren wie die kundenfreundlichen und pünktlichen Züge etwa der privaten Westbahn-Gesellschaft.

Die SPÖ – beziehungsweise die in ihrem Sinne abstimmenden Menschen – schützt in Wahrheit etwas ganz anderes: Das sind die von ihr in diesen Betrieben zu exorbitanten Bezügen als „Manager“ eingesetzten roten Protektionskinder. Sie schützt die hohen Gebühren dieser Betriebe gegen jede Konkurrenz, obwohl die Gebühren rund 20 bis 30 Prozent über den eigentlich notwendigen Kosten liegen. Und sie schützt damit die Geldquellen, mit denen sie sich die eigene Propaganda-Walze finanziert.

Zwar werden die Gehirnwäsche des Rathauses, die bestochenen Medien und die erstaunliche Feigheit der Oppositionsparteien, aber auch die Ahnungslosigkeit vieler Menschen dazu führen, dass die Wiener wirklich für all das stimmen, was die SPÖ will. Oder dass viele aus dumpfem Protestgehabe unreflektiert nicht mitstimmen. Weil sie nicht begreifen, dass das zu ihrem eigenen Schaden führt.

Besonders unverständlich ist, dass sich auch beide Oppositionsparteien um klare Antworten drücken. Die ÖVP stottert herum. Und die FPÖ empfiehlt: Zusammenknüllen und Wegwerfen. Das wäre aber absolut falsch. Denn dann hätten die rot-grünen Genossen noch freiere Bahn. Und sonstige Parteien sind ohnedies nicht wahrnehmbar.

Dabei hatte die FPÖ noch vor kurzem den durchaus klugen Gedanken, mit dem Verkauf von Wiener Wasser die schwere Verschuldung der Stadt zumindest zu reduzieren. Und auch die ÖVP konnte bis vor kurzem sehr viele sehr gute Gründe und Beispiele aufzählen, weshalb eine echte Privatisierung vorteilhaft sowohl für Steuerzahler wie für Konsumenten wäre.

Einzige Voraussetzung eines Privatisierungserfolgs: Die Gemeinde müsste die Privatisierung ordentlich begleiten und regulieren. Eine solche Regulierung ist etwa dem Bund durch diverse Regulatoren für privatisierte Sektoren gelungen. Man schaue nur auf die e-control oder die Telekom-Aufsicht. Bei Strom wie Telefon sind – trotz exorbitant erhöhter Steuern und Abgaben – die Kosten für die Konsumenten gesunken.

Es würde hingegen das Tagebuch sprengen, all die Pleiten, Peinlichkeiten und Milliardenschäden aufzuzählen, die Wiens Gemeindebetriebe angerichtet haben. Eben weil sie nicht privatisiert waren. Vom Stadthallenbad bis zum Flughafenumbau, vom Bauring-Skandal bis zu den diversen AKH-Betrugsfällen. Und selbst dort, wo bisher kein Korruptionsskandal aufgedeckt worden ist, trifft ein skandalöser Umstand auf absolut sämtliche Wiener Gemeindebetriebe zu: Millionen und Abermillionen werden als „Marketing“ oder „Werbung“ für in Wahrheit rein parteipolitische Zwecke ausgegeben. Von den Bestechungsinseraten der diversen Kommunalbetriebe bis zu der Finanzierung von Fußballvereinen, bei denen Genossen im Präsidium sitzen.

Dazu kommt der Treppenwitz, dass die SPÖ, die jetzt vor Privatisierung „schützt“, in Wahrheit längst vieles privatisiert hat. Man schaue nur, wie viele öffentliche Buslinien Wiens schon von privaten Betreibern (und damit für den Steuerzahler viel billiger, aber genauso verlässlich) betrieben werden. Man denke nur an die „Sale and lease back“-Geschäfte des Rathauses mit Straßenbahnen. Aber vielleicht wissen die Genossen nicht, dass „sale“ verkaufen heißt; auch Werner Faymann hat ja erst im Bundeskanzleramt Englisch gelernt. Und ohne die großartigen Wiener Privatspitäler wäre die Gesundheitsversorgung längst zusammengebrochen.

Vor allem muss man an die einstige „Zentralsparkasse der Gemeinde Wien“ denken. Dieser einst von Karl Lueger (ja, genau dem) gegründete und Jahrzehnte florierende Bankbetrieb wurde von den Genossen donnernd gegen die Wand gefahren, ebenso wie etwa die verstaatlichte Länderbank. Gewaltige Werte wurden dabei vernichtet. Nicht nur die Aktionäre wurden geschädigt, sondern auch die gewaltigen stillen Reserven der Creditanstalt, die diesem roten Finanzimperium zur kurzfristigen Rettung zugeschoben worden sind. Schließlich mussten die Überreste der Bank an krachende ausländische Institute verkauft werden. Und der Name „Austria“ wird seither schrittweise aus dem einst großen ausländischen Netz hinausgedrängt.

Man fasst es wirklich nicht. Jetzt wollen ausgerechnet die daran schuldigen Täter die Restbestände „schützen“, wie es sogar im offiziellen Wortlaut heißt! Und niemand wagt, lautstark dagegen zu protestieren!

Aber selbst über die Folgen eines Abstimmungsergebnisses besteht Unklarheit: Der grüne Klubobmann Ellensohn hat wenigstens eingeräumt, sollten die Wähler wirklich anders als gewünscht abstimmen, dann müsse halt privatisiert werden. Der rote Klubobmann Schicker entgegnete hingegen eiskalt: Auch dann würde nicht privatisiert werden. Schon diese Frechheit eines angekündigten Ignorierens des Befragungsergebnisses zwingt jeden, der noch Reste einer Demokratie haben und sich in den Spiegel schauen will, dazu, für die Privatisierung zu stimmen.

Wer braucht Olympia in Wien?

Fast genauso widerlich ist die Frage nach Olympia. Es gibt absolut keinen Grund, dafür Milliarden hinauszuschmeißen. Bei diesem Thema sollten übrigens auch die Nicht-Wiener höllisch aufpassen: Denn zahlen sollen den Spaß dann ja vornehmlich alle Österreicher. Daher wären auch Nicht-Wiener gut beraten, wenn sie ihre Wiener Freunde gut beraten würden, wirklich gegen diesen Schwachsinn zu stimmen.

Auch Wien selbst hätte absolut keine nachhaltigen Vorteile, Austragungsort Olympischer Spiele zu werden. Nur zwei Bereiche würden von solchen Spielen profitieren: Der eine ist die Eitelkeit der Promis, die sich bei Olympia auf Ehrentribünen tummeln wollen. Und der andere sind die schamlosen Profitinteressen roter Geschäftemacher, wie sie etwa der SPÖ-eigene Echo-Verlag bei der Fußball-Euro gezeigt hat (mit der großen Schiebung bei der Burgtheater-Vermietung).

Die Menschen dieser Stadt leben aber nicht vom Sport, sondern noch viel eher vom Kultur- und Städtetourismus. Dieser aber sucht die Attraktionen des vorsozialistischen Wiens und nicht die von Sportstätten. Dieser Tourismus wird während der Spiele selbst durch Sportfans mehr verschreckt als angezogen. Selbst wenn die nicht so bösartig und gefährlich sind wie die vom Steuerzahler subventionierten Fußballrowdies.

Pflanzfrage nach Kurzparkzonen

In anderer Hinsicht extrem ärgerlich ist eine weitere Frage. Nämlich die nach den Kurzparkzonen, die ganz Wien derzeit heftig erzürnen. Da wird frech etwas gefragt, was bei den erregten Debatten überhaupt nicht Thema gewesen ist. Ganz offensichtlich will man damit von diesen Kontroversen ablenken.

Dabei wird nochj dazu so so verschwurbelt gefragt, dass man nicht einmal versteht, welche Konsequenzen das eine oder andere Ergebnis überhaupt hätte. Aber offensichtlich ist das auch in der rot-grünen Koalition nie geklärt worden, denn auch Rathausbonzen geben keine eindeutige Antwort. Und vor allem wird nicht das gefragt, was die Wiener wirklich in Sachen Parken beschäftigt.  

Es wird nicht nach der Ausdehnung der Kurzparkzonen auf weitere Bezirke gefragt. Es wird nicht danach gefragt, ob für die sogenannten Pickerln weit über die eigentlichen Verwaltungskosten hinausgehende Tarife verlangt werden sollen. Die Wiener werden nicht gefragt, ob sie Bezirkspickerln oder solche für die ganze Stadt wollen.

Diese Frage ist also ein reiner Pflanz. Ich werde aber dennoch auch auf sie antworten. Und zwar mit der Antwort B. Aus dem einzigen Grund, dass sich die Gemeinde dann nicht mehr feige um die Entscheidungen und damit Verantwortung für die Kurzparkzonen drücken kann, die ihr ja eigentlich die Bundes- wie Landesverfassung immer schon zugeschrieben haben. Aber natürlich könnte man hier aber auch auf eine Antwort verzichten.

Ähnliches trifft schließlich auf die Frage nach den Solarkraftwerken zu. Die könnten zwar im Prinzip durchaus eine sinnvolle Geldanlage sein. Bei diesem Thema müsste es aber in Wahrheit um den Unsinn der geltenden (Bundes-)Gesetzeslage überhaupt gehen, die aber wiederum nicht abgefragt wird.

Denn diese Gesetzeslage trifft vor allem die Stromkonsumenten hart. Diese sind es, die mit überhöhten Gebühren zwangsweise die eigentlich völlig unwirtschaftlichen Solarkraftwerke sponsern müssen. Besonders unwirtschaftlich sind die Kraftwerke vor allem dann, wenn sie in Wien gebaut werden. Die letzten Monate haben ja auch Laien sehr anschaulich gezeigt, was Experten ohnedies seit langem sagen, nämlich dass es in dieser Stadt oft sehr lange fast keinen Sonnenschein gibt – während aber gerade im Winter der Strombedarf am höchsten ist.

Wie sehr auch diese Frage ohnedies nur als Schein-Demokratie gemeint ist, hat die „Wien Energie“ (ja genau, einer der vor Privatisierung zu „schützenden“ Gemeindebetriebe) vor einigen Tagen schockierend deutlich gemacht: Sie hat angekündigt, auf jeden Fall Solarkraftwerke zu bauen. Ganz egal wie die Abstimmung ausgeht. Alleine das zwingt – jenseits aller individuellen Interessen – zu einem klaren Nein. Und zwar unabhängig davon, dass die Wien Energie diese Ankündigung dann später auf Weisung des Rathauses wieder schubladisieren musste.

Würden die Wiener wirklich den Mumm zum Neinsagen haben, dann wären die rotgrünen Rathausbonzen nach dem Referendum auch in dieser Frage ganz schön in der Bredouille.

Das Tüpferl auf dem i: Der ganze Spaß kostet sieben Millionen Euro. Geld, mit dem man ganz schön viel Sinnvolles machen könnte, etwa Wiens explodierendes Defizit zu reduzieren.

Noch aus einem weiteren Grund empfiehlt es sich nicht, den zugeschickten Stimmzettel einfach zum Altpapier zu werfen: Es wird zumindest von der FPÖ behauptet, dass bei der letzten Abstimmung rote Funktionäre tagelang die Altpapier-Container nach weggeworfenen Stimmzetteln durchsucht hätten, die sie dann im Parteisinn ausgefüllt und eingeschickt hätten. Das ist zwar möglicherweise nur eine Behauptung, aber schon die zweifellos gegebene Möglichkeit eines solchen Missbrauchs ist ärgerlich. Und sie macht die zwei verantwortlichen Parteien lächerlich, weil Rot und Grün seit Jahren vehement gegen die Gefahr eines Missbrauchs von Internet-Abstimmungen wettern. Obwohl diese tausend Mal sicherer gegen Missbrauch sind.

Mein Vorschlag

Ich weiß nicht, ob ich auch nur irgendjemand überzeugen konnte. Ich weiß aber, wie ich meine eigene Stimmkarte ausfüllen werde:

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Der Sieg der Schwulen und die Niederlage der simplen Fakten

20. Februar 2013 00:34 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Schwulen-Lobby, also natürlich wie immer auch der ORF an führender Stelle, feiert wieder einmal einen großen Sieg. Sie erweckt damit in der Öffentlichkeit den Eindruck, seit dem jüngsten Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs wäre die Adoption durch Schwule fast ungebremst möglich. Das stimmt aber zu 98 Prozent nicht. Es ist in Wahrheit nur ein recht kleiner Sieg. Und auch der ist nur Folge der Tatsache, dass die Gesellschaft den Schwulen den kleinen Finger gereicht hat. Was aber seither Andersdenkende um die ganze Hand zittern lässt. (Mit nachträglicher Ergänzung)

Wäre Österreich bei einer klar ehe- und familienorientierten Rechtsordnung geblieben, und hätte es wie lange üblich nur verheirateten und heterosexuellen Paaren das Adoptionsrecht eingeräumt, dann wäre auch laut Menschenrechtsgerichtshof die Folge klar gewesen: Denn hätte dieser den konkreten Antrag eines lesbischen Paares nicht angenommen, sondern abgewiesen, eine Stiefkind(!)-Adoption durch die Partnerin der Mutter des Kindes zumindest prinzipiell für möglich(!) zu erklären.

Die zwei Rufzeichen des letzten Satzes stehen hinter den sehr gravierenden Einschränkungen der nun behaupteten Freigabe der Schwulen-Adoption.

Auf das zentrale Problem ist der Straßburger Gerichtshof nicht eingegangen – weil es auch von den Rechtsvertretern der Republik Österreich gar nicht angeschnitten worden ist. Weil es dazu in der Koalition keinen Konsens gibt. Nämlich auf die Tatsache, dass substanzielle Studien zeigen (das Tagebuch hat über sie ausführlich berichtet): Bei homosexuellen „Elternschaften“ ist für dort aufgezogene Kinder das Entstehen fundamentaler Probleme im weiteren Lebensverlauf viel wahrscheinlicher als bei heterosexuellen.

Auch bei diesen Studien steht außer Streit, dass es in Einzelfällen sehr engagierte homosexuelle „Eltern“ und sehr desinteressierte heterosexuelle geben kann. Bei einer Abwägung über die Auswirkung einer Adoptions-Entscheidung auf das künftige Kindeswohl kann es aber naturgemäß immer nur um erwartbare Wahrscheinlichkeiten und Durchschnittswerte gehen. Diese würden jedoch bei einer primären Orientierung am Kindeswohl eigentlich zu klaren Konsequenzen führen. Und die sind eben fast nie im Sinne der Schwulen-Lobby.

Eventuell käme noch ein zweiter Grund in Frage, der Schwulenadoptionen als sinnvoll erscheinen ließe: Wenn es zu wenig normale Eltern gäbe, die zur Adoption bereit sind, würde das Kindeswohl allemal eine homosexuelle Adoption als richtig erscheinen lassen. Besser eine Risiko-Adoption als ein Kind, das übrigbleibt. Jedoch gibt es ja weit mehr adoptionswillige Eltern als dafür in Frage kommende Kinder. Also kommt auch eine Knappheit an Adoptiveltern nicht als Grund in Frage.

Die Schuld an dem Urteil liegt bei Österreich. Denn die Republik hat sich formalrechtlich einfach auf den Standpunkt gestellt, dass homosexuelle Adoptionen hierzulande per Gesetz verboten sind. Sie hat aber nicht das Kindeswohl geprüft – wie es bei jedem Adoptionsantrag notwendig wäre.

Dabei würde zumindest im konkreten Fall das Kindeswohl noch aus einem ganz anderen Grund die Adoption durch die Partnerin der leiblichen Mutter verhindern: Denn es gibt einen leiblichen Vater. Und das Kind, ein Bub, unterhält auch Beziehungen zu diesem.

Bei anderen lesbischen Paaren in Europa ist die Situation bisweilen anders: Bei ihnen geht es um eine durch eine „anonyme“ Samenbank ermöglichte Schwangerschaft, wo also nie ein Vater ins Leben des Kindes getreten ist. Daher sind ja auch – eben im Interesse des Kindes! – in vielen Ländern Samenspenden nur an Ehepaare mit Fruchtbarkeitsproblemen erlaubt.

Der EGMR hat jedenfalls formal entschieden (und das bloß mit Mehrheit): Wenn ein Land heterosexuellen Lebensgemeinschaften die Adoption erlaubt, muss es das prinzipiell auch homosexuellen erlauben. Alles andere wäre eine Diskriminierung auf Grund der sogenannten sexuellen Orientierung. Dabei hat der Gerichtshof wohlweislich nur die Pflicht zur Gleichbehandlung etabliert.

Zweifellos hat sich die Schwulen-Lobby mit dieser Entscheidung wieder ein wenig vorgekämpft. Aber das, was manche Journalisten seither draus machen, bedeutet das Urteil eben keineswegs.

Würde Österreich wie viele andere Länder Europas prinzipiell die Adoption nur für verheiratete Paare erlauben, dann wäre es auch nicht zu diesem Erkenntnis gekommen. Denn der EGMR hat nun sogar ausdrücklich gesagt: Der (heterosexuellen) Ehe darf jedenfalls auch bei der Adoption ein Ausschließlichkeitsrecht gegeben werden. Aber eben nur der Ehe gegenüber Partnerschaften welcher Art immer; und nicht heterosexuellen gegenüber homosexuellen Partnern.

Wie mehrfach in diesem Themenbereich steht die ÖVP nun als hineingelegt da. Sie wollte wieder einmal einem vermeintlich progressiven Zeitgeist einen Schritt entgegenkommen. Und musste dann durch die juristische Automatik weitere Schritte hinnehmen, die sie eigentlich niemals gehen wollte.

Weshalb sich auf der anderen Seite etliche weibliche SPÖ-Politiker so sehr als Lobby für schwule Paare engagieren, müssen sie sich parteiintern ausmachen. Denn die 386 Paare, die sich (mit gegenüber den Vorjahren deutlich abnehmender Tendenz) im ganzen Jahr 2012 schwul verpartnert haben,  werden die abnehmenden Wählerzahlen der Partei nicht wirklich auffetten.

Ergänzung: Österreich ist einer von nur sechs Europarats-Staaten, der überhaupt Adoptionen auch außerhalb der Ehe erlaubt. Alle anderen 41 Staaten unter der Straßburger Judikatur sind also völlig unberührt.

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Der Lueger-Kannibalismus, Zusatztafeln und die dummen Bürgerlichen

18. Februar 2013 00:54 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das Lueger-Denkmal wird nun von einem SPÖ-Historiker mit einer Zusatztafel versehen. Und die ÖVP tut und textet eifrig mit. Nachdenken tut sie freilich nicht. Denn die Idee ist eine absolute Schnapsidee, die nur taktischen Interessen der Rathaus-Genossen dient. Denn niemand kann beantworten, warum es eigentlich nur bei Lueger eine Zusatztafel geben soll. Wenn man schon damit anfängt.

Was ist etwa mit dem roten Stadtrat Julius Tandler, der sich für die Tötung von „lebensunwertem Leben“ ausgesprochen hatte, und der 1930(!!), also absolut freiwillig, ins kommunistische Russland emigriert war? Was ist mit Karl Renner und seinem – nicht erpressten! – Aufruf, für den Anschluss an Hitler-Deutschland zu stimmen? Was ist mit Karl Marx, dessen Ideologie zur Rechtfertigung von millionenfachem Mord gedient hat? Was ist mit den vielen gefeierten Komponisten und Künstlern, die sich in der großen Mehrheit in ihren politischen Äußerungen gegen Rechtsstaat oder Demokratie gewendet haben? Was ist mit dem Wiener Rathaus, in dem auch blutbesudelte Machthaber amtiert haben? Was ist mit dem Denkmal für die sowjetische Armee, die neben dem Verdienst der Befreiung des Landes vom Nationalsozialismus auch viele schreckliche Verbrechen gegen völlig unschuldige Österreicher auf ihrem Konto hat?

Diese Liste ließe sich fast unendlich fortsetzen. Sie würde das Tagebuch fast in ein Jahrbuch verwandeln. Für all diese Menschen und Organisationen gibt es Denkmäler, Sonderbriefmarken, Gemeindebau- und Straßenbezeichnungen sonder Zahl. Aber keine Zusatztafeln, die auch auf deren dunkle Seiten verweisen würden.

Was hat es nun mit Lueger selbst auf sich? Er hat unbestreitbar hemmungslos den Antisemitismus breiter Wiener Schichten auf seine Mühlen gelenkt. Dieser Antisemitismus war damals im Kleingewerbe und im Klerus weit verbreitet. Er war vor allem ökonomisch fundiert, hatte aber auch einen christlichen Anstrich. Den hatten ja viele christliche Kirchen bedauerlicherweise bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Diese Schichten fühlten sich durch die aufblühende – und eben stark mit jüdischen Eigentümern identifizierte – Industrie und Finanzwelt, sowie die damit eng verbundene Technik und Naturwissenschaft existenziell bedroht. Dass erst all diese Neuentwicklungen den Wohlstand der Zukunft ermöglicht haben, ist zwar Tatsache. Das war aber dem damaligen, noch stark dem mittelalterlichen Zunftdenken verhafteten und tatsächlich vor einem starken Schrumpfungs- und Veränderungsprozess stehenden Kleingewerbe völlig wurscht. Und damit auch Lueger, der die Stimmen dieser Gewerbetreibenden brauchte.

Dieses Verhalten war absolut hässlich. Dem stehen freilich für eine seriöse Betrachtung aus dem Blickwinkel des 21. Jahrhunderts vier große Aber gegenüber: Erstens gibt es keinen einzigen Hinweis, dass sich Lueger in irgendeiner Weise für irgendeine Form der Gewalt ausgesprochen hätte; daher ist es mehr als unfair, dass ihn die Linke immer wieder mit dem Holocaust zu identifizieren versucht.

Zweitens war Lueger unbestreitbar der größte Bürgermeister der Geschichte Wiens; er hat aus der Stadt eine moderne, blühende – und alle Segnungen der Technik und Wissenschaft begeistert aufgreifende! – Weltmetropole gemacht: Das war eine unvergleichliche Leistung, wenn man an die Dumpfheit denkt, die seither das Wiener Rathaus geprägt hat. Lueger hat die Liberalen zwar vor dem Wahltag bekämpft, aber nachher großteils ihre Politik fortgesetzt.

Drittens wiederholen sich heute gerade auf der Linken die dunklen Seiten Luegers. Dazu gehört nicht nur ihr aggressiver Antizionismus, der nur in der linken Selbstdarstellung nichts mit Antisemitismus zu tun haben will. Dazu gehört vor allem der seit der Achtundsechziger Bewegung enorm große Kampf der Linken gegen Industrie, Technik und weite Bereiche der Naturwissenschaft. Dieser Kampf ist längst nicht nur bei den Grünen zu finden, sondern auch bei den Roten. Und er hat mit unterschiedlicher Intensität auch die Blau-Orangen und die Schwarzen infiziert.

Und viertens führt von Luegers scharfem verbalem Antisemitismus eine direkte geistige Linie zu Bruno Kreisky. Dieser hat, obwohl selbst jüdischer Abstammung, noch NACH dem Holocaust in einem so widerlichen Ton über die Juden generell gesprochen, dass einem nur übel werden konnte. Also müsste auch vor dem Kreisky-Forum und -Archiv in der Armbrustergasse eine Zusatztafel angebracht werden. Blöderweise ist aber in diesen Institutionen ausgerechnet jener Oliver Rathkolb seit Jahrzehnten intensiv und führend aktiv, der nun die Lueger-Tafel texten soll.

Begreift die bürgerlich dominierte Bezirksvertretung der Inneren Stadt all diese Zusammenhänge nicht? Ist sie wirklich so schwachsinnig, dass sie, wie behauptet wird, dieses Projekt unterstützt? Durchschaut sie nicht den Hauptantriebsmotor der Rathausgenossen, nämlich dass die wirklichen Leistungen für Wien fast ausschließlich von Habsburgern, liberalen Bürgermeistern wie Cajetan Felder und christlich-sozialen wie Lueger geschaffen worden sind? Nur deren Hinterlassenschaft lockt jährlich Millionen Touristen und große Kongresse in die Stadt. Die Touristenmassen vor dem – in roten Broschüren ständig bejubelten – Karl-Marx-Hof oder dem „Neuen Wien“ haben sich hingegen in so engen Grenzen gehalten, dass man sie in ein einziges Taxi stecken könnte.

Die Linke praktiziert klassische Aggression zur Übertünchung eines schweren Minderwertigkeitskomplexes. Rot-Grün setzen daher seit Jahrzehnten primär ganz stark auf Habsburg-Kannibalismus, Neoliberalen-Hatz und Lueger-Hass. Sie tut dies noch aus einem zweiten Grund: Rot-Grün braucht diese Geschichtsklitterung – bei der die total links gewendeten Wiener Historiker-Institute servil zu Diensten stehen – auch deshalb, um sich wenigstens irgendwo moralisch überlegen vorzukommen. Bricht doch ihre zweite Identitäts-Säule, der exzessive Wohlfahrtsstaat, gerade dramatisch unter der von ihm ausgelösten Schuldenlast zusammen.

PS.: Genau wegen dieses Lueger-Hasses haben die Rathausgenossen übrigens in den letzten Jahrzehnten auch alles getan, um nicht durch die Nennung einer U-Bahn-Station an jenen Bürgermeister zu erinnern. Das gilt für die Station „Schottentor“ unter dem (jetzt freilich aus dem gleichen Motiv umgetauften) Lueger-Ring; diese Namensgebung war alles andere als praktisch, wird „Schottentor" doch von vielen Nicht-Wienern oft mit „Schottenring“ verwechselt. Das gilt noch viel mehr für die Benennung der unter dem Lueger-Platz gelegenen Station „Stubentor“; hat doch vor der U-Bahn fast niemand mehr gewusst, was das Stubentor gewesen sein soll.

PPS.: Steckt hinter der Zusatztafel-Idee vielleicht auch die Hoffnung auf neuen Geldsegen für die Historiker, nachdem sie schon bei der Aufarbeitung des Schicksals fast jedes Vereins, jeder Firma in der Zeit des Nationalsozialismus Aufträge erhalten haben?

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Gewaltmonopol und Minderheiten – Polemik gegen den ,Rechtsstaat´

15. Februar 2013 06:36 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

„Sie würden kein Auto stehlen.
Sie würden keine Handtasche stehlen.
Sie würden nicht Geld fälschen, Kinder entführen oder Killerdrohnen schicken.
Warum aber lassen wir dann all diese Dinge die Regierung tun?
Regierung ist kein „opferloses Verbrechen"!

Diese Botschaft richtete Jeffrey Tucker, vormals Vizepräsident des Ludwig von Mises Instituts in Auburn/Alabama und nunmehriger Chef des Internetbuchhandelshauses „Laissez Faire Books“, an die stetig wachsende Glaubensgemeinschaft der Staatsanbeter.

Starker Tobak, nicht wahr? Allerdings werden selbst mustergültige Untertanen, die mit anarchistischem Gedankengut gar nichts anfangen können, nicht umhinkommen einzuräumen, dass an Tuckers Zitat etwas dran ist. Denn Tatsache ist, dass eine überwältigende Mehrheit der Menschen tatsächlich nicht zur Kriminalität neigt – schon gar nicht zur initiierten Anwendung von Gewalt gegen ihre Mitmenschen. Wäre es anders, die Menschheit wäre längst ausgestorben.

Dennoch ist jede Untat, die sich dem Normalsterblichen ganz selbstverständlich verbietet – und zwar auch ohne hoheitliche Vorschriften – Staatsagenten nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten! Der Staat stellt, leider nicht nur in James-Bond-Filmen, vielen seiner Mitarbeiter eine Lizenz zum Töten aus. Ein Notwehrrecht gegen in seinem Auftrag tätig werdende Beamte gibt es nicht. Wer etwa sein rechtmäßig erworbenes Eigentum gegen einen amtshandelnden Polizisten zu verteidigen sucht, muss mit seiner Exekution rechnen – ganz ohne Gerichtsverfahren! Sollte der Witwe eines von den Schergen Leviathans liquidierten Bürgers anschließend Lust verspüren, sich auch noch verhöhnen zu lassen, darf sie sich zu diesem Zweck an das zuständige, staatliche Gericht wenden…

Der 1989 verstorbene amerikanische Naturforscher und Philosoph Edward Abbey fasste den Sachverhalt so zusammen:
„Wenn Sie sich weigern, ungerechte Steuern zu zahlen, wird Ihr Eigentum konfisziert.
Wenn Sie Ihr Eigentum verteidigen, werden Sie verhaftet.
Wenn Sie sich der Verhaftung widersetzen, werden Sie niedergeknüppelt.
Wenn Sie sich dagegen wehren, werden Sie erschossen.
Dieses Verfahren ist bekannt als Rechtsstaatlichkeit.“

Der Staat tritt, im von Abbey geschilderten Fall, nicht als Verteidiger von Leib, Leben und Sicherheit des Bürgers auf (also in dem Sinne, für den er da sein sollte), sondern ganz im Gegenteil! Er geht mit Gewalt gegen Menschen vor, die niemandem Unrecht zugefügt haben und deren einziges „Verbrechen“ darin besteht, ihr Eigentum behalten zu wollen. Denn „gerechte Steuern“ sind natürlich ein Oxymoron. Es gibt sie ebenso wenig, wie es „ehrliche Beute“ eines Raubüberfalls oder eine „politisch korrekte Vergewaltigung“ gibt. Steuern waren stets, sind und bleiben Diebstahl.

Ist die Existenz eines Monopols zur Rechtssetzung und Gewaltausübung schon dann problematisch und widersprüchlich, wenn anständige Menschen an dessen Schalthebeln agieren, so vervielfachen sich die Gefahren, wenn dem nicht so ist. In der Welt des real existierenden Gewaltmonopols dürfte das in ungefähr 100 von 100 Fällen der Fall sein.

Das nationalsozialistische Deutschland war, wie wir von Kindesbeinen an gelernt haben, ein Unrechtsstaat. Keinem aufrechten Demokraten würde es heute in den Sinn kommen, den Unrechtscharakter staatlicher Maßnahmen zur Zeit des Hitlerregimes zu bestreiten. Wen kümmert es da schon, dass dessen Regierung auf demokratische, rechtmäßige und verfassungskonforme Weise ans Ruder kam? Wer macht sich schon Gedanken darüber, dass der „Führer“ auf dem Höhepunkt seiner militärischen Erfolge – also etwa nach dem vollständigen Triumph über Frankreich – bei einer demokratischen Wahl vermutlich eine ¾-Mehrheit erreicht hätte (und damit ein Maß an Legitimation, dessen sich keine unserer Tage amtierende Regierung erfreut)?

Wie man es auch dreht und wendet: Ein zwischen damals und heute bestehender, struktureller Unterschied von Organisationen und Verwaltung des Staates, ist mit freiem Auge kaum zu erkennen. Kreuzbrave deutsche Beamte – keine geborenen Unmenschen und Mörder – mutierten nach dem 30. Januar 1933 über Nacht zu willigen Vollstreckern eines brutalen, antibürgerlichen, antiliberalen Totalitarismus´ (in Österreich war es am 13. März 1938 so weit). Wer ist naiv genug zu glauben, dass exakt dasselbe nicht jederzeit wieder geschehen könnte? Wer oder was sollte einen zu allem entschlossenen Polit-Desperado denn stoppen? Was sollte etwa eine linke Volksfrontregierung davon abhalten, ihr Gewaltmonopol – so wie damals unter dem Applaus der veröffentlichten Meinung – zur Unterdrückung und Verfolgung unliebsamer Minderheiten einzusetzen? Und – falls sie dazu willens wäre – würde der Polizeiapparat einer solchen Regierung tatsächlich die Gefolgschaft verweigern? Wohl kaum!

Minderheiten waren und sind der Gewalt eines (demokratisch „legitimierten“) Machtmonopolisten ebenso rechtlos wie wehrlos ausgeliefert. Biedere Polizeibeamte sehen weg, wenn bestimmten Minderheiten angehörende Mitbürger vom Mob drangsaliert und gedemütigt werden – oder sie fungieren am Ende selbst als aktive Werkzeuge derartiger Aktivitäten. Und um dem Fass die Krone aufzusetzen, werden für die durch organisierte Unrechtshandlungen entstandenen Kosten auch noch deren Opfer verantwortlich gemacht.

Der Akademikerball als warnendes Beispiel

Wien, am 1. 2. 2013. Einige Hundert Mitglieder freiheitlicher Burschenschaften und deren Begleiterinnen schicken sich an, den Akademikerball in der Wiener Hofburg zu besuchen. Auf dem Weg ins Balllokal werden sie von einer dreifachen Zahl gewaltbereiten Pöbels mit Schmähungen überhäuft, bespuckt und mit Farbbeuteln beworfen. Das Motto scheint zu lauten: „Besser ein Geschwür am After, als ein Deutscher Burschenschafter.“ Selbstverständlich war diese „Demonstration“, von der bereits im Vorfeld klar war, dass es zu Ausschreitungen kommen würde, behördlich genehmigt. Auf die beamteten Genossen ist Verlass.

Zur Klarstellung: es geht hier nicht um die Verharmlosung oder Relativierung weit schlimmerer Unrechtshandlungen in der Vergangenheit. Es geht auch nicht um unangemessene Vergleiche von Äpfeln mit Birnen. Es geht allein darum, die durch die Existenz eines Gewaltmonopolisten entstehende Problematik der Entrechtung von Randgruppen, die den Machthabern und deren Propagandisten unliebsam sind, aufzuzeigen.

Die Wiener Polizei war – im Februar 2013 – nicht in der Lage (oder nicht willens?), einen kleinen, politisch unliebsamen Teil der Gesellschaft, der sich keines Unrechts schuldig gemacht hat (die rechten „Burschis“), wirkungsvoll vor den Attacken gewalttätigen Abschaums zu beschützen. Der Polizeichef der Stadt Wien befand es anschließend sogar für geraten – nicht ohne das unverhüllte Wohlwollen der (mittels Subventionen und Inseraten) gleichgeschalteten Hauptstrommedien – die Opfer der von linken Radaubrüdern inszenierten Exzesse zu verspotten, indem er sie faktisch zu Tätern erklärte. Man hätte, so der wackere Beamte, schließlich einen anderen Zugang zum Balllokal wählen können (was faktisch unmöglich war, da auf allen zur Verfügung stehenden Zugangswegen der linke Mob lauerte). Am liebsten, so ließ der Polizeikapo sich vernehmen, wäre es ihm, wenn dieser Ball – angesichts der damit notorisch verbundenen Ausschreitungen – gar nicht erst stattfinden würde. Klar, schuld ist der mit Dreck Beworfene, nicht der Werfer. Daher ist natürlich ersterer zu bestrafen. Etatistische Logik vom Feinsten. Ob der Genosse Kommissar – pardon – Landespolizeipräsident, sich ähnlich äußern würde, wenn es sich um ein von Burschenschaftern belagertes Gschnas der sozialistischen Gewerkschaftsjugend handelte, darf bezweifelt werden.

Nochmals: Es geht hier nicht um das Kleinreden oder Relativieren weit schwerwiegenderer Übergriffe auf eine andere Minderheit in einer anderen Zeit. Es geht auch nicht um Sympathiekundgebungen für deutschnationale Vereine (welche dem Autor dieses Beitrags schwer zu unterstellen sein wird) Es geht – ganz grundsätzlich – um das Verhalten des Gewaltmonopols gegenüber jeder unliebsamen Minderheit. Damals wie heute ist das völlige Desinteresse der beamteten Amtsträger schwer zu übersehen, die Rechte der Bürger – und zwar ohne Ansehen ihrer Person – zu beschützen.

Die historische Parallele ist einfach unübersehbar!

Fazit: Wer meint, in einer Demokratie wären politisch unerwünschte Minderheiten vor gewalttätigen Übergriffen sicher, freut sich vermutlich auch jedes Jahr auf den Osterhasen und das Christkind. Wer meint, der Staat würde für den Schutz von Sicherheit und Eigentum seiner Insassen sorgen, ist vollends auf dem Holzweg. Der territoriale Machtmonopolist kennt nur ein einziges Ziel, das er rücksichtslos verfolgt: sein unaufhörliches Wachstum. Das war immer so und das wird sich wohl auch niemals ändern.

Eine systembedingt auf Unrecht gegründete Rechtsagentur – welche Segnungen hätte der Bürger von einer derart dubiosen Organisation zu erwarten…?

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Wer sagt endlich die Wahrheit?

13. Februar 2013 20:22 | Autor: Herbert Kaspar
Rubrik: Gastkommentar

Karl Schwarzenberg ist eine besondere Politikerpersönlichkeit in Europa, denn er sagt auch dann die Wahrheit, wenn sie ihm politisch schadet. Und so hat er seine Chancen auf das Präsidentenamt ruiniert, indem er ein tschechisches Tabuthema angesprochen hat: Die Unrechtmäßigkeit der Beneš-Dekrete und der wilden Vertreibung 1945.

Ist ein österreichischer Politiker in Sicht, der es wagt, die Wahrheit auszusprechen? Etwa, dass wir bis 70 arbeiten sollten oder dass wir uns mit unserer Schuldenpolitik in den Sack lügen? Und wie ist es mit der Neutralitäts-Lüge, der Lüge von der niedrigen Arbeitslosigkeit, der Pensionslüge oder der Lüge von den Sparpaketen, die allesamt Belastungspakete waren? Aktuell bedienen heimische Politiker den Brüsseler Wasserschmäh, sowie auch das Märchen von der Finanzautonomie der Bundesländer, die allerdings mit ihrem Rechnungswesen noch nicht einmal im 20., geschweige denn im 21. Jahrhundert angekommen sind. Überdies befinden wir uns in einem Wahljahr und erleben bereits verstärkt die populistischen Ansagen: Vom Po-Grapschen bis zur Pendlerpauschale.

Bekenntnis zur Lüge

Ein Musterbeispiel von „Wählerverarschung“ (pardon pour l’expression) wurde von entscheidungsunfähigen Politikern mit der Volksbefragung zum Bundesheer versucht; interessanterweise haben die Wähler diesmal das üble Spiel durchschaut. (Garantie dafür gibt es für künftige Fälle allerdings leider keine; bei der letzten Nationalratswahl gelang es der SPÖ mit ähnlichen Tricks – und vor allem der Geldverschleuderungssitzung wenige Tage vor dem Urnengang – die Wahl für sich zu entscheiden).

Apropos Wehrpflicht: Dazu sei an ein bemerkenswertes Politikerstatement erinnert: „Die meisten Jungen sind gegen die Wehrpflicht, sie müssen nur zur Abstimmung gehen. Wir müssen vermeiden, dass wieder andere für uns entscheiden“. Meint der Autor mit „wieder“, dass bei den letzten Wahlgängen „andere“ (also die „Falschen“?) die „Richtigen“ überstimmt haben? Ist der Autor ein radikaler Faschist, der eine Bevölkerungsgruppe gegen eine andere ausspielen möchte und der das Prinzip vom gleichen Wahlrecht aushebeln will?

Das Zitat stammt von Werner Faymann aus der „Kronen Zeitung“ vom Abstimmungssonntag (aber was tut man als verantwortungsloser Opportunist nicht alles, um die letzten Reserven zu mobilisieren?). Nein, Werner Faymann ist alles andere als ein Karl Schwarzenberg und er ist wohl auch kein Politologe, der auf interessante Konstruktionsfehler der modernen Parteiendemokratie hinweisen wollte; der Mann ist nicht dafür bekannt, sich über Grundsatzfragen den Kopf zu zerbrechen.

Dennoch hat das Thema einige Brisanz und würde sich einen seriösen Diskurs verdienen. Diesen versucht Christian Ortner in seinem neuen Buch „Prolokratie – demokratisch in die Pleite“, wenn er darauf verweist, dass „sechs Millionen Nettoempfängern des Sozial- und Umverteilungsstaates nur noch zwei Millionen Nettozahler gegenüberstehen“.

Auf rund 90 Seiten nimmt sich Christian Ortner des immer stärker herandräuenden Problems der Kompatibilität von „Demokratie und gesunden Staatsfinanzen“ an; eine empfehlenswerte und anregende, wenn auch nicht immer erfreuliche Lektüre. Leider hat Ortner ebenfalls keine Antwort, wie man diese „Fehlfunktionen des demokratischen Betriebssystems“ beheben könnte, und er zitiert resignierend den luxemburgischen Regierungschef Jean Claude Juncker, der sich auch schon gelegentlich zur Lüge bekannt hat: „Wir Politiker wissen ja, was getan werden müsste. Wir wissen nur nicht, wie wir danach wiedergewählt werden können“. Womit wir wieder bei der politischen Lüge und den fehlenden Schwarzenbergs sind.

Trottoirzeitungen

Wenn wir davon ausgehen, dass sich laut einer aktuellen IMAS-Studie nur 26 Prozent der Österreicher für Politik interessieren, aber 79 Prozent zur letzten Nationalratswahl gegangen sind, muss man sich fragen, woher beziehen die über 50 Prozent, die sich nicht für Politik interessieren, ihre Informationen? Eine rasche Antwort gibt ein Blick in die von der Politik gekauften Billigzeitungen. Die Prolokratie hat eben die Medien, die sie verdient. Komplizierte Informationen sind zu lästig, der Funfaktor steht im Vordergrund und es wird kampagnisiert. Im Jänner wurde uns wieder gezeigt, mit welcher krassen Einseitigkeit ORF, „Krone“, „Heute“ und „Österreich“ für das SPÖ-Modell des Berufsheeres geworben haben, und wie stark die Argumente für die Wehrpflicht vernachlässigt, ja lächerlich gemacht wurden. Man weiß schon, wo die Geldtöpfe sind, mit denen man es sich nicht verscherzen sollte.

Dass die Abstimmung doch anders ausgegangen ist, wurde von vielen mit Erleichterung als Beweis aufgenommen, dass diese Trottoirzeitungen (der Ausdruck Boulevard ist eigentlich viel zu nobel), doch nicht alles vermögen. Hier ist Vorsicht angebracht: Denn erstens ging die Abstimmung für die SPÖ verloren, weil sie selber nicht geschlossen war, zweitens war es bei diesem Thema sehr schwierig, gegen die großen Sympathien, die vor allem der Zivildienst in der Bevölkerung hat, anzuschreiben (die „Krone“ konnte sich diesmal nicht „im Einklang mit der Volksseele fühlen“, wie Hans Rauscher treffend meinte), und drittens haben diese Krawallzeitungen ihren Schwerpunkt in Ost-Österreich, wo es ihnen ja in Wien sogar gelang, eine Mehrheit für das Berufsheer herbeizuschreiben.

Bücherverbrennungen anno 2013

Ein besonderes Kapitel im österreichischen Medienwesen ist der Umgang mit „unangenehmen“ Büchern. Die Nazis haben Bücher noch verbrannt, die zeitgenössischen Hohepriester der Deutungshoheit ignorieren Bücher oder verreißen sie in hämischen Rezensionen. Zwei aktuelle Fälle gibt es, und auch hier sieht es die ACADEMIA als ihre Aufgabe an, über Dinge zu berichten, die zwar passieren, von „gleichgeschalteten“ Medien aber ausgeblendet werden

Das eine ist die schon erwähnte Broschüre von Christian Ortner, das andere ist das Buch von Ernst Hofbauer: Faymann – der Kanzler im Zwielicht, der schon mit zwei Klestil-Büchern für Aufregung sorgte. Der Autor legt damit nicht nur ein penibel recherchiertes Portrait unseres Bundeskanzlers vor, sondern auch ein Sittenbild der Wiener SPÖ und ihrer Netzwerke; auch keine „angenehme“ Lektüre, aber sehr erhellend.

Sittenbild

Selbstverständlich nimmt in Ernst Hofbauers Faymann-Buch der lockere Umgang mit Steuergeld zur Medienbestechung einen besonderen Platz ein, und er zitiert dazu gewichtige Zeitzeugen, wie etwa den Wiener Kunst- und Medientheoretiker Peter Weibel, „Faymanns Devise, inserieren statt regieren, ersetzt Politik schon immer durch Medienmanipulation“, oder den an sich SPÖ-freundlichen Korrespondenten der NZZ, Charles Ritterband: „Angeblich gibt keine demokratische Regierung der Welt so viel Steuergeld für gezielt eingesetzte Selbstbeweihräucherung in den Medien aus“.

Angeregt durch die Auslassungen und Behübschungen im Lebenslauf des Kanzlers hatte sich der neugierige Ernst Hofbauer ans Werk gemacht. Was er zu Tage fördert, ist mehr als bemerkenswert, ja streckenweise erschreckend. Hofbauer schildert nicht nur die praktisch ungebrochene Karriere des späteren Teflon-Kanzlers, der es schon als Jugendfunktionär der SPÖ bestens verstand, ohne anzuecken vorwärtszukommen. Seine kaum dokumentierte AHS-Zeit sowie sein Nicht-Studium bilden nur den Aufhänger für ein Buch, das einerseits ein Sittenbild der Wiener SPÖ beziehungsweise des Rathausfilzes ist, sowie andererseits die Systemschwächen der modernen Gefälligkeitsdemokratie aufzeigt. Dazu passt exakt eine Headline zu einem „Standard“-Bericht: „Mittelmäßiger Wohnbaustadtrat zum Kanzler gekauft“. Wahrscheinlich haben wir Österreicher keinen Schwarzenberg verdient.

Prof. Dr. Herbert Kaspar ist Herausgeber der ACADEMIA, der Zeitschrift des österreichischen Cartellverbandes. Dieser Kommentar ist der aktuellen Dezember-Ausgabe entnommen.

PS: Die Political Correctness als Gefahr für die Demokratie

Herbert Rosendorfer, einer der wohl gescheitesten Schriftsteller der Nachkriegszeit, hat immer wieder Fehlentwicklungen unserer Gesellschaft auf’s Korn genommen und sich auch insbesondere zum Terror der Political Correctness geäußert, die die Demokratie gefährdet: „Wenn keiner mehr sagen darf, was er meint, ruft das eine Verlogenheit hervor, die schädlich für die Demokratie ist. [...] Wenn einer sagt, ich bin ein Nazi und der Hitler war ein großer Mann, dann weiß man, dass das ein Trottel ist.“

Wenn man aber befürchten muss, mit seiner Meinung Gesetze oder Konventionen zu verletzen oder sich dadurch der Ächtung der Zeitgenossen auszusetzen, dann wird man eben lügen, was die unangenehme Folge hat, dass man nicht mehr jeden Trottel sofort erkennt. Keiner sagt mehr wirklich was er denkt, sondern es wird so formuliert und verpackt, wie der Sprecher annimmt, dass es von ihm erwartet wird. Kein Wunder, dass zahlreiche Diskussionen hierzulande nicht nur langweilig, sondern vor allem auch verlogen ablaufen, was nicht so sein müsste, wenn man sich etwa Debatten im angloamerikanischen Raum ansieht.

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Ein Rücktritt und seine Gründe

11. Februar 2013 13:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das ist nun wirklich eine weltgeschichtliche Sensation: Der Papst tritt zurück. Was sind die wahren Motive von Benedikt XVI.? Eines ist sicher sein Gesundheitszustand. Ein anderes ist aber der Zustand seiner Kirche.

Der deutsche Papst tut etwas, was vor ihm überhaupt erst ein einziges Kirchenoberhaupt getan hat. Er übt praktizierte Demut. Ihm war keine Sekunde lang der Glanz und Pomp rund um das älteste Amt der Menschheit wichtig, sondern nur die Zukunft seiner Kirche.

Benedikt setzt damit einen zweifellos für die nächsten Jahrhunderte wichtigen Präzedenzfall: Während sein Vorgänger die öffentliche Darstellung seiner Leiden geradezu als mystischen Akt einer Wiederholung der Leiden Christi gesehen hat, will Ratzinger nicht seine zunehmende Schwäche in den Mittelpunkt des weltweiten Interesses einer immer schamloser werdenden Medienwelt gerückt sehen.

Das ist zweifellos Ausfluss seiner persönlichen Bescheidenheit und Nüchternheit. Damit stehen aber auch alle Nachfolger eines Tages vor der bisher nicht vorhandenen Frage: Rücktritt oder Ausharren? Folgen sie dem Exempel von Johannes Paul II. oder eben dem von Benedikt?

Dieser spürt mehr denn sein Vorgänger, dass die Kirche nicht nur Charisma braucht – von dem er zweifellos weniger hatte –, sondern auch eine kraftvolle Führung. Die hatte es in den letzten Krankheitsjahren des polnischen Papstes nicht mehr gegeben.

Aber auch der feinsinnige Theologe Ratzinger fühlte sich dazu immer weniger imstande. Kriminalfälle in seiner unmittelbaren Umgebung, vatikanische Intrigen und die wachsende Disziplinlosigkeit auch vieler Priester und Bischöfe haben ihn ebenso an den Rand der Verzweiflung getrieben wie der gewaltige Schock der vielen in seiner Amtszeit an die Oberfläche gekommenen Fälle von Kindesmissbrauch. Dabei ist es ihm verständlicherweise kein Trost gewesen, dass sich inzwischen gezeigt hat, welche grässlichen Dinge sich auch in vielen anderen staatlichen wie privaten Heimen und Schulen abgespielt haben.

Dass kraftvolle Führung in der Kirche zunehmend vermisst wird, werden wohl auch besonders viele Gläubige in der Erzdiözese Wien unterschreiben. Dass der Wiener Kardinal trotz mehrerer Mahnungen aus Rom auf die von Wien ausgehende Ungehorsams-Aktion etlicher Priester bis auf einige zaghafte Versuche letztlich völlig tatenlos reagiert hat, gehört da ebenso dazu wie seine Führungsschwäche in Sachen Votivkirche oder seine Unfähigkeit, sich mit guten Beratern zu umgeben.

In der Kirche zerren zwei Flügel in sehr unterschiedliche Richtungen. Das wurde in den letzten Monaten auch dadurch anschaulich, dass es für mehrere zu besetzende Bischofsämter keine überzeugenden Nachfolger gibt. Weder der progressive noch der konservative Flügel können überzeugende Kirchenmänner nennen. Und noch weniger Persönlichkeiten gibt es, die kraftvoll über diesen beiden oft sehr kurzsichtigen Gruppen stehen.

Nur in wenigen Ländern der Weltkirche wie in Österreich und im Heimatland des Papstes könnte man unter dem Eindruck der Medien glauben, dass der sogenannte progressive Flügel der stärkere wäre oder gar, dass er die Zukunft vertreten würde. Im weltweiten Katholizismus ist das hingegen keineswegs der Fall. Da ist im Gegenteil gerade aus der immer wichtiger werdenden Dritten Welt eine ganz starke Rückbesinnung auf die Tradition der Kirche zu beobachten. Aber auch im deutschsprachigen Klerus zeigt sich, dass jüngere Priester mit dem Ungehorsam der kirchlichen Altachtundsechziger immer weniger zu tun haben wollen.

Auch die von Benedikt XVI. zuletzt in auffallend großer Zahl vorgenommenen Kardinals-Ernennungen bestätigen das. Der nächste Papst wird daher nicht zu jenen gehören, die unter diffuser Berufung auf das ein halbes Jahrhundert zurückliegende Konzil (freilich ohne konkrete Belege durch Dokumente) eine ständige weitere Demontage der katholischen Tradition vorantreiben wollen.

Freilich: Schon oft haben sich Menschen nach ihrer Wahl ganz anders entwickelt als erwartet. Denn in den westlichen Industrieländern wird man durch bloße Tradition wohl nicht mehr die nötige Wiederbelebung des Glaubens schaffen. Ein kraftvoller Papst könnte daher sowohl in Richtung Zölibat wie auch in Hinblick auf die Geschiedenen dann Zeichen setzen, wenn er zugleich die Kirche mit Stärke wieder auf den missionarischen Weg des Glaubens statt des Zeitgeistes setzt.

Die große Zahl der neuen Kardinäle mit einem klar außereuropäischen Schwerpunkt zeigt aber noch zweierlei: Benedikt hat sich erstens in aller Zielstrebigkeit schon einige Zeit auf seinen Abgang vorbereitet. Und zweitens ist die Wahrscheinlichkeit so groß wie noch nie, dass der nächste Papst nicht mehr aus Europa kommt. Wer etwa das Blühen der Kirche in Vietnam gesehen hat, der spürt, wo es neue Wurzeln geben könnte.

PS.: Aus einem langen – privaten – Gespräch, das ich vor rund einem Jahrzehnt mit Josef Ratzinger führen durfte, weiß ich aber auch, was Österreich mit ihm verliert: einen Mann, der sich nicht nur auf Grund seines grenznahen Geburtsortes extrem gut in Österreich auskannte. Ratzinger zeigte sich damals voll innerer Empörung über die Heuchelei etlicher europäischer Staaten, mit denen gegen Österreich vorgegangen worden war.

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Planwirte aller Parteien

11. Februar 2013 12:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

­­­­Wer geglaubt hat, nur Rot und Grün stünden für die Planwirtschaft, der täuscht sich gründlich. Auch schwarz-blau-orange Politiker werden immer wildere Kämpfer für den realen Sozialismus, der mit seiner Plan- und Regulierungswut, mit seinen totalitären Verboten so viel Not und Elend geschaffen hat, während die Länder der Marktwirtschaft immer wohlhabender wurden.

Die jüngsten Exempel für die Regulierungswut der angeblich rechten Parteien:

Ein Satz aus der jüngsten Rede des schwarzen EU-Abgeordneten Othmar Karas: "Dann benötigen wir die Fiskalunion, nach der Fiskalunion benötigen wir die politische Union mit wirtschafts-, steuer-, sozial- und budgetpolitischer Koordinierung". Kommentar überflüssig.

Die jüngste Forderung des freiheitlichen Niederösterreichers Gottfried Waldhäusl: Er verlangt ein generelles Spekulationsverbot für Land, Gemeinden und Verbände, das in der Landesverfassung verankert werden soll. Das sei "eh sehr harmlos", wenn man bedenke, dass Leuten, die das Geld anderer verspielen, früher "die Hände abgehackt" worden wären. Kommentar überflüssig.

Der BZÖ-Parteichef Josef Bucher bekommt neuerdings überhaupt Schaum vor dem Mund, wenn er an die Möglichkeit denkt, dass sich in seinem Glas Wasser befindet, das ihm dort ein Privater und nicht der Staat eingeschenkt haben könnte. Kommentar überflüssig.

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Im Target-Sumpf: Die Dilemmata von Politik und EZB

06. Februar 2013 01:41 | Autor: Friedrich Romig
Rubrik: Gastkommentar

Hans-Werner Sinn, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in München (ifo), ist heute der prominenteste Nationalökonom deutscher Zunge. Seinen Ruhm verdankt er der Fähigkeit, komplizierte Vorgänge im Finanzbereich samt ihren Wirkungen auf die Realwirtschaft einfach, anschaulich und so überzeugend darzustellen, dass er zu den meist gesuchten Gesprächspartnern und Kommentatoren in den Massenmedien gehört.

Hunderte Fachkollegen schließen sich seinen Aufrufen immer wieder an, mit denen er die unbedarfte Politik vor den Nachteilen ihrer Maßnahmen und Entscheidungen warnt, welche Deutschland nach und nach in den Abgrund ziehen und Europa spalten. So traten zuletzt seiner Kritik an den Vorschlägen zur Schaffung einer EU-weiten Bankenunion über 270 Nationalökonomen bei. Die Bankschulden der PIIGSZ (Portugal, Italien, Irland, Griechenland, Spanien, Zypern) von rund 9.300 Milliarden Euro in irgendeiner Weise in eine Bankenunion einzubringen, dieser Vorschlag erscheint so absurd, dass wir ihn hier im Zusammenhang mit den Target-Salden nicht behandeln, sondern  bei anderer Gelegenheit beurteilen wollen.

Größte Beachtung haben Sinns gründliche, seit 2011 öffentlich gemachte Untersuchungen zu den verheerenden Folgen der ausufernden Target-Salden gefunden, in denen sich die Auswirkungen der Europäischen Währungsunion abbilden. Er musste sich einige Zeit um die Anerkennung des Problems durch seine Fachkollegen abmühen, war aber schlussendlich erfolgreich. Nicht erfolgreich war er bei der Mehrheit der Parlamentsabgeordneten, die noch bei ihren Beschlüssen im Juni/Juli 2012 die Target-Falle nicht zur Kenntnis nahmen.

Die Schönredner unter den Verantwortlichen in den Zentralbanken (rühmliche Ausnahme: Jens Weidmann, der Präsident der Deutschen Bundesbank), in den Finanzministerien, in der Politik und unter den Journalisten  versuchen bis heute die Auswirkungen der unbeherrschbaren Target-Salden klein zu reden. Dabei übertreffen Target-Salden die bislang aufgespannten „Rettungsschirme" um ein Vielfaches, ohne dass die Parlamente und Regierungspolitiker auf sie auch nur den geringsten Einfluss nehmen könnten. Sie alle agieren, wie die Engländer sagen, „penny-wise and pound-foolish“.  Sie liefern sich lieber Scheingefechte um ihre vermeintlichern „Hoheits- und Haushaltsrechte", die ihnen durch die „Finanzmärkte"  längst entwunden wurden; oder sie segnen Spar-, Koordinations- und Wachstumsprogramme auf ihren „Gipfeln" ab, die nicht mehr als heiße Luft für medienwirksame Ballons enthalten.

Sinns im September 2012 erschienenes Buch „Die Target-Falle – Gefahren für unser Geld und unsere Kinder" wurde innerhalb weniger Wochen zum Bestseller, doch ob die Käufer sich die Mühe machen, es durchzuarbeiten, bleibt zweifelhaft. Bitteren Wahrheiten ins Gesicht zu sehen ist nicht jedermanns Sache. Die Erkenntnis, von den eigenen Politkern, Zentralbankern und hohen Beamten von vorne bis hinten belogen, betrogen und um seine Erspartes gebracht zu werden, erschüttert das dem Menschen angeborene Urvertrauen in einer Weise, die es vielen geraten sein lässt, ihre Augen zu verschließen um den Glauben an die Würde und an das Gute im Menschen nicht ganz zu verlieren.

Was sind Target-Salden, wie entstehen sie?

Mit Target (Trans-European Automated Real-time Gross Settlement Express Transfer System) wird ein Clearingsystem zwischen den nationalen Notenbanken der Eurozone und der Europäischen Zentralbank bezeichnet, durch das der Zahlungsverkehr täglich verbucht und abgerechnet wird. Target 2 ist die Weiterentwicklung und der Nachfolger des bis Mai 2008 benutzten ersten Target-Systems.

Target-Salden, um die es in Hans-Werner Sinns Buch geht, entstehen, wenn die Summe der Überweisungen in ein Empfängerland die Rückflüsse in das Entsendeland übersteigt. In den ersten Jahren dieses Verrechnungssystems entstanden längerfristig keine größeren Salden. Guthaben wurden durch normale Kreditvereinbarungen oder durch Kapitalveranlagungen ausgeglichen. Mit der Finanzkrise traten aber spätestens 2009 die Verzerrungen ans Licht, die der Euro in der Finanz- und Realwirtschaft hervorgerufen hat. Die Salden konnten nicht mehr durch die ausgetrockneten Finanzmärkte ausgeglichen werden.

An die Stelle der Finanzmärkte traten die horrenden Verrechnungsforderungen der noch einigermaßen gesunden Länder gegenüber den PIIGSZ. Die Gefahr liegt darin, dass diese Verrechnungsforderungen oder „Target 2-Salden“ nicht mehr ausgeglichen werden können und von der EZB in größerem Ausmaß als uneinbringlich abgebucht werden müssen.

Die Entstehung dieser Salden hat vornehmlich zwei Ursachen: Leistungsbilanzdefizite und Kapitalflucht. Leistungsbilanzdefizite entstehen, wenn ein Land mehr importiert als exportiert und auch auf dem Dienstleistungssektor (bei vielen PIIGSZ zählt der Tourismus) keinen adäquaten Ausgleich schafft. Bleiben dann auch noch Kapitalinvestitionen aus und setzt mangels Vertrauen zusätzlich Kapitalflucht oder Kapitalrepatriierung ein, dann stehen die Defizitländer sehr schnell vor dem Bankrott.

Die von EFSF, ESM und IWF aufgespannten „Rettungsschirme“ sowie die Stützung von Banken und Staatsanleihen jetzt in „unbegrenztem Ausmaß" durch die Europäische Zentralbank sind „Kauf von Zeit“ und dienen nur noch der Konkursverschleppung. Zugleich führen sie dazu, dass die Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit verzögert wird und erforderliche Restrukturierungen, Beamtenabbau und Lohnkürzungen unterbleiben.

Gutachten der „Troika“ (EZB, IWF, EU), die vor Freigabe von weiteren „Hilfstranchen" den PIIGSZ regelmäßig bescheinigen, dass die hilfsbedürftigen Länder „auf gutem Wege" sind und „liefern", sind inzwischen nicht einmal mehr das Papier wert, auf dem sie geschrieben wurden  und dienen  nur noch der Ruhigstellung aufgebrachter Bürger und kritischer Parlamentarier in den Zahler- und Garantieländern.

Doch noch wichtiger als diese „Rettungsmaßnahmen“ sind für die Verzögerung der Konkursanmeldung die Target-Salden. Um ein Gefühl für die Bedeutung der Target-Salden für die Finanzierung der PIIGSZ zu bekommen genügt der Hinweis, dass durch die „Rettungsschirme" nur etwa 18 Prozent, durch die Target-Salden (inkl. der ihrem Charakter entsprechenden Ankäufe von Staatsanleihen durch die EZB) dagegen 82 Prozent der bislang ausgereichten Hilfsgelder aufgebracht wurden. Von 1.471 Milliarden Euro entfielen Ende August nur 255 Milliarden auf die „Rettungsschirme".

Nicht in diesen Summen ausgewiesen sind die beträchtlichen Injektionen der EZB, durch die Not leidende Banken mit Liquidität zum fast-Nulltarif versorgt werden. Durch die laufende Herabsetzung der Bonitätskriterien bis auf Schrottniveau für zu hinterlegende Sicherheiten ("Collaterals") steigt das Risiko für die gesunden Länder nochmals beträchtlich an. Eben deshalb will die EZB das Ausscheiden eines Landes aus dem Euro unbedingt verhindern, wäre sie doch dann selbst pleitegefährdet. Keine gute Voraussetzung für unparteiische Gutachten über die Schuldentragfähigkeit eines hilfsbedürftigen Staates.

Anschreiben als bloße Konkursverschleppung

Die Griechen, so führt H.-W. Sinn seinen Landsleuten die realen Auswirkungen der Target-Salden plastisch vor Augen, lassen „anschreiben": Sie fahren in dem von uns gelieferten Mercedes herum und bezahlen ihn mit einem auf Ewigkeit angelegten „Verrechnungsposten".

Solche Importe durch die Übertragung von fungiblen Vermögenswerten (z.B. durch Pfandbriefe oder durch Gold wie noch unter dem Bretton-woods-Abkommen verlangt) zu „bezahlen“ und damit auszugleichen, dazu bestehen bei den Griechen weder Veranlassung noch Absicht und Möglichkeit. Ganz im Gegenteil: Die EZB ermöglicht sogar den Ausverkauf Deutschlands (Immobilien) durch die Bürger aus PIIGSZ, die  via EZB bei der Deutschen Bundesbank ebenfalls  „anschreiben" lassen: Der Süden „kauft sich im Norden, was einem beliebt, und die Notenbanken des Nordens saugen das Geld im Austausch gegen weitere Target-Forderungen wieder auf".

Lange kann das nicht gut gehen. Die Behauptung, Deutschland habe vom Euro profitiert, erweist sich auch an diesem Beispiel einmal mehr als Schwachsinn. Das BIP-Wachstum Deutschlands von 1995 bis zur Krise 2007 betrug nicht einmal die Hälfte des Wachstums von Griechenlands! Und nur ein Sechstel von jenem Irlands!

Die Target-Forderungen der Überschussländer (Deutschland, die Niederlande, Luxemburg, Finnland, Estland) beliefen sich Ende September 2012 auf rund 1.100 Milliarden Euro, wobei Deutschland mit 75 Prozent die Hauptlast trug, in der EZB jedoch das gleiche Stimmgewicht wie Malta besitzt. Die PIIGSZ, die rund 1.000 Milliarden schulden, können leicht die Hände heben, die in die deutschen Vermögenstaschen greifen. Die deutsche Regierung und das Parlament werden nicht einmal mehr zum Abnicken gebraucht.

Der langen Rede kurzer Sinn: Deutschland steckt bis über den Hals im Target-Sumpf. Dank Merkel und ihren Helfershelfern sogar aus der Opposition (SPD und Grüne stimmen bei allen Rettungsaktionen mit) ist Deutschland „erpressbar“ geworden. Frau Merkels unbesonnene Bemerkung, „scheitert der Euro, so scheitert Europa", hat ihr jede Handlungsmöglichkeit zur Befreiung aus dem Schuldensumpf verbaut. Deutschland ist jetzt auf Gedeih und Verderb zu den Hilfen gezwungen. Die Spar- und Kontrollprogramme, an die Merkel die Hilfen binden will, werden von keinem Land mehr ernst genommen. Warum denn auch, wenn Merkel das Ausscheiden aus der Eurozone durch Konkurs ausschließt? Die Folge: Merkel und ihr Finanzminister Schäuble knicken bei jedem Gipfel ein.

Die Bilanz der „Rettungsmaßnahmen“ ist trist: Statt Senkung der Staatsschulden steigen sie in den PIIGSZ unentwegt, die Defizitreduktionen bleiben ohne Ausnahme hinter den Auflagen zurück. Spanien, der Empfänger eines „Bankenhilfsprogramms", versprach beim Beschluss im Februar 2012 seine Staatsdefizite von 2012 bis 2014 von 5,3 auf 1,1 Prozent des BIP zu vermindern, doch ein halbes Jahr später musste mit 8 und 6,4 Prozent gerechnet werden. Statt einer Verschuldung von 81,5 Prozent des BIP werden für 2014 nun 97,1 Prozent erwartet, das Bankenpaket im Ausmaß von bis zu 100 Milliarden Euro ist dabei noch gar nicht eingerechnet! Zur Belohnung für die Nichterfüllung der Auflagen und übernommenen Verpflichtungen werden Hilfssummen erhöht, die Zinsen vermindert, Rückzahlungen vertagt oder teilweise gar gestrichen.

Nicht viel anders entwickeln sich die Dinge in den anderen PIIGSZ. Die ganze Eurozone wird neuerdings auch noch durch den Absturz Frankreichs gefährdet. Die Niederländer haben schwere Probleme mit ihrem Bankensektor, sie mussten inzwischen eine der systemrelevanten Banken verstaatlichen. Ähnlich geht es Belgien und Slowenien.

Mit seinen jüngsten Reden in Großbritannien und in Davos hat der britische Premierminister David Cameron nicht nur mit dem Austritt aus der EU gedroht, sondern den Finger in die Wunde der Eurozone gelegt, die neben Stagnation mit hoher Arbeitslosigkeit und dem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit in den nächsten Jahren zu rechnen hat. Ganz abgesehen davon, dass Großbritannien „niemals“ den Euro einführen wird, sinkt dort wie auch unter den anderen Ländern die Zustimmung zur EU.

Das hat den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, am 1. Februar 2013 veranlasst, von einer „tödlichen Bedrohung der Europäischen Union“ zu sprechen. Die EU, so Schulz, habe auf breiter Front Vertrauen verloren. „Wenn sich Menschen von einem Projekt, von einer Idee abwenden, dann geht das irgendwann seinem Ende entgegen." Die „Malaise der Europäischen Union" sieht Schulz in einem „doppelten Vertrauensverlust, den die EU erleidet". In der Eurokrise verliere die Union zum einen „das Vertrauen bei den Investoren als erfolgreiche Wirtschafts- und Währungszone. Und sie verliert das Vertrauen der Bürger als die sie schützende und ihre soziale Stabilität bewahrende Macht."

Zurück zur Drachme ist die einzige Lösung

Damit die Dinge halbwegs ins Lot kommen, müssten nach der Einschätzung von H.-W. Sinn Spanien, Griechenland und Portugal längerfristig im Vergleich zum Durchschnitt der Eurozone um etwa 30 Prozent billiger werden, um wieder wettbewerbsfähig zu werden, und selbst Frankreichs Preise müssen um 20 Prozent gegenüber dem Durchschnitt der Euro- Länder fallen. Bislang ist von den notwendigen Preissenkungen so gut wie nichts passiert.

Deutschlands Preise müssten umgekehrt um etwa 20 Prozent gegenüber dem Durchschnitt steigen. Wollte man kein Land in die Deflation zwingen, dann müsste Deutschland  ein Jahrzehnt sogar um 5,5 Prozent jährlich inflationieren. Doch weder das Eine noch das Andere wird geschehen. Die Länder würden da wie dort vor eine Zerreißprobe gestellt, die sie nicht aushalten können.

Realistischere Vorschläge, die H.-W. Sinn in seinem Buch behandelt, laufen alle darauf hinaus, dass Griechenland ohne Rückkehr zur Drachme keine Aussicht hat, je wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Je früher das erfolgt, desto weniger schmerzhaft ist das für die Griechen und ihre Gläubiger (vgl. S. 228).

Anders stellen sich die Probleme für Spanien, Portugal, Italien, Irland und neuerdings auch für Frankreich und Belgien dar: Für diese Länder ist die Eindämmung der Kapitalflucht vordringlich. Die aber ist gebunden an die Wiedergewinnung von Vertrauen, doch das scheitert bereits an der zumeist wackligen politischen Führung in den Problemländern, die oft genug auch noch von Korruptionsvorwürfen geplagt wird.

Aus dem Dilemma der Griechen, entweder Rückkehr zur Drachme oder auf ewige Zeiten von Almosen zu leben, zieht H.-W. Sinn den Schluss, dass zumindest ein „temporärer Ausritt aus dem Euroverbund bei Ländern ins Auge zu fassen (ist), die in diesem Verbund nach heutiger Lage keine realistische Chance mehr haben, ihre Wettbewerbsfähigkeit wiederzuerlangen“ (S. 373). Mit „Strukturänderungen“ (Beamtenentlassungen, Lohn- und Pensionskürzungen, Inkaufnahme hoher Arbeitslosigkeit, besonders unter Jugendlichen) und „Sparprogrammen“ die Länder in die Rezession und Deflation zu stürzen, bringe nichts: „Wer glaubt, das Problem ließe sich mit Sparprogrammen von der Art lösen, wie sie die Euroländer derzeit von Griechenland und Portugal verlangen, hat die Schwere des Problems offenkundig nicht verstanden“ (S. 377).

In Wahrheit gibt es nur eine Alternative: Dauerfinanzierung der Leistungsbilanzdefizite oder Austritt. Zur Dauerfinanzierung wird sich niemand bereit finden. Zur Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit bleibt daher nur der Austritt, die Rückkehr zur eigenen Währung mit anschließender Abwertung.

Wie das technisch erfolgen könnte, dazu gibt H.-W. Sinn zahlreiche Hinweise, doch das ist hier nicht weiter von Interesse. Historische Beispiele für die Auflösung von Währungsunionen gibt es genug. Die meisten hatten insofern Erfolg, als nach wenigen Jahren die Wettbewerbsfähigkeit wieder erlangt und der Zugang zu den Finanzmärkten wieder offen war. „Wenn man aufhört, den Austritt als Weltuntergang zu deklarieren, und ihn auf die Ebene der praktischen Politik zurückholt, lässt er sich beherrschen und zum Wohle fast aller Beteiligten gestalten, vielleicht mit Ausnahme des Wohls einiger Finanzinvestoren. Er würde den Zusammenhalt Europas und die Basis für das friedliche Zusammenleben seiner Völker verstärken“ (S. 384).

Die Zahlungsbilanzkrise ist jedenfalls nicht durch „nahezu beliebigen Kredit aus der Notenpresse“ der EZB, durch Zinsen, die gegen Null tendieren und „Sicherheiten“, die diesen Namen nicht verdienen lösbar. Unantastbarkeit der Mitgliedschaft im Euro, unbeschränkte Hilfszusagen zur Verhinderung des „Scheiterns von Europa“,  unbegrenzter Zugang zu den Target-Krediten und zu den Griffen an der Notenpresse der EZB haben „nicht nur die Schuldenexzesse im privaten und im öffentlichen Bereich ausgelöst“, sondern auch zum Verlust der Wettbewerbsfähigkeit eines erheblichen Teils der Euroländer geführt“, die sich nun als „Fass ohne Boden“ für die noch soliden Länder darstellen „Wer die Eurozone zu einer Transfer- und Schuldenunion entwickeln will … spielt ein gefährliches Spiel.“ Sein „Weg führt nicht zu dem erstrebten Ziel der Vereinigten Staaten von Europa, sondern in Chaos und diskreditiert die europäische Idee nachhaltig“ (S. 386f).

Ein vernichtenderes Urteil über Euro und Währungsunion lässt sich kaum fällen.

Hans-Werner Sinn: Die Target-Falle – Gefahren für unsere Kinder und unser Geld. Geb. 417 Seiten. Hanser-Verlag, München, 2. Aufl., Okt. 2012, ISBN 978-3-446-43353-3, Euro 19,90

Der Autor ist Univ.-Dozent für Theoretische Volkswirtschaftlehre und Volkswirtschaftspolitik. Seine letzten Publikationen: Die Rechte der Nation (2002), Der Sinn der Geschichte (2011), ESM  – Verfassungsputsch in Europa (2012).

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Loben, wo es nur geht – ein bisserl was geht immer

03. Februar 2013 03:15 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das Tagebuch kommt kaum mehr nach mit dem Aufarbeiten der konzentrierten Blödheit in Politik und Medien. Dennoch braucht es auch bisweilen Tage zum Durchatmen, also der Konzentration auf positive Dinge. Bei der nötigen Suchanstrengung findet man diese Dinge immer noch. Nicht nur im zwischenmenschlichen Bereich, sondern auch in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Ob es nun um das Erwachen des indischen Mittelstandes geht, um neuerdings sogar Recht sprechende chinesische Gerichte, um die Suche der amerikanischen Armee nach Gerechtigkeit, um die Entlarvung des modischen Akademikerfimmels, um die wachsende Anerkennung für das differenzierte Schulsystem, um neuen Mut der Wiener Wirtschaftskammer, um tricksende Fluglinien, oder um lesbische Möchtegern-Pflegeeltern.

Da ist es zum Beispiel wirklich eindrucksvoll und bewundernswert, wie in Indien so viele Bürger aufstehen und protestieren, damit nicht weiterhin Vergewaltigungen, selbst die allerbrutalsten, von Polizei, Politik und Justiz unter den Teppich gekehrt werden können. In Indien hat sich in den letzten Jahren (durch das Aufblühen der nun erlaubten Marktwirtschaft!) ein breiter Mittelstand entwickelt, der solche atavistischen Bräuche nicht mehr hinzunehmen bereit ist. Das soll man ohne Hochmut anerkennen. Auch unsere Kultur hat ja vom mythologischen Raub der Sabinerinnen bis zum Ius primae noctis eine üble einschlägige Vergangenheit. Die Entwicklung in Indien ist umso wichtiger, als es bald das größte und jedenfalls heute schon das weitaus jüngste Land unter den Großen dieser Welt ist (dass die Dinge im ethnisch gleichen Pakistan so ganz anders sind, liegt an der dortigen Retro-Religion, deren Abgesandte gerade in Wien vom hiesigen Bischof begeistert betreut werden. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte, die heute nicht dazupasst).

Ebenfalls bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Aufruf des Vizegouverneurs von New Delhi, dass Besitzer legaler Waffen auf den Straßen patrouillieren sollten, um vor allem nächtens bedrohten Frauen beizustehen. Dieser Aufruf erfolgt genau zu dem Zeitpunkt, da in Amerika (und bei unseren papierenen und elektronischen Boulevardmedien) jeder Waffenbesitz medial zum Schwerverbrechen hochgeschrieben wird. Zumindest in Indien, aber auch bei der Mehrheit der Amerikaner sieht man hingegen eine eindeutige Schutzfunktion legaler Waffen.

Auch aus dem – noch – einwohnerreichsten Land dieses Globus gibt es Lobenswertes zu berichten. Nämlich einen Prozess. Vor einem chinesischen Gericht hat sich die deutsche Firma Kärcher gegen einen chinesischen(!) Konkurrenten voll durchgesetzt. Der Prozessverlierer hatte das gemacht, was in China bisher weitgehend straflose Folklore gewesen ist: Er hat interessante westliche Produkte hemmungslos plagiiert. Nun aber hat zumindest dieser Richter einen  wichtigen Schritt in Richtung einer rechtsstaatlichen Zukunft Chinas gesetzt. Ein ebenso bedeutender Schritt war fast gleichzeitig, dass China Nordkorea vor der UNO seinen (Veto-)Schutz entzogen hat. Diesen Schritten müssen freilich noch viele weitere folgen: von der Herstellung der Meinungsfreiheit über eine effiziente Bekämpfung der Korruption, über eine Autonomie der Tibetaner und Uiguren, bis zu einer Verbesserung der Umwelt, wobei es insbesondere um einen raschen Ersatz der luftverpestenden Kohlekraftwerke durch die einzige funktionierende Alternative gehen müsste: noch deutlich mehr Kernkraftwerke.

Ebenso bemerkenswert ist eine Entscheidung des amerikanischen Verteidigungsministeriums. Es hat John Allen, den Oberbefehlshaber in Afghanistan, von allen Vorwürfen eines unangemessenen E-Mail-Verkehrs mit einer Frau eines anderen reingewaschen. Das ist besonders lobenswert nach der grauslichen Medienkampagne, die monatelang gegen Allen und diese Frau gelaufen ist (die ganz der in Mitteleuropa laufenden Kampagne gegen den Spitzenkandidaten der deutschen Freidemokraten gleicht). Die USA haben bewiesen: Man kann dem Druck der Medien auch widerstehen. Die widerliche Verletzung der Privatsphäre der Betroffenen kann freilich nicht mehr rückgängig gemacht werden. Und sollte eigentlich spürbare Konsequenzen haben.

Ebenso interessant ist noch eine weitere Entwicklung in den amerikanischen Streitkräften. Dort dürfen Frauen erstmals auch an vorderster Front kämpfen. Das eröffnet ihnen in halbwegs friedlichen Zeiten – und die haben wir, trotz der in Afghanistan und Irak getöteten 130 US-Soldatinnen, – gute Karrierechancen ohne den Quotenschmäh. Das ist die logische Folge des Geburtenrückganges und der sehr negativ gewordenen sozialen Auslese in der US-Armee. Diese neuen Rechte für die Frauen bedeuten aber natürlich auch, dass für sie künftig die genau gleichen körperlichen Hürden vor einer Aufnahme in solche Kampfeinheiten gelten müssen; denn im Kampf ist jede Einheit so schwach wie ihr schwächstes Glied. Da kann es keine Rücksichten auf ein (einst so bezeichnetes) schwaches Geschlecht geben. Das „Frauen an die Front“ wird nach einiger Zeit interessante Erfahrungswerte ergeben. Dabei ist es freilich durchaus möglich, dass dann gerade auf Grund dieser Erfahrungen die volle Gleichberechtigung auch in solchen Extremsituationen kritisch hinterfragt werden könnte. Oder eben auch nicht.

Zurück nach Europa. Da hat eine Studie der EU-Institution Eurofound Spannendes herausgefunden: In vielen europäischen Ländern sind zahllose junge Universitätsabsolventen auch noch lange nach der Ausbildung ohne jede Chance auf einen Job. Das ist zwar betrüblich, aber für die völlig verquere österreichische Bildungsdebatte eine wertvolle Erkenntnis: Denn linke OECD-Experten, österreichische „Qualitäts“-Zeitungen, Gendarmen als Landeshauptmann-Darsteller und Rot-Grün versuchen  uns ja einzureden, wie gut es wäre, wenn wir noch ein paar Tausend Politologen, Publizisten, Literatur-Absolventen und Ähnliches hätten. Die Fakten zeigen jedoch: Der in diesen Kreisen modische Akademikerfimmel führt in eine absolute Sackgasse. Hingegen ist die Lage der Jungen am Arbeitsmarkt in jenen Regionen, die ein differenziertes Schulsystem, also keine Gesamtschule haben, viel besser.  In Italien beispielsweise ist die Arbeitslosenrate unter Akademikern doppelt so hoch wie in Österreich die Arbeitslosenrate unter Absolventen einer Lehre. Diese sind im Gegensatz zu den Italienern, Griechen oder Spaniern bisher ohne den Fluch einer Gesamtschule aufgewachsen. Und gehen daher zweifellos in ein glücklicheres Leben.

Besonders erfreulich (auch wenn von Frau Schmied und Herrn Androsch krampfhaft verschwiegen) ist im gleichen Zusammenhang: Österreich wird derzeit von ausländischen Delegationen gestürmt, die das hiesige System der auf der Hauptschule aufbauenden Facharbeiterausbildung studieren und übernehmen wollen. Das Problem: Diese Fact-Finding-Emissäre werden in jenem Ministerium wie auch bei den ideologisch deformierten Bildungs-„Experten“ von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung nicht wirklich die volle Wahrheit hören. Dazu müssten sie beispielsweise in Österreichs Vorzeigebundesland Oberösterreich fahren, wo noch keine weltfremden Ideologen sitzen.

In anderen Zusammenhängen verdient auch die Wirtschaftskammer Lob. Zum einen gilt das deren Sozialpolitik-Experten: Diese produzieren regelmäßig ganz ausgezeichnete Studien mit harten Fakten, die nur einen Nachteil haben: Sie werden von den Medien ignoriert, weil sie nicht in die gängigen Vorurteile passen.

Zum anderen gilt dieses Lob der Wiener Kammer-Präsidentin Jank. Sie hatte einst von ihrem Vorgänger einen Verein übernommen, der zum Schoßhund des Rathaus-Machtwerks degeneriert war. Jetzt stellt Jank den bis ins letzte Frage-Detail manipulativen Skandal-Befragungen durch das Wiener Rathaus mutig eine eigene unter den Unternehmern gegenüber. Jank will die Handelsbetriebe in Wiens größter Einkaufsgegend fragen, ob sie die von Grün-Rot (also einer weltfremden Griechin und einem groggy und desinteressiert in den Seilen hängenden Bürgermeister) geplante Lahmlegung der Mariahilferstraße für sinnvoll finden, die ja in eine Fußgängerzone verwandelt werden soll. Das dürfte für die dortigen Unternehmen zur Katastrophe werden, über die sich nur die niederösterreichischen Einkaufszentren freuen können. Dennoch fährt das Rathaus über den größten Handelsmagneten Wiens drüber. Es befragt die wirklich Betroffenen trotz der gerade modischen Umfrageflut kein einziges Mal. Eigentlich müsste angesichts des explodierenden Stadt-Defizits und der alle anderen Bundesländer weit überragenden Arbeitslosigkeit als erste die Wiener Finanzstadträtin gegen die Mariahilferstraßen-Katastrophe protestieren. Die aber isst und küsst sich nach dem Motto „Hallöchen“ sehr lustig, aber an Sachfragen völlig desinteressiert durch die Landschaft (offenbar ist das die beste Strategie, um vielleicht doch noch Bürgermeister-Darstellerin werden zu können). Umso lauter ist die tapfere Initiative von Jank zu loben. Sie befragt übrigens die Unternehmer nicht nur zur Mariahilferstraße, sondern auch zu den Parkpickerln. Denn längst haben immer mehr Gewerbetreibende gespürt, dass in den Bezirken 13, 18 und 19 zwar ihre burgenländischen Friseurinnen weiter einen ganztägigen Gratisparkplatz haben, dass aber immer mehr Kunden ausbleiben, wenn sie angesichts völlig überparkter Straßenzüge nicht mehr zufahren können.

Zu loben sind diesmal auch zwei Urteile von Höchstgerichten. Der OGH hat einen miesen Trick der AUA verboten: Diese hatte Passagiere bisher mit einer zusätzlichen Gebühr bestraft, wenn sie trotz Buchung von Hin- und Rückflug nur einen Flug beansprucht haben. Das darf künftig nicht mehr sein. Dieses Urteil ist übrigens von der Tiroler Arbeiterkammer erfochten worden, womit diese zum ersten Mal seit langem ihre Lebensberechtigung bestätigt hat.

Ebenso anerkennenswert ist ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs, der zuletzt ja einige eher merkwürdige Sprüche beschlossen hatte. Der VfGH hat die Beschwerde eines lesbischen Paares aus Niederösterreich abgelehnt, das kein Pflegekind bekommen hat. Grundlage der Entscheidung ist das Wohl des Kindes. Das muss immer wieder festgehalten werden. Dieses Kind wächst in der nicht gerade landesüblichen Atmosphäre eines lesbischen Paares alles andere als problemfrei auf. In Wien freilich bekommen solche Paare durchaus Pflegekinder. Warum geht das dort? Weil das Opfer, also das Kind, ja kein Klagerecht hat.

Womit noch einmal gezeigt ist: Viele dieser hier aufgelisteten Dinge sind nur deshalb lobenswert, weil sie im Kontrast zu anderen, recht üblen Erscheinungen stehen.

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Wer für das Zwangsheer stimmt, soll auch dafür zahlen!

31. Januar 2013 23:19 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Das überraschend eindeutige Ergebnis der Abstimmung zur Frage Wehrpflicht oder Berufsheer? hat eine ganze Reihe von Kommentatoren auf den Plan gerufen. Die wohl provokantesten Thesen dazu formulierte Peter Menasse, Kommunikationsberater und Chefredakteur des Magazins „Nu“ (http://www.nunu.at/) in einem Gastkommentar für die Wiener Tageszeitung „Die Presse“. Unter der Überschrift „Pensionisten, ihr wollt das Zwangsheer? Dann zahlt auch die Zeche!" ließ er seinem Furor über den Ausgang der Abstimmung und gegen die Generation 60+ freien Lauf. Kurz zusammengefasst: Menasse wirft den Alten vor, dass diese sich ein schönes (schuldenfinanziertes) Leben machen, für das die Jungen aufzukommen haben.

Und nun soll die jüngere Generation – dank des erdrückenden Stimmgewichts der Alten – zu allem Überfluss auch noch für ein „Zwangsheer“ bluten, das sie selbst mehrheitlich ablehnt. Menasses Philippika gipfelt in der Forderung: „Jeder Euro, den das Heer zukünftig mehr kosten wird, sollte durch eine Kürzung der Pensionen hereingeholt werden. Ihr wollt das Zwangsheer, ihr wollt die Reform eines unsinnigen Gebildes – dann zahlt sie auch!“ Damit hat der Autor offenbar einen Nerv getroffen, wie die zahlreichen, zum Teil sehr emotionalen Leserkommentare zu diesem Beitrag zeigten.

Es ist bemerkenswert, dass viele glühende Befürworter der Demokratie immer dann büschelweise Haare in der Suppe finden, wenn ein Abstimmungsergebnis einmal nicht nach ihrem Gusto ausfällt. Menasse bildet da keine Ausnahme. Dass nämlich in der Demokratie in jeder Frage Mehrheiten zu Lasten von Minderheiten entscheiden, stört sie nicht, so lange das Abstimmungsergebnis ihre Zustimmung findet.

Hier dringen wir indes zum Wesenskern der Sphäre politischer Entscheidungen vor. Diese werden – in grellem Kontrast zu wirtschaftlichen Entscheidungen – im günstigsten aller denkbaren Fälle so gefällt, dass sie ein „Nullsummenspiel“ ergeben. Während wirtschaftlich freies Handeln alle daran Beteiligten besserstellt, gibt es in der Sphäre der Politik stets und notwendigerweise Verlierer, deren Zahl (stark) von der Regierungsform und (weniger stark) von der Qualität des Führungspersonals abhängt.

In einer Monarchie lebt eine kleine Zahl Privilegierter auf Kosten vieler. In einer Demokratie mit allgemeinem Wahlrecht lebt die große Masse auf Kosten weniger (diese Wahrheit ungeniert ausgesprochen zu haben, hat Mitt Romney möglicherweise die Mehrheit bei der zurückliegenden US-Präsidentschaftswahl gekostet).

Peter Menasse vorzuwerfen, dass er das Ergebnis einer bestimmten demokratischen Abstimmung kritisiert, wäre verfehlt. Vielmehr ist ihm vorzuhalten, dass er seine Kritik nicht auch bei jeder anderen demokratischen Abstimmung – untermauert mit denselben Argumenten – formuliert.

Wenn er nämlich meint, dass die Minderheit der Jungen von einer Mehrheit der Alten nicht ungestraft zum Wehrdienst gezwungen werden darf: Wie kommt dann aber die (etwa 20 Prozent der Wahlberechtigten stellende) Minderheit der Nettosteuerzahler dazu, von der Mehrheit der Profiteure des Wohlfahrtsstaates (bzw. deren Repräsentanten) mit ständig weiter steigenden Abgabenlasten beladen zu werden? Wie kommt die Minderheit der Arbeitgeber dazu, immer höhere Kosten schultern zu müssen, die aus der laufend zunehmenden arbeitsrechtlichen Besserstellung von Dienstnehmern resultieren? Weshalb darf die Mehrheit der Mieter ihre Rechte – seit dem Ersten Weltkrieg ungebremst – ohne weiteres auf Kosten der Minderheit der Vermieter ausweiten?

Menasse will – wie alle Apologeten der Demokratie – das Prinzip des demokratischen Staates entweder nicht sehen, oder er hat es nicht begriffen. Das Wesen der Demokratie besteht in einer völlig amoralischen Diktatur der Mehrheit. Keine noch so ausgeklügelte Verfassung vermag daran etwas zu ändern.

Die meisten Menschen verfügen von Natur aus über ein angeborenes Gespür für gut und böse. Sie unterlassen kriminelle Handlungen nicht aus Angst vor Strafe, sondern weil sie sie als falsch erachten. Nur wenige finden es daher angemessen, ihre materiell besser gestellten Nachbarn auszurauben. Kaum aber stattet man diese kreuzbraven Menschen mit dem Wahlrecht aus und schickt sie zur Wahl, wählen sie postwendend jene Räuberbande, die ihnen am glaubhaftesten verspricht, ihre Nachbarn auszuplündern und ihnen hernach den größtmöglichen Teil der Beute zuzuschanzen. Das demokratische Prinzip kehrt buchstäblich das Unterste zuoberst und korrumpiert selbst die anständigsten Zeitgenossen. Nicht umsonst riet der letzte der großen Philosophen des antiken Griechenlands, Epikur, dringend dazu, sich von der Politik fernzuhalten…

Einem der Gründerväter der USA, Benjamin Franklin, verdanken wir die hellsichtige Erkenntnis, wobei es sich bei der Demokratie darum handelt, dass „zwei Wölfe und ein Lamm darüber abstimmen, was es zum Mittagessen gibt“. Wie viel Naivität bedarf es, um sich über das Ergebnis einer derartigen Abstimmung Illusionen zu machen? Oder, wenn es etwas weniger wohlmeinend formuliert sein darf: Wie viel böser Absicht bedarf es, um ein derartiges System Krethi und Plethi als der Weisheit letzten Schluss verkaufen zu wollen? Es dürfte kein Wunder sein, dass die größten Philosophen seit den Tagen der Antike so unerbittliche Kritiker der Demokratie waren…

Zurück zur in der „Presse“ abgedruckten Suada: Wenn schon Kritik an der Demokratie, dann aber nicht anhand einer einzelnen Abstimmung, deren Ergebnis einem nicht schmeckt, sondern tiefgreifend – an die Wurzel gehend. Demokratie funktioniert – bei allgemeinem, gleichem und geheimen Wahlrecht – exakt so, wie sie Menasse anhand der Wehrpflichtabstimmung (völlig zu Recht!) kritisiert. Eine anonyme und daher nicht zur Verantwortung zu ziehende Mehrheit verschafft sich (materielle) Vorteile auf Kosten einer Minderheit, die ihren Schaden allenfalls durch eine Flucht ins Ausland begrenzen kann (was in Frankreich soeben beispielhaft und in großem Stil geschieht!).

Die zur Exekution des Mehrheitswillens aufgerufenen Politiker berufen sich auf das Wahlergebnis und sind für ihre (verbrecherischen) Handlungen nicht haftbar zu machen. Wir haben es somit mit einem System der doppelten Unverantwortlichkeit zu tun, in dem, wie Frédéric Bastiat konstatiert, jedermann versucht, auf Kosten der anderen zu leben. Ende der Durchsage.

Wer daran etwas ändern möchte, sollte über nachhaltig funktionierende und – anders als die dekadenten Wohlfahrtsstaaten europiden Zuschnitts auf Substanzverzehr gegründete – nichtstaatliche, eigentumsbasierte anstatt mehrheitsorientierte – Organisationsformen nachdenken. Mit hysterischem Geschrei wegen des Scheiterns einer sozialistischen Medienkampagne ist jedenfalls niemandem gedient…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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SPÖ: Nur noch Spin und gar nix drin

28. Januar 2013 00:38 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Was ist nur mit den Sozialdemokraten los? In letzter Zeit versteigen sie sich in Österreich wie in Europa - eine weitgehende Ausnahme ist die SPD - fast täglich in immer radikalere Absurditäten. Die Sozialisten, die in den Nachkriegsjahren hierzulande noch eine lobenswerte Speerspitze gegen sowjetische Übergriffe gebildet hatten (vielleicht zum Ausgleich, weil ihr Verhalten 1938 viel weniger ruhmreich war), schwimmen ganz nach links hinaus.

Das hat sich in den letzten Tagen in Österreich ganz besonders deutlich und konzentriert gezeigt. Offen sind nur die Motive.

Ist das eine panikartige Reaktion auf die Ohrfeige bei der Volksbefragung? Ist das eine bewusste Strategie, ein „Spin“, mit einem Linksruck und dem Hochspielen anderer künstlicher Aufregungen von dieser Demütigung abzulenken? Hängt das damit zusammen, dass die einstige Arbeiterpartei weitestgehend von den Altachtundsechzigern übernommen worden ist? Ist das eine Folge des Sinnvakuums, das durch das dramatische Scheitern ihres neokeynesianischen Schuldenkurses ausgelöst wurde? Oder hängt das primär mit der Führungsschwäche der österreichischen Sozialdemokraten zusammen?

Die Partei hat nichts von ihrer alten Substanz mehr. Sie wird – zum Abscheu ihrer alten Wähler – von ein paar radikale Feministinnen, fanatischen Zuwanderer-Förderern und einer immer engere Anlehnung an linksextreme Positionen geprägt. Und vor allem von Spin-Doctoren, die aber ohne geistige Führung eines Parteichefs oder einer funktionierenden Ideologie nur Peinlichkeit erzeugen. Besonders schmerzhaft ist in Zeiten wie diesen, dass die SPÖ keinen einzigen Finanz- oder Wirtschaftsexperten hat, etwa eine kleine, österreichische Ausgabe des Peer Steinbrück.

In der Folge einige Beispiele, wie die Sozialdemokraten dieses Vakuum zu füllen versuchen. Man stößt fast durchwegs auf Signale, die noch mehr Wähler abschrecken, als es die Partei ohnedies schon getan hat. Jedenfalls kann die ÖVP für all das herzlich danken, liegt sie doch neuerdings zum ersten Mal seit Jahren bei den Umfragen gleichauf mit der SPÖ.

Faymanns Kampgne für noch mehr Schulden

Da entpuppt sich der Parteiobmann täglich mehr als ein europäisches Wunder an Dummheit: Als einziger Regierungschef eines der noch solventen Nettozahlerländer verlangt er Eurobonds, also die endgültige Haftung von Österreich (und Deutschland, Niederlanden und Finnland) für die Schulden Griechenlands, Spaniens, Frankreichs, Italiens, Zyperns und Portugals. Damit erntet er zwar bei den südeuropäischen Sozialisten Schulterklopfen; in Deutschland wie bei den österreichischen Wählern aber nur noch ein absolut verständnisloses Kopfschütteln.

Die Kampagne gegen blaue Bälle

Da hetzt der Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny gegen den „Akademikerball“ der FPÖ. Dieser sei „anmaßend und rufschädigend“. Diese grundlose Kampagne zeigt eine absolut totalitäre Einstellung dieses Politikers. Denn es gibt absolut keinen Grund, weshalb eine demokratische Partei wie die FPÖ in einem Rechtsstaat keinen Ball – oder irgendeine sonstige Veranstaltung – abhalten darf. Dasselbe gilt für jede Studentenverbindung. Eigentlich müsste Mailath-Pokorny zumindest für die Kosten des Polizeieinsatzes haftbar gemacht werden, der damit provoziert wird.

Swoboda: Lieber Italiens Kommunisten als Monti

Da dementiert der aus Wien kommenden europäische Sozialistenchef Hannes Swoboda ausdrücklich Berichte, wonach er den italienischen Sozialisten (Demokratische Partei) eine Koalition mit Mario Monti empfohlen habe. Herr Swoboda legt sogar Wert auf die ausdrückliche Betonung, dass er seinen dortigen Parteifreunden jemand anderen ans Herz legt: niemand anderen als den Nach-wie-vor-Kommunisten Nichi Vendola. Dieser wird von Swoboda ausdrücklich als „unentbehrlicher Partner“ empfohlen.

Nun: Vendola ist vor allem dadurch bekannt, dass er die Sanierungsmaßnahmen Montis vehement bekämpft hat, während ihnen Silvio Berlusconi so wie die Demokraten immerhin durchwegs zugestimmt hatte. Dass im übrigen auch bei der Demokratische Partei trotz ihres weitgehend demokratisch-rechtsstaatlichen Eindrucks selber etliches stinkt, darf am Rande schon vermerkt werden: Immerhin besteht sie großteils aus der ehemaligen Kommunistischen Partei (nachdem die eigentlichen Sozialisten im Korruptionssumpf untergegangen sind). Immerhin sind die Demokraten bis zum Ellbogen in den neuen und von der Dimension her überhaupt größten Finanzskandal des Landes um eine Bank aus Siena verwickelt (dieser Skandal interessiert aber unsere Medien kaum, da man ihn nicht Berlusconi anhängen kann).

Die Wasserraub-Kampagne

Da agitieren die Volksbefragungs-Verlierer nun plötzlich gegen einen angeblich von der EU geplanten Wasser-Raubzug. Ohne jede Berechtigung. In Wahrheit will ein neuer Vorschlag der Kommission nämlich nur regeln, dass eine Gemeinde die Wasserversorgung nicht wild, sondern nur in einer großen Ausschreibung vergeben dürfe. Bisher hingegen hat jedes Land, jede Gemeinde ihre Wasserleitungen an jeden verkaufen dürfen, den sie wollte.

Aber selbstverständlich war ein Wasserversorgungs-Auftrag an ein privates Unternehmen immer schon möglich gewesen. Ebenso wie das seit langem bei Strom, Kanälen, Straßenreinigung, Schulen und Tausend anderen Versorgungsunternehmen zum großen Vorteil der Konsumenten und Steuerzahler praktiziert wird. Privatisierung geschehen immer dort, wo die Versorgung unzureichend ist, und wo die Gemeinden absolut kein Geld haben. Sollen nun nach dem Willen der Sozialisten (samt ihren Verbündeten bei Kronenzeitung und BZÖ) solche Gemeinden verdursten müssen, weil sie jetzt eine solche Lösung verbieten wollen? Die Geschichte vom angeblich geplanten Wasserraub gehört jedenfalls zu den absurdesten und miesesten Propagandalügen der politischen Geschichte.

Die Affären der Claudia Schmied

Da weigerte sich die Unterrichtsministerin Claudia Schmied neuerlich, eine sogenannte Aufklärungsschrift zurückzuziehen, in der massiv die klassische Familie und normaler heterosexueller Sex heruntergemacht werden. Zu ihrem Pech sind gleichzeitig erstmals Unterlagen ihres alten, aber noch immer laufendenStrafverfahrens herausgesickert (was ich wie in allen anderen solchen Fällen nicht für gut finde). Darin wird die Frau schwer belastet, indem ihr nachgewiesen wird, dass schon in ihrer Vorstandszeit bei der Kommunalkredit die riskanten Wertpapiergeschäfte – wie „Credit Default Swaps“ – begonnen worden sind. Diese aber belasten die Steuerzahler heute mit Milliarden.

Der Inspektor ohne Studium

Da wollte man in Wien den sogenannten Schulschwänzbeauftragte zum Fachinspektor für Englisch bestellen. Der Mann ist aber blöderweise nicht einmal Akademiker, wie sich nach der Ausschreibung herausgestellt hat. Das kann aber eine SPÖ nicht ernsthaft stören: Sie ließ den Posten halt ein zweites Mal ausschreiben, wo dann dieses offenbar lächerliche Erfordernis aus den Bedingungen eliminiert worden ist. So konnte das gewünschte Protektionskind doch noch nominiert werden.

Die Kampagnen der linken Staatsanwälte

Da gibt es bei der allerübelsten Geschichte dieser Tage zwar keinen direkten Nachweis der Parteiverantwortung. Sie hat sich zum Unterschied auch schon vor längerem ereignet. Aber sie „stinkt“ ganz erbärmlich, um in der Sprache der Strafjuristen zu bleiben. Und sie zeigt das unglaubliche zynische Verhalten linker Netzwerke in der Justiz. Der Vorfall ist im Immofinanz-Prozess ans Tageslicht gekommen – aber seltsamerweise haben sich weder Richterin noch Staatsanwalt dafür interessiert. Der jetzt angeklagte Karl Petrikovics berichtete jedenfalls von einem Verhör durch einen Staatsanwalt im Jahr 2008. Dieser hat ihn aufgefordert: „Liefern Sie mir den Magister Grasser, es soll ihr Schaden nicht sein.“

Wenn das kein Amtsmissbrauch war, dann weiß ich nicht mehr, was überhaupt noch ein Amtsmissbrauch sein soll. An der Dimension dieses Skandals ändert es auch kein Jota, dass der betreffende Ankläger nicht mehr bei der Staatsanwaltschaft ist. Ganz im Gegenteil. Er ist nämlich jetzt in einer Rechtsanwaltskanzlei tätig – ausgerechnet in jener von Gabriel Lansky. Also eines gestandenen Sozialisten, der auch unbedingt SPÖ-Justizminister werden wollte. Wie sich die Kreise schließen.

Die Fekter-Kampagne

Da wird von rot-grünen Medien – ORF, „Wiener Zeitung“ und Falter an der Spitze – ganz zufällig in den Tagen nach der Volksbefragung eine noch nicht veröffentliche angebliche Kritik des Rechnungshofs an Ministerin Fekter groß thematisiert. Dabei ist diese Kritik schon im vergangenen Sommer durch die Medien kursiert. Das ist freilich eine bekannte Strategie der roten Spin-Doctoren und ihrer Medien: Die meisten Vorwürfe gegen Karl-Heinz Grasser sind von ihnen mindestens schon drei Mal als exklusive Neuigkeit verkauft worden.

Fekter soll jedenfalls einst als Innenministerin Beratungsaufträge zu teuer und ohne Ausschreibung vergeben haben. Es gibt zwar bis heute keinen Rechnungshofbericht, in dem man nachschauen könnte, was wirklich vorgeworfen wird. Dennoch berichtete der ORF nun täglich prominent über diese Causa, also weit intensiver als etwa über die Inseratenvergaben durch Werner Faymann, obwohl gegen diesen seit längerem ein Strafverfahren läuft, wofür bei Fekter zumindest bisher keinerlei Anzeichen vorliegen (auch wenn Peter Pilz sicher bald eine seiner berühmten Anzeigen verfassen wird).

Das heißt nun nicht, dass das Tagebuch eventuell inkorrekte Vergaben eines Ministers gutheißen würde. Ganz im Gegenteil. Sehr wohl aber bin ich dafür, dass man Strafrechtliches von Verwaltungsrechtlichem auseinanderhalten muss; dass Beratungen etwas viel persönlicheres sind als bloße Anzeigenschaltungen, was Ausschreibungen hier besonders schwierig macht; und dass zumindest staatseigene Medien genauso über Rechtsverletzungen durch SPÖ-Politiker berichten müssten, wie sie das ständig auch ohne harte Grundlagen über ÖVP-Politiker tun.

Um den Reigen der Gründe abzuschließen, deretwegen man über die SPÖ den Kopf schütteln muss, sei noch auf die Behauptung eines angeblichen Generationenkonflikts rund ums Bundesheer verwiesen. Über den aber schon vorgestern hier alles gesagt worden ist.

Diese Summe macht absolut fassungslos. Was ist die SPÖ nur für ein Haufen geworden! Lauter Spin und gar nix drin.

Wo der SPÖ Unrecht geschieht

Aber um nicht ungerecht zu sein: Ich bin rund um die SPÖ auch auf einen erstaunlichen Vorgang gestoßen, wo ihr allem Anschein nach Unrecht getan worden ist. Nämlich durch ein Gericht, so selten das auch vorkommt. Die SPÖ hat gegen ÖVP-Inserate des Jahre 2010 geklagt, weil diese nicht ordentlich gekennzeichnet gewesen seien, weil man gar nicht erkannt habe, dass es sich um Inserate gehandelt habe.

Der OGH hat nun die SPÖ mit einer mehr als seltsamen Begründung verlieren lassen: Für Parteien würden bei Inseraten nicht so strenge Maßstäbe gelten wie für Privatfirmen. Parteien bräuchten ihre Inserate nicht genau kennzeichnen. Dieses Urteil ist absolut unakzeptabel. Denn in einer Demokratie müsste sogar das Gegenteil judiziert werden: Bei jedem politischen Inserat sollte und müsste ganz genau und sofort der Auftraggeber erkennbar sein.

Die Kritik an diesem Urteil relativiert aber keinen i-Punkt an der verheerenden Bilanz über die SPÖ.

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Die Sternschnuppen: Und jetzt geht Fritz Dinkhauser

27. Januar 2013 00:55 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der markige Tiroler Fritz Dinkhauser verlässt also die Politik. Sein Alter und vor allem die schlechten Aussichten für die Landtagswahl sind die Gründe dafür. Vermutlich wird damit die derzeit zweitstärkste Tiroler Partei auch gleich wieder ganz aus dem Landtag verschwinden. Ein guter Anlass, eine Gesamtbilanz über die diversen politischen Sternschnuppen zu ziehen.

Von Dinkhauser über seinen Mittiroler Fritz Gurgiser, über Frank Stronach, Hans-Peter Martin bis zum BZÖ Jörg Haiders zieht sich ein roter Faden. Diesen kann man auch im Ausland etwa bis zu den Piraten und dem italienischen Komiker Beppe Grillo fortsetzen, und in der Vergangenheit bis zu Franz Olah. Sie alle sind politische Phänomene, die von den Medien hochgeschrieben werden, die aber rasch wieder untergehen, sobald die Medien das Interesse an ihnen wieder verloren haben. Auch kehlig-apokalyptische Dinkhauser-Sprüche oder das amerikanische Deutsch von Stronach oder das alemannische Eiferertum von Martin oder die täglich neue Richtungsänderung von Haider verlieren nach einer gewissen Zeit ihren Reiz für Fernseh-Zuschauer und Zeitungs-Leser.

Bei vielen der Genannten liegt freilich dazwischen der Gipfel ihrer Erfolgskurve sehr hoch: Dinkhauser beispielsweise war als Führer der zweitstärksten Partei mit mehr als 18 Prozent sogar quasi Chef der Opposition im Tiroler Landtag. Aber eben nur eine Legislaturperiode lang.

Das hat der ÖVP in dieser Zeit das Regieren sehr erleichtert. Denn Dinkhauser ist über seine gutmenschlichen Sprüche hinaus an der Sachpolitik weitgehend gescheitert, bis auf ein oder zwei Spezialthemen wie die Agrargemeinschaften war er nicht ernstzunehmen. Er hat sich, ein typischer Tiroler, auch sehr rasch in parteiinternen Streitereien verloren. Aus dieser Krise hat er nicht einmal dann mehr einen Wiederaufstieg geschafft, als sich auch die Tiroler ÖVP in inneren Streitereien verirrt hat, und als Günther Platter durch unsinnige Attacken auf das Gymnasium sowie die Annahme von Jagdeinladungen seine Partei beschädigt hat.

Bis auf die Piraten haben sie alle noch etwas gemeinsam: Es ging und geht überall um One-Man-Shows. Ein Dinkhauser, ein Stronach, ein Martin, ein Grillo, in hohem Ausmaß auch ein Silvio Berlusconi oder der bei uns weniger bekannte Laibacher Bürgermeister Zoran Jankovic sind eloquent und lebendig. Sie verschaffen den Medien im Gegensatz zu traditionellen Politikern, die auch in langen Interviews viel reden, aber möglichst nichts sagen wollen, eine Zeitlang Unterhaltungswert, Schlagzeilen und bessere Einschaltquoten. Sie strahlen unabhängig von ihrem Alter das Image aus, etwas ganz Anderes als die mausgrauen Altpolitiker, etwas ganz Neues zu sein. Ihre Reden versprechen Lösungen jahrelang ungelöster Probleme.

Jedoch: Dieser Effekt nützt sich rasch ab. Sie sind alle nicht konzept-, nicht pakt-, nicht problemlösungs-, nicht kompromissfähig – mit der zeitweisen Ausnahme Berlusconis (Dafür ist dieser umso tiefer in Strafverfahren verwickelt, ebenso wie Martin und Jankovic). Und kein einziger der Genannten hat seinem Land, seiner Region oder gar Europa in irgendeiner Weise den Stempel aufdrücken können.

Fast alle großen Persönlichkeiten der westeuropäischen Nachkriegszeit, die wirklich Geschichte gemacht und Dinge verändert haben, sind aus den großen Traditionsparteien herausgegangen. Ob das nun in Österreich ein Schüssel, ein Kreisky oder ein Raab gewesen ist. In Deutschland ein Schröder oder ein Adenauer, in Großbritannien ein Blair oder eine Thatcher, in Italien ein De Gasperi oder ein Moro. Lediglich Charles de Gaulle war eine Ausnahme: Der französische Kriegsheld hat im Alleingang die Gründung einer eigenen Partei geschafft, die auch ohne ihn am Leben geblieben ist.

Die einzige Neugründung, die nachhaltig das politische Spektrum in etlichen Ländern Westeuropa belebt hat, waren die Grünen. Sie konnten auf das breite Netzwerk der 68er Bewegung, auf die vielen Bürgerinitiativen gegen alles und jedes, auf die alternative Szene, auf die jedem modischen Trend verfallende Kulturschickeria, auf die heimatlos gewordenen Kader der diversen kommunistischen Totalitarismen und zeitweise auch auf Teile des umweltbesorgten konservativen Bürgertums setzen.

Was anfangs sehr heterogen war, hat jetzt nach Eliminierung der Bürgerlichen seinen sicheren Platz links von den Sozialdemokraten gefunden, wo dafür fast alle linkssozialistisch-kommunistischen Gruppierungen verschwunden sind. Die Grünen wollen den Sozialdemokraten nun auch als Mehrheitsbeschaffer dienen, nachdem sie diese gleichzeitig schon inhaltlich stark verändert haben (freilich nachweislich zum Nachteil der orientierungslos gewordenen Ex-Arbeiterpartei). Das ist aber bisher nur in Deutschland einige Jahre gelungen.

In Osteuropa ist der politische Trend allerdings ähnlich wie in Frankreich. Da sind die heutigen Parteien nach den Jahrzehnten der gesellschaftlichen Destruktion durch den Kommunismus weniger tief in der Gesellschaft verankert, als es die westlichen lange waren. Um nur ein Beispiel zu nennen: In Tschechien waren sowohl ein Vaclav Havel wie ein Vaclav Klaus schon auf der Bühne und wichtig, bevor sich Parteien bilden konnten.

Osteuropas Parteienlandschaft ist heute wie im Westen am Beginn des letzten Jahrhunderts in einem Zustand, den man am besten als Liquid Democracy beschreiben könnte (Ja ich weiß, dass dieser Ausdruck bei den Piraten und in der EDV-Welt eigentlich etwas ganz anderes heißt). Fast jede erfolgreiche Partei wird in den Reformländern bei der nächsten Wahl auch wieder zertrümmert.

Zurück zu den politischen Sternschnuppen in Westeuropa. Heißt ihr regelmäßig kurzes Leben, dass dort das politische Gesetz gilt: Extra factiones veteres nulla salus? Gibt es außerhalb der alten Parteien kein Heil? Können sich Rot und Schwarz und Grün und die da und dort existierenden dritten Lager (mit liberalen, nationalen oder separatistischen Wurzeln) auf Dauer der Macht gewiss sein?

Nichts wäre falscher, als wenn sie diese Hoffnung hegen sollten. Auch wenn sich bisher das Neue überall als nicht nachhaltig erwiesen hat, geht die Erosion des Alten munter voran. Man denke nur, dass in Österreich Rot und Schwarz, die Jahrzehnte deutlich über 90 Prozent gelegen sind, heute darum zittern müssen, wenigstens gemeinsam 50 Prozent zu erreichen.

Was heißt das? Politik wird diffuser, von momentanen Stimmungen geprägt, von Einzelthemen, von unvoraussehbaren Zufälligkeiten, von der kurzfristigen medialen Ausstrahlung einzelner Personen, vom Verschwinden alter Lager ohne das Entstehen dauerhafter neuer. Das kann gefährlich werden.

Das könnte aber auch durch eine ernsthafte Öffnung für die Direkte Demokratie in einem neuen konstruktiven Aufbruch münden. Und nur so, sicher nicht durch irgendeine neue Heilsgestalt. Die Erkenntnis vieler Menschen, sich in einer immer komplizierter und differenzierter werdenden Welt nicht auf Dauer mit einer Person, einem Lager identifizieren zu können, droht ohne die Entwicklung direktdemokratischer Mechanismen in totaler politischer Frustration zu enden. Die Menschen sind durchaus bereit, sich ernsthaft auch mit solchen komplizierten Sachfragen zu befassen, an denen die Politik scheitert. Wie der vergangene Sonntag gezeigt hat.

Direkte Demokratie von der Parteien Gnade kann aber kein Dauerzustand sein. Die Bürger und nicht die Parteien sind der Souverän. Sie wollen daher selbst bestimmen, worüber sie selbst abstimmen und was sie ihren politischen Angestellten überlassen: Ein Minister ist auf deutsch ebenso ein Diener wie ein Mandatar ein Beauftragter ist.

 

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Hoch Cameron: Eine wichtige Debatte beginnt

23. Januar 2013 11:05 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der britische Premierminister David Cameron hat mit seiner großen EU-Rede eine lobenswerte Debatte begonnen. Und er hat dabei Wichtiges gesagt, dem viele Millionen Europäer zustimmen werden. Auch wenn der Machtapparat im restlichen EU-Europa jetzt über ihn herfallen wird. Aber wenn man nicht auf die Briten hört und eingeht, werden ihnen bald weitere Völker folgen.

Dass Cameron  ein Referendum für einen EU-Austritt angekündigt hatte, war ja erwartet worden. Er hat dafür aber ein auffallend fernes Datum gesetzt. Er tut dies natürlich zum Teil deshalb, weil er in seiner Partei auch scharfe EU-Gegner hat. Er tut dies aber auch – und das beweist insbesondere die lange Frist –, weil er in dieser Zeit auf qualitative Reformen in der EU hofft. Die zusammengefasst in unseren Terminologie vor allem eine Rückkehr zur Subsidiarität bedeuten würden.

Es ist relativ dümmlich, wenn Frankreich binnen Minuten nach der Cameron-Rede sagt, man werde den Briten beim Weg aus der EU den Roten Teppich ausrollen. Denn in Wahrheit, so könnte man mit Fug und Recht sagen, wäre der Rote Teppich für einen Ausstieg Frankreichs noch viel wichtiger: Frankreich ist das Haupthindernis für eine Reform der EU-Agrarpolitik; Frankreich gefährdet mit der absurden Erhöhung seiner Sozialausgaben wie etwa der Senkung des Pensionsantrittsalters und der Erhöhung der Beamtenzahlen die Stabilität des gesamten Euro-Raums; Frankreich hält mit seinem Protektionismus für wichtige Industriefelder (von der Energie bis zur Eisenbahn) die Binnenmarkt-Regeln viel weniger ein als die Briten.

Viel wichtiger als die bloße Referendums-Ankündigung ist aber der zentrale Satz Camerons: Hauptgrund für die britische Mitgliedschaft in der EU sei der Binnenmarkt. Und den will er nicht verlassen.

Genau darum geht es: Sehr viele Länder und Bürger haben sich deshalb für die EU entschieden, weil der gemeinsame Binnenmarkt mit seinen vollen und noch immer nicht ganz hergestellten Freiheiten für Güter, Kapital, Bürgern und Dienstleistungen in einer modernen Industriewelt überlebenswichtig ist. Er ist unverzichtbar für die Hoffnung auf Jobs, auf Wachstum, auf zumindest Wohlstandswahrung.

Vieles andere, wohin sich die EU in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten entwickelt hat, ist hingegen überflüssig. Vieles hat sich auch geradezu als schädlich und menschenfeindlich entwickelt. Dabei geht es um viele sich als Verschwendung erweisende Förderprojekte. Dabei geht es vor allem um sozialtechnologische und politisch korrekte Eingriffe in unser aller Leben.

In so manchen Bereichen hat die EU statt der erwarteten vierfachen Freiheit des Binnenmarktes immer mehr Unfreiheit und Regulierung bedeutet. Das hängt wohl auch zunehmend damit zusammen, dass rund um die Jahrtausendwende die Linke und vor allem viele Grüngesinnte begonnen haben, die einst von ihnen bekämpfte EU zu instrumentalisieren. Sie haben in der EU plötzlich das perfekte Instrument entdeckt, freiheitsbeschränkende Projekte voranzutreiben, mit denen sie national nie durchgekommen wären.

Warum etwa müssen Österreich und im Konkreten vor allem Niederösterreich auf EU-Anordnung Gebiete unter Naturschutz stellen, die sie gar nicht wollen? Warum etwa muss Österreich wie auch jedes andere EU-Land neuerdings eigene(!) Bürger an die Justiz anderer EU-Länder ausliefern? Warum muss Europa als einzige Industrieregion der Welt die These von der menschenverursachten Erderwärmung mit selbstbeschädigender Schärfe umsetzen? Um nur drei von Hunderten Fehlentwicklungen anzusprechen.

Daher ist der britische Grundgedanke absolut richtig: Es muss zumindest die Wahlfreiheit hergestellt werden, nur beim Binnenmarkt mitzumachen – dort aber voll und wirklich! – und sich vom Rest zu dispensieren. Zu dem natürlich auch die immer übler werdenden direkten und indirekten Folgen des Euro gehören (Schuldenmechanismus, Bankenunion, Finanztransaktionssteuer usw.). Zu dem die zunehmenden „intellektuellen“ Attacken gegen das Recht auf nationale Identität gehören.

Cameron: "Es gibt eine wachsende Frustration, dass die EU den Menschen angetan wird, anstatt in ihrem Interesse zu handeln."

Wie wahr. Auch wenn in den nächsten Tagen Hunderte von Leitartiklern, Politikern und Diplomaten so tun werden, als wäre Cameron das Problem – und nicht die Fehlentwicklungen Europas.

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Geiseln, Terror und das einzige Gegenmittel

22. Januar 2013 00:16 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Viele europäische Regierungen haben Algerien kritisiert – aber keine hat eine echte Alternative zu dessen Vorgehen nach der großen Geiselnahme anzubieten. Im Grunde sind alle froh, nicht selber vor Entscheidungen gestanden zu sein. Das in Algerien entstandene Blutbad zeigt nämlich, wie sehr die ganze zivilisierte Welt vor kaum lösbaren Aufgaben steht. Der Umgang mit Terrorismus und Geiselnahmen wird immer mehr zur zentralen Sicherheits-Herausforderung. Der Jubel über die rasch befreiten Geiseln hält sich mit der Trauer über die von den Entführern getöteten die Waage.

Natürlich kann man sich wie Österreich auf den bequemen Standpunkt stellen: Von „uns“ war nur ein einziger dabei und der hat sich irgendwie herausschlagen können; jetzt sind den Österreichern die Vorgänge an der nordafrikanischen Erdgasanlage wieder völlig egal. Die Medien kämpfen nur um das erste – mutmaßlich teure – Exklusivinterview mit dem Mann. Der Rest war irgendwas irgendwo in der Wüste.

Doch begeht man dabei einen gefährlichen Irrtum, wenn man die Sache schon wieder abhakt: Denn gerade österreichische Techniker, Facharbeiter und sonstige Experten sind in einer wachsenden Vielzahl bei solchen und anderen Projekten in der Dritten Welt beschäftigt. Daher geht auch die Österreicher der Terrorüberfall viel an und insbesondere die Frage des „Was tun?“.

Europa kann Afrika nicht abschalten

Wenig sinnvoll wäre jedenfalls die Stammtisch-Antwort: Na, dann sollen die Leute halt besser daheim bleiben und sich dort redlich nähren. Die Umsetzung solcher Gedanken würde zu einem dreifachen Schaden führen.

Erstens bringen diese Projekte den Entwicklungsländern einen wesentlichen Beitrag zu ihrer wirtschaftlichen Entwicklung. Und nur die Wirtschaft ist für die Stabilisierung und den Fortschritt dieser Länder relevant, während die gesamte, von Gutmenschen ständig verlangte Entwicklungshilfe auch bei einer Verdreifachung nur einen Tropfen auf heiße Steine bedeuten kann.

Zweitens sind Öl- und Erdgasimporte für die europäische Energieversorgung absolut unverzichtbar. Dies gilt umso mehr, als Länder wie Österreich auf die Nutzung neuentdeckter Gasvorräte im eigenen Land komplett verzichten, weil Umweltschützer der Politik Panik eingejagt haben (dabei könnte Österreich solcherart autark werden). Wer freilich im eigenen Land nicht das geringste Risiko eingehen will, muss erst recht in fremde Länder gehen, wo es viel größere Risken und Probleme zu bewältigen gibt.

Drittens wäre es auch ohne die Energieproblematik absolut selbstbeschädigend (und zugleich menschenrechtswidrig), arbeitswilligen jungen Männern und Frauen den Weg in die weite Welt zu verbauen. Denn selbstverständlich trägt es einen Gutteil zum europäischen Wohlstand bei, wenn diese Menschen dort ihr Wissen anwenden und auch gut verdienen können. Man sollte im eigenen Interesse nur alles tun, damit sie die Bindung an die Heimat behalten. Man schaue nur auf die Schweiz: Das Land, das den Beitritt zur EU immer verweigert hat, ist international wirtschaftlich enorm vernetzt. Sie ist nur durch ihre Handelsströme und die vielen Auslandsschweizer zu ihrem Reichtum gekommen. Und nicht durch Käse- und Schokolade-Erzeugung.

Warum Mali und Algerien auch uns angehen

Das heißt: Die Vorgänge in Mali oder Algerien gehen die Europäer genauso an wie jene in Libyen oder Somalia. Man denke nur, welch gewaltigen menschlichen und wirtschaftlichen Schaden Europa durch die Piraterie vor den Küsten Somalias erlitten hat. Diese ist erst durch massiven Einsatz westlicher – auch chinesischer – Marine-Kräfte weitgehend beendet worden. Obwohl Pazifisten, Juristen, Grüne und Fundamentalchristen vehement dagegen agitiert hatten.

Durch die notwendige wirtschaftliche (und durch die nicht notwendige, aber interessante touristische) Präsenz ist man aber auch allen lokalen Risken ausgesetzt: Diese bestehen neuerdings insbesondere auch im Risiko von Geiselnahmen und finanziellen (wie in Somalia) oder politischen (wie jetzt in Algerien) Erpressungen. Die europäischen Gesellschaften sind aber in ihrer sicheren und wohlgeordneten Umwelt nicht mehr vorbereitet auf solche Herausforderungen. Wie sollen sie richtigerweise reagieren?

Aus etlichen Stellungnahmen von Regierungen geht indirekt die Haltung hervor, die in den letzten Jahrzehnten insgeheim schon oft praktiziert worden ist: Verhandeln, nachgeben, keinesfalls das Risiko von Menschenleben riskieren und insgeheim über dunkle Kanäle Lösegeld zahlen. Aber natürlich ohne dass es die Öffentlichkeit erfährt.

Lösegeld über geheime Kanäle

Natürlich können sich Politiker ein wenig in der Publicity sonnen, wenn jahrelang gefangen gehaltene Risikotouristen plötzlich wieder lebendig aus der Sahara zurückkommen. Und wenn niemand genau fragt, wie das plötzlich möglich war. Oder wenn höchstens vage auf die Vermittlung befreundeter arabischer Politiker verwiesen wird. Es wird jedoch nie dazugesagt, dass auch diese charmanten Vermittler die Regeln ihrer Region genau kennen: Jede Ware hat ihren Preis – und auch Geiseln sind eine Ware.

Das war und ist aber mit Sicherheit der falsche Weg. Denn durch jedes Nachgeben hat man die Entführer, aber auch Nachahmetäter zu immer neuen Geiselnahmen und zu immer neuen Piratenüberfällen ermutigt. Mit dem gezahlten Geld konnten die Banden auch ihre Ausrüstung, Logistik und Schlagkraft ständig weiter verbessern. Ob sie nun zur See, im Großstadtdschungel oder in der Wüste operieren.

Im Dienste der internationalen Rechtsordnung und Sicherheit wäre also ein konsequentes Vorgehen gegen jeden, der Lösegeld zahlt, (auch Versicherungen tun das oft) notwendig. Es wäre jedenfalls wichtiger als der seit ein paar Jahren eskalierende Aktionismus gegen Schmiergeldzahler. Aber die Rechtsverfolgungsbehörden schauen bei Lösegeld gerne weg und bei Schmiergeld umso schärfer hin. Dabei war in früheren Jahren – im Ausland! – bezahltes Schmiergeld nicht nur toleriert, sondern sogar steuerlich absetzbar gewesen.

Man muss jedenfalls bei eingehender Analyse der vielen Entführungen der letzten Jahre und Jahrzehnte zu dem für sensible europäische Ohren unangenehmen Schluss kommen: Die Aktion der algerischen Armee und Polizei gegen den großangelegten Terrorüberfall auf die Besatzung eines Erdgasfelds war notwendig und richtig. Trotz der schmerzhaften Anzahl von Todesopfern. Aber jedes andere Vorgehen hätte Prozesse ausgelöst, an deren Ende noch viel mehr Todesopfer und Leid gestanden wären.

Die Medien als Bühne der Entführer

Die Algerier haben auch insofern richtig gehandelt, als sie ohne lange internationale Koordinationsgespräche und sehr rasch zugeschlagen haben. Dadurch haben sie verhindert, dass die Geiselnehmer psychologischen Druck aufbauen konnten. Man stelle sich nur vor, wenn jetzt monate- oder auch jahrelang emotional belastende Videos und Fotos in Medien auftauchen würden, in denen die Entführten um Lösegeldzahlung und Verzicht auf jede Intervention flehen. Gleichzeitig hätten die Geiseln in ihren Botschaften die Tortur eines jahrelangen Daseins in ständig fliehenden Wüstenkarawanen vermittelt.

Nach Erhalt solcher Botschaften hätten die emotionsgierigen Medien unweigerlich ihre Regierungen massiv unter Druck gesetzt. Darauf hätten wiederum diese keinen anderen Ausweg gesehen, als ihrerseits Algerien politisch, diplomatisch und wirtschaftlich massiv unter Druck zu setzen. Bis Algerien schließlich nachgegeben hätte. Was zu der skizzierten Spirale an immer schlimmeren Geiselnahmen geführt, aber den Regierungen ein paar Wochen Erleichterung gebracht hätte. Was ja oft als entscheidend gilt, agieren doch Europas Regierungen ohnedies fast nie mehr in längerfristigen Perspektiven.

Gewiss wird noch lange über die Details der Befreiung diskutiert werden. Haben die algerischen Soldaten nicht taktische Fehler begangen? Hätten sie nicht dieses oder jenes anders machen können? Nachher sind bekanntlich immer alle klüger. Es ist dennoch jedenfalls gut, aus jeder solchen Aktion Lehren für das nächste Mal zu ziehen. Dabei können nun westliche Sicherheits- und Militärexperten zusammen mit Algerien durchaus konstruktiv die Vorgänge analysieren. Auf die Befreiungsaktion ganz zu verzichten oder sie unendlich zu verschieben, wäre aber sicher nicht die richtige Alternative gewesen.

Der Sturz harmloser Diktatoren

Wenn der Westen und seine Medien ehrlich wären, müssten sie auch viel ehrlicher ihre eigenen Fehler analysieren. Es erweist sich immer mehr als ein solcher Fehler, beim Sturz der Herrscher über Tunesien, Libyen und Algerien mit- und nachgeholfen zu haben. Denn es gibt massive Hinweise, dass die algerischen Geiselnehmer von den in Libyen plötzlich herrenlos gewordenen Waffen profitiert haben, dass also Gadhafis Sturz geradezu kausal für die große Aktion gewesen ist.

Zugleich muss man sich eingestehen, dass in keinem der Länder des arabischen Frühlings Demokratie und Rechtsstaat ausgebrochen sind. Die Wirtschaft ist sogar vielfach kollabiert. Es wird weiter gefoltert. Es gibt weiter Korruption. Die Christen werden sogar viel mehr verfolgt als früher. Die Lage der Frauen hat sich ebenfalls verschlechtert. Und die neuen Machthaber haben zum Teil eine große Nähe zu islamistischen Terror-Gruppierungen.

Um es noch direkter zu sagen: Die jetzige ägyptische Regierung wird mit Sicherheit bei Ausbruch eines neuen Nahostkrieges nicht so friedlich bleiben wie der gestürzte Mubarak, sondern mit den von Amerika gelieferten Waffen gegen Israel kämpfen. Die politische Intervention zu Mubaraks Sturz wird in einer objektiven Geschichtsschreibung zweifellos als einer der ganz großen Fehler des Barack Obama eingehen. Und die militärische Intervention in Libyen bleibt auf dem Schuldkonto der Herrn Cameron und Sarkozy. Von der Verantwortung der Medien gar nicht zu reden, die ihre jeweiligen Regierungen überhaupt erst zum Fallenlassen einstiger Verbündeter getrieben haben.

Es geht um Bedrohungen der Außenwelt

Wie berechtigt ist in diesem Licht die Intervention des nunmehrigen französischen Präsidenten Hollande in Mali? Diese ist wohl positiver zu beurteilen als einst bei Sarkozy, obwohl auch sie mit starkem Blick auf das innenpolitische Image des amtierenden Präsidenten erfolgt ist.  Positiv ist jedenfalls, dass Hollandes Intervention nicht primär populistisch unter dem Druck der Medien erfolgt ist. Das macht aber noch gar nicht den großen Unterschied zu den Interventionen in Libyen oder Ägypten aus.

Bei der Beurteilung einer Intervention kann es in Wahrheit nämlich nur um ein einziges Kriterium gehen: Stellt die Regierung, gegen die interveniert wird, auch eine Bedrohung nach außen dar? Das ist bei den im Nord-Mali derzeit herrschenden Total-Fundamentalisten zumindest nach den vorliegenden Informationen stark anzunehmen. Die engen Verbindungen zu Al-Kaida deuten darauf hin, dass in Mali nun ein neues Aktionsgebiet für diese Terrorgruppe nach derem mühevollen Zurückdrängen in Afghanistan und Somalia entstehen würde. Und das sollte um fast jeden Preis vermieden werden, hat Al-Kaida doch schon viele Tausend Todesopfer gefordert – im Westen wie in der islamischen Welt.

So sehr der Steinzeit-Islam mit abgehackten Händen und entrechteten Frauen auch abzulehnen ist: Gegen diese Exzesse müssen die betroffenen Menschen eines Landes selbst zum Kampf antreten – auch wenn dies, wie etwa Iran und Saudi-Arabien zeigen, extrem mühsam ist. Aber von außen aufgestülpte Modernisierung und Liberalität funktionieren in aller Regel nicht. Das müssen die Völker selber durchsetzen und lernen.

Das Irrlicht „Humanitäre Intervention“

Daher ist auch der von Politikern und Diplomaten gepriesene Slogan von den „Humanitären Interventionen“ ein Irrlicht. Auch schon aus Gründen der Größenordnung: Weder Europa noch die USA sind imstande und willens, all die Regime zu stürzen, die Menschenrechte in grober Weise verletzen. Denn dazu müsste eigentlich weit man mehr als der halben Welt den Krieg erklären: von China bis zum Großteil der islamischen Länder. Diese Vorstellung ist völlig absurd. Interventionen können nur dann legitim sein, wenn die üblen Regime dieser Welt nicht nur ihre eigenen Bürger, sondern auch andere Länder bedrohen. Demokratisierung von außen klingt zwar edel, aber diese Vision des George W. Bush war ein vollkommener Fehler.

Daher sollte man auch das Gerede von der „Humanitären Intervention“ rasch wieder beerdigen. Die Legitimität eines solchen militärischen Angriffs führt nur dazu, dass Regierungen medial regelmäßig dann unter Druck kommen einzugreifen, wenn Zeitungen und Fernsehen intensiver über einen Konflikt berichten. Sonst aber nicht. Damit werden die Medien zu den künftigen Machern der Welt- und Kriegspolitik ernannt. Und sie können einen Krieg herbeischreiben, wenn es sonst zuwenig zu berichten gibt. Die Medien nehmen sich dann irgendeines der üblen Regime dieser Welt vor und setzen es auf die Abschussliste. Das geschieht zufälligerweise vor allem dann, wenn eine PR-Agentur von irgendjemandem mit einigen Millionen beauftragt worden ist, ein Land zu kritisieren . . .

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Die vielen Gründe für die Wehrpflicht. Und die wenigen dagegen

19. Januar 2013 00:25 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Bei der Bundesheer-Abstimmung geht es um Österreich, um seine Sicherheit, um seine Mitbürger in Nöten. Dennoch sind die Volksbefragung und ihre Begleitumstände keineswegs dazu angetan, mich mit fliegenden Fahnen zur Abstimmung schreiten zu lassen. Aber alles in allem stoße ich jedoch deutlich auf mehr Gründe, die mich zu einem eindeutigen Abstimmungs-Ja zur Wehrpflicht veranlassen.

Unstrittig ist es für mich, jedenfalls hinzugehen. Denn wer sich in der Art des Heinz Fischer lebenslang um Entscheidungen drückt, gibt jenen recht, die dem Volk die Fähigkeit zur Mitentscheidung absprechen. Und das darf keinesfalls passieren, auch wenn diese Befragung in vielerlei Hinsicht ganz anders aussieht, als eine direkte Demokratie etwa nach Schweizer Muster organisiert sein sollte.

Was spricht für die Wehrpflicht?

  1. Demokratiepolitische Gründe sind wohl die stärksten für mein Ja – auch wenn sie direkt mit der Sachfrage nichts zu tun haben. Aber die unglaubliche Anti-Heeres-Hetze der Dichand- und Fellner-Medien (übrigens nach wie vor dick mit roten Anzeigen finanziert) und die nur wenig subtilere Einseitigkeit des ORF-Fernsehens zwingen einfach dazu, sich dem entgegenzustellen. Aus Gründen der politischen Hygiene ist es notwendig zu zeigen, dass sich die Bürger nicht von ein paar viertelgebildeten Geschäftemachern und Altachtundsechzigern, von deren wilden Falschmeldungen und Verzerrungen am Nasenring führen lassen. Die Arroganz und Machtanmutung dieses Drittklassjournalismus würden bei einem Erfolg ihres Anti-Bundesheer-Kampfes endgültig unerträglich. Sind sie doch jetzt schon viel zu mächtig und die Politik ihnen gegenüber viel zu knieschwach, wie etwa das Wehrpflicht-Umschwenken der Herrn Häupl und Darabos auf Befehl der Krone zeigt. Und wie auch die rechtlich extrem bedenkliche Verschleuderung unseres Steuergeldes zur Bestechung jener Medien durch eine Reihe von Spitzenpolitikern zeigt.
  2. Genauso stark sind die emotionalen Beweggründe, wenn man es so nennen will: der Patriotismus, der zu einem Ja bringt. Es geht einfach um das Zeichen, dass die Bürger bisweilen auch etwas für das Land tun müssen, wenn dieses noch als Gemeinschaft funktionieren soll. Und die Bürger sind auch in breitem Umfang durchaus bereit dazu – auch wenn sie sich naturgemäß nicht gerade um Pflichten drängen. Die Österreicher sind zum Gutteil gar nicht die prinzipiellen Schmarotzer, als die sie von der Politik eingeschätzt werden, die lediglich immer mehr Schulden zu Lasten der Zukunft und leistungsfreie Wohlfahrtsleistungen wollen. Trotz aller Fehler erscheint den Österreichern der Dienst im Bundesheer sogar noch als weit sinnvoller als die Verwendung der in Österreich exorbitant hohen Steuerleistungen – also der Erträge einer anderen Bürgerpflicht. Niemand hat Verständnis, wenn Geld für Salzburger Finanzjongleure ausgegeben wird, für jugendliche Bahnpensionisten, für die höchsten Förderungen Europas, für ein zum Nichtstun verleitendes Wohlfahrtssystem, für Tausende überteuerte öffentliche Betriebe und andere Unsinnigkeiten.
  3. Hinter der Antwort auf die Befragung steckt auch eine grundsätzliche weltanschauliche Frage. Es geht um das grundsätzliche Bild von Mensch und Staat, es geht um den Kampf gegen ein linkes Menschenbild, das Egoismus statt Verantwortung setzt, Sozialschmarotzertum statt Leistung. Letztlich geht es um eine Abwehr der ständigen Attacken auf alles, was die Menschen mit nicht-linkem Gedankengut imprägnieren könnte: auf die Wehrpflicht, auf die Familie, auf das Gymnasium, auf das Eigenheim (also auf Eigentumswohnung und Eigenheim statt Gemeindewohnung).
  4. Natürlich ist auch die Performance des Norbert Darabos ein Motiv. Es geht also um die Hoffnung, dass er – trotz der jetzigen halbherzigen Rückenstärkung durch seine Genossen – bei einer Niederlage gehen muss. Sein plötzlicher Schwenk in Sachen Wehrpflicht auf Verlangen der Krone beziehungsweise eines in Wahlkampfnöten steckenden Wiener Bürgermeisters war nur noch peinlich. Ähnliches gilt auch für sein jahrelang gezeigtes Desinteresse am Heer (als zuständiger Minister!); seine Vorliebe lediglich für die Sport-Kompetenz, bei der er so getan hat, als wäre wie im totalitären Systemen Spitzensport eine Staatsaufgabe und nicht einfach ein Geschäft und ein Beruf (womit sich Darabos freilich auch die volle Verantwortung für das Olympiadebakel aufgehalst hat); seine Probleme, auch nur einen geraden und sinnvollen Satz zu artikulieren; und insbesondere seine Neuverhandlung der Eurofighter-Beschaffung, die Österreich deutlich schlechtere Flugzeuge zu einem schlechten Preis gebracht hat.
  5. Bei aller Kritik an der Realität des Wehrdienstes, bei aller Notwendigkeit, sich mit den – freilich nur teilweise erfolgreichen – internationalen Versuchen Richtung Berufsheer auseinanderzusetzen: Die Konzeptlosigkeit ist erschütternd, mit der die SPÖ dieses nun in Österreich einführen will. So etwas könnte man überhaupt nur mit einem schrittweisen Plan und sorgfältiger Vorbereitung tun – sonst drohen Jahrzehnte des sicherheitslosen Vakuums in einer Übergangsphase.
  6. Auch wenn sich die SPÖ mit fast ständigen Neuberechnungen ihre Ideen schön zu rechnen versucht hat; auch wenn es keine unabhängige und seriöse Studie zu all diesen Fragen gibt: Man kann eigentlich keine Zweifel haben, dass ein Berufsheer mehr kostet. Wer auf dem freien Arbeitsmarkt Soldaten finden will, muss mehr zahlen als für gesetzlich Verpflichtete. Zusätzlich entdecken beim Wehrdienst so manche ihre Lust am Heer, die sonst erst mit teuren Werbekampagnen angesprochen werden müssten. Bezeichnend ist die einhellige Meinung der Schweizer Regierung, also des mit Österreich am ehesten vergleichbaren Landes: Das heutige Milizsystem (=Wehrpflicht) sei das kostengünstigste und flexibelste Modell für die Schweizer Armee.
  7. „Wehrpflicht abschaffen, sagt die Vernunft“: Wenn der SPÖ in ihren Flugblättern schon auf die Sprüche der Billa-Werbung verfällt, ist das auch nicht gerade ein professionelles Zeichen (das aber nur als Argument am Rande).
  8. Erstaunlich ist, dass die SPÖ – traditionell eine Kaderpartei, in der blinder Gehorsam erste Genossenpflicht ist ,– eine ganze Reihe ihrer Bundesländer-Organisationen und Abgeordneten nicht auf die Berufsheer-Linie bringen konnte. Auch das beweist, wie fragwürdig die Argumente von Darabos, Faymann und Häupl sind.
  9. Die sicherheitspolitische Ahnungslosigkeit der SPÖ erreichte in den letzten Stunden vor der Abstimmung noch einen Höhepunkt: Klubobmann Josef Cap behauptete in einer Fernsehdiskussion lautstark, dass Griechenland nicht Mitglied der Nato wäre.
  10. Zumindest widerlich sind die linken und offensichtlich bezahlten Kampfposter, die immer in Wahlkämpfen in den Internet-Foren auftauchen. Viele von ihnen haben sich nachweislich ganz frisch erst im Wahlkampf registriert (dort wo das notwendig ist). Und regelmäßig verschwinden sie dann genau eine Woche nach der Abstimmung wieder. Aber immerhin. Sie könnten ja auch gleich am Sonntag um 17 Uhr abgedreht werden.
  11. Absurd sind Strafanzeigen der Grünen, weil Bürgermeister in Kolumnen für ein Abstimmungsverhalten plädiert haben (was anderes ist es freilich, wenn rote und schwarze Ortsvorsteher das in amtlichen Aussendungen getan haben, was unakzeptabel ist). Damit haben sich die Grünen verstärkt als Rekordhalter in Sachen skurriler Anzeigen positioniert.
  12. Besonderen Zorn hat ein linker Verfassungsprofessor ausgelöst (ein regelmäßiger Verbündeter vor allem der Grünen, außer wenn es um seine eigene Universität geht): Er prophezeit, dass internationale Gerichte die Wehrpflicht auch auf Frauen ausdehnen würden. Das ist nicht nur juristisch ein sehr bemühtes Argument – auch wenn zugegebenermaßen viele Gerichte zunehmend zu originellen statt konsequenten Urteilen neigen. Diese Professoren-Aussage ist aber durch den Zeitpunkt jedenfalls sehr leicht als bloße Wahlkampf-Polemik durchschaubar: Wenige Tage vor der Volksbefragung plötzlich von etwas zu schwadronieren, was vielleicht und eventuell in zehn oder zwanzig Jahren judiziert werden könnte, reduziert einen solchen Juristen auf die Rolle des Propagandisten einer Partei.
  13. Wenn man aber schon die Verfassung bemüht: Es sind eindeutig die Linksparteien, deren Forderungen gegen die Verfassung verstoßen. Was an sich ja legitim ist, aber aus einem anderen Grund stört: Wenn eine rechte Partei Änderungen der Verfassung vorschlägt, brechen in den Medienkommentaren gleich Verfassungsbogen und Rechtsstaat tosend zusammen, wird gleich eine dritte Republik ausgerufen. Wenn es Linke tun, wird das Thema Verfassungsbruch nicht einmal erwähnt.
  14. Zurück von Rot und Grün zum Bundesheer. Man kann keine Zweifel haben, dass eine Abschaffung der Wehrpflicht (in welcher juristischen Form auch immer) praktisch nicht mehr reversibel wäre. Es würde nämlich in einer internationalen Krise als gefährliches Eskalationszeichen und als Provokation angesehen werden, wenn man wieder die Wehrpflicht einführt. Und dennoch würde es dann ja noch Jahre dauern, bis man wieder eine brauchbare Menge an einsetzbaren Milizsoldaten hat.
  15. Nur sehr naive Geister und völlig unhistorisch denkende Menschen können glauben, dass in der Mitte Europas der ewige Friede ausgebrochen wäre. Die Geschichte zeigt: Auch aus völlig friedlichen, stabilen Situationen, in denen weit und breit keine Gefahr zu drohen scheint, entwickeln sich regelmäßig nach einigen Jahren wieder explosive Lagen. Auch nach dem Wiener Kongress oder dem Jahr 1867 hatten viele an den ewigen Frieden geglaubt . . .
  16. Es gibt einige jetzt schon absehbare Gefahren, die zu auch militärisch explosiven Situationen führen könnten: die Massenmigration nach Europa (die weitaus größte der Geschichte, in der noch jede Massenmigration irgendwann zu Kämpfen geführt hat), der islamistische Terrorismus, das demographische Vakuum, Europas vermeintlicher Reichtum.
  17. Ein häufig gebrauchtes Anti-Wehrpflicht Argument lautet: „Im Kampf gegen Terrorismus brauchen wir Profis“. Das gilt jedoch nur für die unmittelbare Befreiungsaktion etwa nach einer Geiselnahme. Wenn man aber – beispielsweise – an eine Situation denkt, in der ein Giftanschlag auf Trinkwasser angedroht wird: Dann braucht es alleine zum Schutz der Wiener Wasserleitungen viele Tausende, ja Zehntausende Soldaten. Ähnliches gilt für Hunderte andere Objekte, wie Bahnhöfe oder Kraftwerke.
  18. Selbst wenn es gelingen sollte, wenigstens die versprochenen Mindestzahlen an Berufssoldaten zu finden (was viele Beispiele aus anderen Staaten mit niedriger Arbeitslosigkeit als extrem unwahrscheinlich erscheinen lassen): Dann besteht das künftige Heer mit Sicherheit aus einer negativen sozialen Auslese, und keineswegs aus „Profis“. Zu einem Freiwilligenheer gehen dann vor allem Rambo-Typen, jene, die gerne im Wald Krieg spielen und alle, die auch bei einem guten Arbeitsmarkt keinen Job finden können. Die Daten zeigen ganz klar (auch wenn die neuerdings ideologisch geführte Statistik Austria sie zu unterdrücken versucht): Arbeitslos sind vor allem Ausländer, und da wieder vor allem jene ohne irgendeine Bildung. Das ergibt dann ein Heer, das deutlich weniger Sicherheit ausstrahlt, auch wenn es die gleiche Zahl von Panzern haben sollte.
  19. Neben den nicht seriös prognostizierbaren militärischen Sicherheitsrisken ist die Katastrophenhilfe eine zentrale Aufgabe eines Heeres. Auch wenn man natürlich hier ebenfalls nie weiß, ob und wann eine Katastrophe eintritt. Aber zu deren Aufarbeitung braucht es jedenfalls immer wieder auch die Masse an Wehrdienern – und nicht nur irgendwelche imaginäre Profis.
  20. Besonders ärgerlich war in diesem Zusammenhang die ostösterreichische Schneekatastrophe der vergangenen Tage: Während niederösterreichische Gemeinden zu Recht einen Assistenzeinsatz des Heeres gegen die Schneemassen angefordert und bekommen haben, hat Wien (und das Burgenland)  darauf demonstrativ verzichtet. Motto: Wir lassen lieber den öffentlichen Verkehr fast einen ganzen Tag lang kollabieren als zuzugeben, dass das Bundesheer und seine vielen Wehrpflichtigen in der Not absolut sinnvoll und notwendig sind. Aber vielleicht stellt ja Wien trotz seiner Schuldenverdopplung binnen zwei Jahren jetzt Tausende Schneeschaufler rund ums Jahr an, um in den Tagen des Bedarfs einschlägige „Profis“ zur Verfügung zu haben.
  21. Angesichts des sich signifikant verschlechternden Gesundheitszustandes junger Menschen (Stichworte Übergewicht, Allergien, Bewegungsmangel, Medikamentenmissbrauch) ist die einzige Pflicht-Begegnung vieler Menschen mit einem Arzt zwischen Schule und Totenbeschau alleine schon den halben Wehrdienst wert.
  22. Natürlich hat der Wehrdienst auch wichtige pädagogische Aufgaben. Ist doch bei so manchen jungen Menschen die Pflicht, sein Bett zu machen, etwas, mit dem sie noch nie in ihrem Leben konfrontiert worden sind. Zum sinnvollen Pflichten-Lernen gehört auch pünktlich aufzustehen, seinen Kasten aufzuräumen, sich selbst um sein Gewand zu kümmern, Schuhe zu putzen, sich in eine Ordnung einzufügen und vieles andere mehr.
  23. Und zu guter letzt sei der Zivildienst genannt: Der ist in Zeiten der spürbar werdenden demographischen Katastrophe immer wichtiger, ja längst unverzichtbar geworden. Was in der Zeit des Kalten Krieges und seiner drohenden Massenarmeen noch als Kriegsdienstverweigerung schwer unsolidarisch war, ist unter vielfach geänderten Verhältnissen heute zum Eckstein der sozialen Betreuung geworden. Das heißt freilich nicht, dass nicht auch beim Zivildienst grobe Missbräuche abzustellen wären ( Einsätze in Parteiorganisationen etwa oder Auslandsaufenthalte auf Staatskosten).

Diese Gründe bringen mich in der Summe zu einem klaren Ja zur Wehrpflicht. Dennoch haben mich einige andere Faktoren bei diesem Ja ziemlich gestört.

Die Gründe des Zweifels

  1. Hauptgrund, weshalb ich bisweilen mit einem Nein zur Wehrpflicht liebäugelt habe, ist die Tatsache, dass die Pro-Wehrpflicht-Kampagne vor allem von Offizieren betrieben worden ist. Diese aber sollten sich eigentlich – genauso wie der Verteidigungsminister – zurückhalten und die Frage den Bürgern überlassen. Schließlich müssen Offiziere wie Minister ja in der Demokratie so und so den Willen des Souveräns erfüllen. Vor allem haben beide in dieser Frage durchaus auch sehr persönliche Interessen im Spiel. Auch Lehrer sollte ja nicht die Schulpolitik entscheiden.
  2. Vielen Offizieren und Unteroffizieren – also den „Profis“ – ist nie bewusst geworden, dass jede Sekunde eines Pflichtdienstes von totaler Sinnorientierung geprägt sein muss. Dass es eigentlich ihre oberste Pflicht sein müsste, ständig für einen sinnvollen Wehrdienst ihrer Untergebenen zu sorgen. Es geht also um die Pflicht zum Dienst an den Dienstpflichtigen. Jeder Leerlauf, jedes Gelage, jede Scheinbeschäftigung, jede Schikane ist da ein Verbrechen. So wie jeder Steuer-Cent eigentlich nur extrem sparsam ausgegeben werden dürfte, müsste auch mit jeder Pflicht-Sekunde, zu denen man junge Menschen zwingt, extrem sorgfältig umgegangen werden. Und das ist vielen der Beamten in Uniform nicht wirklich klar. Irgendwie herrscht da in manchen Offiziers-Casinos wohl noch der altadelige Geist aus Zeiten, da für sie die Wehrpflichtigen in Masse ungebildete Bauernlümmel waren, die scheinbar meilenweit unter den überwiegend adeligen Gold-Trägern stehen. Auch viele Unteroffiziere sind diesem Dienst an Dienstpflichtigen psychisch nicht gewachsen.
  3. Zu diesem Missbrauch eines Pflicht-Dienstes gehört als augenfälligstes und verbreitetstes Exempel der Einsatz von Wehrpflichtigen als Gratiskellner für Offiziere und Unteroffiziere. Bei einem Besuch in der israelischen Armee habe ich gesehen, wie sich Offiziere, Mannschaften, ausländische Gäste und natürlich auch weibliche Soldaten völlig gleichberechtigt bei der Essensausgabe anstellen müssen und nebeneinander sitzen. Österreich stellt ja auch seinen Sektionschefs – also Beamten, deren vermeintliche Bedeutung mit jener höherer Offiziere vergleichbar sind, – keine Gratiskellner zur Verfügung. Auch sie müssen sich anstellen oder im Gasthaus die Dienste eines Kellners selbst bezahlen.
  4. Eine empörende Attacke auf die Aufgaben der Landesverteidigung war die Einstellung der Miliz-Übungen durch den unglückseligen Ex-Minister Günther Platter (ja genau, das ist jener Mann, der jetzt in Tirol auch das Gymnasium demolieren will). Das hat den Sicherheitswert des Wehrpflichtigen-Heeres arg vermindert. Noch empörender ist, dass keine Partei derzeit laut nach einer zumindest teilweisen Reaktivierung der Miliz verlangt.
  5. Fast zu einer Wahlenthaltung hätte mich die Feigheit von ÖVP und FPÖ gebracht. Beide trauen sich nicht mehr, für eine Nato-Mitgliedschaft zu plädieren. Dabei hatten diese beide Parteien einst vehement (und mit guten Gründen) nach einer solchen verlangt. Sie geben sich heute populistisch und krampfhaft als Retter der Neutralität, als ob diese noch in irgendeiner Weise eine Bedeutung hätte.

Ganz unabhängig vom Ausgang der Befragung müsste eine ganze Reihe von Aufgaben auf der Tagesordnung stehen. Die aber so oder so wohl wieder nicht angegangen werden.

Die To-do-Liste

  1. Österreich müsste (so wie jedes andere Land) alle ein bis zwei Jahre breit angelegte Analysen der Risken und Gefahren vornehmen, die dem Land in der Zukunft drohen könnten. Dazu zählen derzeit zweifellos an besonderer Stelle auch die Risken durch die gewaltigen Haftungen und Kredite für Griechenland&Co (und deren drohendes Platzen). Ein Eckpfeiler dieser Analysen müssten aber immer auch jene Gefahren sein, die nur militärisch beantwortet werden können. Auch diese sind ohne jede Political Correctness auszusprechen. Während manche Gefahren aus Gründen der PC verschwiegen werden, wird dauernd von Klima-Gefahren geredet und viel Geld für deren Abwehr ausgegeben. Dabei würden ja eventuelle Klima-Veränderungen in Wahrheit auch viel Positives bringen (ganz abgesehen von der Frage, ob sie überhaupt menschlich beeinflussbar sind).
  2. Auf eine solche Gefahren-Analyse müsste regelmäßig eine Strategie-Analyse aufsetzen. Also die Suche nach den besten Instrumenten, um konkrete Gefahren zu beantworten. Das heißt im militärischen Zusammenhang: Wofür braucht es eine Masse an Wehrpflichtigen, wofür hochgradige Spezialisten?
  3. An dieser Stelle könnte und müsste endlich auch eine ruhige Debatte über die Tabu-Themen Neutralität und Nato einsetzen. Freilich gebe ich zu, realpolitisch wird es vorerst nicht dazu kommen. Aber man darf sich ja auch einmal etwas wünschen.
  4. Als nächstes müsste eine Strategie entwickelt werden, wo man Spezialisten (Cyber-War-Experten, Piloten . . .) überhaupt herbekommt. Denn weder die diversen Darabos-Modelle noch die Wehrpflicht werden sie liefern. Spezialisten findet man nur durch viel Geld (so wie man ja auch nur durch Geld viele Milizsoldaten für Auslandseinsätze gefunden hat).
  5. Nach diesen drei Stufen sind dann die Kosten zu prüfen. Wobei man natürlich auch immer zu dem Schluss kommen kann: Zu teuer, dieses oder jenes Risiko gehen wir halt ein (so wie die öffentliche Hand ja auch oft das Risiko von Fremdwährungskrediten eingegangen ist).
  6. Selbstverständlich wäre auch längst schon die Dienstpflicht für Frauen zu thematisieren. Es braucht Frauen (die Mehrheit der Studenten ist heute weiblich!) genauso als Sprachen- und Sicherheits-Spezialisten wie auch für soziale Aufgaben. Das Erfreuliche ist: Mit welcher Frau man auch spricht, der Großteil vor allem der jungen ist durchaus bereit zu einer Dienstpflicht. Sie meinen im Gegensatz zu den Berufsfeministen die Gleichberechtigung nämlich ernst. Solche Fragen werden den Bürgern aber nicht vorgelegt.
  7. Unabhängig vom Ausgang des Referendums täte dem Heer auch ein forcierten Abbau seines personellen Wasserkopfs gut. Das heißt: rapider Abbau von Overheads, von Sektionen, von Kommanden, bis hin zu den Landesmilitärkommanden und so manchen Musikkapellen.
  8. Selbstverständlich müsste eine allgemeine Dienstpflicht auch Untaugliche erfassen. Wer nicht zum Heer kann oder will, kann ja jedenfalls zum Zivildienst und zu einer sitzenden Aufgabe wechseln. Auszunehmen sind nur alle jene, die trotz aller Inklusions-Moden nicht imstande waren, einem normalen Unterricht zu folgen.
  9. Und ganz unabhängig von Heer und Zivildienst darf keinesfalls der Kampf um die direkte Demokratie aufgegeben werden. Also um verpflichtende und verbindliche Referenden, sobald ein Volksbegehren genügend Unterschriften findet. Dabei muss es um einen klaren Gesetzestext gehen. Dabei braucht es eine längere und ruhige sachliche Vorbereitung jedes einzelnen Votums. Dabei braucht es die Zurückhaltung der Parteien, die niemals aus einem Referendum einen Probegalopp für Wahlen machen dürfen. Dabei braucht es auch die Expertisen parteiunabhängiger Think tanks und Institute. Da es die derzeit in Österreich leider kaum gibt, wird man oft auch Ausländer dazu holen müssen.

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Volksbefragung zur Wehrpflicht – eine subjektive Zusammenfassung

15. Januar 2013 19:27 | Autor: Matthias Wolf
Rubrik: Gastkommentar

Keine Woche mehr bis zur Volksbefragung - allerhöchste Zeit, zusammenzufassen, was bisher an Argumenten vorgetragen wurde, und was dazu zu sagen ist. Wir – die Bürgerinitiative Österreich – danken für die Gelegenheit, das hier tun zu dürfen. Zuvor ist es aber wesentlich wichtiger, die »Metaebene« festzuhalten: und zwar, dass das, was wir hier präsentiert bekommen, rein gar nichts mit Österreichs Verteidigungskapazität zu tun hat, sondern schlicht und einfach Parteiengeplänkel ist.

Das ist schon daran zu erkennen, dass die Parteien ihre Standpunkte vertauscht haben: Unter Schüssel trat die ÖVP noch (völlig richtig) für die Aufgabe der Neutralität und ein Berufsheer ein. Selbst unter Darabos war die Wehrpflicht noch »in Stein gemeißelt«. Das exakte Umdrehen der Standpunkte ist durch keine äußeren Umstände erklärbar: es handelt sich um taktische Stimmenmaximierung (die für eine Seite allerdings nicht funktionieren wird).

Was dann folgte, ist an Chuzpe kaum zu überbieten: nach exakt keiner fachlichen Aufbereitung jenseits von Propagandaspots beider Seiten wird die Frage dem – in aller Regel sachlich völlig unkundigen – Bürger vorgelegt, um damit »Direktdemokratie« zu heucheln. Dabei handelt es sich nur um die unterschiedliche Einschätzung der Stimmung in der Bevölkerung und den Versuch, den Koalitionspartner alt aussehen zu lassen und über den Tisch zu ziehen.

Was könnte unseren Gewählten dafür geeigneter erscheinen, als ein Thema von der »Bedeutungslosigkeit« der Österreichischen Wehrkapazität und somit nicht weniger als unserer staatlichen Souveränität? Verbindlichen »Dank« also an die Protagonisten dieses Unsinns; praktisch überall werden die Themen »nationale Sicherheit« und »militärische Behauptung der Souveränität« im parlamentarischen Konsens abgehandelt – nur wir schaffen das wieder einmal nicht.

Aber wie auch immer, wir Bürger sind gefragt, eine Stimme für die Ausgestaltung der militärischen Landesverteidigung in Form einer Wehrpflicht oder eines Berufsheers abzugeben. Die Möglichkeiten, die es grundsätzlich gibt, diese Abstimmung wahrzunehmen:

Für die ersten beiden Punkte gibt es lange Listen von Argumenten, (wobei festzuhalten ist, dass unter den Argumenten »pro Wehrpflicht« kaum bis keine militärischen sind – siehe unten)
In der Sache würden wir an sich ein ordentlich gemachtes Berufsheer im internationalen Verbund präferieren (wobei einschränkend zu sagen ist, dass es viel zu früh ist, so eine Festlegung überhaupt vorzunehmen).

Dennoch lautet unsere Empfehlung anders. Denn wir sind zum Einen davon überzeugt, dass weder die organisatorischen noch die parlamentarischen Belange heuer noch abgehandelt werden könnten, sollte die Befragung tatsächlich »pro Berufsheer« ausgehen. Zum anderen erfolgt heuer noch eine NR-Wahl, sodass die dann neue Regierung sich mit großer Wahrscheinlichkeit gar nicht an ein ungewünschtes Ergebnis gebunden fühlen wird.

Wir ersuchen Sie daher und rufen auf, folgende Option in Betracht ziehen:

Denn wenn ein hoher Prozentsatz der Wahlberechtigten das tut, zeigen wir, dass wir gegen Manipulationsversuche resistent sind und die Arbeitsverweigerung der Regierung nicht akzeptieren.

 

Im Folgenden die Zusammenfassung der Argumente, die uns so unter kamen, mit jeweils ein paar Anmerkungen aus unserer Sicht dazu:

Katastrophenschutz & Aufrechterhaltung ziviler Dienste

Beides sei nur mit einer Wehrpflicht aufrecht zu erhalten.

Zum einen waren in den letzten Jahrzehnten nie mehr als wenige 1000 Mann gleichzeitig in einem Katastropheneinsatz, zum anderen zeigte sich beim Jahrhunderthochwasser 2002, dass der zivile Zusammenhalt in der Bevölkerung großartig funktioniert: es waren so viele freiwillige Helfer vor Ort, dass man beginnen musste, sie abzuweisen.

Die Hilfsleistungen, die dabei von Grundwehrdienern erbracht werden können, sind Hilfsarbeiten wie Aufräumarbeiten oder Sandsäcke stapeln, was von zivilen Helfern ebenso gut gemacht wird. Spezialgerät wie Transporthubschrauber aber werden aber nicht von Grundwehrdienern bedient.

Andere verpflichtende Dienste als Wehr- und dessen Ersatzdienst sind laut der Genfer Menschenrechtskonvention als »Sklaverei« verboten. Einzig zur militärischen Behauptung der Souveränität darf ein Staat seine Bürger zwangsverpflichten. Weder Katastropheneinsatz noch Krankentransporte können aber ernsthaft diesem Zweck zugeordnet werden.

Die Wehrpflicht aufrecht zu erhalten mit der Intention, lediglich deren Ersatzdienste zu bedienen, käme im Wirtschaftsleben einer klassischen Umgehungskonstruktion gleich, die vor keinem Gericht bestand hätte.

Außerdem ist festzuhalten, dass das Argument mit der zentralen Aufgabe eines Heeres, dem Kampfeinsatz, nichts zu tun hat.

Einsatzfall Gebäudeschutz

Das Bedrohungsbild habe sich geändert; um die kritische Infrastruktur in Österreich im Ernstfall zu schützen, wären 8000 Mann notwendig. Das wäre nur durch Wehrpflicht erbringbar.

Allerdings ist Gebäudeschutz eine absolut nervtötend langweilige Hilfsarbeit, die man in wenigen Tagen erlernen kann. Ein voll ausgebildeter Soldat ist dafür einfach zu schade. Im Anlassfall, dass tatsächlich die gesamte relevante Infrastruktur und Wirtschaft gleichzeitig geschützt werden muss, sollten 8000 Mann vorübergehend aus Polizei und ergänzend Berufsarmee zu stellen und in kurzer Zeit aus einem Arbeitslosenheer von mehreren 100000 rekrutierbar sein.

Gebäudeschutz, nebenbei bemerkt, ist eine klassische Polizeiaufgabe, keine militärische. (Ebenso wie Grenzschutz, wo jüngst ein »Assistenz«(!)-Einsatz geleistet wurde) Es kann nicht richtig sein, eine ganze Organisation zu erhalten, weil die beauftragte ihren Auftrag nicht erfüllen kann. Was kein Vorwurf ist, lediglich eine Feststellung.

Kosten: Berufsheer viel teurer als Wehrpflicht

Dieses Argument vergleicht eine gedörrte mit einer frischen Zwetschke. Ein Berufsheer, das militärische Landesverteidigung umfassend darstellen könnte, wäre zweifelsohne teurer als unsere derzeitige Lösung, die uns zwei Milliarden Euro im Jahr wert ist. Aber das wäre eine gut gemachte Wehrpflicht auch.

Und ziemlich sicher wäre sie teurer als ein Berufsheer, das auf ausgewählte Aufgaben spezialisiert ist, die es im internationalen Verbund erfüllt.

Eine Erhöhung um 50 oder 100 Prozent auf 3 oder 4 Milliarden Budget, wie es für eine umfassende militärische Landesverteidigung so oder so nötig wäre, scheint allerdings politisch nicht durchsetzbar.

Pädagogischer Wert

Es würde jungen Männern ganz guttun, ein halbes Jahr im Dienst der Allgemeinheit zu stehen.

Das mag sein, allerdings muss man zum einen klar sagen, dass es sich um eine Dienstzeit handelt, nicht um einen Dienst. Nach der Grundausbildung jedenfalls, denn nach wenigen Wochen erfolgt keine weitere militärische Ausbildung oder Übung mehr, es wird lediglich abgewartet, dass die Grundwehrdienstzeit vorbei geht.

Ähnliches scheint leider auch für weite Teile des Zivildienstes zu gelten: erst unlängst wurde uns ein Beispiel bekannt, wo ein Zivildiener in einer Bezirksparteiorganisation(!) Dienst schiebt, und Veranstaltungen auf- und abbaut – wenn er denn etwas zu tun bekommt.

Wenn man tatsächlich die Pädagogikkarte spielen will, muss man im übrigen wohl erklären, wieso wir diese Charakterbildung nur unseren Burschen angedeihen lassen wollen, nicht aber den Mädchen.

Neutralität nach Schweizer Vorbild nur durch Wehrpflicht darstellbar

Das mag sogar stimmen, aber unsere Neutralität gehört dringend überdacht, zumal sie de facto ohnehin bereits – und zurecht – Geschichte ist.

Warum zurecht? Einerseits ist eine wehrhafte Neutralität, die jeden potenziellen Aggressor zumindest vor schwerwiegende Probleme stellt, in hohem Maße respektabel. Aber nicht eine, die – umgeben von Freunden – sich auf die Argumentation stützt: »Wir sind ja neutral und dürfen gar nicht angegeriffen werden. Und wenn doch, dann sind wir ja von Freunden umgeben, die uns beistehen würden.« (Es ist erschreckend, wie oft man diese Sätze hört.)

Jemand, der sich für »neutral« erklärt, ist schon per eigener Defintion nicht von »Freunden« umgeben, und für den Zeitpunkt eines Angriffs kann diese Aussage wenigstens für die Richtung, aus der jener erfolgt, gar keine Gültigkeit haben.

Das »Schweizer Vobild« haben wir seit der Gründung des Bundesheeres 1955 keinen einzigen Tag gelebt, hauptsächlich aus finanziellen Gründen. Hätten wir es ernst genommen, so hätten wir 2/3 mehr ausgeben müssen!

»Die Welt in Zahlen« beziffert die Ausgaben:

Schweiz: 4.0Milliarden USD (d.s. 500 USD pro Kopf und Jahr); Österreich: 2.5 Milliarden USD (294 USD pro Kopf und Jahr).

Wie weit ein reiner pro-Kopf-Vergleich bei doppelter Fläche zulässig ist, bleibe dahingestellt. Welcher Unterschied sich bei +2/3 über einen Zeitraum von 60 Jahren ergibt, bleibe ebenfalls dahingestellt.

Umgestellte Staaten haben Nachwuchsprobleme

Ein Berufsheer würde so ein Sammelbecken für Vertreter schlechter gestellter Schichten, Arbeitslose und Leute mit Migrationshintergrund.

Der erste Satzteil scheint zu stimmen (obwohl er kaum auf objektiver Zahlenbasis nachprüfbar ist). Aber das ist nicht mehr als ein Marketingproblem, das mit zunehmender Erfahrung auch in den Griff bekommen werden wird.

Wir bezweifeln nämlich, dass ein Migrant, der seiner alten Heimat noch verbundener ist als seiner neuen, in der neuen Heimat zum Heer gehen würde. Ebenso, dass Unterprivilegierte oder Arbeitslose es tun würden, sofern sie sich vor körperlicher Anstrengung und Entbehrungen und/oder langen Dienstzeiten drücken wollten (und falls doch wären sie sehr leicht eliminierbar).

Auch möchten wir die Aussage eines Panzerkommandanten zitieren, dem zu folge er »am Steuer sicher keinen Akademiker brauchen« könne.

Europäisches Berufsheer wäre nur für Rohstoffkriege konzipiert

Das ist ein etwas skurriles Argument. Es geht davon aus, dass dass die letzten Kriege Rohstoffkriege waren, was völlige Verständnislosigkeit in strategischen Fragen nachweist. Aber lassen wir uns einen Moment darauf ein: Selbst, wenn es stimmen sollte, so stellt sich doch die Frage, wie Österreich verfahren könnte. Sich moralisch mit erhobenem Zeigefinger über die anderen erheben und ihnen erklären: »Du, Du, Du, so etwas tut man nicht!«, aber insgeheim darauf hoffen, dass wir von den »erbeuteten« Rohstoffen direkt oder indirekt doch profitieren?

Wehrfähigkeit in Volkes Hand

Nur ein »Söldnerheer« würde auf die eigene Bevölkerung schießen.

Die Frage, ob ein Soldat auf einen Zivilisten schießt ist keine Frage, die der Soldat beantworten kann, sondern einzig sein Kommandant. Warum hier einem Berufsoffizier eher zugetraut wird, einen Schießbefehl zu erteilen oder ausführen zu lassen als einem Milizoffizier, ist völlig offen.

Unser Versuch, einen Zusammenhang (jenseits von Einzelbeispielen) zu recherchieren, ist jedenfalls mangels Anzahl gescheitert.

Dass Berufssoldaten bei Aufständen auf die Zivilbevölkerung das Feuer eröffnet haben, steht außer Zweifel. Ebenso allerdings, dass das bereits von den Volksarmeen im ehemaligen Osten getan wurde, die sich aus Wehrpflichtigen rekrutierten.

Das Heer müsse in der Bevölkerung »verankert« sein

Das klingt nach einem guten Argument - aber wofür? Was, genau, bedeutet es?

Was haben wir von einem »in der Bevölkerung verankerten« Heer, wenn unser Wehrwille nicht dazu reicht, ihm einen ordentlichen Übungsbetrieb zu ermöglichen und zu finanzieren?

Die Bevölkerung dürfe nicht entwaffnet werden

Die Bevölkerung ist entwaffnet. Wir bewahren – anders als die Schweizer Miliz – unsere Waffen nicht zu Hause auf. Eine weitere Abweichung vom »Schweizer Vorbild«.

Wehrdienst wäre unzeitgemäß

21 von 27 Staaten haben keine Wehrpflicht mehr.

Das mag sein, aber was beweist es? Sicher nicht, dass man eine ordentliche Landesverteidigung nicht auch über eine Wehrpflicht herstellen könnte.

Modernes Gefechtsfeld würde Grundwehrdiener überfordern

Eindrücke, wie der moderne Infantrist aussehen wird, findet man in der 10 minütigen Diashow "Die Soldaten der Zukunft".

Als Gegenargument wird ins Treffen geführt, dass eine gute Ausbildung unter-, der Wert von moderner Gefechtsfeldtechnik überschätzt wird. Wir teilen diese Meinung eigentlich nicht, denn erstens haben wir keine gute Ausbildung, und zweitens besteht ja auch für den, der Gefechtsfeldtechnik einsetzt die Möglichkeit, seine Leute gut auszubilden. Es handelt sich bei der modernen Technik ja um eine Erweiterung, nicht um einen Ersatz militärischer Fähigkeiten der Truppe.

Die zitierte »gute Ausbildung« ist übrigens ganz sicher nicht in 6 Monaten herzustellen.

Österreichs Image als Staat in der Gemeinschaft würde aufgewertet

Das sehen wir allerdings auch so: wir glauben, dass unsere Neutralität im Ausland vorsichtig ausgedrückt anders wahrgenommen wird als im Inland: während wir der Meinung sind, allein aufgrund unserer Neutralität überall Respekt zu genießen, werden wir im Ausland eher als Trittbrettfahrer wahrgenommen.

Es wäre hoch an der Zeit, dieses unwürdige Image endlich zu reparieren.

Matthias Wolf ist selbständig, Liberaler und Obmann der parteiunabhängigen Bürgerinitiative Österreich

 

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Was geht uns Afrika an?

14. Januar 2013 08:44 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Noch vor kurzem hat die sozialistische Regierung Frankreichs beteuert, sich nicht mehr in afrikanische Kriege einmischen zu wollen. Jetzt steckt sie in Mali voll in einem solchen Konflikt. Zu Land und in der Luft.

Gut oder schlecht? Nun, es ist jedenfalls unakzeptabel, wenn die Halbwertszeit eines Politikerwortes und seiner Glaubwürdigkeit immer kürzer wird. Es ist aber auch nicht einzusehen, warum man verkommene und korrupte afrikanische Diktatoren vor dem Sturz retten soll.

Dennoch muss man inständig hoffen, dass den Franzosen die Intervention gelingt. Denn in Wahrheit geht es nicht um irgendwelche unsympathische Potentaten, sondern um die Eindämmung des Vorstoßes des radikalen Islamismus quer über den ganzen Kontinent. Nicht weniger als vier Staaten – Sudan, Somalia, Tschad und Nigeria – sind in der einen oder anderen Form in jüngster Zeit schon zu blutigen Fronten dieses Krieges geworden.

Nur naive Europäer können glauben, dass sie das alles nicht angeht. Das scheint man nun in Frankreich trotz einer ja immer zu Wunschdenken neigenden sozialistischen Regierung erkannt zu haben. Großflächige Piraterie wie vor Somalia, unzählige Entführungen westlicher Reisender sowie die Verwandlung bisher unbedeutender Wüstenstaaten in sichere Rückzugsgebiete für Terroristen, die überall in der Welt zuschlagen können: Das sind die größten der Gefahren durch diesen panafrikanischen Krieg, die jedenfalls auch Europa ernst nehmen sollte. Diese Auseinandersetzung ist zweifellos der längst entbrannte Krieg der Kulturen, den „progressive“ Geister nie wahrhaben wollten. Der aber offenbar immer heftiger wird.

Was dabei freilich verdrängt wird: Die Unterstützung des Westens für die Revolutionen von Ägypten bis Tunesien war zweifellos eine starke Ermutigung für die Fanatiker, denen dadurch etwa in Kairo nun die Macht in den Schoß gefallen ist. Überdies sind die Hinweise stark, dass die Islamisten erst durch die vielen Waffen aus Libyen erfolgreich kämpfen können.

Dennoch bleibt die große Frage: Ist der Westen überhaupt noch imstande und ernsthaft willens, an so vielen Fronten Krieg zu führen, seine eigene Sicherheit zu gewährleisten? Mit Luftangriffen alleine ohne ausreichende Bodentruppen gewinnt man jedenfalls keinen Krieg (was langsam ja auch Syriens Assad lernen muss).

 

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Fußnote 384: Wie bekämpft man Extremisten?

11. Januar 2013 01:36 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ein Schuldspruch mit 5:3 Stimmen ist doch eher ungewöhnlich. Dennoch bekam der Rechtsextremist Gottfried Küssel überraschende neun Jahre Haft. Auch seine Mittäter wurden heftig eingetunkt.

Das ist freilich von der gesetzlich beschlossenen Rechtsordnung voll gedeckt. Jeden liberalen Menschen müssen – ganz abgesehen von der Beweisfrage – jedoch Strafen, noch dazu eines solchen Ausmaßes für Meinungsdelikte schockieren. Und seien die geäußerten Meinungen noch so grauslich. Die Vermutung ist stark, dass man mit so drakonischen Strafen erst recht Märtyrer in der ja von pubertären Dummköpfen dominierten rechtsextremen Szene schafft. Gleichzeitig muss man zugeben: Man kann auch nicht überzeugend beweisen, dass Ignorieren oder rationale Auseinandersetzung mit dem neonazistischen Geschmeiß, mit seinen widerlichen – offenen wie versteckten – Antisemitismen, mit seiner Kriegsverherrlichung, mit seiner Apologetik eines der grässlichsten Terrorregime der Geschichte und dessen Völkermorden eher zu einem Erfolg führen würde. Man denke nur an die Renaissance der Kommunisten in Graz und in Ö1, obwohl ihnen gegenüber genau diese Reaktionen praktiziert werden. Man denke aber auch an die rechtsextremistischen Umtriebe unter vielen glatzköpfigen Fußballanhängern, die von Fernsehreportern und insbesondere sozialistischen Klubfunktionären immer wieder hofiert werden. Dabei geht es bei deren Taten keineswegs nur um Meinungsdelikte.

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SN-Kontroverse: Wehrpflicht

11. Januar 2013 00:10 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten gibt es eine Doppelkolumne mit dem Titel „Kontroverse“, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Ist die Wehrpflicht noch sinnvoll?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Profis statt Zwang

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Die Zwangsverpflichtung junger Männer zum Bundesheer ist sinnlos und eine Verschwendung von Ressourcen. Sie entspricht nicht mehr den Anforderungen an eine moderne Landesverteidigung. Das derzeitige System ist sehr teuer. Laut einer Studie der Wirtschaftswissenschafterin Gudrun Biffl kostet die Wehrpflicht jeden Grundwehrdiener rund 77.500 Euro durch den Verlust an Lebenseinkommen und beruflicher Perspektiven.

Bereits 21 von 27 EU-Länder haben eine Berufsarmee. Eine konventionelle militärische Bedrohung durch Panzer gibt es nicht mehr. Die Bedrohungen sind komplexer geworden, sie treten kurzfristig ein. Terrorismus, das Scheitern von Staaten, Angriffe auf IT-Systeme, die Bedrohung strategischer Infrastruktur oder der Klimawandel, das sind die modernen Gefahren.

Im Kampf dagegen sind gut ausgebildete Soldaten nötig. Das derzeitige System ist veraltet. Es ist auf die nicht mehr existente Bedrohung des Kalten Krieges aufgerichtet mit einem Massenheer, in dem 60 Prozent der etwa 24.000 Grundwehrdiener als Systemerhalter und somit als Fahrer, Köche, Kellner oder Schreiber eingesetzt werden. Ein gewaltiger Apparat ist damit beschäftigt, die restlichen 40 Prozent der Rekruten in kürzester Zeit zur Abwehr eines Feindes auszubilden, den es in dieser Form nicht mehr gibt. Das ist absurd!

Durch ein Berufsheer ist der Katastrophenschutz besser gewährleistet. Bei den Pionierbataillonen, den Spezialisten im Katastrophenfall, werden im Profiheer die Grundwehrdiener eins zu eins durch Berufssoldaten ersetzt. Das heißt gleiche Mannstärke bei besserer Ausbildung.

Ein Berufsheer bedeutet keineswegs Abschaffung der Neutralität. Einen Zusammenhang zwischen Profiheeren und NATO-Mitgliedschaften gibt es nicht. Neutrale und allianzfreie Staaten wie Irland und Schweden haben ein Profiheer. Es ist hoch an der Zeit, den Zwang zum Heer abzuschaffen und auf Profis zu setzten.
 

Wenn uns Österreich noch etwas bedeutet

Andreas Unterberger

Am Bundesheer ist vieles dringend zu verbessern: Von der oft lustlosen Ausbildung über die (laut linken Politikern) Asylanten nicht zumutbaren Kasernen, die veraltete Ausrüstung, den Überhang an Schreibtischbeamten, die Abschaffung der Miliz bis zum Missbrauch von Wehrpflichtigen als Gratis-Kellner für Offiziere & Co (die es ja für Staatsbeamte sonst auch nicht gibt). Die Abschaffung der Wehrpflicht wäre aber die völlig falsche Antwort.

Sie würde das Heer nicht verbessern, sondern überdies in eine gefährliche Ansammlung aus arbeitslosen Unterschicht-Angehörigen und Zuwanderern verwandeln. Sie würde in Zeiten sinkender Geburtenraten große Lücken bei Aufgaben wie Katastrophenhilfe oder Zivildienst reißen. Sie würde noch dazu mit Sicherheit mehr kosten - die Versuche von Herr Darabos, seine Ideen mit ständig neuen Zahlen schönzurechnen, sind nur noch grotesk.

Eine Wehrpflicht - und Dienstpflicht für echte(!) soziale Aufgaben - bedeutet ein zentrales Zeichen, dass Staatsbürgerschaft, dass Gemeinschaft nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten heißt (übrigens auch für Frauen). Zumindest solange uns diese Republik noch irgend etwas bedeutet.

Wehrpflicht ist pädagogisch für viele junge Menschen in einer schwierigen Orientierungsphase sinnvoll. Sie geht auch von der historischen Erfahrung aus, dass sich die - derzeit gute - Sicherheitslage viel rascher ändern kann, als ein Heer wieder aufgebaut wäre. Nur bei einer Wehrpflicht gibt es ausreichend Bewaffnete, welche die sensible Infrastruktur (Wasserleitungen, Kraftwerke . . .) gegen terroristische Bedrohungen sichern können.

Über ihr Ende nachzudenken, wäre höchstens dann sinnvoll, wenn Österreich in ein Bündnis mit Arbeitsteilung einträte, in dem die einen die Luftraumsicherung besorgen, die anderen etwa friedensschaffende Polizeieinsätze. Aber darüber will ja heute niemand auch nur diskutieren.

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Die lustigen Armutsstatistiken: Die armen Deutschen und die reichen Griechen

26. Dezember 2012 00:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In den Weihnachtstagen war die Chance besonders groß, dass man von einem Priester oder Politiker oder Journalisten wieder etwas von der wachsenden Armut in Österreich vorgeschwätzt bekam. In diesem Fall sollte man ihn einfach mit seinem Geschwätz stehen lassen, eine andere Kirche besuchen, eine andere Partei wählen oder das Medium wechseln.

Denn in Wahrheit sinkt die Armut in Ländern wie Deutschland oder Österreich seit vielen Jahren ganz signifikant. Es wird nur deshalb ständig vom Wachsen der Armut geredet, weil dies bestimmten Interessen hilft. Die einen wollen zur Auflagen/Seher-Vermehrung auf Tränendrüsen zu drücken (was meist wenig hilft); andere wollen die Spendenbereitschaft erhöhen (was zu Weihnachten deutlich hilft); auf der politischen Ebene ist die Armutsrhetorik die Universalwaffe, um immer noch mehr Steuern und Umverteilung zu fordern (die ja in der Tat ständig intensiviert wird); und wieder andere müssen im eigenen Interesse den Geldfluss Richtung der großen Armutsindustrie aufrechterhalten und vermehren (was offensichtlich sehr erfolgreich ist).

Zu dieser Industrie gehören etwa die Caritas, die Diakonie, sogenannte Armutskonferenzen und zahllose andere private wie staatliche Organisationen, Vereine, Ämter. Diese wollen alle jedenfalls einmal sich selber verwalten und am Leben erhalten. Sie alle können daher nie im Leben zugeben, dass sich die Armuts-Situation signifikant verbessert hat.

Armut nimmt in Österreich jedoch nur in einer einzigen Gruppe zu: Bei den Zuwanderern aus afrikanischen und islamischen Ländern – sofern wir von den offiziellen Einkommensdaten ausgehen. In diesen ist freilich naturgemäß keinerlei Schwarzarbeit verzeichnet.

Die Absurdität der Armutsstatistiken zeigt sich im internationalen Vergleich besonders krass. In Deutschland wird für den Zeitraum 2005 bis 2011 eine Zunahme der Armutszahlen von 18,4 auf 19,9 Prozent ausgewiesen. Dabei hat sich dort im gleichen Zeitraum die Zahl der damals fünf Millionen Arbeitslosen halbiert. Das ist wohl der beste Beweis eines Erfolgs im Kampf gegen Armut. Die Ursache dieses Erfolgs war Hartz IV, eine parteiübergreifende Reform (Agenda 2010), die unter der rotgrünen Regierung Schröder begonnen worden war. Sie hat den Bezug des Arbeitslosengeldes zeitlich beschränkt, und den daran anschließenden Erhalt von Not-Unterstützung an strenge Kriterien und vor allem Arbeitswilligkeit gebunden. Und siehe da: Die Arbeitslosigkeit schmolz so schnell dahin, wie es vor zehn Jahren absolut niemand für möglich gehalten hatte.

Aber dennoch hat laut Statistik die Armutsgefährdung in Deutschland zugenommen.

In Wahrheit zeigen solche Armutsmessungen nämlich immer nur das Ausmaß von Ungleichheit. Und die kann eben auch dann zunehmen, selbst wenn es allen zu hundert Prozent besser geht. Und damit nimmt eben auch die angebliche Armutsgefährdung zu. Diese gibt es statistisch immer dann, wenn man weniger als 60 Prozent des Median-Einkommens verdient (das ist das mittlere Einkommen).

Wie grotesk diese Behauptung ist, zeigt sich vor allem im Vergleich zu Griechenland und Portugal: Denn während in Deutschland die Armut in dieser Zeit gestiegen sein soll, ist sie laut der gleichen Messmethode in diesen beiden Ländern gesunken. Sie haben richtig gelesen: Laut Armutsstatistik gibt es in Griechenland und Portugal heute deutlich weniger Arme als in der dortigen (schuldenfinanzierten) Boomzeit von 2005. Dabei sind die beiden Länder seither in die schwerste Krise seit Jahrzehnten gestürzt.

Man kann diesen statistischen Armuts-Schwachsinn auch konkret zeigen: In Österreich ist eine durchschnittliche vierköpfige Familie armutsgefährdet, wenn sie "nur" 2160 Euro im Monat ausgeben kann. Gar nicht zu reden von den rund 15 Prozent des Volkseinkommens, die nach seriösen Schätzungen noch zusätzlich (wenn auch gewiss nicht von jeder Familie) schwarz, also an allen Statistiken vorbei verdient werden.

Zu dem bar verfügbaren Betrag kommen in sehr vielen „armen“ Fällen noch durch Steuermittel geförderte Eigentumswohnungen, von anderen subventionierte Kranken- und Pensionsversicherungen, ORF- und Telefongebührenbefreiung, Gratis-Schule, Gratis-Kindergarten, aus sozialen Gründen subventionierte Verkehrsmittel und vieles andere mehr. All das sind Dinge, die es in vielen deutlich ärmeren Ländern nicht gibt. Und fast alle hierzulande vorgeblich Armen haben Waschmaschine, Farbfernseher und auch ein Auto zur Verfügung.

Trotz dieser extensiven Armutsberechnung ist in Österreich die Zahl der Armutsgefährdeten sowohl absolut wie relativ zurückgegangen. Aber bevor einer aus der Armutsindustrie diesen Rückgang zugeben würde, beißt er sich lieber die Zunge ab. Statt dass man endlich einmal sagt: „Danke, liebe Steuerzahler und Spender, dank Eurer Hilfe war der Kampf gegen die Armut in den letzten Jahren und Jahrzehnten mehr als erfolgreich“, erfindet man halt neue Armutsdefinitionen.

Die österreichische Armutsindustrie hat seit einigen Jahren einen manipulationssicheren Verbündeten im neuen Leiter der Statistik Austria. Dieser Herr Pesendorfer kam direkt aus dem SPÖ-Machtzentrum, für deren Selbstverständnis ja der Glaube an die ständig steigende Armut noch wichtiger ist als für die Tabakindustrie der Glaube an die Ungefährlichkeit des Rauchens. Mit Pesendorfers Hilfe wurde 2008 nun eine manifeste Armut erfunden. Seither ist man „manifest“ arm, wenn man mehr als 25 Prozent seines Einkommens für die Miete ausgibt. Diese ebenso seltsame wie willkürliche Definition machte über Nacht beispielsweise Zehntausende Studenten zu Armen.

Und Rot wie Grün haben dadurch wieder ein Argument mehr, um noch mehr Steuern zu verlangen. Und die Journalisten können weiterhin alljährlich den gleichen Betroffenheitsartikel zu Weihnachten schreiben (viele tun es auch das Jahr über regelmäßig, weil ihnen nichts anderes einfällt). Und die Kirchen können gegen die wachsende Armut predigen – obwohl sie über mehr Arme eigentlich froh sein müsste, weil ja kaum ein Reicher ins Himmelreich kommt . . .

PS.: Um nicht missverstanden zu werden: Weniger materielle Armut heißt keineswegs, dass ein Land wie Österreich automatisch glücklicher geworden wäre. Immer mehr zerbrochene Familien und deren Kinder, immer mehr einsame Alte (deren Zahl noch dramatisch zunehmen wird, da jetzt die vielfach kinderlosen Babyboomer ins Rentenalter rutschen), misshandelte Muslim-Frauen, bildungsfern aufwachsende Kinder in Zuwandererfamilien: Das alles bietet mehr als genug Anlass für persönliches, zwischenmenschliches Engagement. Das alles sind Alarmsignale einer wachsenden seelischen Armut. Das alles bietet jedoch kein Argument für immer noch mehr Umverteilung. Das alles ist zum Teil sogar direktes Produkt des Wohlfahrtsstaatsdenkens. Daher wird es eben aus bestimmten Interessen heraus ignoriert.

PPS.: Dieses expansive Wohlfahrtsdenken ist natürlich auch die Hauptursache der schweren Schuldenkrise, die Österreich, Deutschland und noch viel mehr den Rest Europas erfasst hat. Die ja an diesem Ort an anderen Tagen immer wieder analysiert wird.

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Nur kein Zipfelchen der Macht abgeben!

20. Dezember 2012 02:50 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Dieses „Demokratiepaket“ als „umfangreich“ zu bezeichnen, ist reichlich kühn. Aber der Konsens zwischen den beiden Regierungsparteien reicht halt offensichtlich nicht für mehr. In Wahrheit hat dieses Paket nichts mit direkter Demokratie zu tun. Es ist Kosmetik, die nichts an den Machtmechanismen ändert. Erstaunlich ist nur, dass die Volkspartei so kampflos auf eine Umsetzung ihres ambitionierten Vorstoßes verzichtet, den Parteiobmann und Jugend-Chef noch vor ein paar Monaten präsentiert haben.

Über allen Paragraphen dieses Mini-Pakets ist Ruh. Nur kein Zipfelchen der Macht abgeben, lautet seine eindeutige Devise.

Weniger eindeutig ist das Verhalten der ÖVP: War ihren Funktionären der eigene Ruf nach einer echten direkten Demokratie selbst unheimlich geworden? Oder haben ihr die in der Umgebung von Politikern besonders häufigen dümmlichen Ratgeber (also vor allem die geschniegelten und halbgebildeten Kabinettsmitarbeiter mit einem Pseudo-Studium à la Politologie oder Publizistik) und Kronenzeitungs-Gläubigen wieder einmal einen Unsinn eingeredet? Nämlich dass es der ÖVP irgendetwas nutzen würde, wenn sie Wonne und Eintracht mit der SPÖ simuliert (während deren Chef den Schwarzen soeben „Unanständigkeit“ vorgeworfen hat)? Begreifen die Schwarzen denn nicht, dass sie nur dann noch eine Überlebens-Chance haben, wenn sie endlich ein eigenes Profil demonstrieren, das in etwas mehr bestehen müsste als in neuen Jungunternehmerförderungen?

Warum beharrt die ÖVP nicht auf einem echten Paket zur Einführung der direkter Demokratie? Dieses könnte aber auch rund um den Wahltermin gemeinsam mit zwei Oppositionsparteien beschlossen werden. Am besten zusammen mit einer Privatisierung des ORF, mit echten Studienzulassungs-Regeln und einer Abschaffung des staatlich verordneten Genderismus. Das wäre ja durchaus legitim, hat doch beim letzten Mal die SPÖ diesen Zeitraum im politischen Niemandsland nach Platzen einer Koalition ihrerseits für einen milliardenschweren Raubzug aufs Budget ausgenutzt. Da könnte man ja diesmal den Spieß umdrehen und mit dem gleichen Recht auch einmal etwas Sinnvolles machen. Wenn man noch irgendeinen Mumm in den Knochen hätte.

Aber, so werden manche einwenden, bringt das Paket nicht doch etliches?

Nun ja, es ist ganz nett, wenn ein Nationalratskandidat mit sieben Prozent der Stimmen von einem hinteren Listenplatz aus nach vorne rutschen kann. Nun ja, es ist ganz nett, Volksbegehren künftig auch elektronisch unterstützen zu können. Nun ja, es ist ganz nett, dass es jetzt zu jedem Volksbegehren mit mehr als 100.000 Unterschriften eine Sondersitzung in Nationalrat geben wird. Nun ja, es ist ganz nett, dass künftig 10.000 Bürger eine Anfrage an einen Minister stellen können.

Aber auch in der Summe ist das alles unbedeutend und ändert nichts an der Qualität unserer von schwerem Vertrauensmangel erschütterten Demokratie.

Man nehme nur den letztgenannten Punkt und vergleiche: In Skandinavien braucht man keine 10.000 Unterschriften; dort kann jeder einzelne Bürger eine Anfrage stellen; er bekommt dann sogar volle Akteneinsicht und nicht nur die hierzulande üblichen Schmecks-Antworten von Ministern, mit denen schon seit vielen Jahren die jeweiligen Oppositionsabgeordneten abgespeist werden.

Vor allem aber fehlt das entscheidende Vorhaben aus dem einstigen ÖVP-Papier: Dass nämlich so wie in der Schweiz die Bürger eine bindende Volksabstimmung erzwingen können; dass nach einem ausreichend unterstützten Volksbegehren das Parlament diesem entweder zustimmen oder ein Entscheidungsreferendum ausschreiben muss.

Nur solche Maßnahmen wären eine echte Rückgabe eines Teils der Macht von der Politikerklasse an den Souverän gewesen. Aber dem trauen die Parteien halt auch weiterhin nur Unsinn zu – während sie sich insgeheim vor allem vor der eigenen Entmachtung fürchten.

Dabei stoßen wir ständig auf Beweise für die Dummheit, Schmierigkeit und Ahnungslosigkeit der politischen Klasse. Nur ein paar Exempel aus den letzten Stunden:

Und die für all das verantwortliche Politik wagt es  – samt ihren medialen Wasserträgern –, die Bürger weiterhin als unfähig darzustellen, über ihre eigenen Angelegenheiten zu entscheiden. Ob sie solche Behauptungen wenigstens noch selber ernst nehmen kann?

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Prolokratie: Buchbesprechung

12. Dezember 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Der liberale Journalist Christian Ortner, Betreiber der Blogs „Das Zentralorgan des Neoliberalismus“, bricht mit dieser Streitschrift mehr als nur ein Tabu. Er führt darin die heilige Kuh des modernen Wohlfahrtsstaates – das Prekariat – auf politisch höchst inkorrekte Weise vor. Er hält dessen Anwälten – den Sozialisten in allen Parteien – einen Spiegel vor, in dem absolut nichts Erfreuliches zu sehen ist. Außerdem äußert er – und dafür gebührt ihm größter Respekt – als einer der wenigen heimischen Publizisten, die populär genug sind, um nicht einfach totgeschwiegen zu werden, grundsätzliche Kritik am demokratischen System, was gewöhnlich sofort mit gesellschaftlicher Exkommunikation durch die Dressurelite geahndet wird. Das ist in seinem Fall – erstaunlich genug – nicht geschehen.

Der Grund dafür ist, dass es die herrschenden Eliten, dank des von ihnen täglich aufs Neue zu Schau gestellten Gemischs aus Inkompetenz und Niedertracht, so weit gebracht haben, dass selbst radikal gegen den Strich gebürstete Meinungsäußerungen von vielen politisch heimatlos gewordenen Bürgern nicht nur akzeptiert, sondern sogar dankbar angenommen werden. Daran ändert nichts, dass die über die Deutungshoheit verfügenden (linken) Tugendwächter mit Ablehnung reagieren. Ein erfreuliches Zeichen.

Ortners Kernthese: Stetig wachsende Anteile der Bevölkerung verblöden in immer stärkerem Ausmaß. Daraus folgt ein Niedergang der Qualität der von den „Kevins und Jessicas“ getroffenen politischen Entscheidungen. Das ist durchaus plausibel, denn wer Dreck nicht von Schuhcreme unterscheiden kann, wird bei der Beantwortung komplexer politischer Fragen kaum besondere Kompetenz an den Tag legen. Selbstverständlich sind schlichte Naturen eher am Ende der Einkommensskala zu finden und damit die zuverlässigsten Klienten des Wohlfahrtsstaates. Die immer größer werdende Zahl der Nachfrager staatlicher Umverteilungsmaßnahmen wiederum führt zu einem stetig wachsenden Stimmgewicht dieser Gesellschaftsschichten, womit sich der Kreis schließt.

Anfang der Sechzigerjahre präsentierten die genialen Kabarettisten Bronner, Qualtinger & Co. eine Nummer namens „Die Unterentwickelten“, die heute angesichts ihrer offenkundigen „Minderheitenfeindlichkeit“ völlig unvorstellbar wäre. In dieser heißt es „…wenn wir was lernen, werden wir zwar gescheiter, aber heut´ kommen wir mit der Blödheit viel weiter…“ was in einer Zeit, als Kinder (im Gegensatz zu heute) nach Abschluss der Grundschule immerhin fähig waren, zu lesen und zu schreiben, als weit vorweggenommene Bestätigung der Befunde, wie sie nach Thilo Sarrazin nun Christian Ortner vorlegt, verstanden werden kann.

Einen Ausweg scheint nur der (unvermeidliche) Systemkollaps mit anschließendem Neustart zu bieten. Auf dem Boden des gegenwärtigen Systems (Andreas Khol würde sagen „innerhalb des Verfassungsbogens“) ist deshalb nichts zu retten, weil die vom System der Prolokratie Begünstigten natürlich nicht freiwillig von ihren „wohl erworbenen Rechten“ lassen werden…

Besonders schmerzen wird es die unkritischen Apologeten der Massendemokratie, dass Ortner nicht nur die Mär von der grundsätzlichen Überlegenheit von Mehrheitsentscheidungen, sondern auch das Mantra vom demokratischen System als dem einzig erfolgreichen Freiheits- und Wohlstandsgenerator in Frage stellt, indem er mehr oder weniger autokratische (jedenfalls undemokratische!) Erfolgsmodelle wie China, Singapur oder Oman dagegenhält. Er stellt die berechtigte Frage, wie weit es denn mit der Freiheitsliebe in einem System her sein kann, das seine Leistungsträger mittlerweile um rund zwei Drittel ihres Einkommens bringt und das die gesamte Bevölkerung mit täglich neuen Regeln und Verboten drangsaliert.

Ortners Forderung, das Wahlrecht – analog zur Fahrerlaubnis – an gewisse geistige Fähigkeiten zu binden, erscheint nicht abwegig. In der Tat: Weshalb sollten Idioten kluge Entscheidungen treffen? Aus der Praxis des Alltags allerdings ergibt sich insofern ein gewichtiger Einwand (der einzige, den der Rezensent vorzubringen hat!), nämlich, dass man aus dem Mund einfacher Menschen (sofern sie ihr eigenes Geld verdienen und noch nicht durch die Segnungen des Wohlfahrtsstaates völlig korrumpiert und demoralisiert wurden), oft erheblich Gescheiteres zu hören bekommt, als aus dem von Akademikern. Insbesondere dann, wenn es sich z. B. um Soziologen oder Politikwissenschaftler handelt, die, kaum der Uni entronnen, auch schon – vorzugsweise in linken Parteien – auf politischen Mandaten hocken und von Steuergeldern leben. Formale Bildung schützt eben weder vor Blödheit noch vor Verkommenheit! Ein Blick ins Parlament, wo es von (scheinbar) gut gebildeten Menschen wimmelt, verschafft in dieser Frage absolute Gewissheit.

Wenn Ortner also fordert, „Kevin und Jessica müssen daran gehindert werden, die Konten heute noch Ungeborener zu plündern.“ Ist dem grundsätzlich zuzustimmen. Wie das (gewaltfrei) gehen soll, wird indessen nicht so ganz klar. Die Auswahl von Mandataren durch Los, anstatt durch Wählerentscheid, mag eine brauchbare Methode sein. Auch das Zitat aus Hayeks „Verfassung der Freiheit“, in dem ein Ausschluss aller Empfänger von Transferzahlungen (also auch der Beamten!) vom Wahlrecht gefordert wird, ist gut gewählt. Doch wer sollte das durchsetzen – gegen den Willen einer täglich größer werdenden Wählermehrheit?

Fazit: Angesichts des den Meinungshauptstrom beherrschenden, politisch korrekten Einheitsbreis, ein Büchlein voller erfrischender, kluger Gedanken.

Prolokratie
Christian Ortner
Edition a, Wien 2012
91 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-99001-047-1
€ 14,90,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien. 

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Europa endlich neu denken

11. Dezember 2012 00:58 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Erst in wirklichen Krisen können sich Staaten und Institutionen bewähren. Bei Schönwetter haben hingegen auch brüchige und windschiefe Konstruktionen Bestand. Was ist da nun die Europäische Union: ein windschiefer Schönwetter-Bau oder eine Struktur, die zu Recht den Nobelpreis bekommt? Immer mehr Menschen fragen sich: Wie wird die EU die gegenwärtige Krise überleben? Kann sie, wird sie überleben? Was sich noch nicht alle eingestehen: Es ist absolut notwendig, Europa komplett neu zu denken. Denn es hat sich auf einen Irrweg begeben. Es gilt zu bewahren und auszubauen, was sich bewährt, aber auch rasch wieder abzustoßen, was sich nicht bewährt hat.

Dazu tut es einmal gut, in die Außensicht zu wechseln. Tatsache ist, dass in den entwickelten Ländern Europas, die nicht EU-Mitglieder sind, die Diskussion über einen Beitritt fast völlig verstummt ist. Von der Schweiz bis Norwegen hat man weitgehend das Interesse an einer Mitgliedschaft verloren. Die Schweizer feiern gerade im großen Konsens als Erfolg, dass sie vor 20 Jahren beschlossen haben, sogar dem Vorhof der EU, dem Europäischen Wirtschaftsraum, fernzubleiben. Damals war die Nein-Mehrheit noch relativ knapp. Heute wäre sie haushoch.

Aber auch in jenen Ländern, die viele EU-Bürger ohnedies nicht gerne in ihrem Verein gesehen hätten, ist das Interesse geschwunden: Von Russland bis zur Türkei orientiert man sich viel weniger an der EU als vor einem Jahrzehnt. Man geht lieber eigene – nationale, nationalistische – Wege. Russland lebt (noch?) sehr gut von den hohen Energiepreisen, und die Türkei weist ein eindrucksvolles Wirtschaftswachstum auf.

Nur die Chaos-Länder wollen noch beitreten

Lediglich die kleineren und notleidenden Staaten in der Zone dazwischen zeigen anhaltendes Interesse an einer Mitgliedschaft: von Albanien bis zur Ukraine, von Moldawien bis Bosnien. Diese und alle anderen Nicht-EU-Länder in diesem Raum bekommen ökonomisch die Füße nicht auf den Boden. Sie strampeln irgendwo im Niemandsland zwischen den alten KP-Diktaturen, neuen nationalistischen Autokratien und dem Status von Möchtegern-Demokratien herum. Sie erwarten sich von der EU-Mitgliedschaft Wunderdinge und die Heilung aller Probleme von Korruption bis Unterentwicklung, vom Versagen der Justiz bis zu ungelösten ethnischen Konflikten.

Für die diplomatischen Eliten Europas wird es freilich immer schwerer, den bisherigen Mitgliedern solche Länder als Bereicherung der Union zu verkaufen. Hängen doch schon etliche der jüngst beigetretenen Mitgliedsstaaten wie ein Bleigewicht an den Beinen der Union. Insbesondere gilt das für Rumänien, wo soeben eine schwer korrupte und anti-rechtsstaatliche Gruppierung einen triumphalen Wahlsieg errungen hat.

Diese Länder wollen das Geld des Westens, aber nicht dessen Spielregeln. Dennoch zeigt sich die EU-Diplomatie auch an deren Mitgliedschaft interessiert: Sie glaubt nämlich, dadurch eine Stabilisierung der Region und der diversen brodelnden Konflikte zu erreichen. Dass die Bürger der alten EU-Staaten das anders sehen, ist den europäischen Eliten ziemlich egal. Ebenso, dass die erhoffte Stabilisierung durch die Mitgliedschaft auch schon bei den zuletzt aufgenommenen Mitgliedern nicht funktioniert.

Aber jedenfalls sind die Beitritts-Ambitionen solcher Staaten noch keineswegs ein Erfolgssignal für die EU. Viel signifikanter ist, dass alle Nicht-Euro-Mitgliedsstaaten sämtliche Initiativen abgeblasen haben, die gemeinsame Währung zu übernehmen.

Die klugen Vorstellungen der Briten

Am ernstesten sollte Europa aber das beobachten, was sich in Großbritannien abspielt. Im Inselreich ist ein Referendum über die eigene europäische Zukunft fast nicht mehr abzuwenden. Den Briten geht es dabei keineswegs nur um den Streit über die künftigen EU-Budgets und ihren eigenen Rabatt. Immer mehr Menschen, aber auch Abgeordnete fragen sich dort, ob man noch eine gute Zukunft in dieser Union hat. Würde Großbritannien aber die Union ganz verlassen, wäre das nicht nur für die Wirtschaft des Landes ein schwerer Schlag, sondern vor allem auch für die Union selber.

Wäre die Union gut beraten – also auch die anderen Mitgliedsstaaten und deren Abgeordnete – dann müssten sie sich viel ernsthafter mit den britischen Zukunftsvorstellungen befassen. Diese bestehen keineswegs nur in einem Entweder-oder. Vielen Briten schwebt ein Status vor, der sich ganz auf den europäischen Binnenmarkt konzentriert, auf den Rest aber verzichtet. Immerhin muss man London ja konzedieren, dass es den Binnenmarkt, also die Freiheit für Güter, Dienstleistungen, Kapital und Menschen sehr korrekt umsetzt, während etwa Frankreich vielfach hinterherhinkt, obwohl es gerne so tut, als ob es der Erfinder Europas wäre.

Rettet den Binnenmarkt!

Dieser Binnenmarkt ist eine historische Errungenschaft, die es in der Tat unbedingt zu retten gilt. Dabei ist auch ständig gegen vielfältige Versuche anzukämpfen, wieder kleine nationale Trennzäune zu errichten. Diese tarnen sich abwechselnd als ökologisch oder sozial, als kulturell oder sonst wie. Dahinter steckt aber fast immer der alte Protektionismus zu Lasten der Konsumenten und im Interesse einer kleinen Clique. Nur sehr rückständige Dummköpfe können ignorieren, wie sehr dieser Binnenmarkt den Wohlstand aller Europäer in den letzten Jahrzehnten gehoben hat, wie viele Millionen Arbeitsplätze verloren wären, wenn man die Unternehmen wieder in nationale Fesseln legen wollte.

Daher sollte man den Binnenmarkt auch in jenen Bereichen endlich abrunden, wo er noch immer nicht funktioniert: Etwa bei der Luftraumsicherung, im gesamten Eisenbahnbereich oder auch in den Regelungen des Straßenverkehrs. Das sind für einen Binnenmarkt wirklich essenzielle Bereiche.

Daher sollte man auch viel ernster das Projekt der Bush-Ära wiederzubeleben, den Binnenmarkt auch auf Nordamerika auszudehnen.

Ein verbesserter Binnenmarkt wäre noch viel problemloser, hätten nicht fundamentalistische europäische Behörden und Richter die Personen-Freizügigkeit extrem weit in Bereiche hinein ausgedehnt, wo sie keineswegs notwendig und sinnvoll ist. Viele diesbezügliche Regeln sind nicht nachhaltig anwendbar: Etwa der Anspruch von EU-Rentnern, in jedes EU-Land ihrer Wahl ziehen zu können, und dort automatisch die jeweiligen Mindestsicherungen zu bekommen (allein die österreichische Ausgleichszulage bringt vielen EU-Rentnern eine Versiebenfachung ihrer Rente); oder die extensive Praxis der Familienzusammenführung. Aber von dieser Problemzone abgesehen ist der Binnenmarkt wirklich eine sensationelle Errungenschaft, um die Europa zu Recht beneidet wird.

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Als umso fragwürdiger erweist sich vieles andere, was in den letzten 20 Jahren dazugekommen ist. Als erstes Beispiel kommt einem dabei natürlich die Währungsunion eines Teils der EU-Staaten in den Sinn. Heute erkennt man, was kluge Menschen schon in den 90er Jahren gesehen haben: Ohne durchgreifende politische Union ist eine Währungsunion absurd. Solange jedes Land selber seine Budgetdefizite entscheidet, seine Steuersätze, sein Rentenalter, seine Mindestsicherung usw. kann eine Währungsunion nicht funktionieren. Die Ergebnisse dieses Realexperiments sollte langsam in alle Köpfe eingedrungen sein. Und zugleich sollten auch die naivsten deutschen und österreichischen Politiker erkennen, dass eine solche politische Union auf friedlichem Weg nicht durchsetzbar ist.

Aber nicht nur bei der Währungsunion drängt sich ein „Zurück an den Start, um Schlimmeres zu verhindern“ auf. Genauso fragwürdig ist die Zusammenarbeit im Bereich des Strafrechts. So wichtig eine Angleichung des Zivilrechts in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum ist, so absurd ist es, wenn man beispielsweise Mitgliedsstaaten verpflichtet, eigene Staatsbürger ans Ausland auszuliefern.

Genauso widersinnig ist es, von einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu reden, wenn man neutrale Länder als Mitglieder hat, oder wenn man es stillschweigend hinnimmt, dass ein Nicht-EU-Staat einen bedeutenden Teil der Union völkerrechtswidrig besetzt hält. Die Situation in Nordzypern ist für eine Möchtegern-Weltmacht mit 500 Millionen Menschen nur noch peinlich. Entweder man hätte Zypern nie aufnehmen dürfen, oder man kann die volle Souveränität der EU durchsetzen.

Und was soll man von der Glaubwürdigkeit der EU halten, wenn sie sich als demokratisch ausgibt, aber ein völlig undemokratisch zusammengesetztes Parlament hat? Jeder deutsche Abgeordnete muss ja zwölf Mal so viele Wähler vertreten wie etwa einer aus Malta.

Am schlimmsten ist der manische Hang der Union, in ihrem Machtrausch ständig immer noch mehr Dinge zu regeln, für die sie niemals geschaffen worden ist. Die Beispiele reichen von der ständigen Verschärfung des angeblichen „Verhetzungs“-Tatbestands übers Nichtrauchen über Studienberechtigungen bis zum gerade wieder aktualisierten Versuch, allen Europäern wassersparende Armaturen vorzuschreiben. Diese sind nicht nur teurer, sondern nördlich der Alpen auch schädlich, wo es genug Wasser gibt, aber viele Rohrsysteme wegen zu geringen Wasserdurchlaufs verschlicken.

Vielleicht sollte man die Europäer an Joseph II. erinnern, der auch alles mögliche von oben neu reglementieren wollte und solcherart zum unbeliebtesten Herrscher geworden ist.

Ein Weniger wäre mehr

Die Konklusion: Für Europa wäre heute ein Weniger ein klares Mehr, das vielleicht sogar das Überleben der Union retten könnte. Manche klugen Europäer erkennen das auch langsam: So empfahl dieser Tage der österreichische Nationalbank-Chef Ewald Nowotny Europa mehr Pragmatismus. Er warnte davor, die Idee einer politischen Union zur Schicksalsfrage zu machen. Das klingt zumindest in Ansätzen sehr vernünftig.

Die Mehrheit der europäischen Politiker will aber weiterhin in eine falsche Richtung gehen. Sie versprechen zwar immer dann mehr Subsidiarität, wenn die Bürger zu sehr aufbegehren, praktizieren aber jahraus, jahrein das Gegenteil. Es wird Zeit, dass sich besonnene Europäer für das zu engagieren beginnen, was in Europa rettenswert ist.

PS.: Ach ja, und der Friedensnobelpreis? Der ist wohl nichts anderes eine gewaltige Verführung, den wirklichen Zustand Europas zu verdrängen. Er ist ungefähr so ernst zu nehmen, wie die Verleihung des selben Preises an Barack Obama in dessen erstem(!) Amtsjahr, bevor er weitere vier Jahre Krieg führte. Wenn die EU so weitermacht, wird sie selbst zur großen Friedensbedrohung.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com. 

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Die Medien: der große Ekel

09. Dezember 2012 12:16 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Kann man sich noch, ohne sofort tief und schamvoll zu erröten, als Journalist bezeichnen? Nicht erst die letzten Stunden machen einem klar, dass man zu einer Berufsgattung zählt, die zwar an einem Ende immer noch tolle Leistungen zustande bringt, die am anderen aber so verkommen ist, dass es tiefer nicht mehr geht. Nicht nur in Großbritannien und Australien, sondern etwa auch in Österreich. (Mit einer nachträglichen Ergänzung).

Der Selbstmord einer britischen Krankenschwester ist das jüngste und dramatischste Mahnmal am Wege eines widerlich gewordenen Journalismus. Die Frau wusste offensichtlich nicht mehr ein und aus, nachdem zwei australische Radioreporter sie hineingelegt haben. Die zwei hatten sich als die britische Königin und ihr Mann ausgegeben, die sich nach dem Befinden der wegen Schwangerschaftsproblemen eingelieferten Frau ihres Enkels erkundigen.

Schon allein dieses Vordringen in das Privatleben anderer – ja, auch Royals haben ein Menschenrecht darauf! – sollte eigentlich Skandal genug sein. Zusätzlich haben die Reporter aber dann auch noch diese Krankenschwester, ihre Hilfsbereitschaft und ihren Respekt vor einer scheinbar anrufenden Königin dem Hohn preisgegeben. Die Frau wurde in ihrer Menschlichkeit an den Pranger einer geilen Weltöffentlichkeit gestellt. Das ist Menschenhatz auf das Widerlichste. Und nicht nur ich werde es als sehr bedauerlich finden, dass es da wohl keine strafrechtlichen Konsequenzen geben wird.

Das alles passiert - wenn auch durch australische Täter - ausgerechnet in Großbritannien. Dieses Land hat soeben geglaubt, die medialen Skandale und Missbräuche der letzten Jahre endlich aufgearbeitet zu haben. Journalisten mehrerer Medien hatten Promis und deren Umgebung abgehört und bis ins Privateste hinein verfolgt. BBC-Moderatoren haben Hunderte Kinder sexuell missbraucht. Andere haben einen Politiker fälschlicherweise als Missbrauchstäter geoutet. Das alles hat Medien und Politik von einem „Nie wieder“ reden lassen. Und jetzt das!

Bei uns in Österreich, da ist ja alles zum Glück viel besser, oder? Nein, das ist es keineswegs. Bis auf das Fehlen von bekannten Todesopfern ist der Journalismus hier in manchen Bereichen noch viel übler. Zum einen, weil es am positiven Ende nichts mit britischen Qualitätsprodukten Vergleichbares gibt, also insbesondere mit dem „Economist“ und – trotz allem – mit BBC-World und BBC-World-Service.

Zum anderen empören die Käuflichkeit, die Bestechlichkeit und die Erpressungsmethoden (Motto: „Wenn Sie nicht inserieren, machen wir Sie medial fertig“) bestimmter Medien und Verleger. Das, was da bei etlichen Boulevardmedien und Wochenprodukten zu beobachten ist, ist übler als alles, was man im westlichen Ausland kennt. Und nicht nur die Faymanns und Stronachs und Berlakovichs, die dafür mit Steuergeld zahlen, sind widerlich, sondern die Erpresser erst recht.

Es gibt in Österreich auch solche „witzigen“ Radioreporter, die sich als etwas Falsches ausgeben, und die dann die hineingefallenen Opfer vor aller Öffentlichkeit lächerlich machen. Auch da ist wieder einmal der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit Ö3 seit Jahren an führender Stelle dabei. Ohne dass sich eines der unzähligen Aufsichtsgremien aufgeregt hätte.

In eine ähnliche Kategorie fallen die vielen Fernsehformate mit versteckter Kamera, die es auf fast allen Sendern immer wieder gibt. Auch in diesen Programmen wird die Hilfsbereitschaft von Menschen ausgenutzt und lächerlich gemacht. Das hat gesellschaftlich diese Hilfsbereitschaft dramatisch reduziert. Denn die meisten Menschen überlegen inzwischen schon bei jeder ungewöhnlichen Situation auf der Straße, ob sie da nicht wieder einmal von „lustigen“ Journalisten hineingelegt werden.

Am widerlichsten ist aber, was da der österreichische Presserat genau in diesen Tagen beschlossen hat: Er hat es ausdrücklich als legitim bezeichnet, wenn Journalisten mit verdeckter Identität recherchieren. Zwar spricht das Gremium von bestimmten Voraussetzungen dieser Legitimität. Nur: Über die entscheiden halt wiederum die Journalisten selber. Die Presserats-Funktionärstypen begreifen nicht: Wer einmal solche Dämme eingerissen hat, wie etwa die journalistische Pflicht zu offenem Visier, der wird die Sturzflut an Jauche nie wieder aufhalten können.

Immer mehr weise Menschen befürchten, dass der demokratische Rechtsstaat in einer tödlichen und vielleicht finalen Krise steckt. Ich hoffe trotz allem noch immer, sie haben nicht recht. Aber unbestreitbar hat der Journalismus und seine Verkommenheit einen großen Anteil an dieser bedrückenden Entwicklung. Wie auch immer sie enden mag.

 Nachträgliche Ergänzung: Absolut fassungslos hat auch der sogenannte Qualitätssender Ö1 gemacht: Dieser hatte in einem Journal-Beitrag (vor dem Selbstmord) den australischen Journalisten zu dem nach Ansicht des ORF gelungenen Fake-Interviews gratuliert. Öffentlich-rechlich halt.

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Die flachen und die steilen Steuern

06. Dezember 2012 00:20 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Was ist gerechter? Eine progressive Steuer, bei der mit steigendem Einkommen ein immer höherer Prozentsatz fällig wird, oder eine Flat tax, bei der immer der gleiche Prozentsatz kassiert wird? Eine ethische Debatte über Gerechtigkeit lässt sich nächtelang führen. Beide Steuermodelle haben manches für sich. Aber zweifellos hat bei uns die progressive Steuer derzeit die höheren moralischen Ebenen für sich. Daher haben wir eben bei der Einkommensteuer eine Progression, daher wird bei vielen anderen scheinbar „flachen“ Steuern durch Freibeträge, durch niedrigere Sätze beispielsweise für Lebensmittel versucht, auch hier die Ärmeren zu bevorzugen und die Reicheren abzukassieren.

Ein kluger Staat würde freilich diese ethische Diskussion nicht führen. Der würde eher rational nachdenken: Was ist einfacher in der Einhebung? Wo gibt es weniger Steuerflucht und Steuerwiderstände? Was ist gut für das nationale BIP? Wo habe ich am Ende genug Einnahmen, um auch sozialen Schutz für alle Familien, Kranken und Alten zu finanzieren? Und da spricht alles für eine einfache und klare Flat tax ohne viele Ausnahmen und Schlupflöcher.

Dieses Prinzip hat sich in osteuropäischen Ländern mit etlichem Erfolg durchgesetzt. Trotz Senkung und Angleichung der Spitzensteuersätze war am Ende mehr in der Staatskasse. Weil die Leistungsträger besser motiviert waren. Weil die Steuerzahler ehrlicher wurden. Und weil es Steuerpflichtige gegeben hat, die ihre Einkommen plötzlich in Flat-tax-Ländern deklariert haben und nicht in „progressiven“ Ländern.

Eine Ausnahme dieser Erfolgsstory ist Ungarn – aber aus ganz anderen Gründen. Dort hat man durch andere neue Steuern und Schikanen begonnen, ganz gezielt Investoren – also vor allem Ausländer – zu schröpfen, um die einheimischen Wähler zu schonen. Diese eigenwillige Erfindung eines nationalen Sozialismus durch eine sonst konservative Regierung musste natürlich Schiffbruch erleiden.

Neben flachen und progressiven Steuern gibt es aber auch noch ein drittes Modell: die Pauschalbesteuerung in etlichen Schweizer Kantonen. Dort zahlt man ab einer gewissen Einkommenhöhe keinen Rappen zusätzlicher Abgaben mehr. Dieses Modell ist eine Hauptursache des Schweizer Reichtums, hat es doch zu einem Zuzug aus der ganzen Welt in diese Teile der Schweiz geführt. Für jeden, der viel zu versteuern hat, ist die Übersiedlung in die Schweiz hochinteressant – und im Gegensatz zum Verstecken von Geldern auf Schweizer Konten völlig legal. Man braucht nur die Zustimmung der betreffenden Gemeinde.

Für viele ist das trotz aller Erfolge ein absolut unmoralisches Modell. Daher ist in Österreich auch ein Finanzexperte gescheitert, der es vorgeschlagen hat – obwohl er eigentlich aus rotem Uradel und der Bank Austria gekommen ist. Gegen den nicht definierbaren Begriff Gerechtigkeit muss bei uns offenbar der Begriff Erfolg immer scheitern.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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SN-Kontroverse: KPÖ-Wahl

30. November 2012 11:21 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Ist es legitim, die KPÖ zu wählen?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Legitimität und sattelfeste Demokraten

 

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Natürlich ist es legitim, die KPÖ zu wählen. Es handelt sich dabei weder um eine nach dem NS-Gesetz verbotene Partei, noch steht sie, wie es einst Andreas Khol (ÖVP) über die FPÖ gemeint hat, "außerhalb des Verfassungsbogens". Das hat bekanntlich weder Khol noch die ÖVP dran gehindert, im Jahr 2000 eine Koalition mit der FPÖ einzugehen. Wohlgemerkt als drittstärkste Partei.Die Folgen sind bekannt: Wolfgang Schüssel wurde Kanzler und die schwarz-blaue Ära ist in erster Linie ein Fall für die Korruptionsstaatsanwaltschaft. Wobei Khol zugute zu halten ist, dass er Schüssels "Superidee", Karl Heinz Grasser zum ÖVP-Chef zu machen, letztlich verhindert hat.

Dass die KPÖ im steiermärkischen Landtag 2010 zwei Sitze und nun in Graz Platz zwei erobert hat, zeigt, wie sehr das Wahlvolk vom oben geschilderten Spiel angewidert ist. Die "Kummerln" haben in der "grünen Mark" gezeigt, dass Politik anders ausschauen kann. Statt Privatisierungen auf Teufel komm raus, Selbstbereicherung einiger weniger oder dubiosen Beschaffungsvorgängen - Konzentration auf die alltäglichen Probleme der Menschen wie z.B. Wohnungsnot oder Ängste vor dem sozialen Abstieg.

Auf KPÖ-Drängen wurde der Regress bei der Sozialhilfe in der Steiermark abgeschafft; die Fristen für die Entscheidung über Anträge auf Sozialhilfe auf drei Monate verkürzt. Menschen in akuter Not müssen nicht mehr ein halbes Jahr auf die Gewährung von Hilfeleistungen warten. In Graz profilierte sich die KPÖ in erster Linie über den Mieterschutz und die Sanierung von Substandardwohnungen. Ämter und hoch dotierte Positionen scheinen Ernest Kaltenegger & Elke Kahr nicht so wichtig. Die Grazer KPÖ-Chefin meint: "1800 Euro monatlich reichen mir völlig."

Dass sie der ÖVP als stimmenstärkster Partei den Anspruch auf den Bürgermeistersessel nicht streitig macht, weist die KPÖ-Spitzenfrau zudem als sattelfestere Demokratin als Schüssel, Grasser & Co. aus.

 


Völkermord wird salonfähig

 

Andreas Unterberger

 

Der Kommunismus war zusammen mit dem Nationalsozialismus das weitaus übelste Verbrechenssystem der letzten 200 Jahre. Im Schatten eines zwar rhetorisch human klingenden, aber ökonomisch absurden Ideologiegebäudes hat eine Ideologen- und Funktionärs-Clique jahrzehntelang den halben Globus mit ihrem menschenverachtenden Machtsystem überzogen.

Dieses beruhte auf organisiertem Terror und Massenvernichtung ganzer Völker. Ihm sind in Europa und Asien unvorstellbare 80 bis 100 Millionen unschuldiger Menschen zum Opfer gefallen.

In Osteuropa ist das ganze morsche Gebäude vor 23 Jahren in einer tapferen Erhebung der Menschen zusammengebrochen. Aber bis heute werden im Zeichen des Kommunismus in Nordkorea oder Kuba Menschen aus politischen Gründen verfolgt, inhaftiert, ermordet.

Und bis heute muss dort die Bevölkerung darben. China hat wenigstens die skurrilen Wirtschafts-Ideen des Kommunismus entsorgt, was einen steilen Aufstieg ermöglicht. Der Machtterror geht aber auch in China weiter.

Wie kann es da anständige Menschen in Österreich unberührt lassen, wenn in der zweitgrößten Stadt jeder Fünfte eine kommunistische Partei wählt? Diese war ja nicht einmal bereit, sich wenigstens durch eine Namensänderung oberflächlich von den kommunistischen Verbrechen zu distanzieren.

Was für katastrophale Versäumnisse passieren da an Schulen und Universitäten, wenn so vielen Menschen jedes Wissen über den Kommunismus fehlt? Werden dort die enormen Ähnlichkeiten zwischen real existierendem Sozialismus (wie ihn die Kommunisten gerne nannten) und National-Sozialismus verwischt? Welchen ökonomischen Unsinn verbreiten Medien, wenn so viele Menschen ausgerechnet die Wohnungspolitik als Motiv nennen, warum sie KPÖ gewählt haben? Dabei hatte gerade Osteuropas Wohnungsnot das Scheitern des Kommunismus besonders deutlich demonstriert.

 

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Es geht auch ohne Staat!

29. November 2012 04:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Der Wohlfahrtsstaat europäischen Zuschnitts befindet sich in einer Krise. Sein durch ständig steigende Steuerlasten und riesige Schuldenberge gekennzeichnetes, unaufhörliches Wachstum, führt zu einer fortschreitenden Belastung der Leistungsträger und schafft völlig falsche Anreize. Dass eine sichere Anstellung im Staatsdienst besonders auf gut ausgebildete, junge Menschen so große Anziehungskraft ausübt, spricht Bände.

Dass sie – anstatt sich für die mit dem Wagnis einer beruflichen Selbständigkeit verbundenen Chancen zu interessieren – scheinbar sichere, unselbständige Erwerbsarbeit vorziehen, ist ein offensichtliches Symptom der Fehlleitung von (humanen) Ressourcen. Wenn eine Gesellschaft so weit (ver-)kommt, dass die Bestgebildeten lieber weisungsgebundene Verwalter als kreative Macher sein wollen, dann ist es um deren Zukunft nicht gut bestellt.

Keines der gegenwärtig artikulierten Reformvorhaben zieht die Segnungen des Wohlfahrtsstaates in Zweifel. Keine der aktuellen Parteineugründungen stellt ein alternatives System zur Diskussion. Nicht einmal eine Neuordnung des Steuersystems (etwa auf Grundlage einer Proportionalsteuer) erscheint derzeit möglich. Dass es zur sozialen Organisation in Gestalt des allsorgenden Gouvernantenstaates, der die Menschen ihrer Freiheit beraubt und zu wohlgenährten Sklaven degradiert, eine plausibel erscheinende Alternative gibt, soll hier anhand einiger grundlegender Überlegungen dargstellt werden.

Das segensreiche Eigentum

In deren Zentrum steht das private Eigentum, dessen rechtmäßiger Erwerb und Schutz. Grund dafür bildet die Erkenntnis, dass letztlich alle bürgerlichen Rechte Eigentumsrechte sind, deren Unantastbarkeit für eine funktionierende soziale Ordnung von entscheidender Bedeutung ist. Die Grundlagen einer staatsfreien Privatrechtsgesellschaft sollen anhand der Gedanken eines der kompromisslosesten und radikalsten Denker im libertären Lager, Hans-Herman Hoppe, erläutert werden. In der Folge wird ein Auszug aus einem am 26. 11. in dem Blog von Freitum.de erschienenen Beitrag über einen aktuellen Vortrag Hoppes in der Freiheitsakademie im Modelhof im ostschweizerischen Müllheim wiedergegeben:

Die aus ökonomischer Sicht heikle Frage des Gemeineigentums (öffentliche Güter) stellt sich aus oben genannten Regeln nicht, wenn sie streng angewendet werden. Dennoch zeigte Hoppe gekonnt auf, dass bei solchen Gütern nicht immer Harmonie der Interessen bestehen wird und nicht zuletzt eine dadurch entstandene Moral-hazard-Problematik nur durch Eigentum gelöst werden kann.

Steuern sind Diebstahl

Doch wie ist mit Rechtsbrechern vorzugehen, die Eigentum ungerechtfertigt an sich nehmen? Die meisten (minarchistischen) Liberalen beantworten diese Frage mit „Staat“. Nicht so Hoppe. Er zeigt auf, dass der Staat bei allen Konfliktfällen, wo er die letzte Instanz ist, jeweils das letzte Wort hat. Der Staat bestimmt über Recht und Unrecht, insbesondere auch bei Fällen zwischen Privaten und dem Staat (öffentlich-rechtliche Streitfälle). Der Staat als Monopolist der Rechtssprechung kann also Konflikte anstiften und mit seinen Regeln die Leute dazu zwingen, nach seinem Gusto den Konflikt wieder zu lösen.

Dies zum Beispiel im Bereich Diebstahl. Der Staat darf die Bürger durch Steuern bestehlen. Sofern man sich gegen den Fiskus stellen möchte, muss man vor staatliche Gerichte treten, die staatliches Recht anwenden. Der Staat verknüpft geschickt sein Monopol auf Rechtssprechung mit seinem Gewaltmonopol. Denn wird der Diebstahl (Steuern) vom Bürger nicht legitimiert, wird das Geld mittels Gewaltmonopol eingetrieben.

Zumindest die Ökonomen müssten bei der aktuellen Situation des Staates aufschreien, denn diese Wissen, dass Monopole immer schlecht sind. Ein Monopolist ist der Einzige, der etwas darf. Er kann hohe Preise durchsetzen und die Qualität niedrig halten. Monopolisten hassen Wettbewerb. So ist es auch zu erklären, dass Diebstahl verboten ist, denn der Staat hasst Konkurrenz.

Während nahezu allen Ökonomen der Ansicht sind, dass Monopole stets schlecht sind, sind nur ganz wenige der Ansicht, dass auch bei der Produktion von Sicherheit ein Monopol schlecht ist. Hoppe ist einer davon. Der Produzent von Sicherheit (Staat) müsste im Wettbewerb stehen. Schon heute gibt es private Sicherheitsdienstleister, dennoch ist das Gewaltmonopol noch immer beim Staat. Professor Hoppe bezeichnet mit seiner klaren Sprache den Staat als einen „rechtsbrechenden Rechtsschützer und enteignenden Eigentumsschützer“, der die Ausgaben für die Produktion von Sicherheit maximiert, den Output, die Sicherheit, jedoch minimiert.

Schlechte Monarchen werden entfernt, Gauner wiedergewählt

Hoppe bricht mit jeglichem bestehendem Denken. Er ist auch bekannt dafür, dass er die Demokratie in Frage stellt. Dass auch die Demokratie nicht die ideale Staatsform ist, zeigte er mit einem typischen Vergleich auf: Dem Vergleich der Demokratie mit der Monarchie. Dass die Monarchie einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz darstellt, dürfte klar sein. Alle sollen vor dem Gesetze gleich sein, waren es in einer Monarchie jedoch nie. Auf die Monarchie folgte die Demokratie, in der nun plötzlich jeder „König“ werden konnte.

Jedoch werden auch in einem demokratischen System die Bürger unterschiedlich behandelt, nicht zwingend mit persönlichen Privilegien, sondern vielmehr mit funktionellen Privilegien. Öffentliche Leute (Beamten) dürfen stehlen (Steuern), private nicht. „Bei einer Privatperson ist es Stehlen und Geben, beim Staat heißt es dann Sozialpolitik“, so Hoppe. Ohne Zweifel, der Staat ist sehr großzügig beim Geldausgeben – das wären wir auch, wenn wir fremdes Geld ausgeben dürften.

Ein weiteres Problem der Demokratie ist die Kurzfristigkeit. In einer Monarchie ist der König der Eigentümer des Bodens, in einer Demokratie ist der Politiker der temporäre Verwalter. In der Zeit der Legislatur, die meistens vier bis acht Jahre dauert, kann er als Nutznießer möglichst viel aus dem geliehenen Boden (Volk) rausholen. Wäre es sein Eigentum, würde er es nicht derart aussaugen. Die Bürger lassen dies in einer Demokratie zu, denn auch sie könnten einmal vom Sklaven zum Peitscher aufsteigen.

Zudem: Ein König wird per Zufall in die Königsfamilie hineingeboren. Ist er ein guter König, gibt es keine Probleme. Ist er ein schlechter König, wird er von seiner eigenen Familie „entfernt“. Denn diese wird nicht zulassen, dass die Dynastie zerbricht. Keine unsympathische Selektion. In einer Demokratie werden diejenigen Politiker gewählt, die dem Volk am meisten versprechen, am verschwenderischsten fremdes Geld ausgeben. Hoppe nennt dies den „Wettbewerb der Gauner“ und verdeutlicht: „Demokratie fördert die Bildung von üblen Charakteren, es kommen die rauf, die am übelsten sind.“

Nach dieser Einführung in seine konsequente Denkweise zeigte er die Grundzüge einer Privatrechtsgesellschaft auf. Ganz nach der Denkweise aller Wirtschaftswissenschafter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie gibt er zu verstehen, dass er sich niemals anmaßen würde zu wissen, wie eine solche Gesellschaft im Detail aussehen könnte. Er weiß jedoch, dass jegliche Staatsaufgaben von Privaten besser erledigt werden können.

Ausgehend von den oben aufgeführten Grundregeln bezüglich Eigentum zeigte er auf, dass Sicherheit von Privaten besser produziert werden kann. Auch die Rechtssprechung könne von im Wettbewerb stehenden Privaten besser erledigt werden. In einer Privatrechtsgesellschaft sind freiwillige Verträge der Kern der Sache, da kein staatlicher Zwang mehr vorhanden ist. „Der Staat ist ein vertragsloser Zustand – oder haben Sie jemals so etwas wie einen Gesellschaftsvertrag, der Sie zu all Ihren Bürgerpflichten zwingt, unterschrieben?“

Für Libertaristen gibt es so etwas wie einen Rousseau´schen Gesellschaftsvertrag nicht. Auch der „volonté générale“ kann nicht als Legitimation von Macht und Zwang gegenüber mündigen Individuen geltend gemacht werden.

Jeder gehört sich selbst, kollektive Machtausübung gegen den Willen des Individuums ist nicht tolerierbar. Oder denken Sie, dass irgendjemand besser weiß, was für Sie gut ist? Diese auf freiwilligen Verträgen basierende spontane Ordnung (vgl. auch Mises) wäre eine Alternative zum System „Staat“.

Wer zahlt ist sicher

Kein privatrechtlicher Sicherheitsdienstleister kann den Preis fixieren, jedoch keine Leistung garantieren. Niemand würde einen solchen Vertrag unterzeichnen. Der Staat hingegen bestimmt den Preis (Steuern), garantiert jedoch keine Leistung. Mehr noch: Wenn er mal Leistung von dem gestohlenen Geld zurückgibt, dann tut er das mit großem Gebrüll als Ausdruck des „Sozialstaates“.

In einer Privatrechtsgesellschaft würde die Leistung (Sicherheit) definiert werden. Der Preis pro Einheit Sicherheit würde zweifelsohne fallen. Es gäbe keine planwirtschaftliche Unter- oder Überproduktion von Sicherheit, da die Produzenten von Sicherheit im Wettbewerb untereinander stehen. Zudem ist Sicherheit ein Gut, welches mit anderen Gütern konkurriert, denn wenn Sie mehr Geld für Sicherheit ausgeben, haben Sie, unter Annahme von Knappheit hinsichtlich des Gutes „Geld“, weniger Geld für andere Güter übrig. Sie werden also entsprechend Ihren individuellen Präferenzen Sicherheit nachfragen, die einen mehr, die anderen weniger. So kriegt jeder soviel Sicherheit, wie er auch nachfragt und bezahlt nicht für nicht nachgefragte Sicherheit. Eine effiziente Allokation, gerechter geht es nicht.

Gäbe es auf die Produktion von Sicherheit kein staatliches Monopol, so gäbe es auch keine Beamten oder Polizisten, die mittels Ihrer Steuern fürs Nichtstun bezahlt werden. Im System „Staat“ muss ein Polizist keine Verbrecher jagen, denn er kann ja bequem Strafzettel verteilen, bis der Feierabend naht. Zudem werden im Staat die Opfer von Verbrechen nicht entschädigt, schlimmer noch, das Opfer (Bürger) bezahlt mit seinen Steuern ja noch die Unterbringung des Verbrechers.

Ein privatrechtlicher Anbieter von Sicherheit wäre im Gegensatz zum Staat an Prävention sehr interessiert, denn er muss im Schadensfalle bezahlen. Folglich würde er vorbeugende Maßnahmen zur Verbrechensverhütung unterstützen, ein Staat tut so etwas nicht. Er würde auch eher die Diebesbeute zurückführen, denn dann müsste er weniger Schadensersatz bezahlen.

Private Anbieter von Sicherheit wären sogar friedensfördernd, denn eine Privatperson würde keinen großangelegten Krieg gegen andere Völker führen, da sie selbst bezahlen müsste. Die Option von Steuereinnahmen und Geldausweitung über die Zentralbanken zur Kriegsfinanzierung gibt es nicht. Staaten sind viel aggressiver, da die Aggressoren die Kosten nicht selber tragen müssen; das Volk bezahlt die Kosten und die Bürger verlieren unfreiwillig ihren Kopf auf dem Schlachtfeld, nicht die Aggressoren.

Jedem seine Rechtsordnung

Hoppe befasst sich auch mit privaten Rechtssprechern. Diese könnten verschiedene Rechtsnormen anbieten, so könnten Muslime ihr Rechtssystem nachfragen, Juden ihre Rechtssprechung. Bei Konflikten zwischen den jeweiligen Rechten würden unabhängige Schlichtungen entstehen, die ebenfalls in Konkurrenz stehen. Eine universelle, internationale Rechtssprechung würde sich etablieren, richterliches Ermessen auf ein Minimum begrenzt. Wenn diese Schlichtungsstellen scheitern, würden sie in einem nächsten Fall nicht wiedergewählt und verschwinden vom Markt, diejenigen, die im Sinne der beiden Streitparteien schlichteten, werden am Markt bestehen können.
http://www.freitum.de/2012/11/privatrechtsgesellschaft-eine-skizze.html?spref=fb

Der Übergang vom Status quo zur Privatrechtsgesellschaft ist – ohne gewaltsame Ausschreitungen – nur zu schaffen, wenn zuvor einer großen Zahl von Menschen klar wird, dass der Staat kein einziges ihrer Probleme lösen kann, ohne damit zugleich eine Vielzahl neuer Probleme zu schaffen. Ludwig Mises sprach von einer „Interventionsspirale“:

Der Staat selbst ist das Problem! Je größer, desto drückender seine auf den Bürgern ruhende Last. Ein Rückbau des Staates – sowohl hinsichtlich seiner räumlichen Ausdehnung (10.000 Liechtensteins sind besser als eine EU), als auch in Bezug auf seine Regelungskompetenzen, ist anzustreben. Dazu bedarf es weder einer Revolution noch der Anwendung oder Androhung physischer Gewalt. Es reicht eine einzige Einsicht: Wenn wir den Staat nicht umbringen, wird der Staat uns umbringen…

Diese und andere, in erfrischender Weise gegen den Strich gebürstete Gedanken, finden sich in Hoppes im heurigen Jahr erschienen Buch „The Great Fiction“:
http://propertyandfreedom.org/hoppes-new-book-the-great-fiction/

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Marktwirtschaft versus konservative Wirtschaftsauffassung

21. November 2012 05:42 | Autor: Friedrich Romig
Rubrik: Gastkommentar

Der Tagebuchbetreiber teilt Friedrich Romigs wirtschaftstheoretische Vorstellungen über weite Strecken nicht. Denn sie beruhen auf einem völligen Missverständnis von Marktwirtschaft, einem Ignorieren der durch sie erzielten Wohlstandsvermehrung und dem Fehlen jeder Wertschätzung für die Freiheit als zentralem Wert (auch des Christentums). Die liberalen Ökonomen waren auch die einzigen, die von Anfang konsequent die Schulden-Ansammlung in der EU sowie die diversen Rettungspakete kritisiert haben. Romigs Vorstellungen einer durch Stände und Kammern regulierten Ökonomie sind nicht nur im einstigen Ständestaat total gescheitert.
Die begeisterte Zitierung von Linksaußen-Ökonomen wie Kurt Rothschild zeigt trotz Romigs eigentlich konservativ-katholischen Hintergrunds die große Nähe seines Theorieansatzes zu sozialistischem Denken. Dieses war in der Geschichte immer die sichere Garantie für allgemeine Verarmung. Dennoch präsentiert das Tagebuch in der Folge Romigs Text ohne jede weitere Anmerkung, weil er eine konsistente Zusammenfassung einer sonst kaum noch so artikulierten Weltsicht darstellt, weil er jedenfalls als interessante Herausforderung gelten kann, und weil Mainstream-Medien solchen Sichtweisen keinerlei Artikulations-Chancen bieten. (a.u.)

„Marktwirtschaft" ist ein Kind des Liberalismus, Liberalismus ein Kind der Aufklärung.[i] Das Projekt der Aufklärung ist die Lostrennung („Emanzipation") des Menschen von Gott und schließlich von jeglicher Autorität unter Rekurs auf die als „mündig" angenommene einzelmenschliche Vernunft[ii].

Was eigentlich ist „Marktwirtschaft"?

Die auf sich selbst gestellte („autonome") menschliche Vernunft, die sich nicht mehr als Manifestation des göttlichen Logos versteht, muss ihr Prinzip in sich selbst finden, um auf die Frage, was vernünftig sei, antworten zu können. Wir bezeichnen das als „Rationalismus"[iii].

Vernünftig, „rational" ist für den Rationalismus zuletzt nur das, was Lust verschafft (die Nationalökonomen nennen es „Nutzen", „Bedürfnisbefriedigung", „Ertrag", „Wohlfahrt") und Unlust (Missnutzen oder „Disutility", „Mühe", „Arbeit", „Aufwand", „Kosten") meidet[iv]. Das handlungsbestimmende Prinzip der Vernunft ist nach rationalistischer Auffassung das ökonomische Kalkül von „pleasure and pain“, „utility and disutility", „Nutzen und Aufwand", „Ertrag und Kosten"[v].

Insoweit der Mensch rational handelt – und nur dann handelt er als „aufgeklärter" Mensch, als animal rationale – ist er homo oeconomicus. Sein ganzes Dichten und Trachten, alles was er tut, zielt auf Lustgewinn („Profit") sowie auf den Erwerb von äußerem Reichtum und Macht ab, die beiden Mittel, um sich jeden Wunsch zu erfüllen („Macht ist Münze"). Genau das sind denn auch die Antriebsmotive der „Marktwirtschaft": „Die Gier nach Profit und das Verlangen nach Macht"[vi].

Das Streben des Einzelnen nach Profit (Lustgewinn, Reichtum) und Macht, stößt auf das gleichartige Streben der Mitmenschen, d. h. auf Konkurrenz. Sie ist das regulative Prinzip, welches das Verhältnis der Menschen zueinander bestimmt, und der Markt der „Ort", auf dem der Wettbewerb ausgetragen wird. „Marktwirtschaft" wird daher häufig mit „Wettbewerbswirtschaft" gleichgesetzt.

Wettbewerb (z.B. im Sport) bezweckt Auslese der Besten nach Regeln oder Normen. Solche (Spiel-)Regeln oder Normen „organisieren" den Wettbewerb („die Wettbewerbsveranstaltung") und bestimmen, wer beim Wettbewerb auf Grund seiner alle anderen Konkurrenten überragenden Leistung („Performance") als Sieger gelten und als der Tüchtigste („Beste", „Stärkste", „Schnellste") den Siegespreis erhalten soll. Auf dieser Idee des Wettbewerbs beruht die der „Marktwirtschaft" zugeschriebene Leistung oder „Funktion", das Hauptproblem der Nationalökonomie, die „Allokation knapper Ressourcen", optimal zu lösen.

Die Ressourcen wandern zum „besten Wirt", zu den tüchtigsten Unternehmen, zu den kaufkräftigsten Käufern, zu den „Orten" des höchsten Ertrages (z.  B.  Kapital in die Länder mit dem höchsten Realzinsniveau) – allerdings nur unter einer Voraussetzung: Die Auslese der Besten und die Wanderung der Ressourcen dürfen nicht gestört, der Wettbewerb nicht „verzerrt", in den Markt nicht „eingegriffen" werden. Jedenfalls nicht anders als mit „marktkonformen" oder „wettbewerbsneutralen" Mitteln. Der  Markt soll „frei" sein. Nur wenn Markt und Wettbewerb sich selbst überlassen bleiben, können sie ihre „Selbstregulierungsfunktion" erfüllen. „Marktwirtschaft" ist daher politisch immer mit der Forderung nach „Laissez faire", und durch sie mit dem Liberalismus verbunden. „Der Markt braucht keinen Meister", hier wirkt der Automatismus der „Selbstorganisation", die „spontane Ordnung" (F. A. v. Hayek), die „invisible hand" (A.  Smith). Einzig die Spielregeln und Normen, unter denen der Wettbewerb stattfinden und seine Auslesefunktion erfüllen soll, sind festzulegen.

Wettbewerb ist Krieg

Wie im sportlichen Wettbewerb, so gibt es auch in der wirtschaftlichen Konkurrenz Sieger und Besiegte, in der Wirtschaft jedoch u. U. mit fatalen Konsequenzen für den Unterlegenen. In der Marktwirtschaft – und das ist der Sinn des Wettbewerbs als Ausleseveranstaltung – soll der Unterlegene auf dem Markt nicht zum Zuge kommen, er soll vom Markt verdrängt und ferngehalten werden. Marktwirtschaftlicher Wettbewerb ist daher immer Verdrängungswettbewerb, Kampf um Marktanteile und Marktkontrolle (insbesondere auch der Marktzugangskontrolle).

Als Verdrängungswettbewerb tendiert Wettbewerb dazu, sich selbst aufzuheben, d.h.: Er tendiert zum Monopol. Wettbewerb ist Kampf ums Monopol, um Vorzugsstellungen, um Kontroll- und Machtpositionen, ähnlich wie in der Parteiendemokratie. Sie ist das politische Korrelat zur „Marktwirtschaft".[vii]  Die moderne Industriegesellschaft stellt sich dem Betrachter denn auch in der Tat als eine „Welt von Monopolen"[viii] dar, die, wenn nicht gerade Waffenstillstand (z. B. auf Grund von Kartellvereinbarungen) zwischen einigen von ihnen herrscht, sich alle gegenseitig bekriegen und unter ihre Kontrolle bringen wollen.

Kriege, so wissen wir aus Erfahrung, werden durch (Unternehmens-) Strategien, Ausrüstungen (Waffen, Munition, logistische Einrichtungen), (Mitarbeiter-) Truppen und Kampfgeist („Motivation", Begeisterung, „Identity") entschieden. Militärische Termini haben seit langem Einzug in die Hörsäle, Lehrbücher und Führungskader der Wirtschaft gehalten.  Kein Wunder, dass da einer der klügsten Nationalökonomen seinen Studenten empfohlen hat, Clausewitz' „Vom Kriege" zu studieren[ix]. Was sie dort lernen würden: Strategie, Aufmarschplanung, Angriff, Überraschung, Umgehung, Tarnung, Täuschung, Umzingelung, Einkesselung, Grabenkampf, Belagerung, Zermürbung, Ausfall, Rückzug etc., das alles sei viel realitätsnäher als alle ökonomischen Modelle und Theoreme.

Die theoretische Form, in der sich die „soziale Marktwirtschaft" heute darstellt, ist die „Neoklassik". Das Überraschende nun ist – und deshalb ist K. W. Rothschild rückhaltlos zuzustimmen – dass es kein einziges mikro- oder makroökonomisches neoklassisches Grundtheorem gibt, das modernen wissenschaftstheoretischen Ansprüchen sowohl in logischer wie empirischer Hinsicht genügen würde und die erforderlichen Tests bestanden hätte. Kein einziges! Mit anderen Worten: Es gibt kein einziges „ökonomisches Gesetz", dessen kausal-mechanische Eindeutigkeit empirisch bewiesen wäre. Was wir heute in der neoklassisch ausgerichteten Nationalökonomie betreiben, ist im Wesentlichen „angewandte Mathematik" oder, wie H. Albert den Nationalökonomen spöttisch vorhielt, „Modellplatonismus"[x], Modellschreinerei ohne Realitätsbezug[xi].

Markt, Angebot und Nachfrage gibt es nicht

Das viel berufene „Gesetz von Angebot und Nachfrage" zur Bestimmung der Preise erwies sich als Tautologie.[xii] In der Praxis gibt es keine Angebots- und Nachfragekurven (in deren Schnittpunkt der Preis zu finden ist).  Die Unternehmer (Anbieter) können nicht einmal die Frage beantworten, was denn eigentlich ihr Produkt tatsächlich „kostet".[xiii] Die Kostenrechnungen und Kalkulationssysteme, die man ihnen einredete, brachten Resultate hervor, die eine „Mischung aus viel Dichtung und wenig Wahrheit"[xiv] darstellen, geeignet, „jenen Preis zu rechtfertigen, der erzielbar ist".[xv]

Die „Gesetze über die Zu- oder Abnahme der Grenzrate der Substitution", mit denen die Theorie erklärt, wie Verbraucher sich verhalten und Haushalte ihre Budgets verwalten, lösten bei den Betroffenen (Hausfrauen, Konsumenten), je nach dem Grade des Verständnisses, erstauntes Kopfschütteln oder Lachkrämpfe aus. Am Ende mussten selbst die Neoklassiker die Idee einer geschlossenen Preistheorie aufgeben und zugestehen, dass die von ihnen aufgestellten „Marktgesetze" nicht ausreichen, um das Zustandekommen von Preisen zu erklären.[xvi]

Und dann verloren sie auch gleich noch den Marktbegriff, sie konnten ihn nicht mehr definieren! Sie hatten den einen „Markt" solange in Teil- und Elementenmärkte zerlegt, bis er sich verflüchtigte und nur noch „Verhaltensweisen" und „individuelle Kundenbeziehungen" übrig blieben. Schon vor rund fünfzig Jahren kam von einem mit neoklassischen Methoden arbeitenden Nationalökonomen daher die Empfehlung, „den Marktbegriff nicht mehr zu verwenden".[xvii] Er ist nichts als ein flatus vocis.

„Marktwirtschaft" ohne „Markt"? Wo sollten da die Marktgesetze herkommen, auf die man sich immer berief, wenn Betriebe geschlossen und Arbeiter auf die Straße geworfen wurden? Denn das Problem, das sie zu lösen versprach, das Problem der Arbeitslosigkeit, diese Geißel des Kapitalismus, bekam die neoklassische Theorie und „Synthese" nie in den Griff. Der Keynes'schen Revolution ging der Atem aus.

Die Theorie zur Bestimmung des Volkseinkommens und der Beschäftigung durch Sparen und Investieren erwies sich als eine „metaphysische Konzeption".[xviii]  Die Annahmen über die „Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals", den „Hang zum Verbrauch" und die „Liquiditätsvorliebe" waren nichts als „Catchwords", welche die unverantwortliche Ausweitung der Budgetdefizite begründen halfen. Sie fachten die Inflation an,  versteinerten die Strukturen und schwächten die Wettbewerbsfähigkeit. Als man damit auch die Arbeitslosigkeit nicht mehr in den Griff bekam, ließ man die Keynes'sche Theorie fallen.

Politiker kamen ans Ruder, welche die „Sanierung" der Budgets versprachen, und versatile Ökonomen aus dem klassischen Lager, die „Monetaristen", sprangen ihnen bei, die ihnen ein altes Museumsstück, die „Quantitätstheorie des Geldes", frisch abgestaubt und hochglanzpoliert, als Neuheit verkauften. Jetzt waren „schlanker Staat", Privatisierung und Deregulierung angesagt. Das Problem der Arbeitslosigkeit ließ sich damit zwar auch nicht lösen, aber die Schuld daran konnte man wenigstens auf die Vorgänger im politischen Amte abschieben, die keinen budgetären „Spiel"raum für Ankurbelungsmaßnahmen übrig gelassen hatten. Wirtschaftspolitik pendelte zwischen „Gas geben" und „Bremsen".

Der Leser, der bis hierher durchgehalten hat und Bilanz zieht, wird sich fragen, was denn das Ganze soll? Eine Theorie ohne Praxisrelevanz? „Gesetze" ohne Beweis?  Begriffe ohne Substanz? Was wird denn dann mit dieser Worthülse „Marktwirtschaft" bezweckt?

Die Antwort klingt, als würde sie aus der linken Suppenküche kommen:

„Marktwirtschaft" ist Ideologie! Ihr Zweck ist die Verschleierung und Verdeckung von Machtpositionen, Machterwerb, Machtkämpfen, Machtsicherung, Machtkontrolle. Sie soll das Nachdenken darüber ausschließen oder ablenken, wie die moderne Industriegesellschaft tatsächlich funktioniert, wie, durch wen und zu wessen Gunsten sie motiviert und kontrolliert wird. Kommt Kritik dennoch auf, so wird sie unter Hinweis auf „Selbstregulierung" und „Laissez faire", auf „Sachzwänge" und „Globalisierung", auf „Gemeinsamen Markt" und „internationale Vereinbarungen" abgetan.  Statt angesichts der schrecklichen Verwüstungen unserer Umwelt politisch zu handeln, wird das „Laissez faire" zur Maxime der Politik. Die Berufung auf die sich selbst regulierenden „Marktgesetze" ist Ausdruck der Resignation der classe politique vor einer Entwicklung in Gesellschaft und Wirtschaft, die sie selbst in Szene gesetzt hat.

Kennzeichnend für diese Entwicklung zur modernen Industriegesellschaft ist die totale Verschmelzung von Großindustrie, Geschäft, Rüstung, Forschung, Technik, Massenproduktion, -konsum, -unterhaltung, -kommunikation, -manipulation, Staatsbürokratie und Politik.[xix] Das gesamte Ausbildungs- und Erziehungssystem des „Produktionsfaktors" Mensch ist auf die Bedürfnisse der Großindustrie abgestellt. Die Großforschung, inzwischen selbst zu einer Industrie geworden, wird vom Staat unterhalten: Elektronik, Weltraumfähren, Satellitenkommunikation, Atomforschung, Genforschung, sie alle sind „social costs of private enterprise". Die Industriegesellschaft dient nicht den Bedürfnissen des Menschen, sondern ihren eigenen Bedürfnissen. Ihre Rationalität manifestiert sich in ihren höchsten Formen in der Destruktion („Atomgesellschaft"), in der Verschwendung („Gesellschaft im Überfluss") und in der Verdinglichung des Menschen („Entfremdung").[xx]

Das Verdikt Pius XI.

Die moderne Dreifaltigkeit von Naturwissenschaft, Technik und Industrie – Erwin Chargaff macht hierauf wiederholt aufmerksam – arbeitet mit immer größerer Beschleunigung („Wachstumsraten") an der Zerstörung der Welt. Die liberalkapitalistische „Marktwirtschaft" und die mit ihr verbundene neoklassische Theorie sind nichts anderes als der ideologische Überbau für die „Struktur der Sünde", wie Johannes Paul II. sie klarsichtig benennt. Die Verbrämung der „Marktwirtschaft" mit „sozialen" oder „ökologischen" Attributen ändert nichts an diesem  harten Verdikt. Es ist so gültig wie jenes, das Pius XI. vor 80 Jahren mit einer Prägnanz ausgesprochen hat, die erschauern lässt:

„Das ist ja der Grundirrtum der individualistischen (= neoklassischen, F. R.) Wirtschaftswissenschaft, aus dem alle Einzelirrtümer sich ableiten: in Vergessenheit oder Verkennung der sittlichen Natur der Wirtschaft glaubte sie, die öffentliche Gewalt habe gegenüber der Wirtschaft nichts anderes zu tun, als sie frei und ungehindert sich selbst zu überlassen (= Laissez faire.  F. R.); im Markte, das heißt im freien Wettbewerb besitze diese ja ihr regulatives Prinzip… Die Wettbewerbsfreiheit – obwohl innerhalb der gehörigen Grenzen berechtigt und von zweifellosem Nutzen – kann aber unmöglich regulatives Prinzip der Wirtschaft sein.

Die Erfahrung hat dies, nachdem die verderblichen individualistischen Theorien in die Praxis umgesetzt wurden, bis zum Übermaß bestätigt … Am auffallendsten ist heute die geradezu ungeheure Zusammenballung nicht nur an Kapital, sondern an Macht und wirtschaftlicher Herrschgewalt … Zur Ungeheuerlichkeit wächst diese Vermachtung der Wirtschaft sich aus bei denjenigen, die als Beherrscher und Lenker des Finanzkapitals unbeschränkte Verfügung haben über den Kredit und seine Verteilung nach ihrem Willen bestimmen. Mit dem Kredit beherrschen sie den Blutkreislauf des ganzen Wirtschaftskörpers; das Lebenselement der Wirtschaft ist derart unter ihrer Faust, dass niemand gegen ihr Geheiß auch nur zu atmen wagen kann.

Diese Zusammenballung von Macht, das natürliche Ergebnis einer grundsätzlichen zügellosen Konkurrenzfreiheit, die nicht anders als mit dem Überleben des Stärkeren – das ist allzu oft des Gewalttätigeren und Gewissenloseren – enden kann, ist das Eigentümliche der jüngsten Entwicklungen.

Solch gehäufte Macht führt ihrerseits wieder zum Kampf um die Macht, zu einem dreifachen Kampf: Zum Kampf um die Macht innerhalb der Wirtschaft selbst; zum Kampf sodann um die Macht über den Staat, der selbst als Machtfaktor in dem Interessenkampf eingesetzt werden soll; zum Machtkampf endlich der Staaten untereinander … (= Imperialismus, F. R.) … Der freie Wettbewerb hat zu seiner Selbstaufhebung geführt; an die Stelle der freien Marktwirtschaft trat die Vermachtung der Wirtschaft; das Gewinnstreben steigerte sich zum zügellosen Machtstreben. Dadurch kam in das ganze Wirtschaftsleben eine Grausen erregende Härte".[xxi]

Kein Kommunist, so meinte Maurice Thorez in seiner historischen Ansprache vom 26.  Oktober 1937, habe den „Wirtschaftsliberalismus" je so heftig kritisiert wie Pius XI.[xxii]

Die Konservative Wirtschaftsauffassung

Für die konservative Auffassung ist Wirtschaft „Leistungsgemeinschaft" im Dienste der Gesellschaft, genauer noch „ein Gebäude rangordnungsmäßig gegliederter Leistungen von Mitteln für Ziele".[xxiii] Diesem Begriff zufolge unterscheidet konservative Wirtschaftstheorie:

  1. Die der Wirtschaft von der Gesellschaft vorgegebenen Ziele, zu deren Erreichung die von der Wirtschaft bereitzustellenden Mittel notwendig sind. Zu diesen Mitteln gehören nicht nur solche, welche die „Bedürfnisse" der einzelnen Menschen („Konsumenten") „befriedigen" (z.B. Nahrung, Kleidung, Wohnung), sondern auch Weltraumfähren, SDI (Raketenabwehr-)-Systeme, Atomraketen, Neutronenbeschleuniger zur Erzeugung von Nobelpreisen, Gefängnisse, Kirchengebäude, Wasserwerfer der Polizei, Überwachungssysteme bei Grenzübertrittsstellen; Güter also, die von der neoklassischen Theorie in der Regel ausgeklammert werden.  Welche Mittel bereitzustellen sind, darüber entscheidet nicht die „Wirtschaft", sondern die Gesellschaft in ihren der Wirtschaft vorgeordneten „Kultursachbereichen" (mit ihren „Haushalten" und „Budgets").
  2. Die Leistungsarten oder Funktionen: Organisatorische Leistungen (Wirtschaftssystem, Wirtschaftsverfassung, Wirtschaftsordnung, Wirtschaftsrecht, Besteuerungssystem, Geld-, Währungs- und Kreditsystem), Vorleistungen (Erfinden und Lehren), Hervorbringungsleistungen (Kreditschöpfung und Kreditgewährung, Handel, Lagerhaltung, Transport, Erzeugung, Schadensverhütung und Versicherung).
  3. Die Leistungsgebilde oder Sozialwirtschaftsstufen, die jeweils alle Leistungsarten in spezifischer Weise darstellen oder „ausgliedern" (Weltwirtschaft, Großraumwirtschaft, Volkswirtschaft, Regionalwirtschaft, Verbandswirtschaft, Betriebswirtschaft, Hauswirtschaft).
  4. Die Leistungs- oder Wirtschaftsgrundlagen: Der Mensch als Verrichtungsträger, die Natur (Boden, Bodenschätze, Wald, Wasser, Pflanzen- und Tierarten, Mikro- und Makroklima), Wissenschaft und Technik
  5. Die Leistungsgrößen, Leistungs„werte" oder Preise
  6. Die Vorrangverhältnisse, insbesondere der Vorrang der Ziele vor den Mitteln, der Mittel vor den Leistungsgrundlagen, der höheren Leistungen und Wirtschaftsstufen vor den niedrigeren, der Leistungen vor den Leistungsgrößen.
  7. Die Wirtschaftspolitik als Inbegriff von organisatorischen Maßnahmen zur Umbildung der Wirtschaft zwecks Effizienzsteigerung oder Festigung der Gesellschaft.

Nach ihren grundsätzlichen Absichten („Schlüsselbegriffen"), ist konservative Wirtschaftspolitik: Wirtschaftsausbaupolitik (z.B. Entwicklungspolitik, „Vollbeschäftigungspolitik"), Dezentralisationspolitik (z.B. Großstadtauflockerungspolitik); Struktur(krisen)politik, Stabilisierungspolitik (z.B. Konjunkturpolitik); Kreativitäts(anregungs)politik (z.B. Innovationspolitik).

Konservative Ordnungspolitik erschöpft sich nicht in Wettbewerbspolitik oder Marktordnung: Im Vordergrund steht nicht die „Konkurrenz", sondern die Förderung der Zusammenarbeit oder „Kooperation" der einzelnen Wirtschaftsgebilde nach den Prinzipien Selbsthilfe (solidarische Hilfe), Selbstverwaltung (Subsidiarität) und Gemeinwohlwahrung (Gesamtwohlfahrt, bonum commune, sittliche Bindung). Ihr regulatives Prinzip ist nicht die Konkurrenz, sondern die Gerechtigkeit (Angemessenheit, Entsprechung, iustitia commutativa et distributiva).[xxiv]

Durch die Politik der Zusammenarbeit wird die Wirtschaft „formiert" oder „durchorganisiert", d.h. verbandlich gegliedert. Je kräftiger die Verbände entfaltet und hierarchisch gegliedert sind, desto besser funktioniert die Selbstverwaltung, der Interessenausgleich zwischen den Verbänden und die Zusammenarbeit mit dem Staat.

Verband schluckt Staat

Der Staat kann sich auf seine eigentlichen Hoheitsaufgaben zurückziehen und die wirtschafts- und sozialpolitischen Angelegenheiten der (sozial-)partnerschaftlichen Regelung der Wirtschaftsverbände weitestgehend überlassen, die, im Gegensatz zur Staats- und EU-Bürokratie, den zu solchen Regelungen gemeinsamer Angelegenheiten notwendigen Sachverstand besitzen. Hoheitliche Eingriffe sind dann nur erforderlich, wenn der Interessenausgleich versagt oder das Gemeinwohl verletzt wird.

Je nach geschichtlicher Situation wurden von praktisch allen westlichen Industriestaaten ordnungspolitische Maßnahmen gesetzt und Einrichtungen geschaffen, durch welche die gemeinwohlorientierte Verbandsbildung angetrieben und die Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft verbessert und geregelt wurde.

Erinnert sei hier nur an den „Reichswirtschaftsrat" der Weimarer Republik (wegen seiner Zusammensetzung ein Fehlschlag), an die heutige relativ geordnete „Repräsentation organisierter Interessen" in der BRD, an das schweizerische „Vernehmlassungsverfahren" und die „Friedensabkommen", an die österreichische „Sozialpartnerschaft", an den „Sozialökonomischen Rat" in den Niederlanden, an die „Planification a la franVaise", an die „Camera Corporativo" in Portugal (unter Salazar eingerichtet), an das wenig nachahmenswerte System des „Lobbying" in den USA, das jedoch ergänzt wird durch die „Hearings".

Immerhin zeigen diese wie auch andere, zum Teil äußerst erfolgreichen Ansätze, dass kein Staat allein auf den „Marktmechanismus" vertraut. Allzu viele Wahlmöglichkeiten hat der Staat ja heute nicht mehr: Entweder überlässt er die Kontrolle des „Marktes" den Großunternehmungen mit allen Nachteilen für das Gemeinwohl, die im ersten Abschnitt beschrieben wurden; oder er kommt seiner Gemeinwohlaufgabe nach und fördert die gemeinwohlorientierte Verbandsbildung nach den oben beschriebenen Prinzipien. Die dritte Möglichkeit: Sozialisierung und zentrale Planung, wird nach dem Scheitern der realsozialistischen Experimente heute ja kaum noch jemand in Betracht ziehen.

Die neoklassische Theorie hat zu den Verbänden und ihren Funktionen praktisch keinen Zugang.  Für sie sind Verbände Träger von privater Macht, welche die Märkte kontrollieren und die Konkurrenz fernhalten wollen (also Kartelle oder Monopole). Um ihr Ideal von der möglichst vollständigen Konkurrenz- und Marktfreiheit durchsetzen zu können, würden die Vertreter der Neoklassik daher am liebsten alle Verbände auflösen, womöglich auch die Gewerkschaften. Alles, was sie damit erreichen, ist die Kontrolle der Märkte durch jene Mammutunternehmungen, die übrig bleiben, wenn die Konkurrenz ihre Auslesefunktion erfüllt hat.

Die Ziele konservativer Wirtschaft

Jede Gesellschaft ist umso lebendiger und reicher, je mehr die kleinen Gemeinschaften und Verbände entwickelt und differenziert sind. Daher Dezentralisationspolitik, Auflockerung, Betonung der Unterschiedlichkeit, „Spezifizität" statt Gleichheit und Uniformierung.  Daraus ergibt sich als anzustrebendes Bild konservativer Wirtschaft:

  1. Humane Arbeits- und Konsumwelt: Förderung von Klein- und Mittelbetrieben („small is beautiful"), Dezentralisation von Großbetrieben (Werkaussiedelung, Gruppenarbeit, Vollfertigung statt Fließbandarbeit, Automation zwecks Entlastung von stumpfsinniger Repetitivarbeit), Förderung gediegener, gesunder und dauerhafter Produkte und des persönlich geprägten Bedarfes, Zurückdrängung der Massenproduktion und Massenunterhaltung, des Massentourismus etc.
  2. Humane Wohnwelt: Förderung der Großstadtauflockerung, Eigenheim- und Gartenstadtbewegung, Zurückdrängung der Mietskasernen und Slums, Förderung der Nachbarschafts-, Dorf-, Bezirks- und Heimatkultur.
  3. Bändigung von Wissenschaft und Technik: Auflösung der militärisch-technisch-industriellen Superstrukturen, Förderung naturnaher und humaner Wirtschaftstechniken, regenerativer Kreisläufe, intermediärer Techniken.
  4. Schutz der Natur, sorgfältiger Umgang mit den Naturgrundlagen; Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit, Schonung der Bodenschätze und Energiereserven, Bekämpfung des Waldsterbens und der Großrodungen, Reinhaltung der  Seen, Flüsse, Meere und Grundwasserreserven; Erhaltung der Tier- und Pflanzenarten, naturnahe Züchtungsmethoden, tiernahe Stallhaltung, Bekämpfung der Klimaverschlechterungen (Ozonbelastung, Treibhauseffekt) und der Luftverschmutzung.
  5. Umfassende Förderung der Zusammenarbeit auf allen Ebenen (betrieblich, regional, national, international), zwischen allen Leistungsträgern, Klassen und Schichten, ihren Verbänden und Vertretungen. Zurückdrängung der überbordenden Konkurrenz, des Klassenkampfes, der Interessenkonflikte, der Machtkonzentrationen, des Wirtschaftsimperialismus.
  6. Zusammenwachsen und „Formierung" der Verbände zu einem ideellen „Wirtschaftskörper", der die gegenseitige Abhängigkeit und Aufeinanderangewiesenheit aller am Wirtschaftsleben partizipierenden Glieder bewusst, überschaubar und gestaltbar macht und hierbei Eigeninitiative (Selbsthilfe, Eigenvorsorge, Privateigentum) und Selbstverwaltung (Selbstbestimmung, Freiheit) mit Gemeinwohlorientierung (Sozialprinzip) verbindet.

Die Bausteine aus der Tradition

Die Tradition der konservativen Wirtschaftsauffassung[xxv] reicht bis in die Antike zurück. Sie hat ihre Vertreter und Schulen in jeder geistesgeschichtlichen Epoche und findet in der Gegenwart immer mehr Freunde. Die Beiträge von tausenden Verfassern müssten genannt werden, doch mögen hier einige Andeutungen genügen:

Grundlegend ist Platons „Staat" mit seiner Lehre von der Einheit oder Ganzheit der Seinsordnung, Staatsordnung (= Ständeordnung) und Tugendordnung.
Die Summen des Hl. Thomas v. Aquin mit ihrer Lehre vom  „gerechten Preis" und der Güterlehre. Auf Thomas fußt weitgehend die Katholische Soziallehre mit den Enzykliken der Päpste.
Fichtes „Geschlossener Handelsstaat", der in seiner Stringenz den Gegensatz der konservativen Auffassung zur „offenen" oder „freien" Markt- oder Konkurrenzwirtschaft ganz deutlich macht.
Adam Müllers „Elemente der Staatskunst" mit ihrer Lehre vom „idealischen" oder geistigen Kapital der Nation.
Friedrich Lists „Nationales System der politischen Ökonomie" mit der für alle Wirtschaftspolitik bis heute unverlierbaren „Lehre von den produktiven Kräften".
Die ältere und jüngere historische Schule (Roscher, Knies, Hildebrand, Schmoller) mit ihrer Abkehr von jedem Modelldenken und der Betonung des „geschichtlichen Wachstums der Ordnungen" in Abwehr konstruktivistischer und funktionalistischer Ordnungsversuche der Wirtschaft.
Die soziologische Richtung der Nationalökonomie mit Werner Sombart und Max Weber, an der Spitze Othmar Spanns und Walter Heinrichs „universalistische" oder „ganzheitliche" Schule, die das am gründlichsten durch gearbeitete System der konservativen Wirtschaftstheorie bisher geliefert hat.
Die „institutionelle" Richtung, die vor allem in den USA vertreten ist (Th. Veblen, J. K. Galbraith).
Die auf J. M. Keynes zurückgehende, jedoch weiterentwickelte „strukturanalytische" Schule mit ihrer Input-Output-Rechnung (W. Leontief).
Die kulturmorphologische Schule (E. Egner, B. Laum, F. Perroux), die grundlegende Einsichten in nichtmonetäre Transaktionen (Stichwort: „Schenkende Wirtschaft") gebracht hat.
Die ökologische Richtung mit der Lehre von den „sozialen Kosten" (W. K. Kapp). Die „gemeinwirtschaftliche Schule" mit der Untersuchung von Kommunalbetrieben (G. Weisser, H. Ritschl).
Die "Raumwirtschaftslehre" mit ihrer Betonung von Standortfaktoren und „zentralen Orten" (A.  Lösch).

Ganz allgemein lässt sich sagen, dass Autoren, die sich intensiv mit Spezialfragen und wirtschaftspolitischen Problemen befassen (z. B. Internationale Organisationen, Währungs- und Kreditpolitik, Agrarpolitik, Marketing, Unternehmungsführung, Haushaltswirtschaft usw.), allein schon vom Sachgehalt ihrer Arbeiten her, sich vielfach konservativen Auffassungen nähern. So verfügt etwa die Betriebswirtschaftslehre über ihre eigene konservative Tradition, die sie heute ganz bewusst und mit äußerster Schärfe der auf der neoklassischen Mikroökonomie fußenden Privatwirtschaftslehre (E. Gutenberg) gegenüberstellt (H.  Nicklisch, K. Oberparleiter, E. Schäfer, F. Schönpflug, J. Kolbinger, R. Fürst, R.-B. Schmidt, H. Ulrich, H. A. Simon). Ähnliches ließe sich wohl aus jedem Teilgebiet der Wirtschaftswissenschaft berichten.

Paradigmenwechsel?

Durch ihre ganz bewusste Unterordnung unter die geistig-kulturell-sittlichen Dimensionen der Gesellschaft stellt sich die konservative Wirtschaftsauffassung der wichtigsten Aufgabe unserer Zeit: Der „Versittlichung" von Wirtschaft und Gesellschaft oder, um es mit den Worten von Johannes Paul II. auszudrücken, der „Überwindung der Strukturen der Sünde", zu denen der Liberalismus und die liberalkapitalistische Marktwirtschaft samt der sie begleitenden neoklassischen Theorie zweifellos gehören[xxvi].

Im Westen ist sie weithin herrschend geworden, ihre geistigen Wurzeln hat diese Struktur in der Aufklärungsphilosophie. Auf den Denkeinstellungen der „Aufklärung" (Verneinung der Transzendenz, Nichtunterscheidung von Sein und Seiendem, Ablehnung jeder Metaphysik), ihren Denkmustern (Individualismus, Hedonismus, Utilitarismus, Rationalismus) und ihren Denkmethoden (naturwissenschaftlich-technisch-mathematisches Verfahren –Positivismus, kritischer Rationalismus) beruht die „Krise der Neuzeit"[xxvii] mit ihren geradezu lebensbedrohenden Zerstörungen und reduzierten Zukunftserwartungen.[xxviii]

In der Entwicklung der Wirtschaftswissenschaft sind es vier Momente, die auf eine Ablösung der liberalkapitalistischen Marktwirtschaftstheorie hoffen lassen:

  1. Die ganzheitliche Sicht: Es besteht heute in der Theorie ein Zug zur Totalanalyse, zur Erfassung der allseitigen („interdependenten") Bezogenheit aller Einzelerscheinungen und Nebenerscheinungen des wirtschaftlichen Prozesses, so heute vor allem die Beachtung ökologischer, landschaftlicher, sozio-kultureller und technischer Aspekte und Folgen von wirtschaftlichen Projekten und Entscheidungen.
  2. Die Bildung „ganzheitlicher" Institutionen: Schon durch ihre Zusammensetzung schaffen sie die Voraussetzung dafür, dass Projekte oder wirtschaftspolitische Maßnahmen nach allen Seiten und Interessengesichtspunkten hin abgewogen werden (sozialökonomische Räte, sozialpartnerschaftliche Beiräte, Kammern, Körperschaften öffentlichen Rechts usw.)
  3. Die Entwicklung ganzheitlicher Methoden der Wirtschaftsanalyse: Der Bedarf dieser Institutionen wie auch die ganzheitliche Sicht fordern Methoden, die den All-Zusammenhang der einzelnen Wirtschaftszweige und Haushalte sichtbar und die quantitativen Wirkungen von Maßnahmen der Wirtschaftspolitik abschätzbar machen (Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Systemanalysen, Input-Output-Tabellen u.a m.)[xxix]
  4. Die Abwertung des Ökonomischen: Es treten heute immer mehr Bewegungen auf, welche die Ansprüche der „Industriegesellschaft" in die Schranken weisen (Naturschutz, Greenpeace, biologisch-dynamischer Land- und Gartenbau, Gartenstadtbewegung, Aktion ziviler Ungehorsam, Besetzung von Kraftwerksbaugelände, Verhinderung von Straßenprojekten, Bürgerinitiativen u.v.a.). Solche Bewegungen sind Symptome dafür, dass immaterielle, soziale und kulturelle Werte wie Gesundheit, Lebensqualität, „Selbstverwirklichung", persönliche Freiheit und Würde gegenüber Einkommen und Konsum von materiellen Gütern an Bedeutung gewinnen[xxx].

Im gleichen Ausmaß, in dem diese konservativ-ganzheitlichen Denkweisen und Methoden sich durchsetzen, verdrängen sie „Marktwirtschaft" und Neoklassik. Der Paradigmenwechsel, von der „Aufklärung" zum „Konservativismus", scheint sich langsam zu vollziehen. Wie lange der Prozess der Ablösung dauern und von welchen Rückschlägen er betroffen werden wird, kann heute niemand sagen. Eines aber wissen wir heute ganz sicher: „Aufklärung" und Liberalismus, konsequent zu Ende gedacht, führen zu Chaos und Anarchie[xxxi], zur Zerstörung der Natur,[xxxii] zur Auflösung der Ordnungen und letzten Endes zur „Abschaffung des Menschen".[xxxiii] [xxxiv]

Der Autor lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Er veröffentlichte zuletzt „Die Rechte der Nation“ (Stocker, Graz 2002), „Der Sinn der Geschichte“ (Regin-Verlag, Kiel 2011) und „ESM-Verfassungsputsch in Europa“ (Schnellroda 2012).

Endnoten

[i]Die gründlichste Klärung dieses Zusammenhangs von sozialer Marktwirtschaft, (Neo-)Liberalismus und Aufklärung findet sich  bei E. E. Nawroth: Die Sozial- und Wirtschaftsphilosophie des Neoliberalismus, Heidelberg 1961. N. kommt zu dem Schluß, daß es sich beim Neoliberalismus nicht um eine Neuschöpfung, sondern um die Renaissance altliberaler Konzepte handelt, die in keiner einzigen Grundfrage über das geistige Niveau der Aufklärungsphilosophie hinausgekommen ist (S 425). N. setzt sich mit den deutschen Vätern des Neoliberalismus  auseinander (F.  A. v. Hayek, A. Müller-Armack, W. Eucken, W. Röpke, F. Böhm). Im angelsächsischen Bereich firmiert der Neoliberalismus unter "Neoklassik". Die Schlußfolgerungen N's. gelten in gleicher Weise wie für den Neoliberalismus und die "soziale Marktwirtschaft" (social market economy) auch für die "neoklassische Nationalökonomie".  Vgl. dazu: F. Romig: Die ideologischen Elemente in der neoklassischen Theorie - Eine kritische Auseinandersetzung mit Paul A. Samuelson, Berlin 1971, insbes.  S 10; unabhängig kommt zu gleichartigen Aussagen jetzt H. Arndt: Irrwege der Politischen Ökonomie, München 1979. A. behandelt das Schrifttum in seiner ganzen Breite.

[ii]Vgl. Stichwort: "Aufklärung", in: H. Schmidt: Philosophisches Wörterbuch, 20.  Aufl. (neu bearb. v. G. Schischkoff), Stuttgart 1978, S. 45f. Dort bes. zu beachten die Hinweise auf "Rationalismus" und "Liberalismus", die mit der "Aufklärung" untrennbar zusammenhängen. Einen guten und ausführlicheren Überblick bietet F.Schalk: Die europäische Aufklärung, in: Propyläen Weltgeschichte, Bd. 7, Frankfurt 1986 (Neudruck), S. 469-512.

[iii] Vgl. Stichwort: "Rationalismus", in: Phil.  W. B., a. a. O. (FN 2), S 551: "Der Rationalismus ist die Denkweise der Aufklärung … "

[iv] Lustmaximierung (Hedonismus) als letztes Ziel des Rationalismus folgt aus seiner sensualistischen (materialistischen) Geisteslehre: Nihil est in intellectu quod non fuerit in sensu (J. Locke) Dieser Grundsatz zieht sich von Hobbes über  Marx bis zu den Evolutionisten durch die gesamte Aufklärung. Vgl. O. Spann: Philosophenspiegel-Die Hauptlehren der Philosophie begrifflich und geschichtlich dargestellt, 3. Aufl. (mit einem Nachwort von G. Schischkoff), Bd. 13 der Othmar Spann-Gesamtausgabe, Graz 1970, S 35.

[v] Die Reduktion des "rationalen" Denkens auf das "ökonomische Kalkül" von "pleasure and pain" (Jevons) läßt sich über A. Smith bis zum neo-epikuräischen Eudämonismus des Th. Hobbes zurückzuverfolgen.  Vgl.  K. Muth: Geschichte des abendländischen Geistes, Berlin 1950, Bd. 2, S. 221, S. 400, S. 421.  Die gesamt neo-klassische "Mikroökonornie" ist in ihrem Kerne nichts anderes als "Nutzenkalkül" von Tausch- oder "Substitutions-Möglichlkeiten ("Optionen", Wahlhandlungen). Politisch begründet das Offenhalten der Substitutionsmöglichkeiten die Forderung nach Erwerbsfreiheit, Eigentumsfreiheit, Gewerbefreiheit, "offene" Märkte, "freie" Marktwirtschaft sowie die Abwesenheit von "Macht" und "Zwang". Auf die Tautologie, die dadurch entsteht, ein machtfreies Marktmodell zu konstruieren und dann, um des Funktionierens willen, politisch die Elimination der Macht zu fordern, hat nachdrücklich hingewiesen K. W. Kapp: The Social Costs of Private Enterprise, Cambridge, Mass. 1950, S. 240

[vi] Johannes Paul II: Enzyklika über die soziale Sorge der Kirche "Sollictudo rei socialis", Rom 1987 (abgek.  SRS) n. 37: Zwei Verhaltensweisen kennzeichnen die heutigen "Strukturen der Sünde": "die ausschließliche Gier nach Profit und das Verlangen nach Macht" die beide "unauflöslich verbunden sind" und "die wahre Natur des Bösen" ausmachen.

[vii] Der Zusammenhang von "Marktwirtschaft" und Demokratie" wird gerade von Neoliberalen oder "Ordo"-Liberalen ("freiheitliche" Wirtschaftsordnung - "freiheitliche" Gesellschaftsordnung) immer wieder betont.  Doch auch hier wirkt so etwas wie die "Dialektik der Aufklärung": In der neoliberalen Konzeption wird aus "Wettbewerbsfreiheit" "Wettbewerbszwang", daher das Verbot von Kartellen, Zusammenschlüssen und anderen Verbänden als Formen "privater Macht". F. Ottel: Wirtschaftspolitik am Rande des Abgrundes, Frankfurt 1957, ist diesem Sachverhalt nachgegangen.

[viii] J. Robinson: The Economics of Imperfect Competition, London 1933 (repr. 1948).

[ix] Vgl.  K. W. Rothschild: Preistheorie und Oligopol, in: A. E. Ott (Hrsg.), Preistheorie, Köln 1965, S. 360.

[x] H. Albert: Modell-Platonismus. Der neoklassische Stil des ökonomischen Denkens in kritischer Beleuchtung, in: Sozialwissenschaft und Gesellschaftsgestaltung. Festschr. f. G. Weisser, Berlin 1963,  S 45.

[xi] Wie ein roter Faden zieht sich die Sorge um den Realitätsbezug durch die "Presidential Addresses", die von den bekanntesten Wirtschaftswissenschaftern aus dem angloamerikanischen Bereich jeweils zu Jahresende an die American Economic Association gerichtet und anschließend in The American Economic Review veröffentlicht werden.  Gegen die zunehmende Spezialisierung und Trivialisierung werden "Economics of economics" gefordert, also die Anwendung des ökonomischen Kalküls von Nutzen und Aufwand auch auf die Theorienproduktion der Nationalökonomen. Das erinnert an die J. Schumpeter zugeschriebene Bemerkung, von der Arbeit der Nationalökonomen entfielen 10 Prozent auf die Aufstellung neuer Theorien, 90 Prozent auf ihre Widerlegung, das Ergebnis nähere sich Null.  Heute stimmt das sicher nicht mehr: mindestens 50 Prozent ist für das gedankenlose Wiederkäuen von unbewiesenen Grundtheoremen in Lehrveranstaltungen und Textbüchern anzusetzen. "Papageiengeschwätz" nennt das eine der berühmtesten Nationalökonominnen, J. Robinson. Um diesen  Tendenzen - Realitätsferne, Trivialisierung, Verschwendung von Ressourcen -   gegenzusteuern, wäre es marktwirtschatlich konsequent - wenn auch eine kleine Revolution  auslösend -  nicht nur "Economics of economics" zu fordern, sondern Wissenschaft und Forschung samt Lehrbetrieb und Universitäten zu privatisieren und die staatliche Subventionierung einzustellen. In diese Richtung gehen die Vorschläge zweier so bedeutender Kritiker am heutigen "Wissenschaftsbetrieb" wie E. Chargaff und P. Feyerabend (vgl. E. Chargaff: Kritik der Zukunft.  Stuttgart 1983, S 35ff; P. Feyerabend: Irrwege der Vernunft (engl. Farewell to Reason), Frankfurt 1989, bes.  S 381 ff. Wie immer, so ist es auch hier mit marktwirtschaftlichen Prinzipien" zu Ende, wenn "vested interests" betroffen sind.

[xii] Zu diesen, aus der Tatsache des Wirtschaftskreislaufes und der Interdependenzen abgeleiteten und auf den ersten Blick nicht gleich plausiblen Sätzen sowie zu den folgenden Beispielen: F. Romig, a.a. O. und H. Arndt, a. a. O. ( beide FN 1).

[xiii] J. Robinson: Doktrinen der Wirtschaftswissenschaft - Eine Auseinandersetzung mit ihren Grundgedanken und Ideologien (engl.  Economic Philosophy), München 1965,S 118.

[xiv] So der führende deutsche Kostentheoretiker und -praktiker P. Riebel: Das Rechnen mit Einzelkosten und Deckungsbeiträgen, in: Zeitschrift. f. handelswissenschaftliche  Forschung, Köln schon 1959, S.  237: "Es gibt in jeder Wissenschaft Fragen. die aus der Natur der Sache heraus nicht beantwortet  werden können.  Dazu gehört die naheliegende, aber laienhafte Frage: Was kostet die Leistungseinheit?"

[xv] J. Robinson a.a.O. (FN 13), S. 169.  Der Sarkasmus ist nicht zu übersehen.

[xvi] Vgl.  H. v. Stackelberg: Grundlagen der theoretischen Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., Tübingen 1951, S. 220f.

[xvii] H. Sanmann: Marktform, Verhalten, Preisbildung bei heterogener Konkurrenz, in: Jb. f. Sw., Bd. 14, Göttingen 1963, S 59. Ganz folgerichtig verwendet die konservative Wirtschaftstheorie den Begriff "Leistungswechsel" für "Markt" und nimmt die Funktionen in den Blick, die mit diesem verbunden werden.

[xviii] J. Robinson, a. a. O., (FN 13), S 118

[xix]Überaus anschaulich dargestellt durch J. K. Galbraith: Die moderne lndustriegesellschaft (engl.  The New lndustrial State), München 1968.

[xx] Hierzu noch immer grundlegend H. Marcuse: Der eindimensionale Mensch. Studien zur fortgeschrittenen Industriegesellschaft (engl. One-Dimensional Man), Berlin 1968, 3. Aufl.  Ihn zitiert  Paul Vl. in seiner "Ansprache an die Internationale Arbeiterorganisation (ILO)" in Genf, am 10.  Juni 1969, n. 20, in: Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands (Hrsg.): Texte zur katholischen Soziallehre, 8. Aufl., Bornheim 1992, S 451

[xxi]Pius XI.: Enzyklika über die gesellschaftliche Ordnung, ihre Wiederherstellung und Vollendung nach dem Heilsplan der Frohbotschaft "Quadragesimo anno".  Rom 1931, n. 88 und 105-109.

[xxii] Hirtenbrief der Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten von Amerika über den marxistischen Kommunismus vom Nov. 1980 (dtsch.), Bonn 1980, Anm. 3. Verdienstvollerweise hat A. Mohler  wieder in Erinnerung gerufen, wo der eigentliche Feind des Konservativen zu finden ist: im Lager der Liberalen. Hier gilt es sich zu absoluter Klarheit durchzuringen und jeden Kompromiß zu vermeiden (vgl.  A. Mohler: Liberalenbeschimpfung.  Sex und Politik, Der faschistische Stil, Gegen die Liberalen - Drei Politische Traktate, Essen 1989, S. 132).

[xxiii]      Wir folgen hier der universalistisch-konservativen Theorie 0. Spanns und seiner Schule, von der Armin Mohler meint, sie habe der Konservativen Revolution "das durchgearbeitetste Denksystem geliefert" (A. Mohler: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932, Darmstadt 1972 (2. Aufl.), S 203. Als Standardwerk konservativer Wirtschaftspolitik darf gelten: W. Heinrich: Wirtschaftspolitik, 2 Bde., Berlin 1964-1967 (2.  Aufl.); eine kurze Gesamtübersicht bietet F. Romig: Wirtschaft der Mitte.  Eine Einführung in die "Wirtschaftspolitik" von Walter Heinrich, Stifterbibliothek, Bd. 72, Salzburg 1955.  Eine populäre Einführung in das Spannsche System wurde vorgelegt von W. Becher: Der Blick aufs Ganze - Das Weltbild Othmar Spanns, München 1985; in den "Monographien zur österreichischen Kultur und Geistesgeschichte" liegt als Bd. 4 jetzt vor: J. H. Pichler (Hrsg.): Othmar Spann oder Die Welt als Ganzes, Wien 1988.  Dort auch eine Bibliographie der wichtigsten Arbeiten aus der Spann-Schule (S 279-285).  Eine Othmar Spann-Gesamtausgabe in 21 Bänden ist erschienen In der Akademischen Druck- und Verlagsanstalt in Graz, 1963-1979.

[xxiv] Vgl. F. Romig: Theorie der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, Berlin 1966. Dort auch eine Tabelle als Überblick über das ganzheitliche System von Gesellschaft und Wirtschaft (S 92).

[xxv] In der Iehrgeschichtlichen Darstellung schließen wir uns weitgehend an: 0. Spann: Die Haupttheorien der Volkswirtschaftslehre auf lehrgeschichtlicher Grundlage. In einem Nachwort weitergeführt v. W. Heinrich. (Bd. 2 der Othmar Spann-Gesamtausgabe), 28. Aufl.,Graz 1969 .

[xxvi] Johannes Paul II. benennt als "Strukturen der Sünde" für den Westen den liberalistischen

Kapitalismus und für den Osten das "System, das sich am marxistischen Kollektivismus orientiert".  Vgl. Enzyklika SRS (FN 6), n. 20.

[xxvii] Für die Aufhellung der geistigen Hintergründe dieser Krise noch immer lesenswert: René Guénon: Die Krise der Neuzeit (franz. La Crise du Monde Moderne), Köln 1950

[xxviii] Aus dem bereits uferlosen Schrifttum seien zwei Hauptwerke hervorgehoben: Bericht an den Präsidenten: "GLOBAL 2000", Frankfurt 1981 (12.  Aufl.); World Comission on Environment and Development: Our Common Future (abgek.  Brundtland-Bericht), Genf 1989 (12.  Aufl.). In beiden Berichten umfangreiche Literaturangaben.  Der letztgenannte Bericht klingt wie ein Verzweiflungsschrei (bes.  S. X f).  Die Zerrüttung der Umwelt schreitet seit Jahren fort und beschleunigt sich ständig.  Effektive Maßnahmen, die geeignet wären, die Entwicklung einzubremsen oder gar zu stoppen, scheitern zumeist an den unterschiedlichen Interessenlagen der einzelnen Länder.

[xxix] Die Nichteinbeziehung des Verzehrs an natürlichen Ressourcen (z.  B. Erdöl) oder der Beeinträchtigung der Lebensqualität, ferner die Nichtberücksichtigung von marktvermeidenden Leistungen (z.  B.  Haushaltsarbeit) in den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen führen zu falschen Aussagen (etwa über die "Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts"), Fehlschlüssen und Fehlmaßnahmen. Zum Teil werden solche Rechnungen angestellt, um Projekte plausibel zu machen, die auf Widerstand stoßen. Die Rede ist dann von "Umwegrentabilität" (z.B. von "Weltausstellungen"), "Spin-off-Effekten (bei der Raumfahrt und Rüstung). Intangible Kosten bleiben dabei meist unberücksichtigt, im Gegensatz zu den intangiblen Erträgen.

[xxx] Vgl. K. Lehmann: Gesellschaftlicher Wandel und Weitergabe des Glaubens, Bonn 1989, S 8

[xxxi] Sobald nicht Gott, sondern der "Mensch das Maß aller Dinge" ist, führt der Weg, einem Diktum F. Grillparzers zufolge, "von der Humanität  über die Nationalität zur Bestialität". Der Emanzipation von Gott entspricht die Emanzipation des Menschen von (den "Zwängen") der Gemeinschaft, die Auflösung der Familie, das Absterben des Staates, die klassenlose und herrschaftsfreie Gesellschaft, die Anarchie.Geistesgeschichtlich konsequent folgte auf Rousseau, Feuerbach, Marx, Bakunin und Kropotkin. Radikal gedacht, endet aller Liberalismus in Anarchismus. Dazu: K. Muth: Die Geschichte des abendländischen Geistes, Berlin 1950, insbes. Bd. 2, Kap.  VII: "Die Doktrin der Anarchie", S 283 ff. Das Ziel der Anarchie: die "herrschaftslose Gesellschaft", findet sich heute in allen "emanzipatorischen" Bewegungen der Gegenwart. so bei den "Grün-Alternativen" den "Basisdemokraten", den "Feministinnen", den "Revolutionären Marxisten", Kommunisten und Sozialisten. Ebenso bei den Liberalen (A.  Rüstow), Linksliberalen und Sozialdemokraten. Die Umsetzung folgt der  "Strategie des Kulturkampfes", von der vor allem Schulen, Universitäten, Kirchen, Massenmedien, Kunst und Unterhaltungsindustrie betroffen sind.  Ausführlich behandelt in: F. Romig: Der neue Kulturkampf - zur Strategie der Linken: Die "Revolution ohne Revolution", in: Neue Ordnung, H. 4-6, Graz 1988.

[xxxii] Vgl. F. Romig: Erwin Chargaff: Ein Monument des Widerstandes gegen die Dehumanisierung der Welt, - eine Hommage, in: Neue Ordnung , H. 4, Graz 1989, S. 9 f: Naturwissenschaft erforscht nicht die Natur, sie sprengt sie; sie löst keine Probleme, sie schafft sie. Dem Wissenschaftsbetrieb geht es nicht ums Wissen, sondern ums Geld. Hauptfunktion der Wissenschaft ist die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen für Wissenschaftler, die von den Universitäten ohne Rücksicht auf den Bedarf produziert werden. Die Wissenschaft wurde zu einer Ersatzreligion hochstilisiert, Forscher zu Quasi-Priestern geweiht, die Frage nach dem Sinn ihrer Tätigkeit, "und bestünde diese auch nur darin, eine Gesteinsprobe vom Mars zu holen", gilt als Tabubruch und Sakrileg. Eine kräftige Lobby sorgt dafür, daß dem Staat immer größere Geldmittel entrissen werden, die der Selbsterhaltung der Forschungsindustrie und ihrem krebsartigen Wachstum dienen. Zusammen mit der von ihr getriebenen Industrie ist sie dabei, die Erde unbewohnbar zu machen und alles Leben auszulöschen . Sie ist zur größten Bedrohung der Menschheit geworden.  Sie entstammt dem Ungeist der "Aufklärung", der dafür gesorgt hat, daß  "seit fast zweihundert Jahren ein Frösteln durch die Weit geht" (Warnungstafeln, Stuttgart 1982, S. 184). Ganz in diesem Sinn auch P. Feyerabend: a.a.O.  (FN 11): dort reiche Literaturangaben.

[xxxiii]J. Kardinal Ratzinger : Wider die Abschaffung des Menschen - Antwort zur Krise der Werte und der Moral, in: DIE PRESSE, Beilage SPECTRUM, Wien 5./6. Dez. 1987, S 1: "Der Prozeß, der... den Menschen zerstören wird, spielt sich unter Kommunisten und Demokraten ebenso auffällig ab wie unter Faschisten… Die entgegengesetztesten modernen Weltanschauungen haben den Ausgangspunkt der Leugnung des natürlichen Sittengesetzes und der Reduktion der Welt auf "bloße" Tatsachen gemein. … Es herrscht das Kalkül und es herrscht die Macht. Die Moral ist abgetreten, und der Mensch ist abgetreten".Ähnlich F. H. Tenbruck: Die unbewältigten  Sozialwissenschaften oder die Abschaffung des Menschen, Reihe "Zukunft und Herkunft", Bd. 2, Graz 1984, Abschnitt "Über die Abschaffung des Menschen", S 230ff.

[xxxiv] Die vorgetragene konservative Wirtschaftsauffassung steht in engster Verbindung mit der konservativen Bild vom Menschen. Vgl. F. Romig: Das Wesen des Konservativismus, CRITICON, H. 119, München  1990, 135ff

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Wenn die Demokratie zusammenbricht

13. November 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Kritik an der Demokratie zu üben ist unserer Tage ein gefährliches Unterfangen. Wer nicht für die Demokratie ist, der befürwortet die Diktatur, so die platte Sicht der über die Deutungshoheit gebietenden Systemapologeten. Etwas uneingeschränkt Gutes, zu dem es weit und breit keine Alternative zu geben scheint, zu hinterfragen, verwirklicht den Tatbestand der Blasphemie und disqualifiziert jeden Kritiker auf der Stelle. Eine Buchempfehlung.

Die beiden Autoren, der Journalist Carel Beckmann und der Vorsitzende der holländischen „Stiftung für mehr Freiheit“, Frank Karsten, fassen den Inhalt ihres Buches im Untertitel kurz und bündig zusammen: „Warum uns das demokratische Prinzip in die Sackgasse führt“. Anliegen der Autoren ist es, das Wesen der Demokratie als das einer „säkularen Religion“ zu entlarven und zu diesem Zwecke mit systemrelevanten „13 Mythen“ aufzuräumen.

Wie viele „Radikalliberale“ auch, betrachten die Autoren die Demokratie als „kollektivistisches System“, als „Sozialismus durch die Hintertür“. Und in der Tat: Dass Demokratie, deren zentrales Mantra „Mitbestimmung“ lautet, mit Freiheit und Selbstbestimmung wenig zu tun hat, liegt auf der Hand, sobald klar wird, was die „Durchflutung aller Lebensbereiche mit Demokratie“ in der Praxis bedeutet: Die totale Unterwerfung jedes, auch des intimsten, Lebensbereiches unter den Willen des ebenso allwissenden wie allmächtigen Kollektivs und/oder dessen Agenten.

In unterhaltsamer Form zerpflücken Karsten und Beckmann die Glaubenssätze des demokratischen Systems. Der „jede Stimme zählt“-Mythos etwa, wird als Manifestation des „Stockholm-Syndroms“ erkannt. Der in Wahrheit ohnmächtige Wähler wird von der herrschenden Nomenklatura in der Illusion gewiegt, er könne mit seiner Teilnahme am Wahlritual tatsächlich etwas bewegen. So kollaboriert er mit seinen natürlichen Widersachern und Ausbeutern und lernt diese am Ende sogar noch zu lieben…

Der „in einer Demokratie herrscht das Volk“-Mythos wäre durch nichts nachhaltiger zu entzaubern gewesen als durch den seit Jahren aufgeführten Eiertanz um Griechenland und Eurorettung. Obwohl klare Wählermehrheiten in Deutschland und Österreich die einschlägige Politik der EU ablehnen, wird diese von den Regierungen beider Länder nach Kräften unterstützt. „Volksherrschaft“ sieht anders aus.

Das Mehrheitsprinzip (das den „Willen von 51 Prozent“ automatisch in Recht transformiert) wird so erläutert: „In der Demokratie werden moralische Erwägungen durch den Willen der Mehrheit übertrumpft (…) Die Anzahl der Menschen, die etwas wollen, setzt Erwägungen der Moral und der Rationalität außer Kraft.“ Die Erwartung, auf Kosten anderer einen Vorteil aus der Wahl einer bestimmten politischen Partei zu ziehen, ist das stärkste Motiv der meisten Wähler.

Der Mythos, wonach Demokratie zu Wohlstand führt, wurde durch Beispiele wie China und Singapur massiv beschädigt. Nirgendwo auf der Welt war –  in Abwesenheit demokratischer Rechte – jemals eine dramatischere Steigerung des Lebensstandards zu verzeichnen als ebendort. Die These der Autoren, wonach sich die Bürger westlicher Länder trotz – und nicht wegen – der Demokratie großen Wohlstands erfreuen, hat daher einiges für sich.

Die Behauptung, wonach es zur Demokratie keine (bessere) Alternative gebe, wird als „Mythos 13“ abgehandelt. Auf den Punkt gebracht: „Die Alternative zum demokratischen Kauf eines Autos ist nicht ein Diktator, der das Auto für sie kauft, sondern Sie, der sie das Auto für sich kaufen.“ Oder, grundsätzlicher formuliert: Selbstbestimmung ist die Alternative zur (Illusion von) demokratischer Mitbestimmung.

Dass demokratische Systeme eine inhärente Neigung zur Zentralisierung aufweisen, ist evident. Die einst föderativ und dezentral organisierten USA sind zu einem von Washington aus dirigiertem Moloch geworden. Auf demselben Weg befindet sich die EU. Insbesondere linke Politiker machen keinerlei Hehl aus ihrem Wunsch zur Errichtung von zentral geführten „Vereinigten Staaten von Europa“. Dass dieser Prozess mit einer uferlosen Machtakkumulation in der Brüsseler Zentrale und mit einer weiteren Entrechtung der Bürger einhergehen muss, ist offensichtlich. Folgerichtig nehmen die Vorstellungen von Carsten und Beckmann eher am Bespiel der dezentral verfassten Schweiz Maß.

Nach der herben Kritik am Status quo wird am Ende des Buches die freie Privatrechtsgesellschaft als Alternative vorgestellt, die sich am organisatorischen Vorbild des Internets orientiert. Das „Credo“ dieser Gesellschaft lautet, sie sollte „auf Verträge gegründet sein, in denen Rechte respektiert werden und alle Parteien wissen, woran sie sind.“

Der Weg dahin soll auf pragmatische Weise beschritten werden. Kein gewaltsamer Umsturz, sondern der systematische Rückbau des Staates ist das Ziel. Die meisten der von ihm angeeigneten Aufgaben können – mit Gewinn für alle (außer die Monopolrentner) – mit kurzen Übergangsfristen in Privathände übergeben werden. Der Umstand, dass der Staat etwa Bildung, Gesundheitswesen, Landwirtschaft, usw. seiner totalen Kontrolle unterworfen hat, liefert ja in jedem diese Fälle die Ursache für Misswirtschaft, Fehlfunktionen, Korruption und Geldverschwendung.

Die im Realsozialismus unserer Tage verpönte „Diskriminierung“ wäre in einer Privatrechtsgesellschaft das selbstverständliche Recht jedes einzelnen. Das Prinzip der Freiheit bedeutet nämlich, dass jedermann seine Vertragpartner frei wählen kann und folglich kein Vertrag ohne Willensübereinkunft zustande kommt. Kontrahierungszwang ist der Privatrechtsgesellschaft unbekannt…

Leser, die mit der Theorie der „Österreichischen Schule“ vertraut sind, werden in dem Buch wenig Neues finden. Allen anderen dagegen werden darin erfrischende, bisweilen auch verstörende, Denkanstöße geboten.

Wenn die Demokratie zusammenbricht
Frank Carsten, Karel Beckmann
Finanzbuchverlag 2012
189 Seiten, broschiert
ISBN978-3-89879-712-2
€ 14,99,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Damit Geld, Ideen und Leistung zusammenfinden

08. November 2012 01:39 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

„Der Staat braucht höhere Steuereinnahmen, damit er Arbeitsplätze und Wachstum sichern und schaffen kann.“ Fast würde man glauben, diese Behauptung könnte stimmen, so oft hört man sie derzeit. Dennoch bleibt sie absoluter Unsinn. Das Gegenteil ist wahr: Höhere Steuern zerstören Arbeitsplätze und Wachstum; und der Staat hat sich als unfähig erwiesen, Arbeitsplätze zu schaffen, die auch einen positiven Beitrag zum Wachstum leisten. Er produziert nur in einem einzigen Bereich dauerhafte Jobs: in der Bürokratie. Aber die kostet Wachstum. Sie behindert produktive Tätigkeiten.

Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand entstehen immer nur in privaten Unternehmen. Dort wo jemand eine kreative, eine geniale, eine witzige Idee hat, die auf dem Markt nachgefragt werden könnte. Dort wo jemand eine tolle Erfindung macht, mit der Produkte billiger erzeugt werden können. Dort, wo sich Fleiß, und Verlässlichkeit einen Kundenstock schaffen. Dort wo jemand im Glauben an eine Innovation ein Risiko eingeht.

Nichts davon kann der Staat. Er handelt ja nur durch Beamte oder Politiker. Beamte sind niemals kreativ, witzig, genial, sondern immer nur vorsichtig auf Einhaltung jeder Vorschrift und Vermeidung jedes Risikos bedacht, um ihre eigene Karriere nicht zu gefährden. Und Politiker gehen erst recht kein Risiko ein, das ihre Wiederwahl bedrohen könnte. Sie geben das den Steuerzahlern abgenommene Geld immer nur in Perspektive auf die nächste Wahl aus. Und die ist fast immer gleich ums Eck. Politisch ausgegebenes Geld fördert Parteizwecke oder gar Parteifreunde, oder es fließt an medial gepushte Modezwecke.

Weder Politiker noch Medien noch Beamte hingegen hätten vorher auf jene Produkte gesetzt, mit denen österreichische Firmen heute besonders erfolgreich sind. Ob das nun ein Koffein-Getränk mit Himbeergeschmack, geschliffene Glasscherben, Feuerwehrautos, Gleisstopfmaschinen, Feuerfest-Artikel, Kraftwerksturbinen oder Beschläge sind.

Kurzer Wechsel in einen anderen Bereich, zur modernen Kunst. Ich schätze sie und gehe gerne in Museen und Galerien. Vor einiger Zeit geriet ich daher in eine Ausstellung der Nachkriegs-Ankäufe der Republik: Es war die langweiligste Ansammlung von unverkäuflichem, ideenarmem Epigonentum, die ich je gesehen habe. Jedes einzelne erworbene „Kunst“-Werk roch nach einem Gefälligkeits- oder Wohltätigkeits-Werk.

Oder blicken wir auf die Verstaatlichte Industrie: Jahrzehntelang brauchte man politische Protektion oder Schmiergeld für einen Post-Beamten, um wenigsten nach ein paar Monaten einen Telephonanschluss zu bekommen. Sonst dauerte es Jahre. Heute geht das sofort.

Auch bei den oft als angebliches Gegenbeispiel zitierten britischen Eisenbahnen hat sich die Privatisierung als Erfolg erwiesen. Mit ihnen fahren heute viel mehr Briten mit viel weniger Unfällen als vor der Privatisierung. Und auch während der langen Labour-Jahre wurde diese wohlweislich nicht zurückgenommen. Lediglich in einem einzigen Teilbereich gab es Probleme: bei den Geleisen. Hier funktionierte das Konkurrenzprinzip als Kern der Marktwirtschaft nicht. Hier hatte der Staat vorher jahrzehntelang alle Investitionen unterlassen, sodass die Käufer scheiterten und die Schienen wieder an den Staat zurückgeben mussten.

Beispiele für die Überlegenheit von privatem Unternehmertum ließen sich lange fortsetzen. Dabei müsste etwa unbedingt auch auf die Voest im Vergleich Einst-Jetzt eingegangen werden. Oder auf das Schicksal der einstigen Staatsbanken und jenes der privat geführten. Der Vergleich macht objektive Beobachter sicher.

Die in jeder Hinsicht überlegene Privatwirtschaft hat nur zwei Probleme: Wie bringt man der Politik endlich bei, dass sie nicht durch Förderungen und Regeln, sondern nur durch einen Abbau von Steuern und Gesetzen das Wachstum fördert? Und zweitens: Wie finden die tollen Ideen mit dem notwendigen Kapital zusammen? Wer finanziert den Aufstieg eines familiären Klein- oder Mittelbetriebs zu einem großen Industrie-, Handels- oder Finanzunternehmen? Wo kommt das Geld für Kauf und Erneuerung eines privatisierten Staatsunternehmens her? Wie fließt das auf Sparbüchern schlummernde Geld in die produktive Realwirtschaft?

Der Begegnungsort ist der Kapitalmarkt. Und in seiner idealen Form die Börse. Dort kann auch der kleine Mann sein Geld genauso sinnvoll investieren wie die großen Fonds. Dort sind Heerscharen von Analysten und Anlagespezialisten unterwegs, um die spannendsten, zukunftsträchtigsten Investitionsobjekte mit jenen Menschen zusammenzubringen, die einen sinnvollen und möglichst gewinnbringenden Arbeitsplatz für Familienvermögen, für ihre Altersvorsorge, für ererbtes Geld suchen.

Börse-Veranlagungen sind gerade in Zeiten sinnvoll, da man bei Anleihen real viel Geld verliert – wenn man nicht zum nervenzerfetzenden Hochseil-Akt eines Kaufs griechischer Papiere bereit ist. Umgekehrt braucht auch der große Markt der Ideen und kapitalbedürftigen Unternehmen gerade heute die Börse nötiger denn je, da die staatlichen Regulatoren Bankkredite massiv verknappen.

Es ist absolut unverständlich, dass ausgerechnet jetzt das Verständnis von Politik und Medien für den Wert der Börse drastisch abnimmt. Nachdem man ihr in Österreich am Beginn des letzten Jahrzehnts noch einen gewaltigen Boom versetzt hat, sehen populistische Politiker in Börsen und Anlegern heute nur noch eine Melkkuh und beschimpfen sie als Spekulanten. Ständig erfinden sie neue Steuern, welche die Transmission-Funktion der Börsen behindern.

Das Ergebnis: Zwar sind die Börsenkurse dennoch gestiegen, aber in Österreich hat das Volumen des über die Börse in die Wirtschaft fließenden Geldes dramatisch abgenommen. Wem auch immer das nützen soll: den Arbeitsplätzen, dem Wachstum, dem künftigen Wohlstand gewiss nicht.

Aber manche Politiker glauben ja ohnedies, dass das Geld aus der Druckmaschine oder dem Kopierer kommt.

Dieser Beitrag deckt sich weitgehend mit einem Text für die große Jubiläumsnummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier", die 90 Jahre alt wird.

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Obamas allzu teurer Sieg

07. November 2012 11:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Schlacht ist geschlagen – und viel knapper gewonnen worden, als zu vermuten war. Ein Twitter-Kommentar hat pointiert formuliert, was es in dieser Wahl wirklich zu gewinnen gab. „Erster Preis: Du verlierst die Wahl. Zweiter Preis: Du beschäftigst Dich mit dem gesetzlichen Budgetnotstand, dem Iran, den Staatsschulden, Pakistan, der Bildungsfrage, China etc. etc.“ Das muss Barack Obama nun weitere vier Jahre tun – darum ist er nicht zu beneiden.

Die Probleme, die auf Obama immer noch warten, hat das Tagebuch bereits eingehend analysiert. Mindestens bis zu den „Mid-Term-Elections“ in zwei Jahren wird er dabei seine Grenzen vom politischen Gegner diktiert bekommen, der den Kongress weiterhin regiert. Status quo also. Und damit wird das Faszinierende an Obama, das bezeichnenderweise bei der Siegesrede erstmals wieder aufgeblitzt ist, schnell wieder an der Realität zerschellen. Obama hat sich immer als Einiger verstanden, er will die Vereinigten, die Einigen Staaten. Diese Hoffnung, dieses Selbstverständnis haben ihn getragen. Wie bei der ersten Wahl hat er auch diesmal rhetorisch versucht, den Gegner nach geschlagener Schlacht auf das gemeinsame Große einzuschwören.
Vergebens. Vor vier Jahren hat er damit die Tea Party Bewegung geerntet. Auch diesmal wird er wohl scheitern – die USA sind ein zutiefst zersplittertes Land, gesellschaftliche Gräben werden immer größer. Und Obamas Agenda – Reform des Steuersystems, Reform der Immigrations-Gesetzgebung und Kampf der explodierenden Staatsschuld – wird nicht zum Abbau dieser Gräben beitragen.
Worüber sich die Amerikaner aber wirklich Gedanken machen müssen – und einige große Köpfe wie Francis Fukuyama tun das sehr intensiv -, ist wohl die Frage, wie demokratisch eine Demokratie eigentlich noch ist, wo der Erfolg davon abhängt, wer die meisten Wahlkampf-Milliarden aufbringt. In 94 Prozent aller Fälle, so stellt sich bei einer Analyse der Präsidentschafts- und Abgeordnetenwahlen heraus, gewinnt der Kandidat, der sich die meiste TV-Zeit kaufen kann.
Das kann so skurrile Blüten treiben wie die Tatsache, dass im Oktober für die Diskussion der vier finanziell schwachen Kandidaten kleinerer Parteien (immerhin ein früherer Gouverneur von New Mexico, der frühere Bürgermeister von Salt Lake City, ein früherer Kongress-Abgeordneter und ein Arzt) nur ein leistbarer TV-Sender gefunden werden konnte – ausgerechnet Al-Jazeera.
Aber die Wahlkampf-Milliarden-Rekorde verpflichten auch: Darf für Obama noch zählen, was die Wähler von ihm erhoffen, oder muss er nun für die Unterstützung zahlen und tun, was seine Geldgeber von ihm erwarten? Eine Frage, die für jeden Repräsentanten und Senator ebenso zu stellen ist. Wer zahlt, schafft an?
Hier hat das demokratische Musterland, das die USA immer sein wollen, riesigen Handlungsbedarf. Und für uns sollte bei allem Anlass zur Politiker-Verdrossenheit das Beispiel USA eine Warnung sein, Diskussionen, wie Demokratie zu finanzieren ist, ernsthaft und fernab von Populismus zu führen.

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Klima: Lügen, Fakten, Interessen

06. November 2012 00:40 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wie viele andere habe ich als Nicht-Naturwissenschaftler eine Zeitlang die Thesen von einer durch den Menschen verursachten Klimakatastrophe geglaubt. Bis dann immer mehr Ungereimtheiten aufgetaucht sind. Worauf ich mich sehr intensiv mit dieser Frage zu befassen begonnen habe. Ich tat das wohl in einer vielleicht altmodischen Auffassung von Journalismus, der Dingen auf den Grund zu gehen versucht, ich bin aber auch geprägt durch meine Ausbildung als Ökonom und Jurist.

Als Ergebnis sehe ich heute die Dinge total anders. Ich bin, wenn das nicht ein semantischer Widerspruch wäre, zum überzeugten Skeptiker geworden, der staunend vor einer gigantischen Blase steht, die von der Politik, etlichen NGOs und auch willfährigen Wissenschaftlern aufgeblasen worden ist

Vor zwei Jahren habe ich im Tagebuch 28 kritische Fragen zur offiziell dekretierten These von der Klimakatastrophe formuliert. Ein Leser reichte diese an Ministerien und Abgeordnete weiter. Das Verblüffende: Er bekam zwar eine Reihe Antworten – aber kein einziges Schreiben wagte es, inhaltlich auf die Fragen zu antworten, sondern alle verwiesen auf irgendwelche Experten weiter. Aber auch alle befragten österreichischen Experten beteuerten, dass sie sich nur mit einem sehr spezifischen Randgebiet befasst haben und dass sie zur Grundfrage, der menschlichen Schuld an der globalen Erwärmung, nichts Wissenschaftliches sagen konnten. Am Schluss wurde man dann meist auf einen UNO-Bericht verwiesen (abgesehen von den in meinen Augen sehr skurrilen Auftritte einer Frau Kromp-Kolb).

Zum erstenmal in der Geschichte fungiert damit ausgerechnet die UNO als oberste wissenschaftliche Instanz, obwohl diese immer nur interessengesteuert agiert hat. Die UNO hat aber dennoch gleich dekretiert, dass ihre Klima-Beschlüsse nicht mehr hinterfragt werden könnten. Was natürlich das Gegenteil von Wissenschaftlichkeit ist.

Mit anderen Worten: Regierung und Parlament beschließen gravierende politische Maßnahmen und wirken an solchen Beschlüssen auf EU-Ebene mit, ohne dass sich ein einziger der österreichischen Entscheidungsträger so viel Fachwissen angeeignet hätte, dass er sich selbst diesen Fragen zu stellen wagte.

Manche meinten: Wir sind zwar nicht sicher, aber im Zweifel machen wir lieber etwas, bevor wir nichts machen. Nutzt es nicht, so schadet es nicht. Das klingt plausibel. Ist es aber nicht.

Die Schäden durch die Global-Warming-Panik

Denn wenn auf Grund falscher Annahmen gewaltige Kosten entstehen, dann ist das kriminell. Um nur einige Beispiele für die dadurch ausgelösten Schäden zu nennen:

       I.            In der europäischen Schuldenkrise mit ihren unabwendbaren, wenn auch in Österreich noch gar nicht spürbaren katastrophalen Auswirkungen stecken viele Milliarden, die nur wegen der angeblich drohenden Klimakatastrophe ausgegeben worden sind.

    II.            Wenn weltweit die Agrarindustrie wegen dieser angeblich drohenden Klimakatastrophe in signifikantem Umfang statt Lebensmittel Treibstoff produziert, dann führt das zu Knappheiten und irgendwo in der Welt mit ihrer rasch wachsenden Bevölkerung zu Hunger. Die steigenden Preise, über die alle reden, sind ja nur eine Folge dieser wachsenden Knappheit, nicht deren Ursache.

 III.            Sparsamer Umgang mit knappen Ressourcen ist immer sinnvoll. Sparsamkeit wird aber schon automatisch durch den Preis ausgelöst. Wenn eine Ware knapper wird, steigt der Preis, was die Verbraucher zur Sparsamkeit zwingt. Und was die Entwicklung von alternativen Waren interessant macht, und zwar umso interessanter, je mehr der Preis steigt. Das ist eine ganz natürliche Entwicklung, für die es gar keine Einmischung von Regierungen bräuchte.
Freilich amüsiert es, dass uns Weltuntergangspropheten seit 50 Jahren prophezeien, das Erdöl werde in 40 Jahren zu Ende sein. Die bekannten und förderbaren Ölreserven sind heute jedoch so groß wie nie, obwohl dem heute auch viel mehr Ölkonsumenten als früher gegenüberstehen, man denke nur an China oder Indien. Und die förderbaren Gasvorräte reichen dank neuer, zum Teil freilich teurer Techniken derzeit schon für viele Jahrhunderte.
Dennoch bleibt es sinnvoll und logisch, wenn steigende Preise global zur Sparsamkeit anleiten. Wenn hingegen Geld einzig dafür ausgegeben wird, um CO2 in Erdlöcher zu pumpen, dann wird dadurch kein Liter Öl eingespart. Es werden vielmehr teure Ressourcen vergeudet.

 IV.            Unsinnig ist freilich auch die Subventionierung des Treibstoffpreises in etlichen Drittweltländern. Das setzt falsche Anreize Richtung Verschwendung und lenkt bedeutende staatliche Mittel völlig fehl. Nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur wird für die Subventionierung des Treibstoffpreises aus politisch-populistischen Gründen sieben Mal so viel Geld ausgegeben wie in Europa für die Subventionierung alternativer Energien. In Wahrheit ist beides absoluter Unsinn. So wie die Regierung Indiens fürchten sich viele Drittwelt-Machthaber aber vor Unruhen, wenn sie den Ölpreis nicht mehr stützen würden.

    V.            Europa hat die weitaus strengsten Klima-Auflagen. Das belastet nicht nur die Konsumenten über die Energiepreise und über teure Schikanen wie das Glühbirnen-Verbot. Das belastet vor allem die Industrie. Voest-Vorstandschef Eder hat so wie viele andere Manager schon deutlich gesagt, dass es künftig wegen der diversen Folgen der Klimapolitik keine Großinvestitionen mehr im EU-Raum geben wird.

 VI.            Jedoch: Selbst wenn Europa im Zuge seiner eigenen Selbstbeschädigung die eigenen Energiepreise in die Höhe treibt, ändert das gar nichts am globalen Ölverbrauch: Denn dadurch wird in anderen Regionen Öl automatisch relativ billiger. Was dort wiederum den Verbrauch in die Höhe treibt und die Verlagerung von energieintensiven Industrien aus Europa profitabel macht.

VII.            Was man auch immer von Alternativenergien hält: Solarmodelle in der nördlichen Hälfte Europas oder in nebelreichen Regionen, wie sie jetzt überall mit massiven Förderungen entstehen, sind auch in der systemimmanenten Logik der globalen Erwärmungs-Lehre absurd.

VIII.            Besonders heftig ist der Schaden für Österreich, das sich zu besonders ehrgeizigen Kyoto-Zielen verpflichtet hat. Es muss nun teuer CO2-Zertifikate nachkaufen, also sich für Kyoto noch mehr verschulden. Dabei machen die Kyoto-hörigen Länder nur 15 Prozent der globalen Treibhaus-Gas-Emittenten aus.

 IX.            Auch die sogenannten grünen Jobs sind trotz der lauten Propaganda eine Fiktion. Eine Studie aus Spanien – wo am heftigsten Alternativenergien subventioniert worden sind – zeigt, dass für jeden dieser grünen Jobs in der Alternativ-Industrie zweieinhalb Mal so viele Arbeitsplätze in anderen Industrien verloren gehen, weil überhöhte Energiepreise Unternehmen zum Zusperren oder Abwandern zwingen.

Soweit ein paar zusammengefasste Hinweise auf die Schäden der Klimapolitik.

Warum die These nicht stimmen kann

Ebenso spannend und noch wichtiger ist ein Streifzug durch die vielen Gründe, die der offiziellen These einer vom Menschen verursachten globalen Erwärmung und insbesondere auch deren Schädlichkeit entgegenstehen.

1.     Vorweg ein Zitat aus einer amerikanischen Petition, die von 31.000 Naturwissenschaftern, darunter 9000 mit einem Ph.D. (einem unserer Habilitation ähnelnden Grad) unterzeichnet worden ist:
„Die vorgeschlagenen Begrenzungen sogenannter Treibhaus-Gase werden die Umwelt beschädigen, den Fortschritt der Wissenschaft behindern, und die Gesundheit und Wohlfahrt der Menschheit beschädigen. Es gibt keinen überzeugenden wissenschaftlichen Beweis, dass von Menschen verantwortete Freisetzung dieser Gase eine katastrophale Erwärmung der Atmosphäre und Klimakatastrophen auslöst oder auslösen wird. Darüber hinaus gibt es gravierende wissenschaftliche Beweise, dass eine Vermehrung des atmosphärischen CO2 viele vorteilhafte Effekte auf die Pflanzenwelt und die tierische Umwelt hat.“

2.     Es ist Tatsache, dass es auch lange vor der menschlichen Nutzung von CO2-emittierenden Treibstoffen gewaltige Änderungen des Weltklimas gegeben hat. Es gab Eiszeiten und Wärmezeiten. Deren Ursachen hängen mit relativ großer Wahrscheinlichkeit mit Sonnenaktivitäten, kleinen Variationen von Umlaufbahnen und Änderungen von Meeresströmungen zusammen.

3.     Zufällig wird gerade in jüngster Zeit von Astronomen vom Planeten Pluto eine Erwärmung berichtet – obwohl dort bekanntlich keine Menschen ihr Unwesen treiben.

4.     Sicher ist laut den Astronomen aber auch, dass in einigen hundert Millionen Jahren die Sonne die Erdtemperaturen auf über hundert Grad erhitzt haben wird. Aber nachdem es noch einige Eiszeiten gegeben haben wird.

5.     Es war jedenfalls schon viel wärmer auf diesem Planeten. Grönland wurde so getauft, weil es einst grün war, und weil damals auf der riesigen, heute eisbedeckten Insel Getreide angebaut wurde. Nach einer herrschenden Definition von Eiszeit sind während einer solchen beide Polkappen mit Eis bedeckt. Wie etwa heute.

6.     Wärmezeiten waren immer gut für die Menschen. Sie konnten sich ausreichend ernähren und sonst unwirtliche Gebiete bewohnen. Daher ist die nach davorliegender Abkühlung seit ca. 1850 zu beobachtende Erwärmung um 1 bis 2 Grad alles in allem durchaus positiv. Egal wodurch sie ausgelöst worden ist. Die gegenwärtige Wärmephase hat jedenfalls lange begonnen, bevor die CO2-Emissionen durch den Menschen im nennenswerten Umfang eingesetzt haben.

7.     Wärmeperioden sind auch viel besser für die Artenvielfalt als Kälteperioden.

8.     Ein globale Erwärmung wäre auch deshalb gut, weil die Erde im derzeit unbewohnbaren Permafrost-Norden die größten Landmassen hat, während rund um den Äquator viel weniger Land ist.

9.     Vermehrtes CO2 in der Atmosphäre ist kein Gift, wie manche Politiker und Journalisten kühnerweise behaupten. Sondern CO2 erhöht zusammen mit ausreichender Sonneneinstrahlung signifikant die Fruchtbarkeit praktisch aller Pflanzen und verbessert damit die Ernährung.

10.                      Der vor wenigen Tagen verstorbene bekannteste österreichische Meteorologe, Reinhard Böhm (ein Autor des Science-Blogs des Tagebuchs), hat intensiv bewiesen, dass die journalistischen Berichte von einer Zunahme der Wetterextreme nicht stimmen. „Die Temperaturschwankungen sind sogar geringer geworden.“

11.                      Der nobelpreisgekrönte Al-Gore-Film enthält so viele nachgewiesene Unwahrheiten, dass in Großbritannien sein Einsatz in Schulen sogar gerichtlich verboten worden ist.

12.                      Während der letzten 500 Millionen Jahre war die Lufthülle mehrmals bis zu zehnmal reicher an CO2 als heute. Und das hat nie zu einer dramatischen Aufheizung geführt, wie sie jetzt prophezeit wird.

Wer profitiert?

Das wirft nun die entscheidende Frage auf: Wie konnte es trotz der Fülle dieser Fakten zur Dominanz der Global-Warming-Theorie kommen? Wer profitiert davon? Wer hatte Interesse an dieser These?

a)    Eine besondere Rolle spielen viele Medien: Apokalyptische Weltuntergangsszenarien lassen sich insbesondere am Boulevard, aber auch durch unseriöse Filmemacher hervorragend zur Auflagensteigerung verwenden. Seriöse, abwägende Berichte tun das hingegen nicht.

b)    Es gibt starke Hinweise, dass die Global-Warming-Szenarien besonders von der Atomindustrie betont werden, die dadurch ja auch wieder in etlichen Ländern ins Geschäft gekommen ist.

c)     Mit dem Bau von Alternativenergie-Anlagen lässt sich derzeit sehr viel Geld verdienen.

d)   Großes Interesse an der Global-Warming-These herrscht auch in der Bauindustrie, wo man viel mit Wärmedämmungen und Niedrigenergiehäusern viel Geld verdient. Was an sich legal ist. Jedoch zeigen Studien, die dieser Tage von der Zeitung „Die Welt“ publiziert wurden, die aber sonst unterdrückt werden, dass die Energieeinsparungswirkung keineswegs im versprochenen Ausmaß eintritt. Und dass ältere Gebäude energiemäßig viel besser sind als angenommen.

e)    In vielen Ländern sind in den letzten Jahren nur deshalb emissionsfreudige Fabriken errichtet worden, um sich dann deren Schließung oder Sanierung teuer durch Kompensationszahlungen aus Europa abkaufen zu lassen.

f)      Selbstverständlich verbessert auch jede Dramatisierung das Spendenaufkommen für Umweltorganisationen. Dafür eignen sich putzige Eisbären-Bilder perfekt. Da brauch man ja nicht dazusagen, dass sich die Eisbärenpopulationen in den letzten Jahren weltweit signifikant vermehrt haben, also keineswegs besonders bedroht sind.

g)    All jene Klimaforscher und viele andere Disziplinen, die sich gezielt hinter die Global-Warming-These stellen, werden mit massiven Forschungsmitteln unterstützt. Das verzerrt in vielen Ländern die Unabhängigkeit und Objektivität der Forschung. Das führt in der auch nicht nur aus Heiligen bestehenden wissenschaftlichen Gemeinde zu Manipulationen und zur Einschüchterung kritischer Geister, bis hin zum Mundtotmachen.

h)   Die Wissenschaftsgeschichte ist auch voller Beispielen von Modewellen, wo eine große oder zumindest laute Mehrheit an eindeutig falsche Thesen geglaubt hat. Die Beispiele eines scheinbaren Konsenses der gesamten Wissenschaft reichen von der Überzeugung, dass die Erde der Mittelpunkt des Weltalls wäre, bis zu einem in der Zwischenkriegszeit erschienen Buch „Hundert Wissenschaftler gegen Einstein“. Noch übler: Ganze Universitäten sind einst fast geschlossen dem Nationalsozialismus beziehungsweise dem Kommunismus verfallen. Freiwillig.

i)      Viele Entwicklungsländer – zumindest all jene in Küstennähe – erkannten in der Warming-Theorie ein perfektes Argument, um die Entwicklungshilfe-Geldströme wieder zu vermehren. Denn der Kolonialismus hat langsam als Argument zur Erzeugung von schlechtem Gewissen ausgedient. Die Behauptung, dass der Welthandel der Dritten Welt schadet und nicht nützt, wird nur in extrem linken Zirkeln geglaubt. Die Dritte Welt konnte nach 1989 auch nicht mehr durch eine Schaukelpolitik zwischen Ost und West Unterstützungen generieren. Da kam die Global-Warming-Panikmache zum perfekt richtigen Zeitpunkt. Wenn man jemandem einreden kann „Weil ihr so viel Auto fahrt, werden wir vom Meer überschwemmt“, wagt niemand Nein zu sagen – vor allem dann nicht, wenn er die Zusammenhänge nicht durchschaut.

j)      Noch nie hat sich in der Nachkriegszeit die Politik so sehr in rein wissenschaftliche Fragen eingemischt. Die von Ohnmachtsgefühlen geplagte Politik glaubt so, wieder Macht zurückgewinnen zu können. Erstmals wieder konnte man so Steuer- und Abgabenerhöhungen als etwas ethisch Wertvolles verkaufen. Typisch ist etwa die Forderung eines Mannes, der im ORF etliche Jahre als die Stimme des Mannes von der Straße seine täglichen Auftritte zu allem und jedem hatte: Niki Lauda verlangte – unabhängig davon, dass seine Formel 1 und auch Flugzeuge selbst die heftigsten Treibstoffsünder sind – plötzlich, dass angesichts der Klimakastrophe die Demokratie sistiert werden und die Freiheit der Menschen eingeschränkt werden müsse.
Es ist unglaublich verführerisch für die Politik, wenn sie vom Volk aufgefordert wird, zu diktatorischen Mitteln zu greifen. Warum sollte sie da Nein sagen?

Ist Umweltschutz überflüssig? Ganz und gar nicht. Aber statt einer imaginären globalen Erwärmungs-Katastrophe sollten wir uns mehr um die echten Umweltprobleme wie die Versauung der Grundwässer durch Dünger und die rapide voranschreitende Zubetonierung der Bodenflächen durch oft überflüssige Gebäude und Verkehrsbauten kümmern.

(Dieser Text ähnelt in Teilen einem Vortrag, den ich vor dem Liberalen Klub in Linz gehalten habe.)

 

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Der fünfte November: Ein denkwürdiger Jahrestag

05. November 2012 00:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

"Remember, remember the Fifth of November
Gunpowder, treason and plot;
I know of no reason why gunpowder treason
Should ever be forgot.“

Am fünften November des Jahres 1605 wurde ein Anschlag verhindert, der, wäre er geglückt, vermutlich ein politisches Erdbeben ausgelöst hätte – vergleichbar mit jenem, das die Attacken auf die Zwillingstürme des World Trade Centers im Jahr 2001 nach sich gezogen haben. Es geht um den „Gunpowder Plot“ auf das englische Parlamentsgebäude, dessen auf der Insel heute noch vielerorts gedacht wird.

Die Absicht des britischen Offiziers Guy Fawkes war es, einen Sprengstoffanschlag zu verüben, dem die gesamte politische und geistliche Elite Englands zum Opfer fallen sollte. Zu diesem Zweck wollte er am Tag der Parlamentseröffnung, wenn, neben großen Teilen des Hochadels und des hohen Klerus, auch König Jakob I. nebst Familie anwesend war, eine gewaltige Menge von zuvor im Keller des Gebäudes deponierten Schwarzpulvers zur Explosion bringen.

Der Plan scheiterte in letzter Sekunde durch den Verrat eines Mitverschwörers und hatte die Hinrichtung aller daran Beteiligen zur Folge.

Die Motive Guy Fawkes´ – nach Meinung von Witzbolden mit Sinn für britischen Humor – „der einzige Mann, der je ein Parlament in ehrlicher Absicht betreten hat“, bleiben an dieser Stelle unbeachtet. Es geht stattdessen um die Beschäftigung mit den Konsequenzen der Tat – wäre sie geglückt.

Wäre der Anschlag tatsächlich ausgeführt worden, hätte er England ins Chaos gestürzt. Der kollektive Ausfall der gesamten politischen Elite wäre schwer, wenn nicht unmöglich, zu verkraften gewesen. Da die Staatsgeschäfte damals – wie in jeder Monarchie mit starker Position des Königs – in den Händen eines kleinen Personenkreises ruhte, gab es auch keine jederzeit bereit stehende „Reservearmee“ potentiellen Ersatzpersonals. Ein intelligent, entschlossen und rücksichtslos ausgeführter Coup hätte es daher ermöglicht, schlagartig eine entscheidende Weichenstellung – in welcher Richtung auch immer – vorzunehmen.

Heute ist das anders: Die in modernen Demokratien alle Lebensbereiche durchdringende Politisierung der Gesellschaft bringt es mit sich, dass ein vergleichbarer Terroranschlag so gut wie keine nennenswerten Konsequenzen hätte. Würde Guy Fawkes heute in Österreich zuschlagen und 183 Abgeordnete, zwei Dutzend Minister und Staatssekretäre und den Bundespräsidenten zusammen ins Jenseits befördern – was hätte er gewonnen? Ein paar Tage danach wäre alles beim Alten: Anstatt der ersten wäre eben die zweite Garnitur am Ruder. Schließlich gibt es Abertausende von Möchtegernabgeordneten, -ministern und -präsidenten, die jederzeit dazu bereit stehen, an dem Punkt weiterzumachen, an dem man die Aktivitäten ihrer Vorgänger unterbrochen hat.

Angesichts der Jahrzehntelang erwiesenen Reformresistenz des rezenten Politsystems im Land der Hämmer, in dem selbst eine klitzekleine Verwaltungsvereinfachung – ganz zu schwiegen von einer veritablen Verfassungsreform – am Beharrungsvermögen von Tausendschaften wohlbestallter Privilegienritter scheitert, dürfte die Antwort auf die Frage, ob dessen vergleichsweise hohe „Regenerationsfähigkeit“ gut oder schlecht ist, nicht allzu schwer fallen…

Ludwig Mises stellt in „Die Bürokratie“ fest: „Wer seinen Mitmenschen nicht zu dienen in der Lage ist, will sie beherrschen." Ob das im Jahr 1605 auch auf Jakob I. zutraf, sei dahingestellt. Betrachtete der sich doch schließlich als von „Gottes Gnaden“ in sein Amt berufen. Zumindest theoretisch und durch glückliche Umstände bedingt konnte zu seiner Zeit tatsächlich ein charakterlich, geistig und körperlich dafür geeigneter Mensch an die Macht gelangen und diese behutsam und zum Vorteil seiner Untertanen einsetzen.

In der Massendemokratie dagegen gelangen – dank völlig verkehrter Anreize und Selektionsmechanismen – stets die skrupellosesten und gefährlichsten Individuen an die Macht. Ein aufrichtiger und ehrlicher Akteur hat im Wahlkampf einer modernen Demokratie, in der die Stimmen gezählt und nicht (mehr) gewogen werden, keinen Funken einer Chance, gewählt zu werden. Folglich wimmelt es in den politischen Führungszirkeln einer Massendemokratie von zu ehrlicher Arbeit ebenso unwilligen wie unfähigen, verschlagenen und bösartigen Individuen, die außerhalb dieses Habitats niemals in Führungspositionen gelangen würden.

Die meisten anständigen Menschen dagegen pflegen sich von der Politik möglichst weit fernzuhalten…

Fazit: Guy Fawkes würde sich unserer Tage wohl eher der Rosenzucht widmen. Dass nach dem Vorbild seines Konterfeis angefertigte Masken heute von linken Adoranten überbordender Staatsmacht getragen werden, wenn sie sich auf den Weg machen, die Wallstreet zu okkupieren, darf als Treppenwitz der Geschichte verbucht werden und wirft ein grelles Licht auf die Geschichtsvergessenheit unserer Tage…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Die Verdrossenheit und ihre Ursachen

05. November 2012 00:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es lebe der kleine Unterschied: Wenn man fußballverdrossen ist, geht man nicht mehr auf den Sportplatz und kann auch ohne diesen Sport unbekümmert weiterleben. Wenn man politikverdrossen ist und nicht mehr zu Wahlen geht, dann bekommt man dennoch alle Konsequenzen politischer Entscheidungen zu spüren, ohne dass man den winzigen Mitspielraum genutzt hätte, den jeder in einer Demokratie (noch) hat. Man straft also nicht die Politik oder Politiker, sondern sich selber und macht die anderen mächtiger.

Jedenfalls sinkt die Wahlbeteiligung als sichtbarste Form der Politikverdrossenheit kontinuierlich. Zugleich bleibt in allen Parteien weitgehend der qualifizierte Nachwuchs aus. Das Image der Politiker hat einen Tiefpunkt erreicht. All diese Aspekte sind Folgen eines historischen Erdbebens im geistigen Fundament unserer Gesellschaften: Sowohl das demokratische wie auch das rechtsstaatliche Prinzip wie auch das Bekenntnis zu Marktwirtschaft und Leistungsprinzip sind als Ganzes unterminiert und beschädigt. Denn viele Menschen haben das Bewusstsein um den Wert dieser Grundlagen verloren. Die Ursache ist erstaunlich: Gerade der Erfolg der marktwirtschaftlich-rechtsstaatlichen Demokratie hat diese Grundlagen scheinbar unwichtig gemacht.

Noch nie haben zwei Generationen ohne jede Unterbrechung in einer Periode des inneren und äußeren Friedens, des ständig wachsenden Wohlstands und Aufstiegs leben können. Den Menschen wurden aber nicht Rechtsstaat, Marktwirtschaft und Demokratie als Grundlage dieses Segens vermittelt. Statt dessen wurde ihnen eingetrichtert: Wenn man nur die richtige Partei wählt, kommt der restliche Segen ganz von selbst. Das ewige Glück schien machbar. Jetzt aber platzen die verantwortungslosen Versprechungen der Parteien. Sie sind rat- und orientierungslos, die Wähler ebenso: Und gemeinsam versuchen sie, die bedrohlichen Fakten so lange es geht zu verdrängen.

Die große Frage lautet: Kann die Wahrheit, kann das Wissen um diese Basis noch einmal in unser kollektives Bewusstsein zurückgeholt werden? Zu dieser Basis gehören: Die fundamentalen Bedeutung des Rechtsstaats, in dem unabhängige und charakterlich saubere Richter nach klaren und bekannten Gesetzen judizieren; die Überlegenheit der Marktwirtschaft als einzig funktionierende Quelle von Wohlstand und Gerechtigkeit; die freiwillige Befolgung der Regeln des Zusammenlebens durch die Bürger, auch wenn kein Polizist dahintersteht; die Prinzipien der Demokratie; die Selbstverständlichkeit von Fleiß und Leistung; die Einhaltung diverser Generationenverträge; und nicht zuletzt die Kompromissfähigkeit.

Fast alles von dem ist in Erosion, ist innerlich ausgehöhlt. Die Bürger spüren, dass es jetzt eigentlich nur noch bergab gehen kann. Sie sind in ihrer Frustration sogar bereit, in phrasendreschenden Selbstdarstellern die erträumten Wunderheiler zu erblicken. Denn sie glauben – nachvollziehbar, aber falsch – nach wie vor an die billigen und einfachen Problemlösungen. Als ob man Jahrzehnte von Fehlern mit einem Mal wieder gut machen kann. Und ebenso falsch wie nachvollziehbar ist, dass sie die Fehler nur bei der Politik suchen, aber nie bei sich selber.

In Wahrheit ist ein guter Teil der Fehler dieser letzten Jahrzehnte nicht mehr reversibel. Und vieles andere wäre nur noch mit größter Mühe wieder ins Lot zu bringen. Was sind nun die konkreten Fehler, die sich in dieser Systemkrise und der Politikverdrossenheit niederschlagen? In Stichworten – und das Wichtigste zuerst:

  1. Der weitgehende Verzicht auf Kinder: Der Geburtenausfall führt dazu, dass am Ende dieses Jahrhunderts die Nachfahren der damaligen Österreicher nur noch ein Fünftel der Zahl von 1970 ausmachen werden, als die Geburtenziffern plötzlich gefallen sind, um nie mehr zu steigen.
  2. Die falsche Zuwanderung: Österreich gelang es nicht, zum Ausgleich für den Geburtenausfall qualifizierte Zuwanderer ins Land zu holen. Stattdessen kamen in hoher Zahl schlecht gebildete und kulturell kaum kompatible Menschen mit Drittwelt-Prägung aus islamischen und afrikanischen Länder nach Österreich. Diese haben wenig zum Wohlstand beigetragen, wurden aber in überdurchschnittlich hohem Ausmaß Konsumenten des Sozialsystems.
  3. Die Illusion des Pensionssystems: Statt auf die dank der Medizin gestiegene Lebenserwartung durch eine längere Lebensarbeitszeit zu reagieren, haben Bürger und Politik den Pensionsantritt ständig nach vorne verlegt und den Arbeitsbeginn nach hinten. Ergebnis: Heute sind im durchschnittlichen Leben eines Österreichers die Jahre des Arbeitens und Steuerzahlens deutlich kürzer als jene Jahre, während der man von anderen lebt. Was ein absolut nicht nachhaltig funktionierendes System ist.
  4. Die Exzesse des Wohlfahrtsstaats: Statt dass Menschen primär fürs Arbeiten bezahlt werden, ist es heute vielfach einfacher, sich fürs Nichtarbeiten zahlen zu lassen (und daneben eventuell schwarz zu arbeiten). Zugleich wird das Gesundheitssystem durch das weitgehende Fehlen von Wettbewerb und Selbstbehalten unfinanzierbar.
  5. Die Schuldenexplosion: Auch diese ist seit dem Jahr 1970 fast alljährlich zu beobachten. Damals lagen die Schulden des Gesamtstaats bei rund 15 Prozent eines sehr kleinen Bruttoinlandsprodukts. Heute liegen sie bei 73 Prozent eines viel größeren BIP. Dabei ist klar, dass es neben dieser offiziellen Quote noch viele derzeit versteckte Schulden und Haftungen für ausgelagerte Gesellschaften gibt, sowie für Pensionen und Gesundheitsversorgung, für die schon die Prämien kassiert, aber keine Rückstellung gebildet worden sind.
  6. Die falsche Reaktion auf die Euro-Finanzkrise: Statt von Anfang an den EU-Regeln gemäß keinen Schuldenstaat zu unterstützen, ist man seit 2010 so viele Haftungen eingegangen und hat so viele Kredite ausbezahlt, dass deren unvermeidliches Platzen auch Staaten wie Deutschland und Österreich mit in den Abgrund reißen wird. Das ist übrigens der einzige Fehler, der ausschließlich aufs Schuldkonto der Politik geht, während die Bürger diese Hilfsaktionen immer abgelehnt haben. Dabei ist es ein geringer Trost, dass die Fehler vor allem von der europäischen Politik begangen worden sind, während die österreichische lange nur nachgetrappelt ist, ohne überhaupt zu begreifen, was sich da abspielt.
  7. Der Glaube an den Staat: Statt möglichst viel durch die Menschen selbst erledigen zu lassen, mischt sich der Staat von Jahr zu Jahr in immer noch mehr Bereiche unseres Lebens ein.
  8. Die Korruption: Diese hat sich wie ein schleichendes Gift ausgebreitet. Von Baugenehmigungen in Wien reicht der Sumpf über die vielfältigen Kärntner Skandale und die Geldgeschäfte des Karl-Heinz Grasser bis zum Griff Werner Faymanns in die Kassen von ÖBB und Asfinag, mit dem er sich das Wohlwollen käuflicher Zeitungsverleger kaufen wollte.
  9. Die Überregulierung durch die EU: Diese mischt sich in ständig mehr Dinge ein, welche man besser regional regeln könnte.
  10. Die destruktive Haltung der Medien: Die Medien haben jahrelang jeden politischen Akteur als Gauner oder Dummkopf hingestellt. Sie haben sich lustig gemacht über Menschen, die sich für Familie und Kinder entschieden haben. Sie haben populistisch fast jede Forderung nach noch mehr Staatsausgaben unterstützt. Und sie haben die einstige Hofberichterstattung der 50er und 60er Jahre durch ein aggressives und verächtlich machendes Hinunterschreiben von Politikern ersetzt. Womit sie diesen für jedes Gemeinwesen entscheidenden Beruf total unattraktiv gemacht haben. Viel zu wenige gescheite und anständige junge Menschen sind daher noch bereit, in die Politik zu gehen. Sie sehen, dass sie dort für ein im Vergleich zur Wirtschaft mäßiges Salär Gefahr laufen, total fertig gemacht zu werden.

Angesichts dieser hier kurz angerissenen katastrophalen Entwicklungen ist psychologisch die frustrierte Abwendung vieler, insbesondere auch junger Menschen nachvollziehbar. Dabei bräuchten Demokratie und Rechtsstaat deren Engagement stärker denn je. Freilich nicht zu einer Perpetuierung all dieser Fehlentwicklungen, sondern zu einem mutigen Neubeginn.

Dieser Beitrag erschien in einer ähnlichen Form auch in einer Studentenzeitschrift (der Ostaricia).

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