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Der Kindesmissbrauch in staatlicher Obhut drucken

Vor wenigen Tagen hat der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes den Vatikan wegen seines Umgangs mit pädophilen Priestern heftig kritisiert. Der UN-Ausschuss erklärte sich zutiefst besorgt, dass der Heilige Stuhl das „Ausmaß der begangenen Verbrechen nicht anerkannt" und die erforderlichen Maßnahmen nicht ergriffen habe. Stattdessen habe der Vatikan eine Politik und Praktiken verfolgt, die dazu führten, dass die Missbrauchsfälle andauerten und die Täter straflos ausgingen.

Während die Würdenträger der Kirche nun immer häufiger ihre Opfer um Entschuldigung bitten, bleibt die Republik Österreich konsequent. Selbst einfache Gesten des Bedauerns sind hier rühmliche Ausnahmen. Im glücklichen Österreich teilt sogar der Bundespräsident schriftlich mit, dass ihn die Verfassung daran hindere, sich im Namen der Republik bei den unter staatlicher Obhut missbrauchten und verprügelten Opfern zu entschuldigen: „Ich darf Sie daher um Verständnis ersuchen, dass der Herr Bundespräsident der – wie alle staatlichen Funktionsträger – an die ihm verfassungsrechtlich eingeräumten Kompetenzen gebunden ist, hier keine Veranlassungen treffen kann."

Außerdem sollen sich die Opfer damit abfinden, dass so eine öffentliche Entschuldigung „außerhalb seines verfassungsmäßigen Wirkungsbereiches liegt".

Zugegeben: In einer Gesellschaft, in der sich pädophile Gewalttäter über Jahrzehnte völlig ungestört an Kindern vergreifen, ist ein kollektives Schuldbekenntnis wohl kaum zu erwarten. Im Unterschied zum Vatikan können sich demokratische Staaten allerdings sehr wohl mit ihrer pädophilen Vergangenheit auseinandersetzen und deutliche Zeichen setzen.

So hat etwa der Deutsche Bundestag bereits im Frühjahr 2011 eine offizielle Aufarbeitung eingeleitet und damit den Opfern zumindest ein kleines Stück an Würde und Lebensqualität gegeben.

In Österreich gehen die Uhren anders. Von einer parlamentarischen Aufarbeitung können die zahlreichen Opfer aus Heimen, Internaten und anderen öffentlichen Kinderaufbewahrungsstätten nur träumen. Hier werden stattdessen Arbeitskreise gegründet, die dann feierlich zu „Missbrauchskommissionen" ernannt werden. Exakt nach kirchlichem Vorbild gilt dabei: Transparenz ist verpönt, jede Kritik ein geradezu blasphemischer Untergriff. Und als oberste Maxime gilt: Schweigen. Wenn eines der Opfer zum Beispiel fragt, warum nur ein Teil der versprochenen „Entschädigung" ausbezahlt wurde, dann erntet es beredtes Schweigen.

Geredet wird nur dann, wenn längst verstorbene „Einzeltäter" und deren nationalsozialistisches Gedankengut als „verantwortlich" identifiziert wurden. Und vor allem: Wenn die Straftaten laut Gesetz längst verjährt sind. Dazu werden dann Studien in Auftrag gegeben und dicke Bücher veröffentlicht, aus denen Krokodilstränen kullern.

Es ist die ganze Gesellschaft, die dieses System aus Aussitzen, Vertuschen und Schweigen unterstützt. Selbst die Medien spielen dabei eine tragende Rolle. Je lauter die Betroffenen ihre Schmerzen hinausbrüllen, desto dichter wird der Mantel des Schweigens.

Wolfgang Hoffmann, Jahrgang 1959, ist Musiker, Unternehmer und Autor. Siehe: http://www.woho.at

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Auf in den Kampf um die Freiheit drucken

Die Zukunft Mitteleuropas verdunkelt sich. Das passiert, obwohl es im Vergleich zum Süden scheinbar so stabil dasteht. Das passiert ganz unabhängig von ein paar Zehntel Auf- oder Abwärtsbewegung der sich ja ständig ändernden Konjunkturdaten. Dafür sind mehrere Faktoren verantwortlich. Dazu gehören vor allem die Folgen der um 1970 einsetzenden demographischen Katastrophe, die Masseneinwanderung bildungsferner Schichten aus islamischen und afrikanischen Kulturen, die gigantisch angewachsene Haftungslawine zugunsten der schuldenfreudigen Mittelmeerländer, das immer exzessiver werdende Diktat der Politischen Korrektheit und die daraus erfolgende Einschränkung der Meinungsfreiheit.

Das Diktat der Political Correctness hat sich in den letzten Jahrzehnten schleichend, aber umso wirksamer ausgebreitet. Es hat seine Wurzeln in den USA, ist aber heute in den deutschsprachigen Ländern besonders tief verankert (vielleicht auch als Folge der deutschen Gründlichkeit).

Die USA waren das erste Land, in dem man die Political Correctness auch in der Sprache nachweisen kann. Allerdings war sie dort nur in Form des relativ wenig störenden „he/she“ zu bemerken. Dafür sind in den USA die Auswüchse der P.C. in anderen Feldern ganz besonders skurril: Dazu gehören etwa die Verbote, eine Kollegin mit Worten wie „Darling“ anzusprechen oder Kleinkinder nackt im eigenen Garten herumlaufen zu lassen oder eine Bürokollegin zum Essen einzuladen. Ein besonders krasses Beispiel war vor kurzem die Schul-Suspendierung für einen Sechsjährigen, weil dieser seine gleichaltrige Schulfreundin auf die Hand geküsst hat. Fast jedes normale Verhalten kann dort schon als „sexuelle Belästigung“ gewertet werden. Selbst wenn es im gegenseitigen Einverständnis erfolgt.

Diese Political Correctness breitet sich nun auch in Europa aus. Sie geht Hand in Hand mit dem Radikalfeminismus, also der skurrilen und natürlich nie bewiesenen oder beweisbaren Lehre, dass die Unterschiede zwischen den Geschlechtern ein reines soziales Konstrukt wären.

Vor allem im deutschsprachigen Raum hat diese P.C. dann im Verlauf der Zeit Verkrampfungen auf vielen Gebieten ausgelöst. So ist es in der staatsoffiziellen Variante der deutschen Sprache zu viel schlimmeren Folgen als in den USA gekommen. Kann man doch nur im Deutschen sprachliches mit biologischem Geschlecht verwechseln (was die Bürokratie prompt getan hat). Gibt es doch nur im Deutschen nach Sprachgeschlechtern unterschiedliche Artikel. Wird doch hier jedes auf -er endende Wort als böse abgestempelt und in die Faschiermaschine des Genderns gesteckt. Hat sich doch nur im Deutschen die amtlich angeordnete Schriftsprache mit dem unleserlichen Binnen-I total von der gesprochenen wegentwickelt. Hat sich doch nur im deutschsprachigen Raum die hässliche Unsitte entwickelt, zahllose Substantiva durch hässliche Partizipia zu ersetzen (also etwa „Lehrende“ statt Professoren). Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass diese Sprachdekonstruktion von fast allen Literaten, Medien und sprachsensiblen Menschen abgelehnt wird.

Das Gendern war anfangs nur eine verschmockte und belächelte Höflichkeitsfloskel. Heute ist es im bürokratischen und universitären Bereich zum absoluten Diktat mit rechtlichen Zwangsfolgen geworden. Studenten – auch weiblichen – werden noch so gute Diplomarbeiten zurückgeschmissen, wenn diese nicht gegendert sind. Dass ein totales Gendern lange Texte noch viel länger macht, ist dem P.C.-Diktat egal. Ebenso wie die Tatsache, dass es so wie die ebenfalls politisch-bürokratisch diktierte Rechtschreibreform mitschuldig daran ist, dass sinnerfassendes Lesen für Jugendliche immer schwieriger wird, vor allem für jene mit Bildungsdefiziten.

Der Universitätsbereich ist ein besonders guter Nährboden für Genderisten geworden. Dort gibt es nicht nur immer mehr Gender-Institute und Professuren – auf Kosten der seriösen Wissenschaften und auf Kosten der Glaubwürdigkeit der Universitäten bei ihrem Kampf um mehr Geld. Dort werden auch Gendervorlesungen immer mehr zur Pflicht für die unterschiedlichsten Studienrichtungen. Das ist ähnlich wie einst in den kommunistischen Ländern, wo alle Studenten Marxismus-Leninismus belegen mussten.

Kleines, aber bezeichnendes Beispiel: Die Universität Wien stellte vor kurzem aus den Tausenden dort produzierten Diplom- und Seminararbeiten ausgerechnet jene Arbeit prominent auf ihre Homepage, in der sich ein halbes Dutzend Soziologinnen darüber beklagt, dass es mehrheitlich Frauen sind, die vor Weihnachten backen. Das wird – von einer wissenschaftlichen Institution! – vehement als „Retraditionalisierung“ attackiert.

In den Sog der Political Correctness ist in den letzten Jahren nicht zuletzt durch Verschulden der EU auch die Justiz geraten. Sie engt das Leben der Menschen und deren persönliche wie wirtschaftliche Handlungsfreiheit immer mehr mit Antidiskriminierungsgesetzen und Verhetzungsparagraphen ein.

Insbesondere der Islam hat in der Political Correctness einen intensiven Verbündeten gefunden. Während man etwa nach einem Delikt der „Christophobie“ oder „Katholophobie“ vergebens sucht (das würde ja reihenweise Grüne, Pinke und Rote vor Gericht bringen), wird von Linken seit einigen Jahren „Islamophobie“ als Schwerverbrechen dargestellt.

Alle Fakten, die dieser Sichtweise des Islam widersprechen, werden totgeschwiegen. Und dort wo man nicht strafen kann, wird ignoriert. Das passierte daher etwa auch der erschreckenden Studie, die das „Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung“ präsentiert hatte: Es fand nämlich durch umfangreiche Befragungen heraus, dass zwei Drittel der Moslems die religiösen Gesetze als über den staatlichen stehend erachten. Bei den Christen waren es hingegen nur 13 Prozent. Das zählt heute zu den Wahrheiten, die niemand hören will, die niemand im öffentlichen Raum mehr anzusprechen wagt.

Selbst diese 13 Prozent sind ja letztlich keine Gefahr für den Staat. Findet sich doch in der Bibel nichts, was dem Staat ein bestimmtes Handeln vorschreiben würde. Selbst das Tötungs- und damit auch Abtreibungsverbot ist in allen biblischen Quellen nur ein für das Individuum geltendes Gesetz. Diskrepanzen gibt es lediglich in einem extrem schmalen Bereich, nämlich dort, wo Staaten Christen zwingen wollen, bei Abtreibungen mitzuwirken.

Im Islam hingegen ist ein riesiger Bereich der Glaubenslehre des Korans klassisches Zivil- und Strafrecht. Viele Koranlehrer meinen sogar, dass der Koran die ausschließlich für Zivil- und Strafrecht zuständige Rechtsquelle sei. Daher hat sich in islamischen Zuwanderergruppen in Deutschland und Österreich, sobald diese eine kritische Größe erreicht hatten, eine ausgebreitete Schattenjustiz entwickelt. Diese geht längst über die Rolle von Mediatoren hinaus. Sie führt immer öfter dazu, dass Moslems wegen des in ihren Augen gültigen Vorrangs islamischer Gerichte vor staatlichen falsch oder gar nicht aussagen. Für die Mehrheit der Moslems gibt es keine getrennten Sphären für Religion und Staat – zumindest dort nicht, wo sie die Mehrheit bilden. Das wird aber schon in wenigen Jahrzehnten in Deutschland wie Österreich der Fall sein.

Die drohende Verschmelzung von staatlicher und religiöser Sphäre ist heute überhaupt die größte Bedrohung der menschlichen Freiheit. Dennoch wird von Grün&Co fast jede Kritik am real existierenden Islam heftig bekämpft. Auch in den vielen von Linken beherrschten Medien wird Kritik am islamischen Fundamentalismus meist unterdrückt. Statt dessen erstatten immer wieder grüne Politiker und Journalisten Strafanzeige gegen einen der wenigen mutigen Islamkritiker. Und Staatsanwälte wie Richter verurteilen diese immer öfter, da sie sich anpassungswillig der „politisch korrekten“ Einschränkung der Meinungsfreiheit beugen.

Vorerst gehen all diese Entwicklungen an den Durchschnittsdeutschen und Österreichern eher vorbei. Diese haben zwar immer mehr die Überzeugung, wie Umfragen nachweisen, dass man nicht mehr alles sagen dürfe, was man sich denkt. Sie nehmen das aber eher lethargisch hin. Vorerst wird die mediale und politische Agenda nämlich noch ganz von wirtschaftlichen und europäischen Themen dominiert. Weder die demographische Katastrophe noch die Einschränkung der Meinungsfreiheit scheinen die Menschen derzeit sonderlich zu erregen.

Das tun derzeit offenbar nur jene, die sich an das Jahr 1848 erinnern. Das war die einzige Revolution, die ganz Europa erfasst hat, die Bürger und Arbeiter Seite an Seite gebracht hat. Das oberste Ziel dieser Revolution war der Ruf nach Meinungsfreiheit. Oder wie es damals meist hieß: nach „Preßfreiheit“.

Zwar sind die meisten der 1848 formulierten Verfassungen damals nicht Wirklichkeit geworden. Aber langfristig haben sich ihre Forderungen total durchgesetzt. Von den Menschrechtspakten bis zum deutschen Grundgesetz findet sich die Absicherung der Freiheit als dominantes Ziel und oberste Leitlinie. In Österreich ist sogar heute noch der ganz von 1848 geprägte Grundrechtskatalog von 1867(!) das zentrale Menschenrechtsdokument. Freiheit und Würde des einzelnen sind in jener Epoche immer im Zentrum gestanden: beim Kampf für die Gewaltentrennung, bei der weitgehenden Zurückdrängung der Obrigkeit aus unserem Privatleben oder bei der Durchsetzung des Prinzips „Was nicht ausdrücklich verboten ist, ist erlaubt“.

Heute aber ist die Freiheit der Bürger fundamental bedroht, weil all diese Prinzipien unterminiert werden, weil im Strafrecht die Politische Korrektheit langsam zur dumpfen General-Klausel wird.

Letztlich geht es in den meisten Phasen der europäischen Geschichte immer um das Ringen zwischen staatlicher Macht und ihrem Allmachtsstreben auf der einen Seite und dem Kampf der Menschen um Freiheit, ob sich dieser nun individuell oder in Gruppen, Vereinen und Parteien zeigt. Bei diesem Kampf um individuelle Freiheit geht es erstens um Leib und Leben, also konkret vor allem um das Recht auf einen unabhängigen Richter und um objektive, möglichst restriktive Gesetze; und zweitens um die Meinungsfreiheit, ob sich die nun in der Spezialform Religionsfreiheit äußert oder etwa in der Freiheit von Wissenschaft oder Kunst.

Immer geht es um das Recht, anderer Meinung zu sein, anderes zu glauben, anders zu reden, anders zu handeln, als es die Machthaber wollen. Dieses Spannungsverhältnis, diese Abwehr eines totalitär alles beherrschen wollenden Staates lässt sich schon im mittelalterlichen Kampf um die „Zweischwertertheorie“, also um die Trennung zwischen Staat und Kirche nachweisen, in den Geschehnissen rund um Canossa, in den Religionskriegen des 16. und 17. Jahrhunderts, im Einsatz der Aufklärung für Gewaltenteilung und in den nationalen Befreiungskriegen des 19. und 20. Jahrhunderts.

Heute droht eine neue Einschränkung der Meinungsfreiheit zurück in den Vormärz zu führen. Um nur ein einziges besonders krasses Beispiel zu nennen: Österreichische Staatsanwälte klagen es als unerlaubten Meinungsexzess an und die Gerichte dreier Instanzen bestrafen es, wenn eine Wissenschaftlerin bei einem Seminar den islamischen Propheten als Pädophilen bezeichnet. Dabei gaben Gerichte und Staatsanwaltschaft durchaus das Faktum zu, dass Mohammed systematisch eine sexuelle Beziehung zu einer Neunjährigen gehabt hat. Nur sagen und kritisch thematisieren darf man es halt nicht mehr.

Deutlicher als dieses skandalöse Urteil kann man gar nicht zeigen, wie sehr die Meinungsfreiheit hierzulande wieder unterdrückt wird. Solche Urteile sind eine viel gravierendere Einschränkung der Freiheit als etwa die Vorratsdatenspeicherung. Bei dieser geht es ja nur um das behördliche Festhalten einer angerufenen/angemailten Telefon- oder Mail-Nummer, nicht um den Inhalt. Und die Vorratsdatenspeicherung könnte jedenfalls auch der Verfolgung echter Verbrechen dienen.

Umso erfreulicher ist es, dass sich ein brillanter Autor wie Werner Reichel mit seinem neuen Buch, mit seinem großen Faktenwissen und seiner schreiberischen Begabung ganz dem historischen Kampf für die Freiheit und gegen deren Einschränkungen widmet.

Dieser Text ist das Vorwort zum neuen, soeben erschienenen Werk von Werner Reichel „Die Feinde der Freiheit“ . Es kann bereits unter diesem Link auf Amazon bestellt werden.

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Brutto ist Netto oder: Pink ist Grün drucken

Die Neos versuchen, Wirtschaftskompetenz zu entwickeln. Weit sind sie damit noch nicht gekommen.

Jüngstes Beispiel peinlicher ökonomischer Ahnungslosigkeit waren Äußerungen des Jungabgeordneten Scherak zum Schubhaftzentrum Vordernberg. Scherak behauptete, dass die Forderung der privaten Sicherheitsfirma nur relativ knapp unter den Eigenkosten des Innenministeriums liegt. Das wären die Kosten des Ministeriums, wenn es bis hin zur Haustechnik die Vordernberger Anlage durch Beamte betreiben und nicht auslagern würde.

Lassen wir einmal beiseite, dass die für Scherak offenbar vernachlässigenswerte Differenz über die Laufzeit immerhin drei Millionen ausmacht. Der pinke Mandatar hat noch etwas viel Gravierenderes nicht begriffen: den Unterschied zwischen brutto und netto. Die private Sicherheitsfirma hat in ihrem Angebot naturgemäß auch noch 20 Prozent Mehrwertsteuer enthalten. Diese fehlen bei der Berechnung des Innenministeriums ebenso naturgemäß. Damit ist der Unterschied für den Steuerzahler ein gewaltiger. Also ein Vielfaches der von Scherak behaupteten Summe.

Oder glaubt der nette junge Mann, dass auch bei solchen Aufträgen das in Österreich nicht ganz seltene Motto gilt „Brauchen’s eh ka Rechnung Frau Minister“? Damit offenbart sich nach dem Scheitern Stronachs nun auch bei den Pinken genau das gleiche beklemmende Defizit: Österreich bräuchte in der Tat dringend Rechts- und Wirtschaftskompetenz auf den Oppositionsbänken – aber niemand hat sie dort.

Fast noch deprimierender ist ein weiterer hinter dem Hoppala Scheraks stehender Aspekt: Die gerne Liberalität (oder gar Neoliberalität – was auch immer der Unterschied sein mag) für sich beanspruchenden Neos hetzen genauso wie die Grünen und der ORF dagegen, dass wenigstens ein winziger Teil der öffentlichen Tätigkeit – wie etwa die Verköstigung von Schubhäftlingen – an Private vergeben wird. Statt sich darüber zu freuen.

Sind die Neos wirklich nur dasselbe wie die Grünen minus Scheibeneinwerfen? Nicht ganz: Parteichef Strolz hat sich ja für den Verbleib auch der abgelehnten Asylwerber in Österreich ausgesprochen. So Absurdes hat man in letzter Zeit nicht einmal von den Grünen gehört.

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Die Freiheit und Europas Studenten drucken

Als vor 25 Jahren die Mauer fiel, schien der Sozialismus endgültig versagt zu haben. Doch die Geschichte ist die beste Lehrmeisterin mit den schlechtesten Schülern. 2014 ist Europa wieder fest im Griff von Planwirtschaft, Zentralismus und Überwachungswahn.

Vor wenigen Jahren noch waren konsequent liberale Studenten ein spärlich gesätes Gut in Deutschland und Europa. Mittlerweile jedoch herrscht Aufbruchsstimmung. Unter dem Banner der European Students for Liberty sammelt sich eine neue Generation freiheitlicher Studenten. Sie kämpfen für Marktwirtschaft, Dezentralismus und Bürgerrechte.

Wir, die European Students For Liberty, organisieren vom 14. bis 16. März die größte klassisch-liberale Studentenkonferenz, die Europa je gesehen hat. 2011 fing es mit bereits 200 Individuen im belgischen Leuven an. Zwei Jahre später erwarten wir über 500 Teilnehmer zur dritten europaweiten Konferenz in Berlin. 25 Jahre nach dem Mauerfall freuen wir uns, eine weltweite Bewegung in Gang gesetzt zu haben. Sie eint die Begeisterung für die Ideen der Freiheit, Selbstverantwortung und Unternehmertum. Uns haben sich bereits mehr als 200 Studentengruppen in 36 europäischen Ländern angeschlossen (weltweit sind es bereits über 1000). Über 1100 Studenten nahmen im vergangenen Herbst an unseren neun regionalen Konferenzen in ganz Europa  teil. Außerdem haben wir zehntausende Exemplare unserer Publikation „Why Liberty“ verteilt, die mittlerweile sogar in Sprachen wie das Griechische und Spanische übersetzt wurde.

Vom 14.-16. März erwarten wir über 500 klassisch-liberale Studenten und Gäste aus ganz Europa in Berlin. Neben Vorträgen und Diskussionen werden die Teilnehmer auch Workshops besuchen können. Dort können sie notwendige soft skills erlernen, um effektivere Leader und Aktivisten für die Freiheit zu werden. Darüber hinaus werden die Teilnehmer die Möglichkeit haben Freundschaften zu knüpfen und Netzwerke zu bilden. Der Fokus von ESFL liegt auf Studenten, da unsere Theorie des sozialen Wandels auf langfristige Veränderungen in der Denkweise der Gesellschaft abzielt.

Das heißt, wir möchten den jungen Menschen so früh wie möglich die klassisch-liberalen Ideen näher bringen, damit sie diese während ihres weiteren akademischen und beruflichen Werdegangs verbreiten können. Was uns von bestehenden Strukturen unterscheidet sind unsere klassisch-liberalen Prinzipien. Wir nehmen kein Geld vom Staat an und sind nicht politisch tätig. Als European Students For Liberty konzentrieren wir uns ausschließlich auf die Ideen der Freiheit, die akademischen Theorien und die Kommunikation derselben. Wir schreiben dabei niemanden vor, was der beste Weg zur Freiheit ist, sondern wollen genau darüber diskutieren.

Als Redner haben uns bereits u. a. Tom Palmer (Atlas), Kevin Dowd (University of Nottingham), Marco Ricca („Ethical Hacker“), Vera Kichanova (Journalist), Christian Michel (ISIL), Axel Kaiser (Ökonom, Autor), Michael Tanner (Cato Institute), Baishali Bomjan (Centre for Civil Society), Stephen Davies (Institute for Economics Affairs), Trevor Burrus (Cato Institute), Alberto Mingardi (Instituto Bruno Leoni) und John Fund (Autor, Journalist) zugesagt.

Die Anmeldegebühr beträgt für Studenten 40€ und für Nicht-Studenten 55€. Darin enthalten sind alle Speisen während des Wochenendes, viele kostenlose Materialien, Netzwerkmöglichkeiten mit Think Tanks und natürlich drei Tage voller interessanter Redner und Diskussionen.

Wir freuen uns, Euch in Berlin begrüßen zu dürfen und hoffen, mit Hilfe dieser Konferenz einen Beitrag zu einer freieren Gesellschaft leisten zu können.

Michael Landl ist im Vorstand der European Students For Liberty tätig, arbeitet für den Think Tank Agenda Austria in Wien und studiert International Affairs and Governance an der Universität St. Gallen. Zudem ist er Mitbegründer des Austrian Libertarian Movement in Wien. Sie können ihn unter der E-Mail-Adresse mlandl@studentsforliberty.org erreichen.

European Students For Liberty

ESFL europäische Konferenz

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Der Ball und die Medien, die Grünen und der Rechtsstaat drucken

Die erste Erregung über die Ausschreitungen rund um den Wiener Hofburgball ist abgeflaut. Umso wichtiger ist es, in aller Ruhe an die klaren Grundsätze eines demokratischen Rechtsstaats zu erinnern, die da bei manchen Medien bedenklich ins Wanken geraten sind. Bei diesen Grundsätzen müssen Gewaltfreiheit und Versammlungsfreiheit ganz an der Spitze stehen. Wer das ignoriert, stellt sich selbst außerhalb von Demokratie und Rechtsstaat.

Wenn eine Partei wie die Grünen mit diesen Grundsätzen auch heute noch (oder wieder?) so wie in ihrer gewalttätigen Gründungsphase Probleme hat, dann ist das mehr als bedenklich. Skandalöse Nähe zu den schweren Ausschreitungen haben neben den direkt verwickelten Jungen Grünen jedenfalls auch der Wiener Klubobmann der Partei und ihr „Justiz(!)sprecher“ durch völlig unakzeptable Wortmeldungen gezeigt.

Aber haben nicht die Grünen genauso das Recht auf Versammlungsfreiheit wie die Blauen? Ganz gewiss. Jedoch sagen das Recht und alle humanen wie liberalen Prinzipien ganz klar: Versammlungsfreiheit darf nicht dazu benutzt werden, um die Versammlung eines anderen zu stören. Die Freiheit des einen endet immer an der Freiheit des anderen.

Das heißt: Die Grünen und ihre Sympathisanten haben rund ums Jahr das Recht auf (friedlich bleibende!) Demonstrationen, und auch zum Zeitpunkt des Balls haben sie das Recht dazu an jedem anderen Ort. Aber es ist selbstverständliche Pflicht der Polizei, eine ordnungsgemäß gemeldete Veranstaltung vor Störungen zu schützen. Oder es zumindest zu versuchen, wie etwa durch eine Platzsperre angesichts von langer Hand geplanter und durch Import deutscher Gewalttäter so gut wie sicherer Störaktionen.

Gewiss sind die von uns zu tragenden Kosten für den Polizeieinsatz mehr als ärgerlich. Aber diese dürfen niemals ein Grund sein, Veranstaltungen zu untersagen. Die Kosten sollten vielmehr bei denen eingetrieben werden, die sich nicht an Regeln des Rechtsstaats halten.

Wären die Kosten der Polizeieinsätze wirklich ein Argument, Veranstaltungen abzusagen, dann müssten auch wöchentlich sämtliche Fußball-Bundesliga-Spiele verboten werden (Spiele der Champions-Liga prinzipiell erst recht, aber da ist Österreich ja leider nur Zuschauer). Denn große Fußballspiele verursachen bekanntlich besonders regelmäßig und besonders teure Polizeieinsätze, auch oft lange nach einem Spiel oder schon vorher. Als Schuldige tun sich übrigens Anhänger-Gruppen der beiden Wiener Vereine gerne besonders negativ hervor (auch wenn mir einer dieser Klubs davon seit Jugendtagen irgendwie ans Herz gewachsen ist).

Wären die Grünen eine voll in der Rechtsordnung angekommene Partei, dann würden sie prinzipiell jede Kooperation mit potenziell gewalttätigen Gruppen stoppen. Dann würde eine wirkliche Parteichefin sofort jene Jungen Grünen aus der Partei ausschließen, die Gewalttäter importiert haben. Dann würde sie selber zurücktreten, sollte sie hinter den Kulissen das alles gutgeheißen haben.

Jedenfalls würde eine rechtsstaatliche Partei die Abhaltung eines Balls ignorieren, solange dort nichts Rechtswidriges passiert. Selbst wenn dieser Ball ihnen zutiefst unsympathisch ist. Ich bin ja auch nie zum FPÖ- (oder früher: WKR-)Ball gegangen. Genausowenig wie ich zu geselligen Veranstaltungen der Grünen oder einer anderen Partei gehe.

Bei der Polizei hatte diesmal ganz offensichtlich der Verfassungsschutz das Kommando übernommen. Polizeipräsident Pürstl hingegen war heuer nie zu hören. Das ist gut so. Hat dieser doch im Vorjahr mit mehr als deplatzierten Kommentaren gezeigt, dass er nur ein braver Bürokrat und Parteisoldat ist, der seiner Aufgabe überhaupt nicht gewachsen ist, nicht einmal verbal. Diesmal hat die Polizei wenigstens versucht, den Ball zu sichern. Während von Pürstl im Vorjahr nur Zynismus zu hören war.

Neben den Grünen haben sich erstaunlicherweise auch die Neos indirekt an die Seite der Gewalttäter gestellt. Sie haben vehement gegen das von der Polizei verhängte Vermummungsverbot protestiert.

Man kann nun gewiss diskutieren, ob ein solches in einem liberalen Rechtsstaat am Platz ist. Freilich darf man bei einer solchen Diskussion nicht ignorieren, dass Vermummungsverbote mit guten – liberalen – Begründungen in immer mehr rechtsstaatlichen Ländern eingeführt werden: wegen gewalttätiger Demonstranten beziehungsweise gegen diese; und wegen der von radikalen Muslims erzwungenen Ganzkörperverschleierung ihrer Frauen. Diese ist ja nicht nur menschenrechtlich überaus bedenklich, sondern auch schon mehrfach zur Tarnung von Attentätern missbraucht worden. Der Schutz der Bürger vor Kriminalität ist jedenfalls immer schon eine zentrale liberale Aufgabe gewesen (weshalb der klassische Liberalismus von den Linken sogar gerne als Nachtwächter-Ideologie denunziert wird). Und es ist jedenfalls ein urliberales Prinzip, sich offen zu seinen Meinungen zu bekennen.

Trotzdem kann man wie die offensichtlich noch immer ganz stark vom linken Gedankengut der Heide Schmidt beeinflussten Neos natürlich auch meinen, dass ein Vermummungsverbot nicht liberal wäre. Nur eines kann man dann sicher nicht, was die Neos getan haben: sich laut über dieses Verbot aufzuregen, aber gleichzeitig kein Wort gegen schwere Gewalttaten und die versuchte Einschränkung der Versammlungsfreiheit zu sagen. Das ist dann nur noch Chuzpe und jedenfalls nicht liberal.

Was passiert eigentlich auf diesem Ball, der neuerdings so viele Hass linker Gruppen erregt wie einst der Opernball? Ich war zwar nie dabei, aber nach allen seriösen Berichten geht es dort so zu wie auf jedem Ball, und es passiert in keiner Weise etwas rechtlich Bedenkliches. Die einst liberale „Presse“ hat dennoch Druck auf die Hofburg-Betreiber ausgeübt, künftig den Ball zu untersagen. Ihr Argument: Dort säßen auch Leute, „die mit der NS-Vergangenheit flirten“.

„Flirt“ als Delikt ohne Konkretisierung und Beweise ist ein mehr als leichtfertiger Vorwurf. Leben wir doch in einem Land, das die strengsten Wiederbetätigungsgesetze hat (die übrigens gerade wieder etliche Menschen auf Jahre ins Gefängnis gebracht haben). Oder weiß die „Presse“ mehr als wir alle? Wurde auf dem Ball Neonazistisches öffentlich gesagt oder getan? Dann sollte sie es konkret mit Namen und Aussagen nennen. Dann ist nach den geltenden Gesetzen gegen die Betreffenden vorzugehen. Aber in einem Rechtsstaat kann es sicher nicht wegen sogenannter Flirts verhängte Kollektivstrafen geben.

Das auf diesem vagen und unsubstantiierten Vorwurf aufbauende Verlangen, Veranstaltungen zu unterbinden, ist einer Qualitätszeitung unwürdig. Hat sie als Motiv bloß diffuse Gefühle, die sie für Moral hält, dann könnte sie ihre Glaubwürdigkeit nur dann wiederlangen, wenn sie auch all jene Veranstaltungen unterbinden will, die im Verdacht stehen, dass dort jemand mit dem Kommunismus flirtet. Dazu ist aber gar nichts bekannt.

Daher muss sich die „Presse“ den Vorwurf gefallen lassen, dass ihr die Opfer des Kommunismus offenbar egal sind, obwohl dieser rund 80 Millionen Menschen umgebracht und einer noch viel größeren Menge das ganze Leben zerstört hat. Das wäre dann auch die endgültige Abkehr von einer großen Geschichte, für die insbesondere, aber keineswegs nur der eben verstorbene Fritz Molden gestanden ist.

Es ist mehr als nachvollziehbar, dass jemandem andere Menschen, etwa die Besucher eines Parteiballs, unsympathisch sind. Aber deswegen etwas verhindern, etwas unterbinden zu wollen, ist nichts anderes als Beweis einer totalitären Gesinnung.

Man kann nur immer wieder den weisen Voltaire-Spruch zitieren, der eine der wichtigsten Grundlagen liberalen und aufgeklärten Denkens ist: Ich lehne voll ab, was sie sagen; ich werde aber alles tun, dass sie es sagen können.

Wenn dieser Grundsatz verloren geht, dann geht auch unser aller Freiheit wieder verloren, um die unsere Vorfahren so hart gekämpft haben.

 

 

Ich schreibe regelmäßig Kommentare für die unabhängige und rund um die Uhr aktuelle Informationsseite „Vienna.at“.

 

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Warum Subventionen immer schlecht sind drucken

Die Politik brüstet sich gerne der von ihr verteilten Subventionen, besonders im Hochsubventionsland Österreich. Unter viel Beifall. Verlangen doch die Interessenvertreter der Wirtschaft ständig noch mehr davon. Auch alle bedachten Unternehmen selbst freuen sich darüber. Und ebenso tun das Gewerkschaften & Co, einerseits weil auch viele Betriebsräte für Subventionsgelder zugunsten ihrer Firma lobbyieren. Und andererseits weil die Gewerkschaft im Gegenzug dann meist eigene Interessen wie die Sozialbürokratie ausbauen kann. Warum sind Subventionen dennoch absolut und grundsätzlich schlecht?

Aus zwei klaren Gründen: Erstens, weil beim Durchschleusen von Geld durch Bürokratie und Politik immer viel davon sinnlos verloren geht; und zweitens und vor allem wegen der Knappheit von Ressourcen (von Geld, von intelligenten Menschen, von Anlagen und Rohstoffen). Ein Euro, der für Zweck A ausgegeben wird, kann nicht mehr für Zweck B ausgegeben werden. Daher sollte es nie um den von Politikern und Medien gern betonten Aspekt gehen, dass Zweck A (meist) eh ein guter ist, sondern immer darum, dass es viel sinnvollere, zu mehr Nutzen führende Zwecke gibt. Das kann B sein, aber auch C oder D.

Es geht also immer um die relativ beste Entscheidung. Und da ist es millionenfach bewiesen: Der Eigentümer dieses Euros – wie auch jedes anderen –  ist im Schnitt weitaus am besten imstande, über dessen Einsatz zu entscheiden. Denn ihn trifft es immer selbst, wenn eine Verwendung suboptimal ist. Das heißt natürlich nicht, dass Eigentümer immer absolut richtig entscheiden (ich selbst werde etwa nie vergessen, einmal etliches Geld in Libro-Aktien investiert zu haben …). Das heißt aber mit Sicherheit, dass die Wahrscheinlichkeit einer richtigen Entscheidung beim Eigentümer viel größer ist als bei einem Politiker oder Beamten. Denn die geben ja immer nur fremdes Geld aus.

Der Beamte sichert sich tausend Mal ab, verlangt für jede Entscheidung als erstes einmal ausreichend Dienstposten, geht von einer Kommission zur nächsten und bewegt sich immer im Mainstream, vermeidet also jedes Risiko. Und Politiker haben folgende Prioritäten im Auge: Wie wirkt sich das auf die nächsten Wahlen aus? Wie wirkt sich das auf meine persönliche Stellung im innerparteilichen Machtgefüge aus? Wie verkaufe ich es den Medien? Und: Kann mir niemand in absehbarer Zeit eine Fehlentscheidung vorwerfen (und nachher ist eh alles vergessen)?

Das sind alles normale, gesellschaftlich als regulär angesehene Verhaltensweisen. Da ist noch gar nichts Kriminelles dabei. Obwohl natürlich auch klar ist: Korruption kann es beim Verwenden eigenen Geldes gar nicht geben, sondern nur beim Ausgeben fremden Geldes.

Aus all diesen Gründen ist in der Tat jede einzelne Subvention prinzipiell falsch. Das einzig richtige wäre: Alle Subventionen weg und dafür die Steuern massiv herunter. Dann wären freilich viele Beamte, Kommissionen, Politiker sofort überflüssig …

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Demokratie und Straße: Die ukrainische Lektion drucken

Von Stunde zu Stunde mehr Tote, Hunderte Verletzte: Das ist die Zwischenbilanz der „europäischen“ Großmacht Ukraine. Das Land brennt.

Manche werden da jetzt einwerfen: Der ukrainische Machthaber Janukowitsch sei doch immerhin gewählt worden (so wie übrigens auch die türkische und thailändische Regierung, gegen die ebenfalls heftig protestiert wird). Man könne doch nicht einfach der Straße die Macht geben. Und die Demonstrationen gegen die Abwendung der Ukraine von Europa und gegen seinen weitgehenden Anschluss an Russland und dessen Gas seien zuletzt sehr aggressiv geworden.

Das ist alles richtig, aber dennoch nur ein winziger Teil der Wahrheit.

Denn viel fundamentaler ist: Kein Land der Welt kann heute Demokratie noch so interpretieren, dass diese bloß alle vier oder fünf Jahre stattfindet, und dass dazwischen die an die Macht gekommenen Politiker alles tun und lassen können, was sie wollen. Den Menschen der Ukraine über Nacht und auf Dauer die europäische Perspektive zu stehlen, ist massiv undemokratisch. Dazu sind sie nie befragt worden. Auch nicht einmal indirekt.

Genauso wichtig: Zu einer Demokratie gehört ebenso und völlig unabdingbar noch etwas anderes. Das ist eine wirklich freie und unpolitische Justiz. Das Vorhandensein eines Rechtsstaats ist zweifellos viel wichtiger als jede Debatte über Wahlrechtsvarianten. Eine unabhängige Justiz würde nicht auf Befehl des Präsidentenamtes unter Verwendung halbseidener Vorwürfe Oppositionspolitiker auf Jahre ins Gefängnis werfen. Auch der dringend notwendige Kampf  gegen die Korruption kann nicht bedeuten, dass es diese immer nur unter früheren Regierungen gegeben hat. Eine wirklich unabhängige Justiz müsste es vor allem wagen, gegen amtierende Nehmer vorzugehen. Das ist aber in der Ukraine noch nie passiert (während übrigens sowohl die türkische wie auch die rumänische Justiz trotz heftiger politischer Repressalien erstaunlichen Mut im Kampf gegen korrupte Politiker zeigen).

Herr Janukowitsch kann sich zwar auf die Macht seiner Polizeiwaffen stützen – und auch das vielleicht nicht auf Dauer –, aber er kann sich niemals mehr auf das Prinzip Demokratie berufen.

Noch etwas politisch ganz Unkorrektes sei hinzugefügt: Wenn die Dinge weiter eskalieren, dann wäre wohl eine Teilung des Landes viel humaner, weiser und anständiger als monate- und jahrelanges Blutvergießen. Der Westen der Ukraine (übrigens zum Teil altes k. und k.-Gebiet) will dringend nach Europa. Der Osten wird von Russen dominiert, die stark nach Moskau blicken.

Lasst sie doch dorthin gehen! Alles ist besser als eine ständige Eskalation des Blutvergießens, des Zorns und Frustes. Von der Tschechoslowakei bis Jugoslawien haben wir gelernt, dass Teilungen tatsächlich viele Probleme lösen können. Politiker, die das auf friedlichem Weg schaffen, haben jedenfalls historische Verdienste errungen.

 

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Waffen weg! Und schon wird die Welt sicherer drucken

Der Staat garantiert die Sicherheit seiner Insassen. Zu diesem Behufe beansprucht er ein Gewaltmonopol und leistet sich Waffen tragende Organisationen, die ihre segensreiche Wirkung sowohl nach außen (Militär) als auch nach innen (Polizei) entfalten. Nun sehen die Obertanen ihr Gewaltmonopol naturgemäß nicht gerne herausgefordert und setzen daher alles daran, die Wehr- und Selbstverteidigungsfähigkeit der Bürger so weit wie möglich herabzusetzen.

Waffen in Privathand? Nein danke! Folgerichtig wird das Grundrecht auf privaten Waffenbesitz – unter tatkräftiger Mitarbeit der am Subventionstropf hängenden Massenmedien – entschlossen bekämpft. Das ist auch gut so, denn im Besitz von Privatpersonen befindliche Waffen sind von Natur aus mindestens ebenso böse wie deren Besitzer selbst.

Hat man je von Waffen in den Händen der wertvollsten Mitglieder unserer Gesellschaft gehört, als da wären: Aktivisten von Caritas, Diakonie, ZARA, Greenpeace, selbstbewusste Parteigänger der Grünen oder andere sich idealistisch für die Rechte Unterprivilegierter einsetzende Bessermenschen? Natürlich nicht! Für den Waffenbesitz interessieren sich ausschließlich Bambimörder, potentielle Amokläufer, Wähler rechter Parteien, Psychopathen und Männer mit zu klein geratenen Genitalien, die einen Schießprügel zur Kompensation ihrer (angeborenen) Defizite benötigen.

Von Fachleuten wie dem „Kriminalpolizeilichen Beratungsdienst“, wird zudem ein unschlagbares Argument gegen den (legalen) privaten Waffenbesitz ins Treffen geführt: Böse Buben (und Mädchen) könnten eine Privatwaffe an sich bringen und gegen deren rechtmäßigen Besitzer einsetzen! Dabei wird unterstellt, dass der allfällige Angreifer dem Selbstverteidiger grundsätzlich überlegen ist. Eine vom bedrohten Opfer auf ihn gerichtete Waffe kann demnach einfach „entwunden“ und anschließend zu seinem eigenen Schaden verwendet werden. Was könnte man der Wucht dieser Logik wohl entgegensetzen (außer einem bisher vollständigen Mangel an Evidenz)?

Nun kam es indes in einem der exklusivsten Wohnviertel Wiens, der schönen Brigittenau, jüngst zu einem Zwischenfall, der dazu angetan sein könnte, die oben genannten Überlegungen ein wenig auszuweiten: Einem Polizisten wurde nämlich im Zuge einer Amtshandlung die Waffe „entrissen“ – und zwar von einem mutmaßlich zwecks Kulturbereicherung zugereisten Herrn vom Balkan. Der hatte wohl vergessen, vor dem Verlassen des Hauses Schlagring und Springmesser einzustecken und griff sich – möglicherweise nachdem er seiner Wehrlosigkeit gewahr geworden war – kurzerhand die Dienstwaffe (Glock 17) eines Ordnungshüters. Danach frönte er einem in manchen südlich gelegenen Gegenden üblichen Brauch und schoss mit der Pistole lustig in die Luft – Gottlob ohne damit Personenschäden anzurichten.

Der Kriminalpolizeiliche Beratungsdienst hat recht: Legale Waffen werden entwunden und missbräuchlich verwendet. Quod erat demonstrandum! Die aus diesem Fall zu ziehende Konsequenz liegt auf der Hand: Weg mit den Polizeiwaffen, die ja doch nur den Falschen zugute kommen. Gewaltfreiheit ist etwas von Natur aus Schönes, weshalb es geraten erscheint, auch initiierter Gewalt nicht mit Gewalt zu begegnen, sondern mit einem guten Gespräch. Einschlägige Sonderschulungen für staatliche Ordnungshüter sind daher dringend gefordert. Die Sicherheit heischenden Bürger werden es dem Staat danken (Ironie aus).

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Not in my Backyard oder das Wiener Florianiprinzip drucken

Die Wiener Politik wird immer stärker von einem sich verengenden Kirchturmshorizont geprägt. Diese Denkweise zeigt sich vor allem, seit immer mehr Macht an die Bezirke gegangen ist. Zwar war auch schon die Trennung zwischen Wien und Niederösterreich vor fast einem Jahrhundert ein Unsinn; diese Trennung hat ja seither viele Probleme zwischen Wien und den großen Umlandgemeinden ausgelöst. Aber noch viel schlimmere Konsequenzen hat die zunehmende Verschiebung wichtiger Entscheidungen vom Rathaus an die 23 Bezirke während der letzten Jahrzehnte.

Politiker haben eine überragende Priorität: die eigenen Wähler. Für einen Bezirkspolitiker sind das naturgemäß nur die im Bezirk wohnenden Menschen und nicht etwa die Wiener oder Niederösterreicher aus anderen Wahlsprengeln. Dies gilt auch dann, wenn diese beruflich oder als Klienten, Patienten und Kunden mit dem betreffenden Bezirk viel zu tun haben. Dies gilt auch dann, wenn Unternehmen, Ärzte, Anwälte und sonstige Dienstleister in diesem Bezirk arbeiten und Kunden dorthin anziehen. Sie alle haben aber dort kein Wahlrecht und sind für die lokalen Politiker daher irrelevant.

Diese Entwicklung führt zwischen den beiden Bundesländern und zwischen den Wiener Bezirken zu immer absonderlicheren Situationen.

Zwischen Wien und Niederösterreich leiden etwa Hunderttausende darunter, dass alle Wiener U-Bahnen an den Stadtgrenzen enden. Dabei sind Klosterneuburg, Purkersdorf, Schwechat und insbesondere der Süden bis Baden de facto schon untrennbar geschlossenes Wiener Siedlungsgebiet. Die Menschen arbeiten in einer Gemeinde, in einem Bezirk. Sie wohnen in einem anderen. Und kaufen in einem dritten ein. Für sie ist aber alles eine Einheit.

Für die Gemeinden und (in Wien) die Bezirke jedoch nicht. Dort wird immer nur nach den Bedürfnissen der eigenen Wähler geplant.

Dabei ist Wien eigentlich gleichzeitig Land, Politischer Bezirk und Gemeinde. Die Kompetenzen der Wiener Bezirke sind nur administrative Ausgliederungen einer verfassungsrechtlich einheitlichen Stadtverwaltung. Die Verfassungslage wird aber zunehmend ignoriert.

Je kleinteiliger solche Körperschaften werden, umso absurder sind die Ergebnisse dieser Fehlentwicklung. Das ist umso mehr der Fall, je stärker die Ausgaben-Verantwortlichkeit von den Einnahmen getrennt ist. Dadurch schauen politische Gremien nicht mehr auf die Folgen der eigenen Entscheidungen für die Steuereinnahmen.

Das Steuereinkommen ist in Österreich stark auf die Arbeits- und Einkaufsplätze hin orientiert. So ist Vösendorf (mit der Shopping City Süd) eine der reichsten Gemeinden Österreichs. Wohnort ist es aber nur für ganz wenige der Menschen, die dort ihr Geld lassen.

Besonders deutlich sieht man die Dummheit eines solchen Systems an Hand der Kurzparkbezirke. Hat sich die Einführung der Kurzparkzonen für die regionalen Arbeitsplätze anfangs durchaus positiv ausgewirkt, so drohen nun politische Entscheidungen zum gegenteiligen Effekt zu führen.

In den letzten Jahren hatten die sich immer mehr ausdehnenden Kurzparkzonen durchaus positive Wirkungen für Unternehmen in den betroffenen Gebieten. Viele Autofahrer konnten wieder zu Geschäften, Ärzten usw. fahren. Sie konnten dort ein, zwei Stunden ihre Einkäufe und Konsultationen erledigen und dann wieder wegfahren und den Parkplatz für den nächsten Nutzer räumen. Das hat die Stadt in der Konkurrenz mit dem Umland gut positioniert.

Viele Ziele sind halt nur mit dem Auto gut erreichbar; man braucht – wenn es nicht um die direkte Umgebung einer U-Bahn-Station geht – mit dem Auto vielfach deutlich weniger Zeit ans Ziel; man kann mit Gehbehinderten zum Arzt fahren; und nur sehr wenige Menschen haben Lust, sich nach einem Einkauf mit Säcken bepackt in öffentliche Verkehrsmittel zu zwängen. Nicht einmal Grüne tun das, obwohl sie immer behaupten, wie toll doch die „Öffis“ wären.

Die flächendeckenden Kurzparkzonen sind eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu früheren Zeiten. Jene Zeiten sind freilich manchen aus dem Gedächtnis verschwunden. Damals sind Beamte und Angestellte oft schon eine Stunde vor Arbeitsbeginn in die Stadt gefahren, um nur ja einen der Gratisparkplätze zu bekommen. Sie haben dann halt im Auto gefrühstückt und Zeitung gelesen. Alle Parkplätze waren voll, auch in zweiter Spur standen Fahrzeuge. Jene hingegen, die Geld ins Stadtzentrum gebracht hätten, wurden abgeschreckt.

Währing und Döbling sind derzeit (noch) nicht Kurzparkzone. Sie sind die weitaus zentrumnächsten Gebiete ohne Pickerlpflicht. Ihre Situation ist nur mit der Parteipolitik erklärbar. Sie sind nämlich (so wie auch das etwas außerhalb liegende Hietzing) schwarz regiert und haben daher auf ein unsensibel vorgebrachtes Diktat der rotgrünen Stadtregierung negativ reagiert.

Diese Dummheit beider Seiten hat in den genannten Bezirken nun sehr negative Folgen: Sie sind heute von stadtfremden Autos total zugeparkt. Diese bleiben oft wochenlang am gleichen Platz stehen. Dennoch reagieren die Bezirke nicht, weil sie nicht mehr aus ihrer parteipolitischen Fixierung herauskommen.

In Währing ist beispielsweise sogar ein Antrag von Gewerbetreibenden und Geschäften abgewiesen worden, wenigstens lokal eine kleine Kurzparkzone einzurichten, damit Kunden parken können. Etliche Betriebe haben daraufhin zugesperrt und den Bezirk verlassen. Egal. Sie waren ja keine Wähler.

Die flächendeckenden Kurzparkzonen in anderen Bezirken sind hingegen – vorerst – ein voller Erfolg. Statt nur eines Ganztagnutzers (ohne Beitrag zur Wertschöpfung) können so im Laufe eines Tages fünf bis zehn verschiedene Autofahrer Geld in die innerstädtische Gastronomie, zum Handel oder zu irgendwelchen Dienstleistern tragen.

Aber jetzt schlägt die Kurzsichtigkeit der Bezirkspolitiker zurück: In rapidem Tempo beschlagnahmen sie die Kurzparkplätze und reservieren sie für die Bezirksbewohner. Diese lassen dann ihr Auto oft die ganze Woche dort stehen. Hingegen werden die für die Unternehmen viel wertvolleren Kurzzeitbesucher wieder abgeschreckt.

Nun werden manche einwenden: Aber die Bezirksbewohner zahlen ja für ihr „Bezirkspickerl“. Das ist ein typisch politisches Argument. Denn das, was die Menschen fürs Pickerl zahlen, ist deutlich weniger als das, was Bezirksfremde schon binnen einer halben Stunde zahlen würden. Daher ist das Bezahlargument absolut unsinnig.

Dennoch werden die für Bezirksbewohner exklusiv reservierten Parkplätze, die vor zwei Jahren erfunden worden sind, nun rapide ausgedehnt. Auf Anordnung der grünen Stadträtin Vassilakou und vor allem auf intensiven Wunsch der betroffenen Bezirke können nun schon 20 Prozent aller Parkplätze für Bezirksbewohner reserviert werden. Und alle Pickerl-Bezirke machen mit, ob rot, ob schwarz, ob grün regiert.

Die schwarze Josefstadt war übrigens die erste mit diesem Unsinn. Gerade in diesem kleinen, aber dicht besiedelten Bezirk, in dem es zugleich besonders viele Lokale, Theater, Ordinationen und auch Geschäfte gibt, stößt man bei Kritik an diesem „Fremde Autos brauch ma net“ rasch auf die Gegenfrage: Aber wohin sonst mit dem eigenen Auto der Bewohner?

Dem ist freilich gleich zweierlei entgegenzuhalten. Erstens: Niemand hat um seine Miete (oder den Kaufpreis einer Wohnung) schon das automatische Recht miterworben, zusätzlich um weniger als 50 Cent pro Tag, also fast gratis, ständig acht Quadratmeter öffentlichen Grundes exklusiv nutzen zu können.

Zweitens zeigen sich gerade in der Josefstadt die schweren Defizite der Politik: Sie hat im ganzen Bezirk nur zwei (noch dazu eng beieinanderliegende) öffentliche Garagen errichten lassen. Das ist viel zu wenig. Dabei gäbe es viele Möglichkeiten, im achten Bezirk oder an dessen Grenzen Garagen zu bauen. Insbesondere gilt das rund um das Theater, dessen Provinz-Besucher nun oft schon über eine Stunde vorher anreisen! Etwa unter dem Piaristenplatz könnte man eine Garage errichten (wobei natürlich das prachtvolle Barock-Bild von Kirche und Kloster komplett unverändert bleiben müsste), unter dem Schmidt-Platz, oder insbesondere unter dem Schönbornpark. Bei diesem könnte übrigens im Zuge eines Garagenbaus endlich auch die seit Jahren völlig desolate Umfassungsmauer wiederhergestellt werden.

Natürlich gibt es gegen jedes Garagenprojekt Widerstände. Aber wenn jetzt die Politik den Anrainern das ganzjährige Fast-Gratis-Parken vor der Haustür garantiert, wird der Widerstand natürlich noch größer werden. Was dazu führen muss, dass Wien wieder wie einst total zugeparkt sein wird. Die Arbeitsplätze werden halt noch rascher ins Umland – oder auch ins Ausland – abwandern.

Aber den Bezirkspolitikern mit ihren Kirchturmhorizont ist es ja gleich. Dass dadurch ständig noch mehr Wertschöpfung vertrieben wird, wirkt sich ja weder auf die Bezirke noch deren Budgets aus. Und das Rathaus ignoriert diese Auswirkungen offensichtlich auch.

Glaubt es doch, mittels innerparteilichem Druck sich das Geld auf dem Weg des Finanzausgleichs vom Bund – trotz dessen explodierender Schulden – holen zu können. Weshalb sich das Rathaus alle vielleicht mancherorts unpopulären Anstrengungen erspart, Wien – für Arbeitsplätze wie Autofahrer – wieder interessanter zu machen. Und es unterstützt daher die Ausbreitung des Floriani-Prinzips. Auch wenn sich dieses am Ende immer als ein abgrundtief dummes erwiesen hat.
Heiliger Sankt Florian
Verschon unser Haus!
Zünds andre an!

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FN 562: Herr Fischer, wie wäre es mit so einer Rede? drucken

Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck hat eine Rede gehalten, die ungefähr zehnmal klüger ist als alles, was Heinz Fischer in seinem ganzen Leben bisher gesagt hat.

Gauck warnte (vor dem deutschen Eucken-Institut) vor zu viel staatlicher Regulierung. Er forderte mehr Wettbewerb. Die Menschen sollen mehr Eigeninitiative zeigen. Vorbehalten gegen die Marktwirtschaft müsse entgegengetreten werden. Immer dort, wo es zu wenig Wettbewerb gebe, gedeihe die Ungerechtigkeit. Und so weiter, und so fort. Kein Wunder, dass ein Land mit einem solchen Bundespräsidenten heute in fast allen Zukunftsrankings weit vor Österreich liegt. Dabei ist es noch 2006/07 weit hinter der Alpenrepublik gelegen.

PS: Herr Fischer, wenn Ihnen vielleicht nicht einfällt, wo Sie eine solche Rede halten sollen: Dann steht Ihnen sicher dafür das Wiener Hayek-Institut zur Verfügung. Hayek hat ja die wohl weisesten Bücher des 20. Jahrhunderts geschrieben, war überdies ein Österreicher und hat noch dazu den Nobelpreis bekommen.

 

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Demokratie nach Wiener (Ab-)Art drucken

Da bleibt einem der Mund offen: Die Wiener müssen selbst kräftig für die Propaganda zahlen, die ihnen die Meinung von Grün und Rot eintrichtern will. Das wird vor der Mariahilfer-Straßen-Abstimmung besonders deutlich. Zugleich wird bei dieser auch heftig mit der Fragestellung und dem Kreis der Wahlberechtigten manipuliert, die dabei abstimmen dürfen. Seltsam: Wenn ein Drittwelt-Staat auf öffentliche Kosten einseitige Wahlpropaganda zugunsten der Machthaber macht und unfaire Abstimmungszettel produziert, dann wird dieser Staat von den internationalen Wahlbeobachtern als undemokratisch und autoritär verfemt. Warum kommen solche Wahlbeobachter eigentlich nicht auch nach Wien?

Dann würde hier wohl manches rechtsstaatlicher ablaufen. Irgendwie fehlt ja nur noch, dass der Kreis, wo die Bürger des 6. und 7. Bezirks auf dem Stimmzettel der Meinung der Machthaber zustimmen sollen, deutlich größer und fetter gedruckt wird als jener Kreis, mit dessen Ankreuzen man Widerspruch wagt. Es genügt aber durchaus schon das an Manipulations-Strategien, was man bereits kennt, um zornig zu werden.

Wie jetzt offiziell zugegeben wird, wird der Steuerzahler – und nicht die Parteien – 850.000 Euro für die Kampagne der Gemeinde Wien zu zahlen haben, mit welcher er überzeugt werden soll, im Sinne von Rotgrün abzustimmen. Dazu kommen noch die nicht genau bezifferbaren Kosten der Propaganda in den direkt und indirekt rathauseigenen Medien, die das Mariahilfer-Straßen-Projekt mit Sicherheit ebenfalls breit bejubeln werden.

Das ist genauso, wie wenn vor Nationalratswahlen die Bundesregierung direkt dafür werben würde, die machthabenden Parteien zu wählen. Solche Aktionen würden bei Wahlüberwachungen durch die OSZE, die EU und andere internationale Beobachter zu scharfer Verurteilung führen. Österreich würde in die Nähe von Nordkorea oder Venezuela gerückt.

Es ist daher ziemlich schade, dass Bürgerbefragungen in Wien nicht von solchen internationalen Wahlbeobachtern besucht werden. Oder geht’s bei solchen Befragungen gar nicht um Demokratie?

Zusätzlich sind zu diesen Kosten ja auch noch zumindest Teile der fast 40 Millionen Euro dazuzurechnen, die Wien jährlich für Inserate und Kooperationen ausgibt, um die Haltung bestimmter Medien zu beeinflussen. Damit man sich eine Vorstellung von den Dimensionen machen kann: Allein dieser Betrag ist fast doppelt so viel, wie die drei ähnlich großen Bundesländer Niederösterreich, Oberösterreich und Steiermark für Inserate und Kooperationen ausgeben. Wohlgemerkt: zusammen.

Diese Kosten haben die Wiener Bürger jedenfalls ungefragt zusätzlich zu den schon bisher gemachten Ausgaben für die Mariahilfer-Straßen-Ideen der grünen Stadträtin Maria Vassilakou zu tragen. Die ständigen Umgestaltungen während der letzten Monate, die mehrfachen Linienänderungen des 13ers, die Aufbringung von Fahrbahnbelägen oder die Aufstellung von Verkehrszeichen: All das sind verlorene Kosten. Denn jetzt erst werden die Bürger befragt. Und dann erst kommt es zu den endgültigen Baumaßnahmen.

Auch die Fragenstruktur der Volksbefragung selber ist extrem problematisch und ein weiterer Anlass, nach internationalen Wahlbeobachtern zu rufen. Denn die Fragen sind so zusammengestellt, dass man die Antworten sehr beliebig interpretieren kann. Insbesondere droht, dass das Rathaus die Stimmen aller Umgestaltungsgegner für ungültig oder irrelevant erklärt, die nicht nur ein Kreuz gegen die Umgestaltung der Straße (pardon: „Verkehrsberuhigung“) machen, sondern auch ein solches dafür, dass Querungen für den Autoverkehr geöffnet werden sollen. Dieses gilt nämlich skurrilerweise als Unterstützung für das Vassilakou-Projekt. Diese Detailfrage nach den Querungen steht aber auf dem Stimmzettel absurderweise noch vor der prinzipiellen Frage nach der generellen Ablehnung von Umgestaltungen.

Diskussionswürdig ist auch der Kreis der Befragten: Denn es werden nur die Bewohner der beiden angrenzenden Bezirke befragt. Das ist gleich in mehrerlei Hinsicht bedenklich: Denn erstens müssen ja alle Wiener für die – mehrfachen – Umgestaltungen bezahlen. Es ist zweitens keine Straße so sehr von allen Wienern besucht worden wie die Mariahilfer. Drittens kann niemand objektiv erklären, warum ein Bewohner des 15. Bezirks, der in der Nähe des Westbahnhofs wohnt und der zwischen sich und dem Stadtzentrum immer die Mariahilfer Straße hat, nicht mitstimmen darf, jemand anderer aber schon, der auf der Lerchenfelder Straße wohnt und nie über die Mariahilfer gefahren ist.

Und viertens werden ausgerechnet jene Gruppen von der Befragung ausgeschlossen, welche eigentlich die allerwichtigste Rolle auf der Magistrale zwischen Museumsquartier und Westbahnhof spielen: Das ist der Handel, das sind die für die Attraktivität der Mariahilfer Straße sorgenden Kaufleute.

Diese Straße ist ja nicht nur Wiens weitaus wichtigstes Einkaufszentrum. Sie hat derzeit auch (noch) eine wichtige Funktion für ganz Mitteleuropa. Der Mariahilfer-Straßen-Handel sorgt in eindrucksvollem Ausmaß für die Gebühren- und Steuer-Einnahmen auch der Stadt Wien. Da ist es schon sehr erstaunlich, wie sehr die Wirtschaft da ignoriert wird, nur weil sich hier eine Radfahrerpartei verewigen will.

Wien hat jetzt schon den im Vergleich mit ganz Österreich weitaus größten Prozentsatz an Arbeitslosen. Eine Stärkung seiner Funktion als Einkaufsstadt wäre da eine dringend notwendige Gegenstrategie. Aber dieser Zusammenhang ist den heute herrschenden Rathausmännern offenbar egal. Sie schauen ruhig zu, wenn rund um Wien ein Einkaufszentrum und ein Outletcenter nach dem anderen entsteht, die Kaufkraft aus Wien abziehen, und ignorieren die Kaufleute auf der Mariahilfer Straße.

 

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Wie links sind die Neos und wo steht die Opposition? drucken

Im allgemeinen Schock über Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung ist in den letzten Wochen die Opposition ganz in den Schatten der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Dabei wenden sich derzeit eigentlich viele Blicke der Bürger insgeheim hoffnungsuchend auf die Nichtregierungsparteien. Dabei sitzen erstmals vier solche im Parlament. Dabei sind dort erstmals in der Geschichte gleich zwei neue Parteien eingerückt. Besondere Euphorie löst aber der Blick auf die vier Oppositionsparteien vorerst nicht aus.

FPÖ und Grüne setzen ihr bisheriges Verhalten nahtlos fort. Das heißt: Während die Freiheitlichen fast ganz außerhalb des Scheinwerferlichts agieren, nur in Wahlkämpfen starke Präsenz zeigen, aber dennoch bei Umfragen zulegen, finden die Parolen der Grünen zwar ständig Wiederhall in den Medien, wo sie ja überproportional viele Sympathisanten haben. Besonderes Interesse lösen sie damit aber nicht aus.

Auf relativ mehr Aufmerksamkeit stoßen naturgemäß die beiden neuen Parteien im Parlament. Aber es ist für die meisten Österreicher auch lange nach dem Abzug der Wahlkampfnebel noch immer erstaunlich schwierig herauszufinden, wofür die eigentlich stehen. Oberflächlich entsteht der Eindruck, dass es ihnen zu genügen scheint, ständig die Regierung zu kritisieren.

Beim Team Stronach hat lange überhaupt ein einziger Aspekt dominiert: Noch nie ist eine Partei – vom Parteinamen angefangen – so absolutistisch auf einen einzigen Mann an der Spitze orientiert gewesen, ohne dass man dahinter irgendeine echte Substanz oder eine andere Persönlichkeit entdecken konnte. Jeder Halbsatz von Stronach war ehernes Gesetz. Und ausgerechnet dieser Mann hat sich nun nach der Wahl desinteressiert von Politik und Partei abgewendet. Ein enttäuschendes Wahlresultat und die Perspektive von fünf Jahren frustrierender Oppositionsrolle haben Frank Stronach jede Lust auf Politik geraubt. Da sind ihm junge Frauen und schnelle Pferde offensichtlich viel wichtiger.

Was bleibt von diesem Team, wenn Stronach wie angekündigt bald ganz weg ist? Wenn er also nicht mehr wöchentlich irgendwelche Mandatare wegen eigentlich unklar bleibender Delikte ausschließt (was ja meist die einzige Meldung aus seinem Team war)? Dann bricht wohl zwangsläufig ein Vakuum aus. Dann wird sich noch stärker zeigen, dass den Einladungen des Austrokanadiers fast nur positionslose Adoranten und dubiose Glücksritter gefolgt sind. Für die war Stronachs Geld oberste Ideologie. Die wenigen Außenseiter mit ein wenig mehr Substanz werden wohl auch künftig Außenseiter bleiben.

Ringsum scheinen ein konsistentes inhaltliches Profil oder Führungseigenschaften völlig zu fehlen. Dementsprechend sind die Umfragewerte für die Stronachianer tief in den Keller gestürzt. Letzte Hoffnung für sie ist jetzt schon skurrilerweise Stronachs Abgang: Vielleicht zeigt sich wenigstens dann mehr Substanz in seiner Verlassenschaft, als man bisher sehen konnte.

Vielleicht bilden sich aber auch aus den wenigen relevanten Parteigängern Stronachs zusammen mit zornigen Dissidenten der Regierungsparteien neue Gruppierungen. Die könnten immerhin bei der nächsten Wahl den Vorteil nutzen, dass sie aus dem Parlament heraus antreten. Das hilft. So kann ja etwa auch ein Ewald Stadler auf EU-Ebene seinen bestehenden Abgeordneten-Status nun in der dritten politischen Partei seiner Karriere nutzen. Jeder von außen neu antretende Kandidat hat es da hingegen viel schwerer.

Ganz anders als die Stronachs haben die Neos seit dem Wahltag an Sympathien gewonnen. Das heißt freilich nicht, dass die Sympathisanten inzwischen schon eine klare Neos-Idee sehen würden. Ganz im Gegenteil. Der Wortschwall von Parteiführer Matthias Strolz klingt zwar auf Grund seiner Vorarlberger Färbung sympathisch, aber inhaltlich vernebelt er oft mehr, als er sagt.

Daher können viele in die Neos jeweils ihre unterschiedlichen subjektiven Erwartungen hineinprojizieren. Auch wenn das Nebulose an Strolz taktische Absicht sein sollte, spüren die Menschen doch, dass die Neos so wie die Stronachs eigentlich eine sehr diffuse Partei geblieben sind.

Dennoch kann man mit tiefergehender Analyse aller bisher gemachten Sachaussagen beide Gruppierungen doch ein wenig deutlicher zuordnen. Die Stronachs stehen in den Grundpositionen ihres Parteigründers dem klassischen Liberalismus sehr nahe. Nur zeigt sich dort bisher nach der Epoche der knappen Überschriften des Parteigründers eben niemand, der diesen Liberalismus fundiert mit Inhalten füllen könnte.

Und was sind die Neos? Auch ihr Erscheinungsbild wird von den eigenwilligen und des Öfteren erstaunlichen Auftritten des Parteigründers dominiert. Inhaltlich entpuppen sie sich aber zunehmend als eine generationsspezifische Weiterentwicklung der Grünen minus deren Antikapitalismus und Wurzeln im Neomarxismus.

Beim Pensionsthema sind die Neos sicher am erfreulichsten und auch konkretesten unterwegs. Sie wenden sich da klar gegen ein Pensionssystem, das die jüngere Generation einseitig belastet. Diese Position hatte zwar zeitweise auch die ÖVP. Aber die Schwarzen haben sie dann in Wahlkämpfen, unter dem Kompromisszwang von Koalitionen mit SPÖ (und früher Blau/Orange), auf Verlangen der populistischen Landesfürsten und auf Wunsch des ÖAAB regelmäßig wieder aufgegeben. Das lässt bei diesem zweifellos dominanten wirtschaftspolitischen Thema den Neos viel Profilierungsmöglichkeit.

Ansonsten bieten sie in Sachen Wirtschaftsliberalismus noch etliche weitere gute Ansätze (zum Beispiel: Einsatz für Privatisierungen, Kritik am Kammerzwang, weniger Staat, weniger Steuern). Man findet aber dabei (noch?) nirgendwo wirklich in die Tiefe gehende und ausgefeilte Substanz, mit der die Neos relevant würden. Bis auf die Kritik am Kammerzwang hat man diese Positionen auch alle schon in ÖVP-Programmen gelesen. Umgesetzt wurden sie freilich von der Volkspartei nur – teilweise – unter Schwarz-Blau.

Tatsache ist auch, dass Parteichef Strolz nicht gerade ein Experte in Sachen Wirtschaftspolitik ist. Und ein – vorsichtig ausgedrückt: umstrittener – Baulöwe mit Sympathien für 80prozentige Steuersätze war dann vielleicht auch nicht die allerbeste Wahl, um dieses Manko zu übertünchen.

Einen auffälligen Kontrast zu diesem Wirtschaftsliberalismus bildet die Tatsache, dass die Neos außerhalb der Wirtschaftspolitik in fast allen gesellschaftspolitischen Fragen weit links stehen. Bisweilen finden sie sich sogar links von den Grünen.

Beim Thema Christentum etwa überholen Neos-Politiker diese an Aggressivität. Gleich zwei Neos-Abgeordnete (Alm und Scherak) sind politische Speerspitzen der Kirchenbekämpfung geworden, während sich die Grünen bei diesem Thema in letzter Zeit ja ein wenig einzubremsen versuchen.

Die zweifellos gerade für eine liberale Gruppierung, als die sich manche Neos sehen, jedenfalls viel notwendigere kritische Auseinandersetzung mit der rigiden Realität des Islam auf der einen Seite und mit der Meinungsdiktatur der Political correctness auf der anderen Seite fehlt hingegen völlig. Im Gegenteil, die Neos sind durchaus für staatliches Einschreiten gegen „Homophobie“ und „Rassismus“. Das sind aber genau jene undefinierten Schlagworte, mit deren Verwendung gegen unliebsame Menschen die Linke europaweit massiv die Meinungsfreiheit einzuschränken versucht.

Eine gesellschaftspolitisch linke Position der Neos zeigt sich auch beim Thema Schule: Dort vermeiden sie zwar artistisch das unpopuläre Wort „Gesamtschule“; sie bekennen sich aber ständig emphatisch zum Wort „gemeinsame Schule“. Das ist skurril. Denn beide Worte bedeuten in der Bildungsdiskussion haargenau dasselbe.

Damit ist die Bildungspolitik der Neos natürlich nicht liberal, sondern eine verkappte Unterstützung für die sozialdemokratischen Zwangsgesamtschul-Ideen aus den Zwanziger Jahren. Dabei würde ja das Verlangen der Neos nach mehr Schulautonomie an sich erfreulich positiv klingen. Aber wenn sie gleichzeitig die Schulen zwingen wollen, „gemeinsame Schulen“ zu sein, ist die Autonomie nur eine Propagandafacette, die sich dann in marginalen Fragen erschöpfen muss, etwa ob der Schulbeginn um 8,00 oder 8,30 Uhr ist.

Dass die Neos in Sachen Bildung nur die grünen Parolen nachplappern, zeigte sich auch bei der Strolz-Formulierung: „Bildung wird in Österreich vererbt. Das ist eine Schande.“ Diese Äußerung ist aber in Wahrheit nur eine Schande für Strolz.

Der Mann ist auch in pädagogischen Fragen alles andere als firm. Er kennt offensichtlich nicht die Erkenntnisse der Genforschung der letzten zehn Jahre, die klar zeigen, dass Intelligenz in hohem Ausmaß tatsächlich vererbt wird. Er begreift offensichtlich auch nicht, dass eine bildungsorientierte Erziehung vor allem in den ersten Lebensjahren (also: viel Reden mit den Kindern, viel Vorlesen, Bücher und Zeitungen im Haushalt, Vorbild gebende Interessen usw.) zusätzlich zur Genetik dramatisch bessere Startvoraussetzungen schafft. Eine solche Erziehung ist aber eben in Bildungs-Familien viel öfter der Fall als in allen anderen. Genetik wie elterliche Erziehung sind daher keine „Schande“, sondern entscheidende Grundlagen jedes Bildungserfolgs. Ob das Strolz irgendwann noch begreift? Ich zweifle, hört er doch viel lieber sich selber reden als nachzudenken oder zuzuhören.

Es ist ja gerade diese Phrase von der bösen Vererbung der Bildung, mit der die Linke ihren Gleichschaltungszwang von der Gesamtschule bis zur Verstaatlichung der Kinder (Ganztagspflicht oder Hort schon in frühester Kindheit) begründen will.

Ebenfalls ganz massiv links – und auch hier wieder die Grünen inzwischen fast überholend – hat sich Strolz beim Thema Zuwanderung positioniert. Da findet man geradezu unglaubliche Äußerungen des Parteigründers, die er zu einer Plattform „gegen Unmenschlichkeit“ gemacht hat. Er will „Asylwerber als Zuwanderer sehen, die in der Regel keine Rückkehr“ in ihre Heimat anstreben.

Das ist zwar richtig. Genau das aber ist für die große Mehrheit der Österreicher und Europäer der entscheidende Grund, warum sie für eine möglichst restriktive Asylgewährung sind. Strolz will hingegen das Gegenteil. In seinen Worten: „Auch wenn letztinstanzlich entschieden wurde, dass keine Verfolgungsgründe festgestellt werden konnten, ist vor allem nach einem mehrere Jahre dauernden und schon daher offensichtlich nicht eindeutigen Verfahren davon auszugehen, dass eine Integration in Österreich bereits stattgefunden hat („Integrationsvermutung“) und daher das humanitäre Bleiberecht nicht die Ausnahme ist, sondern der Regelfall, vor allem wenn u.a. Eheschließungen, Partnerschaften, Kinder, Arbeitsplatz, Deutschkenntnisse nachgewiesen werden.“

Dieser Wortdschungel zeigt: Strolz ist entweder grenzenlos naiv oder im Kern radikal links. Nach diesen Vorstellungen müsste jeder Zuwanderer nur das Wort „Asyl“ aussprechen können und dann sein Verfahren mehrere Jahre hinziehen oder eine Partnerin finden, schon ist das Bleiberecht in Österreich der „Regelfall“. Strolz kommt zu der apodiktischen und besorgniserregenden Erkenntnis: „Wir gehen davon aus, dass die Verfolgung tatsächlich besteht und der Flüchtling dauerhaft in Österreich bleiben wird.“

Zumindest mutig ist, dass sich Strolz heute noch immer mit dem EU-Fanatismus der 90er Jahre präsentiert. Er ignoriert damit aber die vielen ernüchternden Erfahrungen mit EU-Überregulierungsdrang und Euro-Manipulationen sowie die wachsende EU-Skepsis der Bevölkerung. Oder ist das so wie die „gemeinsame Schule“ in Wahrheit auch nur ein Retro-Aspekt im Denken des Mannes aus den Vorarlberger Bergen, der sich mit Sachfragen nicht wirklich befasst?

Fast selbstverständlich verlangt Strolz – um noch weitere Lackmus-Themen anzuschneiden – die Homo-Ehe. Ohne jede Einschränkung. Ebenso hat er die rotgrüne Politik gegenüber den Freiheitlichen übernommen: Laut Strolz ist mit allen Parteien eine Regierung möglich, nur nicht mit der FPÖ. Er schließt eine „stehende Koalition“ mit der FPÖ aus. Wobei ich allerdings ehrlich gesagt nicht weiß, was eine liegende, sitzende oder laufende Koalition wäre, die er offenbar nicht so deutlich ausschließt wie eine stehende.

Aber beim Wortgeklingel des Managementtrainers und Politologie-Absolventen Strolz ist ja vieles diffus und nebulos. Was etwa meint der Mann mit seiner ständigen Wendung von einer „evidenzorientierten Politik“ genau? Ist das dasselbe wie die „faktenbasierte“ Politik der Claudia Schmied?

Seltsam und zumindest für mich völlig rätselhaft – aber vielleicht für politikferne Menschen attraktiv? – ist auch die Selbstdarstellung des Matthias Strolz. Dazu zählen etwa die Tannenzapfen, die er zu Fernsehinterviews mitbringt, oder die Story seiner Parteigründung. Er verbreitet, dass er in den Wald gegangen wäre, dass er dort tagelang gefastet und dann beschlossen habe, Politiker zu werden. Will sich da jemand mit Jesus Christus gleichsetzen? Oder kommt Strolz direkt aus dem Schamanismus?

Von der ÖVP, bei der Strolz einst angestellt war, hat er sich jedenfalls weit entfernt. Und es ist kein Zufall, dass ausgerechnet Erhard Busek der einzige bekannte Ex-ÖVPler ist, der in seinem Dunstkreis zu finden ist. Auch dieser ist ja viele Kilometer gegangen, bis er am anderen Ende des politischen Spektrums angekommen ist . . .

 

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FN 543: Amerikanische Abgeordnete und österreichische Redefreiheit drucken

Vier amerikanische Kongressabgeordnete waren soeben auf offiziellem Besuch in Wien. Sie gehören zur republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus und teilweise auch zur aufstrebenden "Tea Party". Umso spannender ist, was dabei über Österreich und seine Justiz gesagt worden ist. Denn es zeigt, wie der heimische Rechtsstaat zunehmend von außen gesehen wird.

Es ging um die strafrechtliche Verurteilung der österreichischen Islamexpertin und früheren Diplomatin Elisabeth Sabaditsch-Wolff, weil sie in einem Seminar den Geschlechtsverkehr des islamischen Propheten Mohammed mit einer Neunjährigen als Kinderschändung bezeichnet hatte. Michele Bachmann, eine der US-Abgeordneten, kommentierte das nun so: „Wir wollen nicht, dass es in den USA solche Urteile gibt. Jeder amerikanische Bürger hat das Recht, sich auszudrücken. Und jeder sollte auch die Sicherheit haben, reden zu können.“ In Österreich eben nicht mehr. Da kehren die Gerichte wieder zu Metternich zurück. Es könnte zwar sein, dass in den USA noch mehr abgehört wird als bei uns. Aber solange dort nur Taten, nicht wie bei uns Meinungen bestraft werden, ist das jedenfalls nur halb so schlimm.

 

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Evangelii Gaudium: Harsche Kapitalismuskritik aus dem Vatikan drucken

Das kürzlich herausgegebene Apostolische Schreiben ist nicht das erste Papier, mit dem der Heilige Stuhl zu Wirtschaftsfragen Stellung bezieht. Das war schon in mehren „Sozialenzykliken“, wie Rerum Novarum (1891), Quadragesimo anno (1931) oder Populorum progressio (1967) der Fall. Keiner seiner Vorgänger allerdings hat das System der freien Marktwirtschaft in derart expliziter Weise attackiert, wie das der amtierende Papst Franziskus eben getan hat.

Einige Passagen seines Papiers erinnern an Pamphlete aus der Feder von Jean Ziegler oder Sahra Wagenknecht. Der in Brasilien wirkende Bischof Erwin Kräutler nannte das Schreiben in einem Radiointerview – nicht ohne Grund – ein „Dokument der Befreiungstheologie“, das, wie er anmerkt, allerdings nur aus lateinamerikanischer Sicht zu verstehen sei.

Fragen von Mission und Neuausrichtung des Papsttums bleiben an dieser Stelle unberücksichtigt. Hier wird nur auf die wirtschaftsrelevanten Teile des Textes Bezug genommen.

Die sich durch das gesamte Schreiben ziehende Beschwörung, ja Verherrlichung der Armut fällt als erstes ins Auge. Die Kritik an einer angeblich zunehmenden „sozialen Ungleichheit“ als nächstes. Gerechtigkeit manifestiert sich für den Bischof von Rom in materieller Gleichheit. Folgerichtig kommt er zu dem Urteil: „Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung und der Disparität der Einkommen“. Und um jedem Missverständnis vorzubeugen: „Diese Wirtschaft tötet.“ Das sitzt. Die Sozialisten in allen Parteien haben hiermit einen neuen Verbündeten.

Dass es genau das kritisierte System des freien Marktes war und ist, das in den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen aus bitterster Armut zu bescheidenem Wohlstand geführt hat, wie das beispielsweise in vielen Ländern im Osten Asiens der Fall war, will der Papst nicht zur Kenntnis nehmen. Und dass viele Menschen nach wie vor ausgerechnet in jenen Teilen der Welt hungern und unter den furchtbarsten Bedingungen vegetieren, wo keine Rechtssicherheit herrscht, wo weder gesichertes Privateigentum noch freie Märkte existieren, lässt er unberücksichtigt.

Franziskus’ Verständnis von der Funktionsweise einer Marktwirtschaft liest sich so: „Heute spielt sich alles nach den Kriterien der Konkurrenzfähigkeit und nach dem Gesetz des Stärkeren ab, wo der Mächtigere den Schwächeren zunichte macht.“ Was er hier beschreibt, ist primitives Faustrecht, das in jenen finsteren Winkeln der Welt herrscht, die in den Berichten über Hunger und Elend am häufigsten genannt werden. Dort hat tatsächlich immer derjenige Recht, dem der dickste Prügel gehört, oder der über den Ausnahmezustand gebietet.

Marktwirtschaft hat indes mit Faustrecht gar nichts gemein. Die Marktgesellschaft zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass sie gewalttätige, mit Mord und Totschlag verbundene Konflikte durch friedliche Arbeitsteilung, Kooperation und Freihandel überwindet und in Vorteile für alle daran Beteiligten verwandelt.

Pure Blindheit für das Offensichtliche tritt zutage, wenn der Papst meint, es sei eine „…Ansicht, die nie von den Fakten bestätigt wurde…“, dass freie Märkte zur Verbesserung der Lebensumstände der Menschen führen. Er sollte seinen Blick zum Beispiel auf China richten – ein Land, in dem unter planwirtschaftlichen Konditionen Dutzende Millionen Menschen verhungerten. Dort haben heute nicht nur einige wenige von der wirtschaftlichen Liberalisierung profitiert, sondern es ist auch eine breite, stetig wachsende Mittelschicht entstanden, die in materiellem Wohlstand lebt.

Dass die „Diktatur einer Wirtschaft ohne Gesicht und ohne ein wirklich menschliches Ziel“ ausgerechnet von einem Mann gegeißelt wird, der selbst erlebt hat, wie rechte und linke Diktaturen ein einstmals blühendes Land ruinierten, entbehrt nicht der Ironie. In einem freien Markt kann – anders als in einer planwirtschaftlichen Diktatur – kein Produzent dem Publikum seine Waren oder Dienstleistungen aufzwingen. Um also zu verstehen, wie etwa die Vorstände von Daimler-Benz oder Novartis eine „Diktatur“ errichten können sollten, muss man schon über eine munter blühende Phantasie verfügen.

Danach greift der Heilige Vater einen weiteren Irrtum notorischer Antikapitalisten auf, wenn er meint: „Während die Einkommen einiger weniger exponentiell steigen, sind die der Mehrheit immer weiter entfernt vom Wohlstand dieser glücklichen Minderheit.“ Unsinn wird – siehe das Beispiel Chinas – durch beharrliche Wiederholungen nicht wahrer. Aber selbst wenn die Reichen tatsächlich rascher an Einkommen gewinnen sollten als die weniger Reichen, wäre das völlig belanglos, so lange sich die Lage der Armen absolut verbessert – was in den „kapitalistischen“ Schwellenländern der Fall ist. Zweifellos ist ein Wirtschaftssystem, von dem einige wenige stärker profitieren mögen als andere, in dem sich immerhin aber auch die Lebensumstände der Unterprivilegierten verbessern, einem solchen vorzuziehen, das kollektive Gleichheit in Mangel, Armut und Elend garantiert.

Phrasen wie von der Gewerkschaftsjugend

Franziskus ist mit seinem antikapitalistischen Latein aber noch lange nicht am Ende, denn er setzt fort: „Dieses Ungleichgewicht geht auf Ideologien zurück, die die absolute Autonomie der Märkte und die Finanzspekulation verteidigen.“ Dieser Satz könnte einer Aussendung der Gewerkschaftsjugend aus dem tiefroten Simmering entstammen und ist völlig abwegig. Freiheit folgt keiner Ideologie, sondern ist ein unter Abwesenheit willkürlichen Zwanges herrschender Normalzustand.

Wenn freie Menschen aus freien Stücken und nach ihrem Gutdünken Güter und Dienstleistungen kaufen und verkaufen, so folgen sie damit keinem Dogma, sondern schlicht und ergreifend ihren Präferenzen. In Wahrheit ist also vielmehr derjenige, der die hart attackierte „Autonomie der Märkte“ beenden möchte, ein totalitärer Träumer, der die Menschen unter das Joch seiner (linken) Ideologie zwingen will.

Finanzspekulationen möchte der Papst origineller Weise durch das segensreiche Wirken des Staates unterbunden sehen – ausgerechnet jenes Staates, der dank seines Geldmonopols und seiner eigentumsfeindlichen Zinspolitik an der Wiege jeder Finanzspekulation steht. Die Vorstellung von einem die Spekulation unterbindenden Staat ist wohl seiner absoluten Ahnungslosigkeit hinsichtlich Funktionsweise und Wirkung jedes Fiat-Money-Systems geschuldet.

Dass Papst Franziskus – wie jeder Befürworter der „sozialen Umverteilung“ – „eine egoistische Steuerhinterziehung“ scharf kritisiert, passt ins Bild. Nicht des Staates „Gier nach Macht und Besitz kennt keine Grenzen“, indem dieser die Menschen um immer größere Anteile ihres sauer erarbeiteten Geldes bringt. Kritisiert wird vielmehr derjenige, der einer willkürlichen Enteignung zu entgehen versucht!

Dass der ständig wachsende und Macht akkumulierende Staat, selbst dann, wenn er den Werktätigen ohnehin bereits den Löwenanteil ihrer Einkommen abpresst, immer noch nicht ohne Schulden zu machen durchkommt, findet der Papst dagegen keiner Erwähnung wert. Wo sind die Zeiten, als eine starke, selbstbewusste Kirche sich als weit und breit einzige Opposition zum allmächtigen Staat begriffen hat?!

Mit einem Zitat Johannes Chrysostomus’ wird entschlossen die Axt an die Wurzeln unseres westlichen Rechtssystems gelegt: „Die eigenen Güter nicht mit den Armen zu teilen bedeutet, diese zu bestehlen und ihnen das Leben zu entziehen. Die Güter, die wir besitzen, gehören nicht uns, sondern ihnen.“ Der französische Anarchist Proudhon hatte demnach also doch recht: Eigentum ist Diebstahl. Neu ist allerdings, dass ein Papst diese Meinung teilt! Wie – ohne gesichertes Privateigentum – ein zivilisiertes, vor allem aber gewaltfreies Zusammenleben möglich sein sollte, bleibt vorerst ein gut gehütetes vatikanisches Geheimnis.

Selbst vor der abgeschmackten Phrase „Das Geld muss dienen und nicht regieren!“ schreckt Franziskus nicht zurück. Überflüssig, diese peinliche Banalität zu kommentieren. Er findet „…das gesellschaftliche und wirtschaftliche System an der Wurzel ungerecht…“ Natürlich! Gerechtigkeit ist eben nun einmal eine Kategorie des Himmels, nicht aber des irdischen Jammertals. Wer sollte das besser wissen als ein Mann Gottes?

Viel gerechter wäre es nach seiner Meinung vermutlich aber dennoch, ein System in der Art von „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“ zu etablieren! Das war ja schon einmal da. Und es hätte im Grunde auch wirklich großartig funktioniert, wenn es nicht unglücklicherweise an der Realität gescheitert wäre…

Was der Heilige Vater uns mit dem kryptischen Satz „…erzeugt die soziale Ungleichheit früher oder später eine Gewalt, die der Rüstungswettlauf nicht löst…“ mitteilen will, ist ein wenig rätselhaft. Was hat die soziale Ungleichheit mit einem Rüstungswettlauf zu tun? Und welcher ist gemeint? Der zwischen der untergegangenen Sowjetunion und den USA (den das liberale Gesellschaftsmodell für sich entscheiden konnte) oder der heraufziehende zwischen den USA und China?

Wie dem auch sei: Papst Franziskus ist es ernst mit seinem Engagement für die Mühseligen und Beladenen dieser Welt. Im Kampf gegen die Armut sieht er eine der Hauptaufgaben der Katholischen Kirche. Dagegen gibt es nichts einzuwenden! Allerdings sucht man in der Heiligen Schrift vergeblich nach einem Aufruf zum (wirtschafts-)politischen Aktionismus. Jesus betont nicht ohne Grund: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (Johannes 18/36).

Weshalb der Nachfolger Christi also meint, seinem edlen Zweck ausgerechnet mit einem Schulterschluss mit den Sozialisten dienen zu können, bleibt unbegreiflich. Die Armut zu besiegen, indem man gegen den wirkungsvollsten Wohlstandsgenerator kämpft, den die Menschheit bisher jemals zur Verfügung hatte, nämlich die (ohnehin nirgendwo mehr wirklich) freie Marktwirtschaft, kann niemals gelingen!

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Was zerfällt schneller: Die Alt- oder die Neuparteien? drucken

Man kommt gar nicht mehr mit beim Notieren, wie schnell die Halbwertszeiten und die Lebenserwartung politischer Parteien absinken. Sie erweisen sich heute allesamt als schwer überfordert. Wobei sich Alt- und Neuparteien in einem absurden Wettlauf befinden.

Als Konsequenz dieses suizidalen Verhaltens gibt es letztlich nur eine einzige Alternative: Es wird entweder wieder eine autoritäre (oder gar totalitäre) Seilschaft die Macht an sich reißen; was freilich noch viel schlimmer enden würde als die Agonie der repräsentativen Demokratie. Oder aber diese ist endlich bereit, die Macht direkt an die Bürger zu übertragen, wie es die Verfassung schon immer fingiert hatte. Der Wechsel von einer repräsentativen Demokratie (die immer weniger Menschen repräsentiert) in eine direkte ist also die einzige sinnvolle Rettung aus der Demokratiekrise.

Jedenfalls haben sich praktisch alle Neugründungen von Parteien binnen kürzester Zeit als Fehlschlag erwiesen. Neugründungen sind nicht mehr imstande, kohärent die Vielfalt von Meinungen und persönlichen Vorstellungen auch nur der unmittelbaren Akteure zusammenzubringen. Dazu kommt ein erschreckendes Ausmaß an Unfähigkeit und Karrieregeilheit, von Streitsucht und Intriganz bei allen Möchtegernpolitikern zum Vorschein.

Das beweist ein Rundblick durch alle Parteien:

  • Beim Team Stronach werden im Wochenabstand Mandatare und Funktionäre hinausgeworfen oder treten selbst aus. Inhaltlich hat dieses Team noch überhaupt keinen Akzent gesetzt außer Hagiographie für einen greisen Industriellen (obwohl man nur dessen Geldbeutel meint).
  • Die vor zwei Jahren medial total gehypten Piraten bestehen nur noch aus den eigenen Leichen.
  • Die Neos unterscheiden sich bloß noch dadurch von den Grünen, dass sie etwas jünger sind. Die wenigen wirklich Liberalen sind dort von den politisch Korrekten und Linken total marginalisiert worden.
  • Die in Tirol eine Wahl lang erfolgreiche Liste „Vorwärts Tirol“ hat es in unheilbar zerstrittene Bestandteile zerrissen.
  • Die dieser Liste nahestehende Innsbrucker Bürgermeisterin rettet sich mit ihrer Liste – vorerst nur inhaltlich – unter Geiselnahme ihrer ganz anders denkenden konservativen Wähler in den Schoß der Grünen.
  • Die Liste des knorrigen Streithansels Dinkhauser ist rasch wieder zerfallen und die einzelnen Bestandteile sind in die Bedeutungslosigkeit abgesunken.
  • Das gleiche gilt für den einstigen Dichand-Liebling Hans-Peter Martin. Er ist ohne das Massenblatt nur eine Kuriosität.
  • Die Mutbürger haben es über das Stadium des Dauerschimpfens überhaupt nicht hinaus geschafft.
  • Ähnliches könnte über Hunderte andere Kleinstparteien gesagt werden.
  • Zugleich ist das Schauspiel, das SPÖ und ÖVP liefern, nur noch jämmerlich.
  • Und auch die FPÖ hatte in den 90er Jahren schon viel bessere Zeiten erlebt als jetzt, da sie ungefähr die gleiche ideologische Position einnimmt wie etwa in Deutschland Teile der „Linken“ (sehr wertkonservativ, aber sozialpolitisch ganz weit links).

Bisweilen sagen Gesprächspartner und Poster zu mir: „Na, dann mach’s doch selber besser.“ Das ist ein völliges Missverständnis. Auch ich könnte es nicht besser. Aber ich weiß: Die Österreicher selbst könnten es in der Summe besser als Parteipolitiker mit ihren vielen offenbar unvermeidlichen Lügen. Denn die Bürger haben in der Regel einen langen Horizont (=ihr restliches Leben oder auch das ihrer Kinder) und nicht nur den parteipolitischen bis zum nächsten Wahltag.

Das würde zu besseren Ergebnissen führen, ließe man sie nur die grundlegenden Weichenstellungen direktdemokratisch selbst vornehmen. Ich selbst bin bloß einer von 6,4 Millionen Wahlberechtigten, die dabei ihre Meinung sagen können – und die dann die Konsequenzen der Mehrheits-Entscheidung zu tragen haben.

 

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Die Luxuspensionen und der Rechtsstaat drucken

Es gibt Themen, wo das Gefühl das Gegenteil dessen sagt, was die Vernunft meint. Die extrem hohen Pensionen sind ein solches.

Fast ganz Österreich ist einer Meinung: Diese sind eine absolute Frechheit. Das ist richtig – außer diese Pensionen sind eine marktgerechte Leistungsabgeltung, die halt erst viel später ausbezahlt wird. Denn manche Spitzenmanager haben sich einst bewusst zu geringeren Entgelten verdingt, als sie anderswo erzielen hätten können, damit sie sich fürs Alter eine komfortable Pension sichern. Aufsichtsräte und Personalchefs haben das auch in der Regel gern gemacht, klingen doch niedrigere Gehälter besser, wenn die Belegschaft sie erfährt. Zugleich wurde der Cash Flow meist entlastet – die bei ordentlicher Buchhaltung erfolgenden Rückstellungen standen in der Bilanz oft anderswo.

Fast nie wurde freilich die Verlängerung der Lebenserwartung einkalkuliert. Es ist aber erfreuliche Tatsache, dass wir alle 24 Stunden um fünf bis sechs Stunden länger leben. Was natürlich auch den Wert solcher Luxuspensionen drastisch erhöht.

Aber wirklich provozierend sind die Megapensionen im öffentlichen Bereich. Angefangen von der besonders frechen Nationalbank, über die Zwangsbeiträge kassierende Arbeiterkammer bis zu den Funktionären der Sozialversicherung (die selbst ständig die Minipensionen für den Rest der Nation ausrechnen!). Von den dortigen Bediensteten hätte wohl kein einziger solche Vergünstigungen auch auf dem Markt erzielt. Sie haben nur eines mit Sicherheit geleistet: sich durch die Partei ihre Position errungen.

Daher ist es bei ihnen mehr als legitim zu sagen: Herunter mit solchen Pensionen, besser spät als nie.

Aber wie macht man das legal? Denn sie sind ja meist in einem privatrechtlichen Vertrag vereinbart. Daher kann die Politik diese Pensionskürzungen nur über ein Verfassungsgesetz realisieren. Denn sowohl wohlerworbene Rechte wie auch erst recht Einzelverträge können nicht durch ein normales Gesetz ausgehebelt werden.

Das bedeutet aber zweierlei:

Erstens einen Bruch aller Politikerschwüre, dass man nie wieder, auch wenn‘s populär ist, verfassungsrechtliche Sonderregeln beschließen werde.

Und zweitens würde damit ein Verfassungsgesetz in private Einkommensverhältnisse eingreifen. Das wäre ein gewaltiger Präzedenzfall. Das erfüllt mit großer Sorge: Wo hört das auf? Denn ist einmal ein Anfang gemacht, wird der Staat in seiner Geldgier und Schuldenlast immer weiter diese Methode anwenden. Und am Schluss können dann alle verfassungsrechtlich für „reich“ erklärt und ihrer Einkünfte und ihres „Vermögen“ beraubt werden. Egal wie seriös sie erwirtschaftet worden sind.

Ich kann mich daher bei allem Zorn auf die öffentlich-rechtlichen Privilegienritter nicht wirklich über einen solchen Enteignungsbeschluss freuen. Denn damit bricht ein letzter Damm gegen die Gier der Politik.

PS: Ich habe übrigens keinen Pensionsvertrag.

 Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Den Schweizern ist das Geld wichtiger als Ressentiments drucken

Die Schweizer haben bei drei Referenden gesellschaftspolitisch spannende Entscheidungen getroffen. Sie haben mit ihrem Votum – sowie mit der davorliegenden langen Diskussionsphase, die durchaus die Meinungen noch stark geändert hat, – neuerlich gezeigt: Die direkte Demokratie ist dem Populismus und dem Kurzfristdenken repräsentativer Modelle überlegen. Besonders eindeutig und klar war ihre Entscheidung gegen die Beschränkung von Spitzengehältern. Ihre Ablehnung solcher Beschränkungen stellt indirekt auch eine donnernde Ohrfeige für eine neue dumme Äußerung von Werner Faymann und den in Österreich grassierenden Populismus von Politik und Medien dar.

Die Eidgenossen haben mit einer rund zwei Drittel ausmachenden Mehrheit das rotgrüne Verlangen abgelehnt, die Gehälter von Spitzeneinkommen mit maximal dem Zwölffachen des niedrigsten Lohnes zu limitieren. Sie haben sich damit als weit klüger erwiesen als all die Schwätzer unter Linkspolitikern, Caritas-Funktionären, ORF- und Boulevardjournalisten, die sich gerne und regelmäßig darüber zu erregen verstehen, dass manche Vorstandsmitglieder weit mehr als dieses Zwölffache verdienen. Was eine große Ungerechtigkeit wäre.

Warum lehnen die Schweizer diesen oberflächlich gerecht klingenden Vorschlag ab? Die Bezieher von Supergagen machen samt Angehörigen ja nicht einmal ein Prozent der Bevölkerung aus und sind auch noch dazu oft Nichtschweizer. Daher waren sie in keiner Weise selbst abstimmungsentscheidend. Sie sind natürlich auch anderswo in keiner Weise wahlentscheidend.

Folglich glauben oberflächliche Politiker, dass bei diesen Reichen ohne Probleme etwas zu holen wäre. Etwa auf der Linie des Satzes, den der berühmte sozialistische Umverteilungsphilosoph Werner Faymann erst am Wochenende in einem Interview wieder geäußert hat: "Wenn man nicht einfach mehr Schulden machen kann, muss man dafür sorgen, dass von seiten der Vermögenden ein höherer Beitrag geleistet wird."

Im Unterschied zu Faymann haben die Schweizer aber erkannt: Wenn auch nur einer dieser Vermögenden, einer dieser Supergagenbezieher samt seiner Infrastruktur, seinem Unternehmen ins Ausland geht, ist der Schaden für Arbeitnehmer und Staatshaushalt enorm. Er ist höher als der Nutzen für den Staatshaushalt durch das Schröpfen der anderen, im Land bleibenden „Reichen“. Auch die Bezieher von Niedrigstlöhnen haben nichts davon, wenn sie als Folge der Reichenvertreibung ihren Job verlieren.

Eine Annahme der Vorlage hätte zwar Ressentiments gegen die Reichen bedient. Aber ansonsten hätte sie sowohl eine substanzielle Einschränkung der privaten Freiheit wie auch einen Schaden für die staatlichen Kassen bedeutet. Diese Zusammenhänge sind übrigens auch dann relevant, wenn man in etlichen Fällen durchaus der Meinung ist, dass bestimmte Spitzenmanager nicht das Geld wert sind, das sie bekommen.

Sparsamkeit hat auch die beiden anderen Entscheidungen der Schweizer geprägt. Diese sind allerdings mit weit geringerer Deutlichkeit erfolgt als die Ablehnung des linken Eingriffs in privat vereinbarte Gehälter.

Die Schweizer haben zugleich eine Erhöhung der Autobahnmaut aufs Zweieinhalbfache abgelehnt. Sie zahlen lieber die wachsenden Autobahnkosten über das Budget als übers Pickerl. Wohl auch deshalb, weil sie dadurch bei einzelnen Straßenbau-Entscheidungen mehr Sparsamkeit erhoffen. Das überrascht aber dennoch, denn beim Pickerl müssen ja auch viele Ausländer mitzahlen, die bei den Steuerzahlungen fürs Budget ungeschröpft bleiben.  

Das ist für Österreicher natürlich erfreulich. Es ist aber auch interessant in Hinblick auf die deutsche Diskussion. Dort versucht ja gerade die CSU ein Modell zu erfinden, in dem nur die Ausländer zahlen müssen. Was aber zumindest bei EU-Bürgern so nicht möglich ist. Und für die paar Nicht-EU-Autofahrer zahlt es sich schon gar nicht aus. Denkbar ist aber ein Modell, wo in Kompensation für eine allgemeine Mautpflicht andere deutsche Steuern gekürzt werden.

Zurück in die Schweiz: Weniger erfreulich – aber ebenfalls von alemannischer Sparsamkeit geprägt – ist eine weitere Entscheidung der Stimmbürger:Sie haben Steuerbegünstigungen für Familien abgelehent, die ihre Kinder selbst erziehen. Das hilft zwar der Eidgenossenschaft beim budgetären Sparen. Das bedeutet aber eine anhaltende Ungerechtigkeit gegenüber Familien: Daheim betreute Kleinkinder kommen die Allgemeinheit ja viel billiger als jene Kinder, wo die Allgemeinheit für Horte oder Kindergärten (mit)zahlt.

Die familiäre Betreuung ist ja – bis auf bildungsferne Randschichten – auch qualitativ die viel bessere Erziehung für kleine Kinder. Dies hat man aber offensichtlich nur in einigen katholischen Kantonen in der Innerschweiz verstanden, nicht jedoch im Rest der Schweiz, wo neuerlich das Sparen wichtiger war.

PS: Der oben zitierte Faymann-Satz lässt übrigens auch allzu deutlich anmerken, wie sich der SPÖ-Chef ärgert, dass man heute „nicht einfach mehr Schulden“ machen kann. War das doch der Inbegriff der linken Politik seit Kreisky und Androsch, einfach jeden Wunsch dadurch zu erfüllen, dass man ständig „einfach mehr Schulden“ macht. So was Blödes auch, dass das nicht mehr geht. Böse EU, böse Finanzmärkte. Dass übrigens neben immer mehr Schulden machen und Reichenvertreiben noch eine dritte Möglichkeit besteht, will er einfach nicht begreifen. Die buchstabiert sich so, damit es vielleicht einmal auch die SPÖ begreift: S – P – A – R – E – N.

 

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Eine Justiz macht sich lächerlich drucken

5400 Euro hat eine niederösterreichische Richterin als Strafe wegen eines Flugblatts mit scharfer Buddhismus-Kritik verhängt. Damit hat sich neuerlich gezeigt, wie dringend die in den letzten Jahren eingeführten „Verhetzungs“-Paragraphen wieder eliminiert werden müssen. Denn diese führen (wider alle bei ihrer Einführung gemachten Beteuerungen) zu einer dramatischen Einschränkung der Meinungsfreiheit. Wie jetzt bewiesen ist.

Das Gericht stellte sich auf den Standpunkt: Auch wenn die vom Angeklagten geäußerten Vorwürfe in Hinblick auf Gruppen um den Buddhismus tatsächlich stimmen, darf man sie trotzdem nicht äußern. Denn es gibt ja auch viele friedliche und durch nichts negativ auffallende Buddhisten. Eine unglaubliche Logik, die einem feudalen und totalitären Regime würdig ist. Die – beispielsweise – zu folgenden Konsequenzen führt:

  • Alle die „den Christen“ oder „der Kirche“ die Kreuzzüge des Mittelalters vorwerfen oder den Missbrauch von Schülern in einem Internat oder die Inquisition, müssen nun genauso streng bestraft werden (alle Leser sind so wie ich sicher überzeugt, dass die Staatsanwaltschaft da schon jede Menge Verfahren eingeleitet hat. Wenn nicht, sollte man sie reihenweise mit Anzeigen überschütten).
  • Das gleiche gilt, wer den Protestanten den Antisemitismus vorwirft.
  • Wer sagt, Staatsanwälte und Oberstaatsanwälte in Ostösterreich halten offensichtlich die SPÖ und ihre Politiker auch bei grober Untreue strafrechtlich für tabu, der muss jetzt immer dazufügen: Es gibt sicher auch Staatsanwälte, die das nicht so sehen, die Untreue auch bei SPÖ-Politikern anklagen würden (wo auch immer).
  • Wer sagt „Die allermeisten Selbstmordattentäter sind Moslems“, muss jetzt immer hinzufügen: Aber es gibt viele Moslems, die keine Selbstmordattentäter sind (sie tun halt nur nichts Zielführendes, um die Attentate zu verhindern).
  • Wer sagt „Die Koalition hat bezüglich der Budgetlöcher gelogen“, der muss jetzt immer hinzufügen: Aber es haben nicht alle in der Koalition gelogen (sie haben halt nur geschwiegen).
  • Wer sagt „Wir haben ein gewaltiges Problem mit Schwarzafrikanern als Drogendealer“, der muss jetzt immer dazusagen: Aber nicht alle Schwarzafrikaner sind Drogendealer.
  • Wer sagt „Die EU-Politiker haben mit der Euro-Schuldenpolitik die Zukunft des ganzen Binnenmarkt gefährdet“, der muss jetzt immer hinzufügen, dass das nicht alle EU-Politiker getan haben (es ist halt nur trotzdem geschehen).
  • Wer sagt, dass sich Frauen nicht für Technik, sondern mehr für Menschliches interessieren, der muss jetzt immer hinzufügen, dass das nicht für alle Frauen gilt, sondern nur nach einer Gaußschen Normalverteilung.

Wir sind in des Teufels Küche gelandet. Eine außer Rand und Band geratende Justiz maßt sich voller Präpotenz an, Meinungs- und wissenschaftlichen Aussagen überprüfen zu können. Natürlich trifft das nicht automatisch jede Meinungsäußerung, aber man weiß nie, welche von der Justiz dann etwa wegen einer Denunziation herausgefischt wird. Genau das nennt man Willkür-Regime.

Das ist die schöne neue Welt der Political correctness, wie sie Rot, Grün und Pink erträumen (Natürlich nicht alle, es gibt sicher auch dort welche, die eigentlich noch die Meinungsfreiheit respektieren wollen . . .) und wo die Schwarzen solche Gesetze ermöglicht haben, sei es in der EU oder in Österreich.

Immer mehr Menschen sind überzeugt, dass am Ende der Monarchie deutlich mehr Meinungsfreiheit geherrscht hat als heute. Solche Judikate sind jedenfalls meilenweit von dem entfernt, was Ministerium und Politik bei der Einführung der „Verhetzung“ als Verteidigung gesagt hatten: Es würden ohnedies nur jene bestraft, die öffentlich dazu auffordern, dass eine Gruppe die Straße waschen muss. Davon ist das niederösterreichische Flugblatt meilenweit entfernt.

Eine rasch wachsende Zahl von Menschen spürt jedoch: Wir rutschen immer tiefer in den Vormärz. Wir wissen nur noch nicht genau, wann 1848 und 1867 kommen.

Was ein Richter oder Staatsanwalt denn tun solle, wenn die Politik diese Einschränkung der Meinungsfreiheit nicht zurücknimmt, wird mir bei Gesprächen mit Angehörigen dieser Berufsgruppen oft entgegengehalten? Die Antwort ist einfach: Nichts. Das ist allemal besser als Urteile, die problematische Paragraphen noch extensiv interpretieren. Und das ist ohnedies das, was manche (natürlich nicht alle . . .) in der Justiz ohnedies recht oft tun, wenn es nicht gegen christliche Aktivisten geht.

Und allen anderen rate ich, freie Meinungsäußerungen nur noch in Ländern wie den Niederlanden oder den USA zu machen. Dort ist die Meinungsfreiheit noch geschützt, selbst wenn man einen Blödsinn oder eine Geschmacklosigkeit äußert. Bei uns aber droht jetzt immer die Aktivität von Staatsanwälten und Richtern, die Meinungen auf ihre Korrektheit überprüfen.

PS: Ich habe – vermutlich zum Unterschied von Richterin und Staatsanwälten – Tibet selbst besucht und mehrmals den Dalai Lama interviewt. Ganz unbestreitbar ist der dortige Buddhismus eine atavistische und rückständige Religion, die meilenweit von Menschenrechten oder Demokratie entfernt ist. Woran auch der nette Dalai Lama nichts ändern kann. Dennoch bin ich ein vehementer Unterstützer des tibetanischen Anspruchs auf Selbstbestimmung. Als Volk, als Nation, aber nicht wegen einer Religion.

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Tributpflicht à la IWF drucken

Das Bekanntwerden der Überlegungen des Internationalen Währungsfonds, ob die Staatskassen eventuell mittels der Enteignung von Sparern und Immobilienbesitzern zu entlasten und auf den Stand von 2007 zurückzuführen wären, hat einigen Staub aufgewirbelt. Nachdem sich – völlig überraschend – selbst die gewöhnlich zuverlässig staatsfreundlichen Hauptstrommedien überwiegend kritisch zur Idee einer Teilenteignung jener Menschen äußerten, die den schwerwiegenden Fehler begingen, keine Schulden gemacht zu haben, folgten Erläuterungen, die so glaubwürdig klangen wie weiland Walter Ulbrichts Beteuerung „Niemand will eine Mauer bauen!“

Doch jetzt ist die Katze einmal aus dem Sack. Das ist auch gut so, da die „Lektion Zypern“ vom Publikum offensichtlich nicht verstanden wurde. Jetzt sollte auch der Dümmste begriffen haben, dass die Herrschenden und die ihnen zuarbeitenden Staatsökonomen und Intellektuellen vor keinem Verrat zurückschrecken werden, wenn es darum geht, das seit vielen Jahren laufende Pyramidenspiel aus Zinsmanipulation, Kreditexzess und Geldwerterosion wenigstens noch eine Zeit lang am Laufen zu halten.

Nehmen wir an, die Sache würde tatsächlich wahr gemacht: Dann erscheint es mehr als zweifelhaft, dass kleine Sparer und Eigenheimbesitzer überhaupt die Möglichkeit hätten, sich einem generalstabsmäßig geplanten und transnational orchestrierten Raubzug der Regierungen zu entziehen. Die Möglichkeiten dazu sind begrenzt. Denn wenn, wie im IWF-Papier ventiliert, eine bestimmte Vermögensquote zugunsten maroder Staatshaushalte konfisziert werden soll, dann geraten damit ja nicht nur der amtsbekannte Immobilienbesitz, Sparbücher und Wertpapierdepots ins Fadenkreuz des Fiskus, sondern natürlich auch alle anderen Vermögenswerte. Wenn schon enteignen, dann aber schon ordentlich und „sozial gerecht“.

Schließlich wäre es undenkbar, zwar die Schrebergartenhütte der Wettitant mit einer Zwangshypothek zu belasten, nicht aber Teile der Gemäldesammlung von Herrn X und/oder das Edelmetalldepot der Frau Y und deren Juwelen zu konfiszieren. Derartige Werte sind aber, falls der jeweilige Besitzer darüber keine Zeitungsinserate schaltet oder in aller Öffentlichkeit lautstark damit prahlt, anonym und daher nur durch behördliche Nachschau aufzuspüren. Von Regierungsseite wurde bereits mehrfach betont, dass im Zusammenhang mit der Vermögensbewertung nicht an Hausdurchsuchungen gedacht sei. Das ist – siehe Ulbricht – als eindeutiger Hinweis darauf zu verstehen, dass genau diese natürlich durchgeführt würden.

Beim Geld hört bekanntlich der Spaß auf – besonders der des Fiskus. Ein Anschlag auf die Vermögen der Untertanen wird daher notwendigerweise mit einer Öffnung von Bankschließfächern unter Behördenaufsicht, sowie einer gründlichen Inspektion von Heimstätten der üblichen Verdächtigen einhergehen, als da wären: Unternehmer, Besitzer lastenfreier Eigentumswohnungen oder Eigenheime und andere Geldsäcke, sowie alle jene, die keinen großen Proletariernachweis erbringen können. Im Zuge der Bewältigung der Staatsschuldenkrise werden wir daher jede Hemmung fallen sehen, auch noch die letzten verbliebenen Reste von Privatsphäre zu beseitigen. Schließlich steht ja nicht weniger als das Gemeinwohl auf dem Spiel! Unverletzlichkeit der Wohnung? Lächerlich!

Auch jene Schlaumeier, die nun – einerseits um der Enteignung durch den Staat und andererseits um einem möglichen Bankrun zuvorzukommen – ihre Konten auflösen um die abgehobenen Banknoten zu Hause in ihre Matratzen stopfen, wären leichtsinnig, würden sie sich deshalb in Sicherheit wiegen. Rascher, als sie von der Bank heimkommen, können nämlich jene Banknoten für ungültig erklärt werden, die nicht über eine entsprechende behördliche Kennzeichnung verfügen. Im Zuge dieser Kennzeichnung (oder des Umtauschs) von daheim gehorteten Barmitteln, wird dann erst recht die jeweilige Zwangsabgabe (deren Quote eher über als unter den kolportierten zehn Prozent liegen wird) eingetrieben. Derlei Übungen sind nicht neu. Es ist alles schon einmal da gewesen!

Die Konsequenz der vom IWF überlegten Ausplünderung von Nichtschuldnern und Vermögensbildnern wird nicht lange auf sich warten lassen: Nach der Immobilenbranche, den Aktien- und Rohstoffbörsen, werden jetzt die Konsumtempel Umsatzrekorde feiern und die Tourismusindustrie wird einen Boom erleben. Ludwig Mises hat ein derartiges Phänomen einst als „Katastrophenhausse“ bezeichnet. Wer keine Möglichkeit sieht, sein mühsam erspartes Vermögen dem Zugriff grob fahrlässiger oder krimineller Machthaber oder einer galoppierenden Inflation zu entziehen, wird konsumieren, als gäbe es kein morgen. Lieber noch ein paar Monate im Dauerrausch, als gar nichts vom Ersparten zu haben – durchaus rational überlegt! Ist dann der letzte Cent verbraten, und der letzte bar bezahlte Laib Brot aufgegessen, heißt es „Fertigmachen zum Zusammenbuch!“ Dann – wenn auch leider zu spät – werden selbst glühende Etatisten und eingefleischte Keynesianer erkennen, dass es doch keine Möglichkeit gibt, sich „reich zu konsumieren“ oder „in den Wohlstand zu verschulden“.

Die Ironie des Ganzen ist, dass derartige Ungeheuerlichkeiten und all der verheerende Schaden, der damit angerichtet wird, dennoch keine nachhaltige Sanierung der Staatshaushalte bewirken würden. Denn niemals waren die Abgabenlasten höher als unserer Tage; zu keiner Zeit haben die Steuerquellen ergiebiger gesprudelt als gerade jetzt. Das Problem der Staaten besteht nämlich nicht in zu geringen oder abnehmenden Einnahmen, sondern in zu hohen und zudem laufend steigenden Ausgaben. Und daran wird sich auch nach einer Entschuldung der Staaten – gleich auf welche, jedenfalls schmerzhafte Weise diese erfolgen wird – absolut nichts ändern. Schon tags darauf werden erneut die Staatsausgaben die -einnahmen übersteigen, da niemand innerhalb der politischen Klasse daran denkt, die Strukturen zu verändern.

Denn auf dem Boden der westlichen „Prolokratie“ liefe ein Entzug steuer- oder schuldenfinanzierter Wohltaten glatt auf einen politischen Selbstmord der Regierungen hinaus, den zu begehen diese mit Sicherheit nicht vorhaben. Daher würden – auch nach einer Sanierung der Staatshaushalte – dem über die Stimmenmehrheit verfügenden Proletariat weiterhin Brot und Spiele geboten werden müssen. Schließlich will man sich ja als Systemprofiteur die Finger nicht mit ehrlicher, produktiver Arbeit schmutzig machen müssen, sondern weiterhin am wohl gefüllten Futtertrog der Politik verbleiben und wiedergewählt werden. Das grausige Spiel könnte daher von neuem beginnen.

Fazit: Das herrschende politische System ist – nicht nur in materieller Hinsicht – bankrott und mutmaßlich unreformierbar. Ohne eine Rückkehr zu persönlicher Verantwortung und Haftung, Respekt vor privatem Eigentum und einem soliden Geldsystem wird die Gesellschaft jedenfalls zerfallen…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Die strenge Kammer und die Meinungsfreiheit drucken

In der Wiener Ärztekammer amtiert seit der letzten Ärztewahl ein sozialistischer Gewerkschafts-Apparatschik. Das merkt man schmerzhaft. Sind doch Rot und Grün jene Parteien, die nicht mehr auf der wichtigsten Grundlage der historischen Aufklärung und der daraus entstandenen bürgerlichen Revolutionen stehen, also auf dem Boden des ständigen Kampfes für die Meinungsfreiheit als oberstem Wert (bei Pink ist es mir noch nicht ganz klar, wo die stehen).

Die unhaltbaren Arbeitsbedingungen der AKH-Ärzte sind dem Mann nicht so wichtig, obwohl er dort eigentlich Betriebsrat ist. Oder vielleicht gerade deswegen. Er wäre ja nicht der erste Betriebsrat, der sich gut arrangiert. Die öffentlichen Proteste gegen die Arbeitsbedingungen überlässt der Kammerpräsident jedenfalls lieber den paar mutigen Professoren, die es am AKH noch gibt.

Dafür schlägt er öffentlich umso brutaler mit der Moralkeule zu, wenn ein Wiener Arzt dem Politkommissar nicht gefallende Wertaussagen macht. Und das ist ungeheuerlich. Eine Kammer hat die Wertauffassungen ihrer Mitglieder nicht zu kommentieren, geschweige denn zu kritisieren oder gar deswegen öffentliche Entschuldigungen zu verlangen. Ganz gleich, ob man nun der Meinung des Neo-Abgeordneten (Liste Stronach) Marcus Franz ist oder nicht.

Dieser Arzt hatte in einem Interview (mit einer der Links-Kämpferinnen vom „Profil“) gemeint, dass Homosexualität eine genetische Anomalie ist und „mit Sicherheit amoralisch“, wenn man „strenge Moralmaßstäbe“ anlegt.

Nun, vielleicht liegt Franz mit dem Hinweis auf die Genetik tatsächlich falsch. Hat man doch meines Wissens bisher noch kein Homosexuellen-Gen gefunden, das Ursache dieser „Orientierung“ wäre. Das Fehlen eines solchen Gens ärgert übrigens die Schwulen-Lobby sehr, aber das weiß der Kammer-Politruk wohl nicht. Denn wenn etwas genetisch bedingt wäre, dann wären tatsächlich alle Moral-Diskussionen fehl am Platz.

Neuerlich hat sich bestätigt: In Österreich darf man nur noch Meinungen im engen Denk(?)feld zwischen „Profil“ und SPÖ haben. Das mehr ein Punkt als ein Feld ist.

PS: Zufällig werden fast zur gleichen Zeit andere Neuigkeiten über das „Profil“ bekannt. Jahrelang hatte das Blatt gegen die frühere Gesundheitsministerin Rauch-Kallat agitiert; deren Mann hätte vom einstigen staatlichen Ankauf von Grippemasken profitiert. Nun – nach so vielen Jahren! – hat die Raiffeisen-Zeitschrift den Schwanz eingezogen und den Vorwurf „mit dem Ausdruck des Bedauerns“ zurückgezogen. „Profil“ halt.

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Liberalismus begeistert mehr denn je drucken

Obwohl in den deutschsprachigen Medien kaum ein Tag vergeht, an dem nicht ein Abgesang des klassischen Liberalismus angestimmt wird, wachsen die European Students For Liberty weiter. Mit unserer Hilfe wurden mehr als 200 Studentengruppen in 36 europäischen Ländern gegründet (weltweit sind es bereits über 1000). Wir sehen uns als einen „Serviceprovider“ für klassisch-liberale Studenten und möchten deren primäre Anlaufstelle an den europäischen Universitäten werden. Zu diesem Zweck stellen wir kostenlos Ressourcen (z.B. Bücher oder Onlineseminare), Trainings und Netzwerkmöglichkeiten zur Verfügung.

Unser Ziel ist es, die Ressource für klassisch-liberale Studenten zu werden. Der Fokus liegt auf Studenten, da unsere Theorie des sozialen Wandels auf langfristige Veränderungen in der Denkweise der Gesellschaft abzielt. Das heißt, wir möchten den jungen Menschen so früh wie möglich die klassisch-liberalen Ideen näher bringen, damit sie diese während ihres weiteren akademischen und beruflichen Werdegangs verbreiten können.

Regionalkonferenz am 23. November in München

Nachdem die fünf Regionalkonferenzen im letzten Jahr – mit insgesamt mehr als 570 Teilnehmern – auf großen Anklang gestoßen sind, veranstalten wir diesen Herbst zehn weitere solcher Konferenzen (für die gesamte Liste hier klicken), zu denen wir Sie hiermit sehr herzlich einladen möchten.

Die Konferenz in München wird am 23. November 2013 in deutscher Sprache abgehalten. Das Programm beinhaltet prominente Redner, wie z.B. Gerd Habermann (Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft E.V.), Christian Hoffmann (Universität St. Gallen/Liberales Institut), Matt Kibbe (FreedomWorks), Barbara Kolm (Hayek Institut/Austrian Economics Center), Prinz Michael von Liechtenstein, Rolf W. Puster (Universität Hamburg) und Franz Schellhorn (Agenda Austria). (Für das gesamte Programm hier klicken)

Was uns European Students for Liberty von bereits bestehenden Organisationen unterscheidet, ist unsere Struktur und Schwerpunktsetzung. Wir nehmen kein Geld vom Staat an und sind nicht politisch tätig. Als European Students For Liberty konzentrieren wir uns ausschließlich auf die Ideen der Freiheit und deren Diskussion und Verbreitung. Wir schreiben dabei niemandem vor, welcher Weg zur Freiheit der beste ist. Vielmehr wollen wir genau darüber mit Ihnen – und möglichst vielen anderen Teilnehmern – diskutieren.

Aus diesem Grund würden wir uns sehr freuen, Sie am 23. November 2013 in München begrüßen zu dürfen.

Informationen:

Michael Landl ist im Vorstand der European Students For Liberty tätig und studiert „International Affairs and Governance“ an der Universität St. Gallen. Sie können ihn unter der E-Mail-Adresse mlandl@studentsforlibery.org erreichen.

Weiterführende Links:
European Students For Liberty
Regionale Konferenzen
Regionale Konferenz München 

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FN 517: Die Unfreiheit der Gedanken drucken

Nichts ist widerlicher, als wenn freie Bürger durch freiwillige Selbstzensur ihre eigene Freiheit verraten.

Das kann auch durch scheinbare Kleinigkeiten passieren, wie den Verzicht auf ein Lied: Der Dresdner Kreuzchor hat von sich aus für eine China-Tournee "Die Gedanken sind frei" aus dem Programm genommen, obwohl es ursprünglich darin als emotionaler Eckpfeiler geplant gewesen ist. Aber dann fürchtete man, dass sich Chinas Machthaber an den Worten des Freiheitslieds über "dunkle Kerker" und über die Gedankenfreiheit stoßen könnten. Daher änderte man das Programm, noch bevor es ein Chinese sehen konnte. Wir lernen: Wenn ein bisschen Geld in der Kasse klingelt, opfert man heute sogar freiwillig die bloße Erwähnung von Europas (einst?) wichtigstem Wert. Vielleicht wissen die Sachsen gar nicht mehr, wie viele Menschen allein für dieses Freiheitslied und mit ihm in den letzten drei Jahrhunderten in den Kampf für eine gute Sache gezogen sind. Etwa genau vor zweihundert Jahren in die (ebenfalls in Sachsen ausgetragene!) Völkerschlacht gegen Napoleons Fremdherrschaft. Oder dann gegen den feudalen Absolutismus in der eigenen Heimat. Heute aber sieht man, wie alt, müde, schwach diese Deutschen, diese Europäer geworden sind. Beklemmend.

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Spindeleggers Rache statt bürgerlicher Perspektive drucken

Der ÖVP-Obmann räumt nun alle jene Spitzenpolitiker seiner Partei weg, die einmal gewagt hatten, eine andere Meinung als er zu haben. Jetzt nach der glimpflich überlebten Wahl hat er zum ersten und vielleicht letzten Mal die Macht dazu. Er vergisst dabei nur eines: Wenn man gute Leute wegräumt, ohne irgendwo eine alternative Perspektive zu bieten, dann kann das nur als Rache interpretiert werden. Das ist in einem Zeitpunkt besonders schlimm für die ÖVP, da zugleich ihre inhaltlichen Defizite immer größer werden. Von der Schul- bis zur liberalen Ordnungspolitik.

Offensichtlich sind jetzt alle auf der Abschuss- oder Abschiebeliste, die sich im Sommer 2012 den Revirement-Plänen von Michael Spindelegger in den Weg gestellt haben. Das nennt man kalt konsumierte Rache.

Nun ist es gewiss nicht nur das Recht, sondern auch die absolute Aufgabe eines Parteiobmanns, sich seine Mannschaft selber zusammenzustellen. Das Recht der Wähler ist es aber dann, das Ergebnis zu beurteilen.

Vielleicht sollte daher der ÖVP-Obmann auch ein wenig selbstkritisch sein und darüber nachdenken, ob wirklich Finanzministerin und Klubobmann das Bleigewicht an seinen Beinen sind. Oder ob das nicht vielmehr die von fast allen bürgerlichen Wählern verabscheute Koalition mit einem Werner Faymann ist. Die nur von der linken Einheitspresse herbeigewünscht wird.

Faktum ist ja jedenfalls, dass weder Josef Pröll noch Michael Spindelegger in der ganzen Regierungszeit mit Faymann eine einzige relevante Maßnahme durchgebracht haben, welche nur im Entferntesten ordnungspolitisch-wirtschaftsliberal oder wertkonservativ gewesen wäre. Vielleicht schafft es Faymann wirklich, hinter verschlossenen Türen den lieben Michael und den lieben Sepp immer einzukochen. Aber Genießbares serviert ist dann eben nie worden.

Auch jetzt deutet rund um die Koalitionsgespräche nichts darauf hin, dass auch nur eine einzige liberalkonservative Reform umgesetzt wird. Die ÖVP hat zwar des öfteren einige ganz linke SPÖ-Dummheiten verhindert, aber anderen immer wieder zugestimmt. Das ist nicht ganz das, was man als Wahlmotiv der letzten noch verbliebenen ÖVP-Wähler vermuten darf.

Karlheinz Kopf war sicher kein strahlender Volkstribun, der die Säle gefüllt hätte. Aber er ist einer der ganz wenigen echten Ordnungsliberalen in der österreichischen Politik. Er hat zugleich ein ziemlich gutes Gefühl als auch konservativ denkender Bürgerlicher, welchen Absprachen zwischen Bundes- und Vizekanzler man trotz allem nicht blindlings zustimmen sollte. Und er war vor allem das letzte Bollwerk dagegen, dass der linke Staatsfunk für seine immer ärger werdenden Umtriebe frisches Steuergeld bekommt (oder höchstens dafür, dass ein Mann des Erwin Pröll dort halt als Feigenblatt hineingepresst wird, der aber die inhaltliche Schlagseite in keiner Weise austarieren kann – höchstens bei der Niederösterreich-Berichterstattung).

Maria Fekter kann und muss man vorhalten, dass sie dem Verlangen ihres oberösterreichischen Landesparteichefs nachgegeben und letztlich doch einer Linzer Medizin-Fakultät zugestimmt hat. Nur sollte es nicht ausgerechnet Spindelegger sein, der ihr das vorhält. Denn dieser hat sich – so wie die SPÖ – nicht einmal eine Sekunde lang gegen die teure Unsinnigkeit dieser Fakultät gewandt.

Aber Fekter war wenigstens bei allen übrigen Fragen eine der politischen Ausnahmeerscheinungen, die beim Bürger noch den glaubwürdigen Eindruck hinterlassen, die Interessen der Steuerzahler im Auge zu haben. Und sie war und ist einer der letzten authentisch wirkenden Politikertypen in diesem Land, die noch wie ein Mensch redet und nicht als substanzloser Phrasendrescher daherkommt.

Gewiss, niemand ist unersetzlich, weder Fekter noch Kopf noch der schon davor entsorgte Neugebauer. Aber wo um Himmels willen ist der Ersatz? Wenn Sebastian Kurz derzeit schon fast für jedes Ministerium genannt wird, dann zeigt das nur eines: Das einzige politische Talent, das da im letzten Jahrzehnt neu in der Politik aufgetaucht ist, wird nun möglichst rasch verheizt.

Umso schlimmer ist das, was da sonst auftaucht: Wenn wirklich ernsthaft ein Christoph Leitl Minister werden sollte, dann ist das wohl endgültig der Untergang der ÖVP. Hat sich doch Leitl in den letzten Jahren immer als DER sozialdemokratisch-gewerkschaftlich denkende und handelnde Eckpfeiler der Volkspartei positioniert. Wenn Spindelegger wirklich diesen Alt-68er aus der Greißler-Gewerkschaft in die Regierung befördert, dann ist ihm wirklich nicht mehr zu helfen.

Das gilt noch viel mehr, wenn auch nur ansatzweise das Wirklichkeit werden sollte, was da inhaltlich aus den Koalitionsverhandlungen kolportiert wird. Sollte der Salzburger Landeshauptmann und Ex-Rechtsanwalt Haslauer wirklich das achtklassige Gymnasium opfern, dann hat sich die ÖVP nicht nur viele Lehrer, sondern vor allem hunderttausende Eltern von gegenwärtigen oder vor allem künftigen AHS-Kindern zum Feind gemacht. Und die werden das mit Garantie nicht nach ein paar Wochen vergessen haben. Geht es doch um ihre Kinder. Die haben sie höchstwahrscheinlich auch noch bei der nächsten Wahl. Und diese Eltern werden immer an Haslauer und Spindelegger denken, wenn ihre Kinder acht Jahre in einer Gesamtschule verblöden oder wenn sie teures Geld für Privatschulen zahlen müssen.

Nun, wir werden ja sehen. Ich glaube noch immer, dass eine Partei eigentlich nicht so dumm, so suizidal gestrickt sein kann, dass das wirklich passiert. Nur weil es ein paar Industrielle so wollen (die ihre eigenen Kinder immer schon auf die teuersten Privatschulen schicken).

Aber die nunmehr vorliegenden Personalmaßnahmen lassen mich jedoch zittern, dass ich mit meinem Glauben an die schwarze Restintelligenz völlig falsch liegen könnte.

Meine diesbezügliche Skepsis ist ja schon durch die personelle Zusammensetzung des neuen ÖVP-Klubs genährt worden: Noch nie haben die Schwarzen so arge inhaltliche Defizite gehabt. Die einst große bürgerliche Partei hat von den Schulen bis zur Kultur, von der Außen- bis zur Pensions- und Gesundheitspolitik und bis zum ganzen Justizbereich überhaupt keine respektierten Experten mehr in ihren Reihen, die sich in diesen politischen Schlüsselthemen auskennen würden. Es gibt nur noch jede Menge Quotenfrauen, Lokalkaiser, Bürgermeister, Raiffeisen-Funktionäre, Rüben-, Wein-, Berg-, Milch- und Getreidebauern. So wie man auch bei der SPÖ fast nur noch Bürgermeister, Lokalkaiser und Gewerkschafter antrifft.

PS: Noch deprimierender ist, dass die einzige – zum Glück nur ein paar Stunden anhaltende – parteiinterne Kritik an den schwarzen Personalentscheidungen ausgerechnet mit dem dümmsten aller Argumente vorgebracht worden ist: mit der feministischen Kritik daran, dass der Herr Kopf, der ins Nationalratspräsidium abgeschoben werden soll, ein Mann ist. Das sind offenbar die größten Sorgen, die sich jemand in der ÖVP macht . . .

 

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Die Vorteile der direkten Demokratie drucken

Die Einführung von mehr direkter Demokratie hat viele Vorteile, die der öffentlichen Diskussion gar nicht bewusst sind. Sie ist vor allem Garant gegen Anlassgesetzgebung und gegen schlechte Huschpfusch-Gesetze. Beides ist in den letzten Jahren in Österreich ja fast die dominierende parlamentarische Mode geworden. In Ländern mit direkt demokratischen Instrumenten wirkt die Phase vor dem Referendum hingegen durch ihre Dauer und ihre öffentlichen Diskussionen versachlichend und beruhigend.

Es ist immer wieder beeindruckend, wie nüchtern etwa in der Schweiz von den Medien und Bürgern alle Pro- und Kontra-Argumente dargelegt und abgewogen werden. Daher sollten auch die österreichischen Parteien endlich lernen, dass es bei einem Referendum um die Sache und nie um einen Politiker (beispielsweise um den einst angekündigten Rücktritt Bruno Kreiskys) gehen sollte.

Auch die – eigentlich nur aus populistischen Motiven angeordnete – Bundesheerabstimmung des vergangenen Winters hat bei den Österreichern solche Abwägungen in breiter Front ausgelöst. Bei den Wählern noch mehr als bei den Medien. Diese behandelten die Abstimmung so wie die Parteisekretariate noch immer verfehlterweise als parteipolitische Angelegenheit.

Das sind Referenden aber nur noch für einen kleinen Prozentsatz der Bürger. Die Mehrzahl hingegen hat im Winter weitestgehend sachlich, nicht parteipolitisch über das Heer nachgedacht. Und dann entschieden.

Dennoch äußern nach wie vor viele Politiker und Beamte Einwände gegen die direkte Demokratie. Der am häufigsten vorgebrachte: Sie warnen, dass das Volk in dieser oder jener Frage „falsch“ entscheiden könnte.

Das ist in Wahrheit ein skandalös provozierender Einwand. Denn er geht davon aus, dass irgendjemand da oben das absolute, oder zumindest ein höherrangiges Wissen über „falsch“ oder „richtig“ habe. Aber die Demokratie ist nicht zuletzt deshalb entstanden, weil man erkannt hat, dass niemand und niemandes Wissen höherwertig sind. Die Elite – und damit die Machthaber – versucht jedoch, sich moralisch und intellektuell über das zu bevormundende Volk zu erheben. Motto: „Wir wissen‘s besser.“

Das ist reine Anmaßung, und hat auch keine Grundlage in der Verfassung oder in der Rechtsphilosophie. Dahinter verbirgt sich auch der Gesinnungsterrorismus der Political correctness, der den Menschen eine wachsende Menge an Denk-, Sprech- und Verhaltensregeln aufzwingen will. Zugleich versucht er diese Regeln als höherwertig denn normale (=abänderbare) Gesetze einzustufen.

Diese Haltung verwandelt den alten Scherz über die Verfassung in beklemmende Wirklichkeit: Das Recht geht vom Volk aus, aber es ist nie wieder zum Volk zurückgekehrt; denn eine herrschende Mandarinen-Klasse hat es sich inzwischen angeeignet.

Diese hält das Volk für ungeeignet, seine eigenen Angelegenheiten zu regeln. Sich selber hält diese Klasse hingegen für sehr gut geeignet, auch die Angelegenheit anderer Menschen zu regeln. Ihre wahren Motive sehen freilich ein wenig anders aus. Bei vielen Abgeordneten hört man primär egoistische und geradezu primitive Bedenken. Etwa des Inhalts, dass bei den Referenden dann die Politikerbezüge oder Parteiförderung reduziert würden.

Die Behauptung der Überlegenheit repräsentativdemokratischer Abstimmungen wird durch die Realität jedenfalls total ad absurdum geführt. So schlechte, so überflüssige, so populistische, so viele nachhaltig zum ökonomischen und gesellschaftlichen Kollaps führende Gesetze, wie sie die repräsentative Demokratie in den letzten Jahren produziert hat, bringt das Volk nie und nimmer zusammen.

Die Staatsschulden oder der Zustand der Universitäten oder das seit Jahrzehnten gesunkene(!) Pensionsantrittsalter oder die vielen verfehlten Schulreformen oder die überflüssig teure Rettung von Hypo und Kommunalkredit oder die Aufblähung der bürokratischen Regulierungsmenge: All diese Beispiele zeigen ein Versagen der repräsentativen Demokratie.

Diese versucht ständig eilfertig, vermeintlichen Wünschen der Bevölkerung entgegenzukommen. Jedoch hätten die Bürger selbst die meisten Unsinnigkeiten der repräsentativen Demokratie gar nie beschlossen, wenn sie selbst die Letztverantwortung hätten. Denn meistens werden ja nur lautstarke Lobbies bedient. Und dort, wo sich die Bevölkerung für eine Schimäre engagiert, tun die repräsentativen Politiker aber auch gleich servil mit. Siehe etwa Neutralität.

Man kann übrigens die um das eigene Überleben bangenden Politiker trösten: Das Parlament bleibt ohnedies das entscheidende Gremium, und zwar in all jenen Fällen, wo niemand die vielen Unterschriften für ein Referendum zustandebringt. Daher werden die meisten Aufgaben der Parlamentarier weiterlaufen – aber vielleicht mit mehr Nachdenken verbunden, ob man auch gut begründet agiert. Zugleich nimmt direkte Demokratie viel des derzeit ständig wachsenden Erwartungsdrucks von den Parlamentariern. In Wahrheit wissen die ja längst selber, dass sie immer weniger die vielfältigen und widersprüchlichen Erwartungen erfüllen können, die an sie gestellt werden.

Eine Reform nach Schweizer Muster wäre daher absolut richtig. Schwarz, Blau und meist auch Grün sind ja bei ihren Reformüberlegungen der letzten Jahre auch von diesem Ziel ausgegangen. Also: verpflichtende direktdemokratische Abstimmungen im Falle einer erfolgreichen Unterschriftensammlung für oder gegen ein Gesetz. Aber inzwischen ist unter dem Druck der SPÖ und einiger schwarzer Bedenkenträger das Projekt stark verstümmelt worden. Auch Grün und zum Teil Blau haben anscheinend die Lust ein wenig verloren.

Die ersten Entwürfe Richtung direkter Demokratie sind im Sommer fertiggestellt worden. An diesen wird öffentlich vor allem die Festlegung einer sehr hohen Grenze für die notwendige Unterschriftenzahl kritisiert. 10 beziehungsweise 15 Prozent der Wähler sind eine gewaltige Menge. Diese muss man binnen einer Woche in die Amtsstuben bringen, damit die Menschen dort das einleitende Volksbegehren unterschreiben (und sich dabei vor politisch vielleicht andersdenkenden Funktionären outen!). In der Schweiz sind hingegen je nach Materie nur 50.000 beziehungsweise 100.000 Unterschriften nötig. Also maximal ein Sechstel.

Noch viel schlimmer aber als bei der notwendigen Unterschriftenzahl fällt der Vergleich in Hinblick auf den Zeitraum aus: Die Schweizer haben ein halbes Jahr Zeit, um die nötigen Signaturen zu sammeln. Bei uns gibt es nur eine Woche.

Am ärgerlichsten aber ist die umfangreiche Liste der Bereiche, über die nicht abgestimmt werden darf. Dabei geht es vor allem um das EU-Recht. Während es noch nachvollziehbar ist, dass gegen dessen Geltung keine sinnvollen Referenden möglich sind, wären Referenden bei der Frage der Schaffung neuen EU-Rechts sehr wohl möglich und sinnvoll.

Denn absurderweise bestimmen über neue EU-Gesetze (Richtlinien oder Verordnungen) in den EU-Räten einzig und allein die zuständigen Ressortminister. Die im österreichischen Ministerrat immer vorgeschriebene Einstimmigkeit ist dabei nicht notwendig. Zwar könnte das österreichische Parlament das Abstimmungsverhalten jedes Ministers durch einen Beschluss vorweg auch inhaltlich festlegen. Aber nur wenn es will. Und es will nie. Denn die Koalition hat sich auf eine skandalöse Linie festgelegt: Die Schwarzen reden den roten Ministern nicht drein, und die Roten nicht den schwarzen Ministern. Dass nachher auch noch das EU-Parlament abstimmt, ist da absolut kein Trost. Denn dieses ist nicht nur total undemokratisch gewählt (ein deutscher Abgeordneter vertritt 811.000 Menschen, einer aus Malta nur 67.000!), ihm fehlt auch die nationale Gesamtverantwortung einer Regierung.

Provozierenderweise sollen die Bürger künftig also bei EU-Themen nicht einmal das dürfen, was das Parlament kann. Direkte Demokratie hin oder her. Dabei geht es in der EU wirklich um Wichtiges: Denn im EU-Rat können Minister im Alleingang zusammen mit ihren 27 Kollegen aus den anderen Ländern Gesetze für die ganze EU genehmigen oder blockieren. Und die sind auch inhaltlich meist wichtiger als normale österreichische Gesetze.

Minister sind also via EU viel mächtiger als innerösterreichisch. Daher wäre es absolut logisch, dass sie bei ihrer europäischen Gesetzgebertätigkeit künftig durch Referenden zwingend gebunden werden können. Denn, auf einen Satz gebracht: Wenn man die direkte Demokratie ernst und nicht nur als Augenauswischerei versteht, dann muss künftig das Volk dieselben Möglichkeiten wie das Parlament bekommen.

Noch ein weiteres schweres Manko prägt die kursierenden Entwürfe für mehr direkte Demokratie: Sie beschneiden die Rechte des Volkes bei Verfassungsgesetzen zusätzlich. Bei diesen soll das Quorum für eine erfolgreiche Einbringung noch um 50 Prozent höher sein als bei normalen Gesetzen. Das hat keinerlei Berechtigung. Denn im Parlament braucht es ja auch nicht mehr Abgeordnete als sonst, um eine Verfassungsänderung vorzuschlagen. (Die „Verfassungsmehrheit“ ist nur bei der Abstimmung, nicht aber bei der Einbringung nötig). Und auch bei der allerhöchsten Stufe, einer Gesamtänderung der Verfassung, ist nur eine Mehrheit bei einem Referendum notwendig. Nicht mehr. Dass ausgerechnet in diesem - einzigen - Fall die Verfassung eine Volksabstimmung sogar vorschreibt, zeigt aber auch, dass die ursprünglichen Verfassungsautoren durchaus das Volk als alleroberste Instanz angesehen haben.

Aber heute will der Machtdünkel der Politik das Volk weiterhin von wirklichen Entscheidungen möglichst fernhalten. Mit allen möglichen Tricks.

Überdies schafft sich das Parlament laut dem Entwurf die Möglichkeit, durch fünfmonatige Ausschussberatungen und Verhandlungen den Antrag wieder zu verwässern. In der Schweiz ist hingegen eine Volksabstimmung ein automatisches Muss, wenn das Parlament nicht zur absoluten Gänze dem von Bürgern begehrten Entwurf zustimmt.

Zugleich wollen Rot und Schwarz die Bundeswahlbehörde sowie den Verfassungsgerichtshof bei solchen Verwässerungen durchs Parlament in eine Schiedsrichterposition bringen. Der VfGH ist jedoch ein auf Jahrzehnte absolut unaufbrechbares Machtrefugium von Rot und Schwarz. Alle Verfassungsrichter sind ausschließlich auf einem Ticket einer dieser beiden Parteien dort hineingesegelt. Damit haben Rot und Schwarz auf Jahrzehnte einen starken Verhinderungshebel in der Hand.

Wenn man Schweizern diese Rolle des VfGH erklärt, schütteln sie nur entgeistert den Kopf. Kennen Sie doch eine solche Institution gar nicht. Das einzige, was es dort gibt, ist das Recht der Regierung, zu einer Volksabstimmung ihre Meinung zu sagen und dann eventuell neben der eingebrachten Formulierung den Bürgern auch noch eine eigene zur Abstimmung vorzulegen.

In Österreich hingegen wird der Souverän behandelt wie ein Kindergartenkind, das man ständig fest an der Hand halten muss.

Die allergrößte Einschränkung der Bürgerrechte liegt aber im Bereich der in ihrer Urform zweifellos unabdingbaren Menschenrechte. Den Bürgern ist aber noch viel zu wenig bewusst: Unter Berufung auf die angeblich notwendige ständige Fortentwicklung der Menschenrechte haben sich die obersten Richter Österreichs und Europas Schritt für Schritt ein unglaublich weitreichendes politisches Gestaltungs- und Einmischungsrecht geschaffen. Dadurch gilt in hohem Ausmaß Richterrecht – total an Geist und Buchstaben der Menschenrechtskonvention und der Verfassung vorbei. Diese haben ja die Schaffung von neuem Recht eigentlich exklusiv dem Gesetzgeber vorbehalten.

Die Schöpfer der Verfassung und Menschenrechtskonvention haben offensichtlich die expansive und machtbewusste Partisanentaktik von Richtern unterschätzt. Fast in ganz Europa haben diese unter Berufung auf "Menschenrechte" ihre Macht ständig ausgeweitet. Dadurch nähert sich die europäische Realität immer mehr den USA an. Dort sind es ja auch die Richter und nicht der eigentlich gewählte Kongress, die über fundamentale Fragen wie Schwulenehe oder Abtreibung entscheiden.

Da aber die Parlamente der eigenen Entmachtung jahrzehntelang tatenlos zugesehen haben, sollen nun offenbar auch die (vielleicht eines Tages) direktdemokratisch entscheidenden Stimmbürger sofort wieder weitgehend entrechtet sein.

Dieser Beitrag beruht in großen Teilen auf einem Aufsatz, den ich für einen Sammelband der Wochenzeitung „Zur Zeit“ zum Thema „Direkte Demokratie“ geschrieben habe.

 

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Eine Union zerstört ihre Werte drucken

Strafen für jene Parteien, die nicht die Werte der EU vertreten! Diese Forderung der europäischen Sozialisten stößt auch in Teilen der EU-Kommission auf große Zustimmung. Dennoch ist völlig klar: Würde Europa solche Strafen wirklich einführen, verlässt es endgültig den Weg des demokratischen Rechtsstaats. Denn der baut auf weltanschaulicher Neutralität auf, wie sie etwa schon die österreichische Verfassung seit fast hundert Jahren ganz wertfrei verkörpert. Sobald diese Neutralität aufgegeben wird, ist Tür und Tor zu einem neuen Totalitarismus geöffnet.

Der Vorstoß Richtung Strafbarkeit ist umso chancenreicher, als im EU-Parlament auch Gruppierungen sitzen, die sich zwar als „liberal“ bezeichnen, die aber in Wahrheit große Sympathien für solche Ideen einer Wertekontrolle haben.

Jede Strafbarkeit für Meinungen und Werte ist aber ein schwerer Verstoß gegen die fundamentale liberale Grundidee der Aufklärung und aller in der Folge darauf aufbauenden Revolutionen und Verfassungen. Das oberste Verlangen der Aufklärung war der Ruf nach Meinungsfreiheit. In der Präzisierung von Voltaire: Auch wenn ich total den Inhalt dessen ablehne, was ein anderer sagt, so werde ich (als freiheitsbewusster Einzelmensch ebenso wie als Rechtsstaat) alles tun, damit dieser andere seinen Inhalt weiter verbreiten kann. Meinungsfreiheit nur für jene, die so denken wie man selbst, wäre ja nur eine Karikatur.

Auch Nazis und Kommunisten schützten ihre Werteordnungen

Um die Notwendigkeit der echten Meinungsfreiheit zu unterstreichen, denke man an die Geschichte der letzten paar Jahrhunderte, da es eben keine Meinungsfreiheit gegeben hat. Da wurde in der mariatheresianischen Zeit sogar der Messbesuch kontrolliert; da gab es in der Nazi-Zeit den Zwang, die nationalistischen, antisemitischen und rassistischen „Werte“ der Nazis zu unterstützen; da musste bis 1989 halb Europa die „Werte“ des Klassenkampfes und des ausbeuterischen Aufbaus sozialistischer Gesellschaften einhalten. In Wahrheit wurde freilich immer die eigene Macht geschützt.

Jetzt droht also die Verordnung „europäischer Werte“. Schon etliche Urteile der obersten europäischen Gerichte (in Luxemburg wie Straßburg) in den letzten Jahren waren stark vom Geist einer Machtelite geprägt, die den Zwang zu einem politisch-korrekten Denken und Reden auf Kosten der Meinungsfreiheit durchsetzen will. Künftig will offenbar die Politik (oder zumindest ein Teil der politischen Klasse) wieder ganz unser Denken kontrollieren.

Natürlich hat der EU-Binnenmarkt, der freie und damit preisgünstige Austausch von Gütern und Dienstleistungen, den Europäern viel gebracht. Daher setzt sich jeder für seine Bewahrung ein, der die ökonomischen Grundrechnungsarten beherrscht. Aber es wäre ein absoluter Wahnsinn und absolut kontraproduktiv, wenn man Kritik am Binnenmarkt oder einzelnen seiner Aspekte als „Verstoß gegen die europäischen Werte“ zu bestrafen versucht.

Das schon deshalb, weil Menschen (erfreulicherweise) immer gerne das Gegenteil dessen glauben, was ihnen eine Obrigkeit zu glauben anordnet. Sie tun das zumindest ab dem Zeitpunkt, da sie die erste Lüge, Dummheit, Korruption dieser Obrigkeit entdecken. Und das war selbst unter einem Hitler oder Stalin trotz totaler Kontrolle über Medien und andere Kommunikationsschienen nicht zu verhindern.

Solange die EU eine reine Wirtschaftsgemeinschaft gewesen ist, hat sie sich auch ohne Zwang höchster Zustimmung und Sympathie erfreut. Die damalige EU passte auch gut zu dem zweiten großen und erfolgreichen Netzwerk der Nachkriegsjahre, der Nato, in der sich die Westeuropäer – und insbesondere die Amerikaner – gegenseitigen Beistand im Falle einer Bedrohung versprochen haben.

Brüssel sucht neue Betätigungsfelder

Beides hat exzellent funktioniert. Als aber nach 1989 die gemeinsame Herausforderung aus dem Osten weggefallen ist, haben die Machthaber, insbesondere die (von zweitklassigen Kommissaren geführte) Brüsseler Bürokratie neue Betätigungsfelder gesucht. Von der Justiz bis zur Kultur, von den Universitäten über die Währung und Duschköpfe bis zu den Glühbirnen haben sie begonnen, immer mehr zu regulieren, zu vereinheitlichen. Immer mehr Regeln und Richtlinien wurden den Gemeinden, Provinzen und den – sich interessanterweise noch für souverän haltenden – Staaten vorgeschrieben. Und damit vor allem den Menschen.

Viele in der EU taten das sicher in der besten Absicht. Oder, wie Margaret Thatcher es einmal formulierte: Wenn sie Italienerin wäre, würde sie vielleicht auch mehr auf Brüssel als auf Rom setzen. Umso enttäuschter ist man in Brüssel und Straßburg, weil die Menschen immer mehr auf innere Distanz zur EU gehen.

Wie schon so oft in der Geschichte ist den Menschen meist die mittelmäßige eigene Regierung lieber als ein sich für noch so weise haltender fremder Herrscher irgendwo weit draußen. An dieser Grundhaltung sind letztlich alle großen Reiche der Geschichte wieder zerbrochen. Was uns in den nächsten Monaten auch die hundertste Wiederkehr des Weltkriegs-Ausbruchs in Erinnerung ruft.

Die EU-Führer wären daher gut beraten, auch für sie ärgerliche Ansichten und Gruppierungen zu tolerieren. So wie es die Briten als Musterland der Demokratie vorbildlich vorexerzieren. Sie haben klargemacht, dass sie auch eine Sezession von Nordirland oder Schottland widerwillig, aber gelassen hinnehmen würden, wenn es dort eine Bevölkerungsmehrheit verlangt.

Genauso muss es Europa hinnehmen, wenn Gruppierungen wieder die Loslösung von der EU anstreben. Diese wäre klug beraten, auf jeden Versuch zu verzichten, unerwünschte und unverständliche Forderungen zu verbieten, zu bestrafen, oder sonstwie mit undemokratischen Mitteln zu unterdrücken.

So zu denken fällt freilich auch vielen autoritär strukturierten Mitgliedsstaaten gar nicht so einfach. Denn während sich die Briten zur prinzipiellen Tolerierung von Sezessionen durchgerungen haben, während die Tschechoslowakei eine solche schon erfolgreich absolviert hat, sehen andere EU-Staaten in der bloßen Idee noch immer Hochverrat. Ja, selbst das bloße Wort „Autonomie“ wird mancherorts bestraft.

Diese autoritär-zentralistischen Tendenzen sind besonders in jenen Staaten der EU übermächtig, in denen die Bevölkerung großer Gebiete – oder zumindest die mutmaßliche Mehrheit – weg will von diesem Staat. Man denke an die Basken und Katalanen, an die Südtiroler und Flamen, an die Ungarn in Rumänien und der Slowakei. Um nur die wichtigsten Gruppen zu wünschen, die unter Zwang zu einem nicht gewünschten Staat gehören.

Niemand hat bisher überhaupt definiert, was beispielsweise in dieser so grundlegenden Frage die angeblichen „europäischen Werte“ überhaupt bedeuten. Brutaler Zentralismus oder freie Entscheidung der Einwohner über die wichtigste staatspolitische Frage? Die EU schweigt. Aber dennoch wagen es europäische Politiker, von gemeinsamen Grundwerten der EU zu schwafeln. Und deren Nichteinhaltung zu bestrafen.

Auch Grundrechte ändern sich ständig

Allein der bloße Gedanke ist absurd. Sind doch auch in vielen anderen Fragen die „europäischen Werte“ eine absolute Schimäre, unter der jeder versteht, was er eben will. Selbst die sogenannten Grundrechte sind keine fixen Werte, sondern ändern sich ständig. Sollten sie aber einen Bestandteil der nie definierten, jedoch durch Strafen geschützten Werteordnung bilden (wie es eben bei totalitären Instrumenten der Fall ist), dann macht sich jeder Richter strafbar, der eine neue Judikatur entwickelt, und jeder Politiker und Beamte, der eine Änderung des Rechtsregeln vorschlägt.

Wenn eines hoffentlich fernen Tages die EU wieder auseinanderfallen sollte, dann sind jene die Hauptschuldigen, die die Union mit völlig unrealistischen Ansprüchen weit über den Aufbau eines Binnenmarkts hinaus aufzuladen versucht haben. Denn sie haben etwas versucht, was noch nie in der Geschichte dauerhaft geglückt ist, nämlich Werte und Loyalität mit Strafen durchzusetzen.

Um nicht missverstanden zu werden: Natürlich gibt es Werte, die in Europa mehr Signifikanz haben als in Asien oder Afrika. Aber dabei ist eben immer zentral, dass es Werte sind, die aus Überzeugung befolgt werden, und nicht aus Not oder Zwang oder Angst vor Strafe.

Auch "Anti-Feminismus" soll verboten werden

Aber diese Initiative ist noch lange nicht alles, wie die dominierende Linke in der EU die Meinungsfreiheit einschränken will. Es steht auch schon ein Richtlinienentwurf in den Pipelines der Kommission, welcher die Meinungsfreiheit auch noch auf anderen Gebieten einzuschränken  versucht. Schon die ersten Richtlinien-Entwürfe versuchen die Mitgliedsstaaten zu zwingen, Meinungen zu "bekämpfen", welche die Kommission als "anti-feministisch", "homophob", "xenophob", "ethnisch diskriminierend" oder "religiös intolerant" einstuft.

Wobei ja auch der Kampf gegen "religiöse Intoleranz" keineswegs so harmlos ist, wie er klingt. Denn in der europäischen Praxis wird diese Formulierung praktisch nur gegen die Kritiker des Islam eingesetzt. Gewiss: Dieser Text ist erst am Beginn des europäischen Gesetzeswergungsprozesses.

Was man gegen diesen Wahnsinn tun kann? Nun, das Dümmste wäre es jedenfalls, aus Protest gegen europäischen Totalitarismus und weitere Einschränkungen der Meinungsfreiheit etwa den EU-Wahlen fernzubleiben. Auch die ÖVP wird dabei wohl absolut unwählbar sein, wenn sie wirklich auf der fanatisch EU-zentralistischen Linie des Otmar Karas bleiben sollte.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Marode Unternehmen: Rettung durch den Staat? drucken

Frankreich leistet in verschiedenen Bereichen Hervorragendes. Einige der großen Rotweine aus Burgund, Bordeaux oder der südlichen Rhône sind unübertrefflich. Als Land der Modeschöpfer, Parfumeure und Schmuckproduzenten der Luxusklasse ist es unerreicht. Und im Stellen unbeteiligter Zuschauer bei einer Invasion setzt es bekanntlich Maßstäbe. Weniger toll läuft es indes mit Frankreichs Industrie, deren Anteil an seiner gesamten Wertschöpfung bei mittlerweile zehn Prozent angelangt ist – mit weiter fallender Tendenz.

Beim Erzrivalen Deutschland beträgt der gleiche Wert immerhin 23 Prozent. Besonders der Metallbranche und den Automobilherstellern geht es gar nicht gut. Die Weltnachfrage nach Autos französischer Provenienz ist ähnlich jener nach bulgarischen Ski, dänischem Wein oder jemenitischen Designermöbeln. Jeder, der einmal eine französische Karre gefahren hat, weiß auch warum.

Ein schwerer Nachfrageeinbruch im Segment der Kompaktfahrzeuge in Europa und stetig wachsende Konkurrenz aus Übersee tun das ihre, um den französischen Herstellern stärker zuzusetzen, als etwa den deutschen. Der PSA-Konzern (mit den Marken Peugeot und Citroen) schreibt seit Jahren tiefrote Zahlen. Der Hut brennt.

Es muss etwas geschehen! Die Politik ist gefordert! Ist sie das wirklich?

Die Wirtschaftsgeschichte zeigt: Unternehmen kommen und gehen. In einer arbeitsteiligen, innovativen, von Wettbewerb geprägten Volkswirtschaft ist das keine Katastrophe, sondern ganz normal. Unternehmen können, müssen aber nicht ein Menschenleben überdauern (das geschieht auch nur in den seltensten Fällen). Nur in Wirtschaftsfragen völlig unbedarfte Zeitgenossen halten Unternehmen, besonders die großen, für „unsinkbare Schiffe“.

Josef Schumpeter hat für das Phänomen der Verdrängung des unrentablen Alten durch das rentable Neue einst den Begriff „Schöpferische Zerstörung“ geprägt. Hunderttausende Landarbeiter, Leinenweber, Lastenträger und Schriftsetzer haben infolge des technischen Fortschritts ihre Arbeitsplätze verloren und an anderer Stelle Lohn und Brot gefunden. Der kleine Greißler ums Eck ist den Filialbetrieben der Handelsketten gewichen. Keine finsteren Mächte, sondern veränderte Konsumentenpräferenzen haben dafür gesorgt. Das mag mancher bedauern. Mit politischen Mitteln zu ändern ist es nicht.

Zweifellos ist es für unmittelbar Betroffene, Kapiteleigner wie Beschäftigte, dramatisch, seinen Betrieb untergehen zu sehen. Ihr Interesse an dessen Erhaltung ist daher verständlich. Allerdings stellt sich die Frage nach Kosten und Nutzen der Bewahrung eines Unternehmens, dessen Produkte nicht (mehr) gefragt sind. Kann es sinnvoll sein, die aus freien Stücken getroffenen Entscheidungen der Marktakteure konterkarieren zu wollen?

Zusätzliches Gewicht gewinnt diese Frage dann, wenn nicht ausschließlich Geld privater Investoren, sondern Steuermittel zu diesem Zweck aufgewendet werden sollen. Gegenwärtig wird von PSA ja nicht nur mit dem chinesischen Staatsbetrieb Dongfeng über eine Beteiligung verhandelt, sondern auch darüber spekuliert, ob die französische Regierung Steuermittel dazu einsetzen soll, um dem angeschlagenen Konzern unter die Arme zu greifen.

Vor nicht allzu langer Zeit erfolgten staatliche „Rettungsaktionen“ zum Beispiel für die angeschlagene Luftlinie Alitalia oder den Autohersteller General Motors. Wie sinnvoll sind derartige Engagements?

Empirisch lässt sich die volkswirtschaftliche Zweckmäßigkeit der Erhaltung von an der Nachfrage vorbei produzierenden Produzenten nicht nachweisen. Die Belohnung eines nicht marktorientierten Verhaltens, wie die subventionierte Produktion von nicht nachgefragten Gütern und Dienstleistungen, verursacht allemal Kosten, liefert aber netto keinen Nutzen.

Staatsinterventionen in die Wirtschaft sollen Konkurse verhindern, etwa von Banken, die es geschafft haben, von einer Regierung als „too big to fail“ eingestuft zu werden. Sie laufen aber regelmäßig auf die Zementierung bestehender, unwirtschaftlicher Strukturen hinaus und behindern notwendige Korrekturen und wirtschaftliche Innovationen.

Dass derlei „Rettungsaktionen“ ausschließlich Großbetrieben zugute kommen, die mit Steuermitteln finanziert werden, die von ordentlich wirtschaftenden KMU und deren Mitarbeitern erbracht werden, fügt dem ökonomischen Irrsinn den blanken Hohn hinzu: Der Staat plündert die Kleinen aus, um jene Giganten zu päppeln, welche die Kleinen peu à peu aufkaufen oder aus dem Geschäft drängen. Am Ende sehen dann linke Etatisten das marxistische Märchen von der „Gesetzmäßigkeit des kapitalistischen Konzentrationsprozesses“ bestätigt…

Die Menschen wissen sehr genau, weshalb sie keine Peugeots kaufen wollen. Es gibt keinen plausiblen Grund anzunehmen, dass es die französische Regierung besser wissen könnte. Der Ökonom und Pamphletist Frédéric Bastiat brachte das Problem mit folgender Formel auf den Punkt: „Was man sieht und was man nicht sieht.“ Eine staatliche Rettungsaktion erhält den Beschäftigten (zumindest kurzfristig) Tausende Arbeitsplätze, den Aktionären ihr Kapital und der Regierung eine Menge Wählerstimmen.

Das ist es, was man sieht. Das nun andernorts fehlende Geld kann allerdings nun nicht mehr in ertragreichere und, vor allem, zukunftstaugliche Projekte investiert werden, wo es wesentlich mehr Nutzen hätte stiften können. Das ist es, was man nicht sieht.

Ökonomisch kluge Entscheidungen sind daher nicht nur auf die Verwirklichung unmittelbar sichtbarer Ziele gerichtet, sondern beziehen auch allfällige, möglicherweise erst später eintretende „Kollateralschäden“ mit ein. Der bei Peugeot Verluste produzierende Ingenieur oder Facharbeiter könnte mittel- und langfristig in wirtschaftlich gesunden Unternehmen weit bessere Dienste leisten. Und das bei Peugeot verbrannte Kapital würde, anderweitig eingesetzt, erheblich mehr Wertschöpfung generieren.

Angesichts des von der linksradikalen Regierung Frankreichs hinreichend erbrachten Nachweises ihrer atemberaubenden wirtschaftspolitischen Inkompetenz, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass sie die jahrelang betriebene Misswirtschaft bei Peugeot mit Steuermitteln belohnen wird. Immerhin steht ja auch das Prestige der gallischen Autobauer auf dem Spiel. Und ohne Gloire und Grandeur geht ja bei den Franzosen schließlich gar nichts – auch nicht bei den ordinärsten Sozialisten…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Gut gemeint: Der Papst, die Sparsamkeit und die Effizienz drucken

Stündlich wird mit der Maßregelung des Bischofs von Limburg durch den Papst gerechnet. Der muss wohl handeln, will er nicht seinen binnen kurzem errungenen Ruf der persönlichen Bescheidenheit und Sparsamkeit gefährden. Nur: Wie sieht es mit der Sparsamkeit des Papstes selbst aus? Was kann man heute schon über die Effizienz seiner vielen gutgemeinten und weitpublizierten Aktionen sagen, außer dass sie gut gemeint waren? Ein näherer Blick auf diese zeigt: Gut gemeint ist noch keineswegs immer gut gelungen.

Der argentinisch-italienische Papst hat zwar im Gegensatz zu seinem deutsch-trockenen Vorgänger ein charismatisches Talent für Ausstrahlung und Symbole. Aber bisweilen sollte man auch nüchtern hinter die Symbole blicken und deren Wirkung prüfen.

Wohl meist publiziertes Symbol war der Entschluss des neuen Papstes, nicht in den von vielen seiner Vorgänger benutzten päpstlichen Gemächern zu wohnen, sondern in einem vatikanischen Gästehaus. Das ist für viele der Inbegriff der Bescheidenheit. Durchaus möglich, dass dieses Gästehaus tatsächlich bescheidener ist als die mit viel Geschichte und wohl auch Einrichtung belasteten päpstlichen Räume. Durchaus nachvollziehbar auch, dass Franziskus deren Abgeschiedenheit nicht sonderlich liebt.

Nur eines ist diese Wohnsitzwahl sicher auch: teurer als die Benutzung der alten Papstzimmer. Denn ein vatikanisches Gästehaus ist nichts anderes als ein Hotelbetrieb. Auch geistliche Menschen in violett oder Purpur müssen für dessen Benutzung zahlen, wenn sie ein paar Tage in Rom wohnen wollen. Und wenn dort ein oder mehrere Räume eben nicht mehr vermietet werden können, dann ist das ziemlich schlecht für dieses Gästehaus. Aus örtlichen wie aus Sicherheitsgründen kann der Vatikan aber nicht gleichsam ersatzweise die alte Papstwohnung vermieten. Die steht ungenützt und leer.

Gut gemeint war es aber, gewiss.

Gut gemeint waren auch die anfangs in aller Welt heftig und begeistert kommentierten Telefonanrufe des Papstes bei Menschen, die ihm Briefe oder Mails geschrieben haben. Welch ein wunderbares Gefühl, wenn plötzlich der Papst anruft. Nur: Dem Papst schreiben täglich auch Tausende andere. Darauf antworten aber so wie bisher nur Mitarbeiter im Namen des jeweiligen Papstes.

Jetzt aber werden all diese Menschen, die auch weiterhin nur solche Antworten bekommen, bitter enttäuscht sein. Was früher nicht der Fall war. Denn jetzt rechnet fast jeder Briefschreiber zumindest insgeheim mit dem Anruf eines „Francesco“ aus Rom. Damit ist aber im Ergebnis die Beglückung einzelner mit der Enttäuschung einer tausendfachen Vielzahl erkauft. Von den Spaßvögeln gar nicht zu reden, die angeblich schon Wetten abschließen, mit welcher besonders skurril erfundenen Geschichte es ihnen gelingen könnte, den Papst an den Apparat zu bekommen.

Gut gemeint, gewiss.

Gut gemeint war auch der demonstrative Besuch des Papstes auf Lampedusa, also auf jener italienischen Insel, vor deren Küste Schlepperschiffe die transportierten „Passagiere“ ins Meer setzen (weil sie ja nicht sonderlich gerne anlegen). Nur sehr naive Menschen können es für einen Zufall halten, dass seit diesem Besuch viel mehr Afrikaner – die ja alle daheim vom Papst-Auftritt gelesen, gehört und gesehen haben – die Überfuhr nach Lampedusa versuchen als in früheren Monaten und Jahren.

Gut gemeint, gewiss.

Gut gemeint sind wohl auch die Predigten des Papstes gegen Armut, Hunger und Profit. Nur wird dadurch noch nichts geändert. Viel sinnvoller wäre es gewesen, wenn der Papst klar gesagt hätte, was im Kampf gegen Hunger und Armut wirklich geholfen hat: Das war der Kapitalismus, die Marktwirtschaft, der Rechtsstaat.

Dieser Zusammenhang ist leicht beweisbar. Je mehr ein Land an der wirtschaftlichen Globalisierung teilnimmt, je mehr es die Mechanismen des Marktes wirken lässt, je sauberer und schlanker eine staatliche Verwaltung ist, je weniger sich islamische Geistliche in die Politik einmischen können, je mehr Möglichkeiten die Einzelinitiative jedes Menschen im Vergleich zu Anordnungen der Regierung hat, umso erfolgreicher ist ein Land. Ob man den Erfolg nun am Kampf gegen Hunger und Krankheiten misst oder an einer höheren Lebenserwartung. Aus solchen Ländern will dann übrigens auch kaum noch jemand auswandern. Egal, ob Richtung Lampedusa oder sonstwo hin.

Aus den Texten des früheren Papstes hat man all dieses Wissen und die damit verbundene Weisheit auch herauslesen können. Aus denen des jetzigen Papstes kann man nur herauslesen, dass er es wirklich gut meint, dass er aber nicht wirklich eine Ahnung hat, wie all das denn überhaupt  zusammenhängt. Man sollte es ihm nicht wirklich vorwerfen: Ich glaube nicht, dass man in Argentinien in den letzten Jahrzehnten irgendwo wirtschaftlich Nachahmenswertes lernen konnte. Dazu hätte man schon über die lange Grenze mit Chile nach Westen fahren müssen. Die Tradition der katholischen Kirche, dass man eigentlich immer ein schlechtes Gewissen haben muss, dass nie etwas von Menschen Unternommenes auch gut gelungen sein kann, ist vielleicht nicht ganz hilfreich zur Beurteilung der Effizienz von Entwicklungspolitik.

PS.: Um nicht missverstanden zu werden: Das alles ist weder direkt noch indirekt eine Unterstützung für die von allen Medien berichtete Verschwendungssucht des Limburger Bischofs. Sein Verhalten sollte für kirchliche Würdenträger in alle Zukunft abschreckend sein. Nur eines darf man dem Bischof zubilligen: Sehr viele Bischöfe leben in Gebäuden, deren Errichtung durch noch viel mehr Bauprunk und noch höhere Kosten geprägt gewesen ist. Die Päpste tun das erst recht. Aber dennoch war das die beste Investititon, die jemals in Rom getätigt worden ist. Oder Salzburg: Man stelle sich den Rang der Stadt vor ohne die Prachtbauten der früheren Fürsterzbischöfe. Nur sind eben die Salzburger und all die anderen Bischöfe heute mit (vor allem für die Kirche!) gutem Grund nicht mehr „Fürsten“. Da passt der Prunk nicht mehr. Und das ist gut so. In Hinblick auf die Vergangenheit können Christen aber jedenfalls weiterhin durchaus stolz sein auf all die einmaligen Zeugnisse der architektonischen und sonstigen Kulturleistungen im Namen der Kirche. Über Tausend Jahre waren Mönche und Bischöfe die weitaus wichtigsten Träger der Zivilisation und jeder Form von Kultur in einem lange recht unzivilisierten Kontinent gewesen. Und manch ein Bischof glaubt halt, noch in diesen Zeiten zu leben.

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Die Erpresser drucken

„Wir können Erpressung in unserer Demokratie nicht zur Routine werden lassen.“ Also sprach Barack Obama am Höhepunkt seines Kriegs mit der Mehrheit des Repräsentantenhauses, der für die Weltwirtschaft schon bedrohlich geworden ist. Klingt völlig richtig. Nur: sind es immer bloß die anderen, die erpressen?

Denn in Wahrheit haben sowohl der amerikanische Präsident den Kongress, wie auch der Kongress den Präsidenten zu erpressen versucht. Beide Seiten erpressen einander. Und Amerikas Verfassung gibt da keiner Seite automatisch das letzte Wort.

Ganz ähnlich ist es auch anderswo. Etwa in Österreich. Alle Oppositionsparteien sagen: Wenn uns Rot-Schwarz nicht das Oppositionsrecht auf U-Ausschüsse gibt, stimmen wir keinem Verfassungsgesetz mehr zu. Ein solches wird aber etwa der EU wegen immer wieder nötig. Glatte Erpressung, denn inhaltlich hat das eine mit dem anderen nichts zu tun.

Genauso geht es aber auch in der Koalition zu: Die Interessen von Bauern oder Branchen werden im Gegenzug für den Ausbau des Wohlfahrtsstaats abgetauscht. Das wird dann zwar als toller Kompromiss verkauft, ist aber nichts anderes als gegenseitige Erpressung. Dabei einigt man sich meist zu Lasten Dritter, nämlich der künftigen Steuerzahler. Diese müssen die dabei entstehenden Schulden einmal abzahlen. Via Steuererhöhungen, via Inflation oder (am wahrscheinlichsten) auf beiden Wegen.

Am schlimmsten ist die Erpressung, die alle Staaten gegenüber ihren Bürgern begehen: Entweder du zahlst alle von uns festgesetzten Steuern, Gebühren und Abgaben oder wir holen uns das Geld mit Gewalt. Eine Exekution ist ja nichts anderes als Gewalt.

Gewiss, Steuerzahlen kann sich nicht auf freiwillige Spenden reduzieren. Aber gerecht wäre der Steuer-Zwang nur, wenn es auch eine echte Mitsprache der Bürger bei den ständig höher werdenden Ausgaben durch die Politik gäbe. So wie es eigentlich ja auch der Urgedanke der Demokratie war. Eine solche Mitsprache verweigern aber bis auf die Schweiz praktisch alle Machthaber. Deshalb hat gerade die Schweiz besonders niedrige Steuern und einen besonders hohen Wohlstand.

Auch die Amerikaner hätten mit großer Mehrheit die Einführung von „Obamacare“ abgelehnt. Ohne eine solche Legitimation fällt es aber schwer zu sagen, Bürger und Abgeordnete dürfen sich nicht mit legalen Mitteln gegen ständige Neuverschuldungen wehren, die – nicht nur, aber eben auch – durch diese Gesundheitsversicherung notwendig wird.

Das Tragische ist jetzt aber, dass ein plötzlicher Neuverschuldungsstopp – dessen Herannahen der Präsident noch vor einem Monat ignoriert hatte – schockartige Folgen für die gesamte Weltwirtschaft haben wird. Diese reagiert logischerweise wie ein schwer Süchtiger, der plötzlich zu einem totalen „harten“ Entzug gezwungen wird. Aber insgesamt sollte es keine Frage sein, dass ein geordneter Entzug dringend notwendig wäre. Für Amerika wie für Europa.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Die Kunst der Zentralbanken drucken

Janet Yellen wird also die neue Chefin der wichtigsten Zentralbank der Welt, der amerikanischen Federal Reserve Bank. Die Nachfolgerin von „Helikopter-Ben“ Bernanke ist eine überzeugte Befürworterin „kontrollierter Inflation“. Der zu erwartende Kurs: Fortsetzung, oder gar weitere Intensivierung der Politik des „quantitative easing“. Die amerikanische Notenpresse wird so bald also nicht zur Ruhe kommen.

Am gleichen Tag, da Yellen ernannt wurde, befasste sich im Wiener Hayek-Institut der Chefökonom der BlackSummit Financial Group mit den Herausforderungen für das weltweite Finanzsystem. Der griechischstämmige Amerikaner John E. Charalambakis, der auch an Universitäten lehrt, konstatierte: Das entscheidende Problem der „westlichen Welt“ bestehe heute darin, dass sie die Fähigkeit verloren hat, Wohlstand mittels Kapitalbildung zu produzieren. Kapitalismus ohne Kapitalakkumulation sei indes unmöglich.

Man dürfe keinesfalls den Fehler begehen, Kapital (assets) mit Haftungen und Verpflichtungen (liabilities) zu verwechseln. Nichts anders als derartige Schuldtitel aber seien etwa Staatsanleihen oder auf dem Finanzmarkt gehandelte Derivate. Dabei handle es sich lediglich um Forderungen, die durch nichts anderes als „…aus dünner Luft geschaffene Kredite“ entstanden und durch keinerlei Realwerte unterlegt seien. Durch Sparen gebildetes Kapital dagegen produziere „greifbare“ Werte. Es könne so zur Grundlage der Wohlstandsmehrung werden. Gewinne würden heute aber zum Großteil nicht mehr durch die Produktion von Waren und Dienstleistungen, sondern vielmehr durch Geldgeschäfte realisiert.

Die Zentralbanken stünden nunmehr vor der paradoxen Aufgabe, jene Banken, welche ihre „ultimativen Reserven“ bei ihr zu halten hätten, mit eben diesen Reserven auszustatten, sobald sie in Probleme geraten würden. Das sei der Weg in die „mengenmäßige Lockerung der Geldproduktion“ – in die hemmungslose Ausweitung der ungedeckten Geldmenge.

Es sei aber klar, dass diese Politik zu Blasenbildungen führe und alle Blasen – gleichgültig, ob sie sich im Wertpapier- oder Immobiliensektor bilden – früher oder später platzen und die Anleger mit Verlusten zurücklassen. Zudem wären die Zentralbanken mittlerweile dazu übergegangen, Staatsschulden zu „monetisieren“ [Staatsanleihen direkt oder indirekt aufzukaufen und damit unmittelbar den Staat zu finanzieren, Anm.], während sie durch eine künstliche Absenkung des Zinssatzes „finanzielle Repression“ betrieben [ein Vorgang, den man, weniger euphemistisch, auch als Raub an den Sparern bezeichnen könnte, Anm.].

Charalambakis befürchtet, dass das System in dieser Art zwar noch ein paar Jahre lang fortzuführen sein wird – wenn auch nur unter der Voraussetzung, dass die Geldmengenausweitung gebremst wird („tapering“) und es damit zu einem Zinsanstieg kommen kann. So oder so aber sei die in den zurückliegenden Jahren explosionsartig erfolgte Ausweitung der Geldreserven so weit fortgeschritten, dass damit jedenfalls die Voraussetzungen für eine „Implosion“ geschaffen worden seien.

Wir würden es dann mit der „Mutter aller Krisen“ zu tun bekommen, gegen die sich die Depressionszeit nach 1929 oder der Crash von 2007/2008 als geradezu harmlos ausnehmen würde. Arbeitslosenquoten von 50 Prozent wären mithin zu erwarten. Schon David Ricardo habe einst festgestellt, dass „weder ein Staat noch eine Bank jemals die Macht hatten, unbegrenzte Mengen von Papiergeld zu produzieren – ohne diese Macht zu missbrauchen.“

Wäre der Wohlstand einer Nation tatsächlich, wie von der Hauptstromökonomie hartnäckig behauptet, von der Geldproduktion abhängig, müsste Zimbabwe ein Paradies sein. Zimbabwe ist indes kein Paradies, ebenso wenig wie Haiti oder Argentinien. Ein Europäer, der anno 1900 ans Auswandern gedacht habe, hätte sich zwischen Buenos Aires und New York entscheiden können, indem er eine Münze wirft. Argentinien sei damals wirtschaftlich ebenso attraktiv gewesen wie die USA. Heute dagegen liege Argentinien, dank seiner katastrophalen Finanzpolitik, am Boden und keiner wolle mehr dorthin.

Im wirtschaftlichen Wettstreit mit Europa verfügten die USA – trotz aller in der Vergangenheit begangenen Fehler – über die weitaus besseren Karten:

  •  USA hätten den Weg in die „Energieautarkie“ geschafft – was eine billigere Produktion, höhere Wirtschaftlichkeit der Industrie und damit erhebliche Wettbewerbsvorteile bedeute;
  • Alle wesentlichen Innovationen stammten nach wie vor aus den USA, nicht aus Europa. Produziert wird zwar vielfach in China oder in Korea, die wertvollen Ideen aber kämen aus Amerika;
  • Europa sei überreguliert;
  • Der Euro sei „dysfunktional“.

Charalambakis plädiert für ein „solides Geld“, das jedenfalls über einen „inneren Wert“ verfügen müsse und keinen bloßen Schuldtitel repräsentiere. „Echtes Geld hat Sicherheiten hinter sich.“ Er schlägt als Basis dieser Sicherheiten ein „Warenbündel“ vor, das z. B. aus Edelmetallen, Öl und Korn bestehen könnte. Auf dieser Grundlage trete er für ein „Free Banking“ ein – und für das Ende der Zentralbanken.

Man würde nicht auf die Idee kommen, den Preis für Mäntel, Autos, etc. politisch festsetzen zu wollen. Bis vor genau hundert Jahren, als das US-Fed-System aus der Taufe gehoben wurde, habe auch niemand je daran gedacht, den Preis für Geld (den Zins) zentral und politisch zu steuern. Die Idee der planwirtschaftlichen Festsetzung des Geldpreises sei ebenso wenig mit einer freien Ökonomie zu vereinbaren, wie ein (staatliches) Geldmonopol.

Der Gedanke, dass „geborgte Reserven“ als Dünger für neu zu schaffende wirtschaftliche Aktivitäten fungieren, mittels derer reales Kapital gebildet und die herrschende Krise überwunden werden könne, sei illusorisch. Der „Krebs“ im System sei die ungebremste Ausweitung des Kredits. Das Kreditsystem müsse daher einem chirurgischen Eingriff unterzogen werden. Sollte es dadurch kurzfristig zu einer Kreditverknappung kommen, habe das mittel- und langfristig nur positive Effekte: Seriöses Wirtschaften würde sich dann wieder lohnen.

Zum Problemfall Griechenland: Es sei ein Fehler der griechischen Regierung gewesen, sich auf ein von der „Troika“ orchestriertes „Bail-out“ einzulassen. Dieses habe faktisch ausschließlich den involvierten Banken geholfen, nicht jedoch dem griechischen Staat oder dessen Bürgern. Es wäre stattdessen wesentlich besser gewesen, eine Staatspleite hinzulegen.

Charalambakis erwartet, dass das Beispiel Zyperns („Bail-in“) Schule macht und in den nächsten Jahren auch andere Länder (etwa Griechenland) dessen Beispiel folgen könnten. Einen Zerfall der Eurozone halte er für nicht ausgeschlossen. Länder wie Griechenland könnten sich dann etwa der Dollar-Zone (!) anschließen…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Wie eine Privatrechtsgesellschaft freier Bürger aussehen könnte drucken

Die „Österreichischen Schule der Volkswirtschaftslehre“ greift weit über den Bereich der Ökonomie hinaus. Das zeigt etwa das 1949 erschienenen Hauptwerk Ludwig von Mises’, „Human Action“. Die Lehren der „Österreichischen Schule“ könnten als Grundlage einer ausschließlich privatrechtsbasierten Gesellschaftsordnung dienen.

Ohne auf Fragen hinsichtlich deren technischen Organisation im Detail einzugehen, soll an dieser Stelle, anhand der Beurteilung sich jeder Gesellschaft stellenden Herausforderungen, das Wesen einer staatsfreien Privatrechtsgesellschaft erläutert werden.

Soziale Sicherung

Erfolgt durch den Einzelnen. Keine, oder sehr niedrige Steuern und keinerlei Hindernisse auf dem Weg in die selbständige Tätigkeit begünstigen die Möglichkeit zur Eigenvorsorge. Damit reduziert sich der Anteil der Bedürftigen auf eine leicht überschaubare Zahl von Personen. Wenige gibt es, die nicht können. Viele dagegen, die (vom rezenten Wohlfahrtstaat dazu nach Kräften motiviert!) nicht wollen!

Es kann aber kein Recht darauf geben, auf Kosten anderer zu leben – ohne damit innere Widersprüche zu etablieren. Damit gibt es aber auch keine garantierten Ansprüche auf Vermögensbestandteile Dritter. Ein Rechtsanspruch auf von Dritten zu leistende Frondienste existiert daher nicht. Wohlfahrt ist eine Aufgabe freiwilliger Verbände wie Caritas, Diakonie oder nichtkonfessioneller wohltätiger Organisationen.

Gesundheitswesen

Nahrung, Bekleidung und Behausung kosten Geld. Gesundheitsdienstleistungen ebenfalls. Es gibt keinen logischen Grund, warum man zwar für einen Mantel, eine Semmel oder einen Liter Milch bezahlen muss, den Gips am Bein oder ein Antirheumatikum aber „gratis“ erhalten soll. Das staatliche Krankheitsverwaltungssystem ist ineffizient und teuer (Beispiel: Krankenhäuser in unmittelbarer Nähe zueinander, wie in Mödling/Baden oder Stockerau/Korneuburg) – und von widerstreitenden Interessen geprägt.

Die Kostenintransparenz für die Beitragszahler sorgt für eine unbekümmerte Nachfrage. Die Förderung einer Nulltarifmentalität lädt zu sozialer Verantwortungslosigkeit ein. Private Arztpraxen werden (nicht nur von Rentnern) als kommode Wärmestuben zweckentfremdet. Das Vergnügen am Verzehr unbekömmlicher Kost, an exzessivem Alkoholkonsum oder der Ausübung gefährlicher Sportarten liegt beim Einzelnen, die Kosten der Wiederherstellung dadurch Erkrankter dagegen werden sozialisiert.

In einer Privatrechtsgesellschaft existiert dagegen weder eine Zwangsversicherung noch eine Versicherungspflicht. Wer Leistungen benötigt, bezahlt entweder selbst dafür, oder die von ihm freiwillig abgeschlossene Versicherung tut das. Wer nicht zahlt, hat auch keine Ansprüche. Er kann sich aber im Notfall jederzeit an privat finanzierte Hilfsorganisation wenden.

Geld

Es gibt weder ein staatlich verordnetes noch produziertes Zwangsgeld. Geld war von Anbeginn ein Produkt des Marktes – nicht das einer planenden Behörde. Staatliche Währungsmonopole und ein freier Markt passen nicht zueinander! Geld ist, wie auch die Sprache, „spontan“ entstanden, als Folge menschlichen Handelns, nicht als per Hoheitsakt konstruiertes Ergebnis eines Plans.

Jeder Bürger ist frei zu entscheiden, in welcher Währung er seine Geschäfte abzuwickeln wünscht. Wer das für utopische Phantasie hält, sollte sich vergegenwärtigen, dass in den USA erst 1913 eine einheitliche Währung und ein monopolistischer Geldproduzent auf den Plan trat.

Noch jedes staatliche Geld wurde früher oder später ein Opfer von Manipulationen zu Lasten der Bürger: Hyperinflationen, Währungsreformen und Geldwertvernichtung sind das typische Kennzeichen staatlicher Geldmonopole. Zentralbanken sind Inflationierungsbehörden und damit die natürlichen Feinde jedes Sparers.

Pensionen

Prinzip Eigenvorsorge. Einen „Generationsvertrag“, gibt es nicht. Staatliche Umlagesysteme gleichen in einer alternden Gesellschaft Pyramidenspielen. Jeder Bürger hat daher nach Belieben und seinen Möglichkeiten selbst für sein Alter vorzusorgen, mittels Lebensversicherungen, Firmenbeteiligungen, Vermietung und Verpachtung, durch das Anlegen von Horten, etc., oder er arbeitet stattdessen lebenslänglich – was dem herrschenden Frühverrentungszeitgeist natürlich massiv zuwiderläuft.

Für Problemfälle – aus Eigenverschulden oder schicksalhaft bedingt – sind private Wohlfahrtsvereine zuständig. Die jahrzehntelang geübte Praxis des jedes Verantwortungsgefühl zerstörenden Wohlfahrtsstaates hat zu einer Erosion des Vorsorgegedankens geführt.

Das beschriebene, privat organisierte System hat sich indes als absolut funktionstüchtig erwiesen. Chile hat unter Augusto Pinochet und Jose Pinera die Umstellung des Umlagesystems auf ein durch Kapital gedecktes Prinzip erfolgreich vorexerziert. Und es funktioniert – ohne dass Menschen zu Hunderttausenden verhungern. Denn sie wissen eben, dass sie für sich selbst verantwortlich sind!

Schule

Es gibt keine staatliche Zwangsvollstreckung – und damit auch keine Kindesverstaatlichung wie im Status quo. Staatliche Schule bedeutet zuallererst Erziehung und Formung von Untertanen, nicht aber die Vermittlung relevanter Bildung. Ohne entsprechende Bildung und berufliche Ausbildung kann eine zunehmend wissensbasierte Gesellschaft aber nicht überleben. Es ist daher zunächst an den Eltern, für ihre Kinder die ersten Weichen zu stellen und für deren Unterricht zu sorgen. Das kann in professionellen Anstalten, in privat finanzierten Schulen, oder – wie in den USA, insbesondere bei religiösen Randgruppen weit verbreitet – auch in Form von „Homeschooling“ erfolgen. Die Eltern sind allemal die vertrauenswürdigsten und besten Anwälte ihrer Kinder, nicht die bezahlten Agenten des Leviathans.

Wie Milton Friedman einst korrekt festgestellt hat: „Es gibt kein freies Mittagessen!“ Schulen, Akademien und Universitäten sind daher kostenpflichtig. Der Wettbewerb unter den Anbietern von Bildungsinhalten sorgt – wie in jedem anderen nach Marktgesetzmäßigkeiten organisierten Bereich – für Qualität und niedrige Kosten. Die Kinder von Mittellosen oder Waisen werden von Sponsoren und Schulmäzenen unterstützt.

Drogen, Kriminalität

„Opferlose Verbrechen“ gibt es in einer freien Gesellschaft nicht. Entweder die Rechte Dritter werden verletzt oder eben nicht. Wer sich in seinem Haus betrinkt, Marihuana raucht oder Sexorgien mit zustimmenden Erwachsenden organisiert, schädigt niemanden. Wer mit seinem Ferrari – dort wo es gefahrlos möglich ist - Tempo 300 fährt, auch nicht.

Derlei „Vergehen“ sind daher keine und werden folglich auch nicht bestraft. Konsequenzen hat indes derjenige zu gewärtigen, der Dritte, etwa in Folge unverantwortlichen Schnellfahrens in alkoholisiertem Zustand, schädigt.

Aufgabe der Sicherheitspolitik ist es, die kollektive Sicherheit zu befördern, nicht sie zu reduzieren. Durch die Kriminalisierung von Drogen, egal ob Alkohol, Cannabis oder Heroin, geschieht aber genau das. Man züchtet die organisierte Kriminalität der Drogenproduzenten und -verteiler einerseits und die Beschaffungskriminalität der Abhängigen andererseits. Mehr als 50 Prozent der Gefängnisinsassen in den USA sitzen mittelbar oder unmittelbar wegen Drogendelikten ein. Im Norden Mexikos tobt – einer irrwitzigen Drogengesetzgebung sei Dank – seit geraumer Zeit ein regelrechter Krieg, der jährlich Tausende Menschenleben fordert.

Es steht einem Staat nicht zu, mündigen Bürgern in Fragen der privaten Lebensführung Vorschriften zu machen. Kinder über die Gefahr des Drogenkonsums aufzuklären, bzw. sie davon fernzuhalten, ist zuallererst die Aufgabe der Eltern, nicht die einer staatlichen Tugendbehörde.

Paternalismus hat in einer freisinnigen Gesellschaft keinen Platz. Bei der Verfolgung von Verbrechen steht das Ziel der Wiedergutmachung, nicht das bloße Wegsperren von Delinquenten auf Kosten der Opfern, im Mittelpunkt. Mörder haben keinen Anspruch darauf, weiterzuleben, da sie ein Leben „gestohlen“ haben und der Grundsatz des Tatausgleichs die Rückgabe des gestohlenen Gutes erfordert.

Ehe, Familie

Es liegt auf der Hand, dass Eltern in längeren Zeithorizonten denken als Kinderlose. Nach den Eltern kommt eben nicht – wie für kinderlose Hedonisten – die Sintflut. Die Zeitpräferenzrate liegt bei ihnen füglich niedriger als bei Menschen ohne Kinder. Eine niedrige Zeitpräferenz – also die Fähigkeit und Bereitschaft, Konsumentscheidungen zugunsten der Nachkommen auf die Zukunft zu verschieben, begünstigt die Vermögensbildung.

Eine Gesellschaft, in der Eigenverantwortung und Zukunftsorientierung etwas zählen, wird daher der Ehe und Mehrkindfamilien positiv gegenüberstehen. Der Wohlfahrtsstaat hat es im krassen Gegensatz dazu dahin gebracht, dass nur noch das Prekariat sich reproduziert – und zwar zu Lasten des Mittelstandes, der sich Kinder nicht mehr leisten zukönnen glaubt.

Die daraus resultierende Abwärtsspirale hat etwa Thilo Sarrazin in seinem Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ in allen Details beschrieben, ohne allerdings zur logischen Konsequenz zu finden, den Wohlfahrtsstaat dafür verantwortlich zu machen und dessen sofortige Abschaffung zu fordern.

Landesverteidigung

Zwangsverpflichtung – eine allgemeine Wehrpflicht – gibt es nicht. Bürger gegen deren Willen zu einem Dienst zu pressen, mit dessen Zielen sie sich nicht identifizieren können, liegt nahe an der Sklaverei und ist daher inakzeptabel. Die Verteidigung nach außen erfolgt, nach dem Vorbild der Armee George Washingtons im Unabhängigkeitskrieg gegen die Briten, ausschließlich durch Freiwilligenmilizen,verstärkt durch professionelle Kader, die für den Einsatz modernster Waffensysteme verantwortlich sind. Diese können von privaten Sicherheitsfirmen bereitgestellt werden.

Erst die allgemeine Wehrpflicht, die im Zuge der napoleonischen Kriege „erfunden“ wurde, hat zu einer totalen Politisierung und Militarisierung der Gesellschaften geführt, die vordem undenkbar war. Die Nachteile einer Zwangsrekrutierung sind unübersehbar.

Waffenbesitz

Ist frei. Kein redliches Geschäft – auch nicht der Kauf eines Gewehres – unterliegt einer Beschränkung. Kriminelle finden immer Mittel und Wege, sich zu bewaffnen. Es ist zynisch, friedliebende Bürger – die potentiellen Opfer – zu entwaffnen, während man die illegale Bewaffnung krimineller Gewalttäter niemals unterbinden kann und damit rechtschaffene Bürger der Willkür von Gangstern aussetzt, denen sie sich wehrlos gegenübersehen.

An der Freiheit des Waffenbesitzes bemisst sich die Freiheit der Bürger einer Gesellschaft. Sklaven und den Insassen totalitärer Staatsgebilde war und ist der Waffenbesitz strikt verboten.

Diskriminierungsverbote

Gibt es in einer freien Gesellschaft nicht. Diskriminieren heißt unterscheiden und das kann nicht ohne Zerstörung der Freiheit unterbunden werden. Jedermann kann frei entscheiden, mit wem er Verträge abzuschließen gedenkt und mit wem nicht. Derjenige, der aus Angst vor einem Vermögensschaden oder aus Sorge um seine Sicherheit seine Wohnung nicht an Schwarze, Briten, Rothaarige, Brillenträger oder Behinderte vermieten will, kann dazu nicht genötigt werden.

Der Gastwirt, der sich etwa weigert, Familien mit Kindern zu bedienen, weil er keine Kinder mag, der darf das tun. Er hat dafür die Kosten der von ihm geübten Diskriminierung zu tragen – indem er auf Geschäfte mit Familien verzichtet.

Ein konsequent zu Ende gedachtes Diskriminierungsverbot würde selbst die Wahl des Sexualpartners kriminalisieren. Dann hätten nämlich alle verschmähten Kandidaten ein Schadenersatzrecht gegen den/die Diskriminierende(n). Welch eine absurde Vorstellung!

Subventionen/Protektionismus

Subventionen sind der klassische Ausdruck für die Unterstützung eines vom Markt abgelehnten Verhaltens. Wenn niemand Maßschuhe oder Maßanzüge nachfragt, ist es widersinnig, Menschen dafür zu belohnen, dass sie Schuhe oder Anzüge per Hand herstellen. Das würde einerseits unwirtschaftliches Handeln fördern und andererseits die Entscheidung von Menschen, die bereits auf dem Markt ihre Präferenzen bekundet haben, indem sie nämlich keine Maßschuhe oder -anzüge kaufen, konterkarieren.

Auf Basis welchen Rechts sollte das geschehen? Subventionen – gleich wofür – widersprechen dem Prinzip der freien Entscheidung des mündigen Bürgers und sind daher abzulehnen. Sie sind ein Instrument planwirtschaftlichen Denkens und führen zwangsläufig zur Konservierung unrentabler Strukturen, zur Umverteilung von produktiven zu unproduktiven Teilen der Wirtschaft, gleich welcher Branche.

Umweltfragen

Eine freie Gesellschaft ist nicht blind für Umweltfragen. Es war der Staat des 19. Jahrhunderts, der – um bestimmte Industrien zu fördern – einseitig in Eigentumsrechte eingegriffen und die Möglichkeit zur Forderung von Schadenswiedergutmachung ausgeschlossen hat – z. B. infolge von Schmutzemissionen.

Ein strikt angewandtes Eigentumsrecht bietet jederzeit Titel zur Klage gegen die individuelle Schädigung durch Fremdeinwirkung. Für die ist allerdings ein Nachweis zu erbringen, der mitunter schwierig gelingt.

Zusammenfassung

Der auf den Erkenntnissen der Österreichischen Schule fußende Libertarismus orientiert sich strikt am Individuum und lehnt jeden Kollektivismus ab. Seine Wurzeln reichen in die Spätscholastik, wie den in Salamanca lehrenden Jesuiten Mariana, in die Philosophie von John Locke und die der schottischen Moralphilosophen David Hume und Adam Smith, sowie zu den französischen Physiokraten wie Jean-Babtiste Say und Frédéric Bastiat zurück.

Der immer wieder gegen den Libertarismus erhobene Vorwurf der „Unchristlichkeit“ entbehrt jeder Grundlage: Das Neue Testament kennt ebenfalls ausschließlich die Verantwortung des Einzelnen! In einer auf strikte Subsidiarität bedachten Gesellschaft freier Bürger ist – wie auch in der christlichen Lehre – kein Platz für Paternalismus, Zwang und Gewalt!

Eine libertäre Alternative zum Zentralismus bildet, neben der oben beschriebenen „voluntaristischen“ Privatrechtsgesellschaft, auch die Kleinstaaterei. Je kleiner die politische Einheit, desto milder der Umgang deren Regierung mit dem Bürger. Die Möglichkeit zur „Abstimmung mit den Füßen“ zwingt die politischen Eliten zum Maßhalten. Positive Beispiele: Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg Hong Kong, Singapur – allesamt im Index of Economic Freedom der Heritage Foundation auf den vordersten Plätzen.

Die radikalere Alternative zum staatlichen System ist dagegen das herrschaftsfreie, privatrechtlich organisiertes System, frei finanziert, ohne die Pflicht zur Leistung von Zwangsabgaben, in welchem der Rechts- und Eigentumsschutz des Bürgers von miteinander konkurrierenden Agenturen wahrgenommen wird. Diese Agenturen könnten etwa aus heute bestehenden Versicherungsunternehmen hervorgehen.

Private Firmen, die sich des Eigentumsschutzes der bei ihnen Versicherten annehmen, hätten – im Gegensatz zum Staat – größtes Interesse an Konflikt- und Schadensvermeidung und würden den Bürger, falls dennoch ein Schaden einträte, abfinden. Der Staat dagegen maximiert unentwegt seine Einnahmen, ohne aber den Bürgern entsprechend verbesserte Leistungen anzubieten.

Am Beginn des Weges steht in jedem Fall die Zurückdrängung von Zwangsgesellschaften durch das Instrument der Sezession. Das bedeutet den Austritt kleinerer aus größeren Organisationen – das Gegenteil dessen, was wir gegenwärtig im Zuge des Ausbaus der politischen Strukturen der EUdSSR erleben. Der Frieden und Wohlstand mehrende Freihandel benötigt keine politische Union – keine harmonisierten Sozialstandards und schon gar keine „harmonisierten“ Steuerlasten.Die Träger des Marktes – freie Bürger – treffen „zwanglos“ täglich ihre demokratischen Entscheidungen mit der Geldbörse: Jede ausgegebene Geldeinheit ist eine Stimme – und damit die perfekte Demokratie der Zahler.

Ob der Wohlfahrtsstaat an seine Grenzen gekommen ist und implodieren wird wie der Sozialismus anno 1989, ist also nicht mehr die Frage. Diese stellt sich lediglich nach dem Zeitpunkt, zu dem das geschieht, und der vermutlich recht dissonanten Begleitmusik dieses Ereignisses.

Margaret Thatcher stellte einst hellsichtig fest: „Das Problem mit dem Sozialismus ist, dass ihm früher oder später das Geld fremder Leute ausgeht.“ Wir sind mittlerweile so weit. Es ist daher an der Zeit für etwas Neues!

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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H.C. Drückeberger drucken

Der Mann kann zwar gut Fahnenschwingen, er hat aber teuflische Angst vor der Regierungsverantwortung. Das wurde seit dem Wahltag endgültig klar. Etwa durch Straches entlarvenden Satz: „Die FPÖ führt keinen Wahlkampf. Sie ist Wahlkampf.“ Wenn man immer Wahlkampf „ist“, dann kann man nie Regierung sein. Vielleicht erzählt aber jemand Strache und der restlichen Für-ewig-Oppositions-Fraktion in der FPÖ, was in Norwegen derzeit geradezu als Selbstverständlichkeit passiert. Und der ÖVP, was sich in Großbritannien und Ungarn andere konservative Parteien trauen (Die Gutmenschen haben die Schwarzen ja ohnedies schon weitgehend an Grüne und Neos verloren).

Zuerst zum freiheitlichen Parteichef. Er zeigt sich auch nach Wahl, auch nach dem Verschwinden der Rivalen vom BZÖ, nicht ernsthaft interessiert, eine Regierung zu bilden. Wenn er sagt, er will „keine Gespräche über die Hintertür“, dann will er gar keine Gespräche, auch wenn man formell ein FPÖ-Verhandlungsteam präsentiert hat. Denn nach den vielen Jahren der Eiszeit und der (gegenseitigen) Aggressionen weiß jeder erfahrene Politiker, dass man zuerst vertraulich Vertrauen aufbauen müsste, bevor irgendetwas in Gang kommen kann.

Wenn man den SPÖ-Klubobmann Cap sofort bloßstellt, dass er einen ersten Kontakt zur FPÖ gesucht habe, dann outet man sich logischerweise einmal gleich selbst als kontaktunwillig. Dasselbe tut man mit A-Priori-Aussagen Richtung ÖVP, dass diese das Interesse an den Freiheitlichen ohnedies nicht ernst meint.

Zwar ist die ÖVP in dieser Frage keineswegs einig, aber bis auf den niederösterreichischen Landeshauptmann Pröll stimmt diese Behauptung so ganz sicher nicht. Und Pröll selbst war auch schon im Jahr 2000 gegen ein Bündnis mit den Freiheitlichen. Er konnte es aber nicht verhindern (beide Male handelt er aus leicht durchschaubarem Egoismus: Er sieht bessere Chancen für seine Wiederwahl, wenn es einen roten Bundeskanzler gibt. Mit dem er im Gegenzug dann auch heftig packeln kann).

Zurück zu Strache. Dieser träumt lieber weiter ganz unverbindlich von der Macht, statt konkret auf eine Regierungsteilnahme hinzuarbeiten. Er tut das schon seit zehn Jahren. Irgendwann einmal, nur nicht jetzt.

Natürlich ist es leichter, auf Protest und Opposition zu machen, als zu regieren, Verantwortung zu tragen und zu erkennen, wie vieles von dem leichtfertig Versprochenen nicht möglich ist. Natürlich hat die FPÖ einst durch die Regierungsbeteiligung einen Rückschlag erlitten; den größten hat sie sich damals freilich in Knittelfeld selbst zugefügt (unter lebhafter Mitwirkung Straches). Natürlich ist so gut wie sicher, dass die Partei bei Verantwortungsübernahme sofort einen Teil des dumpfen Protestpotentials aus der XYZ-Schicht verliert, das prinzipiell gegen jeden ist, der zu „denen da oben“ gehört; aber das wird in fünf, in zehn, in fünfzehn Jahren haargenauso sein wie jetzt.

Europaweit verlieren Regierungsparteien Wahlen (Lediglich Angela Merkels CDU war da eine Ausnahme). Daher ist es durchaus wahrscheinlich, dass solches dann auch der FPÖ droht. Aber kann die Konsequenz sein, nie in eine Regierung zu gehen? Wozu ist man dann eigentlich eine politische Partei? Wer nicht an der Macht teilhaben will, will auch nichts machen. Denn Macht kommt eben von Machen.

In Wahrheit hat die FPÖ sogar schon vor dem Wahltag ihr Desinteresse an der Verantwortung gezeigt. Sie ist zwar alles andere als neonazistisch (das sagen nur ein paar linke Dummköpfe, deren Schallplatte ewig in der gleichen Propagandarille steckengeblieben ist). Sie hat aber so extreme Lizitationsforderungen aufgestellt, dass sie selber um deren totale Unerfüllbarkeit wissen musste.

Weder FPÖ noch ÖVP haben in den letzten Jahren das getan, was eigentlich zum politischen Handwerk gehören würde, wenn man perspektivisch denkt: nämlich gute vertrauliche menschliche Kontakte untereinander aufzubauen. Diese hatte es vor 2000 zwischen ÖVP und FPÖ – in einem eigentlich noch viel explosiveren Klima – hingegen sehr wohl gegeben. Nicht nur in Form des bekanntgewordenen Kaffeehausgesprächs Haider-Bartenstein. Haider hat sogar schon Ende November 1999 im privaten Gespräch die Ministerien genannt, die seine Partei will. Und die sie dann im Februar auch ganz genau bekommen hat.

Mit ihrer totalen Orientierung auf die XYZ-Schicht droht der FPÖ ein klares Schicksal: Sie wird nie wirklich über das Protestpotential hinauskommen. Das sind maximal 20 bis 30 Prozent. Auch die Hoffnung, beim nächsten Mal die wahrscheinlich dann freiwerdenden Stronach- und BZÖ-Stimmen erben zu können, ändert daran nichts Wesentliches. Diese Hoffnung ist überdies zumindest zum Teil falsch. Denn wirtschafts- und sozialpolitisch sind beide Listen eindeutig liberal. Also das Gegenteil des FPÖ-Wahlprogramms. Daher dürften deren Stimmen eher zu den Neos oder auch wieder ÖVP als zur FPÖ gehen.

Wahrscheinlich geht man fehl, wenn man nach Straches strategischer Perspektive forscht. Es ist einfach das dumpfe Gefühl, dass es sich als starker, wenn auch lebenslänglicher Oppositionspolitiker besser leben lässt. Er sieht sich höchstens als Wiener Bürgermeister denn als Mitglied einer Bundesregierung.

Und selbst von jenem Ziel, das Strache einst auf die Frage nach seinem Mindestziel genannt hat, ist er meilenweit entfernt: Er hat ein Drittel der Mandate angestrebt, damit er Verfassungsänderungen blockieren kann. Er steht jetzt bei 20 Prozent.

Im Gegensatz zu dieser Realitätsverweigerung spielt sich gerade jetzt in Norwegen Erstaunliches ab: Vier bürgerliche Parteien beschlossen zu kooperieren; dennoch werden nur die Konservativen und – ausgerechnet – die Rechtspopulisten die Regierung bilden. Die beiden kleineren (zum Teil christlichen) Parteien haben jedoch parlamentarische Unterstützung versprochen. Obwohl sich der Massenmörder B. eine Zeitlang im Dunstkreis der norwegischen Rechtspopulisten bewegt hatte (was nicht einmal die Linksmedien der FPÖ vorwerfen können), haben in Norwegen alle bürgerlichen Parteien gewusst, dass es ihnen die Wähler übel nehmen würden, wenn sie trotz ihrer klaren Mehrheit wieder die Sozialisten an die Regierung ließen.

In Norwegen haben alle bürgerlichen Parteien kompromissbereit verhandelt. So haben die Rechtspopulisten zwar eine strengere Asylpolitik, eine konsequentere Abschiebepolitik, die Anstellung von mehr Polizisten und eine Reduktion der Väterzeit durchgesetzt. Sie mussten aber auf die von ihnen geforderten Ölbohrungen in den Lofoten verzichten und auf eine Öffnung des norwegischen Pensionsfonds, wo Milliarden aus den Nordseeöl-Erträgen für schlechtere Zeiten gehortet sind.

Dass in Österreich nicht einmal ernsthaft über ein ähnliches Modell gesprochen wird, ist schade. Die Neos und die Stronachs haben zumindest anklingen lassen, dass sie so etwas von außen unterstützen könnten. Damit wären es auch bei uns im Übrigen genau vier Parteien . . .

Aber die FPÖ träumt offenbar nur von den Sternen einer irgendwann einmal bevorstehenden absoluten Mehrheit. Und die ÖVP scheint primär von Feigheit beseelt. Sonst würde auch sie – ganz unabhängig von der Koalitionsfrage – zumindest ernsthafter über Vorschläge ihnen nahestehender Parteien diskutieren. So hat der konservative britische Finanzminister Osborne angekündigt, dass Langzeitarbeitslose künftig nur dann das ganze Geld bekommen, wenn sie auch gemeinnützige Arbeit verrichten. So haben die ungarischen Konservativen beschlossen, den Gemeinden das Recht auf Schaffung obdachloser Zonen einzuräumen.

Solche Vorschläge klingen zwar in den Ohren mancher ÖVP-Funktionäre wohl unschön. Aber in Wahrheit ist in der ÖVP das Gefühl verlorengegangen, dass eine Law-and-Order-Politik jedenfalls das Fundament einer bürgerlichen Partei sein muss.

So wie in der FPÖ traurigerweise das Gefühl verloren gegangen ist, dass man ohne wirtschaftspolitische Vernunft nicht regieren kann.

Die verzweifelten bürgerlichen Wähler wollen aber alles, nur nicht ständig einen sozialistischen Bundeskanzler unterstützen. Und das tut die eine Partei durch eine Koalition mit ihm, und die andere durch ihr Desinteresse an einer eventuellen bürgerlichen Koalition.

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Wählen und was dann? drucken

Viele Österreicher wählen am heutigen Tag nur noch mit sehr geringer Begeisterung das nur sehr relativ geringste Übel. Und das war‘s dann wieder? Dann kann wieder nur fünf Jahre geschimpft werden? So verhalten sich in der Tat viele Österreicher. Dabei gäbe es eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich politisch auch über das Kreuzerl am Stimmzettel und eventuell eine Vorzugsstimme hinaus einzubringen. Man muss sie nur nutzen.

Der steigende Frustpegel unter den Menschen ist nicht allein, und vielleicht auch nicht in erster Linie die Schuld der Parteien und der Politik. Er ist vielmehr primär Ergebnis einer immer differenzierter werdenden Gesellschaft, in der über immer mehr Fragen durch Gesetze, Regierung und Verwaltung entschieden wird. Daher ist es eigentlich ganz logisch und zwingend, dass der Drang der Menschen immer größer wird, sich konkret in Einzelfragen einzubringen.

Beim Entstehen der Demokratie im 19. und 20. Jahrhundert waren heute im Vordergrund stehende Bereiche noch gar nicht in irgendeiner Weise Thema der Politik: das unfinanzierbar werdende Pensionssystem, Asylmissbrauch, Finanzmarkt, Gentechnik, Methoden der Energiegewinnung, Geburtenregelung, Politische Korrektheit, Demographie, globale Erwärmung, Gesamtschule: Tausende solcher Fragen beherrschen heute den politischen Raum.

Das macht es völlig unwahrscheinlich, noch eine Partei finden zu können, die dann all diese Fragen genauso sieht wie man selbst. Das geht höchstens bei neugegründeten Oppositionsparteien, die für alles gleichzeitig sind: für 95prozentige Einkommensteuern, um sich als sozial zu geben, und gleichzeitig gegen jede Steuererhöhung, um sich bei wirtschaftlich Denkenden sympathisch zu machen. Daher ist letztlich konkrete Einmischung in konkreten Fragen immer unverzichtbarer geworden. Das gilt auch dann, wenn man eigentlich der Meinung ist, dass der Staat sich lange nicht in so viele Themenbereiche einmischen sollte, wie er das schon tut oder zu tun beabsichtigt. Gerade dann muss man ja erst recht Stellung beziehen.

Das logische Instrument, um auf diese Ausdifferenzierung der modernen Welt zu reagieren, ist die direkte Demokratie. Da kann dann der Bürger unabhängig von 999 anderen Fragen klar seine Meinung sagen, wenn einmal ein konkreter Vorschlag zur Abstimmung kommt. Die direkte Demokratie wird freilich noch von der mächtigen Mandarinenklasse aus Altpolitikern, Beamten und Richtern gebremst. sie will so, wie es am Ende der Feudalzeit der Adel versucht hatte, ihre Macht nicht mit dem gemeinen Volk teilen. Aber immerhin: Schwarz, Blau, Grün haben sich in Richtung der direkten Demokratie – mehr oder weniger – festgelegt. Und selbst die abtretende Regierung hat da zumindest einen halbherzigen, aber keineswegs ganz irrelevanten Entwurf vorgelegt.

Aber selbst wenn in Sachen direkter Demokratie trotz dieser Vorboten doch nichts weitergehen sollte, ist der Bürger keineswegs so ohnmächtig, wie sich der Österreicher hält.

Da gibt es einmal die Möglichkeit, viel mehr Druck auf die Parteien auszuüben. Etwa in den USA ist es vielen Bürgerbewegungen schon gelungen, ihre Partei, ihren Abgeordneten zum Umdenken zu bringen. Durch zahllose Mails, durch Briefe, durch Anrufe in seinem Büro, durch Öffentlichkeitsarbeit, durch soziale Medien.

Politiker wollen ja vor allem eines: wiedergewählt werden. Und da ist es absolut wichtig, ihnen immer wieder zu vermitteln, dass die veröffentlichte Meinung (die ja besonders in Österreich einem dumpfen linksliberalen Mainstream folgt) in den meisten Fragen keineswegs mit der öffentlichen Meinung identisch ist. Politiker, die noch immer glauben, sich mit einem morgendlichen Blick in die Zeitungsausschnitts-Mappe über die Stimmung im Land informieren zu können, müssen zur aussterbenden Spezies gemacht werden.

Genauso wichtig ist es, sich intensiv auch in andere öffentliche Foren einzubringen. In Internet-Foren, in Postings, in Facebook, in Twitter. Ohne Schimpfen, aber mit klaren Positionen. Man glaubt gar nicht, wie sehr auch nur ein einziges kluges Argument, dass man in die Öffentlichkeit bringt, dann bisweilen doch den Gang der Ereignisse mit beeinflussen kann. Keineswegs immer, aber immerhin.

Wir leben eben nicht mehr in Zeiten, wo ein guter – oder schlechter – Kaiser von oben alles reguliert. Und wo wir uns nur noch freuen oder jammern können. Wir leben vielmehr in einer an sich erfreulichen Epoche, wo Politiker im Grund nur noch Angestellte von uns Bürgern sind. Wie ein guter Chef müssten wir ihnen halt künftig viel öfters als bisher sagen, wo es lang geht. Und endlich aufhören, an eine höhere Weisheit von Politikern zu glauben.

Es bedeutet auch jede Äußerung im öffentlichen Raum einen Beitrag zum politischen Klima. Sie wirken am Wirtshaustisch ebenso wie bei öffentlichen Versammlungen. Zugegeben: Da gehört auch ein bisschen Mut dazu. Aber es kann doch nicht sein, dass immer nur die Allerdümmsten bei solchen Veranstaltungen den allergrößten Mut haben, sich zu Wort zu melden.

Die Aktivitäts-Skala eines modernen Bürgers ist eine nach oben offene. Finanzielle Unterstützung für gute Initiativen kommt da genauso in Frage wie Teilnahme an Demonstrationen (obwohl man bei letzteren leicht für etwas mitvereinnahmt werden kann, was man gar nicht so will. Daher ist diesbezüglich Vorsicht am Platz).

Auch die EU-Ebene ist für Mitspracheversuche relevant geworden, seit es das Instrument europaweiter Bürgerinitiativen gibt. Die Antiabtreibungsinitiative „One of us“, die gegenwärtig läuft, ist eine der ersten und schon erfolgreichsten.

Man sollte sich nur vor zwei naiven Haltungen hüten: Erstens gleich wieder frustriert aufzugeben, weil die ersten Mails an Politiker, die dann oft noch von minderbemittelten Assistenten beantwortet werden, nichts bewirkt haben. Und zweitens zu glauben, mit einer Aktion (oder gar der Gründung der tausendsten Neupartei) alle Problem mit einem Schlag lösen zu können. Beispielsweise ist das Verlangen "Verwaltungsreform" noch viel zu diffus und allgemein, um wirksam werden zu können.

Viel wichtiger wäre es, sich mit ganz gezielten Aktionen auf ganz konkrete Einzelziele zu konzentrieren. Ein wunderbares Beispiel hat sich jetzt etwa in Polen abgespielt (es zeigt auch, dass Bürgermut nicht nur in den USA zum Erfolg führt): Dort haben gezielte Proteste im Internet und auf sozialen Medien den Konzern C&A in die Knie gezwungen. Es ging um T-Shirts mit dem Abbild des lateinamerikanischen Massenmörders Che Guevara. Das Produkt wurde als Folge von Boykotten schließlich aus allen C&A-Filialen abgezogen.

In Amerika gelingt es auch immer wieder, durch Druck auf werbende Konzerne ganze Fernsehketten zu Änderungen in ihrem Verhalten zu zwingen. Warum sollte das in Österreich nicht möglich sein? Wenn ein paar Tausend – ernstgemeinter! – Boykott-Ankündigungen etwa bei der täglich zahllose Male im ORF werbenden Möbelkette eingehen, wird diese mit Sicherheit sehr bald ein sehr ernstes Gespräch mit dem ORF führen. Aus nacktem Eigeninteresse.

Natürlich muss klar sein: Das geht nur über den Boykott von besonders werbeaktiven Firmen und nur zugunsten ganz konkreter und auch erfüllbarer Forderungen. Das Verlangen nach „einem besseren Programm“ oder nach einem Austausch der ganzen Redaktion hat da wenig Sinn (so berechtigt es an sich auch wäre). Aber sehr wohl kann der ORF solcherart unter Druck gesetzt werden, beispielsweise seinen Redakteuren polemisches und ideologisches Twittern zu untersagen. Oder ihn zu zwingen, gerichtlich angeordnete Entschuldigungen von grünen Politikern für unwahre Behauptungen auch zu senden. Um nur zwei Beispiele zu nennen.

 

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Der ewig wachsende Nanny-State drucken

Ein Viertel (26 Prozent) der österreichischen Bevölkerung hat den Eindruck, dass es zu viele gesetzliche Bestimmungen gibt, durch die sich der Staat in Bereiche des täglichen Lebens einmischt. Weitere 46 Prozent empfinden derartige Einmischungen als „lästig, aber auszuhalten“.

Man ärgert sich oft im Einzelfall, aber man nimmt das Phänomen der staatlichen Regelungswut (der Mikronominierung des Alltagslebens) selten als „Trend“ wahr. Aber es gibt diesen Trend. Anderswo (USA, UK) hat er sogar einen Namen: Nanny-State.

Von ihm ist die Rede, wenn der New Yorker Bürgermeister große Flaschen, die kohlensäurehaltige Getränke enthalten, verbieten will, oder den (bislang gescheiterten) Versuch unternimmt, Potato chips (Pommes frites) nur in kleinen Tüten zuzulassen. Der Einzelfall scheint harmlos – wenn auch „belämmert“ (wie auch die Forderung der deutschen Grünen, in Kantinen einmal pro Woche einen verpflichtenden „Veggie-day“ einzuführen); aber er ist Ausdruck einer politischen Grundhaltung.

Weniger wäre mehr

Es gibt die „Man-muss-irgendetwas-tun“ Politik. Die ist vermutlich alt. Wenn ein Problem in der Öffentlichkeit auftaucht, schreit es danach beseitigt zu werden – ins Ohr mancher Politiker, die mit ihrer Handlungsbereitschaft Stärke beweisen wollen (oder Problembewusstsein oder Sensibilität, etc.). Dabei spielt es keine Rolle, ob das „Problem“ durch politische Aktion gelöst werden kann, ob Maßnahmen zur Verfügung stehen, die „greifen“ und ob es ein Problem ist, das den Staat etwas angeht. Entscheidend ist, dass man den Willen zur Tat zeigen kann. Hilfestellung leisten da, „allzeitbereit“, selbst- und sogenannte Experten, Lobbyisten, NGOs, die „betroffen“ sind und Medien, die den Nachrichtenraum füllen müssen.

In der Folge werden Einrichtungen geschaffen, die sich um das Problem kümmern sollen: Es wird beobachtet; es werden Pläne erstellt, Maßnahmen getroffen, Kampagnen gestartet; es wird überwacht und analysiert, Aktionspläne werden revidiert, Budgets reserviert und aufgestockt usw. Die mit den Maßnahmen befassten Einrichtungen arbeiten nach bestem Wissen und Gewissen – und werden (auch aus Eigeninteresse) zu dauerhaften Institutionen.

Besonders gut für die Erfindung solcher Aktivitäten scheinen sich „Gesundheits-, Sicherheits-, und Umweltprobleme“ zu eignen; und natürlich alle Fragen der „Gender-Politik“. Auf dem letztgenannten Gebiet z.B. tut sich ein weites Feld für „Sprachpolizist_Innen“ und Sprachverbesser aller Art auf: Bis hin zu „Bibelübersetzer_Innen“ („der Ewige/die Ewige“ usw.).

Fettleibigkeit? Muss vom Staat bekämpft werden. Rauchen im Auto? Sollte verboten werden – sicherheitshalber. Energieverschwendung? Glühbirnenverbot und Duschkopfverordnung. Die Wirksamkeit (Relevanz) der jeweiligen Maßnahmen steht kaum zur Diskussion; und auch nicht die Frage, ob der Staat oder die EU der notwendigerweise zuständige Akteur ist.

Hauptsache, es geschieht etwas („Man-muss-irgendetwas-tun“). Bezahlung in barem Geld wird ab einer bestimmten Höhe in manchen EU-Ländern verboten (wegen Korruptionsverdacht). Ölflaschen in Lokalen sind aus dem Verkehr zu ziehen (aus Hygienegründen oder wegen einer Olivenöllobby?); Salz- und Zuckergehalt sind in bestimmten Lebensmitteln zu reduzieren (selbstverständlich der Gesundheit wegen und im Vertrauen darauf, dass die Konsumenten es nicht merken und nicht nachsalzen bzw. -zuckern).

Jede Maßnahme erfordert Kontrolle. Es bedarf der Kontrollore. Das kostet Geld. Dieses wird durch Budgets bereitgestellt. Es kommt von den Steuerzahlern. Diese bezahlen somit das „Gehäuse der Hörigkeit“ (M. Weber), das „zu ihrem Besten“ gereichen soll, selbst.

Selten hört man davon, dass eine derartige Einrichtung, ist sie erst einmal geschaffen, abgeschafft wird: Weil sie sich überlebt hat, nichts bewirkt, oder sich selbst für überflüssig hält.

Im alten Athen, das eine direkte Demokratie hatte, lief der Antragsteller für ein neues Gesetz Gefahr, eine Zeit lang des Landes verwiesen zu werden; paradoxerweise auch dann, wenn der Antrag von einer Mehrheit angenommen wurde (zitiert nach Moses Finley. Antike und moderne Demokratie, Reclam 1980). Zu suchen wäre ein modernes Äquivalent für Bürokratiestopp.

Vor einiger Zeit ist in Österreich eine Initiative entstanden, die auf die staatlichen Bevormundungstendenzen aufmerksam machen will. Wenn Sie diese Bemühung unterstützen wollen, besuchen sie:

homepage: www.meinveto.at
facebook: https://www.facebook.com/MeinVeto
twitter: https://twitter.com/meinveto

Dort finden Sie mehr zum Thema und die Möglichkeit, die Initiative, der auch der Autor dieser Zeilen angehört, zu unterstützen.

Rudold Bretschneider ist seit Jahrzehnten in diversen Cheffunktionen bei GfK (früher Fessel-GfK) tätig und einer der prominentesten Marktforscher und politischen Analysten des Landes. 

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Achte Konferenz der Property and Freedom Society drucken

„Kompromisslosen intellektuellen Radikalismus und politische Unkorrektheit“ versprach der deutsche Ökonom Hans-Hermann Hoppe zu Beginn seiner Konferenz deren Besuchern. Das Auditorium wurde nicht enttäuscht. Wieder war es dem Veranstalter gelungen, namhafte Fachleute und Wissenschaftler in Bodrum zu versammeln, die zu Themen, wie „Why are Jews so smart?“, „A Brief History of US Race Relations“ oder „Public Health or Public Totalitarism?“ Gedanken präsentierten, die allesamt als „gegen den Strich gebürstet“ zu bezeichnen sind. Geriert sich die Masse der Intellektuellen anderswo als zuverlässige Propagandisten von Staatsinteressen, herrscht hier ein völlig anderer Geist. Im Mittelpunkt standen erneut Wirtschaftsthemen.

Thorsten Polleit, Honorarprofessor an der Frankfurt School of Finance and Management, sprach über „Organized Crime and the Progression Toward a Single World Fiat Currency.“

Er begann mit der vom FBI stammenden Definition der organisierten Kriminalität: „Organisierte Kriminalität bedeutet jede Gruppe mit einer Art formaler Struktur, deren primäres Ziel es ist, sich Geld durch illegale Aktivitäten zu beschaffen. Solche Gruppen bewahren ihre Position durch den Einsatz oder durch die Androhung von Gewalt, die Korruption von Beamten, Bestechung, Erpressung und haben einen insgesamt signifikanten Einfluss auf die Menschen in den Gemeinden, Ländern und auf den Staat in seiner Gesamtheit.“ Es ist nicht zu übersehen, dass diese auf die Mafia zugeschnittene Begriffsbestimmung in allen Einzelheiten exakt auf den Staat zutrifft.

Der amerikanische Ökonom und Philosoph Murray Rothbard definiert den Staat so: „… eine Organisation, die entweder eine oder beide der folgenden Charakteristiken aufweist: Er akquiriert sein Einkommen durch physischen Zwang (Besteuerung) und hält ein Gewalt-Zwangsmonopol und die Macht zur letzten Entscheidung innerhalb eines gegebenen Territoriums.“ Der libertäre Theoretiker Albert Jay Nock meint: „Der Staat beansprucht und vollzieht ein Monopol der Kriminalität.“

Dass es sich hier nicht um bloße Behauptungen radikaler Staatsfeinde handelt, sondern um nüchterne Tatsachenfeststellungen, folgt aus der Tatsache, dass kein Staat je ohne Gewalt und/oder den Bruch individueller Rechte entstanden ist. Einen konstituierenden „Gesellschaftsvertrag“ sucht man weltweit vergebens. Es gab und gibt keinen.

Die Idee, dass der Staat etwas Gutes und Nützliches sei, ist ein Mythos aus der Zeit Platons, der im Staat eine „moralische Anstalt“ erblickte. Dass nur der Staat privates Eigentum und Eigentumsrechte schützen könne begründet die Fiktion seiner Unabdingbarkeit. Doch exakt hier liegt der fundamentale Fehler, da ja bereits vor der Entstehung des Staates Eigentum vorhanden war, das dieser sich dann (gewaltsam) aneignete.

Es erhebt sich die Frage: Wie kann der Staat überleben? Da der Einsatz brutaler Gewalt auf Dauer zu aufwendig ist und zu viel Opposition schafft, greift er zum Mittel der Propaganda. Den Bürgern werden – von auf die eine oder andere Weise staatsfinanzierten Intellektuellen – die Vorteile der Unterwerfung unter die Staatsmacht schmackhaft gemacht. Es reicht aus, eine relative Mehrheit der Bürger zu überzeugen.

Im demokratischen Wohlfahrtsstaat gibt der Durchschnittswähler jenen Parteien seine Stimme, von denen er erwartet, dass sie seine wirtschaftliche Situation verbessern. Im Laufe Zeit wird der Staat seine Aktivitäten immer weiter ausdehnen, um einem immer größeren Teil der Bürger (vermeintliche) Wohltaten zu verschaffen. Die Finanzierung dieses kostspieligen Unterfangens ist nur mittels der Erlangung totaler Kontrolle über das Geldsystem möglich.

Die Antwort auf die Frage, wie das vor sich geht, gibt Murray Rothbard in seiner 1963 erschienenen Arbeit „What Has Government Done To Our Money?“: Zuerst wird die Münzproduktion monopolisiert, dann die Ausgabe von Geldsubstituten. Dann folgt die Zulassung der Teilreservehaltung durch die Geschäftsbanken und die Schaffung von Zentralbanken als „ultimativer Kreditgeber“. Schließlich wird die Umtauschbarkeit in „echtes Geld“ (= Gold) aufgehoben und damit ein reines Fiat-Geldsystem etabliert.

Aufgrund der damit erreichten Möglichkeiten sehen sich besonders stark inflationierende Staaten alsbald mit Problemen konfrontiert, die durch den Verfall der Währung nach außen entstehen. Analog zur Überlegung, die zur Einführung von Zentralbanken geführt hat, liegt daher die Idee einer internationalen Währung – und einer „Weltzentralbank“ auf der Hand. Diese würde es den Staaten erlauben, im internationalen Gleichschritt zu inflationieren.

Polleit meint, dass in den meisten Staaten der Welt die Ideologie eines „sozialdemokratischen Sozialismus“ herrscht. Damit verbindet sich der Wunsch nach einem Ersatz nationaler Währungen durch eine internationale Fiat-Währung. Tatsächlich hätten die führenden Zentralbanken (FED, EZB, BOE (Vereinigtes Königreich) und BOJ (Japan)) ihre monetären Politiken – in Reaktion auf die Finanzkrise – bereits harmonisiert. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Mundell sagte bereits im Jahr 2000 die Schaffung einer Weltwährung voraus.

Langfristig würde eine welteinheitliche Weltwährung allerdings auch eine zentrale „Weltregierung“ erfordern. Spätestens dann indes würden sich nicht zu bewältigende Schwierigkeiten auftürmen – zumindest bei Beibehaltung demokratischer Standards. Schon 1919 schrieb Ludwig von Mises in „Nation State and Economy“ über die Unmöglichkeit der Etablierung demokratischer Zentralregierungen in multiethnischen Staaten: „In polyglot territories, democracy seems like opression to the minority.“ Seine in diesem Buch niedergelegten Thesen wurden von der Geschichte seither vielfach bestätigt. Auf einen globalen Maßstab übertragen, würde es zu einer gewaltigen Zunahme von Konflikten kommen. Die Etablierung eines „Weltstaats“ ist so bald also nicht zu befürchten. Es sollte indes klar sein, dass der Staat die vermutlich bestentwickelte Form organisierter Kriminalität darstellt…

Verwaltung der Arbeitslosigkeit

David Howden, Ökonomieprofessor an der St. Luis Universität in Madrid, sprach zum Thema „Labor Laws: Legislating Unemplyoment“. Er erläuterte anhand einer Fülle statistischer Daten, dass ein Großteil des in den letzten Jahren ausgewiesenen Wachstums der europäischen Volkswirtschaften – sofern ein solches überhaupt vorhanden war – auf einen vergrößerten Anteil von Staatsaktivitäten entfällt. Wird dieser Effekt berücksichtigt, zeigt sich, dass sowohl das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung als auch das verfügbare Einkommen in fast allen Staaten Europas zurückgegangen ist. Nur in den Niederlanden und in Italien hat sich der relative Anteil des Staates an der Binnenwertschöpfung verringert. Auch das Wirtschaftswachstum Deutschlands, der wichtigsten Volkswirtschaft des Euroraumes, wird allein durch die Steigerung der öffentlichen Ausgaben getrieben. Die Wirtschaft Spaniens, eines der von der Krise an schwersten getroffenen Länder, ist in den zurückliegenden vier Jahren sogar um volle zehn Prozent geschrumpft.

Howden konzentrierte seine Arbeit auf eine Untersuchung des Zusammenhangs zwischen der Wachstumsentwicklung der einzelnen Staaten in den Jahren der Krise (seit 2008) und deren jeweiligen Anteil an „Schattenwirtschaft“. Das Ausmaß des Anteils „schwarzer“ Geschäfte ist naturgemäß nur schwer abzuschätzen. Deren Quantifizierung ist mit entsprechenden Unsicherheiten behaftet. Dennoch lassen sich relative Veränderungen recht klar herausarbeiten. So fällt auf, dass der Anteil der Schattenwirtschaft in denjenigen Ländern, die unter der Krise am schwersten zu leiden hatten – also Irland, Portugal und Spanien – gewachsen ist, während er ansonsten durchgängig rückläufige Tendenz zeigt.

Die Liste der Gründe für stark ausgeprägte wirtschaftliche Grauzonen reicht von der Steuervermeidung bis zu Problemen mit schwer kündbaren, gesetzeskonform angestellten Mitarbeitern. Als entscheidenden Punkt nennt Howden die Steuermoral, die maßgeblich vom Urteil der Bürger über Regierungen und Beamtenapparate bestimmt wird. Demnach ist es weniger eine hohe Steuerbelastung denn eine starke Korruptionsanfälligkeit in einer Volkswirtschaft, die positiv mit dem relativen Anteil der Schattenwirtschaft korreliert. So lässt sich der geringe Anteil von Schwarzarbeit in den weitgehend korruptionsfreien skandinavischen Hochsteuerländern plausibel erklären.

Versucht nun eine Regierung der Schattenwirtschaft mit verschärften Kontrollmaßnahmen – wie etwa der Einschränkung von Bargeldtransaktionen – und mit erhöhten Strafen zu begegnen, kommt es keineswegs zur erwünschten Erhöhung der Zahl von regulär Beschäftigten, sondern es wird lediglich der Wertschöpfungseffekt der Schwarzarbeit reduziert. Dadurch wird, entgegen der intendierten Absicht, eine wirtschaftliche Abwärtsspirale in Gang gesetzt.

Für Spanien ergibt die Interpretation der erhobenen Daten, dass der tatsächliche Anteil der Arbeitslosigkeit von offiziell 27 Prozent in Wahrheit deutlich niedriger liegt. Dasselbe gilt auch in anderen Staaten mit einem während der Krise gewachsenen Anteil der Schattenwirtschaft.

Die Niederlande sind gegenwärtig das einzige Land im Euroraum, das sowohl Wirtschaftswachstum als auch einen Rückgang des Staatsanteils an der Wertschöpfung zu verzeichnen hat und in dem das reale Pro-Kopf-Einkommen steigt.

Zusammenfassend stellt Howden fest, dass die einseitig negative Annäherung an das Phänomen der Schattenwirtschaft, nämlich mittels staatlicher Repression, keine positiven volkswirtschaftlichen Effekte zeigt. Um die Zahl der Arbeitslosen zu senken und die dafür nötigen Investitionsentscheidungen zu veranlassen sind vielmehr positive Anreize nötig, die derzeit in keiner der von der Krise betroffenen Volkswirtschaften gesetzt werden. Der Staat wird zum bloßen Verwalter der Arbeitslosigkeit…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Die Suche nach dem geringsten Übel drucken

Viele Österreicher zweifeln: Hat es überhaupt einen Sinn, wählen zu gehen? Gibt es überhaupt irgendeine Partei, die meinen Vorstellungen entspricht? Ich kann die Zweifler extrem gut verstehen. Und doch haben sie nicht Recht.

Denn wer nicht wählen geht oder ungültig wählt, schadet nur sich selbst. Und nicht der Politik. Er verschenkt auch noch das winzige Ausmaß an Mitbestimmung, das den Bürgern derzeit zugestanden wird. Er macht nur die Stimmen jener, die sehr wohl hingehen und gültig wählen, automatisch gewichtiger.

Ein verbreiteter Irrglaube ist, dass man solcherart den Politikern – auf gut österreichisch – eine „Watschen“ geben könnte. Das ist naiv, denn keinem Politiker wird damit auch nur ein Haar gekrümmt. Und auch die Zeitungen schreiben maximal drei Tage lang die üblichen, schon im Speicher liegenden Klagen über die geringe Wahlbeteiligung. Dann aber ist das fünf Jahre lang absolut kein Thema. Oder erinnert sich jemand, dass in den letzten Jahren irgendjemand den Umstand erwähnt hätte, dass 2006 und 2008 die Beteiligung unter 79 Prozent gefallen ist? Die jahrzehntelang über 90 Prozent gelegen war!

Unrichtig ist aber auch das häufig gehörte Argument: Die sind eh alle gleich . . . (samt einem meist nicht druckfähigen Eigenschaftswort). Dieser Satz verdeckt nur die eigene Faulheit, die Angebote näher zu analysieren. Oder es steckt die naive Erwartung dahinter, eine Partei zu finden, die ganz den eigenen Erwartungen entspricht. Aber nicht einmal auf den Listen stehende Kandidaten können sich mit allem identifizieren, was als Summe der Strömungen in der eigenen Partei dann deren Linie ergibt.

Wer wirklich eine hundertprozentige Kongruenz der eigenen Ideen mit einer Parteilinie verlangt, der träumt im Grunde von 6,4 Millionen Parteien (das ist die Zahl der Wahlberechtigten). Oder gar von 7,5 Millionen (=Staatsbürger) oder 8,5 (=Einwohner). Zum Glück ist aber – noch? – niemand der Klon eines anderen Menschen. Daher haben selbst die besten Freunde oder Partner in der einen oder anderen Frage des gesellschaftlichen Zusammenlebens unterschiedliche Auffassungen.

Es kann daher immer nur um die Suche gehen: nach der relativ größten Schnittmenge, nach dem geringsten Übel, nach dem, was jedenfalls verhindert werden sollte. Was das aber ist, muss jeder Wähler für sich selbst herausfinden. Gemäß seiner persönlichen Wertehierarchie; mit seinem Wissen um das Scheitern einzelner Gesellschaftsmodelle in anderen Ländern; mit seinen Sorgen um die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen; mit seinen Vorstellungen vom Bildungssystem; mit seinem Vertrauen in einzelne Politiker; mit seinen Vorstellungen von Freiheit und Gerechtigkeit; mit dem Stellenwert, den man dem Einzelnen und der Familie versus dem Staat (also Gemeinde+Bundesland+Republik+EU+Sozialversicherungen) einräumt.

Das ist durchaus ein mühsamer Nachdenkprozess. Aber niemand hat ja versprochen, dass Demokratie einfach und mühelos wäre.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Was wir brauchen drucken

Was Österreich braucht, ist eine Regierung, die nicht – wie übrigens die aller anderen Länder auch – gegen das Volk regiert, sondern vielmehr die Interessen des Souveräns mit Entschiedenheit vertritt.

Schon arbeiten die so genannten Eliten daran, nach dem Prinzip des Hexeneinmaleins Minderheiten zur Mehrheit zur erklären und den Begriff der Demokratie umzudefinieren. Hieß es vor siebzig Jahren „du bist nichts, dein Volk ist alles“, so transponiert man diesen fragwürdigen Slogan heute auf eine erweiterte Ebene, nämlich: „Dein Volk ist nichts, die Zentraldiktatur ist alles“. Daraus resultiert ein artifiziell konstruierter Begriff von Einheit und Solidarität, der ebenso wenig durchzusetzen ist wie ein etwaiges Postulat, man solle in Notzeiten für fremde Leute sorgen, zu Lasten der eigenen Kinder.

So wie die Familie gesellschaftspolitisch zerschlagen wird, werden Zugehörigkeiten aller Art systematisch untergraben. Der Begriff „Volk“ ist in der veröffentlichten Meinung verpönt, die „Egoismen“ der Nationalstaaten werden kontinuierlich gegeißelt und deren Vertreter nach Möglichkeit isoliert und geächtet. Als flankierende Maßnahme werden Migration und Verfall des Bildungs- und Sozialsystems gewaltig angekurbelt. Auch die Unterschiede der Geschlechter werden eingeebnet und alles, was zumindest bisher dem natürlichen Empfinden entsprach, wird unter dem Begriff der Biologismen abgetan. Dafür floriert der Todeskult der Abtreibung, die man Schulklassen durch Besuch von einschlägigen Kliniken als Lösungsansatz für die Beseitigung der Folgen eines möglichst frühen Sexualverkehrs schmackhaft machen will.

Politiker, die sich dagegen aussprechen (was sich bezeichnenderweise niemand mehr zu tun getraut), würden sofort als „Rechtsextreme“ von weiteren Gestaltungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden. Auch auf die Religion (besonders die katholische) wird aus vollen Rohren geschossen, weil diese ja den geplanten Entwicklungen mit ihrem Wertekatalog hinderlich sein könnte. Mittlerweile rückt selbst der medial hochgejubelte progressive Flügel der Kirche von früher als unverhandelbar betrachteten Grundsätzen ab. Das ist der traurige Befund, den man nach Belieben weiter ausführen und vervollständigen könnte.

Wo ist nun eigentlich der Politiker, der allen diesen Missständen ernsthaft und mit Konsequenz entgegenträte? Der die gesetzlichen Möglichkeiten eines Vetos auf EU-Ebene einsetzen würde? Der die Möglichkeit eines EU-Austritts zu nützen bereit ist?

Denn die Europäische Union ist ja zumindest hierzulande der Spiritus Rector hinter allen genannten Missständen, auch wenn das einige Unentwegte in Abrede stellen. Zwar sind die meisten der in Brüssel fuhrwerkenden Gestalten zu beschränkt, um alle Zusammenhänge zu sehen, die dahinter stehenden Drahtzieher (Teilnehmer an diversen Geheimkonferenzen in Europa und Vertreter der Hochfinanz vor allem in Übersee) arbeiten aber mit Hochdruck an der Neuen Weltordnung, in welcher unter Vorspiegelung einer Perspektive von Friede, Freude, Eierkuchen eine Masse von gezielt verblödeten Zombies willfährig oder auch nur apathisch, gut choreographiert, nach der Pfeife der so genannten Eliten tanzen soll.

Niemand wird ernsthaft versuchen, Sand in die Maschinerie dieses Treibens zu streuen. Ein solcher Mensch würde ja auch ziemlich gefährlich leben. Überdies wäre jeder Widerstand nicht nur für die eigene Person, sondern möglicherweise auch für die Allgemeinheit riskant. Und dennoch: Sollen sich die herrschenden Tendenzen wirklich ungebremst fortsetzen und weiter verschärfen?

Es gibt Anti-EU-Kleinparteien, die aber mangels medialer Unterstützung chancenlos sind bzw. gar nicht erst zur Wahl stehen.

So bleibt nur die Möglichkeit, die Kräfte auf einem bereits vorhandenen Fundament zu bündeln und sich darüber klar zu werden, was man überhaupt will. Kann man sich nicht einigen, so sind jene Leute, die letztlich im Sinne der derzeit untragbaren Zustände arbeiten auszutauschen gegen solche, die bereit wären Nägel mit Köpfen zu machen.

Manche linientreue Katholiken sind der Meinung, das Heil könne noch am ehesten in der FPÖ liegen, was aber fraglich ist. Ich denke mit Schrecken daran, wie man Barbara Rosenkranz zur Präsidentschaftswahl einerseits aufstellte, ihr aber dann praktisch in den Rücken fiel, weil ein paar Leute ihre heimliche Liebe zur EU nicht auf dem Altar einer charaktervollen, weitblickenden Frau opfern wollten oder auch antiquierte Ansichten hinsichtlich der Bekleidung hoher politischer Ämter durch Frauen hatten. Es war auch kein Glücksgriff, sich im neuen Programm vom Christentum zu verabschieden, obgleich ja neuerdings Bibelzitate plakatiert werden und man die Kurve zwischen säkularer Haltung und einer Verbeugung vor der Religion irgendwie zu kratzen hofft.

Das etwas leiser werdende Gefasel von der Revolution von 1848 war von Anbeginn kontraproduktiv, da diese ganz andere Wurzeln hatte als jene, auf die man sich heute besinnen sollte. Jedenfalls ist aber die Erhaltung des christlichen Abendlandes wenigstens als Kulturgemeinschaft ein vorrangiges Anliegen. Kann man sich teilweise nicht mit der Religionsgemeinschaft identifizieren, so möge man doch bedenken, dass man vor allem im linken Lager die Kirche zu demontieren trachtet und antiklerikales Agitieren lediglich das Geschäft der politischen Gegner besorgt.

Jener Wertekatalog, dessen Beachtung man heute schmerzlich vermisst, ist vor allem in der Kirche verankert oder zumindest hier in konsequenter Form niedergelegt. Man sollte sich nach dem Gebot der Stunde richten und anstelle der Vergangenheit lieber die Fährnisse der Gegenwart zu bearbeiten und zu bewältigen trachten, was in der ursprünglich dazu berufenen ÖVP seit geraumer Zeit nicht mehr stattfindet. Sie ist zu jenem Reichen geworden, der in das Himmelreich nicht eingehen wird und zu dem Jüngling, der traurig davonging, weil er sich nicht von seinen Gütern trennen konnte.

Grundsätze (die dann keine mehr sind) nach der gängigen unerfreulichen Praxis zu richten (wie das selbsternannte Reformatoren verlangen) wird zu keinen befriedigenden Ergebnissen führen. Die scheinbare Unterscheidbarkeit zwischen ÖVP und SPÖ besteht nur noch in kasperltheaterhaftem Geplänkel vor Publikum. Als ich vor Jahren in einer ÖVP-Veranstaltung nach dem offiziellen Teil das Thema Abtreibung und die Unvereinbarkeit mit der noch immer so bezeichneten „Christ“-Demokratie ansprach, wechselten die Herren Tschirf und Hahn (der damals noch nicht in Brüssel war) einen bedeutungsvollen Blick und murmelten einige inhaltslose Floskeln.

Über die Grünen braucht man an dieser Stelle kaum etwas zu sagen. Sie propagieren den „Crossover“ bei allem und jedem und sind selbst ein Hybrid aus Hardcore-Kommunismus und labeltragender Bobo-Community. Sie lassen eine Weste heraushängen, die so weiß gar nicht ist. Das auszuführen würde aber hier zu weit führen.

Alles kleinliche Herumdoktern an unliebsamen Gegebenheiten und Reförmchen in Teilbereichen ist Flickwerk. Jeglicher konkreten Maßnahme vorauszugehen hat eine eindeutige ideologische und moralische Ausrichtung, und es wird schwer genug sein, hier einen gemeinsamen Nenner zu finden, allerdings wäre es bekanntlich die Einigkeit, die stark macht.

Die Grundsätze der fehlenden Partei

Die ideale Partei müsste aus meiner Sicht für folgende Grundsätze glaubwürdig eintreten:

  1. Respekt vor dem einen Gott und allen Religionen, wobei einem politischen Imperialismus, der unter der Flagge der Religion segelt (wie in einer fehlgeleiteten Form des Islam zu beobachten), entgegenzutreten ist. Wenn andererseits islamische Politiker ihre Reden mit den Worten „im Namen des gütigen Gottes“ einleiten, so ist es das, was ihnen jene Kraft verleiht, die uns (bis auf schwache Rudimente) fehlt.
  2. Respekt vor der Natur und dem Leben. Ergreifen sinnvoller Maßnahmen (zu denen z.B. der verbrecherische Bio-Sprit und die überdimensionierte Fleischproduktion nicht gehören). Wichtig wäre die Ablehnung der Abtreibung, die leider auch in „konservativen“ oder „rechten“ Kreisen keineswegs einhellig verurteilt wird, obgleich es hier mannigfache überzeugende Argumente gibt. Mit diesem Thema polarisiert man erfahrungsgemäß am meisten; die Leute verteidigen mit Zähnen und Klauen ihr vermeintliches Recht, ihren Nachwuchs umzubringen. Wer gegen die Abtreibung ist, gilt eo ipso als Nazi, Selbstannullierung ist zur Pflicht geworden.
  3. Kulturelle Institutionen und Veranstaltungen dürfen nicht zu Schauplätzen der politischen Agitation oder zu Spielwiesen für abartige Einfälle aller Art umfunktioniert werden. Die seltsame Koexistenz lasziver sexueller Aufklärung schon im Volksschulalter und gleichzeitiger absurder Prüderie, in der das Küsschen der Großtante bereits zum sexuellen Übergriff stilisiert wird, ist durch eine vernünftige Handhabung dieser Themen zu ersetzen. Die weit verbreitete Frustration von Lehrern, auch deren teilweise unzulängliche Qualifikation, sind durch Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen zu mildern und möglichst zu beheben.
  4. Einbremsung der Immigration. Sich hier die Rosinen herauszupicken halte ich allerdings für problematisch bis fast schon unmoralisch, da z.B. Fachkräfte in ihren Herkunftsländern fehlen und diese folglich in ihrer Entwicklung hin zur Gleichrangigkeit mit den Zielländern beeinträchtigt und ihres Humankapitals beraubt werden. Hier könnte man zur Abwechslung einmal wirklich solidarisch sein und eigene Leute entsprechend ausbilden, damit die Herkunftsländer mit den Zielländern mittelfristig gleichziehen können. Daran bestand aber bisher kein Interesse, da man ja von dem wirtschaftlichen Gefälle zumindest eine Zeit lang profitierte. Die Anreize für weitere Zuwanderung sind drastisch zu reduzieren.
  5. Regulierung des Bankwesens. Kredite sind mit Maß und Ziel zu vergeben, die Einstellung der Konsumenten, man müsse alles sofort haben (auf Pump) ist einzudämmen. Weitere Rettungsschirme für andere Länder sind abzulehnen.
  6. Anordnungen der EU, soferne sie sich schädlich auswirken, sind zu unterlaufen, wenn man nicht überhaupt den Austritt auf den Weg bringt. Da die EU ihre eigenen Regeln bzw. Gesetze wiederholt gebrochen hat, stellt sich die Frage, ob man die unautorisierten Neuregelungen überhaupt befolgen muss. Man könnte hier europaweit einen Stein ins Rollen bringen. Die Voraussetzung wäre, dass die kritischen Kräfte eine Stärke erlangen, die eine dominierende Stellung in der Regierung ermöglicht.

Vielleicht wird sich so manches Problem durch die sich anbahnenden Unruhen von selbst erledigen, allerdings nur dann, wenn man das Rebellieren nicht diversem Geschmeiß überlässt, sondern sich breite Kreise der Bevölkerung den Protesten anschließen, die dann aber auch wissen müssen, was das Resultat sein soll. Zwar dürfte primär das Fressen (nach Brecht) und, wenn überhaupt, dann erst die Moral kommen, aber die Leute sind offenbar zum guten Teil „rerum novarum cupidi“ (begierig auf das Neue), wie das seinerzeit der Lateiner nannte.

Mir (und nicht nur mir) fällt angesichts der Lage der Nation Schillers Wilhelm Tell ein, dessen Wertschätzung heute eine enden wollende ist. Das folgende Zitat könnte die Stimme des Wutbürgers sein: „Ich lebte still und harmlos, … Du hast aus meinem Frieden mich heraus geschreckt, in gärend Drachengift hast du die Milch der frommen Denkart mir verwandelt.“ Und: „Ans Vaterland, ans teure schließ dich an, das halte fest mit deinem ganzen Herzen, hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft.“

Leute wie Nigel Farage oder Viktor Orban haben wir leider nicht.

Was man als Privatperson tun kann, sind – wenn auch noch so bescheidene – Beiträge in Richtung einer Meinungsbildung, indem man in Internetforen oder auch im Gespräch im privaten Umfeld seine Meinung mit Unerschrockenheit vertritt.

Dkfm. Waltraut Kupf, geb. 1933 in Wien, Matura am Wasagymnasium 1952, Studium an der Hochschule für Welthandel bis zum Diplom, nach einigen kurzzeitigen Jobs von 1958 bis 1969 in der Finanzabteilung der Internationalen Atombehörde, dort wegen Unvereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Kindererziehung ausgeschieden, nach dem Selbständigwerden der Kinder verstärktes Interesse für Politik. Mehrjährige Mitgliedschaft beim Akademikerbund und später der FPÖ, aus beiden Organisationen wieder ausgetreten.

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Buchbesprechung: Wir sollen sterben wollen – Todes Helfer drucken

Zentraler Punkt zweier der drei Aufsätze in diesem Buch ist der neue § 217 des deutschen StGB, der die gewerbsmäßige Sterbehilfe untersagt, die private aber – quasi durch die Hintertür – erlaubt. Der Philosoph Andreas Krause Landt und der Medizinhistoriker Axel W. Bauer warnen davor, mit dem individuellen „Selbstbestimmungsrecht“ hinsichtlich der willkürlichen Beendigung seines Lebens am Ende eine Art von „Fremdbestimmungsrecht“ durch Dritte zur Verfügung eines „sozialverträglichen“, frühzeitigen Ablebens herbeizuführen.

Wer heute an Sterbehilfe denkt, hat gewöhnlich einen alten, bettlägerigen, sterbenskranken, schwer leidenden Patienten im Blick, der selbst nicht mehr Hand an sich legen kann und daher der Assistenz eines barmherzigen Helfers bedarf, um seine Qualen vorzeitig zu beenden. Rund 90 Prozent jener Menschen, die im selbst gewählten Tod ein geringeres Übel erblicken als im Weiterleben, seien indes keineswegs an unheilbaren oder gar tödlichen Leiden erkrankt, sondern an Depressionen, die das Denken der Betroffenen maßgeblich verengen und einschränken. Dieser Umstand lasse es daher nicht zu, deren Todeswunsch als „frei und selbst bestimmt“ zu qualifizieren.

Eine wirksame Psycho- oder Medikamententherapie wäre in diesen Fällen meist imstande, die Todessehnsucht zu beseitigen. Mittlerweile allerdings sei es so weit gekommen, dass nicht mehr nur als aussichtslos und unheilbar eingestufte Erkrankungen mit hohem Leidensdruck als „guter Grund“ für das vorzeitig herbeigeführte Lebensende gelten würden, sondern auch schon die bloße Befürchtung, dass etwas Schlimmes drohen könnte (dazu wird das Beispiel von Gunther Sachs angeführt, der zum Zeitpunkt seines Freitodes im Jahre 2011 lediglich den Ausbruch einer Alzheimer-Erkankung befürchtet habe). In Holland, mit seinen diesbezüglich extrem „liberalen“ Bestimmungen, dürften heute bereits 16-Jährige – ohne die Zustimmung der Eltern – ein Programm zur Sterbehilfe in Anspruch nehmen.

Die Strafbarkeit jeder Art von Sterbehilfe müsse allein schon deshalb erhalten bleiben, um sicherzustellen, dass eine „Hilfe aus Mitgefühl“ nicht in Wahrheit aus eigennützigen Motiven (wie etwa Habgier eines potentiellen Erben) gewährt wird. Wer aufrichtig meine, etwa seinen schwer und unheilbar kranken Ehepartner dabei unterstützen zu müssen, seine Qualen zu beenden und aus dem Leben zu scheiden, der würde wohl auch bereit sein, eine nachfolgende Anklage und Strafe in Kauf zu nehmen.

Der Medizinhistoriker Bauer meint, dass die auffallend wohlwollende Haltung verantwortlicher Politiker – namentlich der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger – vor dem Hintergrund der Überalterung der Gesellschaft und den daraus resultierenden Schwierigkeiten bei der Rentenfinanzierung zu sehen sei: Vorzeitiges Ableben zwecks Entlastung der Pensionskassen. Sterbehilfe sei letztlich nichts weniger als ein Synonym für Euthanasie. Wer aber dieser das Wort rede, würde die Büchse der Pandora öffnen – mit völlig unabsehbaren Konsequenzen. Fazit: Das Buch bildet einen bedenkenswerten und erfreulich ideologiefreien Debattenbeitrag zu einem äußerst heiklen Thema.

Wir sollen sterben wollen
Todes Helfer
Über den Selbstmord
Andreas Krause Landt/Axel W. Bauer/Reinhold Schneider
Manuscriptum Verlagsbuchhandlung, 2013
199 Seiten, broschiert
ISBN: 978-3-937801-78-0
€ 14,90,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Der Gesundheitsschock: Was alles nötig wäre, und was alles total falsch läuft drucken

Eine kritische Analyse der österreichischen Gesundheitspolitik führt gleich zu mehreren hochriskanten Folgen: Erstens zu Schock über den planwirtschaftlichen Murks, den uns die Politik (Bund, Länder, Sozialversicherungen) als gelungene Reform verkaufen will. Zweitens zu Schock über alles, was da seit Jahren strukturell falsch läuft. Und drittens zu Schock über jene einschneidenden Maßnahmen, die alleine eine sinnvolle Therapie wären.

(eine grundsätzliche Analyse, nichts für eilige Leser).

Zu Beginn zwei persönliche Anekdoten. Erstens jene von meiner Entlassung aus dem Spital. Mein Internist fand nach zwei Nächten sehr beruhigende Worte für mich. Diese Beruhigung endete jedoch abrupt, als ich seinen schriftlichen Bericht las. Dessen Lektüre veranlasste mich zur panischen Anfrage: "Wie lange habe ich denn noch zu leben, da ich jetzt die ganze Wahrheit gelesen habe?" Die Antwort des Arztes: „Aber Nein, das ist ja nur für die Versicherung.“

Ein anderes Erlebnis spielte auf einer orthopädischen Station, als ich mich wie bestellt zu einer Meniskus-Athroskopie meldete. Die erste Frage an der Abteilungs-Rezeption war: „Ambulant?“ Ich reagierte ziemlich erstaunt, denn ich wusste bis zu diesem Zeitpunkt nicht, dass das auch ambulant möglich ist. Ergebnis: Bis zu meiner Entlassung behielt man den mit einer Zusatzversicherung versehenen Patienten Unterberger schließlich fünf Nächte stationär in jener Abteilung. Dabei hatte es keinerlei Komplikationen rund um den Eingriff gegeben. Dafür wurde ich dann auch noch von einem Schlaflabor-Experten beglückt, der meinen ganzen Körper so verkabelte, dass ich keine Minute ein Auge zumachen konnte. Dabei hatte ich nur gesagt, ich schlafe manchmal schlecht, wenn ich am nächsten Tag einen Vortrag habe. aber es zahlt ja eh alles die Allgemeinheit, also scheinbar niemand.

Natürlich weiß ich: Persönliche Erlebnisse können zwar Symptome zeigen, sind aber noch keine Gesamtanalyse eines zentralen Bereichs der Gesellschaft, den ich hier versuchen möchte. Meine Sichtweise ist dabei eine mehrfache:

  • Die eines Juristen, immerhin mein Hauptstudium;
  • Die eines Ökonomen, meines Zweitstudiums;
  • Die eines Abgaben- und Steuerzahlers, meine Haupttätigkeit;
  • Die eines Journalisten (also jene Tätigkeit, die mir ermöglicht, überhaupt Abgabenzahler zu sein), dem einst noch in einer guten alten Lernphase eintrainiert worden war, sich nicht allzu billig abspeisen zu lassen (weshalb ich über Journalisten noch viel kritischer denke als über Ärzte und Gesundheitspolitiker);
  • Und eben die eines von acht Millionen potentiellen Patienten.

Verfolgt man die politischen und medialen Äußerungen des letzten Jahres zur Gesundheitspolitik, dann wird einem die Überzeugung vermittelt: Die Gesundheitspolitik sei am Ziel angekommen; die Finanzierungsprobleme seien gelöst; und man müsse nur noch nachdenken, für welche neuen Aufgaben man jetzt das reichlich vorhandene Geld ausgeben wird.

Der erstaunliche kommunikative Konsens rund um die Gesundheitspolitik wurde nur zeitweilig von Ärztekammervertretern gestört. Die waren freilich nie imstande, sich konsistent zu äußern. Das Donnern der Faust auf den Tisch, Vergleiche der elektronischen Gesundheitsakte Elga mit Auschwitz und Streikaktionen wechselten abrupt mit offenbar zufriedenem Schweigen. Ohne strategische wie inhaltliche Konsistenz und Strategie hat man aber im 21. Jahrhundert in einer kompliziert gewordenen Gesellschaft keine Positionierungs-Chance.

Aber das ist primär das Problem der offensichtlich uneinigen Ärzteschaft.

Die vielen grundsätzlichen Defizite

Hier geht es jedoch um eine ordnungspolitische Sicht auf die Gesundheitspolitik. Die ich ohne hybriden Anspruch eines Gesamtkonzeptes einfach in einigen Überlegungen aufgliedere. Das jetzige Gesundheitssystem hat viele Fehler, die zwar großteils bekannt sind, von denen aber kaum einer durch die groß bejubelte Reform wirklich gelöst wird:

  1. Die Finanzierung der Gesundheit erfolgt in anderen Staaten entweder durch die Versicherungen oder durch Steuereinnahmen. Wir hingegen haben ein Mischsystem, das zu jährlich mehr als 5 Prozent Kostensteigerungen geführt hat.
  2. In einer Art doppelter Planwirtschaft schieben einander öffentlich-rechtliche Moloche ständig gegenseitig Kosten zu, wobei gleichzeitig diese Moloche heftig um die Macht kämpfen.
  3. In keinem Land werden so viele Menschen so lange im Spital behandelt wie in Österreich.
  4. Zumindest statistisch liegt unsere gesunde Lebenserwartung unter dem EU-Schnitt.
  5. Eine Ursache der hohen Kosten ist der Mangel an Pflegebetten, weshalb durch Pflegefälle teure Akutbetten belegt werden.
  6. Eine weitere ist regionalpolitischer Chauvinismus, der um die Erhaltung jedes noch so kleinen Spitals kämpft.
  7. Viele Primariate werde nicht nach Leistung und Können, sondern nach Beziehungen und Parteipolitik besetzt.
  8. Die im Vergleich zu Privatordinationen viel teureren Ambulanzen werden vor allem deshalb aufgesucht, weil man dort immer sofort einen Termin hat, weil vielerorts die Kassen die Zahl der Kassenärzte zu streng limitieren, weil diese ab Freitagmittag kaum erreichbar sind. Aber auch weil oft Ambulanzen trotz ihrer Unpersönlichkeit höhere Qualität zugeschrieben wird.
  9. Die behauptete Teilsanierung der Krankenkassen in den letzten zwei Jahren ist vor allem auf die relativ gute Arbeitsmarktsituation und damit ausreichende Beiträge zurückzuführen, nur zum sehr kleinen Teil auf echte dauerhafte Veränderungen.
  10. Daher ist es absurd, dass wegen einer leichten Verbesserung der Einnahmen sofort dauerhafte Ausgabenerhöhungen beschlossen werden, wie etwa gerade im Bereich Zahnmedizin.
  11. Weltweit ist genauso wie etwa im Schulsystem die ständige fortschreitende Verrechtlichung ein Hauptproblem. In fast allen Ländern, mit den USA an der Spitze, verteuern die ständig steigenden Haftungsfolgen von wirklichen oder vermeintlichen Kunstfehlern, die immer stärker aufgeblähte Bürokratie und Kontrollen das Gesundheitssystem enorm, aber ohne sachlichen Nutzen. Aber Juristen wie Journalisten üben da gewaltigen Druck aus. Nichts darf mehr ohne dramatische rechtliche Folgen passieren. Daher werden auch die Haftpflichtversicherungen für Ärzte massiv teurer. Und damit die kosten des Gesundheitssystems.
  12. Die ständig steigende Lebenserwartung ist zwar ein Erfolg auch der Medizin, sie macht diese aber ebenfalls unweigerlich teurer.
  13. Das tut auch die – an sich sehr erfreuliche – Tatsache, dass früher unheilbare oder gar letale Krankheiten behandelbar geworden sind.
  14. Eine besonders schmerzhafte Tatsache: Vorsorgeuntersuchungen führen zu mehr Behandlungen.
  15. Internationale Statistiken zeigen eine klare Korrelation: Je mehr Ärzte und Spitäler es gibt, umso teurer ist ein Gesundheitssystem.
  16. Berechnet man die Gesundheitskosten korrekt, müsste man primär die bessere Hygiene, Wasserversorgung, Abwasserklärung und – trotz der rapiden Zunahme von Adipositas – wohl ebenso die gesündere Ernährung zu den primären Ursachen der gestiegenen Lebenserwartung rechnen und nur zu 20 Prozent die eigentliche Medizin.
  17. Sehr erfreulich ist auch der Rückgang der Arbeitsunfälle durch Sicherheitsmaßnahmen am Arbeitsplatz. Während die privaten Unfälle, wo man nicht so reglementierend eingreifen kann, hoch blieben. Es wäre aber unerträglich, jedes Jahr einen Kontrollbesuch des Arbeitsinspektors in der eigenen Wohnung zu bekommen.
  18. Besonders die gut bezahlten Operationen nehmen statistisch zu. Nach einer deutschen Studie werden zwei Drittel der zusätzlichen Operationen nur deshalb gemacht, damit Krankenhäuser besser verdienen.
  19. Ein besonderer Kostentreiber in vielen öffentlich rechtlichen Spitälern in Wien: Die jungen Ärzte müssen vieles an Systemarbeit tun, was die Gewerkschaft den Krankenschwestern untersagt.
  20. Die Arbeitszeiten von Spitalsärzten sind unverantwortlich lang. Das zeigt vor allem der Vergleich mit dem sonstigen Arbeitsrecht, wo man als Arbeitgeber bestraft wird, wenn ein Mitarbeiter – auch durchaus freiwillig! – länger als zehn Stunden arbeitet.
  21. In fast keinem anderen Berufsfeld ist die Diskrepanz zwischen extrem gut Verdienenden und sehr schlecht Verdienenden so extrem wie bei den Ärzten.
  22. Schlechte Gehälter, hohe Abgaben und die Dauer wie die Qualität der Ausbildung führen seit einiger Zeit zu starker Abwanderung: 700 Ärzte verlassen Österreich jährlich.
  23. Gut verdienende Ärzte können meist ihre Doppelstellung als ärztlicher Leiter in Spitälern und gleichzeitiger Inhaber einer Privatordination nutzen, ohne dass immer das finanzielle und zeitliche Verhältnis zwischen beiden Einkommen geklärt wäre.
  24. Angesichts ihrer Finanznöte zahlen die Kassen die Allgemeinmediziner sehr schlecht, sodass diese zu wenig Zeit für ärztliches Wirken haben; manche forcieren deshalb ertragreichere Nebengeschäfte, wie etwa fragwürdige Nahrungsergänzungen. Zugleich verstärkt der Mangel an Allgemeinmedizinern den Patienten-Run aufs Spital.
  25. Ein weiterer schwerer Fehler der Kassen ist es, die Bildung von Gruppenpraxen lange ver- oder behindert zu haben.
  26. Zahllose weitere Formen der Geldverschwendung bestehen in Organisationsmängeln, überflüssiger Bürokratie, und Abschiebung der bürokratischen Lasten von den Kassen zu Ärzten und Spitälern.
  27. Selbstverständlich gibt es eine Mehrklassenmedizin, auch wenn es viele Politiker leugnen. Es wird sie mit absoluter Sicherheit auch immer geben; die einzige Frage ist, ob legal oder illegal, ob nur zum individuellen Nutzen oder in einem sinnvollen Gesamtsystem.
  28. Ein ökonomisch explodierendes Problem ist, dass immer öfter Alltagsprobleme als seelische und psychiatrische Krankheiten gesehen und auch behandelt werden. Alleine dieser Aspekt lässt mit Sicherheit die Gesundheitskosten weiter explodieren.
  29. Der Politik wie der Öffentlichkeit ist noch nicht ausreichend bewusst, dass wir aus demographischen Gründen in einen Ärztemangel hineingleiten. Eine neue Uni zu gründen, statt sich auf die Stellung der Jungmediziner zu konzentrieren, ist aber der total falsche Weg, solange so viele Jungmediziner sofort ins Ausland abwandern.
  30. Eine bei Patienten beliebte Betrugsform ist die Verwendung der e-card durch Nichtberechtigte, die durch biometrische Daten leicht gestoppt werden könnte.
  31. Die Patienten sind im hohen Ausmaß zum bloßen Objekt degradiert. Sie durchschauen das System in keiner Weise. Auf der einen Seite wird ihnen einfach das Geld fürs Gesundheitssystem abgenommen, ohne dass sie gefragt werden, ob das nun über die Sozialversicherungsbeiträge oder die Steuern geschieht. Auf der anderen Seite sind sie auch im Krankheitsfall Objekt. Das hat die Menschen in den letzten Jahrzehnten so erzogen, dass sie sich in der Gesundheitsmaschinerie nur noch als Objekt fühlen. Dass sie sich fühlen wie das Auto, das in der Servicewerkstatt steht. Ohne jede Motivation zur Eigenverantwortung.
  32. Hingegen tritt der Arzt meist sowohl als Anbieter wie Nachfrager von Gesundheitsleistungen auf. Daran ändert auch eine teilweise ohne Ärzte ausverhandelte Gesundheitsreform nichts. Die starke Rolle der Ärzte ist zwar zum Teil unvermeidlich. Aber eben nur zum Teil.
  33. Ein unpopulärer Hinweis zur Pharmazie: Zahlen zeigen einen steilen Rückgang der Erträge dieser Konzerne. Die Ursachen sind vor allem durch Preisreduktionen und die Verwendung von Generika. Das ist nur vordergründig und kurzfristig positiv. Langfristig dämpft das jedoch die Ausgaben für Forschung und damit auch den medizinischen Fortschritt. Eine eher kurzsichtige Einsparung.

Alle bejubeln die Planwirtschaft

Jetzt aber zur sogenannten Reform: Wenn die letzten Beschlüsse von Bund, Ländern, Gemeinden, Sozialversicherungen und Sozialpartnern wirklich zu einer effizienteren, billigeren und menschlicheren medizinischen Versorgung führen sollten, dann wäre das eine absolute Premiere: Dann würde zum ersten Mal in der Geschichte noch mehr Planwirtschaft statt Eigenverantwortung und Freiheit zu irgendeinem Fortschritt führen.

Die Erfahrung lässt jedoch statt dessen mit einem weiteren Verlust an Effizienz und Menschlichkeit rechnen. Die Politik und die Planer scheitern in allen Ländern derzeit daran, auch nur einen neuen Flughafen zu planen oder ein neues Konzertgebäude. Oder in Salzburg binnen weniger Wochen festzustellen, wie viele Schulden das Land eigentlich hat. Und da wollen uns Politik und Bürokratie allen Ernstes einreden, ein komplett neues Gesundheitssystem planen und administrieren zu können?

In Wahrheit muss es einen doch vor Entsetzen beuteln, wenn uns ein „Bundeszielsteuerungsvertrag“ und neun dann folgende Landesverträge als Wunderdroge verkauft werden. Oder wenn man ernstlich glaubt, heute – also schon vor Abschluss dieser Verträge! – ein „Dämpfungsvolumen“ von 3,4 Milliarden Euro bis 2016 verkünden zu können. Das erinnert stark daran, dass man uns ja derzeit auch weismachen will, dass es 2016 mit Sicherheit das letzte Budgetdefizit geben werde. Wie oft haben wir das freilich in den letzten Jahrzehnten schon jeweils für andere Zeitpunkte gehört?

Was heißt eigentlich „Zielsteuerung“? Heißt es wörtlich, dass man die Ziele beliebig verändern kann? Derzeit gibt es jedenfalls neun Ziele, die miteinander ungeordnet ohne Hierarchie konkurrieren sollen. Aber auch die jetzt scheinbar friedlich zusammengeschweißten Akteure, die Zahler, die Opfer wie die zahllosen Lobbies haben weiterhin völlig unterschiedliche Ziele und Motive.

Um nur ein Beispiel zu nennen: Wenn Ambulanzen, wie versprochen, noch besser werden, ist das ökonomisch schlecht im Gesamtsystem. Denn dann werden noch mehr Patienten in Ambulanzen statt Ordinationen gehen.

Man hat die Absurdität einer rein politisch-bürokratischen Regelung der Gesundheitsausgaben ja erst im Frühjahr rund ums Thema Hüfte gesehen. Sobald die Öffentlichkeit auch nur glaubt, dass irgendeine „Kostendämpfung“ die vermeintlich oder wirklich beste Therapie limitiert, beginnt politischer und medialer Druck, bis dann alle unisono verkünden: Nein, natürlich war das nicht so gemeint. Selbstverständlich bekommt jeder unbegrenzt die beste Therapie. Auch wenn er sie gar nicht braucht.

Es geht um die Rechte der Patienten

Fassungslos macht, dass bei den zahllosen Reformgesprächen neben den nur teilweise beigezogenen Ärzten, die aber zumindest viel faktische Macht haben, eine Gruppe völlig ausgeschlossen geblieben ist. Offenbar weil zu unbedeutend. Das sind die Patienten. Zwar machen sich viele zu ihren Sprechern. Aber alle angeblichen Patienten-Vertreter haben in Wahrheit ganz andere Eigeninteressen.

Eine Stärkung der Rechte der Patienten als eigentliche und einzige Kunden des Gesundheitssystems ist in einer entwickelten Demokratie jedoch unverzichtbar. Sie wird auch angesichts der für zentralistische Planer völlig unüberschaubaren Individualbedürfnisse und insbesondere angesichts des bevorstehenden europaweiten Finanzkollapses unumgänglich sein.

Statt Patientenrechte zu verstärken, will die Politik nun von oben her „Best Points of Service“ dekretieren. Ohne zu begreifen, dass sich Menschen, so wie das Wasser, immer ihre eigenen Wege suchen. Egal was dekretiert ist.

Zur Stärkung der Patientenrechte und zur gleichzeitigen Sanierung des Gesundheitssystems gibt es in Wahrheit nur zwei Wege, die durchaus auch additiv gegangen werden können. Der eine Weg ist, den Bürgern die Wahl zwischen mehreren möglichen Krankenversicherungen zu geben. Dadurch entstünde Wettbewerb und Patientenorientierung bei den Kassen.

Das ständige Gegenargument „Was ist mit den schlechten Risken, also insbesondere chronischen Patienten?“ lässt sich wie bei den Autoversicherungen durch Zwangskontrakte leicht lösen. Da bekommen ja auch unfallfreudige Fahrer eine Kaskoversicherung.

Alles (außer dem Populismus) spricht für einen allgemeinen Selbstbehalt

Die zweite mögliche Stärkung der Rolle des Patienten besteht darin, dass sie bei einer Senkung der Sozialversicherungsbeiträge einen zumindest kleinen Teil jeder Behandlung, jeder Medikation selbst in Form eines Selbstbehalts zahlen müssten. In diesem Fall würden sie automatisch viel häufiger fragen als jetzt, ob diese oder jene Behandlung wirklich sinnvoll ist. Dann würde aber auch bei den allermeisten Ärzten ein Umdenken einsetzen.

Denn viele Menschen – und auch Ärzte sind Menschen! – sind nämlich bereit, eine anonyme Allgemeinheit, egal ob Staat oder Privatfirma, ohne sonderliche Gewissensbisse zu schädigen. Sie sind aber viel weniger bereit, einen unmittelbar vor ihnen sitzenden oder liegenden Patienten mit überflüssigen Kosten zu belasten. Wenn der Satz „Zahlt eh die Krankenkassa“ aus unserem Repertoire verschwunden ist, dann wird sich mit Sicherheit im Gesundheitssystem mehr ändern als durch noch so viele papierene Fünfjahrespläne.

Eine stärkere Eigenverantwortung der potentiellen Patienten bei den Behandlungskosten würde mit Sicherheit die noch viel wichtigere Eigenverantwortung auch in Hinblick auf eine gesündere Lebensweise erhöhen. Dabei geht es um ein generelles Umdenken. Viel mehr und verständlich kommunizierte Aufklärung ist dabei aber jedenfalls zentral. Das zeigt etwa die enge Korrelation zwischen Bildung und Gesundheit. Wissen erhält länger gesund. Wissen kann aber natürlich nicht so hergestellt werden, dass man jetzt einfach jedem eine Matura oder einen Master schenkt.

Nicht ein Plan, sondern Selbstdisziplin samt einem freiwillig gewählten sozialen Netz erhält gesund. Das zeigt die hohe Lebenserwartung in Klöstern.

Eine notwendige Konsequenz wäre aber auch das Recht, nein: die Pflicht des Systems zu sagen: Bevor du eine neue Hüfte bekommen kannst, muss das Übergewicht weg. Heute und auch nach der Reform suggerieren wir hingegen: Mach was du willst, die Gesellschaft wird eh die gesamte Reparatur zahlen.

Zur Mündigkeit der Patienten gehören auch viel bessere Informationen über medizinische Qualität. Dazu gehören beispielsweise Vergleiche von Operationszahlen und -erfolgen zwischen einzelnen Spitälern. Amtsgeheimnisse, Datenschutz und ähnliches haben da absolut nichts verloren.

Eines der falschesten Argumente kommt bei dieser Diskussion gerne von der Politik: Wenn Selbstbehalte eingeführt werden, dann könnten sich die Armen keine Gesundheitsausgaben mehr leisten. Das hat zu dem verheerenden Prinzip geführt: Gesundheit darf nichts kosten. Was nichts kostet, ist aber auch automatisch in den Augen der Menschen nichts oder wenig wert. Damit wird auch die Eigenverantwortung drastisch reduziert. Die sogenannten oder wirklich Armen wissen ja hingegen auch bei Essen, Fernseher oder Auto, dass sie sich da selber kümmern müssen.

Ich will hier nicht die gesamte Armutsdebatte aufrollen. Aber ein Hinweis sei gestattet: Die statistisch ärmsten Österreicher geben nicht nur relativ, sondern auch in absoluten Euro-Beträgen mehr für Unterhaltungselektronik aus als die Besserverdienenden.

Eine weitere absurde Randerscheinung der Reformdebatte ist, dass die schon jetzt diskriminierten Privatspitäler neuerlich ignoriert worden sind, obwohl sie bei durchaus gleicher Qualität weniger kosten. Weshalb man von ihnen viel lernen könnte.

Genauso ein Tabu ist auch die Frage, ob nicht mehr Geld für altersgerechte Wohnungen wirksamer sind als mehr Geld für das Gesundheits- und Pflegesystem.

Die Conditio humana

Die wirklich fundamentale, aber nie ausdiskutierte Frage ist die philosophische nach dem Menschenbild, nach der Freiheit. Haben Menschen das Recht zu ungesundem Leben? Ich kann das nur bejahen. Anders lässt sich eine freie Gesellschaft außer in extremem Totalitarismus gar nicht vorstellen. Das muss freilich auch subjektive Konsequenzen haben.

Es wäre der Anfang vom Ende jeder Menschlichkeit, wenn der Staat die Menschen auch zu ihrer Gesundheit zwingen wollte. Dann bekommen wir ihn überhaupt nicht mehr aus unserem intimsten Leben hinaus. Von der Zahnputzkontrolle bis zu den Essens- und Alkoholverboten. Ja, die Krankheit und der ja sichere Tod müssen das Risiko des Patienten bleiben, nicht der Politik. Sie sind Teil der Conditio humana.

Manche meinen nun sicher, ich würde zu ökonomisch argumentieren. Aber gerade mit der Medizin und anderen Naturwissenschaften ist die Ökonomie sehr eng vergleichbar: Ihre Regeln und Gesetze gelten ganz unabhängig vom Willen der Menschen. So können ja auch noch so viele blöde Sprüche von Rauchern wie „Ohne Rauch stirbst auch“ den Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs, Herzinfarkt sowie etlichen anderen Krankheiten nicht aus der Welt schaffen. So können ja auch Päpste und alle Mächtigen der Erde nicht die Regeln der Astronomie bestimmen, obwohl sie es einst versucht hatten. So wirkt ja auch die Gravitationskraft ganz unabhängig von Beschlüssen der Politik.

Und ganz genauso gelten auch ökonomische Regeln ganz unabhängig von unserer Zustimmung. Wie etwa der millionenfach bewiesene Zusammenhang: „Was nichts kostet, ist in den Augen der Menschen auch nichts wert und wird verschwendet.“ Oder: „Nur wenn man individuell Kosten tragen muss, werden die Kosten beachtet, niemals, wenn die Allgemeinheit sie trägt.“ Oder: „Kostenfolgen haben sich als einzig funktionierender Weg erwiesen, Eigenverantwortung zu tragen.“ Und ebenso: „Wenn wir nichts tun, wird unsere Gesellschaft, unser demokratischer Rechtsstaat in den nächsten 20 Jahren an drei Kostenfaktoren zerschellen: Pensionen, Gesundheit, Pflege.“ (In dieser Reihenfolge)

Ganz anders ist es um juristische Regeln und Gesetze bestellt: Sie können je nach politischer Lust und Laune abgeändert werden. Sie können auch gegen die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten beschlossen werden. Nur führen sie dann regelmäßig zu unerwünschten Folgen: Wenn man etwa Preise unter die Marktkosten limitiert, wird das Produkt aus den Regalen verschwinden; oder Dienstleistungen werden nur noch zu Schwarzmarktpreisen angeboten. Wie es beispielsweise mit vielen Gesundheitsdienstleistungen auf dem Balkan der Fall ist.

Ebenso unsinnig ist der Satz: „Gesundheit ist ein so hohes Gut, das darf doch keine Frage des Geldes sein.“ Wer so spricht, sollte immer auch die Frage beantworten müssen: Ist er etwa bereit, umsonst im Dienste der Gesundheit anderer zu werken? Das sind eben nur ganz wenige. Lobenswert, aber völlig unzureichend.

Auch das immer  so gern bemühte Prinzip der Gerechtigkeit spricht gegen die gegenwärtige Form der Gratismedizin. Es ist ja zweifellos absolut ungerecht, wenn diszipliniert lebende Menschen ohne Bremse und Limit die statistisch viel höheren Gesundheitsausgaben für Raucher, für Übergewichtige, für bewegungsaverse Couch-Potatoes, für Risikosportler tragen müssen.

Bitte nur kein Gesamtkonzept

Das waren einige Anmerkungen über einige gesundheitspolitische, ethische und ökonomischeZusammenhänge. Dahinter steht zwar eine klare ordnungspolitische Idee, aber sicher nicht die Anmutung, ein neues Gesamtkonzept zu haben. Mir ist im Gegenteil jeder unheimlich, der behauptet, ein solches zu haben.

Ich bin mir auch keineswegs sicher, dass das wohl unvermeidliche Scheitern von Reform wie Praxis automatisch zu mehr Vernunft führen wird. Das Wissen um die Rolle von Eigenverantwortung, um die genannten Zusammenhänge ist nämlich europaweit nicht gerade im Steigen.

Daher ist es auch durchaus möglich,

  • dass wir in einem Jahrzehnt ein noch viel schlechter funktionierendes Gesundheitssystem haben als heute;
  • dass dann immer mehr via Schwarzmarkt geregelt wird;
  • dass dann Planwirtschaft bestimmte Gesundheitsdienstleistungen bestimmten Gruppen, etwa den älteren Menschen vorenthält;
  • dass dann Ärztemangel zum dominierenden Problem geworden sein wird;
  • dass dann wie schon heute in manchen englischen Spitälern, Laken nicht mehr gewechselt werden, Toiletten nicht mehr gereinigt werden und Angehörige das Essen ans Bett bringen müssen.

Aber in einem bin ich mir sicher: Wenn ein Gesundheitssystem funktionieren soll, dann kann es nur in einer Verbindung der Gesetzmäßigkeiten von Ökonomie UND Medizin bestehen. Je mehr hingegen Politik und damit Populismus, Gesetze und Gerichte mitspielen und überregulieren, umso schlechter werden die Dinge funktionieren.

(Diese Ausführungen fassen zusammen, was ich in teilweisen Passagen in der medizinischen Zeitschrift „Spectrum Urologie“, in der „Academia“ sowie in einem Vortrag vor Ärzten formuliert habe)

 

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Die Ideen der Österreichischen Schule als Grundlage einer Gesellschaft freier Bürger drucken

Dem Ruf der veröffentlichten Meinung nach immer mehr hoheitlicher Regulierung aller Lebensbereiche kommt die Politik nur allzu gerne nach. Von der Benzinpreisbildung bis zur Ladenöffnung, von einer „gerechten“ Entlohnung bis zu „angemessenen“ Mieten – so gut wie nichts soll und darf der freien, privatrechtlichen Vereinbarung mündiger Bürger überlassen bleiben.

Wilhelm Röpke (1899 – 1966): „Eines von beiden wird früher oder später weichen müssen: das freie Gesellschafts- und Wirtschaftssystem oder der heutige Wohlfahrtsstaat.“

Ludwig von Mises (1881 – 1973): „Man kann Liberalismus nicht ohne Nationalökonomie verstehen. Denn der Liberalismus ist angewandte Nationalökonomie, ist Staats- und Gesellschaftspolitik auf wissenschaftlicher Grundlage.“

Was gilt schon der Prophet im eigenen Land – noch dazu in einem, in dem „verantwortliches“ Denken allein Politikern, Beamten und staatsabhängigen Intellektuellen überlassen bleibt und wo kritisches Denken zunehmend als Verrat am „Gemeinwohl“ gilt?

Von den Protagonisten der Österreichischen Schule ist hierzulande heute gerade einmal Friedrich August Hayek, dank des 1974 an ihn verliehenen Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften, bekannt. Allenfalls noch Eugen von Böhm-Bawerk ist manchen ein Begriff. Wenigstens als Portrait, das die letzte gültige 100-Schilling-Banknote zierte. Carl Menger, Friedrich von Wieser oder Ludwig Mises dagegen sind der breiten Öffentlichkeit in Österreich heutzutage weitgehend unbekannt. Mit Murray Rothbard oder den Namen der rezenten Vertreter der Österreichischen Schule weiß allenfalls eine kleine Gemeinde ideengeschichtlich interessierter Zeitgenossen etwas anzufangen. In den USA oder in Großbritannien – Ländern mit Jahrhunderte alter liberaler Tradition – liegen die Dinge anders…

Am Beginn der Österreichischen Schule stand die akademische Auseinandersetzung mit der deutschen „Historischen Schule“, zu deren wichtigsten Protagonisten Werner Sombart, Luigi Brentano und der Kathedersozialist Gustav von Schmoller zählten. Der von Carl Menger 1883 angestoßene „Methodenstreit“ stand im Mittelpunkt dieser Kontroverse. Die historische Schule sah keine Möglichkeit, eine konsistente, von Zeit und Ort unabhängige Wirtschaftstheorie zu entwickeln. Sie konzentrierte sich stattdessen auf die Betrachtung eng umgrenzter Untersuchungsbereiche und versuchte, empirisch gewonnene Erkenntnisse induktiv auf andere Zusammenhänge – von Deutschland auf das größere Ganze – zu übertragen.

Der „Vater“ der Österreichischen Schule, Carl Menger (1840 – 1921), ersann eine logisch deduktive Methode, die den Wert konsistenter Theorien betont und die eine bloße Sammlung empirischer Daten, die niemals allgemein gültigen Erklärungswert besitzen können, vergleichsweise gering schätzt. 1871 erschien Mengers Werk „Grundsätze der Volkswirtschaftslehre“, mit welchem er der bis dahin herrschenden klassischen Werttheorie eine „Grenznutzenbewertung“ entgegensetzte. Es ist ein historisch reizvolles Detail, dass Carl Menger Lehrer und Freund des 1889 durch Suizid zu Tode gekommenen österreichischen Thronfolgers, Kronprinz Rudolf, war. Hätte der die Chance gehabt, seine durch Menger beeinflussten Ideen umzusetzen – wer weiß, welchen Weg die k.u.k. Monarchie – ja ganz Europa – in der Folge eingeschlagen hätte und was unseren Vorfahren erspart geblieben wäre…?

Eugen von Böhm-Bawerk (1851-1914), der zweite große Geist der „Austrians“ war nicht nur als Gelehrter, sondern auch in der Politik tätig. Von 1895 bis 1904 wurde er drei Mal, nach einer Beamtenkarriere im Finanzressort, als Finanzminister ins Kabinett berufen. Im Anschluss daran lehrte er bis zu seinem Tode Finanzwissenschaften an der Universität Wien. In seiner Amtszeit als Finanzminister sah er sich einer ausgeglichenen Gebarung der Staatsfinanzen, die er u. a. durch die Einführung einer direkten Einkommenssteuer (mit einem Spitzensatz von fünf Prozent!) erreichte, sowie einer strikten Golddeckung der Währung verpflichtet. Nach seinem wissenschaftlichen Hauptwerk „Kapital und Kapitalzins“ veröffentlichte er unter dem Titel „Macht oder ökonomisches Gesetz?“ eine kleinere Publikation, in welcher er den Nachweis führte, dass auch ein Staat sich der Gültigkeit wirtschaftlicher Gesetzmäßigkeiten nicht entziehen kann.

Ludwig von Mises (1881 – 1973), ein Schüler Böhm-Bawerks, war der wohl produktivste Geist aus dem Kreise der Protagonisten der Österreichischen Schule. Angesichts seiner staatskritischen Haltung nimmt es nicht Wunder, dass er zeitlebens niemals eine seinem brillanten Geist angemessene Position auf universitärem Boden erlangte. Das Motto „Wes´ Brot ich ess´ des Lied ich sing“ war seine Sache nicht. 1922 veröffentlichte er – ein Jahr nach der Ausrufung der „Neuen ökonomischen Politik“ durch Lenin (die eine Rücknahme zahlreicher Kollektivierungsmaßnahmen unter dem Eindruck katastrophaler Versorgungsmängel brachte) – ein umfangreiches Werk mit dem Titel „Die Gemeinwirtschaft“ (in der englischen Version: „Socialism“).

Darin führt er den stringenten Nachweis für die – angesichts des Fehlens von Marktpreisen – Unmöglichkeit einer Wirtschaftsrechung in der sozialistischen Planwirtschaft. Eine zentral gelenkte Kommandowirtschaft ist zur willkürlichen Preisfestsetzung, zur systematischen Fehlallokation der Ressourcen und damit zu Verschwendung, Ineffizienz und Wohlstandsvernichtung verurteilt. Es ist bemerkenswert, dass bis zum heutigen Tage keine nennenswerte akademische Erwiderung dieses Frontalangriffs auf die Planwirtschaft vorliegt. Mises selbst durfte die empirische Bestätigung seiner Thesen – den Zusammenbruch des Realsozialismus – nicht mehr erleben.

Mit seinem 1929 – noch vor dem „Schwarzen Freitag“ – erschienenen Text „Kritik des Interventionismus“ zeigte dieser Mann geradezu seherische Gaben. Er beschrieb darin jene durch staatliche Geldmengenausweitung und Wirtschaftsgängelung ausgelöste Dynamik, die schließlich in Börsencrash und jahrelanger Depression ihre notwendigen Konsequenzen fand. Dass es den Staatsinterventionisten anschließend auf ganzer Linie geglückt ist, dieses ausschließlich ihrer Politik geschuldete Desaster zu einer „zyklischen Krise des Kapitalismus“ umzudeuten und daraus die Notwendigkeit noch drastischerer Eingriffe in den Markt abzuleiten, ist ein schlechterdings nicht zu überbietender Treppenwitz der Geschichte. Mises´ Hauptwerk ist das 1940 erschienene Werk „Nationalökonomie“ (in der erweiterten englischsprachigen Fassung: „Human Action“). Darin legt er eine umfassende Theorie menschlichen Handelns vor, die weit über den Bereich der Ökonomie hinaus greift.

Der wirkungsmächtigste Nationalökonom des 20. Jahrhunderts, John Maynard Keynes, hat die Auseinandersetzung mit den „Austrians“ indes klar für sich entschieden. Seit den Dreißiger Jahren dominieren seine als „Keynesianismus“ kanonisierten Ideen bis heute die Wirtschaftspolitik. Er hat es verstanden, mit seinem Plädoyer für umfassende staatliche Interventionen in die Wirtschaft die politische Klasse und große Teile der tendenziell marktkritisch und antikapitalistisch eingestellten Intellektuellen auf seine Seite zu ziehen. Zwischen den beiden Weltkriegen setzten nationale Regierungen diesseits und jenseits des Atlantiks konsequent keynesianische Ideen ins Werk.

Die „ordentliche Beschäftigungspolitik des dritten Reiches“ unterschied sich nur marginal vom „New Deal“ der Roosevelt-Administration. Beide setzten auf Staatsverschuldung zugunsten von Arbeitsbeschaffungsprogrammen, massive „soziale Umverteilung“ und vermeintliche Kaufkraftsicherung für die Massen. Marxistische und nationalsozialistische Wirtschaftslenkung sind mit freiem Auge kaum voneinander zu unterscheiden – eine Tatsache, auf die Ludwig Mises schon in den Vierzigerjahren mit Nachdruck hinwies (acht von zehn Programmpunkten des „Kommunistischen Manifests“ wurden von den Nationalsozialisten umgesetzt. Lediglich die Abschaffung des Grundbesitzes und des Erbrechts fehlten noch). Liberale „österreichische“ Konzepte hatten – insbesondere unter den Bedingungen eines in den 40er-Jahren weltweit grassierenden Kriegssozialismus – keine Chance.

Die modernen Vertreter der Österreichischen Schule

Erst nach dem 2. Weltkrieg wurden die wirtschaftspolitischen Vorstellungen der „Austrians“ – wenn auch nur zum Teil und für jeweils kurze Zeit – z. B. unter der Federführung des Wirtschaftsministers Ludwig Erhard in Deutschland, unter Margaret Thatcher im Vereinigten Königreich, unter Ronald Reagan in den USA und vom Regime Augusto Pinochets in Chile umgesetzt.

Friedrich August von Hayek, (1889 – 1992) ein Schüler L. Mises´, ist der bis heute prominenteste Protagonist der Österreichischen Schule. Seinen Weltruhm begründete er mit dem 1944 erschienen Werk „The Road to Serfdom“ (Der Weg zur Knechtschaft), in welchem er, unter dem Eindruck des Kriegssozialismus, eine eindringliche Warnung vor dem Abgleiten in den Totalitarismus formuliert. Die Veröffentlichung des Textes durch „Readers Digest“ im Jahr 1945 verhalf dem Buch – und dessen Autor – zu weltweiter Popularität. Von größter Bedeutung für sein Werk ist die These von der „Anmaßung von Wissen“, an dem jede zentral planende Macht scheitern muss. 1974 erhält er für „… seine bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet der Geld- und Konjunkturtheorie …“ den Nobelpreis für Wirtschaftwissenschaften. Das offizielle Österreich – das Kreisky/Androsch-Regime ist damals auf keynesianischem Kurs – schweigt zu diesem Erfolg eines Landsmannes; es gibt keinerlei Ehrung Hayeks. Seine Thesen finden (in Teilen) ihre reale Umsetzung in der „neoliberalen” Politik Margaret Thatchers im Vereinigten Königreich (insbesondere in deren Kampf gegen die Hegemonie der Gewerkschaften) und den „Reaganomics“ in den USA.

Der in New York geborene Murray Newton Rothbard (1926 -1995) ist der erste nicht aus Europa stammende „Austrian“. Wie sein Mentor Mises versteht er sich eher als politischer Philosoph, denn als Wirtschaftswissenschaftler. Während Hayek und Mises erklärte Vertreter des „Minimalstaatskonzeptes“ waren, lehnt Rothbard jede staatliche Autorität dem Grunde nach ab und wird zum Vordenker einer staatsfreien Ordnung, des „Anarchokapitalismus“. Er steht dabei auf jenem gedanklichen Fundament, das von der spanischen Scholastik und von John Locke (1632 – 1704) gelegt wird, dessen Philosophie strikt dem Konzept des Naturrechts folgt. Rothbards Gedanken basieren auf der Vorstellung von angeborenen, unveräußerlichen Rechten, über die jedes Individuum verfügt und der Locke´schen Idee des „Eigentums an sich selbst“. Wesentliches Kennzeichen seiner Philosophie ist das „Nichtaggressionsprizip“, welches besagt, dass kein Mensch das Recht hat, auf andere Zwang und Gewalt auszuüben oder das Recht, in seinem Namen Zwang und Gewalt auszuüben, an andere zu delegieren. Damit steht er in fundamentalem Widerspruch zu jedem politischen System, dessen Wesen in der Ausübung von Zwang und Gewalt liegt.

Hans-Hermann-Hoppe (geb. 1949) ist einer der bekanntesten lebenden Vertreter der Österreichischen Schule. In Deutschland geboren, unterrichtete er ab 1986 an der Universität von Las Vegas/Nevada Volkswirtschaftslehre. Mit seinem Werk „Demokratie, der Gott der keiner ist“ legt er 2003 eine vernichtende Demokratiekritik vor. Wie sein Lehrer Rothbard plädiert auch er für eine staatsfreie Privatrechtsgesellschaft, deren Konzept er u. A. im genannten Buch skizziert. Der an der Universität Madrid lehrende Jesús Huerta de Soto (geb. 1956), der an der Universität Angers/Frankreich wirkende Jörg Guido Hülsmann (geb. 1966) und Philipp Bagus („Die Tragödie des Euro“) bilden heute die jüngste Generation von Wirtschaftswissenschaftlern, die in der Tradition der Österreichischen Schule stehen. Sie alle haben hochinteressante Abhandlungen zur Geldtheorie vorgelegt, denen – im Lichte der aktuellen Entwicklungen – größte Bedeutung zukommt.

Hoppe meint, wohl zu Recht, dass die Fehler der Massendemokratie nicht auf dem Boden dieses Systems behoben werden können und fordert eine „Nachfolgelösung“. Er meint damit eine (im „Endausbau“) staatsfreie Privatrechtsgesellschaft, in welcher miteinander konkurrierende Agenturen jene Aufgaben wahrnehmen, die der Staat im Laufe der Zeit übernommen hat (z. B. Bildung, Unfall- Kranken und Pensionsversicherung, Straßenbau, Energieversorgung, Rechtsprechung und Sicherheitsproduktion).

Zu glauben, die Schuld der in der „freien westlichen Welt“ (was für ein zynischer Witz!) in den letzten Jahren unübersehbaren Fehlentwicklungen allein einer durch und durch verkommenen Politikerkaste zuschreiben zu können, wäre verfehlt. Die Korruption beginnt vielmehr beim Wahlberechtigten, der, von den vermeintlichen Segnungen des Demokratismus und der vom Wohlfahrtsstaat scheinbar garantierten Sicherheit gegen sämtliche Fährnisse des Lebens geblendet, seiner eigenen Entmündigung, Ausplünderung und Unterdrückung bedenkenlos Vorschub leistet.

Darüber nachzudenken, wie das kurz vor dem Einsturz stehende Gebäude des Wohlfahrtsstaates vor dem Kollaps bewahrt werden könnte, ist verlorene Liebesmüh. Ein bis in die Grundmauern defektes Bauwerk ist durch das bloße Aufbringen einer neuen Fassade einfach nicht zu sanieren. Ein Abriss bis auf die Grundmauern wird sich nicht vermeiden lassen – falls beabsichtigt ist, seine Bewohner davor zu bewahren, bei dessen Zusammenbruch verschüttet zu werden. Andernfalls kann weitergewurstelt werden wie in den letzen Jahren…

Die wohl einzig brauchbare Alternative zum allsorgenden Wohlfahrtsstaat besteht nicht im „Nachtwächterstaat“ (© Ferdinand Lasalle), sondern in einer staatsfreien Privatrechtsgesellschaft.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Fußnote 482: Intellektuelle Selbstverteidigung drucken

Gerade rechtzeitig vor dem Höhepunkt des politischen und medialen Verdummungswahlkampfes hat die neugegründete Plattform „Agenda Austria“ ein „Handbuch zur intellektuellen Selbstverteidigung“ herausgebracht.

Darin werden viele der Mythen zertrümmert – so wie es oft schon auch dieses Tagebuch unternommen hat. Dabei geht es etwa um die populären Behauptungen: „Die Globalisierung bedroht unsere Gesellschaft und Arbeitsplätze“, „Wirtschaftswachstum zerstört unseren Planeten und hilft nur den Reichen“, „Die Banken müssen endlich streng reguliert werden, damit sie der Wirtschaft nicht mehr schaden“, „Föderalismus ist ineffizient und teuer“, „Die Wirtschaft schwächelt – deshalb braucht es höhere Löhne“, „Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich. Mehr Umverteilung behebt diese Ungerechtigkeit“ oder: „Der Staat wird kaputtgespart und der Sozialstaat der Wirtschaft geopfert“. Zu jedem einzelnen Satz wird sehr plausibel dargelegt, warum er – auch wenn in hunderten Leitartikeln verwendet – falsch oder schädlich ist.

PS: Tagebuch-Leser, die diese auf 126 Seiten zusammengestellten Argumente genauer kennenlernen wollen, können sich die Broschüre gratis zusenden lassen: durch ein Mail (mit der eigenen Adresse) an office@agenda-austria.at. Da der Ansturm inzwischen alle Grenzen übersteigt und es zu längeren Wartezeiten kommt, empfehle ich den Download direkt von der Webseite: www.agenda-austria.at.

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Was für uns zählt, hat keinen Preis! drucken

„Satanische Verse“ wider die „reine“ Ökonomie des Mainstreams, vorgetragen von Tomáš Sedlacek. Es gehört zu der bitteren Wahrheit des schleichenden Kulturverfalls, dass auch in der Wirtschaftswissenschaft Vorlesungen über die Entwicklungsgeschichte der Haupttheorien der Volkswirtschaftslehre kaum noch gehalten werden. An die Stelle der Dogmengeschichte ist die „reine“ Ökonomie getreten mit ihrem „ökonomischen Kalkül“ von Nutzen und Aufwand, Kosten und Ertrag, „pleasure and pain“ (W. St. Jevons). Mathematik, Ökonometrie, Modelltischlerei haben sich derart verselbständigt, dass der Verlust ihres Bezugs zur Realität nun schon von den Klagemauern der Massenmedien widerhallt.

Als Musterbeispiel dürfen hier die Voraussagen der hochkarätigen Experten der „Troika“ (IWF, EZB, EU) über die Entwicklung von Griechenlands Wirtschaft angeführt werden, die, kaum veröffentlicht, gleich wieder revidiert werden mussten. Die Versuche, die Entwicklung des Bruttosozialprodukts auf zehntel Prozentpunkte genau vorauszusagen, ruft heute nur noch Kopfschütteln hervor.

Ist Ökonomie Wissenschaft? Nicht im naturwissenschaftlichen Sinn!

Angesichts dieser Leerstelle, den der universitäre Lehrbetrieb offen lässt, darf es uns nicht wundern, dass sich das Buch eines jungen Ökonomen (Jg. 1972) zum Bestseller mausern konnte, welches die herkömmlich gelehrte und praktizierte „reine“ Theorie in Frage stellt oder, wenn wir noch deutlicher werden dürfen, als Humbug entlarvt. Wenn nämlich nach Auguste Comte „der Zweck aller Wissenschaften die Voraussage ist“, dann ist die Ökonomie keine Wissenschaft. „Die letzte Wirtschaftskrise hat erneut gezeigt, dass die Ökonomen die Zukunft einfach nicht vorhersagen können“. (S. 379).

Der Autor, der sich nach dem Urteil vieler seiner Kollegen zu solchen Aussagen „erfrecht“, der Tscheche Tomáš Sedlácek, ist kein meckernder „misfit“ (Ungustl), sondern Chefökonom der größten tschechischen Bank. Er ist Mitglied des Nationalen Wirtschaftsrates. Er hält Vorlesungen an der Prager Karls-Universität und wird laufend zu Gastvorlesungen an namhaften Universitäten in den USA, der Schweiz und sogar Österreich eingeladen. In Yale, Oxford, Cambridge oder London gilt er gar als Kanone („big gun“) und Popstar unter den Ökonomen. Während der Amtszeit von Vaclav Havel war er Berater des Präsidenten, und ihm hat er auch das Vorwort zu seinem Buch „Die Ökonomie von Gut und Böse“ zu verdanken.

In der deutschen Edition ist der Untertitel weggeblieben, der in der tschechischen Originalausgabe und auch in der englischen Übersetzung angeführt ist: „Die Frage nach dem Sinn und nach der Bedeutung des Wirtschaftens vom Gilgameschepos bis zur Finanzkrise“. Mit Fug und Recht darf Tomáš Sedlácek behaupten, er habe mit diesem Buch eine „Kulturgeschichte der Ökonomie“ für gebrannte Kinder geschrieben, die mit der Krise von heute nicht fertig werden. Und dass er das auch noch auf kreative, einfallsreiche und humorvolle Weise getan hat, macht sein Buch zu einer ernsten, bedenkenswerten und zugleich amüsanten Lektüre.

Die falsche Auffassung der Ökonomie als Grund für die Krise

„Einer guten Theorie hält die Wirklichkeit nicht stand“, hat uns Hegel gelehrt. Leider gilt sein Satz auch für schlechte Theorien. In ihnen erkennt Tomáš Sedlácek den eigentlichen Grund für unsere Misere. Unsere Wirtschaftsauffassung ist einfach falsch. Wir betrachten Wirtschaft nicht mehr als Teil unserer Kultur und Zivilisation, sondern glauben, wir könnten sie sich selbst überlassen, irgendeine mystische, geheimnisvolle „unsichtbare Hand“ sorge dafür, dass die Bäume des Eigennutzes in den Himmel des Gemeinwohls wachsen. Wir glauben, die Wirtschaft funktioniere wie ein Mechanismus, nach Regeln der Physik.

Wie bei der Konstruktion eines Automotors ethische Vorschriften nichts zu suchen haben, so verhielte es sich auch mit dem „Wirtschaftsmotor“, der, wenn richtig konstruiert, nach den Mechanismen des Marktes abläuft. Ethische Normen oder „Werte“, so die Auffassung der meisten Ökonomen von Adam Smith bis zu den „Austrians“ (Mises, Hayek etc.), könnten den reibungslosen Ablauf nur stören. Doch, so die These von Sedlacek, in jeder wirtschaftlichen Entscheidung, ob sie nun ein Manager trifft oder der Käufer einer Banane, ist Moral mit im Spiel. „In every purchase, every managerial decision there is moral impact on others”, schärfte er den „Leaders of Tomorrow” in St. Gallen (Schweiz) ein.

Was ist eigentlich ist „wertvoll“ oder „gut“?

Wie konnte es dazu kommen, fragt sich Tomáš Sedlácek, dass eine Wissenschaft, in der „Werte“ eine so große Rolle spielen, „Werte außen vor lässt“, wie man heute neudeutsch sagt? Es ist für ihn geradezu „paradox, dass ein Gebiet (Anm.: gemeint ist die Ökonomie als Wissenschaft), das sich vorwiegend mit Werten beschäftigt, wertfrei sein will“. Er kann Milton Friedman nicht verstehen, für den die Ökonomie eine „positive Wissenschaft“ zu sein hat, „wertneutral“, „die Welt so beschreiben(d) wie sie ist, nicht wie sie sein sollte“ (S. 18). „Im wirklichen Leben“, wendet Tomáš Sedlácek ein, „ist die Ökonomie keine positive Wissenschaft“, die meisten Wissenschafter versuchen sie nur dazu zu machen, um „lästigen Grundfragen – das heißt der Metaphysik – aus dem Wege zu gehen“ (S. 19).

Ein schwerer, doch treffender Vorwurf! Indem wir die Grundfragen nicht mehr stellen, wissen wir auch nicht, ob das, was wir tun, verlangen, veranlassen, eigentlich „gut“ oder „böse“ ist. Ist hohes Wachstum des BIP gut oder sollten wir uns bescheiden mit dem, was wir bereits haben und die ständige Unzufriedenheit aufgeben (vgl. . 400)? Sollen wir Konkurrenz anheizen oder runinöse und halsabschneiderische Konkurrenz dämpfen? Müssen wir über Monopole und hohe Preise, wie Friedrich August von Hayek es vertritt, sub specie aeternitatis froh sein, weil sie den verschwenderischen Umgang mit nichterneuerbaren Rohstoffen hintanhalten oder sollen wir die Rohstoffkonzerne zwingen, sie billig auf den Markt zu bringen, um unsere gegenwärtigen Lebenshaltungskosten zu Lasten der Versorgung künftiger Generationen zu senken? Dürfen wir (ethisch gesehen) alles machen, was wir (technisch) machen können, z.B. die Gene von Pflanzen manipulieren, Tiere oder gar Menschen klonen? Was ist eigentlich überhaupt der Zweck der Ökonomie? Wofür nehmen wir die ganzen Anstrengungen auf uns? Doch wohl nur, um ein gutes Leben zu führen. Doch was ist das, das „gute Leben“?

Die Ökonomie und das gute Leben

Die Antwort geben uns nicht Graphiken, Tabellen, ökonomische Kalküle von Nutzen und Aufwand oder mathematische Modelle, mit denen unsere Lehrbücher voll gestopft sind. Wir finden die Antworten viel eher in unseren Annahmen, Vor-Urteilen, Überzeugungen, Ideologien, Welt-Anschauungen, philosophischen Erkenntnissen und zuletzt sogar in unseren religiösen Überzeugungen. Wirtschaft ist nämlich, so die triviale, doch wahre Aussage von Tomáš Sedlácek, eine kulturelle Erscheinung, ein Produkt unserer Zivilisation.

Dem sollten Ökonomen Rechnung tragen, sie sollten die Grenzen ihres Fachs überschreiten, fordert er. Die Ökonomie kann nämlich nicht verstanden werden ohne „Einbettung“ in die Gesellschaft, also in ihre Gestaltung durch Religion, Philosophie, Wissenschaft, Kunst, Ethik, Moral, Recht, Politik, Machtverhältnisse, staatliche Strukturen, bildungsmäßige Voraussetzungen der Bevölkerung, Arbeitsauffassung, demographische Entwicklung, Stand der Technik, Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen.

Der Mensch, ein unnatürliches Wesen

Das war schon immer so. Im Gilgamesch-Epos wird vor mehr als viertausend Jahren das beschrieben, was wir heute „Stadtwirtschaftspolitik“ nennen. Der Held des Epos, Gilgamesch, will das Leben in der Stadt Uruk für die Bewohner sicherer und angenehmer gestalten. Um sie gegen die Bedrohung von außen zu schützen, umgibt er sie mit einer Mauer und zieht so eine Grenze gegen die drohende, unheimliche, von Dämonen und bösen Geistern beherrschte Umgebung, den undurchdringlichen „Wald“. Gilgamensch scheut den Wald nicht, er holzt ihn ab und zeigt uns Späteren, dass „die Natur existiert, um den Städten und Menschen Rohstoffe und Produktionsmittel zu liefern“ (S. 40).

Hier werden wir Zeugen einer wichtigen geschichtlichen Veränderung: Die Menschen fühlen sich in einem unnatürlichen, künstlichen Konstrukt, in der von ihnen gebauten Stadt, wohl. Gilgamesch lehrte uns, uns als Geschöpfe zu begreifen, „für die es natürlich ist, unnatürlich zu sein“ (S. 342). „Die Natur ist nicht mehr der Garten, … in den er (der Mensch) gesetzt wurde, um den er sich kümmern und in dem er wohnen sollte, sondern nur noch ein Reservoir natürlicher Ressourcen“ (S. 41). Sie liefert Bauholz. Innerhalb der Stadtmauern können sich Reichtum und Wohlstand entwickeln, die Bewohner können sich spezialisieren, Handwerk und Handel blühen auf, durch Erziehung und Zivilisation wird der Mensch aus der Abhängigkeit von der Natur oder, wie Marx schrieb, „aus der Idiotie des Landlebens“ befreit, er gewinnt an „Menschsein“.

Doch das hat seinen Preis: Je mehr Zivilisation, desto abhängiger wird der Mensch von der Gesellschaft (vgl. S. 46). So wie Gilgamesch verhalten wir uns gegenüber der Natur: Wir beuten sie nur noch aus. Und das auf Kosten künftiger Generationen. In „Global 2000“ haben im Auftrage des amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter tausende Experten eindrücklich beschrieben, wie wenig nachhaltig wir mit unseren Lebensgrundlagen umgehen.

Was uns die Juden lehren

Zu einem der interessantesten Kapitel des Buches gehört jenes über den Einfluss der Juden, welchen sie seit dem Alten Testament bis zum heutigen Tage auf unsere ökonomischen Auffassungen ausüben. „Die Juden“, so gleich der erste Satz des relevanten zweiten Kapitels, „haben bei der Entwicklung der heutigen europäisch-amerikanischen Kultur und ihrer Wirtschaftssysteme eine Schlüsselrolle gespielt – doch weder die führenden Fachbücher zu ökonomischen Ideen noch andere Wirtschaftstexte haben ihnen viel Platz eingeräumt“ (S. 65). Dabei „können wir den Einfluss des jüdischen Denkens auf das gegenwärtige Stadium der freien Marktwirtschaft gar nicht überbewerten“ (S. 121). Der Autor, so sei hier eingeschoben, verwendet die Bezeichnungen Jude, Hebräer oder Israeli synonym. Mit den führenden Köpfen, die wirtschaftsgeschichtliche Fragen diskutieren, ist er sich über die ausschlaggebende „Bedeutung des Beitrags des jüdischen Denkens und seiner Rolle bei der Entwicklung der modernen kapitalistischen Ökonomie“ einig. Die Juden sind es, die den Himmel auf die Erde holten: „Die hebräische Religion ist also stark mit dieser Welt verbunden, nicht mit irgendeiner abstrakten Welt“ (S. 67).

Die Juden bringen uns die Idee des Fortschritts, ihr Zeitverständnis ist linear, nicht, wie für Gilgamesch, zyklisch, Zeit hat für sie Anfang und Ende. Am Ende kommt der Messias, bringt allen Völkern das „gute Leben“, das Paradies auf Erden, Wohlstand und ewigen Frieden. Mit dem Kommunismus hat Marx diese religiöse Vorstellung in eine säkularisierte Form gebracht.

Reichtum ist keine Schande

Für Juden ist Reichtum keine Schande, ihre Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob, die Begründer des Judaismus, waren alle reich. Reichtum, auch wenn er nur der Befriedigung durch und durch irdischer Bedürfnisse diente, betrachteten die Hebräer als Ausdruck der Gnade Gottes. Sich an äußeren Gütern zu erfreuen und leibliche Bedürfnisse zu befriedigen, ist für Juden keine Sünde, ist doch auch die materielle Welt von einem guten Gott erschaffen. Askese und Armut gehören nicht zu den von Juden gepflegten Tugenden.

„Die Religion des Alten Testaments agierte nicht als asketische Religion, sie untersagte irdische Freuden nicht. Ganz im Gegenteil“ (S. 97). Die Helden der Juden sind keine Heiligen, sondern eher „Trickster“ (S. 75) und manches Mal heroisch Leidende wie Ijob und Jesaja. Sie machten aus ihren Königen und Herrschern keine Götter, sondern wiesen ihnen ihre Fehlbarkeit nach und unterwarfen sie scharfer Kritik. Sie verließen sich lieber auf die Richter, die weniger Exekutivmacht hatten. Politik konnte hinterfragt werden, sie ist alles andere als unfehlbar.

Heute wird Politik und Politikern kaum noch Vertrauen entgegengebracht oder Kompetenz zugetraut. Und was die Ablehnung von Askese für den Konsum bedeutet, braucht hier nicht besonders hervorgehoben zu werden, haben wir doch die Konsum-Ankurbelei und das Güterwachstum zu einer säkularen Religion gemacht.

Wir sind in die Wachstumsfalle hineingetappt und glauben, Güterfülle bedeute mehr Glück und Zufriedenheit. Wir merken gar nicht, wie teuer sie oft erkauft ist. Manchmal nämlich durch Schulden, die uns zu Sklaven machen.

Nur noch Arbeitstier?

Nicht weniger bedeutsam ist die Einstellung zur Arbeit. Anders als bei den Griechen, ist für Juden Arbeit ursprünglich nicht mit Erniedrigung verbunden. Arbeit im Paradies sollte Adam Spaß machen, ihm war die ganze Schöpfung zur Pflege anvertraut, er „herrschte über die Fische des Meeres über die Vögel des Himmels, die Tiere, die sich auf dem Lande regen“, sie alle folgten ihm aufs „Wort“. Der Mensch sollte als Vollender der Schöpfung fungieren. Leider hat sich das mit dem Sündenfall geändert. Vertrieben aus dem Paradies, muss er nun „sein Brot im Schweiße seines Angesichts essen“. Arbeit wurde zum Fluch, der Mensch zum „Roboter“. Robotnik ist das slowakische Wort für „Arbeiter“.

Doch nach jüdischer Auffassung soll der Mensch nicht zum Arbeitstier werden, noch soll die Ökonomie die Gemeinschaft zerstören. Wie Gott bei seiner Schöpfungsarbeit, so sollte auch der Mensch am siebenten Tage ruhen, nachdenken und sich sammeln. Im siebenten Jahr sollte der Boden ausruhen und nicht bebaut werden. Alle sieben Jahre sollten auch die Hebräer, die durch hohe Schulden in die Sklaverei gefallen waren, von ihren Herren aus der Sklaverei und in die Freiheit entlassen werden. Alle sieben mal sieben, also nach 49 Jahren sollten alle Schulden erlassen werden und das Land an die ursprünglichen Stammesfamilien zurückgegeben werden.

Das Wachstum des BIP war also nicht das letzte Ziel aller wirtschaftlichen Aktivitäten, die „Sabattökonomie“ beschränkte es, sogar auf Grund strikter göttlicher Gebote. Gesetzliche Ruhetage, Bodenbrache, Forderungsverzicht, Restitution, ist das ökonomisch vernünftig? Sicher nicht. Ökonomen würden ja zwecks Optimierung am liebsten die Pausen in einer Sinfonie streichen, spottet Vaclav Havel im Vorwort, Pausen „ sind ja schließlich zu nichts gut, sie halten nur den Lauf der Dinge auf, und die Mitglieder des Orchesters können doch nicht dafür bezahlt werden, dass sie nicht spielen…“ (S. 10).

Glück lässt sich nicht messen

Für die Wirtschaftsauffassung der Griechen haben Poesie und Philosophie größte Bedeutung. Zur Arbeit sind wir Menschen nach Hesiod verdammt durch die Strafe, welche die Götter über den „krummgesinnten Prometheus“ verhängten, der ihnen das Feuer raubte. Tiere brauchen kein Feuer, wir brauchen es zum Leben. Manches Mal verbrennt es uns. So wie in Sodom und Gomorra, Hirsoshima, Nagasaki, Fukushima, Tschernobyl.

Pythagoras lehrte uns Zahlen („numbers“) zu schätzen, aber Zahlengläubigkeit kann man auch übertreiben. Das, worauf es im Leben ankommt, „Glück“, messen sie nicht. Was Glück ist, haben uns Sokrates, Platon und Aristoteles beizubringen versucht – nämlich ein fortwährendes Streben nach dem „Guten“ im persönlichen Leben wie in der Gesellschaft.

Sie räumten jeden Zweifel aus über das, was denn das Gute sei, nämlich das Göttergleiche, ewig Wahre, Schöne und Gerechte. Es sollte Menschsein und Ordnung im Staate bestimmen. Doch das Gute, so lehrten sie es uns, wird einem nicht geschenkt. Zu erreichen ist es nur durch große Anstrengung, Führung und Erziehung zur Tugend. Weisheit, Gerechtigkeitssinn, Klugheit, Tapferkeit, Maßhalten und die überschießenden Triebe zähmen, das gelte es zu entwickeln und dazu müsse auch der Staat, die ganze Politik und selbst die Wirtschaft in die Pflicht genommen werden.

Es gibt kein gutes Leben im falschen

Den Griechen war bewusst, dass der Mensch, dieses „zoon politicón“, dieses auf die „polis“, die Gemeinschaft oder Gesellschaft angewiesene „Tier“, den gut geführten Staat braucht, um ein gutes Leben führen zu können. Die Staatsführung sollte deshalb den „Weisen“ vorbehalten werden, denn „bevor nicht die Philosophen Könige werden oder die Könige Philosophen“, sei an ein Ende der ärgsten Übel im Staate nicht zu denken.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Wo Demagogen herrschen – Platon nennt sie „Volksverführer“ – ist mit dem guten Leben Schluss. Bald zweieinhalb Jahrtausende nach Platon und Aristoteles findet Theodor Adorno für die Einsicht dieser beiden griechischen Meisterdenker in die Notwendigkeit einer rechtgestalteten und -geführten „Polis“ (= Stadt, Gesellschaft, Gemeinschaft, Staat) die prägnante Formulierung: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“

Für manche Güter gibt es keinen Markt

Allergrößten Einfluss auf die Entwicklung der modernen Ökonomie hat das Christentum genommen. „Ohne das Christentum“, so die gewagte These von Tomáš Sedlácek, „wären die heutigen westlichen Demokratien mit ihrer freien Marktwirtschaft kaum denkbar“ (S. 170). Dem Christentum ist es gelungen, wesentliche Elemente des jüdischen und griechischen Denkens aufzunehmen, mit seinem Erlösungsglauben eine neue Dimension hinzuzufügen und so zur „Entwicklung der europäisch-amerikanischen Zivilisation“ (S. 170) wesentlich beizutragen.

Zumindest lehrte es uns, den weltlichen Dingen nicht Priorität zuzuerkennen, denn hier auf Erden haben wir keine ewige Heimstätte. Zum Unterschied zum Judentum wird Armut gepriesen. Für das Heil der Seele gibt es keinen Markt, was für uns von wirklichem Wert ist – Freundschaft, Liebe, Selbstzufriedenheit – kann man nicht kaufen. Reichtum öffnet keine Tür zum Himmelreich, der Reiche kommt nicht durchs Nadelöhr.

Gerechtigkeit ist in der Welt nicht zu haben

Neunzehn von dreißig Gleichnisreden Jesu schneiden ökonomische Fragen in einer Weise an, die Ökonomen vor den Kopf stößt. Die Arbeiter im Weinberg erhalten abseits jeder Form von Gerechtigkeit gleichen Lohn für ungleiche Leistungen. Die Verschwendung des Verlorenen Sohnes wird vom Vater dem Fleiß seines Bruders vorgezogen. Der barmherzige Samariter verzichtet auf Kompensation. Die wieder gefundene Drachme wird sogleich verfeiert. Die zwei Münzen, welche die arme Witwe in den Opferkasten wirft, sind mehr wert als die vielfach größere Spende des Wohlhabenden. Die überreiche Ernte einzulagern, wird als wenig sinnvoll bezeichnet. Sich um die Nahrung für den nächsten Tag zu sorgen, erscheint überflüssig, die Sperlinge, für die der Herr sorgt, tun es ja auch nicht (S. 180).

Von überragender Bedeutung ist die Streichung von Schulden. Der Betende bittet den Herrn um die Vergebung seiner Schuld und verspricht auch seinen Schuldigern zu vergeben. Die Schuldner werden von Christus „losgekauft“, und das sogar unter Opferung des eigenen Lebens. Heute halten wir das Versprechen der Schuldvergebung ein, indem wir unsoliden Staaten und Banken ihre Schulden erlassen und sie mit Unsummen loskaufen, die umso größer sind, je mehr sie versagt und je unökonomischer sie gehandelt haben.

Den Gestrauchelten aufzuhelfen, gehört zum Liebesgebot. Unsere ganze moderne Gesellschaft, so Tomáš Sedlácek, „kann ohne die ungerechte Vergebung von Schulden nicht funktionieren“ (S. 174). Marktwirtschaft und Wettbewerbsregeln werden in der Krise ohne Hemmung außer Kraft gesetzt.

Glück ist ein Geschenk

Das Schenken und die „Gnadengabe“ gehören zum Christentum wie das Amen zum Gebet. Die Erlösung ist kostenlos, wir können sie uns nicht „verdienen“, weder durch gute Werke noch Taten (S. 174f). Für Menschen, die sich nahe stehen oder in einer Gemeinschaft zusammenleben, spielt Geld und Bezahlung gar keine oder höchstens eine sehr untergeordnete Rolle.

„Freunde sind Menschen, die sich gegenseitig so viel schulden, dass sie vergessen wie viel“ (S. 178). Ihre Beziehung in Geld oder Preisen auszudrücken, gilt als „vulgär“. Der Vorwurf der „Profitgier“ wird als kränkend empfunden. Privateigentum ist kein absolutes Recht, „die Erde gehört allen gemeinsam“, die Ausübung von Besitzrechten steht unter dem Gemeinwohlvorbehalt (vgl. S. 193).

In den frühchristlichen Gemeinschaften „nannte keiner von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam“ (S195, unter Bezug auf Apostelgeschichte 2, 44 – 4, 35). Tomáš Sedlácek ist der Ansicht, dass die Kommunisten den Christen die Idee des Gemeineigentums verdanken, fügt allerdings hinzu, die Geschichte zeige, „dass die marxistische Vision vom Kommunismus keine funktionierende Alternative zum Kapitalismus bieten konnte“ (vgl. S. 195).

Den idealen Staat gibt es nicht

Mit der Verurteilung der irdischen Welt als „civitas diaboli“ durch Augustinus wurde uns für immer eingeprägt, dass es auf dieser Erde weder den idealen Staat geben, noch den Bürgern der „civitas terrena“ Gerechtigkeit zuteil werden kann. Das Böse kann nicht ausgerottet werden, Unkraut und Weizen gedeihen nur gemeinsam. Das „laissez faire, laissez passé, le monde va de lui même“ der Liberalen findet nach Tomáš Sedlácek hier einen seiner Ursprünge. Noch ältere hat er bei den Stoikern und Aristophanes entdeckt (vgl. S. 203).

Mehr Wirklichkeitssinn als von Augustinus erhielt das Christentum erst durch Thomas von Aquin (1225-1275) und die von ihm vorgenommene „Taufe“ des Aristoteles. Statt Weltverneinung erfolgt jetzt Weltbejahung. „Gott ist in allen Dingen“ (Summa theologica, I, 8, Art. 1), alles was Dasein hat, ob lebendig oder nicht, ob materiell oder geistig, ob vollkommen oder armselig, ja, ob gut oder böse, ist „heilig“ (S. 199), „denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut“ (S. 200).

Ontologisch gesehen, ist jedes Phänomen (Ding, Tatsache), wenn auch noch so unvollkommen und verzerrt, Ausdruck seines „Wesens“ (Noumenon), und dieses ist immer „gut“. „Es existiert kein Böses an (und für) sich“, es gibt kein Heil ohne Unheil, kein Licht ohne Dunkel, „selbst Satan, die Verkörperung des Bösen, spielt eine Doppelrolle: In seiner bösen Rolle hat er die Funktion zu etwas Gutem beizutragen“ (S. 204), er ist „ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“ (S. 205).

Kein Böses ohne das Gute: Gott pflügt mit dem Teufel

Hier wagt sich Tomáš Sedlácek außerordentlich weit vor. Die größten Gräueltaten wurden, wenn auch irrtümlich, in dem Bemühen begangen, irgendetwas Gutes zu bewirken (S. 202). „Selbst die großen Übel (wie der Holocaust und die Hexenverbrennungen) werden unter dem Vorwand (rhetorisch, aber auch aus Überzeugung vieler heraus) begangen, dass hinter diesem Bösen ein größeres Gutes steht (die Nazis führten an, das deutsche Volk brauche einen größeren Lebensraum, die Inquisitoren, sie würden die Welt durch ihr Handeln vom Bösen befreien).“ Die Einfügungen in Klammer finden sich im Original!

Diese Passage hat Tomáš Sedlácek den Vorwurf des Antisemitismus eingetragen, doch damit wird er wohl fertig werden. Seine zugespitzte Aussage entspricht nicht nur katholischer Lehre, sondern der Logik. „Es ist unmöglich, Böses zu tun, ohne dass es etwas Gutes gäbe, um dessentwillen man das Böse tut“ (S. 201, unter Berufung auf Thomas v. Aquin, Summa contra gentiles, III. Buch, Kapitel 4, 6-7).

Der Vernunft eine Gasse, doch ohne Vorfahrt

Durch Thomas von Aquin wurden Vernunft und Logik gegenüber dem Glauben ihr Recht eingeräumt. Eine Tat, die für die spätere, „wissenschaftlich“ geprägte Zivilisation und ihre Ökonomie ausschlaggebend wurde. Anders als für Martin Luther, für den die Vernunft „des Teufels Braut“ und eine „Metze“ ist (S. 209), besteht der Aquinate darauf, dass natürliche Vernunft und rechter Glaube sich niemals widersprechen können, denn Gott, der ja selbst Geist ist und sich im Logos der Schöpfung offenbart, täuscht weder sich noch uns. Auflehnung gegen die Vernunft ist gleichbedeutend mit der Auflehnung gegen Gott.

Der „Vernunft als Vertretung Gottes im Menschen“ kommt es zu, zu herrschen, nicht auf sie zu hören und entsprechend zu handeln ist für Thomas „Sünde“ (S. 210). Eine höhere Anerkennung kann der Vernunft nicht zuteil werden, sie ist Ausgangspunkt für den „Rationalismus“, der in Wissenschaft, Technik und Wirtschaft bald triumphieren sollte. Durch übertriebene Rationalisierung wurden Großbetriebe, Verwaltungen und Büros für viele Arbeitnehmer zu frustrierenden, „stählernen Gehäusen der Hörigkeit“ (Max Weber), die ihnen die Lebensfreude nahmen und sie zu Eskapisten machten.

Der Mensch, das gesellige Wesen, braucht Ordnung und Führung

Besondere Beachtung verdient das Hohelied der Gemeinschaft, mit dem Tomáš Sedlácek, gestützt auf Thomas von Aquin, jede individualistische Gesellschaftsauffassung, wie sie heute in liberalen Kreisen gang und gäbe ist, in die Schranken weist. „Es ist aber die natürliche Bestimmung des Menschen, das für gemeinschaftliches und staatliches Leben erschaffene Geschöpf zu sein, das gesellig lebt“, weil es anders seinen Zweck nicht erreicht und auch nicht an den Kulturgütern teilnehmen kann, welche die Gesellschaft ihm bietet. „Wenn er (der Mensch) jedoch in einer Gesellschaft lebt und deren Vorteile nutzen will, muss er Teil der Ordnung sein, die es der Gesellschaft ermöglicht, ein gemeinsames Ziel anzustreben“ (S. 212). Als Teil der Ordnung muss er sich der Führung der Gesellschaft, die auf das gemeinsame Wohl Bedacht nimmt, unterordnen, denn „wo kein Regent ist, zerstreut sich das Volk“ (S. 209, unter Berufung auf Buch der Sprüche 11, 14).

Die Gesellschaft braucht also einen „Steuermann, der am Ruder steht“ (S. 209). Wenn jeder nur auf das bedacht ist, was ihm nützt, würde die Gesellschaft auseinander geraten, „falls nicht eben jemand da wäre, der für das Sorge trägt, was das Wohl der Gesellschaft betrifft“ (S. 209).

Was bleibt außer dem Zweifel?

Die auf die lutherische Verneinung der Autorität von Vernunft und Kirche folgenden politischen Wirren, der dreißigjährige Glaubenskrieg (1618-1648), ließen Zweifel an allem aufkommen, was bis dahin durch Offenbarung, Dogma, Sitte, Recht, Brauchtum oder breiten Konsens als gesicherte Wahrheit galt. Diesen Zweifel griff einer der schärfsten Denker jener Zeit auf, René Descartes (1596 – 1650).

Er ließ nur eine einzige Gewissheit zu, dass er – wie auch jeder andere Mensch – es nämlich selbst ist, der da zweifelte und nach Erkenntnis des Wahren ringt: Cogito ergo sum.

Das „Ich“ oder „Subjekt“, ausgesetzt einer Vielfalt von äußeren Eindrücken, Erfahrungen und Einflüssen unterschiedlichster Art und Stärke, wie konnte es da zu einer allen gemeinsamen und von allen anerkannten Wahrheit gelangen, einem Wissen, dass jedem zugänglich sein sollte? Mit der Stellung dieser Frage leitete Descartes das bis heute andauernde „wissenschaftliche Zeitalter“ ein. Ab nun setzte sich wissenschaftliches Denken zum Ziel, „eine Methode zur Untersuchung der Welt durchzudrücken, die keinen Zweifel zuließ und frei von jeder subjektiven, disputablen Dimension war“ (S. 215).

Das war nur möglich durch Beschränkung auf die „körperlichen“ Teile der Welt, die mit den Sinnen erfasst, gezählt, gemessen und gewogen, deren Bewegungen im Raum beobachtet und zueinander in Beziehung gesetzt werden konnten. Wissenschaft war von nun an nur das, was beobachtet und durch Experiment bewiesen werden konnte. „Unsichtbaren Dingen“, von denen im Credo die Rede ist, oder „Werte“, die auf subjektiven Empfindungen und Urteilen beruhen, waren von da an keine Gegenstände der „science“ mehr.

Die Gegenstände oder „Objekte“ der Wissenschaft, die physischen Körper, zerlegte die Atomistik in ihre kleinsten Teile, die Mechanistik erfasste ihr Zusammenwirken, die aufgefundenen Regelmäßigkeiten wurden als Naturgesetze formuliert und ausgedrückt in einer kulturunabhängigen, allen gemeinsamen Sprache: der Mathematik.

Das ökonomische Kalkül

Tomáš Sedlácek sieht in dieser kartesianischen Beschränkung und Methode „den großen Durchbruch, besonders für Ökonomen“. Der kleinste Teil der Wirtschaft ist das Individuum, das nicht mehr teilbare „Atom“ der Gesellschaft, das so gut es nur kann, seinen „Nutzen“ sucht, mithin der berühmte „homo oeconomicus“. Seine hedonistische (A-)Moral stammt von Epikur. Seine mathematische und mechanistische Seite verdankt er Descartes. Der homo oeconomicus „ist ein mechanisches Konstrukt, das gemäß unfehlbaren mathematischen Prinzipien und durch reine Mechanik funktioniert“ (S. 218).

Das Individuum, „der Mensch wird nicht im Kontext der Gesellschaft definiert“ (S. 226), er wird reduziert „auf ein mechanisch-mathematisches Kalkül“, auf „eine mathematische Gleichung: kalt, distanziert, für alle gleich, historisch und räumlich konstant“ (S. 226). Für eine Rechenmaschine ist es gleich, ob sie in China oder in der Schweiz ihre ökonomischen Kalküle von Nutzen und Aufwand, Ertrag und Kosten, Lust und Unlust, ausführt. „Das einheitliche, fundamentale und alles erklärende Prinzip, zu dem die Ökonomie bei nahezu jeder Gelegenheit neigt, ist verständlicherweise das Selbstinteresse“ (S. 219), der Egoismus, die Selbstsucht.

In allem sein Selbstinteresse zu verfolgen, gehört seit Descartes zum Prinzip der Wirtschaftstheorie des Mainstreams. Die herkömmliche Theorie besteht darauf, keine ethische Wissenschaft zu sein und daher zwischen Gut und Böse nicht zu unterscheiden. Moralische „Werturteile“ verbannt sie in die subjektive Sphäre.

Die Verwandlung von Amoral in Moral

Der Zynismus dieses Systems findet eine kaum überbietbare Darstellung in der berühmten „Bienenfabel“ des Bernhard von Mandeville, durch welche private Unmoral und Laster („private vices“) als Beitrag zum Gemeinwohl („public benefits“) gefeiert werden. Als sie 1723 in zweiter Auflage erschien, rief sie eine riesige Kontroverse hervor, denn alle Gutmenschen und Moralprediger der damaligen Zeit sahen sich der Heuchelei angeprangert und überführt.

„Mandeville begründete die Auffassung, dass der materielle Wohlstand umso größer ist, je mehr Laster es gibt. Das ursprünglich universelle Konzept des Zusammenhangs zwischen Ethik und Ökonomie, dem wir schon im Alten Testament begegnen, wird auf den Kopf gestellt“ (S. 230). Er „war derjenige, der das Konzept in das westliche Mainstream-Denken einführte, dass moralische Laster des Einzelnen dem Ganzen wirtschaftlichen Wohlstand bringen können“ (S. 231).

Er, „nicht Smith, muss als erster moderner Ökonom gelten“ (S. 231). Seine These: „Es gibt keinen Handel ohne Betrug, keine Obrigkeit ohne Bestechung und Korruption“ (S. 232). Sie sind Bedingung für eine florierende Gesellschaft. Wenn der Luxus zusammen mit den oberen, lasterhaften Gesellschaftsschichten schwindet, haben die „kleinen Leute – Bauern, Diener und Dienstmädchen, Schuhmacher und Schneider – unter der gesunkenen Nachfrage zu leiden“ (S. 233).

„Stolz, Luxus und Betrügerei
Muss sein, damit das Volk gedeih …
Mit Tugend bloß kommt man nicht weit;
Wer wünscht, dass eine goldene Zeit
Zurückkehrt, sollte nicht vergessen:
Man musste damals Eicheln essen“.

Mit der Pflege der Kardinaltugenden wird kein Suppentopf gefüllt und kein Rock genäht (vgl. S. 235). Auf welches Wirtschaftssystem haben wir uns da eigentlich eingelassen? Wagen wir es, diese Frage überhaupt noch zu stellen?

Durch die unsichtbare Hand wird aus Gier Fortschritt

Die Wandlung oder Transsubstantiation von Selbstinteresse in Gesamtinteresse, Eigennutz in Gemeinnutz, Eigenwohl in Gemeinwohl geschieht, so unser neuer Glaube, durch eine mystische, geheimnisvolle, „unsichtbare Hand“ („invisible Hand“), deren wunderbares Wirken Mandeville einige Jahre vor Adam Smith wiederentdeckt hat. Und auch dem Markt ordnet er hohe Bedeutung zu. „Nach Ansicht von Mandeville sind die Märkte nicht nur Koordinatoren der menschlichen Interaktionen, sondern (sie) können auch persönliche Laster in öffentliche Vorteile verwandeln“ (S. 239).

Selbst Gier, dargebracht auf dem Altar des Marktes, wird zum „Heilsgut“ oder „Sakrament“: Gier ist „notwendige Bedingung für den Fortschritt einer Gesellschaft“ (S. 238).

„Mandeville war eindeutig ein Befürworter des hedonistischen Programms“. Ja „er ging sogar noch weiter als die Hedonisten: Unsere Nachfrage muss immer weiter wachsen, denn das ist … der einzige Weg zum Fortschritt. In dieser Hinsicht ist die moderne Ökonomie aus seinem Denken erwachsen“ (S. 238). Nie mehr sollten wir zufrieden sein mit dem, was wir haben, denn das würde Stillstand bedeuten. Der „Bliss Point“ (Sättigungspunkt) wird umso schneller höher geschraubt, je mehr wir uns ihm nähern. Massen arbeiten in Jobs, „die sie hassen, nur damit sie kaufen können, was sie gar nicht wirklich brauchen“ (S. 299).

Ist Ziel der Wirtschaft mehr Wirtschaft? Wie kann mehr Wirtschaft ökonomisch sein? Hängt Ökonomie nicht mit dem richtigen Haushalten zusammen, dem Kräftesparen, dem „Optimieren“? „Wenn die Ökonomie ihr Ziel verliert, bleibt uns nur noch eines – ein Wachstum, das nichts kennt als sich selbst, da es kein Ziel als Maßstab hat“ (S. 301). Ist Ziellosigkeit unser Ziel? „Die ganze Produktion scheint eine Leere zu füllen, die sie selbst erzeugt“ (S. 303).

Der schizophrene Adam Smith

Joseph Schumpeter, der in seinem Leben der größte Don Juan, der größte Herrenreiter und der größte Nationalökonom werden wollte (und bedauerte, die beiden ersten Ziele nicht erreicht zu haben), hatte für einen Hagestolz wie Adam Smith, der nie mit einer anderen Frau als seiner Mutter verkehrte, und die Schönheiten und Leidenschaften des Lebens nur aus Literatur kannte, nichts übrig. Er sprach ihm auch als Nationalökonom jede Originalität ab, „denn keine einzige analytische Idee oder Methode und kein analytisches Prinzip“ hätte er neu hervorgebracht (S. 263). Er war sich darin mit Friedrich August von Hayek einig, der sich weigerte, in Adam Smith einen großen Ökonomen zu sehen (ebenda).

Der Historiker Norman Davis hält den kauzigen Schotten gar für einen „chaotischen Mann“, der in Edinburgh zu wiederholten Malen halb nackt auf den Straßen herumlief und schwadronierte, mit seltsam affektierter Stimme und wie in Trance hitzig mit sich selbst debattierend, bei seiner Mutter wohnte und nie eine Chance hatte, eine Frau zu finden (vgl. S. 243). Tomáš Sedlácek – und mit dieser Ansicht ist er keineswegs allein – hält ihn gar für schizophren (vgl. S. 253). Lehnt Smith doch in seinem Buch über die Theory of Moral Sentiments Selbstsucht und Eigeninteresse als verwerflich ab, während er sie in den Wealth of Nations als „die einzige, offenbar ausreichende Verbindung zwischen den Menschen“ ansieht und zur Notwendigkeit von Sympathie, gegenseitigem Wohlwollen und moralischen Gefühlen als Kitt der Gesellschaft „kein einziges Wort sagt“ (S. 252). 

Für Sedlácek kann Smith als Moralphilosoph gelten, „nicht als Ökonom“. Zum „Vater der klassischen Nationalökonomie“ wurde Smith nur bei Freunden der kartesianischen Engführung dieser Wissenschaft, welche bis heute in der Nutzenmaximierung des Egoisten ihr einigendes und einziges Prinzip sehen.

Die Entleerung des Nutzenbegriffs macht die meisten Lehrbücher zur Makulatur

Diesen Freunden wirft Tomáš Sedlácek vor, den Nutzenbegriff derart von allem Inhalt entleert zu haben, dass er jede Bedeutung verlor. Johan Hus maximiert seinen Nutzen, indem er lieber die Verbrennung auf dem Scheiterhaufen in Kauf nimmt, als seine „ketzerischen“ Überzeugungen zu widerrufen. Ob die Tschechen je diese Tragödie als Verletzung ihres Nationalstolzes überwunden haben und was sie für ihren Sonderweg durch die europäische Geschichte auch wirtschaftlich bedeutete, interessiert Nationalökonomen nicht. Für sie hat Johan Hus seinen Nutzen genauso selbstsüchtig maximiert wie Judas, der seinem Herrn untreu wurde und ihn um 30 Silberlinge verriet.

Den Trick, Selbstsucht moralisch als Laster zu verurteilen und sie in das eher salonfähige, neutralere und weniger anstößige Eigeninteresse „umzutaufen“ (vgl. S. 251), gelang bereits Adam Smith, dem „Moralphilosophen“. Seine Moralphilosophie, so sei nebenbei bemerkt, basierte er im Übrigen, ganz ähnlich wie sein Freund David Hume, auf „Gefühlen“ („sentiments“), ohne zu erkennen, dass irrationale Gefühle niemals imstande sind, eine verbindende und verbindliche Form von Gesellschaftsethik hervorzubringen.

Für Thomas Hobbes war dieses Unvermögen der Grund, nach dem Leviathan zu rufen, der festlegt, was als Gut oder als Böses gilt und der das mit dem Monopol auf Gewalt im Staat auch durchsetzt: auctoritas facit legem.

Gary S. Becker bekam 1992 seinen Nobelpreis für die absurde These, dass alle menschlichen Entscheidungen, seien es wichtige wie die Ehe, oder auch nebensächliche wie der Kauf einer Kinokarte, durch den ökonomischen Ansatz abgedeckt werden. Wie alle Ökonomen des Mainstreams brachte er damit die Ansicht zum Ausdruck, „dass jeder – ganz egal was er macht – seinen Nutzen maximiert“ (S. 279).

Doch was bedeutet das Wort „Nutzen“? „In der Flut der ganzen mathematischen Definitionen haben unsere >strengen< Lehrbücher aber leider vergessen, zu definieren, was der Begriff >Nutzen< eigentlich bedeutet“.

Das geschah ganz mit Absicht, denn wenn ihre Verfasser „eine Definition des Nutzens liefern würden, würden die Studenten schnell das Interesse an ihren Büchern verlieren“ (S. 280). Sie wären bloß noch Makulatur. Die Jahre, die sie Studenten zwingen, sich mit tausenden von Optimierungsrechnungen zu befassen, täuschen darüber hinweg, dass ihr Erkenntnisgewinn auf tautologischen Leerformeln beruht, nach dem Muster „TautoUtlity, MaxU“ (S. 279).

Ob der Homo oeconomicus untätig herumsitzt, mit seinen Kindern plaudert, schläft oder arbeitet, er kann gar nicht anders, als in allem, was er macht, seinen Nutzen zu maximieren. Damit tappen die Ökonomen in die poppersche Falle der Unüberprüfbarkeit ihrer Modelle: Wenn es für den homo oeconomicus ausgeschlossen ist, seinen Nutzen nicht zu maximieren, sind Theorie und Modelle, die sein Verhalten erklären wollen, „de facto sinnlos“ (S. 283), sie können nicht „falsifiziert“ werden.

Heute macht sich sogar der Nobelpreisträger Paul A. Samuelson – nach Sedlácek der „orchestrator of the orchestration“ des uniformen Mainstream-Denkens ganzer Generationen von Studenten aller Kontinente – über den tautologischen Inhalt des „Gesetzes von Angebot und Nachfrage“ lustig: Warum ist der Preis von Schweinefleisch so hoch? Weil der Preis für Futtermais so hoch ist. Und warum ist Preis für Futtermais so hoch? Weil der Preis von Schweinefleisch so hoch ist!

Ökonomie ist keine wertfreie und empirische, sondern eine normative Sozialwissenschaft

„Blasphemische Gedanken“ überschreibt Tomáš Sedlácek den zweiten und letzten Teil seines Buches. Blasphemisch sind die geäußerten Gedanken, weil sie allen wesentlichen Annahmen und Methoden der herkömmlichen Wirtschaftstheorie und ihren prominentesten Vertretern widersprechen. Wir fassen hier seine wichtigsten Aussagen zusammen.

Für Tomáš Sedlácek ist die Ökonomie keine empirische Wissenschaft. Es gibt in ihr keine „Gesetzmäßigkeiten“, die sich aus Erfahrungen, Beobachtungen oder Zeitreihen ableiten ließen. Mit ökonometrischen Methoden lassen sich keine Kausalverhältnisse feststellen, z. B. lässt sich die Inflation nicht immer durch die Geldmenge erklären. „Die Benutzung ökonometrischer Modelle für die Projektion der wahrscheinlichen Ergebnisse verschiedener politischer Entscheidungen … gilt weithin als nicht zu rechtfertigen oder sogar als Hauptursache der Probleme, die in letzter Zeit aufgetreten sind“ (S. 366, unter Berufung auf Jeffrey Sachs, Christopher Sims und Stephen Goldfeld: Policy Analysis with Econometric Models, Cambridge 1997, S 107).

 „Mathematik ist eine reine Tautologie.“ (S. 363). „Numerische Einheiten … tragen ihre Existenz in sich, beziehen sich auf nichts, verweisen auf nichts, repräsentieren nichts, stehen für nichts, zeigen nichts an und bedeuten nichts außer sich selbst“ (S. 361). Mathematik hat zur äußeren Welt von sich aus keine Verbindung, die entsteht erst in unserem Kopf. Mathematik benutzen wir als Sprache zur sehr eingeschränkten Beschreibung der Welt.

Wir können die Sonne als Kreis beschreiben, doch sie ist für uns weit mehr. So ist es auch mit mathematischen Modellen. Sie bilden die Realität, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt ab. Ihre Ergebnisse sind nur logische Ableitungen aus getroffenen Annahmen. Ändern sich die Annahmen – und die ändern sich im Zeitverlauf immer – dann auch die Ergebnisse. Mathematische Modelle eignen sich daher auch nicht für Prognosen. Kein mathematisches Modell konnte vor dem Zusammenbruch von Märkten schützen (S. 356).

Die Ökonomie ist keine wertfreie, positivistische Wissenschaft. Sie trifft Aussagen über das, was „ist“ (Analyse), was sein „soll“ (angestrebter Zustand, Ziel) und über die Wege (Maßnahmen, Politik), wie das „Soll“ erreicht werden kann. Urteile über „wirtschaftlich“ und „unwirtschaftlich“, „produktiv“ oder „unproduktiv“, „effizient“ oder „ineffizient““, „exzellent“ oder „dürftig“, „gut oder böse/schlecht“, sind grundsätzlich normativ oder „value loaded“ (Nobelpreisträger Gunnar Myrdal), sie orientieren sich an „Vollkommenheitszuständen“.

Der kartesianische Ansatz der herkömmlichen Ökonomie ist nicht zu halten. Das isolierte, an allem zweifelnde „Ich“ existiert nicht. Die individualistische Gesellschaftsauffassung, derzufolge die Gesellschaft nur eine Summe von Individuen ist, entspricht nicht der Realität.

Der Mensch ist von seiner Natur her ein Gemeinschaftswesen, er wurde „geschaffen als Mann und Frau“ (Genesis 1, 27), er existiert nur als „geselliges Wesen“, als animal culturalis et socialis. Er ist kein „Individuum“, sondern „Person“, in welcher der Geist der Gemeinschaft „tönt“, durchklingt und Ausdruck findet.

Die einzelne Person handelt daher immer nur als „Gemeinschaftswesen“, als „Organ“ einer Gemeinschaft, in deren Auftrag und für diese. Auch das Individuum, der einzelne Mensch, ist kein Homo oeconomicus, der selbstsüchtig seinen Nutzen abwägt, sondern er ist eine Person, die ihre Aufgaben und Pflichten gegenüber der Gemeinschaft mehr oder minder gut erfüllt und dafür von dieser entsprechend geachtet und gesellschaftsüblich (z.B. Beamtengehaltsschema, Kollektivvertrag, im Familienverband häufig auch nichtmonetär!) belohnt wird.

Wie die einzelne Person, so steht auch die ganze Wirtschaft im Dienst des Gemeinwohls, des Bonum commune. Wirtschaftlich primär ist darum nicht das Wohl des Einzelnen, sondern des „Ganzen“. Das „Ganze“, die Gemeinschaft, hat den Vorrang vor den Teilen, den „Angehörigen“, den „Mitgliedern“. Ihre Aktivitäten und Besitztümer stehen unter Gemeinwohlvorbehalt. Den Nachweis für diesen Vorrang bringt Tomáš Sedlácek im kulturgeschichtlichen Teil seines Buches (Gilgamesch, Judentum, Griechentum, Christentum).

In den Bereich der Wirtschaft fällt die Bereitstellung der äußeren Mittel, welche für die Erreichung der von der Gemeinschaft oder „Gesellschaft“ vorgegebenen Ziele notwendig sind. Obwohl betroffen, entscheidet über diese Ziele nicht das einzelne Individuum, es nimmt höchstens Teil an diesen Entscheidungen und beeinflusst sie als mitbestimmendes Glied der Gemeinschaft.

Alle wesentlichen, wirtschaftlich relevanten Entscheidungen werden nicht nach Nutzenkalkülen getroffen, sondern „politisch“ nach den Zielen oder Bedürfnissen der jeweiligen Gemeinschaft (der Nutzen von „to put a man on the moon“ ist keine Rechengröße!). Entschieden wird von den Repräsentanten der Gemeinschaft darüber, welcher Aufwand oder welche Kosten vertretbar erscheinen, und welche nicht. Politische Entscheidungen werden gefällt im politischen „Prozess“. „Die“ Wirtschaft kann in diesem Prozess nur ihren Sachverstand einbringen, der sich auf die Bereitstellung der Mittel bezieht.

Mit Paul Feyerabend warnt Tomáš Sedlácek vor den „Irrwegen der Vernunft“. Der Versuch, die Realität an falsche Denkansätze und Modelle anzupassen und zu vergewaltigen, ist nicht nur für die Wirtschaft von Nachteil, er kann ganze Kulturen und Völker „abschaffen“. Beide fordern auf, die Spanischen Stiefel auszuziehen, die uns an Grenzüberschreitungen hemmen und wieder mehr auf unsere innere Stimme zu hören, welche neue Wege weist: „Farewell to reason“, „anything goes.“ (vgl. S. 396).

Ein Plädoyer für „wildes Denken“

Mainstream-Ökonomen werden sich damit abfinden müssen, dass sie von Fachkollegen herausgefordert werden, welche mit Tolkiens „Herr der Ringe“ oder dem Film „Matrix“ die Ökonomie neu interpretieren.

Solche Fachkollegen warnen vor einem Volk wie die „Orks“, dessen Angehörige wie verrückt daran arbeiten, das Bruttoinlandsprodukt zu steigern und dunklen Mächten als willige Vollstrecker dienen. Die Vertreter dieser neuen Generation von Fachkollegen halten es lieber mit den Elben, jenen Zauberwesen, die in ihren Träumen, Geschichten und Mythen leben und vieles, was sie an Wertvollem besitzen, aus der Vergangenheit schöpfen. Sie schätzen immaterielle Güter höher als materielle und wissen, dass geistiges Kapital der wichtigste Produktionsfaktor ist, um, wie Tomáš Sedlácek meint, „alles nach oben zu ziehen“.

Er und seine Freunde sympathisieren mit den „Auserwählten“ im Film, die Widerstand gegen die „Matrix“ leisten, die die Menschen durch eine hochkomplexe Computersimulation in einer virtuellen Welt gefangen hält, welche Realität suggeriert und von den Gefangenen als „Energielieferanten“ auch noch erhalten wird. Sie loben den Hacker „Neo“ – heute Assange, Manning, Snowden – der das System knacken will, jedoch verfolgt und vom Agenten des Systems, (Adam?) Smith, erschossen wird. Im Film wird der Tote durch den Kuss seiner Komplizin und Freundin „Trinity“ wieder auferweckt. Er fängt dann an, ein paar Menschen aus der „Matrix“ zu befreien, um dann bald nach Art des Superman in den Lüften zu entschwinden. Die biblische Geschichte wird so den Kindern von heute nahe gebracht, freut sich Tomáš Sedlácek, und auch darüber, dass die Zahl seiner Hörer in der Welt von Tag zu Tag wächst.

Vielleicht hängt mit dem Durchbruch, den er durch sein Buch erzielt hat, zusammen, dass nun auch „The Other Austrians“ (T. Ehs, 2011), sehr zum Missfallen der Linken und Liberalen, neues Interesse erwecken. Diese „anderen Österreicher“ – schon 1953 hat F. A. Graf von Westphalen für die Kongressbibliothek der USA einige von ihnen gewürdigt – haben nie aufgehört, eine „ganzheitliche“ oder christlich-naturrechtliche Nationalökonomie zu vertreten, welche größten Wert auf die „Einbettung“ von Mikro- und Markroökonomie in Kultur, Politik und Soziales gelegt hat.

Erinnert sei hier nur an Johannes Messner, Anton Orel, Leopold Kohr, Ferdinand Graf von Degenfeld-Schonburg, Othmar Spann, Walter Heinrich, Wilhelm Andreae, Ferdinand A. Graf von Westphalen, Anton Tautscher, Fritz Ottel, Erich Hruschka, Erich Loitlsberger, Joseph Kolbinger, Michael Hofmann, Hans Bach, J. H. Pichler, Anton Schöpf, Adolf H. Malinsky, Geiserich E. Tichy, Ernest Kulhavy, Walter Sertl u. v. a.

Obwohl nach 1945 zu einer „unerwünschten Forschungsrichtung“ zählend, haben sie sich nicht davon abhalten lassen, sich vielfach mit äußerster Schärfe gegen die individualistisch-liberale Gesellschaftsauffassung, die naturwissenschaftlichen Methoden in den Sozialwissenschaften und die neoklassischen Theoreme zu wenden. Im Unterschied zu Tomáš Sedlácek, haben sie ihr eigenes „wildes Denken“, mit dem sie zahlreiche Durchbrüche schafften, durch Ringen um System in geordnete Bahnen gezwungen. Ihre unzähligen Schüler danken es ihnen noch heute.

Tomáš Sedlácek: Die Ökonomie von Gut und Böse, Carl Hanser, München 2012, 447 Seiten. (Übersetzung aus dem Amerikanischen von Ingrid Proß-Gill), ISBN 978-3-446-42823-2, Euro 24,90

Friedrich Romig lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Er verfasste u.a. „Wirtschaft der Mitte“ (Salzburg), „Die Theorie der wirtschaftlichen Zusammenarbeit“ (Berlin), „Die ideologischen Elemente der neoklassischen Theorie – eine Auseinandersetzung mit Paul A. Samuelson“ (Berlin), „Vier Traktate über das Wesen des Konservativismus“ (Wien), „Die Rechte der Nation“ (Graz), „Der Sinn der Geschichte“ (Kiel).

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Die Todsünden des klassischen Liberalismus drucken

Friedrich August von Hayek verdanken wir die folgende Einsicht: „Der echte Liberalismus zeichnet sich dadurch aus, dass er die nicht auf politischem Zwang beruhenden Konventionen des gesellschaftlichen Zusammenlebens als wesentliche Faktoren für die Erhaltung einer sozialen Ordnung betrachtet.“ Der Wirtschaftsnobelpreisträger des Jahres 1974 stellt das im Gegensatzpaar von Kosmos und Taxis in seinem Opus Magnum „Die Verfassung der Freiheit“ dar.

Kosmos bezeichnet das, was er eine „spontane Ordnung“ nennt – eine, wenn man so will, „informelle“ Ordnung, die nicht in Gesetzesform gegossen sein muss, die aber jedenfalls nicht oktroyiert wird. Beispiel: die Sprache. Der Begriff Taxis dagegen bezeichnet die (staatliche) Sphäre von Befehl und Gehorsam. In der Sicherung der Rechte des Bürgers mittels einer strikten Beschränkung (der staatlichen) Macht, erblickten die Vertreter des klassischen Liberalismus den Schlüssel zur Bewahrung der Freiheit.

Hans-Hermann Hoppe, einer der prominentesten lebenden Vertreter der „Austrian School“ und radikaler Staatskritiker, sieht den ersten fundamentalen Fehler des klassischen Liberalismus darin, dass er sich – anstatt konsequent Freiheit und Eigentum der Bürger zu schützen – auf die Seite des Staates stellt, der gewaltsam in deren Eigentum eindringt, indem er – ohne Zustimmung der Betroffenen – von ihm festgelegte Zwangsabgaben (Steuern) erhebt. Denn der Staat „… eine durch zwei typische Charakteristika geprägte Agentur: den Anspruch, innerhalb eines begrenzten Territoriums monopolistischer „Rechtsetzer und Letztentscheider“ zu sein; und dem Recht, Zwangsabgaben einzuheben,“ schafft das ihm genehme Gesetz, anstatt Recht zu suchen und zu finden – ein fundamentaler Widerspruch zur klassisch-liberalen Forderung nach der Rule of Law.

Stefan Blankertz kommt in seinem 1997 erschienen Aufsatz „Wie liberal kann ein Staat sein?" zu folgendem Befund: „Missachtung des Eigentumsrechts führt zu einer nicht freiwilligen Interaktion. Diese ist die Struktur der Herrschaft. Prinzipiell kann von jedem Menschen Herrschaft ausgeübt werden. Die Wegnahme oder Zerstörung von Eigentum (eingeschlossen das Eigentum der Selbstbestimmung) ist kriminell, nicht weil es gegen ein Gesetz, sondern weil es gegen das Recht verstößt. Kriminell verhält sich jeder Mensch, der mit Gewalt in die Entscheidungen anderer Individuen interveniert.“ Er liefert damit eine einleuchtende Begründung für das libertäre „Nichtaggressionsaxiom“.

In keiner sozialen Gruppe würde einem Einzelnen je das Recht zugestanden, auch in Streitfällen, in die er selbst involviert ist, als Schiedsrichter zu fungieren. Der Staat jedoch nimmt sich dieses Recht unwidersprochen heraus. Im Fall einer Auseinandersetzung eines Bürgers mit dem Staat entscheidet immer der Staat in letzter Instanz. Der Staat als parteilicher, enteignender Eigentumsschützer – ein offensichtlicher Widerspruch!

Einen zweiten Kardinalfehler des klassischen Liberalismus sieht Hoppe in dessen völlig unkritischer Parteinahme für die Demokratie. Der historische Grund dafür liegt auf der Hand: Die Privilegien des Königs sollten verschwinden. Allerdings wurden im antimonarchistischen Überschwang die persönlichen Privilegien des Monarchen durch funktionelle Privilegien der demokratischen Funktionsträger ersetzt. Dieser Gedanke wird von Bertrand de Jouvenel in seinem Buch „On Power“ bereits Ende der 1940-er Jahre elaboriert ausgeführt. Die Grundannahme, dass Liberalismus und Demokratie natürliche Verbündete wären, ist ein sich hartnäckig haltender Mythos, der durch die Fakten längst widerlegt ist. Totalitärer als die zunehmend alle Lebensbereiche regulierende Demokratie hat kein absoluter Monarch jemals agiert. Den Bürgern sogar vorzuschreiben, auf welche Weise sie ihr Stiegenhaus zu beleuchten haben, oder was und wo sie rauchen oder trinken dürfen, ist selbst den übelsten autokratisch regierenden Tyrannen niemals in den Sinn gekommen.

Während ein Monarch sein Land als Privateigentum betrachtet und „nachhaltig“ bewirtschaftet – schließlich hat er ein dynastisches Interesse an dessen Werterhaltung – folgt das Denken demokratisch gewählter Funktionäre gänzlich anderen Erwägungen. Der demokratische Politiker ist nämlich dem angestellten Unternehmensmanager vergleichbar, nicht aber dem einen Betrieb führenden Eigentümer! Er hat folglich größtes Interesse daran, innerhalb der kurzen, ihm zugestandenen Funktionsperiode das Maximum an Ertrag herauszuholen, zu dessen Gunsten er langfristige Ziele vernachlässigt. Er denkt eben nur in Vier- oder Fünfjahreszyklen.

Die von Karl Popper (in seinem Werk „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“) formulierte Überlegung, dass Demokratien die Möglichkeit bieten, schlechte Funktionäre abzuwählen und durch bessere zu ersetzen, ist durch die Realität nicht zu belegen. Der Grund liegt in den völlig unterschiedlichen Funktionsweisen der Sphären von Markt und Politik. Zum Verständnis dieses Umstandes lesenswert ist das 1914 erschienene Buch „Der Staat“ von Franz Oppenheimer. Er definiert darin zwei Arten, Einkommen zu erwerben: Erstens das wirtschaftliche Mittel, also den freien Austausch von Waren oder Dienstleistung gegen Geld – ein Verfahren, bei dem beide Seiten gewinnen. Zweitens das politische Mittel – die gewaltsame Enteignung der einen Seite durch die andere – ohne, dass den Enteigneten dafür ein Anspruch auf eine konkrete Leistung erwächst. Während aber den wirtschaftlichen Wettbewerb stets die Besten gewinnen – zum Wohl des Konsumenten – siegen im politischen immer die Übelsten: Diejenigen, die am besten lügen und betrügen können – zum Schaden der Bürger.

Politiker sind skrupellos, der Staat produziert Ungüter

Der Schuster, der Kaufmann und der Zahnarzt – sie liefern aus freien Stücken nachgefragte Leistungen. Sie und alle anderen auf dem Markt tätigen Akteure schaffen Werte – Güter. Hier kann ein Wettbewerb der Nachfrageseite nur Vorteile bringen – unabhängig davon, ob diese nun in niedrigeren Preisen oder in höherer Qualität ihren Niederschlag finden. Der Staat dagegen produziert – nichts.

Man könnte es noch pointierter formulieren, indem man sagt, er produziert nicht nur keine Güter, sondern sogar Übel, also „Ungüter“. Da das so ist, kann ein Wettbewerb in der politischen Sphäre nie zu etwas Gutem führen! Hoppe: „Es kann kein öffentliches Interesse an einen Wettbewerb bestehen, wer der effizienteste KZ-Kommandeur oder der brutalste Räuber ist.“ Schon Kirchenvater Augustinus wusste um dieses Problem, als er dem Staat attestierte, unter Umständen nichts anderes zu sein als eine Räuberbande (zitiert von Papst Benedikt XVI. bei seinem Besuch im Deutschen Bundestag am 22. September 2011).

In einer Erbmonarchie besteht die Möglichkeit, dass zufällig ein dafür charakterlich, geistig und körperlich geeigneter, oder wenigstens „netter“ Mensch auf den Thron gelangt (in Preußen und Großbritannien war es mehrfach der Fall, dass solche Persönlichkeiten die Krone trugen. Österreich hatte leider weniger Glück). Im demokratischen Wettbewerb dagegen würde ein „netter Mensch“ niemals eine Chance haben zu obsiegen. Den demokratischen Wettstreit gewinnen stets die skrupellosesten Individuen. In Österreich etwa hatten anständige Biedermänner wie Josef Klaus oder Josef Taus gegen Bruno Kreisky keine Chance. Was die große, weite Welt angeht, reicht ein Blick auf Figuren von Abraham Lincoln über Georges Clemenceau bis Jacques Chirac. Wer kennt heute noch die Namen ihrer einstigen Gegner?

Das demokratische Prinzip ist nur auf unterster Ebene sinnvoll anzuwenden – also in kleinen Gemeinden, wo jeder jeden kennt und daher die Gefahr einer institutionalisierten Ausbeutung einer Minderheit durch die Mehrheit gering ist (was auch der gerne – kontrafaktisch – als Generalanwalt des Demokratismus zitierte Jean-Jacques Rousseau genau so sah!). Der klassische Liberalismus dagegen – und das ist ein weiterer seiner Kardinalfehler, hatte als Ziel stets eine Weltregierung im Blick.

Da das Wesen der Demokratie in der Aneignung fremden Eigentums mittels Stimmzettels liegt, kann man sich unschwer ausmalen, was angesichts der internationalen Bevölkerungsverteilung in einem solchen Fall heute geschehen würde: Eine asiatisch dominierte Koalitionsregierung würde den in Europa und den USA vorhandenen Wohlstand nach Fernost umverteilen – immerhin leben dort und in Ozeanien mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung!

Der klassische Liberalismus hat einfach übersehen, dass die Demokratie – als Gegenentwurf zur Monarchie – zu einer weithin unbeschwerten Akzeptanz staatlicher Machtansprüche führt: Immerhin bietet sich Krethi und Plethi eine zumindest theoretische Möglichkeit, selbst einmal an die Schalthebel der Macht zu gelangen, was in einer dynastischen Monarchie unmöglich wäre. Die Chimäre der möglichen eigenen Beteiligung an den Staatsgeschäften bildet somit einen billigen Trostpreis für die zunehmende Ausbeutung durch den Staat.

Die Entkoppelung von Recht und Verantwortung einerseits, von individuellen Ansprüchen und Verpflichtungen andererseits, ist im demokratischen Wohlfahrtstaat am Beginn des 21. Jahrhunderts nahezu vollständig verwirklicht. Der Schutz der Rechte des Individuums ist dem Streben nach (wirtschaftlicher Ergebnis-) Gleichheit geopfert worden. Freiheit und Gleichheit sind eben schlicht unvereinbare Ziele.

Der größte Triumph des klassischen Liberalismus bestand wohl in der Sezession von dreizehn amerikanischen Kolonien von deren Mutterland England. Dieses Ereignis liegt mehr als 200 Jahre zurück. Seit damals ging es mit ihm bergab. Spätestens seit Beginn des Ersten Weltkriegs ist der klassische Liberalismus – großteils selbstverschuldet – weltweit mausetot…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien. 

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Es ist Bürgerkrieg – und wo stehen wir? drucken

Neuerliche Blutbäder in Ägypten: Die Vorgänge im größten arabischen Land können nur noch als Bürgerkrieg eingeordnet werden. Dieser ist aber im Grund eine weitere Etappe eines in zahllosen Ländern der islamischen Welt schon seit Jahrzehnten ablaufenden Bürgerkriegs mit vielen hunderttausenden, wenn nicht Millionen Todesopfern, der an immer neuen Schauplätzen aufflammt. Das ist schon wegen der Gefahr eines Übergreifens extrem beklemmend. Genauso beklemmend ist aber noch ein zweiter Aspekt: Der Westen taumelt hilflos und widersprüchlich herum. Er weiß nicht, welche Haltung und Reaktion richtig ist.

Der Westen, also Amerika und Europa, weiß nicht, auf welcher Seite er denn eigentlich steht: bei den Islamisten, bei den Gemäßigten, bei den Diktatoren, bei den Demokraten? Der Westen weiß nicht, warum er jeweils dort steht, wo er zu stehen scheint. Einmal da, einmal dort. So macht er sich alle zum Feind. Aber auch für eine echte Neutralität fehlt ihm die Kraft und Kohärenz.

In Kürze sei rekapituliert:

  1. In Algerien steht der Westen an der Seite der Militärs, die den Wahlerfolg der dortigen Islamisten mit aller Härte hinweggefegt haben.
  2. In Marokko steht der Westen an der Seite des Königs, der eine ähnliche Politik verfolgt.
  3. Im Iran stand man einst eisern und bis zuletzt an der Seite des autoritären Schahs und liegt bis heute mit dem (schiitisch-)islamistischen Regime im Clinch.
  4. Dem Iran droht man wegen der Entwicklung einer Atombombe sogar mit einem großen Krieg; beim viel chaotischeren und Terrorismus Richtung Afghanistan wie Indien exportierenden Pakistan nimmt der Westen die Beschaffung (und den heimlichen Export!) von Nuklearwaffen hingegen schulterzuckend hin.
  5. In Syrien steht der Westen, wenn auch nur dreiviertelherzig, jedoch an der Seite der teils islamistischen, teils demokratischen Revolutionäre, die gerade gegen Präsident Assad den Kürzeren zu ziehen scheinen.
  6. In Libyen hat der Westen sogar mit einer militärischen Intervention einen relativ laizistischen und auf seine alten Tage berechenbar gewordenen Diktator gestürzt, wo nun Islamisten viel mehr Spielraum haben.
  7. In Saudi-Arabien und Bahrain paktiert der Westen hingegen heftig mit den totalitären Herrschern, die jedes Aufmucken niederwalzen. In Saudi-Arabien wird sogar jedes kleine Anzeichen einer westlichen Lebensform wie das bloße Autofahren von Frauen, der Konsum von Alkohol oder der Besitz einer Bibel drakonisch verfolgt. Beim heftig bekämpften Assad war hingegen all das und noch viel mehr an Verwestlichung nie ein Problem.
  8. In Syrien haben die USA in aller Deutlichkeit angekündigt, beim Beweis des Einsatzes chemischer Waffen militärisch einzugreifen. Dann behauptete man, diesen Beweis zu haben – und seither ist überhaupt nichts mehr geschehen.
  9. In der Türkei steht der Westen wieder total an der Seite des Islamismus-verdächtigen Premierministers und ignoriert völlig die demokratisch-liberalen Demonstranten.
  10. In Tunesien und Ägypten waren die alten Machthaber, man könnte sie als nichttotalitäre Diktatoren bezeichnen, lange im Westen überaus wohlgelitten und wurden von Barack Obama durch einen Besuch geehrt; sie waren sogar bei der Sozialistischen Internationale. Nach den ersten Demonstrationen – genauer: Nach der ersten Medieneuphorie über die angebliche Twitter-Revolution – wurden diese Männer jedoch fallgelassen wie ein heißer Erdäpfel. Dann bejubelte man die Demokratie – und stand damit plötzlich an der Seite der Islamisten. Und man bekam kaum mit, wie diese begannen, die Demokratie von innen auszuhöhlen. Und jetzt, seit sich die Bevölkerungsmehrheit vom formal gewählten islamistischen Präsidenten abgewendet hat, seit das Militär mit aller Brutalität dessen Amtszeit beendet hat, weiß der Westen überhaupt nicht weiter. Man tadelt die Armee, sodass man dort alle Freunde verliert; man lässt die griechischen Kopten im Stich, die jetzt als die Allerschwächsten von den verfolgten Islamisten abgeschlachtet werden; und man kann aber niemals auch nur einen einzigen Freund bei den Islamisten gewinnen.

Damit sind nur einige Beispiele einer absolut chaotischen Politik des Westens gegenüber der arabischen Welt genannt. Die Tatsache, dass mit „Westen“ in vielen – nicht allen (siehe Libyen) – Fällen nur die Amerikaner gemeint sind, weil es meist gar keine europäische Politik gibt, lassen wir heute einmal beiseite.

Das Hauptübel der Malaise auf den Punkt gebracht: Weder die USA noch Europa haben klare Prinzipien für den Umgang mit solchen Ländern. Sie haben nie geklärt – weder nach innen noch nach außen –, ob die Unterstützung des formalen Prinzips „Demokratie“ die oberste Leitlinie darstellt, oder andere Interessen.

Was wäre da nun wirklich richtig? Nun, eine nüchterne politische Analyse müsste die westlichen Ambitionen und Illusionen (ob nun neokonservativ oder sozialistisch) dramatisch zurücknehmen und sich auf logische und durchsetzbare Leitlinien einigen:

1.    Am wichtigsten für die Haltung des Westens einem Drittweltstaat gegenüber sollte sein, ob sich das Land nach außen korrekt verhält, ob es Grenzen beachtet, niemanden bedroht, keinen Terrorismus unterstützt, keine Atombomben entwickelt. Dabei ist es egal, ob es sich um ein wirklich demokratisches System handelt – das es ohnedies fast nirgends in der islamischen Welt gibt – oder um ein autoritäres. Nur wenn nach außen Gefahr droht, ist auch die Außenwelt moralisch zum Eingreifen legitimiert.

2.    Wenn die außenpolitische Friedfertigkeit eines Landes gesichert ist, dann muss der Westen für die vielen zwischen Islamisten, Armeen, Diktatoren, Liberalen, Stämmen und ethnischen oder religiösen Minderheiten tobenden Bürgerkriege ein Prinzip aus früheren Epochen reaktivieren: das der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten. Denn der Westen ist ja ohnedies zu schwach, um Ordnung zu schaffen. Könnte er intervenieren, dann wären überdies auch bald alle gegen ihn. Zugleich ändern sich in solchen Ländern die Fronten dauernd. Jede Seite erzählt einem die abenteuerlichsten Schauergeschichten. Man weiß daher oft nicht, wer die wirklich Guten sind, und ob es überhaupt welche gibt.

3.    Menschenrechtsverletzungen sind eine schlimme Sache. Die Medien sollen sie auch kritisch aufzeigen, die Menschen in Europa und Amerika können und sollen kräftig dagegen protestieren. Aber die westlichen Regierungen sind kein Weltpolizist, der überall militärisch eingreifen könnte, wo Menschenrechte verletzt werden. Er hat nicht einmal eine völkerrechtliche Legitimation dazu. Daher ist zähneknirschende Neutralität oft schlauer und hilfreicher. Und wenn man menschenrechtlich aktiv werden will, dann sollte man einmal mit den dazu geschaffenen Gremien beginnen: Wieso sitzen Polizeistaaten aus Osteuropa noch immer unhinterfragt in Europarat und Menschenrechtsgerichtshof? Warum können üble Regierungen Mitglieder (und Quasi-Richter) des UN-Menschenrechtsrates werden – von dem sich sogar Musterstaaten wie selbst Deutschland demütig ohrfeigen lassen? Solange man nicht einmal auf rechtlicher Ebene für Sauberkeit sorgt, können Menschenrechte politische oder gar militärische Interventionen von außen schon gar nicht rechtfertigen.

4.   Vor allem Europa muss jedes Interesse haben, dass es zu keinen neuen Flüchtlingsströmen kommt. Es sollte daher zumindest sein ganzes ökonomisches Gewicht in die Wagschale werfen, solche zu verhindern. Denn sonst wären in Kürze in Europa mehr echte oder falsche Flüchtlinge als Europäer (was dank der Linken und der Caritas ohnedies bald der Fall sein wird).

5.    Erst dahinter stehen Wirtschaftsinteressen wie das – zum Glück an Bedeutung verlierende – Öl. Dabei darf man ohnedies annehmen, dass friedliche Länder ohnedies langfristig auch ganz seriöse Handelspartner sind.

6.    Und an allerletzte Stelle hat der missionarische Glaube zu rücken, man könne mit dem Geist unserer Demokratie alle Übel dieser Welt heilen. Das funktioniert meist nicht einmal theoretisch: Denn nicht alles, was sich demokratisch nennt, ist es auch. Denn in der Geschichte sind immer wieder Herrscher halbwegs demokratisch an die Macht gekommen, die dann undemokratisch die Macht nie wieder friedlich hergegeben haben. Denn manches lässt zweifeln, ob etwa die islamische Welt auf Grund ihrer kulturellen Prägung überhaupt zur Demokratie imstande ist (oder „reif“, wie manche formulieren). Denn in manchen Situationen mag die Demokratie überhaupt nicht das beste System für eine Nation sein.

Aber in Wahrheit ist das alles irrelevant. Denn in Wahrheit wird die Außen- und Interventions/Nichtinterventions-Politik des Westens von ganz anderen Faktoren als rationalen Regeln bestimmt:

  • Wie intensiv berichten die eigenen Medien über die jeweilige Krise und Region? Haben sie gerade, Zeit, Lust und Möglichkeit, das massenweise zu tun oder sind sie gleichzeitig in einer anderen Region gebunden (siehe beispielsweise 1956 der fatale Zusammenfall des Nahostkrieges mit der ungarischen Revolution)?
  • Welche Seite hat die bessere PR-Agentur engagiert, um Stimmung für ihre Sache zu machen (die christlichen Kirchen übrigens, die früher in Sachen PR ganz gut waren, haben heute ganz schlechte Public Relations – sonst würde viel mehr über die Hunderttausenden vor allem in der islamischen Welt getöteten Christen berichtet werden)?
  • Wer hat mehr ausländische Politiker bestochen (man schaue nur die seltsam hektische Aktivität einiger heimischen Politiker ausgerechnet in der kasachischen Causa Alijew an!)?
  • Welche wirtschaftlichen Interessen sind im Spiel?

Das sind die entscheidenden Punkte. Oder sieht irgendjemand andere Regeln wirksam für den Umgang Europas und der Obama-USA mit dem Chaos in Ägypten&Co?

 

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Wie ernst ist uns der Schutz einer Minderheit? drucken

Derzeit touren die sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Österreichs und Deutschlands durch die Lande und rechtfertigen ihre Steuererhöhungspläne mit dem Argument, dass nur eine Minderheit von einem bzw. fünf Prozent betroffen wäre. Machen wir uns über dieses Quantitätsargument einmal demokratiepolitische Gedanken.

Zunächst erscheint die Sache ja demokratisch in Ordnung zu gehen. Warum sollen in einer Demokratie nicht 95 Prozent beschließen dürfen, dass die restlichen fünf Prozent überproportional enteignet werden? Mehrheit ist schließlich Mehrheit.

Es wäre in Ordnung, wenn es nicht die Grund- und Freiheitsrechte gäbe. Jedermann weiß, dass 95 Prozent der Wähler nicht beschließen können, dass die übrigen fünf Prozent gehängt werden.

Zu diesen Grund- und Freiheitsrechten gehört auch der Gleichheitsgrundsatz, der es schon prinzipiell erschwert, eine bestimmte Minderheit – und auch die Wohlhabenden stellen eine Minderheit dar – ungleich zu behandeln.

Gerade Sozialdemokraten müssen also über ihr Gleichheitspostulat springen, wenn sie die Wohlhabenden mit einer Sondersteuer belegen wollen.

Besonders pikant erscheint diese Sondersteuer unter dem Gesichtspunkt, dass es gerade die von demokratischen Politikern erkämpfte Chancengleichheit gewesen ist, die diese ungleiche Vermögensverteilung stark begünstigt hat. Wenn ein Wlaschek, ein Mateschitz oder auch ein Schlaff heute zu den reichsten Österreichern zählen, dann verdanken sie diesen Wohlstand in erster Linie ihrer eigenen Tüchtigkeit in einem nicht privilegierten Umfeld.

Wer also das Vermögen der genannten Herren im Namen der Gerechtigkeit angreifen möchte, sagt implizit, dass die Chancengleichheit zu einem unerwünschten Ergebnis, nämlich einer Ergebnisungleichheit, geführt hat.

Letztlich bedient ein solcher Ungerechtigkeitssinn nur den Neid, der in Wirklichkeit gar nicht so verbreitet ist, wie die Politiker glauben. Wenn an jedem Wochenende 22 reiche Menschen vor Zehntausenden Armen um einen Ball spielen – die für das Zuschauen auch zahlen – und selbst eine Steuernachzahlung eines Herrn Messi von zehn Millionen Euro keine Proteststürme auslöst, erscheint die Neidverbissenheit der Menschen gar nicht so ausgeprägt.

Im Übrigen hat die Entfesselung des Neides in der Geschichte niemals vor den Reichen Halt gemacht. Schon in der französischen Revolution endete das, was man mit dem Slogan „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“ begann, mit tausenden und abertausenden Toten. Auch die Enteignung der weißen Farmer in Simbabwe hat nicht zu mehr Gerechtigkeit, sondern zu Nahrungsmittelknappheit geführt. Jeder mag sich seine eigenen Beispiele finden, wenn Minderheiten im Namen des Neides der gesellschaftlichen Aggression ausgeliefert wurden.

Auch die Minderheit der Reichen verdient den Schutz der Gesellschaft, die von dieser Minderheit umso mehr profitieren wird, je größer sie ist. Wer nicht die gleichmäßige Verteilung der Armut anstrebt, muss die ungleiche Verteilung des Reichtums in Kauf nehmen. Nicht weniger Reiche, sondern mehr Reiche zu haben muss daher das Ziel einer erfolgreichen Politik sein.

Dr. Georg Vetter ist selbständiger Rechtsanwalt mit Schwergewicht auf Gesellschaftsrecht und Wahrnehmung von Aktionärsinteressen in Publikumsgesellschaften.

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Kritik des Wohlfahrtsstaats drucken

Viele große Denker des 20. Jahrhunderts stehen der Massendemokratie mit ihren gezählten, nicht gewogenen Stimmen aus gutem Grund kritisch gegenüber. Zu ihnen zählen Bertrand de Jouvenel und Erik von Kühnelt-Leddihn oder lebende Zeitgenossen wie Anthony de Jasay, Gerd Habermann und Hans-Hermann Hoppe. Sie sehen in dieser Art der Demokratie, die nur dem Namen nach etwas mit dem in der Polis der griechischen Antike praktizierten System zu tun hat, den Wegbereiter des Totalitarismus, ein Synonym für Pöbelherrschaft und Sozialismus.

Damals ging es nicht ums Wählen, sondern um eine Partizipation verantwortlicher Männer an der Politik. Der rezente Wohlfahrtsstaat hingegen bildet die letzte Entwicklungsstufe der auf gewaltsame Nivellierung gerichteten Massendemokratie. Seine Grenze zur totalitären Demokratie – zur Diktatur des Pöbels – ist fließend.

Der moderne Wohlfahrtsstaat am Beginn des 21. Jahrhunderts ist – scheinbar – ein Paradies: Wir genießen Fürsorge und Versorgung von der Wiege bis zur Bahre, losgelöst von individueller Leistung und Bedürftigkeit. Alles ist gratis – Schulen, Hochschulen, Renten, Gesundheitsdienstleistungen. Das alles ist staatlich monopolisiert und damit bombensicher.

Die funkelnde Krone auf alledem bildet die „Grundsicherung“. Damit wurde endlich auch ein einklagbares Recht auf Faulheit gesetzlich verankert.

Wo gehobelt wird, da fallen allerdings Späne – und so sind kleine Opfer unvermeidlich: Obrigkeitliche Regulative bis in den privaten Lebensbereich sind hinzunehmen; sie dienen ja nur dem Besten der Bürger. Die nunmehr vorgeschriebene Verwendung staatlich anerkannter Leuchtmittel und eine dräuende „Duschkopfverordnung“ sind prächtige Beispiele. Massive Eingriffe in die Privatrechtsautonomie, teilweise sogar deren Abschaffung, sind an der Tagesordnung. Eine Aufhebung der Vertragsfreiheit in vielen Bereichen – z. B. im Arbeitsrecht, bei der Ladenöffnung, im Mietrecht und auch Preisvorschriften – erscheint bereits ganz selbstverständlich…

Wir erleben die totale Gängelung der Bürger – weit jenseits dessen, woran George Orwell dachte, als er seine 1984er-Dystopie ersann. Das Schlimme ist: Regulierung und Überwachung sind nicht nur unproduktiv, sondern sie behindern sogar die Produktion. Darüber hinaus verursachen sie hohe Kosten! Und da – den falsch gesetzten Anreizen sei Dank – eine stetig kleiner werdende Schar von Produktiven die Chose finanzieren muss (der Rest führt eine parasitäre Existenz als Mitarbeiter oder Klient des Wohlfahrtsstaats), steigt deren Steuerlast unentwegt – was die Effizienz des Gesamtsystems weiter reduziert.

Der Wirtschaftsnobelpreisträger des Jahres 1986, James Buchanan, stellte treffend fest: „Die Steuerlast ist endlich“. Spätestens bei 100 Prozent Steuerbelastung lässt auch ein notorischer Workaholic den Herrgott einen guten Mann sein und setzt sich lieber in den Park.

Im Wohlfahrtsstaat wird weniger produziert als unter Marktbedingungen. Alle essen nun mit gleich großen Löffeln, die Schüssel, aus der sie das tun, ist indes kleiner. Im Land am Strome sind weniger als 50 Prozent der Bevölkerung erwerbstätig. Der Rest sitzt als Pensionist, Früh- oder Invalidenrentner, Sozialhilfebezieher oder Langzeitstudent herum, ohne zu produzieren.

Von den Werktätigen liefert – der progressive Einkommensteuertarif macht es möglich – die Hälfte keine direkten Steuern ab. Zieht man von der Zahl der Erwerbstätigen jene ab, die von Steuern leben, also den öffentlichen Dienst, Kammermitarbeiter, Politfunktionäre etc., dann bleiben rund 20 Prozent als Nettozahler übrig. Diese Opfer der Umverteilung sind genötigt, zwei Drittel ihres Einkommens an den Fiskus abliefern (43% direkte Steuern, + 16,66% USt. + Abgaben + Arbeitgeberanteil zur SV). Aber trotz einer nie da gewesenen Ausbeutung der Leistungsträger durch den Staat erleben wir einen Staatsschuldenexzess ohnegleichen, da die staatlichen Anmaßungen nicht mehr allein durch Steuern finanziert werden können, ohne massive Widerstände auszulösen.

  • Offizieller Schuldenstand: (explizite Schulden) 232 Mrd. € (1970: 3,42 Mrd.)
  • Pro Bürger: € 31.000,-
  • Pro Erwerbstätigem: € 55.400,-
  • Zinsendienst p. a.: derzeit 8,2 Mrd. € (aktuelle Zahlen laut OeNB-Statistik).

Ohne die von den jüngeren Generationen dereinst abzuzahlenden Schulden wäre der Wohlfahrtsstaat längst nicht mehr finanzierbar. Seine Grenzen sind erreicht. Am deutlichsten sieht man das wohl in Griechenland, dem Land mit dem größten Anteil an mittelbar und unmittelbar Staatsbediensteten im zivilisierten Teil der Welt.

Paradoxerweise nimmt – trotz des laufend steigenden Umverteilungsvolumens – die Zahl der Armutsgefährdeten dennoch ständig zu. Das ruft die Linken auf den Plan und veranlasst sie zum Ruf nach einer noch höheren Enteignungsquote für die Leistungsträger. Möglich ist das, da die Ergebnisgleichheit – Gleichverteilung des Wohlstands – ein zentrales Anliegen des Wohlfahrtsstaats ist. Armut ist vorgeblich sein Hauptgegner.

Was aber bedeutet Armut? Kein Dach über dem Kopf zu haben, krank zu sein und nichts zu essen zu haben! Wer so etwas sehen will, muss heute nach Kalkutta, nach Lagos oder wenigstens nach Moldawien reisen. Die Armutsbekämpfungs- Umverteilungs- und Wohlfahrtsindustrie ist hierzulande daher im Grunde arbeitslos. Abertausende ihrer Mitarbeiter (die Caritas ist inzwischen einer der größten Arbeitgeber im Lande!) – alle gut ausgebildet und mit ansehnlichen Bezügen dotiert – wären überflüssig, wenn sie nicht ein geniales Alternativkonzept entwickelt hätten: Das Konzept der relativen Armut.

Damit ist ein Perpetuum Mobile geschaffen, denn relative Armut wäre nur mittels totaler Gleichmacherei auszurotten. Und die hat es selbst unter Stalin und Mao nicht gegeben. Zur Veranschaulichung der aberwitzigen Grundlage dieser Vorstellung: „Armut“ bemisst sich am Medinaeinkommen. Wer weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens bezieht, ist „armutsgefährdet“! Auch eine Verdoppelung aller Einkommen hätte demnach keine Wirkung auf die Zahl der „Armen“.

Eine Abwanderung der Reichsten dagegen senkt nach diesem irrwitzigen Konzept die Armenquote:

Legende: Gelb unterlegt das Medianeinkommen, rosa markiert die Armutsgefährdeten.

Gerd Habermann,(„Polemisches Soziallexikon“): meint: „Der Wohlfahrtsstaat ist das reformerische Nachfolgemodell des versinkenden Sozialismus“. Und weiter:„Der Wohlfahrtsstaat ist eine Methode, die Leute mit ihrem eigenen Geld vom Staat abhängig zu machen.“

Gerard Radnitzky (1921 – 2006) stellt fest: „Der Wohlfahrtsstaat hat eine neue Art des „Individualismus“ hervorgebracht: den Individualismus ohne Verantwortung.“

Auf Wikipedia lesen wir:„Wohlfahrtsstaat bezeichnet einen Staat, der weit reichende Maßnahmen zur Steigerung des sozialen, materiellen und kulturellen Wohlergehens seiner Bürger ergreift.“ Der Wohlfahrtsstaat geht daher weit über den Sozialstaat hinaus, der nur Existenzsicherung in Notlagen bietet. Im Wohlfahrtsstaat ist Sozialpolitik nicht mehr allein auf bedürftige Gruppen ausgerichtet.

Die Wiege des Wohlfahrtsstaats steht in Preußen, und zwar nicht erst seit Bismarck, der – ebenso genialer wie zynischer Machtmensch, der er war – die Sozialversicherung „erfunden“ hat, um den damals im Aufwind befindlichen Sozialisten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Schon Friedrich II. („der Große“) hatte klare Vorstellungen von der Beglückung seiner Untertanen – z. B. mittels „Magazinpolitik“, Handelsbeschränkungen, um die eigene Produktion zu schützen (z. B. Seide), und Staatsmonopolen. Der Staat sollte der Fürsorger für seine Bürger, für ewig unmündige Kinder, sein.

Bereits damals regte sich allerdings Kritik an staatlicher Bevormundung und Handelshemmnissen: Graf Mirabeau nahm den Autarkiegedanken unter Beschuss: Der Wohlfahrtsstaat „…macht weder reich noch glücklich (…) bringt um den Vorteil der internationalen Arbeitsteilung…“. Und weiter, als ob die Zustände im europäischen Immigrantenstadel der Gegenwart beschrieben würden: „…durch königliche Geschenke angelockt, [sei] Gesindel hingewandert, das nicht die geringste Arbeitslust mitgebracht habe“(!) „Der König müsse nicht schenken, er müsse nur frei erwerben lassen“. Mirabeau fordert völlige Gewerbefreiheit und „Genußfreiheit“ (z. B. für das „unnötige Luxusprodukt“ Kaffee).

J. Wolfgang v. Goethe, Beamter und Minister: „Kehre jeder vor seiner eigenen Tür … Das Glück des Ganzen – eine „bewegliche Ordnung“ – ergibt sich so als Ergebnis spontanen individuellen Handelns“.

Friedrich Schiller formuliert einesystematische Kritik des gängelnden Staates in seinen „Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen“ als „Sparta vs. Athen“. (Wohlfahrts-)Staat vernichte die Moral. „Zur moralischen Schönheit der Handlungen ist die Freiheit des Willens die erste Bedingung, und diese Freiheit ist dahin, sobald man moralische Tugend durch gesetzliche Strafen erzwingen will."

Wilhelm von Humboldt spricht vom „… passiven Leben des genährten Sklaven“ Persönlichkeit ist für ihn wichtiger als ein komfortables Leben. Nicht auf fremde Hilfe verlassen – das stumpft ab, macht passiv, untüchtig, verhindert Erfahrungen – und es erzieht zu asozialem Verhalten: Er lehnt, wie Adam Smith, beamtete Erzieher ab. Der Staat soll nicht Unternehmer sein. Einziger Staatszweck sei dieProduktion vonSicherheit nach innen und außen.

Immanuel Kant sieht die menschlicheWürde davon abhängig, seine Ziele selbst definieren zu können: „… dem Leben durch Handlungen einen Wert zu geben.“ Menschen als unmündige Kinder zu halten, sei dagegen „… der größte denkbare Despotismus“.

Eine Fundamentalkritik von Lysander Spooner (1808-1887, US-Sklavereigegner und Anarchist), die über den wohlfahrtstaatlichen Gedanken hinausgreift und sich mit dem Prinzip der politischen Vertretung durch Abgeordnete kritisch auseinandersetzt [aus dem Aufsatz „No Treason“ ]: „Wenn ein Mensch mein Diener, Agent oder Anwalt ist, bin ich im Rahmen der ihm von mir übertragenen Vollmacht notwendigerweise verantwortlich für alle seine Handlungen. Wenn ich ihm, als meinem Agenten, entweder absolute oder irgendeine Macht über Personen oder Besitztümer anderer Menschen als mir selbst übertragen habe, bin ich dadurch notwendigerweise gegenüber diesen Personen verantwortlich für jeden Schaden, den er ihnen zugefügt hat, solange er innerhalb des Rahmens der Machtbefugnis wirkt, die ich ihm gewährt habe. Kein Individuum jedoch, das in seiner Person oder seinem Eigentum durch Handlungen des Kongresses geschädigt worden sein mag, kann sich an die individuellen Wähler wenden und sie für diese Handlungen ihrer so genannten Agenten oder Repräsentanten zur Verantwortung ziehen. Diese Tatsache beweist, dass diese anmaßenden Agenten des Volkes – von uns allen – in Wirklichkeit die Agenten von Niemandem sind.“

Die neoliberale Kritik des 20. Jahrhunderts richtet sich primär gegen das Setzen falscher Anreize durch den Wohlfahrtsstaat. Statt Eigentum zu schaffen und die Produktion zu steigern, wird zum Neid angestachelt und eine wohlstandsvernichtende Umverteilung – Kapitalverzehr – gefordert und befördert (Ludwig Erhard, Wilhelm Röpke).

Abseits der funktionalistischen Kritik, die auf die reduzierte Effizienz des Systems zielt, ist der Wohlfahrtsstaat aber vor allem deshalb zu kritisieren, weil er den frei geborenen Menschen daran hindert, seiner Vorstellung gemäß nach Glück zu streben. Stattdessen wird der Mensch – wie der Zoologe und Verhaltensforscher Konrad Lorenz feststellt – „verhausschweint“ und den Fährnissen einer wandelbaren Sozialpolitik unterworfen. Der Verlust der Freiheit ist die logische und unvermeidliche Folge.

Auch wenn die Sozialisten in allen Parteien es – ganz besonders vor Wahlen – nicht wahrhaben wollen: Auch dem Staat ist es nicht auf unbegrenzte Zeit möglich, immer höhere Schuldenberge aufzutürmen, ohne die Gesellschaft zu zerstören. Margaret Thatcher stellte einst hellsichtig fest: „Das Problem mit dem Sozialismus ist, dass ihm früher oder später das Geld fremder Leute ausgeht.“

Wir sind so weit. Es ist daher an der Zeit für etwas Neues! Dieses Neue wird auf dem Boden der bestehenden (Un-)Ordnung allerdings nicht zu errichten sein…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Das Internet und die Zukunft der Demokratie drucken

Über die Zukunft nachzudenken ist, wenn man die Sache ernst nimmt, ein schwieriges Geschäft; schon die Vergangenheit richtig zu analysieren hat so seine Probleme: Muss man doch wohlbegründete Hypothesen haben, welche gesellschaftlichen, ökonomischen, politischen, technologischen Faktoren (Variablen) den Gang der Ereignisse mit großer Wahrscheinlichkeit bestimmt haben bzw. bestimmen werden. Ein sicheres Wissen um die Zukunft ist, was die menschliche Gesellschaft etwa im Jahr 2025 betrifft, nicht möglich.

Das gilt sogar für ihren demographischen Aufbau. Das gilt für ihre politischen Werthaltungen. Das gilt für die technischen Tools, die in 12 Jahren zur Verfügung stehen werden. Oder haben Sie im Jahre 2000 auch nur geahnt, was Sie mit Ihrem Handy zwölf Jahre später alles in Sekundenschnelle empfangen und senden können, oder wer aller Ihre Botschaften beobachten und gegebenenfalls analysieren kann?

Und dennoch kann man verschiedene Annahmen machen, wie die nähere bzw. weitere Welt in 10-12 Jahren aussehen wird. Fast alle Menschen tun das; implizit oder explizit: jeder Unternehmer, jede Familie, die z.B. ein Haus baut, jede Gemeinde, die vorsorgt, jede Institution, die noch länger überleben will.

In dieser ausklingenden Legislaturperiode wird der Begriff der Partizipation noch mit herkömmlichen Verfahren der „direkten Demokratie“ diskutiert: Die Instrumente des „Volksbegehrens“, der „Volksbefragung“, der „Volksabstimmung“ – und ihr Verhältnis zueinander – spielen eine dominierende Rolle; ebenso der mögliche (verstärkte) Einfluss der Wähler auf die Kandidatenauswahl.

Ich erspare mir eine durchaus mögliche Kritik am Einsatz von Volksbegehren und Volksbefragung, wie sie in der jüngeren und ferneren Vergangenheit und in der Gegenwart praktiziert worden sind. Die Erinnerung daran, wer die Fragen formuliert, wie sie formuliert sind, und wozu die Ergebnisse (etwa der letzten Wiener Volksbefragung) ge- und missbraucht werden, mag genügen.

Für eine wertende Kurzcharakteristik fehlt mir etwas, was mir selten fehlt: die Worte. Also kurz und neutral: Was gefragt wurde, wie gefragt wurde und wie interpretiert wurde, oblag der Wiener Koalitionsregierung. Es war Partizipation zum Abgewöhnen.

Das periodische Auftauchen des Partizipationskonzepts hat – auch in Österreich – eine lange Geschichte. Erinnern Sie sich an den Slogan der Durchflutung aller Lebensbereiche mit Demokratie (K. Blecha). Dieser machte als Sozialforscher auch ernsthaft den Vorschlag, man solle die Demoskopie als Instrument der Demokratie nutzen. Angesichts der Verwendung von Umfragen im politischen Marketing sträubt sich beim bloßen Gedanken daran mein nicht mehr vorhandenes Haupthaar. Abgesehen davon, dass auch bei Umfragen die Fragen „von oben“ kommen und der Befragung kein Prozess der systematischen Information, der Überlegung und Willensbildung vorausgegangen ist. Die Demoskopie ist keine neutrale Institution, die die „Vox populi“ wertfrei widergibt – auch wenn sie manchmal vorgibt, eine Abbildungsmaschine zu sein, die fast auf Knopfdruck die sogenannte öffentliche Meinung, die dann in den Medien „erscheint“, abzubilden.

Oft stellt sie, in Zahlen ausgedrückt, etwas dar, was es vor der Befragung gar nicht gegeben hat: Sie summierte Reaktionen auf Fragen, die sich der Einzelne nie bewusst gestellt hat; das ist „öffentliche Meinung“, die es als wahrnehmbares Phänomen nur durch das Instrument der Meinungsforschung gibt – und nirgends sonst, außer später in den Medien.

Nein, das Instrument der Meinungsforschung ist kein Demokratieersatz, keine wünschbare Form der Mitwirkung, wie sie für eine Demokratie immer wieder gefordert wird (zu ihrer Vitalisierung, zur Stärkung der Verantwortlichkeit, um die Bereitschaft, Entscheidungen mitzutragen zu erhöhen, ja um konkrete Entscheidungen zu legitimieren).

Die Geschichte der Bürgerbeteiligung

Der Gedanke, die Bürger einer Demokratie, den demos, entscheidend entscheiden zu lassen, ist alt; so alt wie die athenische direkte Demokratie. Die Griechen haben bekanntlich nicht nur die Demokratie entdeckt, sondern auch die Politik, also die Kunst, durch öffentliche Auseinandersetzung Entscheidungen zu erreichen und diesen dann zu gehorchen.

Elias Canetti hat das so gedeutet, dass der Kampf nicht mehr physisch ausgetragen wird und mit der Vernichtung eines Kontrahenten endet, sondern durch das Zählen von Stimmen. Joseph Schumpeter sah in demokratischen Verfahren eine Methode, die darauf abzielt, eine entscheidungsfähige Regierung hervorzubringen. Andere betonten, dass Wahlen dazu zwingen, zwischen miteinander konkurrierenden Expertengruppen/Eliten/Parteien zu wählen.

Bei den griechischen „Erfindern“ war die Sache noch etwas komplexer und zugleich einfacher. In der Volksversammlung wurden nicht nur Beamte auf Zeit gewählt, meist ein Jahr (so kamen im Lauf der Zeit viele dran und erwarben „Erfahrung“). Es wurden auch auf Antrag einzelner Sprecher (die meisten hörten wohl nur zu) konkrete Entscheidungen getroffen. Nur wenige waren stimmberechtigt. Und Teilnahme war gefordert. So heißt es in einer berühmten Perikles-Rede: „Denn einzig bei uns heißt einer, der daran (an den staatlichen Dingen) überhaupt keinen Teil nimmt, nicht ein stiller Bürger, sondern ein nutzloser“. Wer sich nur um seine eigenen Angelegenheiten kümmert, der war ein „Idiot“ (nicht in unserem Sinne).

Die Teilnahme, die Teilhabe an den politischen Entscheidungen gehörte zu einem „guten Leben“. Von diesem Ideal sind wir heute weit entfernt. Die Selbstverwirklichung wird im „privaten Leben“ angestrebt; zu ihrer Realisierung ist – wohl nach Auffassung der meisten Menschen, die in demokratischen Ländern leben – die regelmäßige, aktive Teilnahme am politischen Leben nicht nötig. Vielfach beschränkt man sich auf den einschlägigen Medienkonsum, auf das Haben (und Wechseln) von Meinungen, auf gelegentliche Gespräche im engeren Lebenskreis, auf die Teilnahme an Wahlen.

Oft wird die Lethargie der Bevölkerung beklagt. „Politikverdrossenheit“ und Desinteresse werden analysiert und es wird nachgedacht, wie man diesen als gefährlich empfundenen Phänomenen entgegenwirken könnte. Dabei wird oft übersehen, dass eine gewisse Lethargie der Bevölkerung durchaus ihr Gutes hat. Eine permanenten Erregung aller über alles wäre auf die Dauer unerträglich, eine Dauerpartizipation vermutlich lähmend, eine ständige Mobilisierung eher ein Kennzeichen einer revolutionären Atmosphäre.

Wie so oft, ist das richtige Maß an politischer Teilnahme der Bevölkerung zu bestimmen. Es liegt zwischen den Extremen der völligen Apathie und der Dauererregung – leider ohne Gedenkstein. Und es ist ziemlich sicher abhängig von unreflektierten Traditionen, gesellschaftlichen Trends, aktuellen Ereignissen und technischen Möglichkeiten.

Einstellung der Österreicher zur direkten Demokratie

Versuchen wir – anhand rezenter sozialwissenschaftlicher Studien und Beobachtungen – einen Blick auf die gegenwärtige Situation zu werfen, auf die Rahmenbedingungen für mehr Teilnahme am politischen Geschehen jenseits von Wahlen: Da sind zum einen Einstellungen/Werthaltungen, zum anderen technische Voraussetzungen zu beachten. Nur ein relativ kleiner Teil der Bevölkerung interessiert sich eingestandenermaßen „sehr stark“ für Politik (12 Prozent), ein weiteres Drittel (33 Prozent) bezeichnet sich als „einigermaßen interessiert“.

Das sind (abhängig von der Problemlage) sehr variable Größen. Interesse drückt sich u.a. im einschlägigen Medienkonsum, in Gesprächen über politische Ereignisse, in (schwankenden) Beteiligungsraten bei diversen Wahlgängen, aber auch in Einstellungen zu Instrumenten der direkten Demokratie aus. Auf Grund der Ergebnisse des letzten „Demokratievolksbegehrens“ („Mein Oe“) könnte man glauben, dass an einem Mehr an Partizipation nur wenig Interesse besteht; aber das wäre ein Fehlschluss.

Die geringe Unterzeichnerzahl hat viele Ursachen: Eine davon ist der Umstand, dass nicht ein inhaltliches, sondern ein formales Thema (Verfahrensfragen) angesprochen wurde. Dieses ist „kühler“, erfordert „Kennerschaft“, stellt Verfahren als Lösung politischer Fragen zur Diskussion. Bei der Abstimmung zum Bundesheer war hingegen – entgegen den Erwartungen vieler politischer Beobachter/Meinungsforscher – die Beteiligung hoch (obwohl das Interesse am Bundesheer üblicherweise gering ist, traditionelle Parteistandpunkte irritierenderweise verlassen worden waren und das Thema in Zeiten einer Schuldenkrise kaum von brennender Aktualität war).

Obwohl nur ein kleiner Teil der österreichischen Bevölkerung als politisch „stark interessiert“ gelten kann, gilt: Mehr als 50 Prozent finden, dass Instrumente der direkten Demokratie verstärkt zum Einsatz kommen sollten (Herbst 2012), etwa 4/10 finden, man sollte mit dem Ausbau der direkten Demokratie eher vorsichtig vorgehen.

Nur eine knappe Mehrheit findet (in einer Umfrage, in der naturgemäß ohne viel Reflexion, ohne Abwägung nach Konfrontation mit pro und contra-Argumenten geantwortet wird), dass die Bevölkerung nicht automatisch über Verfassungsgesetze abstimmen können soll (falls ein entsprechend starkes Volksbegehren das „erzwingt“). Immerhin 45 Prozent halten eine Abstimmung in einem solchen Fall für wünschenswert.

Für zwei Drittel ist auch eine Abstimmung über Menschenrechte vorstellbar, für fast ebenso viele eine über Steuern und Gebühren. Zwar hält man (ebenso oft) die Warnung für berechtigt, dass bei „verpflichtenden Volksabstimmungen“ (nach entsprechend starken Volksbegehren) viele Entscheidungen am Parlament „vorbei“ fallen. Aber dennoch: Geht nicht „alles Recht vom Volk aus“? Ist nicht das Volk der Souverän (das hat man so gelernt)?

Ja, und rund die Hälfte der Bevölkerung wäre für den Vorschlag, dass man sich via Internet an Volksbegehren beteiligen kann. Demokratische Partizipation per Mausklick, Mitwirkung at our finger tips. Beppe Grillo lässt grüßen. Sein Erfolg mit seiner bizarren Internet-Utopie zeigt, welche Folgen das Versprechen von Mitwirkung durch moderne Mittel unter bestimmten Voraussetzungen (radikale Enttäuschung durch „herkömmliche Politik“) haben kann.

Die „Schwarmintelligenz“ und die „flüssige" Demokratie

 

 

In seiner „besten aller möglichen Welten“ befreit die „Schwarmintelligenz“ den „entmündigten Bürger“ von „vermittelnden Instanzen“. Er träumt von einer radikalen Form der Demokratie, „ohne Parteien, ohne Regierung“, in der (Web-)Bürger über das Netz Kandidaten wählen, Gesetze diskutieren und beschließen. Nachzulesen in dem Buch „5 Sterne“ (von Dario Fo, Beppe Grillo, Gianroberto Casaleggio). Über Demokratie und die Zukunft Europas.

Das Internet ist modern; es ist Teil des Lebens. Hilfsmittel für alles und jedes. Für Information und Kommunikation, für Ein- und Verkäufe, für Bewertungen und Einholung von Bewertungen, für Sammlung und Speicherung von Erfahrungen anderer Menschen, für Austausch mit Gleichgesinnten, für die Organisation von Events, für Instant-Abreaktion in einem Shitstorm … usw. Vor 20 Jahren war es erst wenigen gebrauchs-geläufig. Heute würde sein Zusammenbruch bei vielen Menschen Entzugserscheinungen auslösen.

94 Prozent (2012) haben persönlich die Möglichkeit aufs Internet zuzugreifen. Fast 80 Prozent davon tun das zumindest einmal täglich von zuhause aus. 40 Prozent der User gebrauchen es auch für politische Information (Medienangebote, Blogs, politische Kommunikation). 45 Prozent sind bei einem sozialen Netzwerk angemeldet; weitere 8 Prozent gleich bei mehreren. Rund knappe 2/3 haben ein Smart-Phone mit Internetzugang. Die praktischen Voraussetzungen für „Grillini“ aller Spielarten sind somit einigermaßen gegeben.

Aber mit der Verfügbarkeit von technischen Mitteln steigt nicht automatisch das politische Interesse, das Engagement, der Informationsgrad über Konsequenzen politischer Entscheidungen. Interesse, Engagement, Informiertheit sind vielmehr ein Resultat eines längeren Prozesses, einer politischen Sozialisation. Am Anfang steht oft (nicht immer) das Aufwachsen in einem politischen Milieu (eher abnehmend), die regelmäßige Beschäftigung mit öffentlichen Themen (medial bzw. im sozialen Austausch), Betroffenheit durch ein Problem (beruflich oder privat), die Politisierung durch ein Thema (Atom, EU, Sterbehilfe), das „überpersönliche“ Fragen, z.B. ethische Fragen berührt und längere Zeit in der Öffentlichkeit diskutiert wird.

Auch diese Sozialisation wird sich künftighin im Netz abspielen und andere Formen des politischen Lernens ermöglichen als bisher vorhanden. An einem Beispiel ausgedrückt: Bisher schrieb man (und tut es noch) bei besonderer Erregung Leserbriefe oder Briefe an Abgeordnete (mühsam). Heute reagiert man „spontan“ (und leicht) via E-mail; Treffen in Selbsthilfegruppen oder mit „Gleichgesinnten“ erforderten früher einen längeren Such- und Organisationsprozess – heute sucht und findet man auf Knopfdruck (wenn man weiß, was man sucht).

Und dabei vermischt sich, vom Einzelnen oft unbemerkt, der private und der öffentliche „Raum“. Schließlich „agiert“ man oft von „zuhause“ aus und ist doch vielen öffentlich sichtbar. Die Probleme, die die Verwischung der Grenze zwischen Privatem und Öffentlichem aufwirft, seien hier nur angedeutet: „Öffentliches Auftreten“ hat eine gewisse Verbindlichkeit, folgt anderen Verhaltensregeln und Rollenmustern als privates Agieren. „Im Netz“ benimmt man sich oft wie eine private oder auch anonyme Person und ist doch zumindest potentiell in einer sichtbaren Öffentlichkeit. Und manche wundern sich, dass sie gesehen werden, wenn sie sich in einer belebten Fußgängerzone blicken lassen. Es ist keine Frage, ob die Möglichkeiten des Netzes für die öffentlichen Angelegenheiten, die „res publica“, genutzt werden. Es ist nur die Frage, wie dies mittel- und langfristig geschieht und wie sich die politische Kultur dadurch verändert.

Viele mit den Fragen „direkter Demokratie“ befasste Menschen, auch sogenannte „Fachleute“, denken in konventionellen Bahnen, wenn sie über Möglichkeiten der Nutzung der „electronic tools“ (Internet & Co) nachdenken: Sie sprechen über die „Wahlen per mouse-click“, wie sie im Baltikum teilweise schon üblich sind; wie sich ein solches Angebot auf die Wahlbeteiligung z.B. bei Hochschülerschaftswahlen auswirken würde; über die mögliche Benachteiligung der nach wie vor „internetfernen“ Bevölkerungsschichten; über Gefahren, die durch eine mögliche „Instant-Politik“, die extrem stimmungsbeeinflusst ist, drohen.

Seltener reflektiert man die Möglichkeiten, die mit den neuen Mitteln gegeben sind – und deren Realisierung freilich wohlüberlegt sein will (was, wie).

Da gibt es z.B. die Möglichkeit, politische Vorhaben frühzeitig einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen; und die Stellungnahmen und Expertisen vieler einzuholen (weit über den Kreis der derzeitigen „Begutachter“ hinaus). „Crowd Intelligence“ heißt das. An einem solchen Prozess könnten unterschiedliche „Anrainergruppen“ teilnehmen: Solche, die nur anonym mitdiskutieren wollen; solche, sie sich durch fachliche Kenntnisse oder berufliche Qualifikation ausweisen (Freilich: Wer bestimmt die?); solche, die unmittelbar vom Problem betroffen sind (Wer definiert das?).

Eine andere Form der politischen Partizipation entwickelt sich unter dem etwas irreführenden Begriff „Liquid democracy“. Da wird nicht einfach abgestimmt, sondern es wird ein politischer Prozess bei einer definierten Gruppe (Parteimitglieder, Gemeindebürger, definierte Betroffene) in Gang gesetzt. Vorschläge werden zu einer bestimmten Frage gemacht – und modifiziert. Man kann seine „Stimme“ an Vertrauensleute delegieren und auch wieder entziehen. Der Diskussionsprozess und seine Schritte und Ergebnisse sind für alle Beteiligten transparent und erst am Schluss erfolgt allenfalls eine Abstimmung.

Geeignet erscheint mir ein solches Modell für regionale Diskussionen/Fragen/Projekte. Die Beteiligung setzt Engagement, Betroffenheit etc. voraus; so wie sich weiterbilden Bildung voraussetzt, erfolgreiche Informationssuche, das Wissen, was man sucht usw.

Das Netz vergisst nicht

Sich als „Konsument“ im Netz zu bewegen ist – nach verhaltensmäßig kurzer Zeit – für sehr viele Menschen geradezu selbstverständlich geworden. Dabei benützt man etwas, dessen Mechanismen und Nebenwirkungen man kaum versteht: Man bestellt Bücher (und wundert sich, dass man wenig später artverwandte Publikationen angeboten bekommt); man erledigt seine Bankgeschäfte online und verlässt sich darauf, vom Rest der Welt unbemerkt zu bleiben; man bucht Flüge und Reisen, spielt im Internet, googelt (statt ins Lexikon zu schauen), dokumentiert auf Facebook & Co jeden kleinen Lebensschritt, kauft und verkauft usw.

Im „Mitbewusstsein“ ist zwar präsent, dass man Spuren hinterlässt, dass „das Netz nicht vergisst“, dass die eigenen Daten gesammelt und verwertet werden können – aber Verhaltenskonsequenzen hat dieses „Mitbewusstsein“ kaum. „Kein Mensch weiß, wie viel Chemiker an ihn denken“, heißt es im metaphorischen Sinn bei Paul Valery. Nun, man weiß nicht, wer sich aller für die „Spuren im Netz“ interessiert, aber man ist erschrocken, wenn man merkt, wer aller Gelegenheit hat beziehungsweise bekommt, darauf zuzugreifen. Nicht nur „internationale Skandale“, auch die permanenten, allgemein gehaltenen Warnungen von offiziellen oder selbsternannten Datenschützern tragen zur Irritation bei. Das Gerücht um „big data“ macht die Medienrunde („dein Verhalten ist komplett vorhersagbar“, du bist durchsichtig“, „wenn man die Daten verknüpft, entsteht der gläserne Mensch“ etc.). Ich wage die (leichte) Prognose, dass derartige Botschaften in Hinkunft zunehmen werden.

Das schafft unter Umständen Probleme für elektronische politische Partizipation. Es mag einem ja (hierzulande!) ziemlich egal sein, ob jemand via Amazon & Co erfährt, welchen Krimi man gekauft hat, in welchem Hotel man gewohnt, welchen YouTube-Beitrag man sich angesehen hat. Welche politischen Stellungnahmen man abgegeben hat, mit wem man über Politik kommuniziert hat, wie man „gewählt“ oder abgestimmt hat: Das aber sollte in aller Regel – außer man will an die Öffentlichkeit treten – geheim bleiben.

Wenn man, so meine These, im Netz als „politisches Wesen“ agiert – in welcher Form auch immer – will man darauf vertrauen können, dass die Daten „sicher“ sind, und dass kein Missbrauch betrieben werden kann (durch Verknüpfung oder Weitergabe). Man will sicher sein, dass Daten nur zu dem Zweck genutzt werden, den man bei seiner Beteiligung im Sinn hatte.

Man möchte vertrauen können; muss vertrauen können. Aber Vertrauen ist eine „veränderliche Variable“. „Veränderliche Variable“ das ist eine Bezeichnung aus der Statistik. Sie bezeichnet z.B. im Experimente jene Größe, deren Variation beobachtet wird, während sich die Rahmenbedingungen ändern. In meinem Beruf als Sozial- und Marktforscher hat man es oft mit der „veränderlichen Variable Vertrauen“ zu tun: So geht es bei vielen Studien um die Frage: „Was konstituiert bzw. gefährdet Vertrauen in Personen (z.B. Politiker), Parteien und andere Institutionen, in Berufsstände, in Marken, Medien, in die Politik oder die Wirtschaft oder gar in die Zukunft“.

Ich will kurz verdeutlichen, wie weit verbreitet das Verlangen nach Vertrauen ist, wie allgegenwärtig im Alltag und in spezifischen Lebenswelten. Es ist im Kern ein Verlangen nach konstanten Verhältnissen, die man kennt. Neues, vom Vertrauten Abweichendes, kann Gefahr bedeuten und mehr als nur das psychische Gleichgewicht stören.

Ein Kind braucht „vertraute“ Personen, sogenannte „Bezugspersonen“, denen es vertrauen können will; es braucht sie nicht nur im Säuglingsalter. Störungen dieses „Urvertrauens“ haben oft lang andauernde negative Folgen. Jugendliche wollen ihren Freunden vertrauen können, dass sie „verstanden“ werden. Lehrer aller Spielart müssen das Vertrauen der ihnen Anvertrauten/der sich ihnen Anvertrauenden gewinnen, um ihrer Rolle gerecht werden zu können. Permanente Skepsis würde gerade in einer arbeitsteiligen Gesellschaft alle notwendigen Abläufe blockieren. Man möchte darauf vertrauen, dass sich die anderen an die gleichen Regeln halten (im Spiel und im Straßenverkehr – siehe „Vertrauensgrundsatz“). Man möchte seinem Partner vertrauen können – auch der chronisch Eifersüchtige, der die Vertrauensbasis durch Kontrollwahn zerstört.

Die „Vertrauensfrage“ ist allgegenwärtig

Man möchte dem Arzt vertrauen, den man aufsucht, dem Handwerker, den man beauftragt, der Bank, der man sein Geld hoffentlich nur temporär überlässt, der Pensionsversicherung, in die man für spätere Zeiten einzahlt, ja auch den Politikern, die für das Gedeihen von Staat, Land oder Gemeinde sorgen sollen. Man möchte „der Wissenschaft“, deren Haus bekanntlich viele Räume hat, vertrauen können, den Medien, die man zur Information nutzt; ja und auch dem eigenen Glauben (ob es sich nun um eine säkulare oder religiöse Weltanschauung handelt).

Die Aufzählung war klarerweise nicht vollständig. Sie sollte nur vor Augen führen, dass „vertrauen können“ allüberall gebraucht wird. Ohne zu vertrauen ist jegliches Handeln schwierig. Ständig zu prüfen, ob man den Bezugspersonen, den Freunden, den Vorgesetzten, den Ärzten, den Wissenschaftlern, den Beamten etc. vertrauen kann, ist praktisch unmöglich; selbst für den habituellen Skeptiker.

Manche Leser werden sich bei dem einen oder anderen Punkt meiner Aufzählung gesagt haben: „ja aber wie soll man denn „denen“ vertrauen können“? Und dennoch ist es bis zu einem gewissen Grad geradezu notwendig. Man lebt nicht nur auf Grund der eigenen Erfahrung. Nicht in der „vertrauten Welt“, schon gar nicht in der „gedeuteten Welt“ (Rilke).

Wenn man politische Partizipation mittels moderner Kommunikationstechniken geordnet auf den Weg bringen will, spielt das Vertrauen in jene Institutionen, die Strukturen und Rahmenbedingungen dafür bereitstellen, eine Schlüsselrolle.

Fragen Sie sich selbst, welchen Institutionen, welcher Einrichtung sie vertrauen würden, wenn es um ihre allfällige politische Partizipation geht; und wie unbedingt das Vertrauen ist. Wodurch kann es allenfalls erschüttert oder gar zerstört werden? Ist es ein Vertrauen auf Zeit (z.B. für einen bestimmten, zeitlich begrenzten Prozess) oder „für immer“? Ist es „blindes“ Vertrauen oder muss es durch gute Argumente gerechtfertigt sein.

Bekanntlich können sich nicht nur Technologien ändern, sondern auch politische Systeme. Daten, die theoretisch unsterblich sind, weil sie nie gelöscht werden, können unbeabsichtigte Folgen haben.

Man darf nie aus dem Auge verlieren, wozu politische Partizipation letztlich dienen soll: Es ist ein altes, ehrwürdiges Ziel, das unter ganz anderen Bedingungen „erfunden“ wurde. Teilnahme am politischen Leben ermöglicht eine Selbstentfaltung, Verwirklichung, die für das „zoon politicon“ charakteristisch ist. Nicht allein (und durch Konsum) wird der Mensch glücklich, sondern erst im Zusammenleben und -wirken mit seinesgleichen. Das Mitwirken stärkt das Vertrauen und das Gefühl, mitverantwortlich zu sein. Hehre Ziele … Es wird vertrauen-können vorausgesetzt, um Vertrauen zu stärken.

Es sind nicht nur technische Lösungen, die vertrauensbildende Wirkungen haben; es muss wohldurchdachte Gesetze geben, die Missbrauch verhindern. „Leaks“ (auch späte) müssen durch Datenlöschung unmöglich werden. Man muss „Bremsen“ in die möglichen Partizipationsprozesse einführen – um nur einige Beispiele zu nennen.

Viele Fragen bleiben offen. Es wird darauf ankommen, sich/einander die richtigen Fragen zu stellen und keine allzu schnellen Expertenantworten darauf zu geben.

Rudold Bretschneider ist seit Jahrzehnten in diversen Cheffunktionen bei GfK (früher Fessel-GfK) tätig und einer der prominentesten Marktforscher und politischen Analysten des Landes.

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Worüber man nicht sprechen darf: Intelligenz, Berufs- und Schulerfolg sind (auch) erblich drucken

Eine OECD-Sonderauswertung von PISA-Ergebnissen beschuldigt Österreichs Lehrer, reiche Kinder bei der Notengebung zu bevorzugen. Dabei ignoriert man die Korrelation von schulischem bzw. beruflichem Erfolg mit Intelligenz – und deren teilweise Erblichkeit.

Seit 50 Jahren beklagt Österreichs linker Mainstream die konstant hohe Erblichkeit von Bildung – obwohl er die Schul- und Bildungspolitik fast ebenso lange dominierte. Nun hat man einen neuen (alten) Buh-Mann ausgemacht: die Lehrer. Weil Schüler aus beruflich erfolgreichen Elternhäusern seit Jahrzehnten bessere Noten schreiben, und alle Menschen offensichtlich gleich talentiert sein müssen, deuteten die schulfernen Sozialwissenschaftler an, man hätte die Noten von „Rich Kids“ wohl hinaufkorrigiert.

Tolerant und (links-)liberal

Die Ergebnisse von Tests und Schularbeiten lassen sich aber auch bei bösestem Vorsatz nicht fälschen, schon seit geraumer Zeit müssen Notenschlüssel und Erfolgskriterien auf jedem Test abgedruckt werden.

Auch Schülerkataloge verraten heute nur mehr wenig über die soziale Lage von Eltern – geschweige denn ihr Einkommen. Und ein Lehrer, welcher Nachforschungen über die soziale Stellung eines Schülers (oder gar von 150) anstellen wollte, wäre sofort auffällig – und geächtet. Denn es ist vielen Lehrern geradezu wesensimmanent, besonders für die Schwächeren zu fühlen. Nicht zufälligerweise sind Pädagogen in jeder Gesellschaft stets toleranter, weltoffener und (links-)liberaler als andere Bevölkerungsgruppen.

Was bedeutet Korrelation?

Für die Frage, wie weit die eine Variable, Intelligenz, zur Ausprägung einer anderen, Schulerfolg, führt, müssen Testergebnisse so ausgewertet werden, dass man deren Korrelation r messen kann. Der Wert r nimmt einen Wert zwischen 0 und 1 ein.

Je größer die Stichprobe ist, desto niedriger kann r sein. So genügt bei 30.000 untersuchten Personen bereits ein Wert von 0.2, um einen starken Zusammenhang der beiden Variablen zu untermauern. Bei nur befragten 30 Personen müsste r hingegen 0.9 einnehmen.

Talente bedingen Schul- und Berufserfolg

Die Korrelation zwischen Intelligenz und Schulerfolg gehört zu den höchsten in der psychologischen Diagnostik. Für Schulnoten liegt sie laut American Psychological Association bei r = 0,50, für Schulerfolg bei r = 0,55. Bei Asendorpf von der Berliner Humboldt Universität korrelieren „höchste abgeschlossene Ausbildung“ (bis zu einem Alter von 40) und Intelligenz sogar mit 0,7.

Im Jahr 2009 verdichtete Kramer von der Uni Bonn in einer aufsehenerregenden Metastudie 244 Intelligenz-Studien mit über 30.000 Probanden – beginnend von 1928 bis 2006 – zur Meta-Aussage: Intelligenz korreliert mit beruflicher Lernleistung extrem stark (r=0.62), ebenso mit Einkommen (0.35) und beruflichem Erfolg (0.33). Entgegen oft vorgebrachter Einwände, solche Tests wären wenig valide, zeigte sich, dass gerade Intelligenztests zu den Testverfahren mit der höchsten Validität gehören.

Arme nicht weniger intelligent

Dabei ist der Rückkehrschluss, Wenig-Verdiener wären weniger intelligent, nicht zulässig. Auf der einen Seite trachten immer mehr Menschen immer seltener nach hohem Einkommen – schon eher nach Freizeit oder Sicherheit. Auf der anderen Seite verhindern auch negative Umweltfaktoren entsprechende Entwicklungen: So schaffen es manche Gesellschaften noch immer nicht, hochtalentierten, aber allein erziehenden Frauen eine angemessene Karriere zu ermöglichen.

„Intelligenz ist erblich“

So eröffnete der deutsche Tagesspiegel 2012 eine Diskussion, der sich mittlerweile auch „Spiegel“ & Co angenommen haben. Grundtenor: Intelligenz ist (ziemlich) erblich. Je älter Menschen würden, desto größer wäre der Einfluss ihrer Gene. Das Postulat der 68er-Generation, „bei entsprechender Förderung könnten selbst Hilfsarbeiter Uniprofessoren werden“, hätte sich als frommer Wunsch herausgestellt. „Der Durchschnitts-IQ von naturwissenschaftlichen Akademikern liegt 30 Punkte über dem von Packern“, so der Wissenschaftspublizist Dieter Zimmer („Die Zeit“).

Was Menschen – privat gefragt – als selbstverständlich ansehen, nämlich die Erblichkeit von Merkmalen, wird von Österreichs Mainstream als „Biologismus“ abgekanzelt, eine öffentliche Diskussion damit verboten. Dabei ist die Erblichkeit von Talenten fast so hoch wie die der Körpergröße. Bei US-Mittelschichtkindern werden die Talente laut Turkheimer von der University of Virginia zu 72 Prozent von Genen beeinflusst, bei solchen aus der US-Unterschicht (mit ihren extremen Ausformungen von Armut) hingegen fast gar nicht.

Mit „5er“ aufsteigen

Österreichs Schule muss die Potentiale seiner Schüler aber besser ausschöpfen. Stattdessen drängt es junge Menschen aus dem System, nur weil sie auf einem einzigen Gebiet, etwa der Mathematik, untalentiert sind. Man zwingt Eltern und Kinder, große Energien für den (oft aussichtslosen) Ausgleich einer Teil-Schwäche zu verschwenden, anstatt sich auf die (erträglichere) Förderung der vielen anderen Talente zu konzentrieren.

Auch Ganztagesschulen, modernere Gebäude mit Freizeitmöglichkeiten und „Summer School“-Angebote nach US-Vorbild könnten lernschwache Kinder künftig stärker fördern.

Noten messen nicht Leistung

Wo PISA Recht hat, ist der Vorwurf, Österreichs Schulnoten würden nicht immer die tatsächliche Leistung messen. So wurde jeder fünfte Wiener Volksschüler in Deutsch mit „Sehr Gut" (3 Prozent) oder „Gut" (17%) benotet, obwohl er laut Erhebung massive Probleme beim Lesen hatte.

Neben den natürlichen Problemen, die sich aus einer starken Zuwanderung ergeben, liegt es aber auch an der mangelnden Güte vieler Testfragen. Oft werden diese (trotz neuer Vorgaben) so konstruiert, dass mit der auswendig gelernten Wiedergabe eines homogenen, abgeschlossenen Stoffgebietes die meisten Punkte erzielt werden. Auf Verknüpfungen mit anderen Inhalten beziehungsweise die eigenständige Anwendbarkeit wird weniger geachtet.

Dies ist aber (auch) der Entwicklung der letzten 20 Jahre geschuldet: Statt – vereinfacht gesagt – wie früher 8 Fächer mit jeweils 4 Wochenstunden gibt es heute 16 Fächer mit jeweils 2. Damit erwirbt man pro Fach zwar weniger Kompetenzen, verbreitet seine Kenntnisse aber durch neue Fächer wie Computer, Internet oder Rhetorik horizontal.

„Lehrer-Verschwörung“ abgesagt

Die meisten hoch begabten Schüler kommen weltweit aus Mittel- und Oberschicht. Aber nicht weil ärmere Kinder an der Schulpforte abgewiesen oder von sadistischen Lehrern bewusst diskriminiert und ausgegrenzt würden, sondern weil die Kinder ihre Intelligenz von jenen Eltern geerbt haben, denen schon ihre eigene Intelligenz zu sozial hohem Status verholfen hatte.

Wer jetzt eins und eins zusammenzählt, den Einfluss der Talente auf Noten und Einkommen und deren teilweise Erblichkeit, der kann die These, Lehrer würden Schüler aufgrund ihrer Herkunft mehr oder weniger bewusst diskriminieren, nicht mehr aufrechterhalten.

Der Betriebswirt und Wirtschaftspädagoge Michael Hörl ist Lehrer an den Tourismusschulen Salzburg Klessheim. In seinem letzten Buch, „Die Gemeinwohl-Falle“, befasste er sich mit den Mythen des „linken Mainstreams“.

www.michaelhoerl.at

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Sie werden immer gefährlicher: die Psych.s drucken

Sieben Jahre lang war der Nürnberger Gustl Mollath in einem psychiatrischen Krankenhaus interniert. Bis ihn jetzt endlich ein Gericht freiließ. Die Ursache des Justizskandals: Das ist die viel zu große Macht, die Psychiater und andere Psych.-Berufe errungen haben. Und diese Macht ist viel bedrohlicher als das parteipolitische Vorwahlgezänk, das in Deutschland um den Fall Mollath entbrannt ist.

Ohne in die Details des Falles eintreten zu wollen: Alles hat mit gegenseitigen Vorwürfen und Anzeigen im ehelichen Rosenkrieg begonnen. Daraus entstand das Drama des Herrn Mollath: Gerichtsgutachter attestierten ihm gravierende psychische Störungen und Wahnvorstellungen.

Ein Hauptgrund für diese Gutachten war, neben den Vorwürfen seiner Frau: Mollath hatte – im Gegenzug zu den ihn treffenden Anschuldigungen seiner einst besseren Hälfte – dieser (sowie etlichen ihrer Kollegen und Kunden) vorgeworfen, in ihrem Bankjob bei der HypoVereinsbank in Steuerhinterziehung, Schwarzgeld- und Insidergeschäfte verwickelt zu sein.

Die Justiz und die Psychiater glaubten ihm aber nicht, gingen den Vorwürfen auch nicht sonderlich nach, sondern nähten ihn unbefristet in der Klinik ein. Dort wurde er seither behalten, denn dort traf ja dann ein weiterer Psych.-Vorwurf sogar wirklich zu: Der Mann zeigte keine Einsicht, dass er krank ist. Er kämpfte vielmehr immer weiter um die Wiedergewinnung seiner Freiheit. Lange Zeit vergeblich.

Aber dann passierte das Unerwartete: nicht die Justiz oder Polizei oder gar ein Psych., sondern ein interner Revisionsbericht der Bank fand heraus, dass Mollaths Vorwürfe zumindest großteils zutreffen. Was jedenfalls für die Bank spricht. Dennoch gab es noch etliche ablehnende Entscheidungen zu seinen Anträgen. Erst jetzt ließ ihn ein Obergericht in Freiheit setzen.

Ein beklemmender Justizskandal. In dessen Kern finden sich gleich zwei deprimierende Aspekte, die man immer öfter auch in Österreich beobachten kann: Erstens ist das die neuerlich bestätigte Tatsache, dass Polizei und Justiz nur ungern zum Umdenken bereit sind, wenn sie einmal in die falsche Richtung galoppieren. Zu ihren Galoppier-Stereotypen zählt etwa in Ehekriegen halt auch oft automatisch: Der Mann ist der Böse.

Noch beängstigender ist der zweite Aspekt: Das ist die viel zu große Macht, die Psychiater und Psychologen über unser Leben errungen haben. In allen möglichen Bereichen.

Über manche Aspekte dieses Psychosiegs könnte man ja fast lächeln, wenn nicht die Anlässe traurige wären: Heute kann fast kein Unglücksfall mehr passieren, ohne dass nicht sofort Psych.s auf Angehörige und Überlebende losgelassen würde. Früher hat einen halt – wenn man es überhaupt wollte – ein Priester unentgeltlich getröstet; aber diesen Beruf hat man ja längst zur Seite gedrückt (und es gibt auch viel zu wenig von ihnen). Jetzt wird hingegen ständig nach dem Psych. als fixem Bestandteil eines Unglücksablaufs gerufen.

Heute kann auch kaum ein Kind mehr Probleme in der Schule haben oder heftig pubertär werden, ohne dass es nicht sofort zu Psych.s geschickt wird, wo es mit Pillen oder kostspieligen Therapien gequält wird. Man wundert sich geradezu, dass es vor dem Psych.-Boom überhaupt jemanden gegeben hat, der seine Pubertät, seine Schulprobleme oder einen Unglücksfall überstanden hat.

Noch schlimmer: Am Beginn vieler Berufslaufbahnen - etwa eben auch des Richterberufs! - stehen psych. Gutachten. Mit vielen fragwürdigen Tendenzen. So berichten empörte alte Richter, dass manche höchstqualifizierte Richteramtsanwärter abgewiesen worden sind, weil ein Psych. gemeint hat, ein religiöser Mensch könne doch nicht ein guter Richter sein.

Über die Rolle der Psych.s in der Justiz kann man aber nicht einmal aus der Distanz lächeln. Denn dort maßen sie sich an, in Situationen die Wahrheit herauszufinden, wo diese einfach nicht herausfindbar ist. Viele Richter schließen sich aber allzu oft bedenkenlos den Psych.-„Erkenntnissen“ an. Statt den wunderbaren alten Rechtsgrundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ zu praktizieren, freuen sie sich über ein Gutachten, in dem ein Psych. behauptet, die Wahrheit herausgefunden zu haben. Und schon können die Richter ein „auf Gutachten gestütztes“ Urteil verkünden, das dann angesichts dieser Stütze meist auch in der Instanz hält.

Wie ist das Leben doch dadurch für die Richter leicht geworden! Sie müssen sich nicht mehr mit alten Rechtsgrundsätzen oder mit der philosophischen Erkenntnis „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ begnügen. Wunderbar. Die Wahrheit ist ja heutzutage nur jeweils ein Gutachten entfernt.

Das ist freilich für viele Opfer dramatisch. Denn in aller Regel können sie ja nicht mit dem Mollath-Zufall rechnen, dass zumindest Jahre später eine Bankrevision die Wahrheit aufdeckt und die Psychs. Lügen straft.

Man denke nur über den Fall hinaus. In wie vielen familienrechtlichen Konflikten verkünden die Psych.s bloße persönliche Meinungen als Wahrheiten, wie viele Kinderschicksale werden durch sie – bisweilen nach wenigen Minuten Diagnose! – entschieden. Was die Rolle der Psych.s besonders dramatisch macht: Immer öfter wird gerade bei Scheidungskriegen ein „Missbrauch“ erfunden und in die Schlacht geworfen. Gegen den (Ex-)Mann, gegen den neuen Freund der Mutter. Fast nie gibt es jedoch Beweise. Dennoch wird allzu oft ein Psych. zum allmächtigen Entscheider, der so tut, als könnte er alles herausfinden.

Einer aus ihrer Gilde hat vor kurzem in einem konkreten Fall diagnostiziert, ein tatverdächtiger Jugendlicher wäre noch zu unreif gewesen, um das Verbotene seiner Tat einzusehen. Der selbe Jugendliche ist aber davor nicht zu unreif gewesen, um Passanten mit Hilfe eines Messers um Handy und Bargeld zu erleichtern. Aber offenbar hat er halt nicht gewusst, dass man das eigentlich nicht tun sollte. Und daher könne man ihn doch nicht bestrafen.

Ein anderer Psych. hat sogar behauptet, dass 90 Prozent aller jugendlichen Straftäter eigentlich psych. Fälle seien. Das heißt natürlich im Klartext: All diese 90 Prozent gehören eigentlich ihm und seinen Berufskollegen.

Wenn solche Wahrheitsspender und Gurus Gehör finden, hört sich letztlich der Rechtsstaat auf. Denn die logische Folge aus all dem ist ja die Abschaffung von Straf- und Familiengerichten und ihre Ersetzung durch die Weisheit der allwissenden Psych.s.

Die Wahrheit gepachtet zu haben, ist gut fürs eigene Ego

Woher kommt dieser absurde Trend? Drei Wurzeln sind wohl entscheidend:

Zum ersten ist es für jeden Menschen, also auch einen Psych., sehr verführerisch, wenn ihm a priori die Behauptung abgenommen wird, dass er die Wahrheit kennt. Es erhöht das eigene Ego ungemein, wenn man das anderen einreden kann. Warum sollte man da zugeben, dass man eigentlich nur Vermutungen äußert, oder gar, dass man bloß aktuellen (Psych.-)Modetrends folgt?

Zum zweiten ist das gutachterliche Urteilen über andere Menschen eine einträgliche Einnahmequelle. Das ist selbst dann der Fall, wenn man sich mit seinen „Objekten“ eingehender, also zeitaufwendiger zu befassen bereit ist und nicht bloß eine Viertelstunde lang.

Und zum dritten ist dieser Trend eine logische Folge der reinen Quantität. Denn die Menschen mit irgendeiner Psych.-Ausbildung werden ja immer zahlreicher. Und wie in vielen anderen Bereichen gilt auch hier: Wenn es nicht genug Arbeit für eine Berufsgruppe gibt, schafft sie sich halt welche.

Aber schuld an dem Irrweg sind eigentlich die Richter, die Lehrer – und wir alle. Denn wir trauen diesen Psych.s viel zu viel zu. Wir fallen immer wieder auf ihre wissenschaftlich verbrämte Durchblicks-Attitüde hinein. Und mangels anderer Orientierungen gefällt uns das auch oft. Sind doch Seele und/oder Geist für die meisten von uns sowieso so etwas wie eine Blackbox. Uns ist jedenfalls das Psych.-Gerede viel lieber als die Erkenntnis, dass sich die Wahrheit gerne der menschlichen Erkenntnis entzieht. Das kennen wir ja auch in anderen Bereichen, wo Menschen massenweise und leichtgläubig einem Guru folgen. Umso lieber, je abstruser er ist.

Das alles heißt nun gewiss nicht, dass ich automatisch alle Psychologie und Psychiatrie für einen Nonsens halte. Aber den Psych.s stünde – wie vielen anderen Berufen – ein ordentliches Stück Demut und Bescheidenheit dringend an.

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Politisch korrekte Philosophie drucken

Auf 271 Seiten versucht Markus Gabriel – mit Jahrgang 1980 der wohl jüngste Philosophieprofessor Deutschlands – zu begründen, „warum es die Welt nicht gibt". Seine wort- und einfallsreichen Begründungen lassen sich in einem Satz zusammenfassen: Es gibt die Welt nicht, weil es Gott nicht gibt. Gott existiert nicht „in dem Sinne, dass es eine Person gibt, die Gesetze verhängt oder sich außerhalb des Universums an einem unzugänglichen Ort befindet" (S. 208).

Gott ist „kein Prinzip, das alles zusammenhält und organisiert. Die Welt gibt es nicht. Auch Gott kann es demnach nicht geben, wenn wir unter <Gott> ein solches Prinzip verstehen" (S.211).

„Man könnte provokativ sogar sagen, dass Religion die Einsicht ist, dass es Gott nicht gibt, dass Gott kein Objekt oder Supergegenstand ist, der den Sinn unseres Lebens garantiert" (S. 211). „Wenn man meint, dass es einen großen Regenten gibt, der das Universum und das menschliche Leben steuert, täuscht man sich. Denn es gibt kein solches Weltganzes, das dann auch noch jemand zu regieren hätte" (S. 212). Religion als „Vorstellung von einem allumfassenden, alles beherrschenden Weltprinzip" ist „Fetischismus" (S. 185). „Der Fetischismus identifiziert ein Objekt als den Ursprung von allem und versucht, aus diesem Objekt die Identitätsmuster zu entwickeln, denen alle Menschen Folge leisten sollten. Dabei spielt es dann nur noch an der Oberfläche eine Rolle, ob Gott oder der Big Bang verehrt wird" (S. 190).

Gabriels Auffassung hat politische Konsequenzen: Wenn es Gott und die Welt nicht gibt, „dann gibt es auch keine einheitliche deutsche Gesellschaft, in die man dann irgendjemand integrieren müsste" (S. 236). Demokratie steht „dem Totalitarismus entgegen, weil sie in der Anerkennung der Tatsache besteht, dass es keine abschließende, alles umfassende Wahrheit" gibt (S. 236). Weil die eine Welt nicht existiert, „existieren viele Sinnfelder" und Perspektiven (vgl. S. 240). „Die Vielzahl real existierender Perspektiven anzuerkennen ist gerade die Pointe moderner Freiheit (…), die nicht auf eine unnötige Vereinheitlichung setzt" (S. 254). Politik ist gefordert, sich dem „Perspektivenmanagement" zu stellen (S. 236).

Markus Gabriel nennt seine Anschauungen „Neuen Realismus". In ihm spiegelt sich die heute allgegenwärtige „Diktatur des Relativismus, die nichts als endgültig anerkennt" (J. Ratzinger, 2005). Nichts gegen Philosophen, welche sich dieser Diktatur unterwerfen und, gestützt auf Film- und Fernsehserien, eine Art Show about Nothing abziehen. Doch zum akademischen Comment gehört es, sich mit der wichtigsten Gegenstimme auseinanderzusetzen, die sich dieser Diktatur des Relativismus widersetzt. Das ist heute wie seit eh und je das Lehramt der katholischen Kirche, dessen Äußerungen zu philosophischen Grundfragen höchste Beachtung verdienen.

Zum einen kommt in diesen Äußerungen nicht eine persönliche Meinung, sondern eine kollektive Stimme zum Ausdruck, die für über eine Milliarde Menschen spricht, ihnen Handlungsnormen und Werte vorgibt, und schon deswegen in der Öffentlichkeit ein weites Echo findet. Zum anderen sind lehramtliche Äußerungen häufig das Ergebnis intensiver Beratungen, an denen die feinsten Geister teilgenommen haben. Dadurch erhalten diese Äußerungen eine natürliche Autorität, die auf Argumentation und geistiger Gültigkeit beruht.

Solche autoritativen, kollektiven Äußerungen stellen häufig genug „Zeitgeistsperren” dar. Sie zu unterschlagen beruht entweder auf Ignoranz, oder meist auf dem Vorsatz, dem Lumen gentium keinen Platz einzuräumen und einer Auseinandersetzung mit diesem „Licht der Völker” aus dem Wege zu gehen. Für Markus Gabriel ist das typisch.

Im Quellenregister finden sich zwar zeitgenössische Regisseure wie Christoph Schliengensief oder Jean-Claude Brisseau, nicht jedoch philosophische Denker vom Rang eines Joseph Ratzinger oder Karol Wojtyla. Eine Auseinandersetzung mit so beutenden Enzykliken und Lehrdokumenten aus jüngster Zeit wie jenen über das Verhältnis von Glaube und Vernunft (Fides et ratio, 1998), von Wahrheit, Freiheit und Moral (Veritatis splendor, 1993), der Religionen zueinander (Nostra aetate, 1965), von Kirche und Welt (Gaudium et spes, 1965), von Kirche, Naturrecht und Demokratie (Evangelium vitae, 1995) oder über die Würde des Menschen (Dignitatis humanae, 1965) oder über die Soziale Frage (heute zusammengefasst im „Kompendium der Soziallehre der Kirche”, 2004), sucht man bei Gabriel vergebens.

Obwohl er die gleichen Themen in extenso behandelt, verzichtet er auf die Heranziehung dieser Weltdokumente. Philosophisch bewegen sich diese Dokumente auch auf der Ebene der „natürlichen Vernunft” und nicht nur der Theologie. Sie als die entschiedene und starke philosophische Gegenstimme gegen Relativismus und Modernismus nicht zu berücksichtigen, verkitscht den „Neuen Realismus” Gabiels zu einer primitiven Rechtfertigungs- und Beschwichtigungsphilosophie zum Zwecke der politisch korrekten Affirmation einer uns vorgespiegelten „heilen” Welt, welche die Sinn- und Wahrheitsfrage nicht mehr stellt und in einem wohlfeilen Gebräu aus Toleranz und Pluralismus ertränkt.

Cui bono? Der Unisono-Beifall aus der Ecke der gelenkten Qualitätsmedien (NZZ, FAZ, Spiegel, Süddeutsche, Welt, TV) legt die Antwort nahe.

Der Autor lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Er veröffentlichte zuletzt „Die Rechte der Nation“ (Stocker, Graz 2002), „Der Sinn der Geschichte“ (Regin-Verlag, Kiel 2011) und „ESM-Verfassungsputsch in Europa“ (Schnellroda 2012).

Markus Gabriel: Warum es die Welt nicht gibt. 271 Seiten. 5. Aufl. Ullstein-Verlag, Berlin 2013. ISBN 978-3-550-0810-4. 18,00 €

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Die Ökonomie von Gut und Böse drucken

Der Autor, Tomáš Sedlácek, Chefökonom einer tschechischen Großbank, lehrt an der Universität Prag Wirtschaftswissenschaften und fungierte während der Amtszeit von Präsident Václav Havel als dessen Berater. Kein ausschließlich im Elfenbeinturm sitzender Gelehrter also, sondern vielmehr ein Mann mit praktischem Zugang zu den in seinem Buch behandelten Fragen.

Der von John Stuart Mill (dem „Vater“ des Utilitarismus), später auch von F. A. Hayek, formulierte Gedanke „Wer nichts anderes ist, wird wahrscheinlich kein guter Volkswirt sein“, charakterisiert die Arbeit Sedláceks. Hier schreibt eher der Philosoph, weniger der Ökonom. Sein zentrales Anliegen ist es, der Frage nachzugehen, ob es sich auszahlt, gut zu sein, oder ob das Gute außerhalb jedes Nutzenkalküls liegt.

Zu diesem Behufe schlägt der Autor – nicht ohne Witz und mit scharfem Blick fürs Wesentliche – einen weiten Bogen von den Anfängen aller schriftlichen Überlieferungen, dem Gilgamesch-Epos, über das Alte und Neue Testament (letzteres hat er akribisch auf seine erstaunlich zahlreichen wirtschaftlich relevanten Aussagen untersucht) und die „Klassiker“ der Ökonomie, bis in unsere von einer langjährigen Schulden- Währungs- und Demokratiekrise gekennzeichneten Tage.

Sedlá?ek geht mit seiner eigenen Zunft durchaus hart ins Gericht. So kritisiert er etwa scharf deren Reduzierung des Menschen auf den Homo oeconomicus und dessen rein mathematische Funktionen. Die moderne Ökonomie lege seiner Meinung nach „zu viel Gewicht auf die Methode anstatt auf die Substanz.“ In der Tat: Moderne Lehrbücher der Ökonomie sind – seit Paul Samuelsons „Economics: An Introductory Analysis“ – anders als die der Klassiker, voll mit Formeln und Diagrammen. Man meint, es mit Werken zur Physik zu tun zu haben…

Betrachtungen der Phänomene Geld, Zinsen, Wert und Bedeutung der Arbeit (die dem Menschen erst mit seiner Vertreibung aus dem Garten Eden zum Fluch wurde) bilden ebenso Bestandteile seiner Ausführungen, wie solche zum Unterschied von Tausch- und Gebrauchswert von Gütern und die Beschäftigung mit der Spieltheorie.

Der heutzutage so gut wie ausschließlichen Festlegung von Studenten der Wirtschaftswissenschaften auf die total mathematisierte „Neoklassik“ steht Sedlácek kritisch gegenüber: „Obwohl wir am stärksten an die menschliche Entscheidungsfreiheit glauben, erlauben wir es den Stundenten ja nicht, ihre eigene ökonomische Denkschule auszuwählen – wir lehren sie nur noch den Mainstream.“ Man meint, den Befund eines Protagonisten der „Austrian Economics“ vor sich zu haben.

Bilanz des Autors: „Wir haben zu viel Weisheit gegen Exaktheit getauscht, zu viel Menschlichkeit gegen Mathematisierung.“ Mein Fazit: Erhellende Sommerlektüre!

Die Ökonomie von Gut und Böse
Tomáš Sedlácek (Carl Hanser Verlag, München 2012
ISBN 978-3-446-42823-2
447 Seiten, gebunden, € 24,90,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Angepasste Hosenscheißer drucken

Bernhard Heinzlmaier ist ein bekannter und renommierter Jugendkulturforscher. Er hat Lehraufträge an der Popakademie in Mannheim, am Institut für Bildungswissenschaften der Universität Innsbruck oder am Joanneum Graz, er ist gefragter Gast in Radio und Fernsehen, hat mehrere einschlägige Bücher geschrieben und leitet das Marktforschungsinstitut Tfactory in Hamburg.

Politische Parteien, Ministerien, NGOs, Verlagshäuser, Konzerne und Universitäten hören auf das, was Herr Heinzlmaier über die junge Generation und ihre Vorlieben, Interessen, Motive und Ziele zu sagen hat. Politiker, Beamte, Staatsanwälte, Journalisten, Studenten, Programmgestalter, Lehrende und Marketingmenschen beziehen ihr Wissen über die junge Generation zu einem beträchtlichen Teil von solchen Wissenschaftlern und Instituten.

Der Einfluss, den Heinzlmaier und seine Kollegen auf Gesellschaft, Kultur, Medien, Politik und damit auf unser aller Leben haben, ist nicht zu unterschätzen. Zu den TFactory-Kunden gehören etwa die Arbeiterkammer NÖ, der ORF, die ÖBB, die Kinder- & Jugendanwaltschaft Salzburg, das Sozial- und das Innenministerium, der Salzburger Landeskulturbeirat oder die Stadt Wien. Die Erkenntnisse eines Herrn Heinzlmaier finden so ihren Niederschlag in Werbekampagnen, Parteiprogrammen, Wahlkampfstrategien, Lehrplänen, Drehbüchern, Förderrichtlinien, Gesetzestexten usw.

Herr Heinzlmaier hat dem Jugend-Internetmagazin „paroli“ jetzt ein Interview gegeben. Darin spricht er über seine Gedankenwelt, seine Ressentiments und seine ideologische Verortung. Ein äußerst aufschlussreiches Gespräch, auch wenn oder vor allem weil Heinzlmaiers Ein- und Ansichten, was er über die Gesellschaft und die Jugend denkt und zu sagen hat, nicht neu und wenig originell sind. Er ist ein geradezu idealtypischer Vertreter der rezenten Geistes- und Sozialwissenschaften.

Obwohl um ein paar Jahre zu spät geboren, ist Heinzlmaier ein waschechter Alt-68er. Da verwundert es auch nicht weiter – Jugendkulturforscher hin oder her – wenn er in „paroli“ über den „Trend zum angepassten Hosenscheißer“ lamentiert. Ja, ja die heutige Jugend ist nicht zu vergleichen mit dem jungen Heinzlmaier. Was war der früher nicht für ein unangepasster Teufelskerl und Revoluzzer. Keine Spur von Hosenscheißer: „Damals habe ich von Tag zu Tag gelebt und mir das Recht herausgenommen, keine Pläne zu haben. (…) Das Leben kann auch daraus bestehen, dass man sich täglich besäuft und bekifft und Nietzsche liest.“

Wow! So wie Klein-Heinzlmaier haben damals allerdings ein Großteil der Studenten gedacht, gelebt und gehandelt. Er war nicht mehr und nicht weniger als ein Kind seiner Zeit: Ein linker Mitläufer, der wie viele andere auch schlicht und einfach jene großzügigen Angebote und Freiräume, die Politik, Staat und Gesellschaft damals der Jugend machten, intensiv ausgenutzt hat. Das hatte mit Unangepasstheit, Eigenständigkeit, „kreativer Selbstverwirklichung“ oder gar Mut rein gar nichts zu tun. Die zumeist aus der Mittelschicht stammenden gut behüteten linken Studenten haben nie irgendetwas riskiert. Man rannte lediglich offene Türen ein. Darauf sind Heinzlmaier und seine linken (Alters)Genossen auch noch heute mächtig stolz.

Und während der Forscher seine eigene Jugend in schönsten Pastellfarben ausmalt, drischt er unbarmherzig auf die jetzige ein. Im Klappentext seines aktuellen Buches „Perfomer, Styler, Egoisten“ heißt es großspurig: „Doch die gut ausgebildeten Ungebildeten sind ängstliche Kreaturen mit begrenztem Horizont und engem Herz (…)“ Und im „paroli“-Interview mokiert sich der blasse Alt-68er über „langweilige Menschen, die alle im gleichen Jargon und den gleichen Vokabeln daher reden und alle dieselben Absichten und dasselbe Erfolgskonzept haben, das mit ihren persönlichen Gefühlen und mit ihrem Leben und Bedürfnissen überhaupt nichts zu tun hat.“

Wie immer schuld: der Neoliberalismus!

Die ängstlichen blöden jungen Spießer bräuchten sich doch nur an den 68-ern und ihren Epigonen ein Beispiel nehmen. Die hatten alle eine ganz individuelle Sprache und ganz unterschiedliche Vokabeln (und konnten sich trotzdem verständigen) und natürlich total individuelle Ziele und Pläne (man sieht ja was aus ihnen geworden ist). Und wer ist schuld, dass die Jungen nicht mehr so toll wie früher sind? Bingo! Der böse Neoliberalismus. Der Beelzebub und Sündenbock aller frustrierten Altlinken.

Vor allem in Österreich ist die neoliberale Ideologie ja besonders dominant, in einem Land in dem – mit einer einzigen kurzen Unterbrechung – seit 1970 sozialistische Bundeskanzler an der Macht sind und das eine der höchsten Steuer- und Abgabenquoten weltweit hat. Neoliberalismus in seiner reinsten Ausprägung eben. Aber Heinzlmaier ruft einfach: Haltet den Dieb!

Natürlich wird der wirtschaftliche Druck auf die junge Generation immer größer. Kein Wunder, befindet sich doch Österreich und ganz Europa im wirtschaftlichen Sinkflug. Das hat allerdings wenig mit Neoliberalismus und viel mit den Folgen leistungsfeindlicher sozialistischer Umverteilungspolitik zu tun. Die europäische Jugend zahlt jetzt die Zeche für die „kreative Selbstverwirklichung“ der vielen Tausenden Heinzlmaiers, die noch immer vom sozialistischen Schlaraffenland träumen: „Der Neomaterialismus steht für eine Grundhaltung, die postmaterielle Werte der ‘68er Generation wie Solidarität, Toleranz, idealistische Selbstverwirklichung und die Kritik an gesellschaftlicher Ungerechtigkeit und Unterdrückung durch ein neomaterialistisches Wertesetting ersetzt.“

Wenn man das liest, bekommt man richtig Lust, sein Che-Guevara-T-Shirt überzuziehen, eine Grateful Dead Platte aufzulegen, einen Joint anzuzünden und ein bisschen in der Mao-Bibel zu schmökern. Und weil diese Zeit damals so furchtbar toll war, hat sie auch so großartige Geister und Denker wie Herrn Heinzlmaier hervorgebracht: „Aber ich bevorzuge den ausgeflippten Punk, oder einen alten, versoffenen Philosophen gegenüber den coolen, performenden Anzug-Typen, die vorbei laufen und ihre komische, lächerliche Erfolgsgeschichte inszenieren, die zum Beispiel darin bestehen kann, irgendeine verblödete Applikation für das Handy zu programmieren und diese dann verkaufen. Diese Typen interessieren mich einfach nicht. Das sind langweilige, öde Menschen.“

Denn, so der spannende Heinzlmaier: „Strebsam sein ist an sich widerlich“. Sein brillanter Gegenentwurf zur widerlichen neoliberalen Leistungsgesellschaft und zum angepassten Hosenscheißertum: „Auf dem Weg zu diesem Interview bin ich an Punks vorbeigegangen, die mit Hunden auf der Straße sitzen, denen ich auch immer Geld gebe, denn das ist für mich der richtige Weg zu einer Erneuerung der Gesellschaft. Diese „Verpunkung", also dass wir uns mit Hunden irgendwo auf die Straße setzen und Bier trinken und das Leben an uns vorbeiziehen lassen: Das wäre ein Ideal, das ich dem heutigen Ideal entgegen halten würde.“

Man kann seine Vision zur Erneuerung der verkommenen europäischen Gesellschaft richtig vor sich sehen: Mit Graffiti beschmierte Großstädte voll mit besoffenen Punks samt verdreckten streunenden Hunden und dazwischen die letzten verbliebenen widerlichen angepassten Hosenscheißer, die ständig für Nachschub an Dosenbier, Haarfärbemittel, Lederjacken und Sozialhilfegeldern sorgen müssen. Man muss wohl mehrere Semester Germanistik studiert haben und bekannter Jugendkulturforscher sein, um solch richtungweisende gesellschaftliche Utopien entwerfen zu können. Fragt sich nur, warum Herr Heinzlmaier nicht selbst mit Irokesenschnitt und speckiger Lederjacke herumläuft? Liegt es vielleicht daran, dass er selbst das ist, was er der Jugend vorwirft? Man will doch schließlich nicht die Marktingabteilung von Procter und Gamble oder der ÖBB vor den Kopf stoßen.

Und weil die widerliche und langweilige Jugend Heinzlmaiers feuchte Träume partout nicht realisieren möchte, schmollt er eben bisschen: „Es ist ein Menschentypus dominant, der, wenn er das Wort Solidarität gebraucht, dann in erster Linie seine Freunde und Familie damit meint.“

Wie können sie nur. Familie! Wie widerlich. „Ich selbst möchte am liebsten morgen schon nicht mehr aktiv sein. Ich hasse das Aktiv-Sein. Aber meine finanzielle Situation erlaubt es mir nicht anders.“ Vielleicht hätte er halt doch eine unnötige App entwickeln sollen. Aber so muss er weiter über die dumme, angepasste, langweilige und widerliche Jugend „forschen“ und publizieren. Und das ist fatal. Schließlich glauben viele Politiker, Beamte, Marketingmenschen und sonstige Entscheidungsträger das wissenschaftlich verbrämte Geschwätz eines frustrierten Alt-68ers.

Das gesamte Interview mit Bernhard Heinzlmaier: http://www.paroli-magazin.at/dargestellt/interview/ich-sehe-den-trend-zum-angepassten-hosenscheisser/

Werner Reichel ist Journalist und Autor aus Wien. Von ihm ist 2012 „Die roten Meinungsmacher – SPÖ-Rundfunkpolitik von 1945 bis heute” im Deutschen Wissenschaftsverlag erschienen. Derzeit arbeitet er an einem Buch über Geschichte, Politik, Ideologie und Ziele der österreichischen Grünen.

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Depressiv, dekadent und überflüssig: Europa 2013 drucken

Der große Historiker Walter Laqueur mag mit seinen 92 Jahren nicht mehr lange unter uns weilen. Aber die Weisheit, mit der er dieser Tage Europa analysiert hat, geht wohl weit über die Spanne seines Lebens hinaus. Es ist wohl das klügste, aber auch bestürzendste Interview gewesen, das man in den letzten Jahren über Europa lesen konnte.

Dabei ist das, was Laqueur da in einem Interview mit dem „Spiegel“ gesagt hat, in fast jeder Zeile von großer, ja verzweifelter Liebe zu Europa geprägt. Er spricht in vielem das aus, was man selber für die Zukunft des Kontinents fürchtet.

Vergnügungspark für die Neureichen aus anderen Kontinenten

Dennoch klingt seine Zukunftsvision aufs erste und oberflächlich recht harmlos. „Die Möglichkeit, dass Europa ein Museum oder ein kultureller Vergnügungspark für die Neureichen der Globalisierung wird, ist nicht völlig von der Hand zu weisen.“ Dies ist in Wahrheit ja heute schon der beherrschende Eindruck, den die Städte des Kontinents vermitteln.

Prinzipiell ist das – auch für den Historiker Laqueur – ja nichts Schlechtes: „Das Ausscheiden aus der Champions League ist nicht das Ende.“ Nur sollte man sich dessen eben auch bewusst sein. Denn „dann wäre es vielleicht auch ratsam, die freigiebige Verteilung von guten Ratschlägen an andere Länder etwas einzuschränken und die eigenen Leistungen weniger pathetisch zu beschwören.“

Laqueur sieht das aus der weit vom Objekt der Betrachtung zurücktretenden Perspektive des Analytikers (und sicher auch seines eigenen Alters): „Aufstieg und Zerfall von Reichen sind Konstanten der Geschichte.“ Das erinnert stark an Oswald Spengler, der schon am Beginn des vorigen Jahrhunderts den Untergang des Abendlandes prophezeit hat. Für Laqueur ist diese Perspektive entweder eine Konsequenz des Alterungsprozesses Europas oder die Folge seines Wohlstandes; dieser habe eine furchtsame Gesellschaft herausgebracht, die allen Konflikten ausweichen will und alle Warnsignale missachtet, durch die sie ihren Wohlstand gestört fühlt.

„Bevor der Zusammenbruch kommt“

Man sollte sich bei der Beurteilung nicht durch seine die relative Stabilität Europas in den letzten Jahrzehnten täuschen lassen: „Es gibt immer ein retardierendes, beharrendes Moment, bevor der Zusammenbruch kommt.“ Europa hoffe auf ein Wunder – wende aber jenes Rezept an, dass auf längere Sicht den geringsten Erfolg verspreche: „ein bisschen Reform hier, ein Stück Flickschusterei da und eine Dosis business as usual.“ Dahinter habe Europa aber das Gefühl für die klare und unmittelbare Gefahr verloren, welche seine Krise bedeutet. Der europäische Antiamerikanismus, „der auf der Linken wie auf der Rechten stets latent geblieben ist“, habe nämlich den Blick auf die eigenen Schwächen Europas verstellt, so Laqueurs unbarmherziges Urteil.

Die Europäer bleiben lieber in Deckung. Sie versuchen gar nicht mehr, wieder zu einer politischen Großmacht aufzusteigen. Aber: „Die Europäer haben noch nicht begriffen, dass es keinen Schutz vor den Folgen der Weltpolitik gibt.“ Ein Rückzug biete keine Sicherheit vor den Konsequenzen.

Europa sei von einer unerklärlichen Willenlosigkeit erfasst. Die europäische Krise sei nämlich keineswegs vorrangig eine Schuldenkrise. „Europäische Werte mögen noch so oft angerufen und angepriesen werden – Willensschwäche, Trägheit, Ermüdung, Selbstzweifel, mangelndes Selbstvertrauen, das läuft auf die psychologische Diagnose eines schwachen Egos hinaus.“

Den Umgang mit Rüpeln und Schurken lernen

Diese Ängstlichkeit strahle Europa naturgemäß auch nach außen aus. „Das merken die Rüpel, und das spüren auch die Hilfsbedürftigen.“ Laqueur verlangt von Europa, dass es endlich zur Kenntnis nehmen solle, in einer Welt zu leben, „in der allzu oft das Chaos herrscht, nicht das internationale Völkerrecht.“ Es müsse daher lernen, sich nach zwei verschiedenen Methoden in der Welt zu verhalten: „einmal nach solchen, die den Umgang untereinander regeln“; jedoch „wenn es um die Rüpel und Schurken geht, die noch nicht den aufgeklärten Zustand der Postmoderne erreicht haben“, dann sollte Europa begreifen, das ganz andere Methoden notwendig sind.

Zweifellos könnte man auch Europas unsichere Reaktion in der aktuellen NSA-Überwachungskrise so interpretieren. Die Europäer sehen in diesem Zusammenhang immer nur brave und anständige Bürger als Opfer, die Amerikaner (und zum Teil Briten) haben hingegen immer Schurken und Schurkenstaaten als Ziel all der Abhöraktionen vor ihrem Auge. Daher fällt es Europa auch so furchtbar schwer, mit den Amerikanern einen Konsens bei der Interpretation der Geheimdienstaktionen zu erzielen.

Zurück zu Laqueurs Bilanz. Sie ist jedenfalls deprimierend. Europa habe seinen moralischen Kredit weitgehend verspielt, fürchtet er. „Es scheut sich Sanktionen zu verhängen; es tut sich unendlich schwer, in Krisen außerhalb Europas zu intervenieren; es hat seine weitgehende Ohnmacht sogar bei Kriegen im eigenen Hinterhof bewiesen.“

Spielball der Weltpolitik

Europa spiele zwar in Wirtschaft und Handel weiterhin eine Rolle. „Aber bis heute steht der Kontinent politisch und militärisch nicht auf eigenen Füßen.“ Das wäre aber nur möglich, wenn global die Machtpolitik keine Rolle mehr spielten würde. „Die Konflikte sind jedoch nicht zurückgegangen, der Fanatismus und die Leidenschaft in ihnen brennen weiter“. Das mache es daher fragwürdig, ob der Gedanke einer europäischen Unabhängigkeit von der Weltpolitik realistisch ist.

Europa erweise sich angesichts der heraufziehenden Stürme vielmehr als hilflos und werde zu einem Spielball dieser Weltpolitik.

Brillante und mutige Gedanken zur Lage des Kontinents und der Union, die einem viel zum Nachdenken geben. Am beklemmendsten ist aber wohl, wie weit diese Gedanken ganz offensichtlich von der Realität Europas, von den Themen seiner Wahlkämpfe und von der Denkwelt seiner Politiker entfernt sind.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Fußnote 459: Die Ganztagsschule, die „Experten“ und die Demokratie drucken

Nur rückständige Hinterwäldler und die Lehrergewerkschaft verhindern den brennenden Wunsch der Eltern, dass ihre Kinder ganztägig und „verschränkt“, also mit Nachmittagsunterricht, in Schulen unterrichtet werden.

In Wahrheit aber wollen die Eltern das ganz und gar nicht. Diese Schulform könnte nämlich schon seit Jahren dort eingeführt werden, wo ein Drittel der Eltern zustimmt (also ohnedies nur eine Minderheit). Daher haben nur 1,8 Prozent der Schüler an AHS-Unterstufen solchen Unterricht bekommen. Viel mehr Schüler saßen hingegen in „unechten“ Ganztagsschulen, wo am Nachmittag nur Lernbetreuung angeboten wird. Diese Form lässt Kindern die Möglichkeit, an externen sportlichen oder kulturellen Aktivitäten teilzunehmen, am Reit-, Klavier- oder Balletttraining. Und die ganz große Mehrheit der Eltern hat sich überhaupt für die traditionelle Halbtagsform entschlossen. Quer durchs Land. Es waren immer die Eltern und praktisch nie die Lehrer, welche die progressive Reform abgelehnt haben. Dabei hatten Ministerium, Androsch und Industriellenvereinigung diese ihnen seit Jahren einzutrommeln versucht. Das alles hat jetzt das Unterrichtsministerium selbst zugegeben. Das alles ist doppelt erfreulich: Erstens weil einmal sogar von dort ein Teil der Wahrheit zu hören ist. Und zweitens, weil die große Mehrheit der Eltern durchaus willens und interessiert ist, die eigenen Kinder selbst zu betreuen. Was wieder einmal zeigt: die Menschen sind familienorientiert und jedenfalls viel vernünftiger als Medien, Politik und selbsternannte „Experten“.

 

 

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Wir zahlen für die Fiesta drucken

Wie sich binnen weniger Tage eines so zum anderen fügt. Beide spanischen Großparteien sind derzeit wegen schwerem Korruptionsverdacht in der Krise. Niemand aber braucht lange nachzudenken, woher denn das Bestechungsgeld für sie eigentlich gekommen ist. Die Antwort gibt diesmal sogar der sonst zahnlose und verschlafene EU-Rechnungshof: Er hat fast zeitgleich mit dem Platzen der Korruptionsaffären enthüllt, dass ein Quadratmeter Fahrbahn in Spanien fast doppelt so teuer ist wie in Deutschland. Na, bumm.

Der Rest ist geradezu zwingend logisch. Denn da spanische Arbeitskräfte nicht teurer sind als deutsche, ist die Vermutung in Wahrheit längst Gewissheit: Das europäische Geld für den Autobahnbau ist in dunkle Kassen geflossen.

Ein Teil floss zu den spanischen Eigentümern der Bauindustrie; diese hatten ja einige Jahre lang jede Summe Geldes, um von der Alpine bis Hochtief jede Baumaschine zusammenzukaufen. Der andere Teil floss zu den Parteien. Der konservative Ministerpräsident, der von einem Parteifreund verpfiffen worden ist, hängt ja seit einigen Tagen als mutmaßlicher Geldempfänger schwer groggy in den Seilen. Und die Sozialisten haben sich insbesondere in ihrer Hochburg Andalusien ebenso heftig an öffentlichen Geldern bedient.

„Öffentliche Gelder“ ist freilich ein recht unpräziser Ausdruck. Denn die spanischen Autobahnen sind nur zum Teil mit spanischem Geld, sondern vor allem mit EU-Geldern finanziert worden. Wie? Nun, die spanischen Regierungen haben seit Jahrzehnten Europa ständig erpresst. Sie haben diversen wichtigen Beschlüssen immer nur zugestimmt, wenn es frisches Geld für sie gab.

Dieses Geld wurde dann mit Hilfe von für die Durchschnittseuropäer kaum verständlichen Programmen nach Süden geschafft. Welcher Europäer fängt denn schon etwas an mit Worten wie „Kohäsionsfonds“ oder „Strukturgelder“? Jeder Europäer hat aber bei einem Spanien-Besuch gesehen, wie quer durchs Land kaum benutzte Luxus-Autobahnen gelegt worden sind. Er hat nur nicht begriffen, dass er selbst und nicht etwa die Spanier diese bezahlt hat.

Womit wir bei einer der vielen Erkenntnisse der neoliberalen Marktwirtschaft sind: Wenn nicht der Empfänger bezahlt, sondern ein Dritter – meist der Steuerzahler –, dann sind Verschwendung und Korruption nicht weit. Ja, meist stehen sie sogar im Zentrum der Dinge.

Und was tun unsere „Volksvertreter“ Swoboda oder Karas in der EU? Sie verlangen lauthals nach immer noch mehr von unserem Steuergeld. Mit dem offensichtlichen Zweck, damit die EU dieses in Spanien&Co verteilen kann. Glauben die beiden ernsthaft, dass irgendeiner ihrer Wähler sie auch beim nächsten Mal wieder wähnen wird?

PS: Ich würde fast wetten, dass die Spanier zur Ablenkung bald einen der alten ethnischen Konflikte wieder neu aufflammen lassen. Offen ist nur, welchen. Wird es wieder gegen die Basken oder Katalanen gehen? Oder gar gegen Gibraltar?

 

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Wir haben in Scheremetjewo keine Grenze. Leider, leider drucken

Wir haben in den letzten Tagen glasklar gelernt, wie halt die Macht in der Welt verteilt ist. Das ist zwar vielleicht ernüchternd, aber Tatsache. Viel ärgerlicher ist jedoch, wie Politiker aller Länder ständig an dieser Tatsache vorbei herumreden und herumlügen. Das zeigt der Fall des Edward Sowden besonders anschaulich.

In Google finden sich momentan schon über 110 Millionen Eintragungen zu seinem Namen. Natürlich hat die niemand alle gelesen. Aber jede Wette gilt, dass der allergrößte Teil der nichtamerikanischen Eintragungen ein und denselben Tenor hat: massive Solidarität mit Snowden und heftige Kritik an den neugierigen amerikanischen Geheimdiensten. Insbesondere Europas Regierungen klingen so empört, dass man fast glauben könnte, den USA werde demnächst unter großem Jubel der Massen der Krieg erklärt.

Die Verlogenheit beginnt jedoch spätestens dort, wo es um die konkreten Antworten auf die Asylanträge des schüchtern wirkenden Brillenträgers geht. Diese Anträge werden dann plötzlich unter den absurdesten formalistischen Vorwänden abgelehnt, nur nicht mit der Wahrheit. Meistens wird gesagt, der Mann stehe ja nicht an der Grenze des eigenen Landes oder auf dessen Boden. Daher könne ihm leider, leider deswegen kein Asyl gewährt werden. Sonst natürlich…

Geht’s noch mieser? Warum stellt sich keiner hin und sagt die Wahrheit? Die da lautet: „Wenn sich nicht einmal Russland und China trauen, dann trauen wir uns natürlich auch nicht; wir fürchten uns alle vor den unberechenbar gewordenen Amerikanern. Und Solidarität unter den derzeitigen Kritikern der USA würde es im Falle einer Asylgewährung mit Sicherheit sowieso keine geben. Also denken wir nicht daran, ihn zu nehmen.“

Das wäre die einzige Wahrheit zu diesem Thema. Aber niemand spricht sie aus. Staaten haben halt nur Interessen, keine Moral. Sie tun nur so, als ob sie eine hätten.

Dabei wären die Menschen – zumindest in Österreich – durchaus reif genug, um die Wahrheit auch zu begreifen. Sie werden statt dessen von ihrer Regierung angelogen. Genauso verlogen sind übrigens die Oppositionspolitiker, die nach Asyl für Snowden rufen. Sie brauchen sich ja bloß nach der Stimmung im Internet zu richten. Sie würden freilich sofort einen Grund finden, doch Nein zu Snowden zu sagen, sobald sie selbst in die Verantwortung rutschen würden.

Würde das Argument von Grenze und so stimmen, dann wäre es jedenfalls absolut unverständlich, wieso die Asylwerber in Österreich vor allem aus Russland, Afghanistan, Syrien, Pakistan, Algerien und Nigeria stammen. Wieso haben die hier allesamt Chancen? Sind das neuerdings Nachbarländer? Oder nehmen wir sie halt auf, weil sonst niemand – oder zumindest keine Supermacht – Interesse an diesen Menschen hat?

Dabei sind sie in Wahrheit meist ungebildete Arbeitsmigranten, deren Freiheit nicht bedroht ist, und schon gar nicht so wie die von Snowden. Gilt bei ihnen das Argument vom österreichischen Boden nicht mehr so richtig? Oder hätte Snowden halt auch nur irgendeinen Schlepper bezahlen müssen, der ihn auf geheimen Wegen bis vor eine österreichische Polizeiinspektion bringt, wo dann das Formalargument vom österreichischen Boden wegfällt?

Die Lehre der letzten Tage: Wir sind eben nur in Teilbereichen ein Rechtsstaat. Und sonst ein opportunistisch seine Eigeninteressen suchender Kleinstaat. Was im Falle Österreichs ja sogar irgendwie verständlicher ist als bei Deutschland oder Frankreich. Die sind nicht nur größer, sondern für sie haben sich noch dazu Amerikas Spione wirklich interessiert. Bei uns glaubt ja nur der Herr Fellner (ein von SPÖ-nahen Inseraten lebender Boulevard-Journalist), dass sich irgendjemand für die Worte eines Faymann interessieren würde.

PS: So viel sind die 110 Millionen ja auch nicht, habe ich mich inzwischen beruhigt. Selbst ich habe 340.000 Google-Ergebnisse. Und die kann auch niemand alle zur Gänze lesen…

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Freuen wir uns über unsere Reichen drucken

Er ist eine der beliebtesten Hassfiguren in öffentlichen Diskussionen quer durch Europa geworden: der Reiche. Ständig werden wir mit Statistiken bombardiert, wie viel Prozent die obersten Promille/Prozent/Dezile/Quintile an irgendeinem fiktiven nationalen Gesamtvermögen besitzen würden. Das sind für uns Normalsterbliche aufs erste eher unvorstellbare Dimensionen. Daher versuchen viele, damit auf Marktplätzen populistisch Stimmung zu machen und dabei unterschwellig den Eindruck zu erwecken, Vermögen würde ohnedies nur in Luxus, Nachtlokale oder lockere Frauen investiert. Konsequenz: Wegnehmen, enteignen, zumindest kräftig besteuern. Damit der weise Staat mit den Vermögen Klügeres anstellt.

Aus dieser Denkweise folgt dann mit der gleichen Logik gleich die geradezu zwingende Folgerung: Wenn wir das tun, dann können wir locker das Schlaraffenland des anstrengungslosen Wohlfahrtsstaates weiter finanzieren. Selbst wenn diese Annahmen stimmen – was sie nicht tun –, dann ist  die ganze Überlegungskette auch deshalb völlig unsinnig, weil mehrere entscheidende Fragen dabei nie gestellt oder untersucht werden. Sie lauten:

  1. Hat jemals in der Geschichte so ein Modell dauerhaft funktioniert?
  2. Woher kommt Reichtum?
  3. Was passiert, wenn der Staat auf private Vermögen/Erbschaften zugreift?

Zuerst zu den historischen Beispielen. Versucht sind solche Finanzierungsmodelle ja in der Tat schon oft worden. Die Realisierungen haben jedoch alle bitter geendet. Das gilt nicht nur für den überhaupt größten derartigen Versuch, also die einige Jahrzehnte agierenden kommunistischen Regime mit ihren zahllosen Abarten. Immer wurde den Ärmeren, den Arbeitern und Bauern, dabei eingeredet, man müsse nur die Besitzenden, die Adeligen, das Bürgertum, die Großbauern enteignen, und schon wären die Probleme der Armen gelöst. Und insbesondere Schriftsteller und Künstler mit ihrer großen Multiplikatorwirkung fanden das (auch im vermeintlichen eigenen Interesse) faszinierend.

Wie wir heute eigentlich alle wissen sollten: Nichts war gelöst. Das Gegenteil trat ein. Am Schluss war für (fast) alle viel weniger da als zu den Zeiten des bösen Reichtums. Arbeiter und Bauern gerieten im Kommunismus auf Generationen in noch tiefere Armut. Und Künstler konnten nur überleben, wenn sie regimekonform agierten.

Es dauerte jedenfalls nach der Abschaffung des Kommunismus Jahrzehnte, bis die Arbeiter und Bauern wieder mit denen gleichziehen konnten, die ohne die großen Umverteilungen ausgekommen sind. Besser ging es einzig der Funktionärsklasse, der Nomenklatura, die sich in die Villen der Reichen setzte, aber ohne Reichtum zu schaffen oder auch nur zu erhalten.

Den Armen helfen nur freie Aufstiegschancen

Es ist heute statistisch eindeutig nachweisbar: Je weniger Umverteilung, umso besser geht es auch den untersten Schichten. Das sieht man von der Schweiz bis Amerika. Zwar herrschen in solchen Ländern oft größere Verteilungsunterschiede als in anderen. Aber relevant kann ja nur sein, ob es den Armen durch Umverteilung langfristig und nachhaltig besser geht also ohne. Und das war nie der Fall.

Zur Bekämpfung der Armut muss etwas ganz anderes gewährleistet sein: dass Arme, Nichtadelige, Ungebildete ohne rechtliche oder formale Schranken genauso jede wirtschaftliche Tätigkeit ausüben können wie jene, die durch Adel und dergleichen einen scheinbaren Startvorteil haben. In den westlichen Staaten passierte das historisch in der Epoche zwischen der amerikanischen Tea Party und dem Sturz beziehungsweise der Entmachtung der Feudalsysteme. Sobald das möglich war, erfolgte in den nächsten Generationen eine große, friedliche UND nachhaltig erfolgreiche Umverteilung, eine Explosion an nationalem Reichtum.

Man denke nur an den sensationellen Aufstieg der europäischen Juden ab Ende der Diskriminierung und der Herstellung der Startgleichheit. Zünfte und Aristokratie hatten lange mit Tricks, Standesdünkeln und Ressentiments den Aufstieg der Bauern (die waren ja lange „schollegebunden“, also leibeigen), Juden und Handwerksgesellen zu verhindern versucht. Konkrete Beispiele dieser Tricks waren etwa Innungsmauern, Zugangshindernisse zu bestimmten Tätigkeiten und Zollmauern.

Sobald die benachteiligten Schichten aber gleichberechtigt waren, überflügelten die Fleißigen und Talentierten unter ihnen im Wettbewerb sehr oft die bisher dominierenden Schichten.

Von Zimbabwe bis Schweden: Umverteilung gescheitert

Gescheitert sind auch alle nichtkommunistischen Versuche, durch Reichenhatz zu Wohlstand zu kommen. Man denke etwa an das dramatische Beispiel Zimbabwes. Das Land war lange Zeit der führende Nahrungsproduzent und Exporteur Afrikas. Als aber ein angeschlagener Diktator dann populistisch zur Jagd auf die nicht einmal 5000 meist weißen Farmer rief (die im Vergleich zu den anderen Zimbabwe-Bürgern in der Tat sehr reich erschienen), errang er zwar kurzfristig den Beifall der vermeintlichen Profiteure aus seinen Reihen. Ein oder zwei Ernten später brach jedoch der bittere Katzenjammer aus: Es brach eine gewaltige Hungersnot aus, vor der Millionen Menschen ins Ausland flohen, wo sie bis heute noch darben.

Enteignung hat sich wieder einmal als der völlig falsche Weg erwiesen, um im Wettbewerb voranzukommen.

Aber auch Schweden ist hier anzuführen. Gewiss gab es dort kein Blutvergießen, keine Jagd auf politisch Missliebige oder Hungersnöte. Strukturell war das Ergebnis dennoch ähnlich: Jahrzehnte des immer intensiveren Zugriffs auf die „Reichen“, ständig erhöhter Steuern, ständig noch heftiger Regulierungen stürzten das lange von manchen als „Vorbild“ gehandelte Land in den Neunziger Jahren in eine tiefe Krise. Nur ein gewaltiger nationaler Kraftaufschwung mit Steuersenkungen, Abbau vieler „Errungenschaften“ und eben wieder mehr Rücksicht auf die Reichen hat Schweden seither wieder nach oben gebracht. Das hat auffälligerweise dazu geführt, dass keiner der Ideologen heute mehr vom schwedischen Vorbild spricht, wie es davor jahrzehntelang üblich gewesen ist.

Erbschaften sind nicht die Hauptqelle des Reichtums

Aber nicht nur der Blick in die Geschichte und auf die internationalen Beispiele sollte dringend vor Reichenhatz warnen. Zu dem selben Ergebnis führt auch der Blick auf die Quellen des Reichtums. In der Propaganda wird oft der Eindruck erweckt, dass dieser primär durch seit Generationen akkumulierte Erbschaften zustandegekommen und daher arbeitsloses Einkommen sei.

Das stimmt nur überhaupt nicht. Weder ein Bill Gates noch ein Dietrich Mateschitz noch ein Karl Wlaschek bauten nach dem Krieg auf irgendeinem vorgefundenen Reichtum auf, um nur einige Namen der in ihren Ländern jeweils Reichsten zu nennen. Das gilt auch für die meisten anderen auf den in manchen Medien so beliebten Listen der Reichen und der großen Vermögen.

Die meisten Reichen wurden als Unternehmer reich

Eine internationale Studie (Barclays) kommt zu dem Ergebnis, dass die durch unternehmerische Tätigkeit erworbenen Vermögen gegenüber den ererbten in einem Größenverhältnis von 40 zu 26 stehen. Das heißt, dass unternehmerische Aktivitäten den weitaus größten Teil der Vermögensbildung erzielen. Dass es aber kaum gelingt, Vermögen über mehrere Generationen zu erhalten. Dass man primär durch Arbeit und Leistung – und gewiss dem nötigen Quäntchen Glück – reich wird.

Nun können gewiss Moralisten die Nase darüber rümpfen, dass es ein zentrales Motiv vieler Unternehmer ist, reich zu werden. Realisten werden das aber im Sinne der Allgemeinheit zu nutzen versuchen. Denn sie wissen und haben an unzähligen Beispielen gelernt, dass ein Land ohne ausreichende unternehmerische Tätigkeiten in die Armut absinkt. Nur Unternehmer schaffen Arbeitsplätze.

Logischerweise stammt auch der weitaus größte Teil der Einkommensteuer-Einnahmen von Gutverdienern, von Reichen, von Unternehmern oder leitenden Angestellten, die wie ein Eigentümer Entscheidendes zum Erfolg eines Unternehmens beitragen.

An dieser Tatsache kann auch der Umstand nichts ändern, dass es Steuerhinterzieher gibt. Die sind mit allen rechtlich erlaubten Methoden zu verfolgen. Die illegalen Einkommen vom Pfusch bis zum Drogenschmuggel können aber niemals die teilweise oder gar gänzliche Konfiskation legal erworbener und versteuerter Vermögen legitimieren.

Wer nicht reich werden kann, strengt sich nicht an

Vor allem ist jede gänzliche oder teilweise Konfiskation kontraproduktiv. Denn die Dynamik, die Leistung, die Risikobereitschaft von Millionen auf Reichtum hoffenden Menschen ist absolut unersetzbar. Der Versuch, diese Motivation – polemisch neuerdings oft Gier genannt – durch Beamte und staatliche Planer zu ersetzen, ist immer dramatisch gescheitert.

Eine weitere schädliche Folge der Reichenhatz: Viele Menschen stellen ihre Anstrengungen ein, wenn sie keine Chance mehr sehen, Reichtum zu erwerben. Überdies sind schon unzählige Male Unternehmer und Leistungsträger in ein anderes Land übersiedelt, wenn ihnen der Staat ihr erarbeitetes Vermögen wieder wegzunehmen beginnt. Solange nicht wieder Eiserne Vorhänge aufgezogen werden, ist Abwanderung von Vermögen leicht und schnell. Lediglich bestimmte Freie Berufe (insbesondere Rechtsanwälte und Steuerberater) können meist nur im eigenen Land hoffen, reich zu werden.

Die angeblich arbeitslosen Vermögen

Nun wird von den Reichenjägern argumentiert: Es ginge ja nur um die arbeitslosen Vermögen. Dabei lügen sie aber gleich mehrfach:

  • Erstens kann man die erarbeiteten nicht von den ererbten und geschenkten Vermögen trennen.
  • Zweitens sind die meisten Vermögen in aller Regel wieder in Unternehmen angelegt. Eine Besteuerung würde also die Investition in Unternehmen reduzieren.
  • Drittens unterliegt fast jede Vermögensvermehrung ohnedies auch in Ländern ohne Vermögenssteuer längst der Besteuerung, etwa durch Kapitalertrags- oder Aktien- und Immobiliengewinnsteuern. Unversteuert sind de facto bis auf winzige Ausnahmen nur jene Vermögen, die sich nicht vermehren oder die gar an Wert verlieren, was eine Besteuerung besonders absurd macht.
  • Viertens zählen zu den wenigen derzeit unversteuerten Vermögenszuwächse vor allem die Wertgewinne von Bildern und anderen Kunstwerken. Das sind aber sehr volatile Wertgewinne. Es gibt viel mehr Kunstwerke, die nach Abflauen einer Modewelle kaum mehr wert sind als die bemalte Leinwand. Daher wird sich kaum noch jemand eine Kunstsammlung anschaffen, wenn allein deren Besitz besteuert wird. Die wahren Opfer eines Zugriffs auf die Reichen wären daher die Künstler, auch wenn es diese noch gar nicht richtig begriffen haben.
  • Fünftens trifft man mit Reichenhatz in fast jeder Konstruktion immer auch die Eigenheimbesitzer. Man würde also eine Steuer auf Wohnraum einheben, den die Politik eigentlich zu fördern versprochen hat.
  • Sechstens würden bei einer Besteuerung privater Vermögen natürlich viele Gold und Schmuck kaufen – und dann sofort vergraben oder sonstwie verstecken.
  • Das führt siebentens zwangsläufig zu einem widerlichen Eindringen von Finanzbeamten in den Intimbereich, die im Wäschekasten nach Golddukaten fahnden. Eine absolut abstoßende Vorstellung.

Sind Erbschaften wirklich leistungsfrei?

Aber die Erbschaften! Die sind doch wirklich leistungsfreies Einkommen, sagen da manche. Und liegen auch damit völlig falsch. Denn für den Erblasser sind sie keineswegs leistungsfrei, sondern ganz im Gegenteil die Summe seiner Lebensleistung. Für viele Erblasser war und ist es eine oft sogar dominierende Motivation, Werte für die Kinder zu schaffen und hinterlassen.

Noch abschreckender sollte auch die Tatsache sein, dass große Erbschaften fast immer primär aus unternehmerischem Vermögen bestehen. Dadurch würde also wiederum unternehmerische, arbeitsplatzschaffende Aktivität belastet. Es gibt viele Beispiele aus Ländern mit Erbschaftssteuer, wo Betriebe den Todesfall des Eigentümers auf Grund der Steuerlast nicht überleben konnten.

Dennoch wollen die österreichischen Gewerkschaften sogar schon ab 150.000 Euro nach den Erbschaften greifen. Dieser Betrag ist in der Summe von Autos, Briefmarkensammlungen, Häusern, Bargeld und vielem anderen in den meisten Familien erreicht, noch bevor man auf Unternehmensanteile und Aktien kommt.

Doppelte Steuer bei zwei Todesfällen

Was ebenfalls gerne übersehen wird: Bei einem doppelten Schicksalsschlag, also bei zwei Todesfällen in kurzer Abfolge, ist die Erbschaftssteuer dann gleich doppelt zu bezahlen, also für kaum jemanden noch finanzierbar.

Eine Wiedereinführung einer Erbschaftssteuer hätte noch eine weitere Wirkung: Sie würde zu einer Fülle von Umgehungskonstruktionen führen, weil ältere Menschen eben alles tun, um ihren Besitz zur Gänze ihren Erben zu sichern. Sie lassen sich auch dadurch nicht abhalten, dass diese Konstruktionen meist sehr teuer werden, nicht nur wegen der Anwaltskosten. Oder dass sie sich erfahrungsgemäß später oft ärgern werden, wenn sie in Notsituationen ohne ihr einst erworbenes Vermögen dastehen, wenn sie nicht mehr Herr im eigenen Haus sind.

Die Konklusion kann also nur heißen: Seien wir froh, wenn wir Reiche haben. Je mehr desto besser. Lassen wir sie und das von ihnen Erworbene in Ruhe, zu Lebzeiten wie am Todestag. Es wäre für uns alle schlechter, wenn es keine Reichen, keinen Reichtum oder viel weniger davon gäbe.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Permanente Revolution: Totalitarismus im Zeitalter des internationalen Bürgerkriegs drucken

Das nun erstmals in deutscher Sprache vorliegende Werk des 1933 aus Deutschland emigrierten Soziologen und Historikers Sigmund Neumann ist insofern bemerkenswert, als es 1942 publiziert wurde. Das war also ein Zeitpunkt, da noch keineswegs absehbar war, in welcher Weise sich der ständig eskalierende Zweite Weltkrieg weiter entwickeln würde.

Dieses Buch stand stets im Schatten jener der Totalitarismusforscherin Hannah Arendt, die mit Werken wie „Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft“ weltweite Berühmtheit erlangte. Dem hierzulande wenig bekannten Autor gebührt indes Respekt dafür, mit „Permanente Revolution“ als erster eine vergleichende Untersuchung verschiedener Formen des Totalitarismus vorgelegt zu haben. Er konzentriert sich dabei auf die Entwicklung in Deutschland, Italien und der Sowjetunion. Spanien, andere europäische Diktaturen und Japan finden nur am Rande Erwähnung.

Dass Neumann den Hauptteil seiner Arbeit einer Analyse der Ereignisse in Deutschland widmet, hat ihm nach dem Krieg einige Kritik eingetragen: Er habe sich bei der Beurteilung der Entwicklung der Sowjetdiktatur deshalb zurückgehalten, weil diese damals zum Kreis der gegen die Achsenmächte kämpfenden Alliierten zählte.

Neumann sieht in den drei untersuchten Fällen den vorangegangenen Ersten Weltkrieg als eine der Hauptursachen – ja geradezu als Bedingung – für den weiteren Weg in den Totalitarismus, so unterschiedlich dieser auch verlaufen sein mag. Fünf Kernelemente identifiziert der Autor als in jedem der gewählten Beispiele gleichermaßen verwirklicht:

  1. das Versprechen von Sicherheit und Stabilität
  2. permanente Aktion statt eines konsistenten Programms
  3. eine pseudodemokratische Legitimierung
  4. die Geburt der Totalitarismus als „Kind des Krieges“ und
  5. das Führerprinzip

„Das erste Ziel des Totalitarismus ist es, die Revolution zu verewigen und zu institutionalisieren.“ So schreibt Neumann in der Einleitung. Die Institutionalisierung ist erforderlich, da ein klares Ziel – abseits von vagen Verheißungen, alles besser zu machen – fehlt. Aktionismus wird zum Ersatz für ein Programm. Die Entwicklung, die der Begriff Diktatur seit der Antike genommen hat, wird durch deren „modernen“ Anspruch auf Permanenz deutlich. Die für den Alltag moderner Diktaturen typische Durchdringung aller Lebensbereiche mit Politik ist ebenfalls ein Element, das den Despotien vergangener Zeiten fehlt.

„Vier Kriegsjahre hatten eine Kultur der Gewalt hervorgebracht.“ Besonders im besiegten, durch „Versailles“ gedemütigten und gesellschaftlich zerrütteten Deutschland, standen die Bedingungen für eine totalitäre Entwicklung demnach günstig.

Im Gegensatz zu den Nationalsozialisten verfügten die Kommunisten über ein vollständiges Weltbild. „Der Bolschewismus war die Revolution der radikalen Intelligenz.“ Der Kampf gegen Großgrundbesitzer, die Kontrolle über die Industrieproduktion und die Beendigung des Krieges sind zentrale Elemente der Sowjetrevolution. Dass die Umsetzung der von Karl Marx nicht mit praktischen Handlungsanweisungen versehenen Theorie auf erhebliche Schwierigkeiten stößt, findet in der 1921 von Lenin ausgerufenen „Neuen Ökonomischen Politik“ ihren Ausdruck. Damit wird, sehr pragmatisch, ein Teil der vorangegangenen Kollektivierungsmaßnahmen wieder rückgängig gemacht.

Italien, das „Land der Städte, nicht der Metropolen“, sieht Neumann – wie Deutschland – als „verspätete Nation“. Das Land befand sich nach dem ersten Weltkrieg in einem recht frühen Stadium des Kapitalismus. Eine Parteienstruktur, wie im weiter entwickelten England, Frankreich oder Deutschland, existierte nicht. Politische Fraktionen basierten auf persönlicher Gefolgschaft, nicht auf einem Programm. Obgleich das Land zu den Siegermächten des Ersten Weltkrieges zählt, ist den meisten Italienern klar, dass seine „Triumphe eher seinen ruhmreichen Verbündeten geschuldet“ sind, als eigenen Anstrengungen. Dies wird zur Quelle nationaler Minderwertigkeitskomplexe. Der faschistische Schlachtruf „Wer ein Schwert hat, hat auch Brot“, fällt bei den durch die Nachkriegsdepression am schwersten getroffenen Gesellschaftsgruppen auf fruchtbaren Boden – bei jungen Facharbeitern und Angestellten.

Neumann analysiert Herkunft und Werdegang der Führer der drei totalitären Bewegungen und hebt die wichtige Rolle von deren Stellvertretern für die innere Organisation ihrer Parteien hervor. Er weist außerdem darauf hin, dass es sich – insbesondere bei den nationalsozialistischen Revolutionären der ersten Stunde – um, im Vergleich zum politischen Establishment, durchwegs junge Männer handelt.

Das Phänomen der Masse, das Wesen des Einparteienstaats, die institutionellen Rahmenbedingungen zur Kontrolle der Massen und die Konsequenzen des für den Totalitarismus sinnstiftenden, permanenten Krieges, sind weitere Schwerpunkte des Buches. In der von den Westmächten bis 1939 betriebenen Politik des „Appeasement“ sieht der Autor eine Konsequenz der völligen Fehleinschätzung des seinem Wesen nach auf permanente Expansion gerichteten Nationalsozialismus´. Das Dilemma Deutschlands, das im Nationalsozialismus seinen letzten Ausdruck findet, fasst Neumann so zusammen: „Es ist das Herz Europas, sein Bollwerk gegen den Osten, und gleichzeitig der große Fremde inmitten der europäischen Zivilisation.“

In einer zwanzig Jahre nach der Ersterscheinung geplanten zweiten Auflage geht es Neumann um einen „Weg zur Theorie des Totalitarismus“. Wegen des frühen Todes des Autors kommt dieses Projekt über den Rahmen einer Konzeption nie hinaus.

Aus heutiger Sicht erscheint es – angesichts der unverkennbar totalitären Tendenzen in den Imperien beiderseits des Atlantiks – befremdlich, dass der Autor die Gefahr des Totalitarismus´ ausschließlich mit autokratischen Regimes verbindet, nicht aber mit Demokratien. Autokratische Regimes können jedoch in mancher Hinsicht durchaus „liberal“ sein (man denke an Chile unter Augusto Pinochet, in dem ein radikal wirtschaftsliberaler Kurs gefahren wurde, von dem das Land heute noch profitiert), während (am Ende alle?) Demokratien sich mehr und mehr zu geschlossenen Zwangserziehungsanstalten für ihre Bürger aufschwingen. Stalin, Mussolini oder Hitler jedenfalls dachten niemals daran, ihren Bürgern das Rauchen zu verbieten oder vorzuschreiben, auf welche Weise sie ihre Wohnungen zu beleuchten hätten. Die politischen Führer der EU sind da aus völlig anderem Holz geschnitzt. Die Frage zu beantworten, weshalb das so ist, bleibt rezenten Totalitarismusforschern vorbehalten…

Permanente Revolution
Sigmund Neumann
LIT-Verlag 2013
472 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-64312046-5
49,90 €

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Fußnote 450: Der Mann hinter den Enthüllungen und seine Freiheit drucken

Überaus erfreulich: Der Mann, der die US-Regierung bloßstellte, versteckt sich nicht in Anonymität, sondern stellt sich nun mit vollem Namen der Öffentlichkeit.

Es ist der 29-jährige Techniker Edward Snowden. Er hatte enthüllt, dass die USA in großem Umfang bei Google, Facebook und Microsoft Daten sammeln. Selbst wenn das durch den Kampf gegen Terrorismus gerechtfertigt wird – was in einigen Fällen auch stimmen dürfte –, so ist es dennoch dringend an der Zeit, aller Welt klarzumachen, dass die schönen sozialen Medien vieles können und kennen, nur eines nicht: Privatheit. Daher sollten insbesondere auch die jungen Menschen mit ihrem Hang zum Exhibitionismus die Konsequenzen beachten. Es sind ja auch nicht nur die Amerikaner, die da wie wild herumspionieren. Daher sollte die eigentlich normale Vorsicht in den sozialen Medien erst recht am Platz sein. Speziell in Zeiten, wo die Political correctness die Meinungsfreiheit immer mehr einschränkt. Man hat mehr „Freunde“, als man denkt. Wir sind jetzt gespannt, wie die US-Regierung reagiert. Denn zum Unterschied von den Wikileaks-Enthüllungen kann sie nicht behaupten, die Sicherheit und Soldaten wäre durch die Enthüllungen gefährdet worden. Daher müsste eigentlich die theoretisch (noch immer) in der US-Verfassung garantierte Freiheit von Informationen und Meinungen auch Edward Snowdens Freiheit garantieren. Schauen wir mal.

 

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Die Armen werden immer ärmer: unwahr und gelogen drucken

Immer mehr Menschen werden immer ärmer. Tausende Leitartikel, Sonntagspredigten und Politikererklärungen werden in ganz Europa auf diesen Satz und seine Konsequenzen aufgebaut. Meistens will man damit schlechtes Gewissen erwecken, damit man noch mehr Schulden machen, noch mehr Steuern erhöhen kann. Zum Nutzen der Sozialindustrie und der eigenen Klientel. Nur stimmt der eingangs stehende Satz nicht. Ganz und gar nicht. Das Gegenteil stimmt: Die Menschheit befindet sich trotz ihrer Vergrößerung in Milliardendimensionen nachweislich im steilsten Aufwärtskurs ihrer Geschichte. Lediglich Europa hat es vorgezogen zu stagnieren.

Das Erstaunliche: Diese wichtigste und erfreulichste Botschaft seit Menschengedenken wird von den Medien und der Politik weitgehend ignoriert. Sie leben nämlich (fast) alle von den negativen Nachrichten. Und sie wollen schon gar nicht zugeben, dass der Zuwachs an Lebensqualität genau jenen Faktoren zu danken ist, die sie und andere Gutmenschen ständig verurteilen.

Armut und Hunger nehmen ab, die Lebenserwartung steigt

Faktum ist, dass in den letzten Jahrzehnten die Lebenserwartung (mit wenigen Ausnahmen wie das kommunistische Nordkorea, wie das in Korruption versinkenden Russland oder das von einem senilen Diktator gequälten Zimbabwe) jedes Jahr um einige Monate länger wird. Faktum ist, dass es kaum noch Hungersnöte in der Welt gibt, die jahrtausendelang fixer Teil der Conditio humana waren. Und ebenso Faktum ist, dass die ersten Jahre des neuen Jahrtausends seit 2000 „den schnellsten Rückgang der Armut in der Geschichte der Menschheit gebracht haben“.

Dieses Zitat stammt wohlgemerkt nicht von einer Schönfärbeagentur, sondern aus einer mehr als unverdächtigen Quelle: aus der neuen Millenniumsstudie der UNO.

Der Einfluss der Sozialindustrie-Profiteure

Über diese Studie und diese Fakten wird nur erstaunlich wenig geredet. Denn ganz offensichtlich ist das Interesse vieler an der Armuts-Behauptung größer als an der Wahrheit. Die Sozialindustrie lebt ja vom schlechten Gewissen all jener, die keine Probleme haben, sich täglich sattzuessen, ein wohnliches Heim zu besitzen, hie und da auf Urlaub zu fahren und ihre Kinder in die Schule schicken können. Und sie lebt hervorragend davon, weil eben die Zahl und der Anteil dieser für schlechtes Gewissen empfänglichen Menschen ständig größer werden.

Gewiss, die Sozialindustriellen können auf Knopfdruck Einzelbeispiele von schrecklichen Einzelschicksalen präsentieren. Seriöse Studien gehen hingegen von der gesamten Menschheit aus. Nur so lassen sich gesamthafte Aussagen machen. Tatsache ist, dass die absolute Zahl der Armen trotz Bevölkerungsexplosionen in den letzten zwei Jahrzehnten mehr als halbiert worden ist. Die relative noch viel mehr.

So mancher weitblickende Europäer denkt schon daran, in welchem Zustand sich das heute noch so viel von Armut redende Europa selbst befinden wird, wenn einmal viele Länder Asiens Europa überholen. Das wird noch in diesem Jahrhundert passieren. Auch viele Länder Lateinamerikas und Afrikas erzielen seit Jahrzehnten ein höheres Wachstum als die EU. In Europa schauen hingegen die Zukunftserwartungen dank Geburtenverweigerung, Schulden, Sozialstaat, Abgabenhöhe und Überregulierungen gar nicht gut aus.

Entwicklungshilfe ist ein Irrweg

Umso wichtiger wäre es, die Faktoren zu kennen, die der Dritten Welt zu einem solchen Erfolg verholfen haben. Der politisch am häufigsten genannte Faktor hatte dabei aber keine entscheidende Bedeutung: die Entwicklungshilfe. Die hat zwar sicher auch etliches Positives bewirkt. In der Summe aber hat sie nicht nur Korruption und Fehlentwicklungen vermehrt, sondern in den am meisten unterstützten Ländern deren Wachstum beschädigt. Entwicklungshilfe löst nämlich einen sozialökonomischen Hospitalismus aus: Man muss nur laut genug jammern, und schon wird einem von außen geholfen.

Eigene Anstrengungen und Lernprozesse sind hingegen bei der Entwicklungshilfe-Rhetorik kein Thema, ja sogar schädlich. Nützlich ist es hingegen, möglichst oft von Kolonialismus (der schon zwei Generationen her ist), Neokolonialismus (was auch immer das genau sein soll) und Global Warming (wobei jede Infragestellung der diesbezüglichen Thesen streng verfolgt wird) zu reden sowie die absurde Behauptung zu verbreiten, der Reichtum anderer Teilnehmer des Welthandels wäre die Ursache der eigenen Armut.

All diese so gerne verbreitete Rhetorik ist jedoch Nonsens. Würde sie stimmen, müssten ja Länder wie Nordkorea, die sich fast zur Gänze vom Welthandel abkoppeln, besonders gut dastehen. Das müsste auch in jenen Ländern der Dritten Welt der Fall sein, die nie Kolonien waren. Umgekehrt kann diese Rhetorik auch nicht erklären, warum in vielen Statistiken ausgerechnet die Schweiz und Singapur an der Spitze stehen, die nie Kolonien hatten.

Die Rezepte eines Welt-Erfolgs

Was aber hat wirklich die Menschheit vorangebracht? Die wichtigsten Elemente des globalen Erfolgsrezepts:

  1. Die moderne Hygiene (etwa Trinkwasser- und Abwasser-Versorgung) hat viermal so viel zur Verlängerung der Lebenserwartung beigetragen wie die moderne Medizin. Trotzdem hat auch diese eine positive Auswirkung insbesondere auf die Erhöhung der Lebensqualität.
  2. Die moderne Landwirtschaft kann ein Vielfaches jener Massen ernähren – und sogar mit Fleisch versorgen! –, als vor wenigen Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten irgendjemand zu hoffen gewagt hätte. Dabei waren moderne Züchtungen, Genveränderungen, Pflanzenschutzchemie, Kunstdünger und viele andere wissenschaftliche Methoden im Spiel. Mit den von den vielen NGOs rund um die Grünen verfochtenen Zurück-zur-Natur-Methoden wären hingegen Hunderte Millionen verhungert.
  3. Alleine das bei uns heute so verpönte DDT hat viele, viele Millionen Menschen gerettet.
  4. Der Menschheit steht heute mehr Energie denn je zur Verfügung. Wachsender Energieverbrauch von der Dampfmaschine bis zu den Atomkraftwerken war und ist untrennbar mit jeder Verbesserung der Lebensdauer und -qualität verbunden.
  5. Viele Fehlentwicklungen konnten verhindert oder gestoppt werden, weil als Ergebnis der neuen Grundrechte vor allem die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Wissenschaft die Fortsetzung von Irrwegen meist rasch beendet haben. Umso schlimmer sind die zunehmenden europäischen Versuche, diese zentralen Grundrechte im Zeichen der Political correctness zu reduzieren und durch die Gleichstellung mit „sozialen“ Grundrechten (Recht auf Gesundheit usw.) total zu relativieren.
  6. Bis auf den Islam verzichten heute erstmals alle Religionen auf Gewalt und offensive Missionierung.
  7. Die Zahlen der Eroberungskriege, die blutigen Folgen von nationalistischem und ideologischem Expansionismus sind im historischen Vergleich stark zurückgegangen.
  8. Gesellschaftliche Ungleichheit ist zwar kein erstrebenswertes Ziel. Aber dort, wo sie zugelassen wird, hat sie sich als starker Antrieb erwiesen. Denn nur in ungleichen Gesellschaften hat es Sinn, sich anzustrengen, damit man zu den erfolgreichen zählt. Das ist in Feudalgesellschaften nicht möglich, wo die aristokratische Abstammung entscheidet und nicht die Leistung. Aber in einer offenen Gesellschaft ist es extrem hilfreich, Reichtum zuzulassen. Nichts treibt den Erfolg eines Landes mehr voran. Und daher ist auch nichts dümmer, als die Reichen durch Hochsteuern zu vertreiben, wie etwa jetzt in Frankreich. Umgekehrt war es viel schlauer, einem Gates, einem Stronach, einem Mateschitz zu erlauben, reich zu werden, als sie von Anfang an daran zu hindern. Und abertausenden anderen. Viele von ihnen finanzieren dann Stiftungen und Spenden mit viel besserer Wirkung, als es die von Beamten und Politikern verteilten Steuergelder jemals haben.
  9. Und last not least ist der Liberalismus zu nennen, egal ob man ihn Neo-, Alt-, Paläo- oder Wirtschaftsliberalismus nennt. Die Entfesselung der Kräfte des „Kapitalismus“, wie er von seinen Feinden genannt wird, also die Dynamik der eigenen (genauer: der familiären) Interessen von Milliarden Menschen: All das hat mehr für die Menschheit getan als alle anderen Faktoren zusammen.

Jede Vielfalt ist zentral verwalteten Staaten und Unionen überlegen

Nur mit all diesen Faktoren war es möglich, das Wissen und Können von so vielen Menschen zu aktivieren. Diese Summe ist selbst dem klügsten zentralistischen Fünfjahresplaner um ein Vielfaches überlegen. Natürlich passieren auch ohne Planwirtschaft Fehler, Dummheiten, Gaunereien. Aber in liberaler Vielfalt und Freiheit setzt sich das Bessere – eben meist auch das Gewinnträchtigere – viel rascher durch als in einem zentralverwalteten Staat oder in einer solchen Union. In einem zentralistischen Gebilde dauert es viel zu lange, bis eine Planungsbehörde einmal eingesteht, dass sie auf dem Holzweg unterwegs gewesen ist. Wenn sie es überhaupt tut.

Und Europa? Jahrhundertelang war der Kontinent nicht zuletzt auf Grund der Vielfalt seiner Staaten und Nationen, vielleicht auch wegen seines Klimas, sicher auch durch Christentum, Judentum, Aufklärung und das Erbe der griechisch-römischen Antike allen anderen weit überlegen. Heute jedoch ist Europa alt und müde geworden. Es kann sich offensichtlich nicht mehr aus den lähmenden Banden eines trügerischen Wohlfahrtssystems retten. Es muss daher zumindest am Beginn des neuen Jahrtausends im Gegensatz zu den letzten 2000 Jahren allen anderen Regionen den Vortritt lassen. Ob das noch einmal revidiert werden kann, werden erst unsere Nachfahren wissen. Sofern es solche überhaupt gibt.

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Plakat-Wahrheit und Wirklichkeit drucken

Jetzt wird also gegen den früheren Kanzler Alfred Gusenbauer wegen des Verdachts nachrichtendienstlicher Tätigkeit ermittelt. Dass die Aufregung sich ebenso schnell legen wird wie die Ermittlungstätigkeit der Wiener Staatsanwaltschaft, ist vorauszusehen. Kein Medium wird die fütternde Hand des SPÖ-Kanzlers beißen, dem die Affäre Gusenbauer gerade im Wahlkampf nicht zupass kommt. Aber so ist das eben: Auch in einer Partei, die gegen Gier und für Gerechtigkeit agitiert, sind manche von der Parteimoral ausgenommen.

Alfred Gusenbauer, der einst sowjetischen Boden küsste, hat sich, kaum aus dem Kanzleramt gedrängt, hochbezahlt in die Dienste des Kapitals gestellt. Da ist die Firma Novomatic, der Glücksspielkonzern, für die er nicht erst jetzt als Aufsichtsrat werkt, sondern schon früher im Südamerika-Geschäft mitmischte (ach ja, noch früher ist ihm beim Thema Südamerika nur die Solidarität mit den revolutionär-marxistischen Sandinistas ein Anliegen gewesen...). Als Aufsichtsrat der Strabag gibt’s 50.000 Euro, als Vorsitzender der Familienstiftung Haselsteiner lukriert er angeblich 200.000 Euro, ebenso viel bringt sein Engagement beim Luxusimmobilien-Entwickler René Benkö ein. Daneben ist er Miteigentümer einer Investmentgruppe, Direktor eines chilenischen Investmentfonds.
Und für den ehemaligen Bundeskanzler einer demokratischen Republik besonders unschön: Er verdingte sich als Berater des kasachischen Diktators Nursultan Nazarbajev. Freilich ist er da nicht der einzige, denn der Kasache hält sich fast die gesamte ehemalige europäische Sozialdemokratie - von Schröder bis Blair. Pecunia non olet.
Und diesem seinem kasachischen Herrn soll Gusenbauer nun Untersuchungsausschuss-Material über dessen abtrünnigen Schwiegersohn Rakhat Alijew weitergegeben haben, dessen Auslieferung er erfolglos von Österreich begehrt.
Den Vorwurf des Landesverrats weist Gusenbauer empört zurück. Und vielleicht ist ihm da auch nur bei seinem sprichwörtlichen Geschick eine späte Rache an Michael Häupl daneben gegangen? An dessen Lieblingsprojekt „Medienquartier Marx“ (apropos: auch da ist der „Sankt“ vorm Marx verschwunden) soll nämlich Alijew mit dubiosen Geldern beteiligt sein.
Und diese nicht unbedenkliche Beteiligung untersucht ausgerechnet – die Consultatio.
Jene Steuerberatungskanzlei, die Hannes Androsch 1970 gegründet hat, die in der Zeit seiner Tätigkeit als Finanzminister geschäftsmäßig nahezu explodiert ist – und an der er immer noch beteiligt ist.
Und da wären wir bei dem zweiten Fall von Plakat-Dichtung und Wahrheit. Schließlich ist Androsch mittlerweile ein großer Industrieller. Kein böser Kapitalist, denn er tut Gutes mit seinem Geld - etwa finanzierte er das Bildungsvolksbegehren in Sachen Gesamtschule. Seinen eigenen Sohn hätte der (ausgebliebene) Erfolg ohnehin nicht betroffen. Den hat er vorsorglich in einer katholischen Privatschule (Marke: Gymnasium) untergebracht. Für alle anderen aber soll endlich „Chancengleichheit“ gelten.
Dass Androsch so viel Geld in Parteianliegen investieren kann, ist kein Wunder. Schließlich ließ er sich bei der Privatisierung der Verstaatlichten von Viktor Klima den Leiterplatten-Hersteller AT&S zuschanzen. Ein prosperierendes Werk mit tausenden von Arbeitsplätzen, das immer weiter expandiert – allerdings längst in Shanghai. Weil die Arbeitskräfte dort billiger sind.
Ein anderes österreichisches Paradeunternehmen, der Flugzeugzulieferer FACC, gehörte bis vor kurzem auch Androsch. Das war die Firma, die am stärksten von den Gegengeschäften im Abfangjäger-Deal profitieren konnte. Mittlerweile hat er sie verkauft – an Chinesen.
Nicht dass man es nicht wüsste, dass antikapitalistische Überzeugung dort aufhört, wo es das eigene Bankkonto betrifft. Aber der neidgenossenschaftliche Angriff auf jeden, der es zu Wohlstand bringt, klingt dann noch verlogener – besonders wenn sich Werner Faymann gerade wieder moralisch erregen musste, dass die Zahl der Millionäre in Krisenzeiten gestiegen ist.
Vielleicht sollte er an seine eigene berufliche Zukunft denken, bevor er Reichensteuern einführen lässt. Wer weiß, wen er dann lukrativ beraten darf.
 

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Die schwulen Adoptionen und das Recht drucken

Das Justizministerium will Adoptionen durch Homosexuelle erlauben. Und zwar nur deshalb, weil es aus einem Gerichtsurteil die falschen Erkenntnisse zieht.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der EGMR in Straßburg, hat ein Urteil gefällt, das nur bei oberflächlicher Betrachtung dem Ministerium Recht zu geben scheint. Der Gerichtshof hat gemeint, dass Österreich Schwule gegenüber anderen Pärchen diskriminiere, weil es nicht zulasse, dass Schwule das Kind ihres Partners adoptieren.

Also scheint Österreich ja tatsächlich unter Zugzwang zu stehen, die Stiefkindadoption künftig zu erlauben. Freilich nur, wenn man sich unter Druck der rotgrünen Medien fühlt, die ja gleich noch mehr erlauben wollen. Freilich nur, wenn man das Erkenntnis sehr oberflächlich liest. Und vor allem nur, wenn man nicht das Kindeswohl im Auge hat, dem sehr wohl eine Adoption nur dann dienlich ist, wenn das Kind dadurch Vater und Mutter, also eine normale Familie erhält.

Es gäbe eine bessere Regelung, die nicht nur einfacher, sondern auch logischer wäre: Österreich müsste die Adoption auf Ehepaare einschränken. Das wäre in jedem Fall für die Kinder besser, als die Tür erstmals ein Stück für homosexuelle Adoptionen zu öffnen. Es gibt ja mehr als genug Ehepaare, die auf Adoptionskinder warten und oft vergeblich auf solche hoffen. Also fällt auch das Argument weg, dass man notfalls auch Schwule nehmen solle, bevor man gar keine Adoptionseltern hat.

Die Vorlage der Justizministerin muss jetzt durchs Parlament. Daher kann man noch hoffen: Vielleicht gibt’s da ja genug Abgeordnete, die wiedergewählt werden wollen und die in den letzten Monaten auch die Berichte aus Frankreich gelesen oder gesehen haben. Die daher gegen die Vorlage der Frau Karl stimmen werden, wenn sie nicht persönlich mitschuld werden wollen. Denn sie haben aus Frankreich gelernt, dass die schwule Lobby zwar bei Rotgrün und den Medien sehr stark vertreten ist, aber keineswegs bei den Bürgern und Wählern.

Alles andere sollte man dann einmal in Ruhe diskutieren. Nämlich insbesondere die Tatsache, dass der Menschenrechtsgerichtshof (der übrigens nichts mit der EU zu tun hat, was die meisten nicht wissen) in seinen Urteilen immer seltsamer wird. Dass er sich immer weiter vom demokratischen Wertekonsens entfernt.

PS.: Wer noch immer zweifelt, dass die Caritas zu einer grünen Vorfeldorganisation geworden ist, sollte einmal auf deren Schweigen zum Thema Adoptionskinder achten (ein durchaus Caritas-nahes Thema!) und es beispielsweise mit ihrem lautstarken Einsatz für illegale islamische Zuwanderer vergleichen.

 

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Der Hass ist links, ebenso wie Denunziation und Meinungsknebelung drucken

Wer links genug ist, ist über jede Kritik, ja auch über jedes Recht erhaben. Diese Regel gilt in vielen Bereichen unterschwellig – aber immer öfter jetzt auch schon oberschwellig. Ohne dass irgendeine rechte Gaunerei damit verteidigt werden soll, wird immer klarer: Polemik und Hass, Denunziation und Desinformation sind heute ganz überwiegend links. Und die Bestrebungen, die Meinungsfreiheit endgültig zu beenden, sind sogar exklusiv links.

Die Generation G in den Medien (der brillante deutsche Publizist Bok hat sie so getauft: G wie Gutmensch, Global und Greenpeace) unterstützt das alles völlig kritiklos. Sie führt das linke Gedankengut als Nachfolgerin der 68er organisch weiter. Ihre Methode: Jede noch so schwindlige und einseitige „Studie“ von Greenpeace, Arbeiterkammer, Amnesty, Armutskonferenz und wie all die sonstigen linken Vereine heißen, die von unserem Geld gedeihen, wird groß und als unbestreitbare Wahrheit berichtet. Wenn hingegen ein rechter (ÖVP-, FPÖ-, BZÖ-, TS-)Politiker etwas sagt, wird sofort auch schon in der scheinbar objektiven Nachricht wilde Polemik verpackt.

Aber längst geht es um mehr als um die organisierte Desinformation durch linkslastige Medien. Es geht um organisierte Gewalt, Einschüchterung und Meinungsfreiheit. Aber auch das hat mit den Medien zu tun: Das kann sich nur deshalb so sehr ausbreiten, weil die Medien so einäugig berichten.

Ein Beispiel der linken Gewaltaffinität sind die zahlreichen kriminellen Taten des links-grünen Vorfelds gegen farbtragende Studenten, egal ob nun schlagend oder katholisch. Immer öfter werden von Wien bis Deutschland deren „Buden“ und Mitglieder, sobald sie sich auf der Straße als solche zu erkennen geben, attackiert und verletzt beziehungsweise beschädigt. Zuletzt am 8. Mai. Vom Polizeipräsidenten, dem Genossen Pürstl, werden nach solchen Zwischenfällen nicht etwa die Täter gesucht, sondern die Opfer beschimpft (Nur zur Klarheit: Ich bin bei keiner Verbindung in irgendeiner Form Mitglied, weil ich persönlich mit Trachten aus dem 19. Jahrhundert nichts anfange. Aber ich habe mein ganzes Leben Farbstudenten als gesellschaftlich positiv engagierte und in keiner Weise rechtswidrige Personen kennengelernt).

Ein anderes Beispiel – zwar einen Kontinent weiter, aber aus haargenau der gleichen linken Denkwelt kommend: Beamte der amerikanischen Steuerbehörden haben ganz gezielt scharfe Steuerprüfungen gegen alle Vereine durchgeführt, die als „patriotisch“ oder Teil der Tea Party galten. Jetzt ist das zwar aufgeflogen, und einige kurze Tage lang ist sogar ein wenig diskutiert worden, ob Barack Obama davon gewusst hat. Eigentlich jedoch nur mit dem besorgten Unterton, ob ihm das am Ende schaden könnte. Aber das ist gar nicht das zentrale Thema. Das besteht vielmehr in der Tatsache, dass sich unter Obamas – von politisch korrekten Menschen laut als ethisch besonders wertvoll bejubelten – Regierung ein solcher Geist breitmachen konnte. Ein Geist, der alles für sakrosankt hält, was „gegen Rechts“ ist. Also einschließlich krimineller Methoden.

Ein weiteres Beispiel ist die Überwachung der Mails und Telefone der größten amerikanischen Nachrichtenagentur AP. Diese hatte einige für die Regierung unerfreuliche Dinge enthüllt. Worauf die Regierung des so nett wirkenden Barack Obama mit einer Brutalität, die man einst nur in kommunistischen Staaten oder unter Mubarak & Co gekannt hätte, die gesamte Redaktion zu überwachen begann. Big Brother Barack. Richard Nixon war ein Waisenkind dagegen.

Das nächste Beispiel finden wir wieder in Europa. Hier stoßen wir bei den Grünen – vor allem in Deutschland – auf eine massiv päderastische Vergangenheit. Diese findet sich keineswegs nur in den autobiographischen und von seiner Fraktion nie beanstandeten Texten der 68-er Ikone Cohn-Bendit; dieser wurde übrigens gerade mit einer Auszeichnung und einer Festrede des Linksjournalisten de Weck gefeiert. Die grüne Liebe zur Päderastie findet sich vielmehr auch in ihren ganz offiziellen Parlamentsanträgen, diese Tätigkeit doch straffrei zu stellen.

Ein anderes Beispiel klingt im Vergleich dazu harmlos, ist aber letztlich ebenfalls sehr folgenschwer. Das ist die Grüneuphorie in zahllosen österreichischen Zeitungskommentaren. Da werden die katastrophalen Ideen der grünen Wirtschafts- und Sozial-Politik total ignoriert (bedingungsloses Grundeinkommen und dergleichen); ebenso deren totalitärer Tugendfuror; ebenso ihre gewalttätige Vergangenheit; ebenso die weitgehende Deckungsgleichheit der grünen Positionen und Kampagnen mit denen der Kommunisten. Und jetzt wird sogar so getan, als ob Grün der Zukunftstrend wäre.

Dabei haben die Grünen lediglich in zwei Bundesländern gewonnen, wo sie als Folge des schwarz-roten Antagonismus den Vorsitz in wichtigen U-Ausschüssen bekommen haben. Womit sie sich dort als Sauberkeitspartei positionieren konnten. In Wien hingegen, wo man erstmals grüne Kommunalpolitik ganz konkret erlebt, sind sie bei den Umfragen auf steiler Talfahrt. Und noch steiler ist diese an den Universitäten: Dort sind die Grünen in den letzten Jahren von 29 auf unter 16 Prozent gesunken. Bei den Großen schreibt man bei einem solchen Abstieg von Katastrophe, bei den Grünen wird das einfach medial weggeschwiegen.

Komplett von Grünen durchsetzt sind so gut wie alle Institutionen, die "Umwelt" im Titel haben (auch dort, wo die Grünen nicht an der Regierung beteiligt sind). So auch das deutsche Umweltbundesamt in Dessau. Dises hat nun zu endgültig totalitären Methoden gegriffen: Es publiziert die Namen aller "Klimawandelskeptiker in Deutschland", also die Namen von Journalisten und Wissenschaftlern, die behördlich nicht erwünschte Positionen vertreten. Im alten Rom hat man das Proskriptionslisten genannt. Die sind nur oberflächlich harmloser als das, was vor einigen Monaten ein Grazer Musikwissenschafter gefordert hatte: nämlich gleich direkt die Todesstrafe für sogenannte Klimaskeptiker (die Staatsanwälte hat natürlich ein solcher Mordaufruf nicht interessiert).

Als kleines weiteres Beispiel kann ich mein eigenes Tagebuch nehmen. Da darf ich mich regelmäßig über linke Gäste freuen, die mich als „senilen Dolm“ bezeichnen. Oder die Ex-Bundeskanzler Schüssel „widerliche Dreckssau“ nennen.

Noch viel schlimmer ist das, was sich im Leserforum des rot-grünen Zentralorgans Standard“ abspielt. Diese Hass-Orgien sind nun in einem ganzen e-book dokumentiert worden, bei dessen Lektüre einem geradezu übel wird (auch wenn die Autoren die Ton- und Stimmungslage der „Standard“-Leser mit Humor erträglich zu machen versuchen). Man bekommt ein ziemlich deutliches Bild, wie gut und moralisch die selbsternannten Gutmenschen wirklich sind.

Ein weiteres Beispiel für linken Schmutz sind fast sämtliche Wahlkämpfe. Da wurde Wolfgang Schüssel von einem SPÖ-nahen Sudelmagazin eine erfundene illegale Pflegerin unterschoben, die eine alte Frau im Familienkreis gepflegt hätte. Da wird jetzt aus der gleichen Ecke der Dienstvertrag der Spindelegger-Ehefrau in die Öffentlichkeit gespült (ein absolut nicht problemloser Vertrag, nur schaut sich eben niemand die Verträge und Plagiate linker Politiker an). Da wird gerade jetzt in Deutschland ein Buch auf den Markt gebracht, das Angela Merkel wegen ihrer Mitgliedschaft in der einstigen Ostgewerkschaft einen Strick drehen will. Und, jede Wette, die Menge des Schmutzes wird bis September da wie dort noch zunehmen.

Ganz typisch für die Grünen war auch ein kürzlich in Deutschland kursierender Facebook-Eintrag eines Grünpolitikers. „Schade, dass die NSU-Gruppe sich nicht solche vorgenommen haben“ – und dazu wurde ein Photo des FDP-Chefs Rösler gezeigt. („Die NSU-Gruppe“ ist die Neonazi-Bande – man sollte sie keineswegs beschönigend „Gruppe“ nennen –, die über viele Jahre Morde an zugewanderten Türken begangen hat). Dass der Mann daraufhin von den Grünen ausgetreten ist, sei der Vollständigkeit halber hinzugefügt; aber er sah in seinem Text auch danach bloß eine „Überreaktion“. Und der Eintrag bleibt wohl signifikant für die Hass-Stimmung bei den deutschen Grünen. Er erinnert auch an die blutigen, ganz ähnlich gelagerten Hassorgien aus dem linken Eck, nachdem die vorvorletzte Innenministerin plötzlich verstorben ist.

Während ausschreibungsfreie Agenturaufträge schwarzer Ministerien nicht nur im ORF, sondern auch in vielen anderen Medien landauf, landab scharf und breit berichtet und kritisiert werden, kommt Claudia Schmied völlig kritiklos davon. Dabei hat sie mindestens 1,5 Millionen an „Experten“ aus dem SPÖ-Umfeld vergeben. Natürlich ohne jede Ausschreibung. Dabei hat sie allein mindestens 670.000 Euro an die überaus SPÖ-nahe Agentur Ecker und Partner bloß für die „Koordination“ der Propaganda zugunsten der „Neuen Mittelschule“ ausgegeben.

Diese Agenturaufträge interessieren dennoch keinen Staatsanwalt. Was rechtswidrig ist. Denn selbst, wenn die Ecker-Leistung werthaltig gewesen sein sollte, was dubios ist, darf dennoch ein Ministerium kein Steuergeld für Propaganda gegen die Gesetze ausgeben. Und die NMS-Propaganda hatte unbestreitbar massive Elemente einer parteipolitischen Bewerbung der Zwangsgesamtschule für alle. Im Gesetz steht jedoch das Gegenteil, nämlich das achtjährige Gymnasium.

Zugleich werden die sogar etwas kleineren Aufträge der Telekom an eine FPÖ-nahe Agentur gerade von der einäugigen Staatsanwaltschaft in einem großen Prozess aufgerollt. Ich bin sehr dafür, dass das bestraft wird (falls die Agentur-Leistungen nicht ihr Geld wert waren, sondern nur aus parteipolitischer Liebedienerei vergeben worden sind). Aber der wirkliche Skandal ist, dass die Selbstbedienungsmentalität einer Partei gegenüber dem mehrheitlich staatskontrollierten Unternehmen Telekom groß dramatisiert wird, während die Selbstbedienungsmentalität einer anderen Partei gegenüber anderen staatskontrollierten Unternehmen von der gleichen Staatsanwaltschaft unter den Teppich gekehrt wird. Das geschieht etwa beim einstigen Griff der Herren Faymann und Ostermayer in die Kassen von Asfinag und ÖBB. Auch diese Staatsfirmen mussten – noch viel mehr – Geld für Dinge zahlen, die einzig der Partei und Faymann genutzt haben. Und die zumindest im Fall ÖBB dem Unternehmen sogar geschadet haben. Aber die einen sperrt man ein, die anderen werden Bundeskanzler. Quod licet Iovi, non licet bovi.

Ist dem Leser noch nicht übel genug ob all des linken Hasses, ob all der Einäugigkeiten, ob all der grün-roten Zerstörung des demokratischen Rechtsstaats? Dann sollte man sich noch zu Gemüte führen, was die Sozialisten im EU-Parlament fordern (Sie werden übrigens von Hannes Swoboda geführt, der auch aus der Wiener Rathaus-Partie kommt, welche Österreich schon Faymann und Ostermayer beschert hat und die sich seit Jahrzehnten über Recht und Ordnung erhaben dünkt.). Nach den roten Wünschen sollen künftig Parteien, welche die „Werte der EU nicht respektieren“ mit Strafzahlungen belegt werden.

Das ist nichts anderes als eine Bestrafung jener Parteien, welche die falsche Meinung haben. Dabei wird wohlweislich nicht einmal definiert, was denn überhaupt die Werte sind, die wir künftig wie einst den Geßler-Hut respektieren müssen. Genügt es dreimal täglich zu sagen: „Hoch die EU und ihre Werte“? Oder muss man künftig auch ganz detailliert sagen: „Hoch das Glühbirnenverbot; Hoch die unbegrenzten Schuldenhaftung; Hoch die Zuwanderung; Hoch die vielen die Meinungsfreiheit einschränkenden Political-Correctness-Regeln der EU; Hoch die ständig größer werdende Zahl der EU-Kommissare; Hoch die Geldverschwendung durch einen doppelten Sitz der EU-Parlaments; Hoch das undemokratische Parlament, in dem ein maltesischer Abgeordneter nur einen Bruchteil der Wähler einer deutschen braucht; Hoch das (geplante, aber vorerst wieder schubladisierte) Verbot von Salatöl-Flaschen in Restaurants; Hoch der Milliardenbetrug mit EU-Förderungen von den mediterranen Ölbäumen bis zu den österreichischen Almen!“?

Aber das alles ist eh nur der Vorschlag einer Minderheitsfraktion, sagen jetzt wohl manche. Sie sollten sich nicht täuschen. Die EU-Kommission hat den Vorschlag nämlich schon gierig aufgegriffen und will ihn zwingend realisieren.

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Mehr direkte Demokratie durch konsequente Dezentralisierung drucken

Nicht zuletzt in (stark) sinkenden Wahlbeteiligungen manifestiert sich die zunehmende Politik- und Politikerverdrossenheit. So machten bei der vor kurzem abgehaltenen Landtageswahl in Tirol nur mehr 56 Prozent der Wahlberechtigten von ihrem Wahlrecht Gebrauch und die kürzlich vereinbarte schwarz-grüne Regierung repräsentiert damit zum Zeitpunkt ihrer Angelobung mit ihrem Stimmenanteil von knapp 52 Prozent gar nur mehr 29 Prozent der Wahlberechtigten.

Um das Abgleiten in eine Legitimationskrise zu verhindern, werden von den politischen Parteien unter dem Schlagwort „mehr direkte Demokratie“ unter anderem der Ausbau direktdemokratischer Instrumente wie Volksbefragungen, Volksbegehren und Volksabstimmungen gefordert sowie die Ausweitung des Instruments der Vorzugstimme vorgeschlagen. Mit derselben Intention, die Beteiligung der Bürger am politischen Prozess zu erleichtern, besteht seit 2012 im Rahmen der EU-Bürgerinitiative für EU-Bürger eine direkte Möglichkeit, die EU-Kommission aufzufordern, einen Rechtsakt vorzuschlagen. Und Vizekanzler Spindelegger hat vor kurzem die Direktwahl des EU-Kommissionspräsidenten durch die Bürger der Mitgliedsstaaten befürwortet.

All diesen Vorschlägen zur stärkeren Bürgerbeteiligung ist jedoch eines gemein. Sie ignorieren eines der größten Übel des gegenwärtigen politischen Systems: die fortschreitende Zentralisierung der Gesetzgebungskompetenz.

Der grundlegende Irrtum besteht darin, die sicherlich ausbaufähigen Formen der Bürgerbeteiligung mit der tatsächlichen politischen Gestaltungsmöglichkeit zu verwechseln. Das politische Ohnmachtgefühl des Einzelnen nährt sich gerade auch aus dem Umstand, dass die eine Stimme eines noch so engagierten Bürgers unter mehr als 500 Millionen Einwohnern in der EU, ja selbst die eine Stimme unter mehr als 8 Millionen Einwohnern in Österreich schlichtweg keinen nachvollziehbaren Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung haben kann. An diesem Größenproblem der politischen Einheiten wird selbst der Ausbau direktdemokratischer Instrumente nichts ändern.

In der Debatte um „mehr direkte Demokratie“ sollte folglich die konsequente Dezentralisierung der Gesetzgebungskompetenz und der damit eng verknüpften Steuerhoheit für die untergeordneten Gemeinwesen in das Zentrum der Auseinandersetzung gerückt werden. Mit anderen Worten: Das Subsidiaritätsprinzip muss wieder ernst genommen werden. Seine klassische Formulierung findet sich in der 1941 veröffentlichten Enzyklika „Quadragesimo Anno“ von Papst Pius XI. Dort heißt es:

„… wie dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen; zugleich ist es überaus nachteilig und verwirrt die ganze Gesellschaftsordnung. Jedwede Gesellschaftstätigkeit ist ja ihrem Wesen und Begriff nach subsidiär; sie soll die Glieder des Sozialkörpers unterstützen, darf sie aber niemals zerschlagen oder aufsaugen.“ (Nr. 79)

Die angemessene Rückführung der Gesetzgebungskompetenz auf die untergeordneten Gemeinwesen versetzt den Einzelnen wieder in die Lage, sein unmittelbares Lebensumfeld – allen voran in der Familie, in der Gemeinde und im Bundesland – gemeinsamen mit jenen Menschen zu gestalten, deren Auffassungen vom guten Leben relativ homogen sind. Diese relative Homogenität ist für die Legitimität politischer Beschlüsse unabdingbar, weil politische Entscheidungen ihrem Wesen nach Allgemeinverbindlichkeit beanspruchen. Mit der Zentralisierung nimmt die Heterogenität der Bevölkerung notwendigerweise zu und politische Entscheidungen fördern gerade in einer sich pluralistisch verstehenden Gesellschaft die gesellschaftlichen Konflikte anstatt die Einheit. Zudem hätte die Stimme des Bürgers, sei es in der Wahlzelle oder in einer öffentlichen Debatte, wieder das ihr zustehende Gewicht, weil sie eine unter überschaubar Vielen und nicht mehr unter unüberschaubar Unzähligen wäre.

Drei weitere Vorteile hätte die verstärkte Rückführung von Kompetenzen an die untergeordneten Gemeinschaften der Gesellschaft. Erstens vermag diese den immer weiter aufgehenden Graben zwischen den Bürgern und den Politikern zu überbrücken, weil sie die enge räumliche, persönliche und kulturelle Bindung zwischen dem Bürger und den das jeweilige Gemeinwesen verkörpernden Politikern überhaupt erst ermöglicht. Der Politiker würde seinerseits konkrete Personen in konkreten Lebensumständen adressieren und wäre nicht mehr versucht, mit inhaltsleeren oder populistischen Parolen und äußerst zweifelhaften Kommunikationstechniken die anonymen Wählermassen für sich zu gewinnen.

Zweitens verhindert die vertikale Gewaltenteilung die das Gemeinwohl bedrohende Machtakkumulation beim Zentralstaat, die durch die horizontale Gewaltenteilung bestenfalls gemildert wird. Die in regelmäßigen Abständen zu vernehmenden Forderungen nach Abschaffung der Nationalstaaten, wie vor kurzem von Staatssekretär Lopatka lanciert, oder nach Abschaffung der Bundesländer begünstigen die weitere Entfremdung der Bürger von der technokratischen Politik-Elite, die sich durch derartige Maßnahmen der direkten und unmittelbaren Kontrolle durch die Bürger entziehen können.

Und drittens wäre die Initiierung eines politischen Prozesses und die Beteiligung daran mit einem wesentlich geringeren (finanziellen) Aufwand möglich.

Vorzüge der vertikalen Gewaltenteilung

Gerade auch die EU würde durch die Rückführung von Kompetenzen und Souveränitätsrechten an die Nationalstaaten ihrem eigenen Wahlspruch „in Vielfalt geeint“ wesentlich besser entsprechen. „In Vielfalt geeint“ kann gerade nicht bedeuten, EU-weite Einheitsgesetze zu beschließen, so als ob einheitliche Gesetze die Voraussetzung für Vielfalt seien. Wohin dieser Uniformitätswahn eines überzogenen Gleichheitsverständnisses führt, zeigt gerade auch die anhaltende und noch lange nicht überwundene Euro-Krise. Die Einheitswährung zwingt die in ihrer Wirtschaftsstruktur und ihren wirtschaftspolitischen Auffassungen höchst unterschiedlichen Mitgliedsstaaten in ein einheitliches, und damit im jeweiligen Einzelfall unpassendes geldpolitisches Korsett.

In einem wohlgeordneten, auf dem Subsidiaritätsprinzip beruhenden Gemeinwesen würde die jeweils übergeordnete Einheit die untergeordnete Einheit zur Entfaltung der eigenen politischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Eigenheiten anregen, damit diese eigenständig und eigenverantwortlich die ihnen zukommenden Aufgaben erfüllen können.

Zudem müssen die übergeordnete Einheit und insbesondere der Staat als höchste Gemeinschaft eines Gemeinwesens die Hinordnung der untergeordneten Einheiten auf das Gemeinwohl des gesamten politischen Gemeinwesens sicherstellen. Die dauerhafte Einverleibung jener Aufgaben, die von den untergeordneten Einheiten zu erfüllen sind, durch die übergeordnete Einheit ist ein schwerwiegender Verstoß gegen die Rechte dieser Gemeinschaften.

So wäre es eigentlich die Aufgabe des Staates, die Familien wieder in die Lage zu versetzen, ihre Erziehungsaufgaben vollumfänglich und (möglichst) eigenständig zu erfüllen, statt den Eltern die Kompetenz der Kindererziehung durch Verstaatlichung scheibchenweise zu entziehen.

Diese „Verwirrung der Gesellschaftsordnung“ bringt nicht die ersehnte Ruhe der Ordnung (Augustinus) sondern die Unordnung führt zu anhaltendem Unfrieden im Gemeinwesen, weswegen es wie immer gilt, die Extreme zu meiden: Den jede Vielfalt erstickenden Einheitsbrei des Zentralismus auf der einen Seite und den jeden Einheitsgedanken ablehnenden Partikularismus auf der anderen Seite.

Eine auf dem Subsidiaritätsprinzip beruhende politische Ordnung verstanden als „Einheit in wohlgeordneter Vielfalt“ (Thomas von Aquin) ist ein unabdingbarer Puzzlestein in der Bekämpfung der Politik- und Politikerverdrossenheit. Die Aufwertung der untergeordneten und intermediären Gemeinschaften würde das Grundübel der fortschreitenden Zentralisierung bekämpfen und einen bedeutsamen Schritt zur Re-Personalisierung des gesellschaftlichen Miteinanders setzen. Eines seiner äußerst lesenswerten Bücher versah der in seinem Heimatland viel zu wenig bekannte Sozialwissenschafter Leopold Kohr treffend mit dem programmatischen Titel „Vom Ende der Großen – Zurück zum menschlichen Maß.“

Nur durch diese kopernikanische Wende weg von anonymen, bürokratischen und gesichtlosen Großstrukturen hin zu auf persönlichen Beziehungen beruhenden, lebendigen, am gemeinsamen Guten ausgerichteten politischen Einheiten wird es möglich sein, den fortschreitenden Zerfall der intermediären politischen Glieder und den damit eng verbundenen Rückzug der Bürger vom Politischen Einhalt zu gebieten.

Wer vom mündigen Bürger spricht, sollte ihm nicht nur zutrauen seine Stimme an der Wahlurne abzugeben oder öffentlich zu erheben, sondern gerade auch für die lokalen und regionalen Probleme, die er tagtäglich am eigenen Leib verspürt, passende Lösungsvorschläge zu finden und diese in den Gemeinden und Bundesländern gemeinsam mit den Mitbürgern umzusetzen.

Gregor Hochreiter
Vorstand, Oekonomika – Institut für angewandte Ökonomie und christlich-abendländische Philosophie (www.oekonomika.org) 

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Die britische Lunte brennt (Europa samt Führung pennt) drucken

Die spannendste Debatte für Europas Zukunft findet derzeit in Großbritannien statt. Eine Rechtspartei ist so erfolgreich, dass sie die Konservativen nun schwer unter Druck setzt und umkrempelt. Sie sorgt damit zugleich dafür, dass die Chancen Labours gewaltig wachsen, wieder an die Macht zurück zu kommen. Dies könnte als Folge des britischen Wahlsystems sogar ohne irgendeinen Zuwachs an Wählerunterstützung passieren. Vor allem ist nun ein britischer EU-Austritt recht wahrscheinlich geworden. Das macht die Briten derzeit für die EU relevanter als irgendein anderes Land. Europa müsste eigentlich dringendst darauf reagieren.

Die EU zeigt jedoch ein Bild der Lähmung. Frankreich, Italien & Co sind nur noch zu einem imstande: ständig nach immer neuem Geld aus Deutschland (und anderen relativ stabilen Ländern) zu rufen. Dabei wären – trotz des ständigen Gelddruckens in der Europäischen Zentralbank – bei ihnen überall Reformen dringend notwendig, selbst wenn Deutschland noch mehr zahlen sollte.

Die notleidenden Länder wollen jedoch lieber unter dem harmlos klingenden Titel „Bankenunion“ Zugriff auf die deutschen (und sonstigen) Sparguthaben. Sie hoffen überdies auch, durch die extrem zentralistische Idee einer europäischen „Wirtschaftsregierung“ noch mehr Zugriff auf das Steuergeld der Nordländer zu bekommen. Dadurch glauben sie, sich selbst das wirkliche Regieren ersparen zu können. Dieses wäre ja derzeit keine sehr populäre Tätigkeit. Und schon gar nicht dann, wenn man mit teuren Wahlversprechen angetreten ist, so wie etwa die Regierungsparteien Frankreichs und Italiens.

Deutschland wiederum ist durch den Wahlkampf gelähmt. Die Regierung kämpft dabei insbesondere gegen die wachsende Erkenntnis der Bürger, dass sie europa- und finanzpolitisch in den letzten drei Jahren einen völlig falschen Weg gegangen ist (woran übrigens die Tatsache nichts ändert, dass sie in Sachen Bankengesetz in der Vorwoche wieder einmal recht vernünftig gehandelt hat). Und die deutsche Opposition wollte und will in der Schuldenkrise sogar einen noch viel schlimmeren und teureren Weg als die Regierung gehen.

Die britische Revolution

Ganz anders die Entwicklung in Großbritannien. Dort hat sich mit der Unabhängigkeitspartei UKIP eine neue Gruppierung nun anscheinend dauerhaft durchsetzen können, die England erstmals ein Vierparteiensystem verschafft. Dabei ist jedoch das Wahlrecht (the winner takes it all) eindeutig auf ein Zweiparteiensystem ausgerichtet. Die UKIP bewegt sich bei Umfragen und Regionalwahlen zwischen 18 und 23 Prozent, sie lässt die Liberaldemokraten weit hinter sich und liegt nur knapp hinter Labour und Tories.

Die Folgen sind sensationell:

Erstens könnte Großbritannien beim nächsten Mal von einer Partei mit absoluter Mandatsmehrheit regiert werden, die keine 30 Prozent Wählerunterstützung hat. Nach der gegenwärtigen Lage wäre das Labour. So niedrige Regierungsmehrheiten sind absolut ungewöhnlich und würden die Frage aufwerfen, ob das britische Wahlsystem überhaupt noch als demokratisch gelten kann. Diese Frage ist auch für die EU besonders heikel, da manche gerade derzeit den Ungarn mit viel weniger konkreten Beweisen (eigentlich fast gar keinen) diese Qualifikation abzusprechen versuchen.

Zweitens rücken jetzt die zwei Hauptforderungen der UKIP ins Zentrum der britischen Politik. Die Konservativen haben sie nämlich weitgehend übernommen. Diese Forderungen stoßen auch bei einer Mehrheit der Briten auf volle Sympathie. Ihr Inhalt: erstens ein scharfer Anti-EU-Kurs; und zweitens ein scharfer Kurs gegen die Immigration.

Drittens löst der Erfolg der UKIP vor allem bei der derzeit größten Partei des Landes, den Tories, Panik aus. Denn vor allem sie wurden bisher von einem Teil der UKIP-Unterstützer gewählt. Ein guter Teil der Tory-Abgeordneten fürchtet daher, beim nächsten Mal abgewählt zu werden, und vergisst jede Parteidisziplin. Aber auch Premier David Cameron selber zeigt Interesse an europakritischen Akzenten. Wenn auch vielleicht nur, um politisch zu überleben.

Scharfer Anti-Migrantenkurs

Das sollte man alles anderswo genau beobachten und nicht ganz verschlafen. Jedoch hat beispielsweise die ÖVP das Gegenteil beschlossen: Sie setzt nach einer Periode recht kritischer Akzente nun im Wahlkampf wieder ganz auf Begeisterung für die EU und Zuwanderung. Den Erfolg dieses doppelten Positionswechsels wird man im September beurteilen können.

Jedenfalls zeigt Großbritannien, dass Europa- und Immigrationsskepsis keineswegs vorübergehende Phänomene sind, wie beispielsweise in Österreich manche Zeitungskommentatoren glauben. Die britische Regierung hat sogar offiziell angekündigt, dass sie für Migranten, auch für solche aus anderen EU-Ländern, den Zugang zu Wohngeld und anderen sozialen Leistungen erschweren wird. In ihrer Thronrede heißt es: „Das Gesetz wird sicherstellen, dass dieses Land Menschen anzieht, die ihren Beitrag leisten wollen, und diejenigen abschreckt, die das nicht wollen.“ Den zweiten Teil dieses Satzes wagt in anderen Ländern kaum jemand auszusprechen.

Das alles steht vor dem Hintergrund eines dramatischen sozialen Wandels in Großbritannien. Nur eine Zahl dazu: die Zahl der Christen nahm im Königreich binnen bloß zehn Jahren von 72 auf 59 Prozent ab; der Anteil der Muslime wuchs hingegen stark (wenn auch noch auf viel niedrigerem Niveau). Die Migrations-Probleme der Briten zeigen jedenfalls massive Parallelen zu den Problemen anderer europäischer Staaten. Ähnlich ist es auch beim zweiten britischen Thema, der wachsenden Anti-EU-Stimmung.

Gewiss ist klar, dass für viele Briten Europa immer schon etwas recht Fremdes war. Für sie war „Europa“ der Kontinent, und sie selbst waren ein globales, außereuropäisches Imperium. Diese uneuropäische Stimmung auf den Inseln hat sich aber in den letzten Jahren noch dramatisch vertieft, ebenso wie die Anti-Migrations-Haltung – trotz der globalen Vergangenheit des Königreiches. Noch nie seit dem EU-Beitritt waren diese beiden Emotionen so dominierend wie heute.

Die Ursachen der Anti-Europa-Stimmung

Was sind nun die wichtigsten Ursachen dieser doppelten Emotionalisierung bei den Briten wie auch bei den Bürgern vieler anderer EU-Länder:

  • In Zeiten der Krise werden fast überall und immer nationale Stimmungen und Lösungsversuche wichtiger und stärker.
  • Die EU hat sich seit der Jahrtausendwende von der verdienstvollen Schöpferin eines freien und offenen Binnenmarktes, der allen Europäern Vorteile bringt, für viele Bürger Europas zu einem Moloch mit massiven Tendenzen zu Überregulierung, Machtgehabe und geistiger Einengung verwandelt, der die nationale Souveränität bedroht. Das herrische Verhalten etlicher EU-Politiker gegen Ungarn ist geradezu paradigmatisch für diese Fehlentwicklung.
  • Die unbestreitbar großen Vorteile des Binnenmarktes für fast jeden Bürger Europas sind massenpsychologisch inzwischen konsumiert, sondern gleichsam selbstverständlich. Sie sind den Menschen daher kaum mehr bewusst.
  • Die ständig malträtierte Referenz, dass die EU angeblich den Frieden geschaffen habe, stimmt historisch in keiner Weise. Und schon gar nicht kann sie – so lange nach dem letzten Krieg – mit diesem Argument bei den Bürgern psychologisch noch Reaktionen auslösen.
  • Und last not least sind der Euro und seine Fehlentwicklungen zum antieuropäischen Mobilisierungsvehikel Nummer eins geworden. Der Euro mobilisiert selbst in jenen Ländern kritische Emotionen, die gar nicht zum Euroraum gehören wie eben Großbritannien.

Und Cameron hat doch recht

Damit wird viertens das von Cameron angekündigte (und durch die Tory-Hinterbänkler nun einzementierte) EU-Austrittsreferendum der Briten zum europäischen Fanal. Wenn die anderen Europäer den Briten nicht durch echte Neuverhandlung des Vertrags substanziell entgegenkommen, dann geht das Referendum mit Sicherheit gegen die EU aus.

Da kann man nun gewiss zynisch sagen: Geschieht den Briten recht, sie werden ja bei einem Austritt mit Sicherheit wirtschaftlich ordentlich draufzahlen. Den anderen EU-Ländern sollte aber viel stärker bewusst werden:

  • Auch Resteuropa wird bei einem Ausstieg der Briten schwer leiden;
  • David Cameron hat in vielen Punkten seiner Kritik an der EU-Überregulierung einfach recht;
  • Die Mehrheit der Europäer will keinesfalls die Vereinigten Staaten von Europa, auf die aber sehr viele Eurokraten und EU-Abgeordnete offen oder insgeheim hinarbeiten;
  • Ein Ausscheiden der Briten würde mit Sicherheit auch in der Rest-EU einen unkontrollierbaren Prozess auslösen, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem weiteren Zerfall führen würde.

Konzentration auf den Binnenmarkt

Mit anderen Worten: Ein konstruktives Neuverhandeln der EU-Verträge und deren Konzentration und Reduktion auf einen wirklich funktionierenden Binnenmarkt wären absolut im Interesse aller Europäer. Nebstbei bemerkt: Immerhin haben die Briten in ihrer prinzipiellen Korrektheit die bisherigen Binnenmarkt-Richtlinien vollständiger und ordentlicher umgesetzt als viele romanischen Länder. Besonders stark unterscheiden sich die Briten in Sachen Korruption von den Mittelmeer- oder gar den Balkan-Ländern.

Freilich: Bei nüchterner Analyse hätten auch die Briten und Cameron eigentlich starke Motive, in der EU zu bleiben. Das gilt für die gesamte Industrie, aber auch die britische Identität: Denn wenn sie ausscheiden, dann ist nämlich im nächsten Schritt die Sezession Schottlands absolut sicher. Die dortigen Sezessionisten werden dann mit Sicherheit obsiegen; die Schotten werden in der Folge die Metropole London einfach ignorieren und gleich direkt der EU beitreten (beziehungsweise in dieser zu verbleiben suchen). Bei den Schotten gibt es nämlich keine Anti-EU-Emotionen. Sie wollen nur eines: ihren Öl- und Gasreichtum nicht mit den verarmten Städten Nordenglands teilen. Sie wollen aber sehr wohl vom EU-Binnenmarkt profitieren.

Ein Ausscheiden der Schotten wäre wiederum für Labour eine Katastrophe: Denn Labours politische Stärke liegt ja in Schottland und Nordengland, nicht im wohlhabenden Süden der Insel. Ohne schottische Abgeordnete schrumpft aber Labours Chance auf eine Mehrheit in Westminster dramatisch, während die Konservativen in Schottland völlig unbedeutend sind.

Es ist eine Situation mit gewaltig vielen Variablen, die einander alle gegenseitig beeinflussen. Und mit nur einer vernünftigen Lösung.

In der Geschichte hat sich freilich schon oft die Vernunft nicht gegen nationale und sonstige Emotionen durchsetzen können. Umso dringender wäre es, zumindest grundsätzlich zu erkennen, was der gesunde Menschenverstand sagt: Camerons gewagtes Spiel ist überraschenderweise der einzige Ausweg. Angela Merkel scheint die einzige zu sein, die das zumindest ahnt.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Wir habens ja: Der OGH räumt jedem Studenten nun vollen Schadenersatz ein drucken

Der Oberste Gerichtshof hat in Tateinheit mit der SPÖ die Quadratur des Kreises beschlossen: Er hat jetzt höchstgerichtlich entschieden, dass jeder zwar unentgeltlich studieren kann, so viel er will und was er will, dass er aber dennoch vollen Schadenersatzanspruch gegen den Steuerzahler hat, wenn es nicht genug Lehrveranstaltungsplätze gibt.

Das Geld dafür ist in der realitätsfremden Phantasieträumen des OGH ja offensichtlich unbegrenzt vorhanden. Ihn stört es dabei auch nicht, dass (bis auf wenige Ausnahmen) kein Student einen Cent für die – wenn er will – lebenslange Inanspruchnahme der Universität zahlt. Es stört ihn auch nicht, dass es nur in ganz wenigen Fällen funktionierende Zugangsbeschränkungen zu den Unis gibt.

Der OGH (und unisono die SPÖ): Die Republik müsse halt den Unis ausreichend Geld zur Verfügung stellen. Und zwar –  nach diesem Urteil – in absolut unlimitierter Höhe. Woher das Geld in einem der jetzt schon höchstbesteuerten und mit 73 Prozent weit über alle Stabilitätspakt-Grenzen hinaus verschuldeten Land kommen soll, ist denen doch egal. Und davon, dass dazu noch ein Vielfaches an versteckten Haftungen vom europäischen Schuldenmechanismus ESM bis zum Pensionssystem kommt, weiß man im richterlichen Elfenbeinturm erst recht nichts. Oder vom uralten Rechtsprinzip: Ultra posse nemo tenetur. Niemand, auch der Steuerzahler nicht, kann über seine Grenzen hinaus beansprucht werden. Aber wie sollen das Richter begreifen, die selbst durchaus üppig von diesem Steuerzahler leben?

Dabei könnte die Koalition mit einfacher Mehrheit den Schadenersatzanspruch sofort unterbinden. Das aber verhindert wiederum die SPÖ. Ihr Prinzip: Alles gratis und das für alle (selbst wenn sich dadurch die Qualität dramatisch verschlechtert, wie seit Jahren die des Uni-Systems). Und wenn die Genossen hie und da doch nachdenken, wo all das Geld herkommen soll, dann haben sie eine einfache Lösung: Sie planen halt einen Raubzug auf Mateschitz, Swarovski & Co. Und schon glauben sie, alles finanziert zu haben.

Ein solches Land muss einfach gegen die Wand fahren. Und dann schiebt es halt den Banken und sonstigen üblichen Verdächtigen die Schuld zu.

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Hurra, Der Sozialismus ist mausetot drucken

Das ist im Grund die schönste Nachricht des Jahrzehnts: Die Sozialistische Internationale wird zu Grabe getragen.

Die SPD als größter Geldgeber kürzt ihre Gaben an die SI auf ein Zwanzigstel. Die an ihren Rockschößen hängenden Parteien wie die SPÖ tun Ähnliches. Schwer korrupte SI-Funktionäre, skandalöse Mitglieder wie die früheren ägyptischen oder tunesischen Regierungsparteien und eine völlige inhaltliche Leere haben diesen Schritt ausgelöst.

Das alles heißt nichts anderes als: Der Sozialismus ist tot! Das hat in Wahrheit Dimensionen, wie wenn die katholische Kirche keinen Papst mehr wählen würde. Oder wenn sich alle Mafia-Bosse der Polizei stellen wollten.

Ein kleiner Schritt, der ein großer für die Menschheit ist. Das ist schon mehr als ein herzliches Hurra wert.

Jetzt gründen einige dieser bisherigen S-Parteien halt ein neues Vereinchen mit dem Adjektiv „progressiv“. Nun denn: Sie haben ja in den letzten Jahren den schleichenden Tod des Sozialismus schon mit etlichen Adjektiven übertünchen wollen, wie „sozialdemokratisch“ oder „liberal“ (letzteres war ein besonders frecher Diebstahl, aber die Sozialisten werden es wohl als Mundraub in höchster Not gesehen haben).

Die Linken haben jedoch ihr eigentliches Problem wohl noch immer nicht begriffen: Sie haben keine historische Rolle mehr. Ihr Identitätsmerkmal der letzten Jahrzehnte – ständig unter der Parole des die gesamte Zukunft verkaufenden Wohlfahrtsstaates immer noch mehr Schulden zu machen – ist endgültig am Ende. Geistig wie ökonomisch. So wie es vorher Verstaatlichungen, Enteignungen, Gewerkschaftsbewegung, Kampf gegen die Kirche und Liquidierungen der Leistungsträger als Signale des Sozialismus waren. Auch der Internationalismus ist schon lange verblichen, waren die Überreste des Sozialismus doch zuletzt fast überall die eines sehr nationalen Sozialismus.

Köstlich nur, wie die Funktionärsschicht, also die einzige Gruppe der Profiteure des Wohlfahrtssystems, jetzt verzweifelt nach neuen Orientierungen sucht. Grünismus? Caritas-kommunistisch? Unpolitisch? Vom Erdboden verschwunden sind sie ja nicht. Denn Populismus ist unsterblich.

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Paneuropa – wie eine falsche Idee zur erzwungenen Realität werden soll drucken

Im Rahmen des in Wien im November 2012 veranstalteten Festaktes zu 90 Jahren „Paneuropabewegung" wurde der Präsident des Europäischen Rates, Hermann van Rompuy, mit dem „Europapreis Coudenhove-Kalergi" ausgezeichnet. Der Preisträger bedankte sich mit einer bemerkenswerten Rede, in welcher er auf die von Graf Coudenhove-Kalergi in den 20er Jahres des vorigen Jahrhunderts vorgetragenen Ideengrundlagen einging. Die Paneuropabewegung habe lange vor 1945 den „intellektuellen Nährboden" vorbereitet, der „die Idee eines vereinten Europa für viel mehr Menschen als jemals zuvor möglich machte."

Noch heute bestimme diese Idee Entwicklung, Erweiterung und Vertiefung der Europäischen Union. Coudenhove-Kalergi habe bereits damals die noch immer gültige Frage gestellt, ob denn „Europa in seiner politischen und wirtschaftlichen Zersplitterung seinen Frieden und seine Selbständigkeit den wachsenden außereuropäischen Weltmächten gegenüber wahren kann – oder es gezwungen ist, sich zur Rettung seiner Existenz zu einem Staatenbunde zu organisieren?"

Diese Grundsatzrede des Präsidenten des Europäischen Rates, des höchsten Gremiums der EU, ist Anlass genug,  auf die Ideen von Coudenhove-Kalergi abwägend näher einzugehen.

Vereinigte Staaten von Europa nach dem Muster der USA

Über die Finalité der paneuropäischen Bestrebungen räumt Coudenhove-Kalergi jeden Zweifel aus: „Die Krönung der paneueropäischen Bestrebungen wäre die Konstituierung der Vereinigten Staaten von Europa nach dem Muster der Vereinigten Staaten von Amerika." Wie nahe dieses Ziel bereits ist, beschreibt Hermann van Rompuy mit „Europas politischer Reise, von einem Markt und Handelsblock hin zu einer politischen Rechtspersönlichkeit in voller Blüte mit ihrem eigenen Parlament, ihrer eigenen Währung, ihrer eigenen Flagge, einer gemeinsamen Außenpolitik.“

In seiner euphorischen Feststimmung übersieht van Rompuy, dass  an dieser Reise  längst nicht alle Staaten des europäischen Kontinents teilgenommen haben, dem Europäischen Parlament  noch immer die legislative Gewalt fehlt,  der Europäischen Währungsunion einstweilen nur 17 von derzeit 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union beigetreten sind, von einer gemeinsamer Außenpolitik nur in Ansätzen die Rede sein kann und die europäische Flagge von manchen Mitgliedern auf ihren Regierungsgebäuden nicht aufgezogen wird.

Die geistige Basis der „Europäischen Nation“

Coudenhove-Kalergi träumte von einer „Europäischen Nation“ als der geistigen Basis der Vereinigten Staaten von Europa. Europa sei geistig „verbunden durch die christliche Religion, durch die europäische Wissenschaft, Kunst und Kultur, die auf christlich-hellenischer Basis beruht. Die gemeinsame europäische Geschichte begann mit dem Römerreich und der Völkerwanderung, fand ihre Fortsetzung in Papsttum und Feudalismus, Renaissance und Humanismus, Reformation und Gegenreformation, Absolutismus und Aufklärung, Parlamentarismus, Industrialismus, Nationalismus und Sozialismus.“ Diese „abendländische Kultureinheit gibt uns das Recht, von einer europäischen Nation zu sprechen, die sprachlich und politisch in verschiedene Gruppen gegliedert ist.“ Über die Zugehörigkeit zu seiner Nation hinaus, sollte jeder „gute Deutsche, Franzose, Pole und Italiener auch ein guter Europäer sein.“

Es fällt heute zunehmend schwer, in diesem Konglomerat von divergenten geschichtlichen Einflussfaktoren die europäische „Kultureinheit“ zu entdecken, welche die „Nation Europa“ begründen könnte. Die drei Hügel, auf denen einst die Wahrzeichen Europas standen – Akropolis, Golgatha und Kapitol – sind abgetragen, eingeebnet und unsichtbar geworden. Die einstigen Geistesgrößen der Griechischen Philosophie gelten heute als „Feinde der offenen Gesellschaft“, die Kreuze werden abgehängt, die römische Rechtskultur wich positivistischer Willkür.

„Europa schafft sich ab“, diagnostizierte der Altabt des Stiftes Heiligenkreuz im Sommer 2011. „Der Untergang Europas ist besiegelt, weil es sich mit seiner heutigen modernen Weltanschauung, die sich aus einer pervertierten Aufklärung entwickelt hat, verrannte“ (Gregor Graf Henckel von Donnersmarck). Geprägt ist diese „moderne Weltanschauung“ vom Geist des Antichristen, den Papst Franziskus sogar mit der Teufelsanbetung in Verbindung bringt. Sicher kein tragfähiges Fundament für Paneuropa und die „europäische Kultureinheit“!

Religionsbekenntnis und Nationalität müssen „Privatsache“ werden

Mit Coudenhove-Kalergi möchte auch Hermann van Rompuy für Europa „die Herzen der Menschen gewinnen“ und ihrer Denkweise den „Stempel Europa aufdrücken.“ Coudenhove-Kalergi wollte erreichen, dass Paneuropa „Wurzeln“ schlägt „in den Herzen und Köpfen der Europäer… Das paneuropäische Gemeinschaftsgefühl, der europäische Patriotismus muss Platz greifen als Krönung und Ergänzung des Nationalgefühls.“ Um das zu erreichen sei die „Trennung von Nation und Staat“ notwendig, und zwar so, wie Religion und Kirche vom Staat getrennt wurden: „Jeder Kulturmensch muss daran arbeiten, dass wie heute die Religion, morgen die Nation zur Privatsache jedes Menschen wird.“

Es sei eine Schande, dass heute Menschen wie einst für ihre Religion, so heute für ihre Nation „leben und sterben, morden und lügen“ würden. Die Nation sei „ein Reich des Geistes“, das nicht durch Grenzpfähle begrenzt werden könne. „Die deutsche Nation endet nicht an der Reichsgrenze: Österreicher und Südtiroler, Deutschböhmen, Deutschpolen und Deutschschweizer gehören ihr nicht minder an als Preußen und Bayern.“ Staatsbürgerliche Pflichten müssen von jedem Bürger erfüllt werden, „ohne je die kulturelle Zugehörigkeit zu seiner eigenen Nation zu verleugnen.“

Man kann Coudenhove-Kalergi vom Vorwurf der Ambiguität bei der Behandlung der nationalen Frage nicht freisprechen. Abgesehen davon, dass die Trennung von Kirche und Staat oder von Religion und Politik nach katholisch-orthodoxer wie römisch-katholischer Lehre eine Häresie darstellt. Papst Franziskus: „Das, was einer auf der Kanzel sagt, bezieht sich auf die Politik mit Großbuchstaben geschrieben, das ist die Politik, die Werte berücksichtigt; aber die Medien pflegen oft das Gesagte aus dem Zusammenhang zu reißen und es zugunsten der Parteipolitik an die Modeströmungen anzupassen.“

Einerseits fordert Coudenhove-Kalergi „europäischen Patriotismus“ und europäisches „Nationalgefühl“, um Europa als „Vereinigte Staaten“ begründen zu können; auf der anderen Seite plädiert er für die Trennung von Staat und Nation. Nationalistische Politik ist für ihn die „Totengräberin der europäischen Kultur“, doch laufen seine ganzen Vorschläge auf eine nationalistische Politik für „Paneuropa“ hinaus. Abgesehen von diesem Widerspruch, sind die Nationalstaaten ja „kein überständiger Restbestand des 19. Jahrhunderts, sondern eine in 2000 Jahren gewachsene Struktur und die lebendige Wirklichkeit des heutigen Europa. (Thilo Sarrazin)“ Verständlich, dass ganz in diesem Sinne der Ministerpräsident Großbritanniens, David Cameron, die Europäische Union aufforderte, „den Wert nationaler Identität anzuerkennen  und  die Diversität der europäischen Nationen als Quelle der Stärke zu schätzen.“

Europa, ein Machtzentrum der Welt

Coudenhove-Kalergi fürchtete, dass ohne „ihre Einigung die europäischen Staaten binnen kurzem von den wachsenden Weltmächten verschlungen werden“ Neben den vier anderen großen Weltzentren – dem panamerikanischen, dem britischen, dem russischen und dem ostasiatischen – könne Europa nur durch einen Zusammenschluss seiner die Zersplitterung bewirkenden Nationalstaaten sich behaupten. Entweder erfolge die Einigung freiwillig oder gewaltsam, durch Eroberung.

Als Coudenhove-Kalergi  1923 sein Buch schrieb und herausbrachte, sah er Europa durch Russland wie auch durch die amerikanische Wirtschaftskraft bedroht. Der Zusammenschluss „aller Staaten, von Polen bis Portugal“ sei die einzige Chance, wie Europa seine Selbständigkeit, sein Kolonialreich, seine Kultur und seine Zukunft noch retten könne.

Das Argument wird heute noch immer mit Vehemenz vertreten, doch es verliert zusehends an Überzeugungskraft. Nicht nur haben weit über hundert Kolonialvölker nach 1945 ihre Unabhängigkeit errungen, sondern auch der Zerfall des Sowjetimperiums sowie Jugoslawiens hat zur Entstehung von neuen Nationalstaaten geführt. In Ostasien widerspricht der Aufstieg relativ kleiner und in der Weltwirtschaft erfolgreicher „Tiger-Staaten“ der These Coudenhove-Kalergis, „Kleinstaaterei“ führe zum Untergang. Im Nahen Osten ist der erst 1948 gegründete Staat Israel ein Musterbeispiel, welche Macht Kleinstaaten in der Welt ausspielen können.

Zollunion unter sozialistischer Kontrolle

Dürftig sind die Vorstellungen Coudenhove-Kalergis auf wirtschaftlichem Gebiet. In der von den Schutzzöllen profitierenden Nationalindustrie sieht er einen wichtigen Gegner seiner Paneuropabestrebungen. Würde durch europäischen Zusammenschluss die Kriegsgefahr verschwinden, gäbe es keinen Grund mehr für national geschlossene Wirtschaftsgebiete und Autarkie, von denen monopolartige Treibhausindustrien profitierten. Freihandel und freie Konkurrenz würden nicht nur die europäischen Konsumenten mit besseren und billigeren Waren versorgen, sondern jene Industrien neue Märkte gewinnen lassen, welche die Konkurrenz nicht zu fürchten brauchen. Die Gefahren, die von Monopolindustrien und Trustbildungen ausgehen, könnten gebannt werden „durch eine sozialistische Kontrolle, die in Europa leichter durchzuführen ist als in Amerika, weil hier der Sozialismus über mehr Macht verfügt.“

In den über die Grenzen hinausdrängenden „paneuropäischen Monopolindustrien“  und dem „internationalistischen Sozialismus“ sieht Coudenhove-Kalergi starke Antriebskräfte für die Bildung der Vereinigten Staaten von Europa, ebnet doch dort „die natürliche Vervollkommnung des kapitalistischen Systems … den Weg zum Sozialismus.“, jenem „Sozialismus, der die ganze Welt regeln wird“ und „die Menschheit wie von anderen Ausbeutungsfesseln auch befreien (wird) von den hemmenden zwischenstaatlichen Zollschranken.“

Coudenhove-Kalergi sollte mit diesem Hinweis auf die Verbindung von Monopolkapitalismus und Sozialismus Recht behalten. So berichtete Wolfgang Böhm jüngst über das 1983 erfolgte „Treffen der wichtigsten Konzernchefs von Philips über Siemens, Fiat, Volvo bis Nestlé, um die Idee eines gemeinsamen europäischen Binnenmarktes zu forcieren. Dieser „European Round Table“ fand Gehör beim sozialdemokratischen Kommissionspräsidenten Jacques Delors.“ 1986 öffneten „die einheitlichen Europäischen Akte“ den Weg zum Binnenmarkt.

Jetzt werden über „das mit Abstand wichtigste Projekt der Aufbau einer gemeinsamen transatlantischen Freihandelszone zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union“ noch im Sommer 2013 Verhandlungen aufgenommen. Inzwischen mehren sich die Stimmen der Auguren, die nach dem bereits 1993 erfolgten Beschluss über die „Agenda 21“ der UNO sogar eine Weltregierung im Entstehen sehen, welche die nachhaltige Entwicklung der Weltwirtschaft („sustainable development“) durch umfassende Regelungen und Kontrollen sichern soll.

Der Einspruch gegen dieses grundfalsche, eben auch von Coudenhove-Kalergi vertretene, liberale Konzept „gemeinsamer Märkte“, erfolgt jetzt nicht nur von Nationalökonomen alter Schule, sondern sogar von den Intelligenteren unter den Juristen. Sie sehen im Binnenmarkt einen „Grundfehler der Integration“ und wenden sich „gegen die Freihandelsdoktrin. (Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider)“ Der Eindruck drängt sich auf, die Politikversager möchten den ob seiner horrenden Arbeitslosigkeit gescheiterten, von der Bevölkerung nicht mehr mitgetragenen europäischen „Binnenmarkt“ durch die Flucht in den noch größeren „Nato-Markt“ kompensieren

„Welt-Union“ statt „Europäischer Union“? Das kann die Fahrt in den Abgrund nur beschleunigen.

Die Führung Europas durch den neuen Adel

Die bemerkenswerten Feststellungen zur Verbindung von Kapitalismus und Sozialismus durch gemeinsame Interessen bahnen den Weg zum Verständnis der elitären Vorstellungen Coudenhove-Kalergis über die politische Führung Europas, ihre Rekrutierung und Zusammensetzung.

Einen guten Zugang zu diesen Vorstellungen erhält der Leser durch eine kleine Schrift, die Coudenhove-Kalergi 1922 unter dem Titel „Adel“ veröffentlicht, aber wohl schon 1920 fertiggestellt hat. Die Schrift gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil ist die Rede vom „rustikalen und urbanen Menschen“. Er enthält Gegenüberstellungen von Landmensch und Stadtmensch; Junker und Literat; Gentleman und Bohemien; Inzucht und Kreuzung; heidnischer und christlicher Mentalität.

All diese Charakterisierungen sind amüsant zu lesen. Der rational denkende Stadtmensch habe den organisch denkenden Landmenschen abgelöst, der Literat und Geistesmensch den geistig minderbemittelten Junker und Blutadel verdrängt, der Bohemien den Gentleman. Der Rustikalmensch sei vielfach ein Produkt der Inzucht, der Urbanmensch eher ein Mischling, in dem sich Vielseitigkeit, geistige Regsamkeit, Freiheit von Vorurteilen und Weite des Horizontes verbinden. Schon diese in Kurzform wiedergegebenen Gegenüberstellungen lassen erkennen, wem die Führung in Zukunft gehören wird: Nicht dem „Blut- und Schwertadel“, sondern dem „Hirnadel“.

Der Held und der Heilige

Von besonderem Interesse in diesem ersten Teil ist der letzte Abschnitt mit der Gegenüberstellung von heidnischer und christlicher Mentalität, den wir weitgehend zitieren wollen.

„Heidentum stellt Tatkraft, Christentum Liebe an die Spitze der ethischen Wertskala.“ Christentum will das Raubtier Mensch in ein zahmes Haustier verwandeln, während Heidentum den Menschen zum Übermenschen umschaffen will. Im Mittelalter lebt das Heidentum als ritterliche, in der Neuzeit als imperialistische und militaristische Weltanschauung fort. Offiziere, Junker, Kolonisatoren, Industriekapitäne sind die führenden Repräsentanten modernen Heidentums. Tatkraft, Tapferkeit, Größe, Freiheit, Macht, Ruhm und Ehre: das sind die Ideale des Heidentums;

während Liebe, Milde, Demut, Mitleid und Selbstverleugnung wahre christliche Ideale sind. Allgemeingültiger heidnischer Individualismus ist nur in dünn bevölkerten Erdstrichen möglich, wo der Einzelne sich behaupten und rücksichtslos entfalten kann, ohne gleich in Gegensatz zu seinen Mitmenschen zu geraten. In übervölkerten Gegenden, wo Mensch an Mensch stößt, muss das sozialistische Prinzip gegenseitiger Unterstützung das individualistische Prinzip des Daseinskampfes ergänzen und zum Teil verdrängen.

Christentum und Sozialismus sind internationale Großstadtprodukte. Das Christentum nahm als Weltreligion seinen Ausgang von der rasselosen Weltstadt Rom; der Sozialismus von den national gemischten Industriestädten des Abendlandes. Beide Äußerungen christlicher Mentalität sind auf Internationalismus ausgerichtet, welcher die Zukunft bestimmen wird.

Christentum und Judentum

„Das Christentum, ethisch von jüdischen Essenern (Johannes), geistig von jüdischen Alexandrinern (Philo) vorbereitet, war regeneriertes Judentum. Soweit Europa christlich ist, ist es (im ethisch-geistigen Sinne) jüdisch; soweit Europa moralisch ist, ist es jüdisch. Fast die ganze europäische Ethik wurzelt im Judentum. Die prominentesten und überzeugtesten Vertreter christlicher Ideen, die in ihrer modernen Wiedergeburt Pazifismus und Sozialismus heißen, sind Juden … Der theokratischen Idee der Identifikation von Politik und Ethik ist das Judentum im Wandel der Jahrtausende treu geblieben: Christentum und Sozialismus sind beides Versuche, ein Gottesreich zu errichten. Vor zwei Jahrtausenden waren die Urchristen, nicht die Pharisäer und Sadduzäer, Erben und Erneuerer mosaischer Tradition; heute sind es weder die Zionisten noch die Christen, sondern die jüdischen Führer des Sozialismus: denn auch sie wollen, mit höchster Selbstverleugnung, die Erbsünde des Kapitalismus tilgen, die Menschen aus Unrecht, Gewalt und Knechtschaft erlösen und die entsühnte Welt in ein irdisches Paradies wandeln. Diesen jüdischen Propheten der Gegenwart, die eine neue Weltepoche vorbereiten, ist in allem das Ethische primär: in Politik, Religion, Philosophie und Kunst.“

Charakterstärke verbunden mit Geistesschärfe prädestiniert den Juden in seinen hervorragendsten Exemplaren zum Führer urbaner Menschheit, zum falschen wie zum echten Geistesaristokraten, zum Protagonisten des Kapitalismus wie der Revolution.

Das demokratische Zwischenspiel und sein Ende

Nicht minder anregend ist der zweite Teil dieser kleinen Schrift, der mit „Krise des Adels“ überschrieben ist. Er besteht aus 5 Abschnitten und wird mit einem „Ausblick“ abgeschlossen.

Gleich der erste Abschnitt „Geistesadel statt Schwertherrschaft“ hat es in sich. „Unser demokratisches Zeitalter“, schreibt Coudenhove-Kalergi, „ist ein klägliches Zwischenspiel zwischen zwei großen aristokratischen Epochen: der feudalen Aristokratie des Schwertes und der sozialen Aristokratie des Geistes. Die Feudalaristokratie ist im Verfall, die Geistesaristokratie im Werden. Die Zwischenzeit nennt sich demokratisch, wird aber in Wahrheit beherrscht von der Pseudo-Aristokratie des Geldes.“ Das Schwarzpulver bedeutete das Ende der Ritterschaft, der Buchdruck gab dem schriftstellernden Geist Machtmittel von ungeheurer Tragweite.

„Der Einfluss des Blutadels sank, der Einfluss des Geistesadels wuchs. Diese Entwicklung, und damit das Chaos moderner Politik wird erst dann ein Ende finden, bis eine geistige Aristokratie die Machtmittel der Gesellschaft: Pulver, Gold, Druckerschwärze, an sich reißt und zum Segen der Allgemeinheit verwendet. Eine entscheidende Etappe zu diesem Ziel bildet der russische Bolschewismus, wo eine kleine Schar kommunistischer Geistesaristokraten das Land regiert und bewusst mit dem plutokratischen Demokratismus bricht, der heute die übrige Welt beherrscht und korrumpiert.“

Dürfen wir hier, Coudenhove-Kalergi ergänzend, anmerken, dass manche nicht unbegründet vermuten, die kommunistische Geistesaristokratie sei in die Glaspaläste der Europäischen Union eingezogen, habe den Stuhl des Kommissionspräsidenten eingenommen und führe nun auch den Vorsitz im Europäischen Parlament? Und mit China würde diese „kommunistische Geistesaristokratie“ bereits eine Weltmacht regieren, von deren Wohl und Wehe der „Westen“ weitgehend abhängig sei? Hat demnach Coudenhove-Kalergi mit der Bemerkung recht, Kapitalismus und Kommunismus seien „beide rationalistisch, beide mechanistisch, beide abstrakt, beide urban“, im Grunde also verwandt? Offen bleibt für uns die Frage, ob aus dieser geistigen Verwandtschaft von Kapitalismus und Sozialismus tatsächlich, wie Coudenhove-Kalergi vermutet, ein neuer Geistesadel erwächst, dem die Führung Europas anvertraut werden kann?

Die Krise des Adels

Mit der Erfindung des Schwarzpulvers hat der Schwertadel endgültig ausgespielt. Der Ritter wurde vom Pferd geschossen. Der Blutadel, der einst seine Ländereien verwaltete und bodenständig war, kam bei Hofe mit der Dekadenz in Berührung und verdarb. Der Geistesadel aus Literatur, Wissenschaft, Kunst wurde vom korruptionistischen Kapitalismus „vergiftet“, „Schule und Presse sind heute beide in den Händen einer ungeistigen Intelligenz.“

Auch die „Geldaristokratie“, die Plutokratie, welche die Macht an sich riss, befindet sich „gegenwärtig in einer Verfallsperiode.“ Ihr war es gelungen, ihre Herrschaftsform hinter einer demokratischen Fassade aufzurichten, die Staatsmänner zu ihren Marionetten zu machen und ihnen die Richtlinien der Politik durch Bestechung zu diktieren. Herabgekommen zur Schieber- und Spekulantenaristokratie, droht der kapitalistischen Plutokratie durch den Bolschewismus und Sozialismus eine Katharsis, welche sie zwingt, soziale Forderungen mehr und mehr zu berücksichtigen. Der gemeinsame Tanz von Kapitalismus und Sozialismus hat schon begonnen.

Der unverzichtbare Adel

Trotz aller Verfallsformen ist Adel unverzichtbar: „Will die Menschheit vorwärts schreiten, braucht sie Führer, Lehrer, Wegweiser; Erfüllungen dessen, was sie werden will; Vorläufer ihrer künftigen Erhebung in höhere Sphären. Ohne Adel keine Evolution. Eudämonistische Politik kann demokratisch – evolutionistische Politik muss aristokratisch sein. Um emporzusteigen, um vorwärts zu schreiten sind Ziele nötig; um Ziele zu erreichen, sind Menschen nötig, die Ziele setzen, zu Zielen führen: Aristokraten.“ Das Zwischenspiel der Demokratie „entstand aus Verlegenheit: nicht deshalb, weil die Menschen keinen Adel wollten, sondern deshalb, weil sie keinen Adel fanden.“

„Von der europäischen Quantitätsmenschheit, die nur an die Zahl, die Masse glaubt, heben sich zwei Qualitätsrassen ab: Blutadel und Judentum. Voneinander geschieden, halten sie beide fest am Glauben an ihre höhere Mission, an ihr besseres Blut, an menschliche Rangunterschiede. In diesen beiden heterogenen Vorzugsrassen liegt der Kern des europäischen Zukunftsadels: im feudalen Blutadel, soweit er sich nicht vom Hofe; im jüdischen Hirnadel, soweit er sich nicht vom Kapital korrumpieren ließ.“

Die Überlegenheit ihres Geistes „prädestiniert“ die Juden „zu einem Hauptfaktor zukünftigen Adels“ und zur „Menschheitsführung. Bei ihnen ist seit jeher „das Gemeinsame, Verbindende und Primäre nicht die Nation, sondern die Religion. Im Laufe des ersten Jahrtausends unserer Zeitrechnung traten in diese Glaubensgemeinschaft Proselyten ein, zuletzt König, Adel und Volk der mongolischen Chazaren, der Herren Südrusslands. Von da an erst schloss sich die jüdische Religionsgemeinschaft zu einer künstlichen Volksgemeinschaft zusammen und gegen alle übrigen Völker ab. (Richard N. Coudenhove-Kalergi nimmt hier Bezug auf das Buch seines Vaters, Dr. Heinrich Coudenhove-Kalergi: Antisemitismus )“

Die Jahrhunderte währende Verfolgung und Ausrottungsversuche durch das europäische Christentum [Anm.: Die erst mit dem Zweiten Vatikanum einsetzende Reflexion und Reaktion der römisch-katholischen Kirche auf diesen Vorwurf hat ihre Glaubwürdigkeit zutiefst erschüttert und sogar zur Änderung ihrer liturgischen Texte und Riten geführt] haben das Judentum gestählt und einem Ausleseprozess unterzogen, der es „zu einer Führernation der Zukunft erzogen“ und „zu einem geistigen Adel entwickelt“ hat. Das Judentum wird deshalb der Schoß sein, „aus dem ein neuer, geistiger Adel Europas hervorgeht; ein Kern um den sich ein neuer, geistiger Adel gruppiert“.

Lenin und Trotzki, der neue Adelstyp

Dieser neue Adel rekrutiert sich beileibe nicht nur aus dem Judentum. Coudenhove-Kalergi schwebt ein neuer Adelstyp vor, der aus „einem kleinen Rest sittlich hoch stehenden Rustikaladels und eine(r) kleinen Kampfgruppe revolutionärer Intelligenz“ besteht. „Hier wächst die Gemeinschaft zwischen Lenin, dem Mann aus ländlichem Kleinadel, und Trotzki, dem jüdischen Literaten, zum Symbol: Hier versöhnen sich die Gegensätze von Charakter und Geist, von Junker und Literat, von rustikalem und urbanem, heidnischem und christlichem Menschen zur schöpferischen Synthese revolutionärer Aristokratie.“ Der nicht korrumpierte Landadel hat eine Fülle vitaler Kräfte in tausendjähriger Symbiose mit der Natur gesammelt und aufgespeichert Gelingt es, diese gesteigerte Lebensenergie ins Geistige zu sublimieren, dann könnte vielleicht der nichtjüdische Adel der Vergangenheit  zusammen mit dem jüdischen Geistesadel Anteil nehmen am Aufbau des Adels der Zukunft, der sich durch alles „Hervorragende an Schönheit, Kraft, Energie und Geist“, an „Unbeugsamkeit des Willens, Seelengröße und Selbstlosigkeit“ auszeichnet.

Man kann über dieses neue „Herrschervolk“, diese neue „Herrenrasse“, deren Bildung Coudenhove-Kalergi sogar mit eugenischen Züchtungsmethoden fördern wollte, leicht die Nase rümpfen, doch die Bildung von Führungseliten gehört zu den unverzichtbaren Aufgaben staatlichen Überlebens. Auch wenn man die Verbindung von altem Adel und Sozialismus – ob nun „katholischem“ oder „jüdischem Sozialismus“ – ablehnt, so sollte zumindest das Faktum ein wenig des Nachdenkens wert sein, dass seine Kaiserliche und Königliche Hoheit, Otto von Habsburg, die Präsidentschaft der Paneuropabewegung nach dem Tode von Coudenhove-Kalergi übernommen hatte.

Sein Sohn Karl gehört dem Präsidium der Paneuropa-Union seit 1994 an. Unterstützt wurden und werden sie von vielen Angehörigen des Hochadels, die politische und soziale Verantwortung zu ihrem Anliegen gemacht haben. Darüber hinaus sind heute etwa einhundert Abgeordnete zum Europäischen Parlament Mitglieder der Paneuropa-Union.

In zahlreichen Querverbindungen wird die Zusammenarbeit mit den in den USA beheimateten Einflussgruppen gepflegt. Damit wird von der Paneueropabewegung dem Umstand Rechnung getragen, dass die Europäische Union heute nur noch als „euroasiatischer Brückenkopf der USA“ (Zbigniew Brzezinski) fungiert. Die von Hermann van Rompuy eingangs gestellte Frage, ob denn Europa seinen Frieden und seine Selbständigkeit den anderen Weltmächten gegenüber wahren kann, hat sich damit ebenso erledigt wie die Vorstellung Coudenhove-Kalergis, Europa könne durch Zusammenschluss zu einer auf der globalen Bühne mitspielenden Weltmacht werden. Denn trotz Europäischer Union ist Europa, wie Coudenhove-Kalergi schon 1923 befürchtete, „politisch und militärisch zum Schachbrett der Welt“ und anderen Großmächten hörig geworden.

Die Vereinigten Staaten von Europa – eine „idée fausse“

„Europa als politischer Begriff besteht nicht.“ Diese, wenn auch von ihm bekämpfte Einsicht, die Coudenhove-Kalergi 1923 vortrug, ist heute so gültig, wie sie es immer war. In seiner Geschichte war Europa nie eine staatliche Einheit, weder unter der Herrschaft Roms, noch unter den Kaisern und Päpsten des Mittelalters. Ganz zu schweigen von den gescheiterten Versuchen, die Napoléon, Stalin oder Hitler zur Neuordnung Europas unternommen haben.

Nach ihrer von Freiherrn von der Heydte so beredt beschriebenen „Geburtstunde des souveränen Staates“ im 13. Jahrhundert, hat die Entwicklung zu Nationalstaaten bis heute nicht an Fahrt verloren. Es ist einfach Utopie zu glauben, dass selbstbewusste Völker wie die Briten, Irländer, Holländer, Franzosen, Spanier, Italiener, Dänen, Schweden, Norweger, Finnen, Polen oder Tschechen ihre Souveränität an einen europäischen Bundesstaat abtreten. Selbst Vielvölkerstaaten wie Österreich, Belgien oder gar die Schweiz denken nicht daran, ihre staatliche Existenz aufzugeben.

Europa ist ein opakes, intransparentes, vergiftetes Wort, missbraucht zur Irreführung und zur Verschleierung politischer Zwecke. „Scheitert der Euro, scheitert Europa“ – selten hat ein Satz die Runde gemacht, der an Unsinnigkeit kaum zu überbieten ist. Europa „scheitert“ nicht einmal, wenn die EU sich auflöst! Die europäischen Völker und ihre Staaten werden auch ohne übergestülpte Zwangsjacke in Frieden weiterleben, solange jedenfalls wie die NATO ihn wahrt.

Völker sind Völker. Niemand hat das Recht, ihnen ihre Existenz in der von ihnen bejahten staatlichen Form zu verweigern. Weder kulturell noch politisch gibt es ein Substrat, das für die Vereinigten Staaten von Europa die notwendigen Ligaturen oder Bindekräfte beistellen könnte. Es gibt kein „europäisches Volk“. Die Abstimmungen über die Europäische Verfassung haben das dort, wo sie stattfinden konnten (Irland, Frankreich, Holland), eindeutig bewiesen. Heute kann die EU nur noch durch ständigen Rechtsbruch am Leben gehalten werden (Paul Kirchhof, Jürgen Stark).

Die EU steht vor einem Scherbenhaufen und muss zusehen, wie in vielen Staaten die Bevölkerung protestiert, Gewerkschaften mit Streiks das Land lahm legen, Parlamente gestürmt, Banken belagert, Schaufenster eingeschlagen, Geschäfte geplündert, Autos, Barrikaden und Häuser angezündet werden und ganze Stadtviertel außer Kontrolle geraten. Ein Europa, in dem es notwendig ist, Knüppel, Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschosse  einzusetzen, um das Versinken in Anarchie zu verhindern, ist das das Europa, das Coudenhove-Kalergi erträumte? Sicher nicht!

Es ist an der Zeit, Alternativen ins Auge zu fassen und den Völkern nicht länger das Naturrecht  auf Existenz in den von ihnen im Laufe der Geschichte gebildeten poltisch-staatlichen Einheiten zu verweigern. Europa der Vaterländer, das Konzept de Gaulles, ist das, was von den Völkern akzeptiert wird: Kooperation auf gleicher Augenhöhe, nicht aber die Vereinigten Staaten von Europa!

Der Autor ist Dozent für Theoretische Volkswirtschaftslehre und Politik. Er war Mitglied der Europakommission der Österreichischen Bischofskonferenz. Seine letzten Publikationen: Die Rechte der Nation (2002, slowakisch 2008), Der Sinn der Geschichte (2011), ESM-Verfassungsputsch in Europa (2012). 

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Mit Steuern steuern drucken

„Mehrheit der Deutschen will Steuererhöhungen“ meldet „Die Welt“. Demnach befürworten 72 Prozent der Wahlberechtigten die Anhebung der Steuern für die „Gutverdienenden“. 62 Prozent sprechen sich für die Einführung von Vermögenssteuern aus.

Frankreichs sozialistischer Staatspräsidentendarsteller Francois Hollande möchte – unter dem tosenden Applaus der Neidgenossen – „Steueroasen in aller Welt ausradieren“ und dadurch den Erdball in eine einzige Steuerwüste verwandeln.

Angesichts der kollektiven Hatz auf perfide Steuersünder, wie etwa den Ex-Kicker Uli Hoeneß, kann der deutsche Bundespräsident nicht länger an sich halten und verkündet: „Wer Steuern hinterzieht, verhält sich asozial". Wer wäre wohl eher legitimiert, über asoziales Verhalten zu räsonieren, als ein von Steuern lebender Mann, der keinen Tag seines Lebens produktiv gearbeitet hat?

Dass auch die üblichen Verdächtigen unter den österreichischen Geistesathleten – speziell solche aus dem Dunstkreis von Gewerkschaften und Arbeiterkammern – ihre begehrlichen Blicke verstärkt auf jene Bürger richten, die ihr Einkommen nicht versoffen und verhurt, sondern zur Vermögensbildung genutzt haben, sei der Vollständigkeit halber nicht unerwähnt.

Jeder vom Bürger zum Staat umverteilte Euro bedeutet nicht nur einen Wohlstandsverlust, sondern bringt auch eine Zunahme der (Kontroll-)Macht des Leviathans über den Bürger mit sich. Angesichts dessen ist es erstaunlich, dass die Tage offenbar vorbei sind, in denen mit dem Ruf nach Steuersenkungen auf dem politischen Parkett gepunktet werden konnte. So kurios es auch scheint, verspricht ausgerechnet in einer Zeit historisch höchster Abgabenlasten die erklärte Absicht, die Steuerschraube noch weiter anziehen zu wollen, Wahlerfolge.

Ob die feuchten Träume der Obertanen dabei nun um die Erfindung oder Einführung neuer Tribute, wie Kapitaltransaktions- oder Vermögenssteuern, oder um die Verschärfung bereits bestehender Enteignungsinstrumente (wie die Einkommenssteuer) kreisen, erscheint nebensächlich. Das einzige, worauf die Umverteiler zu achten haben, ist, den Steuerhammer selektiv auf kleine, in der Massendemokratie unbedeutende Gesellschaftsgruppen niedersausen zu lassen, als da wären: Unternehmer, Mietshausbesitzer, „Spekulanten“, (kurz: Eigentümer von Vermögen aller Art) und „Besserverdiener“.

Die genannten Minderheiten zu Sündenböcken zu erklären, die unausgesetzt beschuldigt werden, an der herrschenden Krise die Alleinschuld zu tragen und daher jetzt – „Gerechtigkeit muss sein!“ – entsprechend bluten sollen, ist eine leichte Fingerübung, da es die Politelite verstanden hat, die Hauptsrommedien zu ihren treuesten Symbionten zu machen. Die Damen und Herren Redakteure sind artig mit von der Partie, wenn das Lied vom treu sorgenden, verantwortungsvoll im Sinne des „Gemeinwohls“ agierenden Staat angestimmt und zugleich der ruchlose Egoist und ausschließlich den eigenen Vorteil suchende Private verdammt wird. Die „Vierte Macht“ im Staate ist – einer konsequenten Negativauslese und Korrumpierung der Bericht erstattenden Zunft sei Dank – mittlerweile zum zuverlässigsten Wasserträger staatlicher Allmachtsbestrebungen und zugleich zum erbarmungslosen Zensor jeglicher Staatskritik degeneriert.

Steuern sind niemals gerecht

Allerdings gibt es keinen Schatten ohne Licht: Immerhin könnte das die allgemeine Moral zerstörende Prinzip der Demokratie nicht deutlicher enthüllt werden, als durch den immer lauter erschallenden Ruf einer Mehrheit nach immer höheren Steuerlasten für eine Minderheit. Demokratie bedeutet eben knallharte Diktatur der Mehrheit. Diese Tatsache jedermann ungeschönt vor Augen zu führen, ist schon etwas wert.

Für privat handelnde Personen gelten Tabus. Kaum jemand würde den Raub an seinem Nachbarn gutheißen oder den Versuch unternehmen, diesen zu rechtfertigen. Auch leuchtet es jedermann ein, dass ein Verbrechen nicht dadurch zur Wohltat mutiert, indem man es im Kollektiv begeht. Ein in der Gruppe verübter Raub ist eben kein kleineres Übel als die Tat eines Einzelnen. Interessanterweise gibt es aber ab dem Moment keinerlei Halten und keinen moralischen Einwand mehr, da die Ausführung des Raubes mittels eines Stimmzettels an politische Parteien – die damit völlig ungeniert und ungestraft werben dürfen – delegiert und am Ende durch Staatsschergen vollzogen wird. Die Sozialisten in allen Parteien waren, sind und bleiben nichts weiter als von ihren (anonymen) Wählern gedungene Räuber.

Es ist kaum zu fassen: Rechtschaffene Menschen, der Großteil davon würde nie im Leben daran denken, kriminell zu werden – 72 Prozent der Bundesbürger – heißen die willkürliche Ausplünderung von Menschen gut, deren Fehler darin besteht, es materiell weiter gebracht zu haben, als sie selbst. Das reicht, um diesen – ohne dabei von Gewissensbissen geplagt zu werden – den Steuervogt an den Hals zu hetzen, der ihnen in der Folge seine Beute (oder wenigstens einen Teil davon) übergeben soll. Dass diejenigen, die ihre Enteignung nicht widerstandslos hinnehmen und entsprechende Gegenstrategien entwickeln, als „asozial“ denunziert werden, fügt dem Unrecht den blanken Hohn hinzu.

Steuern sind niemals gerecht. Stets werden sie gewaltsam und nicht im Konsens erhoben und stets schaffen sie zwei Klassen von Menschen: Eine, die sie bezahlt und eine, die davon lebt. Doch selbst wenn diese Tatsache unbeachtet bleibt, ist eines klar: Wer sich den Kampf für die Gerechtigkeit aufs Panier schreibt und dabei ein Minimum an Glaubwürdigkeit bewahren will, der kann eines keinesfalls tun: Willkürlich gestalteten (progressiven) Steuertarifen das Wort reden. Genau das aber tun alle in den Parlamenten Österreichs und Deutschlands vertretenen Parteien – möglicherweise ohne zu wissen, dass progressive Steuern ein Instrument sind, das von Karl Marx einst dazu erdacht wurde, um die bürgerliche Gesellschaft zu zerstören…

Montesquieu schreibt in seinem wichtigsten Werk „Vom Geist der Gesetze“ zum Thema Steuern folgendes: „…die Wirkung (…) übermäßiger Besteuerung ist, dass die Freiheit ihrerseits die Knechtschaft hervorbringt und die Wirkung der Knechtschaft ist die Verminderung der Steuereinnahmen.“ Mit dem letzten Satz hat der hellsichtige Mann bereits den Jahrhunderte später gefundenen „Laffer-Effekt“ beschrieben. Die tragbare Steuerlast ist eben endlich! Eine Seite zuvor stellt der Baron fest: „Die maßvollen Staaten bieten eine Entschädigung für den Steuerdruck: eben die Freiheit. Die despotischen Staaten bieten ein Entgelt für die Freiheit: eben die geringfügigen Steuern.“ Der selige Mann lebte allerdings in einer absoluten Monarchie. Er hatte keine blasse Vorstellung vom Ausmaß der in einer Massendemokratie herrschenden Despotie – bei zugleich maximalen Steuerlasten…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Wohlfahrtsstaat – leb wohl!: Buchbesprechung drucken

Rund ein Jahr nach „Die Demokratische Krankheit“, legt der deutsche Ökonom Christoph Braunschweig erneut eine Arbeit vor, die sich mit jenen Herausforderungen auseinandersetzt, mit denen sich liberale Demokratien dieser Tage zunehmend konfrontiert sehen. Auslöser der anhaltenden Schulden- Wirtschafts- und Finanzkrise ist nach Meinung des Autors die „kollektive Unvernunft in der Massendemokratie“.

Der fortschreitende Siegeszug des Sozialismus, der nach dem Zerfall der UdSSR keineswegs zum Ende gekommen ist, findet seinen deutlichsten Ausdruck in der planmäßigen Zerstörung der Familien, die ein letztes Bollwerk des Privaten gegen den übermächtigen, alle Lebensbereiche durchdringenden Staat bilden. Ein umlagebasiertes Rentensystem ist gleichermaßen für den Geburtenrückgang und die Verlangsamung der Kapitalbildung in privater Hand verantwortlich: Wozu noch individuell für die Zukunft vorsorgen, wenn einem doch der Sozialstaat von der Wiege bis zur Bahre alle Lasten zuverlässig abnimmt? An die Stelle individueller Verantwortung tritt ein – immer häufiger kritiklos geleisteter – Gehorsam gegenüber dem Staat, der seine Fortsetzung und Erweiterung im supranationalen Imperium der EU findet. Die Vergrößerung von Entscheidungseinheiten führt indes stets zu einer immer weiteren Entfremdung zwischen Herrschern und Beherrschten und zu einer stetigen Entkoppelung von Recht und Verantwortung.

Ein ausführlicher historischer Abschnitt – der sich in mehrere Teile gliedert und an den Ideen großer Denker, von der Antike bis in die Gegenwart, orientiert – nimmt sich der Untersuchung des Gegensatzes zwischen Freiheit und Gleichheit an. Anders als die angloamerikanische Welt, die freiheitsorientierten aristotelischen Grundsätzen folgt – die über John Locke, Edmund Burke und David Hume den liberalen Verfassungsstaat hervorbringen – orientiert sich das kontinentale Europa stark an den Ideen Platons, die über Rousseau zur Französischen Revolution und in den Napoleonischen Totalitarismus und in der Tradition Fichtes und Hegels zum Deutschen Idealismus und Nationalismus führen.

Die „Kathedersozialisten“, wie Gustav Schmoller und Werner Sombart beschädigen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nachhaltig das Ansehen des wirtschaftsorientierten Bürgertums in Deutschland. Besonders Sombart wird nicht müde, den angeblich verächtlichen „britischen Krämergeist“ mit dem edlen, aber kriegerischen Wesen der Deutschen zu kontrastieren. Seine Ausführungen fallen auf fruchtbaren Boden und so ist es kein Wunder, dass in deutschen Landen kein freiheitsliebendes, selbstbewusstes Bürgertum entstehen kann, wie es in Großbritannien und in den von diesem emanzipierten USA tonangebend wird. Das unentwegte Streben nach mit Gerechtigkeit assoziierter Gleichheit hat bis heute eindeutig Vorrang vor dem Kampf für die Freiheit. Dass es politische Freiheit allerdings ausschließlich dort geben kann, wo auch wirtschaftliche Freiheit herrscht, wird vielfach nicht erkannt.

Die jedem Freisinnigen haarsträubend anmutende Staatsgläubigkeit konnte dem Deutschen Michel selbst durch zwei Weltkriege und Jahrzehnte langen nationalsozialistischen, bzw. kommunistischen Terror nicht ausgetrieben werden. So oft heute ein Problem auftaucht (das oft genug durch nachteilige, hoheitliche Regulative oder Misswirtschaft bedingt ist), erschallt reflexartig der Ruf nach noch mehr Staat. Folgerichtig soll etwa dem Problem der ausufernden Staatsverschuldung durch noch mehr Schulden begegnet werden. Legionen von mit Steuergeldern bezahlten oder im Dienste des staatsnahen Finanzsektors stehenden „Experten“ und Intellektuellen liefern dazu den geistigen Unterbau, der von den Hauptstrommedien willfährig und dankbar publiziert wird. „Der Aktionismus und Machbarkeitswahn der „Mainstream-Ökonomen“ führt lediglich dazu, dass sich die Lage weiter verschlimmert – zu Lasten der zukünftigen Generation.“

Braunschweig plädiert für ein Ende des staatlichen Geldmonopols, das – als lupenrein planwirtschaftliches Instrument – mit einer freien Marktwirtschaft auf Dauer unvereinbar ist. Nur die Rückkehr zu einem Warengeld, wie es bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs international gebräuchlich war (Gold), und ein Ende des Teilreservesystems der Banken kann das Geldwesen wieder auf eine gesunde Grundlage stellen. Der Wegfall der Möglichkeit des Stimmenkaufs mittels „Fiat Money“, würde dem Leviathan einen beträchtlichen Machtverlust eintragen und die Bürger in einen großen Teil der ihnen entrissenen Rechte wieder einsetzen.

Kleine politische Einheiten sind für den Bürger vorteilhafter als große: „Kleinstaaten müssen eine Niedrig-Steuerstrategie und ein klare Ordnungspolitik praktizieren, ansonsten wandern insbesondere die produktivsten Bürger und Unternehmen ab“. Und schon Montesquieu, geistiger Vorkämpfer der Gewaltenteilung, bemerkte: „In großen Staaten wird das Gemeinwohl tausenderlei Rücksichten geopfert, während es in einem kleinen Land näher bei jedem Bürger ist.“ Es liegt auf der Hand, dass diese Verhältnisse sich im zentral kommandierten Moloch EU, selbst gegenüber großen Nationalstaaten, weiter verschlimmern. Um das Unheil zu komplettieren, ist die katastrophale Fehlentscheidung zur Einführung einer gemeinsamen Zwangswährung soeben im Begriff, längst überwunden geglaubte Ressentiments zwischen den Nationen erneut aufleben zu lassen.

Den einzig gangbaren Ausweg aus dem Dilemma sieht Braunschweig in einer Rückbesinnung auf Verantwortungsethik und liberale Ordnungspolitik. „Es gilt die zeitlose Weisheit des Perikles (500 – 429 v. Chr.): „Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit, das Geheimnis der Freiheit aber ist der Mut.“ Und Mut bedeutet, dass man standhaft gegen die Mehrheit steht.“ Eleganter kann man es nicht formulieren.

Wohlfahrtsstaat – leb wohl!
Christoph Braunschweig
LIT-Verlag Berlin, 2013
317 Seiten, broschiert
ISBN 978-3-643-12112-7
€ 29,90,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Haben Europas Bürger zu viel oder zu wenig Macht? drucken

Immer öfter stößt in Europa das wirklich oder vermeintlich Notwendige mit einem anderen ehernen Grundprinzip zusammen: mit dem demokratischen. Immer öfter stößt man als Folge auf die Forderung, die Demokratie substanziell einzuschränken. Die Machthaber wollen nicht durch die Bürger gestört werden, weil diese nicht so viel Einsicht hätten wie die Politiker. Liberale sehnen die Zeiten zurück, da nur wählen durfte, wer auch Steuern zahlt. Und Linke haben seit 1968 die extrem undemokratische Praxis, Andersdenkende erst gar nicht zu Wort kommen zu lassen oder gar physisch zu verfolgen. So wie es die protonazistische Rechte in den 20er und 30er Jahren getan hatte.

Der deutsche Verteidigungsminister De Maiziere musste dieser Tage deswegen sogar nach einem halbstündigen Versuch einen Vortrag an der Berliner Humboldt-Universität abbrechen, weil Linksradikale den Gast „erfolgreich“ sabotiert haben. Und weil der dortige Rektor wie viele Professoren nicht gerade standfest reagierte.

Dass solche Extremisten nicht die Antwort auf die Krise der Demokratie sind, braucht wohl nicht weiter bewiesen zu werden. Wer Andersdenkende nicht reden lässt, ist Exponent eines neuen Faschismus. Wer sich vor Argumenten so fürchtet, dass er ihre Formulierung verhindern will, hat in Wahrheit selber sehr schlechte Argumente. Oder gar keine.

Das Demokratieproblem der Euro-Retter

Damit ist aber die Frage nach der Zukunft der europäischen Demokratie noch keineswegs beantwortet. Denn die Krisensymptome sind ja trotzdem vorhanden. Man schaue nur auf die diversen Wahlergebnisse in Europa. Je verantwortungsloser eine Gruppe agiert, umso eher hatte sie zuletzt in den Krisenstaaten Chancen, gewählt zu werden. Damit wird es aber auch immer schwieriger, das umzusetzen, wozu sich Europa, oder konkreter: Deutschland, seit 2010 entschlossen hat, als mit Griechenland der erste EU-Staat zahlungsunfähig geworden ist: Zahlungsunfähige Staaten werden entgegen der ökonomischen Vernunft gerettet, aber zugleich werden sie mit sehr strengen Sanierungs- und Sparsamkeitsauflagen zugedeckt.

Nur: Was tut man, wenn diese Staaten zwar die Rettungsgelder begierig aufgreifen, aber nach der Reihe die hoch und heilig beschworenen Sanierungsauflagen unterlaufen?

  • Zahlreiche Schuldenländer sagen sogar jetzt schon, dass ihre Defizite auch 2013 deutlich größer werden als noch im Vorjahr garantiert.
  • Griechenland hat seine Beamten trotz eindeutiger Verpflichtungen noch immer nicht abgebaut.
  • Zyperns Parlament hat die einzig sinnvolle und von der Regierung schon ausverhandelt gewesene Formel zur Bankensanierung abgelehnt.
  • Frankreichs Regierung treibt in sensationellem Masochismus riesige Vermögen aus dem Land.
  • Und immer öfter dekretieren schlitzohrige Richter wie etwa zuletzt in Portugal: Sparen, nein danke.

Um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Die Drohungen sind als leer entlarvt

Was tun? Europas Drohungen und Forderungen werden gegenüber solch passiver Resistenz immer unglaubwürdiger. Allzu oft hat man schon gesagt: Wenn ihr dies und jenes nicht umsetzt, gibt es kein Geld von uns mehr. Es hat am Ende aber doch immer Geld gegeben, obwohl nicht umgesetzt worden ist.

Wer immer nur droht, aber seine Drohungen nie verwirklicht, wird halt am Ende nicht mehr ernst genommen. Aus dieser Falle kommt Europa nicht mehr heraus. Die ganze Union weiß jetzt: Die Euro-Länder haben lieber Billionen an Krediten und Haftungen hergegeben, statt einmal Konsequenz zu zeigen. Sie meinen, kein Land dürfe zahlungsunfähig werden.

Die Eigenverantwortung wurde ignoriert

Die Finanzakrobaten haben dabei aber eines vergessen: Europa besteht aus Demokratien und Rechtsstaaten. In einem solchen System müsste man endlich das entscheidende Schlüsselwort (wieder) entdecken. Und das heißt: Eigenverantwortung.

Wer weiß, dass er selbst ganz alleine die Folgen seines Handelns tragen muss, der handelt ganz anders. Der wirtschaftet sparsamer und verantwortungsbewusster. Nationen, die wissen, im Eventualfall die eigene Zahlungsunfähigkeit auslöffeln zu müssen, akkumulieren nicht solche gigantische Staatsverschuldungen, wie es bei uns seit 1970 passiert. Sie tolerieren kein Pensionssystem, das zum Kollaps führen muss. Sie verteilen das Geld nicht sinnlos an lauter gutmenschliche oder interessenpolitische Lobby-Organisationen. Sie geben keine leichtfertigen Einlagegarantien an alle Sparer.

Was die Bürger wieder lernen müssen

Ein Staatsbankrott in Europa wäre auch sehr heilsam für die Zukunft der Demokratie. Denn erst wenn (wieder) klar ist, wie katastrophal sich ein Staatsbankrott zwangsläufig auf alle Bürger auswirkt, werden auch diese anders handeln. Sie werden dann kaum mehr ihre Stimme jenen geben, die lauten Populismus verbreiten und ohne Rücksicht auf Finanzierungsmöglichkeit versprechen: Wenn Ihr uns wählt, dann ist die Rente sicher, dann gibt es ständig und jedes Jahr von allem mehr. Und jedenfalls nie weniger.

Die Eigenverantwortung des Wählers ist jedoch völlig in Vergessenheit geraten. Fast alle Parteien haben immer nur versprochen und gefordert, aber nie auf die unvermeidlichen ökonomischen Konsequenzen hingewiesen. Da ist es besonders erschreckend, wenn die (meist noch total unreifen) Erstwähler jetzt überall als Teil ihrer politischen Erziehung in den Schulen zu hören bekommen: „Was hast du davon, wenn du die oder jene Partei wählst?“ Das „Was hast du davon“ bedeutet schlicht den Ratschlag: Wählt den, der euch die meisten Zuckerln verspricht, auch wenn sie auf Schulden angeschafft sind.

Die Eigenverantwortung des Wählers wird aber auch auf vielen anderen Gebieten völlig ignoriert. Wechseln wir etwa ins Fach Vergangenheitsbewältigung.und zu den vielen Gedenktagen rund um die nationalsozialistische Schreckensherrschaft. Da tut die extreme Rechte so, als ob nur Hitler oder höchsten ein paar Dutzend andere an der Katastrophe schuld gewesen seien. Da tut man links so, als ob alle schuld gewesen wären.

Beide Male ist jedoch die Sicht auf diese Geschichtsepoche absolut falsch. Denn beide Male wird die individuelle Verantwortung ignoriert. Da wurden jahrelang von den Geschichtsaufarbeitern absurde Debatten geführt, ob die Menschen denn um die Konzentrationslager gewusst haben. Das haben natürlich alle gewusst, sind die KZ doch auch ständiger Teil der NS-Selbstdarstellung gewesen. Ganz anders müsste die Antwort aber ausfallen, wenn das Wissen um den Bau von Gaskammern in Konzentrationslagern erforscht würde. Diesen Aspekt bemühte sich das NS-System nämlich sehr geheim zu halten.

Die Frage nach der Verantwortung für den Nationalsozialismus würde bei seriöser Vorgangsweise weder zu pauschalen Rechtfertigungen noch zu Verurteilungen führen, sondern zu der Frage, wie sich jemand damals bei demokratischen Wahlen verhalten hat. Diese hat es nämlich in Deutschland und Österreich durchaus bis 1933 gegeben. Und da wäre nun das Entscheidende, dass man heute daraus lernt, wie sehr auch problematische Wahlentscheidungen die Eigenverantwortung belasten. Wer etwa damals nationalsozialistisch oder kommunistisch gewählt hatte, wurde mitschuld daran, dass sich in Mitteleuropa kein demokratischer Rechtsstaat entwickeln hat können.

Auch Wut und Zorn rechtfertigen keine Fehlentscheidungen

Wobei auch Zorn über Fehler der demokratischen Parteien der Mitte keine Reduktion der Schuld darstellt. Das müsste auch – um wieder in die Gegenwart zu wechseln – den vielen Italienern endlich klar werden, die sich aus dumpfer Wut einfach für einen Kabarettisten ohne jedes ernsthafte Programm entschieden haben.

Das beste Beispiel, wie positiv sich eine Kultur der bürgerlichen Verantwortung auswirkt, ist hingegen die Schweiz: Dort produziert die direkte Demokratie viel bessere inhaltliche Ergebnisse als die paternalistische Repräsentativdemokratie. Bürger handeln viel verantwortungsbewusster, wenn sie überzeugt sind, dass sie selber die Folgen tragen  müssen.

Indirekt, repräsentativ gewählte Gesetzgeber agieren hingegen viel stärker opportunistisch und populistisch, weil sie die Bürger als weitgehend unfähig behandeln. Erwachsene Bürger fühlen sich als Folge auch oft wie Kinder und führen sich so auf; auch beim Wählen haben sie es dann verlernt, an die eigene Mitverantwortung zu denken.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Was können die Tschechen, was wir nicht können? drucken

Der russische Ministerpräsident hat wieder einmal weise und kluge Menschen aus aller Welt zu einem exklusiven Nachdenkforum eingeladen. Darunter etwa den tschechischen Ex-Präsidenten Vaclav Klaus und den britischen Ex-Premier Tony Blair. Auch Wolfgang Schüssel ist immer wieder gern gesehener Gast bei ihm. Wie erklärt sich das?

Dimitri Medwedew nahm sich alleine für Klaus zwei Stunden Zeit unter vier Augen, um ihn auszuhorchen. Dabei störte es ihn keineswegs, dass Klaus auch öffentlich durchaus kritische Worte für Russland findet, etwa mit der Formulierung, dass dieses keine „vollwertige parlamentarische Demokratie“ sei. Dennoch sind offensichtlich seine Ratschläge wichtiger als der fehlende Propagandawert.

Kann man sich vorstellen, dass sich jemals irgendjemand bei der jetzigen österreichischen Führungsgarantie Rat holen wird, egal ob es um amtierende oder in Kürze abtretende Führungspersonen geht? Also etwa bei einem Werner Faymann, einem Heinz Fischer oder einem Ewald Nowotny? Wobei man übrigens letzterem zugute halten muss, dass er schon lange keinen Unsinn mehr gesagt hat. Aber er ist halt zu feige und vorsichtig, um die von ihm langsam entdeckte ökonomische Wahrheit (also etwa die schlichte Tatsache, dass man nicht mehr ausgeben als einnehmen könne) auch klar und öffentlich auszusprechen. Und hinter den SPÖ-Polstertüren wird er ja bei der leisesten Andeutung der Wahrheit von schuldensüchtigen Großökonomen wie Michael Häupl sofort niedergemacht. Und schweigt daher.

Nun ist gewiss auch Medwedew selber kein besonders Mutiger. Aber er ist wenigstens hochintelligent und hat ein gutes Gespür für interessante und wegweisende Persönlichkeiten.

Auch er wird wohl ahnen, dass Österreich nur deswegen noch halbwegs gut dasteht, weil es eine Zeitlang von den wenigstens auf halbem Weg vorangekommenen Reformen der Schüssel-Zeit zehren kann. Und bei Vaclav Klaus hat er gesehen, dass da bis vor kurzem wenigstens noch ein Politiker in Europa amtiert hat, der auch unpopuläre Wahrheiten auszusprechen wagt. (Wenngleich dessen finale Massenamnestie für tschechische Korruptionstäter überaus merkwürdig ausgesehen hat).

Die Weisheit der heimischen Politiker oder Wirtschaftsforscher von heute wird hingegen zu Recht nirgendwo nachgefragt. Oder jemals nachgefragt werden. Dabei werden die „Österreichische Ökonomen“ der Verganenheit von Hayek bis Mises weltweit geradezu abgöttisch verehrt. Wenn "Austrians" in einem positiven Zusammenhang vorkommen, dann geht es fast immer um sie.

Nicht so in Österreich. Da haben – gleichsam zur Illustration dieses Faktums – dieser Tage drei von ihnen in einem Beitrag für die „Presse“ allen Ernstes gewagt, Europa und Griechenland Ratschläge zu geben. Der Sukkus war: noch mehr Planwirtschaft für Griechenland. Im Konkreten: Die EU solle sich bei Betriebsgründungen einschalten, Griechenland solle auf „Gesundheitstourismus“ umstellen usw. In dem arbeiterkammer- und staatsfinanzierten Wifo gibt es offenbar keinen einzigen, der endlich begriffen hätte, was Griechenland wirklich bräuchte: viel mehr Freiheit für Privatwirtschaft und Unternehmensgründer. Punkt. Und sicher nicht noch mehr bürokratische Intervention und Ideen von oben.

Wenn sie sich nicht ständig unerträglich mit renitenten Gewerkschaften, lähmendem Arbeitnehmerschutz, gesetzlichen Überregulierungen und Verwaltungsbürokratie herumschlagen müssten, würden unternehmerische Menschen ganz von allein draufkommen, wo die Gründung von Unternehmen in Griechenland sinnvoll ist und wo nicht. Sie riskieren ihr Geld, sie kümmern sich daher im Gegensatz zu Politikern oder Schreibtischökonomen wirklich um ihre Investition.

Hingegen sind gesundheitstouristische oder sonstige Unternehmensgründungen ganz sicher nicht von Büros im Wiener Wifo oder in der EU-Bürokratie zu entscheiden. Von lauter Menschen, die viel trockene (neokeynesianische) Theorie verzapft, aber noch nie ein Unternehmen gegründet haben.

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Alle gegen Hoeneß: Die Stunde der Etatisten drucken

Wie konnte er nur?! Was für eine Gemeinheit – welch unvorstellbare Gier! Empörung allerorten. Ausnahmsweise sind es nicht Banker, „Spekulanten“ oder unternehmerische Ausbeuter, die vom Zorn der Neidgenossenschaft getroffen werden, sondern ein erfolgreicher Ex-Fußballer. Von „Hunderten Millionen Euro“, die er – Uli Hoeneß – angeblich „am Fiskus vorbei“ ins feindliche Ausland verbracht hat, weiß die stets zur moralischen Entrüstung bereite Hauptstromjournaille zu berichten.

Dass Kanzlerkandidat Steinbrück, in seiner einstigen Eigenschaft als Finanzminister, die deutsche Kavallerie nicht auf die Schweiz losgelassen hat, um auch diese (Steuer-)Oase zur (Steuer-)Wüste zu machen, kann, im Lichte der rezenten Ereignisse, gar nicht genug beklagt werden. Zumindest nicht von jenen, die auf beiden Augen blind sind oder die der langjährige Aufenthalt im Umverteilungsstaat um jedes Gespür für das rechte Maß gebracht hat.

Mehrere Auffälligkeiten gilt es festzustellen:

  1. Dass es ein illegal beschafftes Beweismittel ist, das nun die Grundlage der Erregung der Berufsbetroffenen bildet, scheint keinen Menschen zu kümmern.
  2. Dass der Staat ungeniert – für Millionen an Steuergeldern – Diebesgut (wieder einmal einen elektronischen Datenträger) ankauft und damit den Tatbestand der Hehlerei verwirklicht, wird völlig unbekümmert mit dem für den Fiskus positiven Saldo dieses kriminellen Vorgehens gerechtfertigt. Schließlich übertrifft die zu erwartende Beute den für die Konterbande aufgewendeten Preis mutmaßlich bei Weitem.
  3. Dass die staatliche Vollziehung nur auf gesetzlicher Grundlage zu handeln hat (die bekanntlich weder zu Datenklau noch zu Hehlerei berechtigt!), wird im vorliegenden Zusammenhang nirgendwo thematisiert. Der Nachweis für Hans-Hermann Hoppes These, wonach es sich beim Staat um eine kriminelle Organisation handelt, ist jedenfalls – einmal mehr – unzweifelhaft erbracht.
  4. Weshalb man den Nachstellungen einer kriminellen Organisation nicht mit Mitteln der Notwehr (in diesem Fall dem der Steuerflucht) begegnen sollte, würde ein hervorragendes Thema für eine Grundsatzdiskussion hergeben. Der deutsche Ökonom Philipp Bagus meinte dazu launig „Steuer zahlen ist kein Kavaliersdelikt!“
  5. Dass diejenigen, die sich derzeit am lautstärksten moralisch empören, durch die Bank entweder Nettosteuerempfänger oder mit der Staatsmacht innig liierte Figuren sind, lässt berechtigte Zweifel daran aufkommen, dass die Kampagne gegen den bösen Steuerhinterzieher frei von handfesten Eigeninteressen gefahren wird. Schließlich geht es – mutmaßlich illegale Vermeidungshandlungen hin oder her – um einen Nettosteuerzahler.

Dem Autor dieser Zeilen sind übrigens der Fußball im Allgemeinen und Herr Hoeneß im Besonderen gleichgültig. Erprobtermaßen unfähig, einen Hydranten zu überdribbeln, und an der Beobachtung 90-minütiger Laufrituale mehrheitlich schlichter Gemüter mit proletoidem Hintergrund uninteressiert, scheinen mir nur die begleitenden Umstände der kollektiven Aufregung bemerkenswert.

Das – wie eben von Peer Steinbrück – bei derlei Gelegenheiten stereotyp vorgebrachte „Argument“, dass es unfair sei, wenn Leute wie Hoeneß ihr Geld dem Zugriff des Finanzministers entzögen, während die Masse der Einkommensbezieher dazu doch gar keine Chance hätte, ist an Putzigkeit schwer zu überbieten: Der Fiskus brauchte ja nur die Unternehmen von der Last zu befreien, unbezahlt als verlängerte Werkbank des Finanzamts zu dienen, lasse sie Löhne und Gehälter netto auszahlen, und schon bestünde schlagartig „Waffengleichheit“ zwischen Ausbeutern und Lohnsklaven. Der Finanzminister könnte in diesem Fall seinen Laden allerdings Tags darauf dichtmachen, denn die Steuerwiderstände stiegen schlagartig ins Uferlose, würde den Lohnabhängigen mit einem Male bewusst, dass sie die Hälfte (oder mehr) ihres sauer verdienten Geldes zur Finanzierung staatlicher Korruption und Misswirtschaft abzuliefern haben. Wer indes meint, die Steuerlast steuerehrlicher Bürger könnte sinken, wenn egoistische Steuerflüchtlinge nur brav ihren Tribut ablieferten, glaubt vermutlich auch an die Existenz von Feen und Kobolden. Abgesehen von der vergleichsweise vernachlässigbaren Größenordnung dieser „Fluchtgelder“: Noch nie haben zusätzliche Steuereinnahmen den Anlass zu Tarifsenkungen gebildet.

Dass es nicht der Bosheit Selbständiger, Künstler und Sportskanonen geschuldet ist, wenn immer nur sie, niemals aber kleine Hackler Steuern hinterziehen, hat nichts mit der moralischen Überlegenheit oder gar mit „Fairness“ Letzterer zu tun, sondern allein mit deren mangelnden Möglichkeiten zum Unterschleif. Wer kann, der vermeidet Steuern ohnehin – und sei es beim Nettohaarschnitt, oder der Nachbarschaftshilfe am Bau, die ja besonders dem „kleinen Mann“ nicht ganz unbekannt ist.

Angesichts der drückenden Steuerlasten, die im Wohlfahrtsstaat herrschen, verwundert weniger der Umstand, dass in wachsendem Maße Vermeidungsstrategien zur Anwendung kommen, sondern eher, dass es noch immer nicht zu Steuerrevolten gekommen ist. Wenn mehr als die Hälfte des Verdienten vom Großen Bruder enteignet wird, ist das rechte Maß klar überschritten. Es sei daran erinnert, dass es in der Vergangenheit – als die Bürger noch nicht wohlfahrtsstaatlich gehirngewaschen und verhausschweint waren – bekanntlich schon wegen weit geringerer hoheitlicher Übergriffe als heute üblich zu bewaffneten Aufständen kam…

Die aktuelle Hoeneß-Kampagne ist, wie schon die Hetze gegen angeblich schädliche „Steueroasen“, von der impliziten Vorstellung getragen, jeder vom Bürger verdiente Cent gehöre im Grunde dem Staat. Der allerdings – so die krause Logik – ist in seiner grenzenlosen Huld immerhin geneigt, einen kleinen Teil des vom Bürger Erwirtschafteten diesem als Taschengeld zum Eigengebrauch zu überlassen. Jene seltsamen Spaßvögel, die gelegentlich mit der Behauptung „ich zahle gerne Steuern“ auffallen, finden sich so gut wie ausschließlich in den Reihen der Nettosteuerempfänger. Natürlich geht derartiger Unfug leicht über die Lippen, wenn man in Wahrheit nicht nur keinen Cent an Steuern und Sozialversicherungsabgaben löhnt, sondern lebenslänglich von jenen Steuern lebt, die in der Privatwirtschaft fronende Lastesel gezwungenermaßen abzuliefern haben.

Der amerikanische Ökonom Thomas Sowell bringt den hinter der aktuellen Neiddebatte um Hoeneß steckenden Sachverhalt präzise auf den Punkt, wenn er feststellt:
„Ich habe noch nie verstanden, warum es Gier genannt wird, das eigene, verdiente Geld behalten zu wollen, es aber keine Gier ist, sich das Geld anderer Leute aneignen zu wollen.“

Ein Satz, den man allen Steinbrücks und der Phalanx der hauptberuflichen Desinformanten in den Hauptstrommedien ins Stammbuch schreiben sollte.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Europas Bürger erwachen drucken

Jahrelang schien es, als ob Demonstrieren ein Privileg der Linken wäre. Eine einseitige Medienlandschaft hat diesen Eindruck noch verstärkt. Sie jubelte ein paar Dutzend Camper einer sogenannten Occupy-Bewegung zu einer relevanten Größe hoch. Sie behandelte die skurrilen Typen von Attac als ernsthafte Ökonomen. Sie berichtete über nichtlinke Kundgebungen hingegen nur dann, wenn man diesen einen extremistischen Anstrich geben konnte. Inzwischen aber haben sich die Dinge massiv geändert. Jetzt hat das konservative Erwachen eine Größenordnung erreicht, welche die Medien nicht mehr totschweigen können.

Bisheriger Höhepunkt des neuen bürgerlichen Erwachens in Europa sind die riesigen Kundgebungen in Frankreich gegen die Gleichstellung der Schwulenehe mit normalen Ehen und Familien durch die Linke. Diese ist ja heute so ausgelaugt, dass sie ausgerechnet durch die schwule Karte ihr geistiges wie sozial- und wirtschaftspolitisches Scheitern zu verdecken versucht. Dabei sind schwule Allianzen in den Vor-68er-Zeiten der Arbeiterbewegung völlig undenkbar gewesen.

Die heutigen Linksparteien begreifen nicht einmal, wie sehr diese Karte einer zweiten widerspricht, die sie noch aus dem Ärmel ziehen, nämlich der islamischen. Da ihnen ja die traditionellen Arbeitnehmer davonlaufen, versuchen die Linksparteien halt, auf die Zuwanderer zu setzen, die sie deshalb auch möglichst rasch stimmberechtigt machen wollen. Da jedoch diese Zuwanderer überwiegend aus dem islamischen Raum kommen, schadet den Linken ihre Schwulisierung mehr, als sie nützt. Denn im Islam werden Schwule überall verfolgt – sehr zum Unterschied von Europa, wo die Diskriminierung längst nur noch eine geschickte Propagandabehauptung der schwulen Wortführer ist. Ebenso wie diese beispielsweise die Aids-Erkrankungen raffiniert benutzt haben bis hin zur Veranstaltung von Bällen (während mir Bälle und Fahnen für – oder gegen – Lungenkrebs und Herzinfarkt nicht bekannt sind).

Frankreichs Bürger reagieren auch noch aus einem anderen Grund besonders sensibel: Frankreich ist nämlich – trotz all seiner seit langem angewachsenen und durch die jetzige Regierung noch dramatisch verschärften Probleme – ein sehr familienfreundliches Land. Es hat eine weit höhere Geburtenquote als etwa Österreich (und das nicht nur bei den Zuwanderern). In Frankreich werden Kinder auch nirgendwo als Störfaktor empfunden. Aber das ist schon wieder ein anderes Thema.

Mehr zum Thema gehört hingegen die Tatsache, dass Präsident Hollande bei Umfragen schon heute so unbeliebt ist wie noch nie ein französisches Staatsoberhaupt.

Offensichtlich wird der Protest des bürgerlichen Frankreichs gegen die Schwulen-Ehe keineswegs rasch verebben, auch wenn es nicht jede Woche über eine Million in die Straßen von Paris treiben wird. Wo immer rote und grüne Minister und Politiker jetzt auftreten, werden sie nun mit Jugendlichen und deren Protesten gegen die Schwulenpolitik der derzeitigen Mehrheit konfrontiert. Das ist für Linke eine ziemlich unangenehme Erfahrung, haben doch etwa die Sozialdemokraten umgekehrt in Deutschland CDU-Politiker jahrzehntelang bei Wahlkampfveranstaltungen zu stören versucht.

Ähnliche Massenkundgebungen aus dem selben Anlass hatte es schon davor in Spanien gegeben. Auch dort haben Kirche und konservative Parteien einen mächtigen Schulterschluss vorgenommen und die größten Massenkundgebungen der Geschichte veranstaltet. Freilich warten viele Spanier heute schon ungeduldig darauf, dass sich nach dem Machtwechsel in Madrid dieser Schulterschluss in konkreten Beschlüssen umsetzt.

Das Selbstbewusstsein der Katholiken hat in letzter Zeit auch durch den neuen Papst Auftrieb erfahren. Dieser verwendet gerade zum Thema Schwulenehe mehr als deutliche Worte (während das Gerede mancher „Experten“ etwa über Frauenpriesterinnen als mediale Blase längst wieder geplatzt ist).

Umso beschämender ist es freilich, dass sich die Kirche in Österreich derzeit nur als Wurmfortsatz der Linken präsentiert. Das zeigt sich bei jedem einzelnen politischen Auftritt des österreichischen und des Wiener Caritas-Chefs. Das zeigt sich an der erzbischöflichen Unterstützung für die Votivkirchenbesetzer. Das zeigt sich am Nichtstun gegen rebellische Linkspriester bei gleichzeitig scharfen Disziplinierungsmaßnahmen gegen ungeschickt formulierende konservative Kirchenmänner. Das zeigt sich am weitgehenden Desinteresse der österreichischen Amtskirche an allen Solidaritätskundgebungen für die verfolgten Christen (immerhin werden derzeit weit mehr Christen verfolgt und umgebracht als in den heroischen Zeiten der Katakomben).

Umso erstaunlicher sind die Signale anderswo. Auf vielen Gebieten, bei denen die Konservativen früher nur deprimiert geschwiegen hatten, sind sie nun mutiger geworden. So ist auch im laizistischen Berlin jetzt die Auszeichnung Daniel Cohn-Bendits mit einem linksliberalen Preis auf heftige Proteste gestoßen. Mit gutem Grund: Hat der grüne Vormann doch in einem Buch selbst von – vorsichtig ausgedrückt – erotischen Begegnungen mit Kindern geschwärmt. Gegen einen Grünen ging aber natürlich – natürlich? – bisher kein Staatsanwalt vor. Grüne werden vielmehr noch immer mit Preisen geziert.

Mit größerer Ambivalenz ist ein anderer Vorgang in Berlin zu bewerten. Da ist es zwar an sich sehr positiv, dass CDU/CSU und FDP im Bundestag den Vorstoß der Linken abgeschmettert haben, eine verpflichtende Frauenquote in Aufsichtsräten einzuführen. Die Mühe und die Not und die Begleitumstände, wie das geschehen ist, zeigen aber: In der CDU sind noch immer manche von linken Dummheiten erfasst, obwohl Angela Merkel seit ein paar Monaten angesichts nahender Wahlen verzweifelt wieder nach rechts schwimmt.

Ein CDU-Parteitag hatte die Quote zwar vor kurzem strikt abgelehnt. Dennoch hat ein parteiinternes Grüpplein jetzt durchgesetzt, dass sich die CDU-Fraktion zugleich mit der Ablehnung des linken Antrags ausdrücklich für die Androhung einer Quote ab 2020 ausspricht. Diese Gruppe wird von der Ministerin von der Leyen angeführt. Ihr ist es egal, was ein Parteitag sagt. Und ebenso, dass die Mehrheit der Deutschen strikt gegen die Quote ist.

Das ist bei Männern wie Frauen der Fall. Bei den Frauen sehen die einen die Aufsichtsrats-Debatte als absurdes Elitenthema; die anderen sehen, wie ihre Männer und Söhne jetzt schon allerorten diskriminiert werden, weil ja die Ausschreibungen schon überall im öffentlichen Bereich Frauen bevorzugen; und die Frauen, die längst interessante Karrieren machen, erkennen, dass sie nun als Quotenfrauen diskriminiert sind. Aber Frau von der Leyen ist halt bei linken Medien sehr beliebt; das war ihr oft wichtiger als die eigenen Wähler.

Wie das alles zusammenhängt? Nun jedenfalls insofern, als die schweigende Mehrheit in Europa immer weniger schweigt; als die Linke geistig überall in der Defensive ist; als nur jene Bürgerlichen, die sich so gern dem Zeitgeist anpassen, das noch nicht gemerkt haben; als Europa in Wahrheit mehr mit einem christlich-jüdischen Abendland und dessen traditionellen Werten als mit hektischen Schuldenmachereien zu tun hat; als immer mehr grundsätzlich konservative Menschen auf der Suche nach einer neuen geistigen Heimat sind; als viele in den einst so großen Parteien der rechten Mitte, aber auch manche Amtsträger der Kirche, noch immer nicht erkennen, wo ihre Gefolgschaft steht; und als viele von ihnen daher immer stärker von Orientierungslosigkeit gepackt werden.

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Rezension: Return to Order von John Horvat drucken

Die Liste an Büchern zur Wirtschaftskrise ist lang und wird angesichts der Verstetigung der Krise beständig länger. Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen behandeln die sich zu Wort meldenden Autoren lediglich die strukturelle Dimension der Systemkrise. Dementsprechend werden zu ihrer Überwindung nahezu ausnahmslos strukturelle Reformvorschläge unterbreitet, die normalerweise in ihren Schlussfolgerungen stark ideologisch gefärbt sind. Die einen sehen in einem Mehr an staatlichen Regulierungen das wirtschaftspolitische Allheilmittel, die anderen fordern ebenso undifferenziert „mehr Markt“ und entlang dieser ermüdend simplifizierenden Argumentationsketten erschöpfen sich die meisten Diskussionen.

Eine in jeder Hinsicht hervorstechende Ausnahme ist das Buch „Return to Order“ des US-Amerikanischen Autors John Horvat. Seine umfassende Analyse baut auf der unserem materialistischen Zeitalter verloren gegangenen grundlegenden Einsicht auf, dass die Seele als Lebensprinzip alles Lebendigen den menschlichen Körper bewegt. Je nachdem, ob die Seele geordnet oder ungeordnet ist, bringt sie andere Verhaltensweisen und in weiterer Folge unterschiedliche gesellschaftliche Institutionen hervor. Den engen Zusammenhang zwischen Seelenverfassung und Staatsverfassung, zwischen innerer (Un-)Geordnetheit und äußerer (Un-)Geordnetheit hat bereits Platon in seiner „Politeia“ ausführlich dargelegt.

Daher verortet John Horvat die Wurzel der wiederkehrenden Wirtschaftskrisen richtigerweise in der ungeordneten Seelenverfassung des modernen Menschen. Der Autor des rezensierten Werkes weist dieser Ungeordnetheit den Begriff der zügellosen Maßlosigkeit (engl. „frenetic intemperance“) zu und erkennt in dieser jenes herausragende Laster, das die Wirtschaft und die Gesellschaft aus dem Gleichgewicht bringt. Ein klassischer Fall zügelloser Maßlosigkeit ist das vom ungeordneten Gewinn- und Konsumstreben motivierte Eingehen exzessiver Risken.

Der sich von moralischen, kulturellen, religiösen und gesellschaftlichen Beschränkungen Befreiende ist durch diesen emanzipatorischen Befreiungsakt jedoch entgegen den verlockenden Verheißungen zu einem Getriebenen seiner unsteten Leidenschaften geworden und damit alles andere als frei. Denn wahrhaft frei ist eine Person, die Ursache ihrer selbst ist und durch die Übung der Tugend der Mäßigung Herr seiner Triebe, Leidenschaften und Begierden ist. Der dem Laster Verfallene ist hingegen nicht Herr seiner selbst. Biblisch ausgedrückt: Der Sünder ist der Sünde Knecht (vgl. Joh 8, 34). Weiterhin charakterisiert John Horvat den neuzeitlichen Menschen dahingehend, dass er das Angenehme dem Guten, die Quantität der Qualität, sowie die kurzfristige Bedürfnisbefriedigung um jeden Preis der umsichtigen Bewirtschaftung vorzieht.

Einen Gutteil seines Erstlingswerks widmet John Horvat der Skizzierung jener gesellschaftlichen Ordnung, zu deren Rückkehr er den Leser ermuntern möchte. Dieses Unterfangen ist gleichermaßen verdienstvoll wie schwierig, weil die von ihm vertretene christlich-organische Gesellschaft kein dem Menschen von außen oktroyiertes Gesellschaftssystem ist, das Freiheit durch die Errichtung bestimmter Strukturen verspricht. In eben dieser Annahme, dass der Mensch „sozial-institutionell bedingt“ sei, macht der deutsche Historiker Thomas Nipperdey den Wesenskern der Utopie fest. Utopien fordern nicht die Gesinnungsänderung des Einzelnen als unabdingbare Voraussetzung für eine Gesellschaftsreform, sondern locken mit dem verführerischen Versprechen, dass der gute Mensch eine Folge der richtigen gesellschaftlichen Strukturen sei.

In Zeiten des grassierenden Subjektivismus, der die Existenz objektiver und allgemeinverbindlicher sittlicher Normen bestreitet, mahnt Horvath daher nichts Geringeres als eine kopernikanische Wende ein. Die christlich-organische Gesellschaft ist somit die Frucht der Verinnerlichung jener Prinzipien, die das christliche Abendland als zeitlos und unveränderbar erkannt hat. Zu diesen unwandelbaren Prinzipien sind die vier Kardinaltugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung sowie die drei christlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe zu zählen.

Horvat gelingt es außerordentlich gut, die fundamentale Kluft zwischen dem neuzeitlichen Systemdenken und der abendländischen Vorstellung von Organizität herauszuarbeiten. Organizität bedeutet zum einen, dass der Mensch sein Mensch-Sein nur in den natürlichen Bindungen der Gemeinschaft entfalten kann. Die einzelnen Glieder einer Gesellschaft bedürfen einander so wie die Zellen, Glieder und Organe eines menschlichen Körpers aufeinander angewiesen sind. Der Mensch ist eben nicht, wie das individualistische Menschenbild behauptet, ein fertiges Individuum, das als solches dem Anderen gegenübertritt und in diesem Gegenübertreten nicht weiter zur Vollkommenheit geformt wird.

Organizität bedeutet aber auch, dass in der Befolgung der genannten zeitlosen Prinzipien das gesamte Gemeinwesen – und die es bildenden untergeordneten Gesellschaften wie die Familie, die Gemeinden, die Vereine, die Berufsstände und die Regionen – das ihnen zustehende Eigenleben entfalten können, wobei sich die innere Verfasstheit der einzelnen Gesellschaften wie auch das enge Beziehungsgeflecht zwischen diesen Gesellschaften an die verändernden äußeren Rahmenbedingungen ebenso anpassen kann. Dies steht im fundamentalen Widerspruch zur gegenwärtig dominierenden mechanistischen Auffassung, die die Gesellschaft wie den Einzelnen in vorgegebene Abläufe zwängt und durch Individualisierung, Standardisierung und Zentralisierung familiäre, lokale, regionale und nationale Identitäten zerstört.

Vorbild Mittelalter

Das Buch räumt zudem mit vielen, von der Aufklärung in Umlauf gebrachten Fehlurteilen über das Mittelalter auf. So hat das Mittelalter schließlich die Sklaverei überwunden. Zum einen deshalb, weil das Christentum jeder Person als Geschöpf Gottes die ihr daraus resultierende Würde zuerkennt und zum anderen, weil das Christentum im Unterschied zur heidnischen Antike die körperliche Arbeit wertschätzt. Unabhängig vom Berufsstand ist jeder Mensch dazu berufen, an der Vervollkommnung der sehr guten Schöpfung aktiv mitzuwirken. Unbeschadet der damaligen Missbräuche, die aufgrund der Neigung zur Sünde im Diesseits nie vollständig zu vermeiden sind, zielte die mittelalterliche Feudalordnung auf die umfassende Verwirklichung eines auf konkreten personalen Beziehungen und wechselseitigen Dienst- und Treueverhältnissen beruhenden Zusammenlebens, das die innertrinitarische Liebesgemeinschaft als Urbild jeder Gemeinschaft vor Augen hatte. Diese menschliche Komponente ist, so John Horvat, in der neuzeitlichen Wirtschaftsauffassung verloren gegangen, weil das Gewinnmaximierungsprinzip menschliche Beziehungen auf zeitlich begrenzte Nutzenbeziehungen reduziert und die mechanistische Wirtschaftstheorie im wahrsten Sinne des Wortes geist- und seelenlos ist.

Wie die noch immer von unzähligen Touristen bestaunten Bauwerke jener Epoche wie Kathedralen, Burgen und Schlösser eindrucksvoll bezeugen, kannte das Mittelalter einen regen technologischen Fortschritt, der im Unterschied zur Neuzeit jedoch nicht auf die heidnische Trias des „Schneller, Höher und Weiter“ abzielte. Die Hinwendung der menschlichen Seele zum Schönen, Guten und Wahren manifestierte sich an der formvollendeten Bauweise und der meisterhaften Ausgestaltung durch die unzähligen (Kunst-)Handwerker dieser Epoche. Es ist unmittelbar einsichtig, dass die Menschen jener Epoche von einem gänzlich anderen Geist bewegt waren – alles wurde zur höheren Ehre Gottes verrichtet – als dies seit dem Hereinbrechen des „Geist des Kapitalismus“ (Max Weber) der Fall ist, der beispielsweise gesichtslose, ausschließlich der wirtschaftlichen Verwertung dienende Wolkenkratzer hervorbringt.

Dennoch hängt John Horvat weder einem verklärenden Romantizismus an noch fordert er das Unmögliche, das Zurückdrehen der Zeit. Das Mittelalter ist eine abgeschlossene Epoche der Vergangenheit, in dem jene Ordnungsprinzipien, deren Rückgewinnung Horvat vorschlägt, bislang am vortrefflichsten verwirklicht worden sind. Insofern ist die Auseinandersetzung mit dem Mittealter hilfreich, um die Verwerfungen und Verirrungen der Gegenwart klarer erkennen zu können. Ein weiterer Pluspunkt dieses Buches sind die zahlreichen farbigen Abbildungen, die dem zeitgenössischen Leser helfen, ein tieferes Verständnis von der verblichenen christlich-organischen Gesellschaftsauffassung in der eingänglichen Sprache der Bilder zu erlangen, deren bauliche, künstlerische, gesellschaftliche und institutionelle Überreste uns in Europa (noch) vielfach begegnen. Aber niemals verliert der Autor die Gegenwartsbezogenheit seines Anliegens aus den Augen; und weil er der Gesellschaft gerade kein System überstülpen möchte, wird die Wiederbelebung der zeitlosen Prinzipien einer christlich-organischen Gesellschaft im 21. Jahrhundert andere Formen hervorbringen als vor 1000 Jahren.

Obschon sich „Return to Order“ speziell an die US-Amerikanische Öffentlichkeit wendet, ist dieses Buch aufgrund seiner grundlegenden Ausführungen zum christlich-abendländischen Ordnungsdenken auch für Nicht-Amerikaner eine gewinnbringende Lektüre. John Horvat ermutigt den Leser, diese Ordnung der Dinge im 21. Jahrhundert erneut zum Leben zu erwecken. Glück, Ruhe und Frieden, nach denen sich der Mensch sehnt, sind letztlich allesamt Früchte dieser inneren wie äußeren, von Gott geschaffenen Ordnung.

Gregor Hochreiter: Vorstand – Oekonomika-Institut für angewandte Ökonomie und christlich-abendländische Philosophie

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Gerechtigkeit muss sein: Her mit der Marie! drucken

Im Normalfall gehen Wahlkampfzeiten mit der Ankündigung kostspieliger Wohltaten einher, die sich – nach geschlagener Schlacht – in steigenden Steuerlasten niederzuschlagen pflegen. Schließlich hat der Staat – mangels jeglichen Produktiveinkommens – nichts zu verteilen, was er zuvor nicht enteignet hat.

Im Wahljahr 2013 indes scheinen die Uhren ein wenig anders zu gehen, da sich die politischen Parteien, die – mit Ausnahme jener Frank Stronachs, die derzeit noch nicht so recht einzuschätzen ist – ausnahmslos sozialistisch zu nennen sind, gegenseitig nicht mit dem Ausloben von Geschenken, sondern mit der Ankündigung neuer Belastungen überbieten. Das ist auf den ersten Blick ungewohnt, aber nicht wirklich eine Überraschung. Denn treffen soll es ja nur die „Reichen“, die mittlerweile zu Parias unserer Gesellschaft erklärt worden sind.

Für jemanden, der es – aus eigener Kraft und ohne die Hilfe politischer Seilschaften – zu etwas gebracht, ein Unternehmen gegründet und ein mehr oder weniger großes Vermögen aufgebaut hat, gilt von Vornherein die Schuldvermutung. Wer so etwas – bei den in Kakanien herrschenden, prohibitiv hohen Steuerlasten – geschafft hat (700.000 Euro reichen, um als „reich“ zu gelten), muss es auf kriminelle Weise geschafft haben. Der- (oder die)jenige muss deshalb bestraft werden. Das gebietet die „Gerechtigkeit“ – so die Logik der räuberischen Umverteiler!

Die Erkenntnis, dass es die nun zunehmend ins Visier der Expropriateure geratenden Vermögen der „Reichen“ sind, die – in Gestalt produktiver Unternehmen – die Zahlung von Löhnen und Gehältern an die proletarischen Massen vornehmen, hat sich bis in die Zentralkomitees der Parteien und die Kommandozentralen der Vorfeldorganisationen noch nicht durchgesprochen. Dass das nun zu enteignende Vermögen der „Reichen“ zum Großteil nicht in Jagdschlössern, Privatjets, Luxusjachten und Gemäldesammlungen, sondern in Wirtschaftsbetrieben steckt, wird verschwiegen. Und dass eine Volkswirtschaft nicht von wachsenden Scharen unproduktiver Beamter, „Beauftragter“ und von defizitären Staatsbetrieben leben kann, sondern gut kapitalisierte – private – Betriebe benötigt, um zu prosperieren, ist in die Hirne der Masse politisch tätiger Zivilversager offenbar nicht hineinzubekommen.

Besonders rabiate Forderungen erheben – wenig überraschend – die siamesischen Zwillinge Gewerkschaft und Arbeiterkammer, beide zuverlässig funktionierende Vorfeldorganisationen der SPÖ. Unter dem hochoriginellen Aufhänger „Gerechtigkeit muss sein!“ trommelt die AK seit Monaten für die Wiedereinführung von Vermögenssteuern und suggeriert kontrafaktisch, dass nur noch hart fronende Arbeitnehmer Steuern zahlen, während müßige „Reiche“ sich in der alpenländischen Steueroase ein bequemes Leben machen und die Steuerhinterziehung zu ihrer Hauptbeschäftigung erkoren haben. Dass die rund zwanzig Prozent der Bezieher höherer Einkommen (unter ihnen natürlich viele Selbständige) etwa achtzig Prozent der Lohn- und Einkommensteuern bezahlen, fällt bei dieser dreisten Kampagne unter den Tisch.

Die Aufrechnung verschiedener Steuerarten gegeneinander – um am Schluss zu behaupten, eine bestimmte davon wäre zu niedrig – ist ein besonders durchsichtiger Schmäh, der von der Tatsache ablenken soll, dass jeder dem Bürger vom Staat abgepresste Tribut ein Übel ist – gleich aus wessen Tasche er stammt und unter welchem Vorwand er eingetrieben wird. Denn einerseits bleibt Diebstahl immer ein Verbrechen – auch dann, wenn es an jemandem verübt wird, dem die Neidgenossen von ÖGB, AK & Co. die Pest an den Hals wünschen. Andererseits ist bislang kein Fall bekannt geworden, in welchem der Staat die von ihm eingetriebenen Gelder nicht schlechter eingesetzt hätte, als der unvernünftigste Privatmann es je hätte tun können.

Schaden auch für die Besitzlosen

So können auch die Spiegelfechtereien um den Erhalt des Bankgeheimnisses in Österreich nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Ziel der gläserne Bürger ist. Geld zu besitzen, über das Big Brother nicht im Bilde ist (und das daher nach Belieben konfisziert werden kann!), wird systematisch kriminalisiert – unter dem begeisterten Beifall der besitzlosen Neidgenossenschaft. Allerdings verkennen diese schlichten Gemüter die verheerenden Konsequenzen einer solchen Politik, an deren Ende alle den Schaden haben werden – am meisten sie selbst.

Der große britische Liberale, Lord Dalberg Acton, hat den Sachverhalt in folgende Worte gefasst:
„Die Arbeiterklasse hat durch eine Schädigung des Kapitals mehr zu verlieren als die Kapitalisten, denn was für letztere den Verlust von Luxus und Überfluss heraufbeschwört, bedeutet für erstere den Verlust des Notwendigen.“

Dazu passend drei weitere Zitate großer Denker:

„Umverteilung ist tatsächlich viel weniger die Umverteilung von freiem Einkommen von den Reicheren zu den Ärmeren, sondern vielmehr eine Umverteilung von Macht vom Individuum zum Staat."
Bertrand de Jouvenel

„Das Sondereigentum schafft eine staatsfreie Sphäre des Individuums, es setzt dem Auswirken des obrigkeitlichen Willens Schranken, es lässt neben und gegen die politische Macht andere Mächte aufkommen. Das Sondereigentum wird damit zur Grundlage aller staats- und gewaltfreien Lebensbetätigung, zum Pflanz- und Nährboden der Freiheit, der Autonomie des Individuums und in weiterer Folge aller fortschreitenden Entwicklung des Geistigen und des Materiellen.“
Ludwig Mises

„Wenn das Eigentum mehr und mehr zum prekären Besitz herabsinkt, der von der Willkür der Verwaltung oder von der Gnade des Stimmzettels abhängig ist, wenn es zu einer Geisel in der Hand der Eigentumslosen oder Minderbesitzenden wird, wenn es aufhört, eines der selbstverständlichen und elementaren Rechte zu sein, das keiner anderen Begründung als der des Rechtes selbst bedarf, dann ist das Ende einer freien Gesellschaft abzusehen.“
Wilhelm Röpke

Eine pragmatische Überlegung zum Schluss: Die Vorstellung, mit den via Vermögens- und Erbschaftssteuern zu erbeutenden Geldern den Staatshaushalt nachhaltig ins Lot bringen zu können, ist geradezu kindisch. Schließlich sind schon bisher steigende Steuerquoten und zunehmende Staatsverschuldung miteinander Hand in Hand gegangen. Selbst wenn der Fiskus 100 Prozent aller Vermögen und Einkommen enteignete, würde das nicht reichen. Seine Gier ist unstillbar.

Am Ende aber bringt jeder bösartige Tumor, der nicht radikal bekämpft wird, den von ihm befallenen Organismus um. Der Wohlfahrtsstaat wird in dieser Hinsicht keine Ausnahme bilden. Wundern muss man sich allenfalls über das Ausmaß der Tüchtigkeit jener 20 Prozent Nettosteuerzahler, die die Chose immer noch am Laufen halten – und über ihre sagenhafte Geduld! Dass sie nicht längst eine „Revolution der gebenden Hand“ vom Zaun gebrochen haben, ist ein Wunder. Zeit, (wieder einmal!) Ayn Rands Opus Magnum Atlas Shrugged zur Hand zu nehmen…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Thema verfehlt – was war eigentlich das Thema? drucken

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss hat einen Großteil des Jahres 2012 dominiert. Viele Politiker haben ihn ebenso wie fast alle Medien positiv kommentiert. Vom Standpunkt des Rechtsstaats und der Gewaltenteilung war er aber überaus problematisch. Das Instrument Untersuchungsausschuss ist dringend reformbedürftig. Die vielfach behauptete Aufdeckung von konkreten Korruptionsverbrechen war in Wahrheit nicht Verdienst des Ausschusses.

Dieser war von serienweisen Aussage-Verweigerungen und Verletzungen des Persönlichkeitsschutzes geprägt. Seine primäre Bedeutung lag vielmehr darin, dass Abgeordnete Zugang zu vertraulichen Akten der Strafverfolgung erhielten; diese wurden dann – sofern sie jeweils andere Parteien belasten – an Magazine weitergespielt, die solcherart den „Aufdecker“ spielten.

Die dem Ausschuss zugeschriebenen Reformen sind Ergebnisse des schon davor erfolgten Bekanntwerdens von Korruptionsfällen gewesen – und in der Sache völlig unzureichend. Die wirklich entscheidenden Gesetze fehlen weiterhin.

Die Politik bis hin zum Bundespräsidenten hat den Antikorruptions-Untersuchungsausschuss dennoch intensiv gelobt. Dieses (Eigen-)Lob ist aber weitgehend unberechtigt, auch wenn der durch den Ausschuss entstandene Arbeitsumfang – insbesondere das Aktenstudium – mit Respekt anzuerkennen ist. Ebenso ist die Begeisterung vieler Journalisten über den parlamentarischen U-Ausschuss zwar verständlich, aber recht vordergründig: Er hat ihnen jede Menge an problemlos aufbereitbaren Stoffen geliefert. Das war für die Journalisten hilfreich, da ja die Innenpolitik ansonsten wenig Schlagzeilen lieferte (Die europäische Schuldenkrise und deren Bekämpfung sind vielen Medien zu kompliziert).

Bei einer distanzierten Betrachtung muss man zu einem kritischeren Blick kommen. An konkreten rechtlichen Ergebnissen hat dieser Ausschuss nämlich außer Strafanzeigen wegen falscher Zeugenaussagen nichts zustandegebracht.

Zugleich haben sich grundlegende strukturelle Probleme früherer Ausschüsse wiederholt. Deren Hauptursache sind verfahrensrechtliche Defizite sowie der verdeckte und nie offen ausdiskutierte Dissens, wozu ein solches Instrument denn überhaupt sinnvoll ist. Die zahlreichen Vorverurteilungen durch Mitglieder des Ausschusses erinnern an die üblen Zeiten des Inquisitionsprozesses (wenn auch ohne Folter). Viele Abgeordnete haben dabei das üble Verhalten vieler Medien imitiert, die gesetzliche und menschenrechtliche Unschuldsvermutung bei politischen Gegnern in eine automatische Schuldvermutung zu verwandeln.

Die im Ausschuss behandelten Korruptionsfälle

Viele Korruptionsfälle sind vom Ausschuss nur teilweise und kurz, einige intensiver angeschnitten worden. Aber auch jene Fälle, die der Öffentlichkeit überhaupt erst durch den Ausschuss bekannt geworden sind, waren schon davor Gegenstand von Untersuchungen der Staatsanwaltschaft und Polizei. Eine endgültige Bewertung und eine umfassende Übersicht über die Korruption in Österreich wird daher trotz Ausschuss erst möglich sein, wenn die diesbezüglichen Strafverfahren – so oder so – abgeschlossen sind. Daher erfolgt hier nur eine demonstrative Übersicht einzelner öffentlich besonders heftig diskutierter Fälle:

1.     Der Berater Hochegger war in einem erschreckenden Umfang die Gelddrehscheibe für Bestechungen durch die Telekom Austria. Diese hatte in der Hoffnung auf eine freundliche Gesetzgebung und entsprechende Verordnungen gleich in Richtung von vier Parteien Gelder fließen lassen.

2.     Der intensiv von staatlichen Regulierungen und Vergaben abhängige Konzern der Casinos Austria hat weitgehend wertlose Gutachten als offensichtliche Tarnung für ganz anders motivierte Zahlungen teuer finanziert.

3.     Wie schon in den letzten drei Jahren stand Exfinanzminister Karlheinz Grasser mehrfach im Zentrum. Dabei ging es vor allem um die Begleitumstände des Verkaufs der Buwog, aber auch um einige andere Vorgänge. Die Aussagen eines früheren Kabinettmitarbeiters belasteten Grasser, aber ohne dass man den schillernden Politiker dadurch als überführt bezeichnen könnte.
In der Causa Buwog sind zwei Aspekte zu prüfen: Der eine ist die Entscheidung darüber gewesen, welche Investment-Bank Ausschreibung und Verkauf begleiten soll; konkret geht es dabei um die Frage: Wieweit hat Grasser die Vergabe dieses Auftrags an eine große amerikanische Investment-Bank beeinflusst (was vielleicht rechtswidrig, aber eigentlich verständlich und im Interesse der Steuerzahler gewesen wäre, ist doch der Minister am Ende ja selbst für die optimale Ausschreibung verantwortlich)? Und zweitens: Hat Grasser dabei mitgewirkt, dass der von einem Konkurrenten gebotene Preis für die Buwog dem siegreichen Bieter bekannt geworden ist? Das wäre freilich ein ganz übler Skandal, weil dadurch die Republik zweifellos einen Schaden erlitten hat. Es ist jedoch weiterhin offen, ob Grasser das getan und in diesem Zusammenhang auch Geld kassiert hat.
Insgesamt billigten ihm jedenfalls auch Gegner zu, dass er seine mehrfachen Auftritte vor dem Ausschuss recht souverän absolviert hat. Jedenfalls muss man weiterhin auf die ausstehenden Entscheidungen der Justiz warten.

4.     Die Vergabe des Blaulichtfunks Tetron und damit verbundene Zahlungen an einen Lobbyisten sind zumindest dubios.

5.     In der Inseratenaffäre wurde aus den Akten der Staatsanwaltschaft bekannt, dass diese von Lügen („Schutzbehauptungen“) des Bundeskanzlers und seines Staatssekretärs überzeugt ist.

Die Gesetzesreformen im Kampf gegen die Korruption

Im ersten Halbjahr 2012 ist es im Kampf gegen die Korruption zu etlichen Gesetzesänderungen gekommen. In der Selbstdarstellung der Politik werden diese als Ergebnis der Tätigkeit des U-Ausschusses dargestellt. Das ist aber sowohl vom zeitlichen Ablauf wie auch von der Kausalität her falsch.

Die Gesetzesänderungen beruhen in keiner Weise auf einem Ausschuss-Bericht mit konkreten Empfehlungen, einen solchen hat es ja nie gegeben. Und diese Gesetzesänderungen sind auch schon lange vor Ende des Ausschusses und überdies in ganz anderen Gremien beraten, verhandelt und beschlossen worden. Neben den Parteienverhandlungen spielte dabei auch das Justizministerium eine Schlüsselrolle.

Viel wichtiger als diese Debatte über die Urheberschaft der Reformen ist aber ohnedies die inhaltliche Frage: Ist Österreich mit diesen Reformen künftig ausreichend gut gegen Korruption gefeit?

Die wichtigsten Reformen in Stichworten:

·        Änderung der Strafbestimmungen zu den Bereichen Anfütterung und Bestechlichkeit

·        Strengere Korruptionsregeln für Abgeordnete, Bürgermeister und Minister

·        Größere Transparenz bei Nebenjobs

·        Deutlich strengere Transparenzregeln für Parteispenden, zu denen nun auch Inserate und „Sponsoring“ gezählt werden (mit zwei öffentlich heftig kritisierten negativen Begleiterscheinungen: erstens die gleichzeitig als Ausgleich für den erwarteten Rückgang der Spenden erfolgte Erhöhung der staatlichen Parteifinanzierung und zweitens die Ausnahmebestimmungen für Spenden an Bezirksorganisationen)

·        ein Lobbyistengesetz mit einer neuen Registrierungspflicht (und verfassungsrechtlich problematischen Abgrenzungen, wer überhaupt darunter fällt – siehe Sozialpartner, Interessenorganisationen, Rechtsvertreter)

·        das Medientransparenzgesetz: Alle öffentlichen Stellen müssen den Umfang ihrer Inseratenschaltungen und sonstigen Kooperationen mit Medien melden; diese Meldungen werden dann veröffentlicht

·        ein neuer Wohlverhaltenskodex für ÖVP-Politiker.

Defizite der Reformen

Die größten Defizite der Rechtslage rund um das Thema Korruption sind jedoch so gut wie gar nicht diskutiert geschweige denn behoben worden. Insbesondere die folgenden zwölf Punkte wären für ein erfolgreiches Zurückdrängen der Korruption unverzichtbar:

·        Die als angebliche Maßnahme gegen die Schuldenkrise erfolgte Erhöhung der Vergabegrenzen: Wenn öffentliche Aufträge erst ab 100.000 Euro und nicht wie früher schon ab 40.000 Euro öffentlich nach den strengen Regeln des Vergabegesetzes ausgeschrieben werden müssen, dann reißt das ein großes Tor für korruptionsartige Vorgänge und überteuerte Beschaffungen auf.
Diese Vergabegrenzen sollten daher dringend wieder reduziert werden.

·        Die Tatsache, dass Österreich in der EU gemessen am BIP absoluter Spitzenreiter bei der Vergabe von Förderungen ist (insbesondere auch durch die Länder!): Förderungen sind von ihrem Wesen her ein ideales Instrument, um Steuergelder nach parteipolitischem Interesse an sympathisierende Organisationen zu lenken. Sie grenzen daher eng an Korruption, selbst wenn in konkreten Fällen kein Amtsmissbrauch nachgewiesen werden kann, etwa weil sie durch „demokratische“ Beschlüsse von Landtagen oder Gemeinderäten vergeben werden.
Die Dimensionen der Förderungen gehören dramatisch reduziert; die Vergaben müssen gerichtlich und verfassungsrechtlich nachprüfbar werden.

·        Die Tatsache, dass Österreichs Parteien in Wahlkämpfen weit intensiver plakatieren und inserieren, als das in allen anderen Ländern üblich ist, kostet enorm viel Geld. Keine Partei wagt aber aus Angst vor Wahlniederlagen auszuscheren. Das führt zu einem international unüblich hohen Geldbedarf der Parteien.
Plakatierungen und Inserate bzw. Privat-TV-Schaltungen durch Parteien, aber auch durch politisch aktive Organisationen (wie die scheinunabhängigen PAC-Komitees in den USA) gehören streng gesetzlich limitiert, mit besonderen Regelungen für Wahlkampfzeiten. Bei Plakaten wäre auch ein Verbot denkbar. Gleichzeitig sollte aber den Parteien entsprechend ihrer Größe (beziehungsweise für neue Parteien in fairer Dimension) im ORF unentgeltlicher und im Privatfernsehen entgeltlicher Werberaum zur Verfügung stehen.

·        Die Suche nach den Geldflüssen dauert oft Jahre.
Es fehlt weiterhin ein zentrales Bankkonten-Register: Dadurch wird die Suche nach illegalen Geldflüssen deutlich erschwert und verlangsamt.

·        Amtsgeheimnis und Datenschutz sind die besten Helfer der Korruption.
Die in Skandinavien oder Neuseeland selbstverständliche und auch in Deutschland zunehmende volle Transparenz öffentlicher Akten – mit bestimmten, engen Ausnahmen (etwa im Bereich der Strafverfolgung) – würde automatisch den Spielraum für korrupte Vorgangsweisen stark reduzieren.

·        Ein Gutteil der inkriminierten Vorgänge ist rund um staatliche oder staatsnahe Unternehmen passiert (ÖBB, Asfinag, Buwog, Telekom, Casinos Austria).
Eine rasche und vollständige Privatisierung wie auch eine Reduktion der relevanten Gesetze und Verordnungen würde die Möglichkeiten für Korruption stark reduzieren.

·        Die Oberstaatsanwaltschaft Wien hat versucht, die Inseratenvergabe zulasten rechtlich an sich völlig unabhängiger Aktiengesellschaften durch Minister als „Geschäftsführung ohne Auftrag“ zu rechtfertigen.
Diese gewagte Konstruktion gehört durch eine Änderung des Strafgesetzes und Aktiengesetzes unterbunden.

·        Media- (Schalt-) und Werbeagenturen, die in irgendeiner Form öffentliche Aufträge erhalten, arbeiten als Dank oft gratis oder fast gratis für Parteien.
Künftig sollten sie vier Jahre lang vor und nach einem solchen Auftrag nicht für Parteien arbeiten dürfen. Das muss auch für die in neuen Konstellationen antretenden Gesellschafter gelten.

·        Bei ÖBB und Asfinag sind nicht gefügige Vorstände dienstfreigestellt worden.
Unbegründete Dienstfreistellungen von Vorständen einer AG oder GmbH vor Ende der Periode müssen vom Strafrecht als Amtsmissbrauch gewertet werde.

·        Die Verletzung der Kennzeichnungspflicht von Anzeigen und Kooperationen durch Medien muss als Offizialdelikt von amtswegen verfolgt werden.

·        Die Bestechung von Medien mit Steuergeld geht trotz Medientransparenzgesetz ungehindert weiter.
Inserate und Kooperationen der öffentlichen Hand (und von ausgegliederten Gesellschaften mit einer 25 Prozent übersteigenden öffentlichen Beteiligung) müssen künftig gemäß dem Vergabegesetz ausgeschrieben werden. Dabei ist der Auftragswert eines Kalenderjahres zusammenzuzählen.

·        Alle diese Neuregelungen müssen nicht nur auf Bundes-, sondern auch auf Landes- und Gemeindeebene gelten, wo ohnedies die Kontrolle viel schwächer ist.

Der Nutzen und die Problematik des U-Ausschusses

Der Ausschuss war wie die meisten seiner Vorgänger durch mehrere unterschiedliche Problemschichten geprägt:

1.     Vor allem ist nicht klar, was eigentlich die Aufgabe solcher Untersuchungsausschüsse ist. In Frage kommen:

a.      Die Ausarbeitung von Vorschlägen für Verwaltungs- oder Gesetzesreformen in kritisch gewordenen Bereichen (wie es etwa britische Kommissionen bei sensiblen Fragen mit oft großem Erfolg tun): Das hat der Ausschuss in keiner Weise geschafft. Man hat beispielsweise nicht einmal versucht, die schwierigen Regulierungen und Vergaben im Bereich Telekom, Lotterien und Casinos aufzuarbeiten.

b.     Die konzentrierte Kontrolle der amtierenden Regierung und der Verwaltung in komplizierten Materien: Das haben die Regierungsparteien zu verhindern gewusst. Dadurch wurde der Ausschuss ganz von der Gegenwart ab- und auf die Vergangenheit hingelenkt.

c.      Die von der Justizministerin mehrfach als zentrale Aufgabe des Ausschusses genannte Wahrnehmung der „politischen Verantwortung“: Diese würde theoretisch in der Abberufung eines Regierungsmitglieds oder zumindest in einem Tadel gipfeln. Die politische Verantwortung ist aber ganz offensichtlich reine Theorie, solange keine Regierungspartei Konsequenzen verlangt.

d.     Parteipolitische Polemik und Attacken: Das ist in überreicher Form passiert.

e.      Untersuchung strafrechtlich relevanter Sachverhalte: Das ist ebenfalls in überreicher Form als Wiederholung von Aktionen der Kriminal- und Strafverfolgungs-Behörden passiert, aber zweifellos von der Verfassung her nicht Zweck eines parlamentarischen Ausschusses. Denn dadurch wird die Gewaltenteilung verletzt.

f.       Untersuchung der korrekten und effizienten Arbeitsweise der Staatsanwaltschaften: Das wäre angesichts der überlangen Dauer von Strafverfahren und der Serie von Brüchen des Amtsgeheimnisses eine legitime und wichtige Aufgabe – hätte aber logischerweise erst nach Ende der betreffenden Strafverfahren stattfinden können.

2.     Die Tätigkeit besonders dieses Ausschusses hat sich ständig mit jener der Justiz überschnitten. Zeitweise ähnelte er einem Schauprozess und Tribunal. Das ist ein schwerer Verstoß gegen die Gewaltenteilung zwischen Legislative und Justiz, aber auch gegen rechtsstaatliche Grundsätze wie etwa die Unschuldsvermutung und die Trennung von Anklage und Gericht. Vor allem die Oppositionsabgeordneten Pilz und Petzner haben sich ständig wie überscharfe Staatsanwälte geriert. Aber auch andere Parlamentarier haben die ihnen berufsbedingt innewohnende Lust an der Zuspitzung demonstriert. Der Zeuge Martin Schlaff verglich daher mit gutem Grund den Ausschuss sogar mit der Gestapo.

3.     Ein parlamentarischer Ausschuss hat bei weitem nicht die Instrumente der Strafjustiz. Er kann insbesondere keine Aufträge an die Exekutive erteilen, er kann weder Lauschangriffe starten noch ausländische Akten und Vernehmungen beschaffen. Es ist also auch aus diesem Grund sinnlos, einen Ausschuss in Konkurrenz zur Strafjustiz zu setzen.

4.     Die unfruchtbare Konkurrenz zur Justiz zeigte sich schon beim ersten und weitaus am intensivsten behandelten Kapitel; das waren die von der Telekom ausgehenden Bestechungsaktionen. Trotz vieler Zeugenauftritte wurde der weitaus wichtigste Zeuge und Haupttäter nicht geladen: Er ist von der Staatsanwaltschaft zum „Kronzeugen“ gemacht worden (der möglicherweise sogar straffrei ausgeht). Daraufhin hat das Parlament auf den Auftritt im Ausschuss verzichtet. Das hat diesen Ausschuss schon im ersten Kapitel trotz des großen gerade dafür aufgewendeten Zeitaufwandes ad absurdum geführt.

5.     Die Staatsanwaltschaft hat dem Ausschuss keineswegs alle Dokumente zur Verfügung gestellt. Einige Vernehmungsprotokolle bekamen die Parlamentarier „aus ermittlungstaktischen Gründen“ nicht, so etwa jenes des ehemaligen Asfinag-Vorstandes Franz Lückler rund um den Komplex Inseratenvergaben durch Faymann und Ostermayer. Gerade in diesem Fall kann das nur zweierlei bedeuten: Die Staatsanwaltschaft schützt die verantwortlichen Politiker Faymann und Ostermayer – oder sie hat weiteres belastendes Material gegen die beiden in der Hand. Davon ist aber bis heute nichts zu sehen.

6.     Noch sinnloser wurde der Ausschuss durch die zahllosen Antwortverweigerungen: Bis zur letzten Sitzung haben sich viele Auskunftspersonen unter Verweis auf ein gegen sie laufendes Strafverfahren der Aussage entschlagen. Das ist selbstverständliches Grundrecht jedes Zeugen (auch vor Gericht), wäre also ein weiterer Grund gewesen, die Strafverfahren erst abzuwarten.

7.     Der Ausschuss deckte zwar kaum etwas Neues auf, wurde dafür aber von den Parteien in anderer Hinsicht genutzt: Sie kamen in breitem Umfang (insgesamt 1,6 Millionen Aktenseiten) an geheimes Material der Strafverfolgung und anderer Behörden heran. Dadurch wurden Strafverfahren bekannt, von denen nicht einmal die Betroffenen etwas gewusst haben (was zwar rechtsstaatlich ebenfalls unakzeptabel ist, aber generell zu lösen ist und nicht auf dem Zufallsweg eines Ausschusses). Dieses Aktenmaterial wurde von allen Parteien penibel durchforstet – und zwar jeweils unter dem Gesichtspunkt, ob man damit politischen Gegnern etwas anhängen kann. Wenn Abgeordnete auf solches Material stießen, wurde es im Ausschuss groß thematisiert – oder vertraulich an befreundete Journalisten weitergegeben, damit diese es dann durch „Exklusivgeschichten“ in die Öffentlichkeit tragen. Es ist alles andere als Zufall, dass der heftigste Konflikt im Ausschuss, der dann auch zur Abberufung der Vorsitzenden Gabriela Moser führte, gerade um die weitere Lieferung von Akten aus Justiz und Verwaltung entbrannt ist. Das zeigt, dass es hier insbesondere (aber nicht nur) bei den Grünen um den Kern des parteipolitischen Interesses gegangen ist. Die Grünen haben sogar noch nach Ausschussende durch einen umfangreichen Bericht geheime Akten der Strafverfolgung an die Öffentlichkeit getragen. Dies alles schädigte massiv die Rechte der Betroffenen und ist zugleich eine potentielle Gefährdung der Strafverfolgung.

8.     Die Themenbereiche des Ausschusses wurden sehr unterschiedlich behandelt: bei den Bestechungen durch die Telekom geschah dies ausführlich und in vielen Details, die aber ohne Befragung des Hauttäters kein komplettes Bild ergeben konnten; hingegen wurden die Bestechungen von Tageszeitungen und Wochenmagazinen durch Inserate von Bundes- und Landesinstitutionen fast überhaupt nicht aufgearbeitet. Das hat erstaunliche parteipolitische Dimensionen: Denn rund um die Telekom gerieten vor allem Schwarz, Blau und Orange in ein schiefes Licht; rund um die Inserate wäre das vor allem der SPÖ (und etlichen Medien) passiert. Weshalb der ÖVP dieser schwere taktische Fehler passiert ist, entzieht sich der Kenntnis des Autors, ist aber deren eigene Angelegenheit.

9.     Die Weigerung der SPÖ, ihren Parteivorsitzenden in den Ausschuss zu laden, hat Werner Faymann als Hauptdrahtzieher der Inseratenaffäre peinliche Fragen und die Gefahr einer strafbaren Falschaussage erspart. Dadurch entstand aber überhaupt die größte Sinnkrise des Ausschusses. Diese Weigerung ist auch in der Öffentlichkeit heftig kritisiert worden und hat Faymann bei seiner Wiederwahl als Parteichef ein schlechtes Ergebnis eingebracht.

10.                      Der Ausschuss verzichtete sogar auf die Vernehmung durchaus aussagewilliger Personen, wie die des ehemaligen ÖBB-Personenverkehrsvorstandes Stefan Wehinger. Dieser hätte mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit Faymann schwer belastet.

11.                      Schon das Ausschussprogramm ließ Beobachter den Kopf schütteln: Anstelle der Konzentration auf ein Thema ging es nach dem Kraut-und-Rüben-Prinzip um alles, was in den Monaten davor an Vorwürfen zu hören gewesen ist, etwa durch Indiskretionen der Staatsanwaltschaft.

12.                      Die mutmaßlichen Amtsmissbräuche in der StA und OStA (durch Indiskretionen aber auch durch Nichtverfolgung strafbarer Handlungen) sind in keiner Weise thematisiert worden, obwohl hier ein unabhängiger und am Rechtsstaat orientierter Ausschuss zweifellos viel Handlungsbedarf gefunden hätte.

13.                      Der Vorsitz im Ausschuss durch Abgeordnete ist regelmäßig problematisch. Dadurch wurde die Entartung zu einem Tribunal ebensowenig verhindert wie die parteipolitische Instrumentalisierung. Abgeordnete als Vorsitzende haben nicht einmal den Anschein objektiver Unabhängigkeit.

14.                      Der Ausschuss ist mitten in seiner Arbeit durch die Koalition mit Brutalität und fadenscheinigen Argumenten abgedreht worden. Die letzten Kapitel sind höchstens kursorisch angerissen worden. Dahinter steckte die Sorge der Koalition, ein Weiterlaufen des Ausschusses hätte den Wahlkampf 2013 beherrscht. Ein weiterer Hintergrund des vorzeitigen Ausschuss-Ende: Die SPÖ hätte in einer Vorladung ihres Parteichefs einen Bruch der Koalition gesehen, wovor sich die angeschlagene ÖVP fürchtete.

15.                      Ein Untersuchungsausschuss, der ohne einen zumindest mit Mehrheit beschlossenen meritorischen Abschlussbericht und Empfehlungen endet, ist jedenfalls ein Fehlschlag.

16.                      In der Summe hat durch den Ausschuss das Image der gesamten politischen Klasse schwer gelitten. Auch die Grünen, die ja als einzige nie in Regierungsverantwortung gewesen und daher automatisch inhaltlich weitgehend unbehelligt geblieben sind, können nicht wirklich von der Ausschussarbeit profitieren. Die Vielfalt an dort erhobenen Vorwürfen hat nämlich jede individuelle Verantwortung verwischt.

17.                      Der Ausschuss war auch dadurch eines Rechtsstaates unwürdig, dass all jene Aktenteilen der Justiz ignoriert wurden, die entlastende Aussagen enthalten. Dass dies offenbar in signifikantem Umfang geschehen ist, geht aus einem leider weitgehend unbeachtet geblieben Interview des zuständigen Strafjustiz-Sektionschefs hervor.

18.                      Offen muss daher die nicht nur an Österreichs Stammtischen diskutierte Frage bleiben, ob das Land wirklich korrupter geworden ist und wie es im internationalen Vergleich dasteht. Gibt es doch in demokratischen Ländern von den USA bis Frankreich noch viel problematischere Vorfälle. Die Intensität der im Ausschuss wenigstens zum Teil behandelten Fälle ist jedenfalls erschreckend:

a.       So hat etwa die Inseratenkorruption auf Bundesebene erst mit dem Einrücken von Werner Faymann aus dem Wiener Rathaus demokratiegefährdende Dimensionen erreicht.

b.     So ist ein (inzwischen ehemaliger) Finanzminister, der beispielsweise im Plastiksack große Geldsummen über die Grenze schafft, selbst dann unerträglich, wenn man ihm seine diesbezügliche Rechtfertigung glaubt.

c.      So ist das Verhalten der Telekom als Bankomat der Parteien auch dann skandalös, wenn man ins Kalkül zieht, dass ein bis dahin von befreundeten Ministern immer behütetes rotes Unternehmen plötzlich ob der schwarz-blauen Koalition von Panik gepackt wird.

Auf der anderen Seite ist es zweifellos Faktum, dass die Sensibilität der Öffentlichkeit, die technologischen Kontrollmöglichkeiten, der schwere Verlust der Reputation der politischen Klasse und die Aggressivität der Medien heute viele Vorgänge an die Öffentlichkeit bringen, die früher nicht zu einem Skandal geworden wären.

Empfehlungen für ein besseres Funktionieren von U-Ausschüssen

Aus den Erfahrungen dieses und früherer U-Ausschüsse sowie aus internationalen Beispielen lassen sich einige Empfehlungen ableiten.

1.     Der Vorsitz sollte nur noch durch unabhängige Persönlichkeiten mit Gewicht und Erfahrung ausgeübt werden dürfen. Wenn sich die Parteien nicht mit Zweidrittelmehrheit auf einen (oder zwei) Vorsitzenden einigen können, sollte dieser durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshof nominiert werden.

2.     Die Einberufung eines Ausschusses muss einen einzigen klaren, nicht die Gewaltenteilung verletzenden Auftrag haben. Themen eines Ausschusses dürfen nur sein:

a.      die Aufarbeitung komplizierter Fragen zum Zweck einer Gesetzesreform (ein aktuelles Beispiel wäre etwa eine sinnvolle Regelung der Fragen rund um die Veranlagung öffentlicher Gelder und der dabei möglichen Risken, also das Thema der sogenannten „Spekulationen“);

b.     die Kontrolle der gegenwärtigen Regierung, Verwaltung in Hinblick auf Korrektheit und Effizienz;

c.      und die Tätigkeit oder Nichttätigkeit der Strafverfolgungsbehörden NACH dem Abschluss eines Verfahrens (beziehungsweise zwei Jahre nach Erstattung einer Anzeige, womit auch eine Verschleppung durch die Staatsanwaltschaft thematisiert werden kann).

3.     Kein Thema für einen U-Ausschuss kann ein von der Justiz verfolgtes Delikt sein. Das würde den vielen sinnlosen Vernehmungen von Personen ein Ende bereiten, die sich als Beschuldigte jeder Aussage entschlagen.

4.     Ein U-Ausschuss kann von einem Drittel der Abgeordneten einberufen werden, wobei aber jeder Abgeordnete nur zweimal in einer Legislaturperiode das Recht hat, eine solche Einberufung zu unterstützen.

5.     Behauptet ein anderes Drittel der Abgeordneten die Rechtswidrigkeit der Einberufung des Ausschusses, muss der Verfassungsgerichtshof in einem Eilverfahren entscheiden.

6.     Ebenso kann ein Drittel der Ausschussmitglieder – im Rahmen des Themas eines Ausschusses und unter Aufsicht des unabhängigen Vorsitzenden – Zeugeneinvernahmen durchsetzen.

7.     Jeder U-Ausschuss muss binnen sechs Monaten beendet werden.

8.     Wenn es über den Abschlussbericht keinen Mehrheitsbeschluss gibt, kann der Vorsitzende ad personam dem Parlamentsplenum einen Bericht samt Empfehlungen übermitteln.

(Dieser Beitrag ist in weitgehend ähnlichem Wortlaut auch im soeben erschienenen „Jahrbuch für Politik 2012“ veröffentlicht worden. Dieses Jahrbuch mit Dutzenden weiteren wichtigen politischen Analysen ist im Böhlau-Verlag erschienen).

 

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Bargeldverbot: Alle Macht dem Leviathan! drucken

Die beiderseits des Atlantiks betriebene Politik der „finanziellen Repression“ zeigt Folgen: Auf der Suche nach Möglichkeiten zum bloßen Erhalt der Vermögenssubstanz werden Sparer in Anlagen gezwungen, die weit jenseits ihrer normalen Risikobereitschaft liegen. Blasenbildungen wie im nur scheinbar sicheren Immobilienbereich oder bei dubiosen „Wert“papieren – und damit das Risiko schmerzhafter Vermögensverluste – sind die Folge.

Die Erwartung, das Geld würde zunehmend an Kaufkraft verlieren, steigert weiters die Zeitpräferenzrate, was zu einer Verringerung der Sparneigung und erhöhten Konsumausgaben führt. Dauerhafter Wohlstand setzt die Existenz eines soliden Kapitalstocks voraus – der nicht zu verwechseln ist mit dem vom Bankensektor in beliebiger Menge herzustellendem Papier-  oder Buchgeld. Dieser Kapitalstock wird aber unter den herrschenden Bedingungen nicht nur nicht aufgestockt, sondern sogar aufgezehrt. Daher sollte man sich hinsichtlich der auf uns zukommenden Entwicklung keiner Illusion hingeben: Es geht bergab. Der „Peak Wohlstand“ liegt hinter uns. Den Jungen wird es, und das nicht nur materiell, schlechter gehen als der zügig auf die Pension zumarschierenden Generation der Babyboomer.

Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, dräut eine weitere Bedrohung, derer sich die meisten Zeitgenossen noch gar nicht bewusst geworden sind: Die schleichende Einführung von Bargeldverboten. Unter allerlei Vorwänden werden von den herrschenden Dressureliten immer weiter reichende Einschränkungen des Bargeldverkehrs verordnet. Möglichst alle Zahlungen sollen über elektronisch überwachte Konten abgewickelt werden. Eine Hitliste der beliebtesten Märchen dazu:

  • Es geht lediglich darum, Steuerhinterziehern das Handwerk zu legen,
  • Bezahlen mit Kredit- oder Bankomatkarte ist wesentlich bequemer,
  • Beim Verlust einer Kreditkarte tritt, anders als bei Bargeld, keinerlei Schaden ein,
  • Anständige Bürger“ haben ohnehin nichts zu befürchten.

Da es zu den weit verbreiteten menschlichen Schwächen gehört, erst durch Schaden klug zu werden, haben die Obertanen in einigen Ländern bereits beachtliche Erfolge bei der schrittweise erfolgenden Abschaffung des Bargeldes erzielt: Italien geht mit leuchtendem Beispiel voran. Bereits jetzt gilt ein Limit von 1.000 Euro, das – falls das Land bis dahin über eine handlungsfähige Regierung verfügt – ab Mitte des Jahres auf 50 (!) Euro heruntergesetzt werden soll. Damit wird der allgegenwärtigen Cosa Nostra unzweifelhaft ein schwerer Schlag versetzt. Sie ist damit wohl so gut wie fertig. Dass indes der Besuch einer braven Familie im Eissalon schon bald im Kriminal enden könnte, falls vergessen wurde, die Kreditkarte einzustecken und sich der Gelataio auf die Annahme von Bargeld einlässt, tut dieser brillanten Maßnahme keinen Abbruch.

In Griechenland endet der Bargeldspaß bei 1.500, in Spanien bei 2.500 Euro, in Frankreich sind die regierenden Neobolschewiken noch nicht ganz mit sich im Reinen und brüten über ein zweckmäßiges Limit, in England ist der Gebrauch von 500,-- Euro-Scheinen verpönt und in Schweden träumt man bereits von der totalen Kontrolle durch den Leviathan und einem „Leben ohne Bargeld“.

Wenn das eben in Zypern über die Bühne gehende Drama nur ein Gutes gebracht hat, dann die brachial erteilte Lehre, was ein „Leben ohne Bargeld“ in einer entwickelten, arbeitsteiligen Gesellschaft bedeutet: blankes Chaos. Hätten die zypriotischen Haushalte nicht noch über gewisse Bestände an Bargeld verfügt, wäre es ihnen nach der hoheitlich verordneten fast zweiwöchigen Schließung der Banken nicht einmal mehr möglich gewesen, selbst einfachste Grundbedürfnisse zu befriedigen, also etwa Lebensmittel einzukaufen. Wer allein auf „virtuelles“ Geld in Gestalt bunter Plastikkarten angewiesen ist, muss im Fall der Fälle eben hungern. Wer an den politischen Schalthebeln sitzt, entscheidet dagegen, ob – und von wem – gegessen wird oder nicht. Entspricht das dem Wunsch mündiger Bürger?

Dass Nomenklatura und Bankenwelt entschlossen auf eine Abschaffung des Bargeldes hinarbeiten, leuchtet indes ein. Den Apparatschiks in den Politbüros geht es um eine weitere Ausdehnung ihrer Macht: Wenn es ihnen gerade nicht passt, kann sich der Bürger auf legale Weise dann nicht einmal mehr ein Stück Brot kaufen. Für die Banken ist es der zusätzlich winkende Umsatz. Schließlich bringt jede einzelne Transaktion den Finanzhäusern Geld.

Ein Leben ohne Konto wäre nicht mehr möglich – selbst einem Einsiedler nicht. Die Kontrolle des Staates über seine Bürger wäre nahezu total, denn schließlich hinterlässt jede Benutzung von Kredit- oder Bankomatkarten Spuren. Dass mit der Abschaffung des Bargeldes auch privates Eigentum ein Stück weiter dem Zugriff des Fiskus ausgesetzt wird, liegt auf der Hand. Konten einzufrieren oder abzuräumen ist für den Staat allemal bequemer, als Haussuchungen vorzunehmen, um unter Matratzen verstecktes Geld zu konfiszieren. Seine treuesten Handlanger und Komplizen – die Geschäftsbanken – stehen jederzeit bereit, dem Großen Bruder zu helfen.

Wer einwendet, er habe tatsächlich nichts zu verbergen, und es sei ihm daher egal, ob die Regierung jeden seiner Schritte überwacht, sollte sich einen Moment lang in die Lage eines regierungskritischen Nonkonformisten versetzen. Hätten die Terrorregimes des 20. Jahrhunderts über Mittel verfügt, in dem Maße jede Geldbewegung zu kontrollieren oder zu unterbinden, wie es in der Alten Welt gerade verwirklicht wird, wären die von ihnen produzierten Leichenberge noch deutlich höher ausgefallen. Und viele weitere Menschen wären dann schlicht verhungert…

Der naive Traum vom real existierenden Rechtsstaat kann – spätestens nach den rezenten Ereignissen auf Zypern – endgültig begraben werden. Jedes Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns läuft seither auf grobe Fahrlässigkeit hinaus. Der Staat ist und bleibt – wie es die zypriotische Regierung eben beispielhaft vorgeführt hat – eine kriminelle Organisation. Seine Macht kommt aus den Gewehrläufen – denen seiner eigenen Büttel oder denen der Eurogendfor, also der europäischen Gendarmerie. Rechtssicherheit gibt es nicht (mehr).

Es ist zu spät, den Anfängen zu wehren. Jetzt geht es – bis zum bevorstehenden Kollaps des herrschenden Ponzi-Systems – nur noch um Schadensbegrenzung. „Leben ohne Bargeld“ bedeutet, den in den Regierungsvierteln lauernden Räuberbanden auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein. Der Besitz von Bargeld dagegen ist ein Ausdruck von Freiheit. Entschlossener Widerstand gegen seine Abschaffung ist daher Bürgerpflicht.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Die Kirche und ihre Rolle in der Welt drucken

Nicht nur weil Ostern ist: Die katholische Kirche steht so stark im allgemeinen Interesse wie schon lange nicht. Dank des Papst-Rücktritts, der genauso wie die Persönlichkeit des Nachfolgers eindrucksvolle Demut signalisiert. Dank der Tatsache, dass das neue Kirchenoberhaupt erstmals aus der Dritten Welt kommt. Dank der immer stärkeren Desorientierung der Menschen, die aber eigentlich nach einem festen Halt suchen. Aber auch dank der brutalen Attacken von Islamisten auf Christen, und dank eines radikal-antikirchlichen Volksbegehrens aus dem linksradikalen Eck.

Das ist eine gewaltige Chance. Das könnte Aufbruchsstimmung vermitteln – die es in einigen Pfarren in Österreich schon seit längerem tatsächlich gibt. Sie ist meist, aber nicht immer von starken Priesterpersönlichkeiten geprägt, denen nur eines gemeinsam ist: Sie sehen so wie der neue Papst ihre Aufgabe nicht im Schimpfen auf andere Teile der Kirche, auf Linke oder Rechte, sondern im Dienst an der Gemeinschaft. Gewiss: Nicht jeder hat auch Charisma, wie es die Päpste Franziskus und Johannes Paul II. gehabt haben. Aber auch der büchertrockene Benedikt hat als Gelehrter eine wichtige Funktion gehabt. Auch wenn ihm organisatorisch und disziplinär manches außer Kontrolle geraten ist.

Zu Recht werden da manche sagen: Aber die üblen Verbrechen, die – auch – von Funktionsträgern der Kirche begangen worden sind! Und die auch wohl noch heute da und dort begangen werden!

An diesen Untaten gibt es nichts zu deuteln. Sie haben stattgefunden, so wie in allen anderen Bereichen menschlicher Aktivität auch. Aber es gilt Klarheit herzustellen: Nirgendwo in der Bibel wird behauptet, dass jemand automatisch deshalb ein besserer Mensch wäre, weil er Priester oder Ordensfrau ist. Diesen Eindruck hat nur ein falscher Klerikalismus zu erwecken versucht.

Bei Kirche und Christentum geht es letztlich um ganz anderes als um die menschliche Qualität der Priester: Es geht vor allem um den Auftrag an jeden einzelnen zu einer an Werten, an Idealen, an konkreter Nächstenliebe orientierten Lebensführung; und es geht um die Suche nach Wahrheit, Freiheit und Transzendenz.

Dieser Wahrheit ist die katholische Kirche deutlich nähergerückt, seit sie klar sagt, dass nichts Teil des Glaubens sein könne, was der Vernunft widerspricht. Damit ist auch der tiefe Graben überwunden, der sich einst zwischen Kirche und Aufklärung, zwischen Kirche und Liberalismus aufgetan hatte. Wobei man bei der Aufklärung genausowenig an die blutigen Exzesse der Französischen Revolution denken darf, wie beim Liberalismus an die geistige Beschränktheit eines Liberalen Forums in Österreich und bei der Kirche an die Missbräuche in manchen Konvikten.

Bei allen überwiegt heute bei weitem der positive Beitrag für den Zustand der Menschheit. Was man von den großen Totalitarismen des Nationalsozialismus, Kommunismus und Islamismus ganz und gar nicht sagen kann – auch wenn das deren Propagandisten ständig zu verwischen versuchen.

Daher ist auch das Kirchenvolksbegehren aus dem linken Eck ein ganz übler Beitrag für die Zukunft dieses Landes. Wenngleich es von der Freimaurerpartie im ORF heftig unterstützt wird, ist es in vielen Punkten verlogen.

So verdreht das Gerede von angeblichen Privilegien der Kirche alles, was der christliche wie jüdische Glaube für Land und Menschheit tut, ins Gegenteil:

Nur in den von ihnen geprägten Kulturen haben sich Freiheit und Wissenschaft in so hohem Ausmaß entwickeln können (trotz allem, was man in beiden Bereichen oft sorgenvoll beobachten muss). Nur dort gibt es (trotz aller feministischen Attacken) eine Gleichberechtigung von Frauen. Nur dort sind so früh alle Sklavenhaltergesellschaften verschwunden. Nur dort gibt es heute die weltweit größte Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit. Ist das alles Zufall oder ist es nicht viel mehr klare Konsequenz der christlich-jüdischen Werte?

Christlich motivierte Menschen haben die gewaltigsten Kunstschätze der Menschheit geschaffen, von der Musik bis zur Malerei. Es wäre beispielsweise ein riesiger kultureller, und nicht zuletzt touristisch-ökonomischer Schaden für Österreich, würde die Kirche nur noch jene Klöster und Gotteshäuser erhalten und pflegen, die sie für ihre eigenen Zwecke benötigt. Für die Kirche wäre das hingegen kein Schaden, sondern eine gewaltige Ersparnis.

Allein dieser Wert übersteigt bei weitem das, was die Kirchen aus Budgetmitteln bekommen. Wobei das ja nur ein Ersatz für jene ökonomischen Werte ist, die der Kirche von den Nazis weggenommen worden sind. Und die einst in hohem Ausmaß von frommen Spendern gestammt haben, die noch geglaubt haben, über ihr Privateigentum frei verfügen zu können. Es ist daher wohl kein Zufall, dass die Attacken der Linken auf die Kirchen auch in hohem Ausmaß Hand in Hand gehen mit deren Attacken auf das Privateigentum schlechthin. Sie bekämpfen alles, wo nicht der Staat, also möglichst sie selber, die Macht hat. Und da sind Kirche wie Eigentum die größten Hindernisse.

Die linke Hetze gegen die Kirche

Eine besonders infame Attacke der Linken richtet sich gegen christliche Schulen, Altersheime und Spitäler: Statt täglich den Trägern zu danken für ihren Beitrag zum Allgemeinwohl, wird dagegen gehetzt. Dabei kommt jeder Schüler, jeder Patient, jeder Pflegebedürftige dort die Allgemeinheit viel billiger als in staatlichen Einrichtungen. Wollen die linken Kirchenhetzer diese wirklich alle auf die Straße setzen? Oder soll das Defizit der Republik um einige Milliarden größer werden, nur damit man der Kirche scheinbar eines auswischen kann?

Gewiss kann man nachdenken über die Art des Religionsunterrichts: Wäre es nicht auch für die Kirche viel sinnvoller, dass die jungen Menschen wie in anderen Ländern dazu in Pfarrgebäude kommen müssten, und nicht total orientierungslose Religionslehrer in die Schulen? Es ist wohl auch über die Art des Kirchenbeitrags zu diskutieren: Ist nicht der in immer mehr Ländern übliche Kultus/Kultur-Beitrag sinnvoller, bei dem ohne eigene Einhebungs-Bürokratie automatisch ein Teil der Einkommensteuer einem vom Steuerpflichtigen frei zu nennenden Zweck zufließt? Einer Kirche (wenn man sie zumindest für Heirat, Taufe und Tod in Anspruch nehmen will), einem Denkmalamt, einem Atheistenverein . . .

Kardinal Schönborn hat – offenbar schon vom neuen Papst beeinflusst – ja zu Recht für eine viel stärkere Distanz zwischen Kirche und Staat plädiert. Auch wenn er bisher nicht danach gehandelt hat. Solche Distanz hat der Kirche weltweit immer gut getan, auch wenn sie in Österreich das fast nie wirklich praktiziert hat.

Man denke nur an die vollen Kirchen 1945 in Österreich nach dem Ende der nazistischen Kirchenhasser. Man denke an Polen, die Slowakei oder Slowenien, wo die Kirche als Zuflucht gegen eine Fremdherrschaft besonders stark geworden ist (ja, auch die nationale Identitätssuche war dabei wichtig – aber die ist ja nur für Linke etwas Böses). Man denke an das Aufblühen der katholischen Kirche in den Perioden einer extrem blutigen laizistischen Herrschaft in Mexiko oder Spanien, beziehungsweise die christliche Stärke nach Jahrhunderten der islamischen Herrschaft in Spanien. Man denke an die Kraft der Christen im kommunistischen Vietnam oder im islamistisch bedrohten Afrika. Und man kann fast sicher sein, dass das Christentum in seinen allerersten drei Jahrhunderten vor allem deshalb so stark gewachsen ist, weil es die einzige und daher besonders gefürchtete Antithese zu den damaligen Herrschern war.

Man denke umgekehrt an das Schwächeln der protestantischen Kirchen Nord- und Westeuropas, wo sie als Staatskirchen rapide an Bedeutung verloren haben. Dabei haben gerade die Protestanten nach Luther vielerorts als Antithese zum Kaiser Zulauf gefunden.

Man könnte im Grund die Geschichte der letzten Tausend Jahre vor allem als ein ständig wechselndes Näher- und Auseinanderrücken zwischen Kirche und Staat interpretieren. Die Kirche als Antwort auf die unbeschränkte Willkür der Herrscher: Siehe Canossa, siehe die Zweischwertertheorie.

Die Kirche, der Glaube war die erste relevante und große Antithese zur Allmacht von Staaten. Sie wurde genau dadurch (und durch viele Bibelworte) zur ersten Verkörperung der Idee von Freiheit und persönlicher Verantwortung. Und genau dies hat beispielsweise der neue Papst auch in der Antithese zur linksliberalen Populisten-Herrschaft der Kirchner-Familie gelebt.

Alte Äbte in einer alten Denkwelt

Umso erstaunlicher ist es, wie ein niederösterreichischer Abt (der sich bisher immer in der Nähe der Mächtigen gezeigt hat) in dieser Situation in einem Radio-Interview spricht. Statt sich massiv mit dem Kirchenvolksbegehren auseinanderzusetzen, mit der islamisch getriebenen Christenverfolgung, mit dem Fehlverhalten einzelner Menschen, mit den immer an der Spitze der Kirchverfolger stehenden Grünen (und deren gegenwärtigen Generalangriff auf das Konkordat) hat der Mann zu einer Generalattacke auf die „Wirtschaft“ ausgeholt. Populistischer geht’s nimmer.

Er definiert nicht, was „Wirtschaft“ eigentlich ist (denn würde er nachdenken, dann müsste er erkennen, dass es wir alle sind!). Er begreift nicht, dass die Politik den Karren in den Dreck gefahren hat, und will der Politik, die er nur oberflächlich tadelt, noch viel mehr Macht verschaffen. Er begreift nicht, dass die Freiheit des individuellen Agierens die dringend notwendig Antithese zur immer größeren Allmacht der Politik, also der Parteien ist. Er begreift nicht, dass das Vorbild des Papstes in persönlicher Demut, Bescheidenheit und Nächstenliebe sowie im Mut, Menschen an ihre individuelle Verantwortung zu erinnern, besteht und nicht in irgendwelchen politischen Konstruktionen. Er hat nicht gehört, dass die Worte des Papstes vor allem gegen „eine verweltlichte Kirche“ gerichtet sind. Statt dessen will der Propst von Herzogenburg noch näher an die Welt, also die Politik heranrücken.

Aber jedes Mal, wenn ich solche politisierenden Kirchenmänner gefragt habe, welches konkrete Wirtschafts- und Politikmodell denn ihrer Meinung nach verwirklicht werden soll, kneifen sie und flüchten sich in das Argument: Wir sind ja keine Ökonomen. Eh nicht. Aber sie sollten halt auch nicht so tun, als ob sie es wären. Die Kirche hat ja auch irgendwann einmal eingesehen, dass sie nicht die Hüterin der Astronomie oder der Evolution ist. Also sollte sie es auch bei der Wirtschaft nicht.

Sie hat ja ohnedies von der Nächstenliebe bis zur Transzendenz gewaltige Aufgaben, denen sich viele Männer und Frauen jenseits des Scheinwerferlichts mit neuer Kraft stellen.

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Buchbesprechung: Inside Occupy drucken

Beim Erwerb dieses Buches schloss der Rezensent aus dessen Titel auf eine kritische Auseinandersetzung mit dem besprochenen Thema – etwa in der Art der amüsant zu lesenden Polemik „Unter Linken“, aus der Feder von Jan Fleischhauer. Ein Irrtum. Denn der Autor, der amerikanische Kulturanthropologe David Graeber, ist keineswegs von der zeitgeistigen Religion des Antikapitalismus abgefallen, sondern ein von seiner Sache mehr denn je überzeugter Aktivist der Occupy-Wallstreet-Bewegung.

Nach eigener Einschätzung ist er Anarchist. Wenn das jemand von sich behauptet, dann handelt es sich gewöhnlich um radikale linke Kollektivisten, die privates Eigentum strikt ablehnen, sofern es das Ausmaß von Leibwäsche, Monatsbinden und Rasierzeug übersteigt. Historische Exemplare dieser Gattung waren etwa Pierre-Joseph Proudhon oder Michail Bakunin. „Rechte“ Anarchisten dagegen – die sich auch selbst als solche verstehen, Individualanarchisten oder „Anarchokapitalisten“ – traten, wie Murray Rothbard, wesentlich später, nämlich erst im zwanzigsten Jahrhundert, auf den Plan. Dagegen hätten die Herren Lysander Spooner, Henry Thoreau oder Max Stirner wohl vehement bestritten, Anarchisten zu sein.

Von einem Mann, der seine Hand an der Wiege der Occupy-Bewegung hatte und der von der Verwerflichkeit der Marktwirtschaft einerseits und der Korruption des politischen Systems der USA andererseits tief überzeugt ist, kann keine kritische Auseinadersetzung mit dem Thema „Occupy“ erwartet werden. Dafür liefert er hochinteressante Einblicke in die Welt dieser vermeintlich Unterprivilegierten, die sich zu einem, nach anfänglicher Zurückhaltung von den Hauptstrommedien (besonders in der Alten Welt) sehr wohlwollend kommentierten, kapitalismusfeindlichen Haufen zusammengefunden haben.

Graeber sieht in ihnen eine Mischung aus „klassischen Liberalen“ und ein „bunt zusammengewürfeltes Häufchen von Anarchisten und Marxisten“ versammelt. In der Tat scheint Occupy – im Unterschied zur Tea Party – ein recht heterogenes Gemenge von Frustrierten und Zukurzgekommenen zu vereinen, die sich im Wesentlichen durch zwei Affekte verbunden wissen: Neid und den Hass auf „die da oben“. Die da oben – auch das unterscheidet Occupy von der Tea Party – sind in ihrer Wahrnehmung nicht etwa Politbonzen und beamtete Staatsdiener, sondern das „eine Prozent“, dem angeblich fast der gesamte Reichtum der Nation gehört; Menschen also, die ihren Besitz, wenigstens zum größeren Teil, nicht Nepotismus und politischen Seilschaften, sondern ihrem Fleiß, ihrer Tüchtigkeit und ihrem wirtschaftlichem Geschick zu verdanken haben.

Wenn also die Occupy-Bewegten etwas am Staat stört, dann nur, dass es nicht genug davon gibt – den „Reichen“ also nicht genug von ihrem Wohlstand abgenommen und an sie – die „99 Prozent“ – umverteilt wird. Dem akademischen Lumpenproletariat (der Autor enthält sich der Verwendung dieses von Karl Marx erfundenen Begriffs) kommt bei Occupy eine wesentliche Bedeutung zu. Das ist kaum verwunderlich, da es in den USA „Gratisstudien“ wie in Europa nicht gibt. Folglich haben Studienabsolventen, die sich für Orchideenfächer entschieden haben, nicht über reiche Eltern verfügen und – Überraschung! – keine ihren hochgesteckten Erwartungen entsprechende Anstellung finden, mit der Rückzahlung ihrer Studienkredite naturgemäß große Probleme (dazu wird der Fall einer Literaturwissenschafterin zitiert).

Dass jene Geldhäuser, die Studienkredite vergeben haben und nun rigoros auf Rückzahlungen durch die Jungakademiker dringen, im Zuge von „Bankenrettungsaktionen“ mit Steuermitteln gestützt wurden und werden, befördert den Unmut dieser jungen Leute, was zu verstehen ist. Dass es allerdings die hohe Politik war, die die „Finanzkapitalisten“ erst zu jenen Monstern hochgepäppelt hat, die nun angeblich „too big to fail“ sind und deren Rettung nun die Schulden der Nation in Schwindel erregende Höhen befördert, scheint ihrer und der Aufmerksamkeit des Autors entgangen zu sein.

Im interessantesten Abschnitt des Buches, „Was, zum Teufel, ist Demokratie?“ kommt Graeber zu einigen – für einen Linken – bemerkenswerten Einsichten, was systembedingte Konstruktionsfehler der Demokratie angeht. Eher ermüdend dagegen fällt jener Abschnitt aus, der sich mit prozessoralen Fragen, wie solchen der Organisation und Abwicklung von Zusammenkünften, beschäftigt. Endlose, wohl organisierte, Palaver um des Kaisers Bart scheinen auch heute noch schlechthin das sinnstiftende Merkmal „basisdemokratischer“ Organisationen zu sein – da bildet Occupy Wallstreet keine Ausnahme.

Dass der Autor – wie die meisten selbsternannten Kapitalismuskritiker – keine Ahnung von der Funktionsweise einer arbeitsteiligen Wirtschaft zu haben scheint, bedarf kaum der Erwähnung. Besonders deutlich wird dieses Wissensdefizit, wenn er wohlwollend über einen gewissen Michael Albert schwadroniert, der einen detaillierten Plan ausgearbeitet hat, „wie eine moderne Wirtschaft ohne Geld nach basisdemokratischen Prinzipien funktionieren könnte.“ In Plastikfelle gehüllte Basisdemokraten, die in unbeheizten Höhlen Eier gegen Nägel und Ziegel gegen Semmeln tauschen – das wäre bestimmt spaßig! Die bemerkenswerte Erkenntnis, dass der „…Kommunismus (…) ohnehin Fundament jeder einvernehmlichen sozialen Beziehung ist.“ beseitigt die letzten Zweifel darüber, wes Geistes Kind hier am Werk ist. Sich weiter von der Realität zu entfernen, scheint kaum noch möglich zu sein.

David Graeber nennt sich Anarchist. Entscheidend ist allerdings nicht, wie jemand sich bezeichnet oder was er glaubt zu sein, sondern vielmehr, was er tatsächlich ist. Seine Begeisterung für das „Gemeineigentum“ teilt er mit den utopischen Sozialisten des 18. und 19. Jahrhunderts. Und wenn er – im persönlichen Wunschkatalog am Schluss seines Buches – „die Entfesselung politischen Verlangens“ und „eine Art Garantie für existenzielle Sicherheit“ fordert, dann riecht das schon stark nach Marx´ Credo „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“. Der Autor lebt also mit einem manifesten inneren Widerspruch, der einer Auflösung harrt: Orthodoxe Marxisten nämlich wollten mit (syndikalistischen) Anarchisten nicht nur nie etwas zu tun haben, sondern haben sie sogar – und zwar noch eher als ihren kapitalistischen Klassenfeind – vehement bekämpft. Was also ist er nun tatsächlich – Anarchist oder Kommunist? Fragt sich aus Sicht des Autors, mit den Worten Johann Nestroys: Wer ist stärker – i oder i?

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Inside Occupy
David Graeber
Campus Verlag 2012
200 Seiten, broschiert
ISBN 978-3-593-39719-1
€ 14,99,-

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SN-Kontroverse: Papsttum drucken

In jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten gibt es eine Doppelkolumne mit dem Titel Kontroverse, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Ist das Papsttum noch zeitgemäß?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Menschennähe statt Dogmen

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Katholikinnen und Katholiken weltweit wissen, dass das Papsttum derzeit nicht zeitgemäß ist. Der zurückgetretene Papst Benedikt XVI. hat die Kirche dem neuen Papst aus Argentinien stark reformbedürftig hinterlassen. Der erste lateinamerikanische Papst wird neue Wege beschreiten müssen, nach außen und nach innen. Franziskus I. wird gut daran tun, den Umgang mit Angehörigen andere Religionen zu entkrampfen und das Verhältnis zu den einfachen Mitgliedern der Katholischen Kirche auf Augenhöhe zu gestalten.

Unvernünftig, unverständlich, menschen- und lebensfeindlich ist das Festhalten am Zwangszölibat. Jene, die sich mit sexuellen Missbrauchsfällen im katholischen Umkreis auseinander setzten mussten, weisen deutlich darauf hin, dass das Zölibat eine der Hauptursachen für viele Übergriffe ist. Insgesamt ist die Haltung zur Sexualität verkrampft. Eine Kirchenführung, die ihren Mitgliedern die Verwendung von Empfängnisverhütungsmitteln verbietet, weiß wenig über die wirklichen Probleme der Menschen. Verzopft, veraltet und verkrampft ist das Verhältnis gegenüber Frauen. So als wären sie Menschen zweiter Klasse. Die Pfarrinitiative verlangt mit vielen guten Gründen einen Papst, vor dem alle Menschen, Frauen und Männer, gleich sind an Würde und Rechten - wie vor Gott; einen Papst, der nicht regieren will, sondern die Kirche anleitet und ihr hilft, sich selbst zu regieren; einen Papst, der nicht so sehr Stellvertreter Christi, sondern Stellvertreter der Gläubigen bei Gott sein will; einen Papst, der statt die Einheitlichkeit der Kirche zu fordern, ihre Einheit in der Verschiedenheit fördert; einen Papst, der statt die Unterschiede der Konfessionen und Religionen deren Gemeinsamkeiten betont; einen Papst, der weniger Dogmen, Zucht, Ordnung predigt, sondern Freude, Hoffnung, Zuversicht.

Will Papst Franziskus I. die Kirche zeitgemäß gestalten, hat er viel zu tun.


Die Zeit ist ein ganz schlechter Ratgeber

Andreas Unterberger

Es ist geradezu amüsant, wenn in zahllosen Kommentaren derzeit verlangt wird, das Papsttum, die Kirche, der Katholizismus solle endlich zeitgemäß werden. Die große Mehrzahl der Katholiken – wenn man von ein paar Schüllers absieht – will das nämlich keineswegs. Dazu ist diese "Zeit" auch viel zu wenig attraktiv: mit ihrer Zerstörung der Familie, mit ihren radikalfeministischen Blüten, mit ihrer Konsumorientierung, mit ihrem Verlust von persönlicher Verantwortung in Wirtschaft und Gesellschaft, mit ihren korruptionären Sümpfen, mit ihrer Verstaatlichung – und damit automatisch Destruktion – der individuellen Aufgabe der Nächstenliebe.

In jenen Phasen ihrer Geschichte, wo die Kirche "zeitgemäß" war, ist es ihr besonders schlecht gegangen, etwa als die Renaissancepäpste ein genauso mieses Lotterleben führten wie die anderen Renaissancefürsten ihrer Zeit. Oder als Priester im Zuge der "sexuellen Befreiung" der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts reihenweise des Missbrauchs an Jugendlichen schuldig wurden, so wie die staatlichen Erzieher jener Zeit etwa auch in grünen Vorzeige-Internaten (nur mit weniger schlechtem Gewissen).

Hätte das Christentum in seinen Gründungsjahrhunderten "zeitgemäß" sein wollen, dann hätte es nicht zahllose Gläubige zum Märtyrertod geführt, sondern halt "zeitgemäß" die jeweils regierenden Kaiser als Götter anerkannt und ihnen geopfert. Nach dem zeitgemäßen Wort: Eh wurscht. Aber es war sich damals der Worte seines Gründers voll bewusst: "Mein Reich ist nicht von dieser Welt." Zum Glück für die Kirche deutet alles darauf hin, dass auch der neue Papst mit seiner total unzeitgemäßen Demut und Bescheidenheit mehr auf die dauerhaften Werte seiner Kirche schauen wird. Und nicht auf die oberflächlichen Kommentare vieler Journalisten – von denen noch dazu der Großteil keinerlei inneren Bezug zur Kirche hat.

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Fußnote 418: Linksliberaler Selbstmord drucken

Für viele ist durch den Zusammenschluss von Neos und Liberalem Forum die letzte Hoffnung auf eine wirklich liberale Alternative zu den anderen Parteien gestorben.

Während man eine bloße Listen-Kooperation zwischen den beiden noch als unvermeidliche Wahlstrategie zweier Kleinstgruppen hinnehmen hätte können, so hat Neos-Obmann Matthias Strolz nun selbst die letzten Illusionen zerstört: Die Wahlprogramme von LIF und Neos seien „so gut wie deckungsgleich“, jubelte er. Ein paar Wochen zuvor hatte Strolz auch die Nähe vieler seiner Neos zu den Grünen klargemacht. Na dann, gute Reise. Von links nach links. Was das LIF bedeutet, haben wir ja schon bisher immer wieder sehen können: Desinteresse an wirtschaftlichen Fragen, Genderismus, Political Correctness, Antifa, pro-schwule und anti-christliche Positionen, kurz: linker Sozialdemokratismus ohne Gewerkschaft. Das Ganze wird nun auch noch durch einen fanatischen EU-Europäismus übertroffen. Wirklich Liberales wie das Recht auf Freiheit in allen Bereichen (von der Familie bis zur Meinung), das Recht auf Eigentum, weniger Staat, Deregulierung, Privatisierung und eine Betonung der Rechte kleiner Einheiten hat sich hingegen schon beim LIF nicht einmal in Spurenelementen gefunden.

 

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Die Verlogenheit der Wiener Rathaus-Partie drucken

Sie hetzen unter Verschwendung vieler Steuermillionen gegen die Privatisierung und privatisieren dennoch zugleich selbst wie wild drauf los. Wo es ihnen passt und nützt. Verlogener geht’s nimmer.

Rot und Grün genieren sich nicht einmal, sogar am Höhepunkt der Propaganda gegen Privatisierungen ein Riesenstück der Stadt zu privatisieren. Offenbar können sie sich sicher sein, dass die von ORF, Krone und „Österreich“ verblödeten Menschen dennoch im Sinne von Rotgrün gegen die Privatisierung stimmen werden.

Im jüngsten Beispiel der linken Doppelzüngigkeit geht es um die Donau-Insel. Ein soeben neu gegründeter Verein (natürlich ganz bestimmt lauter ehrenwerte Leute ohne Nähe zur Partei) wird jetzt alle Konzerte auf der „Festwiese“ der Donauinsel exklusiv koordinieren und die „Rahmenbedingungen“ schaffen. Und er wird auch gleich mit 200.000 Euro Steuergeld gesegnet. Wie es in Wien ja zweifellos jeder Verein bekommt.

Diese Rathaus-Logik muss ein normaler Mensch erst lernen: Wenn Linke einen Verein gründen, ist das gut. Und da darf weiter privatisiert werden. So wie die Gemeinde – um nur ein weiteres Beispiel zu nennen – mit den parteieigenen beziehungsweise -nahen Verlagen Echo und Bohmann weiterhin die windigsten Geschäfte machen darf. Wenn es hingegen andere Vereine oder Unternehmen sind, bricht plötzlich die Katastrophe eines ominösen Liberalismus aus.

Unverschämter und verlogener geht’s nimmer. Oder doch?

Es geht sehr wohl. Das Rathaus war sogar imstande, zwischen zwei unmittelbar hintereinander stehenden Sätzen einen absoluten Widerspruch zu formulieren.

Man schaue sich nur die Fragen 3 und 4 der sogenannten Volksbefragung an. In der Frage 3 heißt es: „Die kommunalen Betriebe bieten der Wiener Bevölkerung wichtige Dienstleistungen. Zum Beispiel Wasser, Kanal, Müllabfuhr, Energie, Spitäler, Gemeindewohnbauten und öffentliche Verkehrsmittel. Sind Sie dafür, dass diese Betriebe vor einer Privatisierung geschützt werden?“ In der folgenden Frage 4 heißt es hingegen: „Soll die Stadt nach dem Beispiel der Bürger/innen-Solarkraftwerke weitere erneuerbare Energieprojekte entwickeln, die mit finanzieller Beteiligung der Bürger/innen realisiert werden?“

Alle Juristen und Ökonomen sind sich freilich einig: Wenn sich Bürger an einem Kraftwerk beteiligen, dann ist dieses zur Gänze oder zum Teil privatisiert. Aber genau das (also die Privatisierung) soll laut Frage 3 verboten werden! Dabei will Frage 3 sogar ausdrücklich die Privatisierung eines Energie-Unternehmens verbieten!

Bisher habe ich ja geglaubt, nur der Bürgermeister ist die meiste Zeit berauscht. Aber ganz offensichtlich kennt der rot-grüne Machtrausch in Wien weit über die Person des Herrn Häupl hinaus überhaupt keine Grenzen der Unanständigkeit und Unlogik mehr.

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Weil die Wirtschaft Dienerin ist… drucken

Wir leben in einer Zeit ideologischer Engführungen. Insbesondere politische, mittlerweile aber auch wissenschaftliche Diskurse leiden unter der ideologischen Vereinnahmung der Vernunft, die nicht mehr demütig Wahrheit und Wirklichkeit ergründen, sondern diese hervorbringen will. Daher muss den folgenden Ausführungen zum Dienstcharakter der Wirtschaft ein kurzer Exkurs zu den grundlegenden geistigen Verwerfungen der Gegenwart vorangestellt werden. Diese Anmerkungen sollen jedoch mit Blick auf das wesentlich engere Anliegen dieses Kommentars, der eine Entideologisierung der Wirtschaft auf gesellschaftlicher Ebene bzw. der materiellen Güter auf der individuellen Ebene begehrt, gelesen werden. Mit anderen Worten: Es ist höchst an der Zeit, dass das Streben nach materiellen Gütern wieder Maß nehmen lernt.

Ein Kennzeichen des neuzeitlichen Denkens ist seine Zersplitterung, die sich in weiterer Folge in der Ausformulierung von notwendig einseitigen Ideologien manifestiert. Dort, wo die abendländische Ordnungsvorstellung das ergänzende Aufeinanderbezogensein alles Geschaffenen erkennt – das, wie dem Schöpfungsbericht zu entnehmen ist, für sich genommen von Gott als „gut“, in der geordneten Ganzheit sogar als „sehr gut“ bezeichnet wird, weswegen trotz relativer Eigenständigkeit die das jeweilige Begriffspaar konstituierenden Einzelteile Glaube und Vernunft, Mann und Frau, Gerechtigkeit und Liebe nicht voneinander getrennt werden dürfen – sieht die Gegenwart nur mehr ein unüberbrückbares oder – Individuum oder Gesellschaft, Privateigentum oder öffentliches Eigentum, Sinneswahrnehmung oder Verstand, Talent oder Fleiß, Erkenntnis oder Tat.

Charakteristisches Merkmal einer Ideologie ist eben, dass sie einen wesentlichen Aspekt der menschlichen Existenz seinswidrig überhöht, d.h. Bedingtes absolut setzt. Das Problematische z.B. am Liberalismus ist nicht seine Feststellung, dass der Mensch ein freies Wesen ist, sondern die Auffassung, dass es keine verbindliche Wahrheit und damit auch keine Wahrheit vom Menschen, sein Woher und sein Wohin gäbe. Das Problematische am Individualismus ist nicht, dass er die Personenwürde gegen eine unbotmäßige Vereinnahmung der Gesellschaft schützt, sondern die Ansicht, dass der Mensch seinem Wesen nach kein soziales Wesen sei, das erst am Du des Nächsten ganz Mensch wird. (Darunter krankt auch der Feminismus als eine Variante des Individualismus.) Mutatis mutandis gilt für die extremistischen Zerrformen des Sozialismus und des Kollektivismus, dass sie dem Einzelnen nicht den nötigen Freiraum zur eigenständigen und damit eigenverantwortlichen Entfaltung zugestehen.

Es gilt diesen wenig fruchtbaren und die Gesellschaft spaltenden Kampf zwischen den genannten ideologischen Zerrformen zu überwinden. Es ist weder die Freiheit, die uns frei macht, noch ist es die Gesellschaft (oder die Institutionen) sondern, wie gerade auch Papst Benedikt XVI. immer wieder betont hat, die Wahrheit (vgl. Joh 8, 32).

Mit anderen Worten: Ein Freiheitsverständnis, das sich in einem ideologischen Emanzipationsakt von der Wahrheit loslöst und nur mehr in der Kategorie der „Freiheit von“ denkt, übersieht, dass der Mensch geschaffen ist, sich in Freiheit für das höchste Gut schlechthin, d.h. Gott zu entscheiden. Ein ganzheitliches Freiheitsverständnis weiß um die aufeinander bezogenen und einander bedingenden beiden Aspekte der Freiheit. Es verbindet die zu achtende freie, subjektive Entscheidung des Einzelnen – die formale Dimension – mit der dem Menschen vor- und aufgegebenen vollen Erfüllung der Freiheit in der Ausrichtung auf das summum bonum – die materielle Dimension. Ein ganzheitliches Menschenbild anerkennt dementsprechend die Individual- und Sozialnatur des Menschen, sowie die wechselseitige Ergänzungsbedürftigkeit von Mann und Frau.

Wider die Materialisten

Nimmt man sich aus diesen, heutzutage allgegenwärtigen ideologischen Scheindebatten heraus, so ergeben sich bemerkenswerte Gemeinsamkeiten der beispielhaft erwähnten Ideologien. Aus einem nicht-ideologischen Blickwinkel erscheinen sie in den wesentlichen Punkten nicht mehr als Gegner, sondern bloß als Konkurrenten. Woraus setzt sich jenes Substrat zusammen, das den genannten Ideologien gemein ist und deren Überwindung die dringend nötige intellektuelle und gesellschaftliche Großtat darstellt?

Liberale und Sozialisten sind etwa im Regelfall Materialisten. Eines der höchsten gesellschaftlichen Ziele ist für beide Gruppierungen die Maximierung des materiellen Wohlstands, der zum Selbstzweck überhöht wird. Der Streit dieser beiden Fraktionen entzündet sich vornehmlich an der technischen Frage, wie dieses Ziel zu erreichen sei. Von der einen Fraktion, namentlich der liberalen, wird tendenziell auf die weitest mögliche Ausdehnung der auf dem Privateigentum an den Produktionsmitteln basierenden Marktwirtschaft gedrängt, während die Sozialisten das Gesellschaftseigentum an den Produktionsmitteln, neuerdings die weitest mögliche Politisierung des Einkommens anstreben.

Daher ist es wenig überraschend, dass Liberale und Sozialisten in der Geschichte gleichermaßen die überlieferten Tugendvorstellungen instrumentalisiert bzw. bekämpft haben und die sie stützenden Institutionen, darunter insbesondere die Katholische Kirche, das Naturrecht, die monogame, auf die Weitergabe des Lebens offene Ehe und die subsidiäre Gesellschaftsordnung attackierten. Wirtschaftspolitisch unterstützten beide Strömungen die Großindustrie und das auf exzessiver Kreditproduktion beruhende, die wirtschaftliche Zentralisierung fördernde moderne Bankensystem. Liberalen wie Sozialisten galt die Großindustrie als wesentlich effizienter als das Handwerk und das Kleingewerbe und beide Gruppierungen waren und sind entschiedene Gegner der Landwirtschaft. Aufgrund des von beiden Ideologien geteilten Materialismus ist es nur nahe liegend, dass seit jeher die Großindustrie und ihre Interessensvertreter eine unheilsvolle Allianz mit den familienfeindlichen, marxistischen Ideologen bildet. Die zum Produktionsmittel entwürdigte menschliche Arbeitskraft ist auf das Ziel der Gewinn- und BIP-Maximierung auszurichten und jegliche Bindung, wie die Bindung der Mütter an ihre Babys, steht diesem Unterfangen im Weg.

Das ob seiner eklatanten methodischen Schwächen unhaltbare Konzept des Brutto-Inlandsprodukts spiegelt diese einseitige Auffassung von materiellem Wohlstand wider, denn das BIP bildet lediglich die monetären Markttransaktionen ab. Eine sich mit allen wirtschaftlichen Gütern selbst versorgende Familie, um ein Extrembeispiel zur Verdeutlichung heranzuziehen, würde ein BIP von Null Euro ausweisen. Ob diese Familie auch materiell arm ist, steht auf einem anderen Blatt.

Die entgeltliche, steuerfinanzierte Fremdbetreuung von Kindern erhöht wiederum das BIP und ist einer der Motoren des „Wirtschaftswachstums“ in den als fortschrittlich geltenden skandinavischen Ländern. Die entscheidenden vor- und außerökonomischen Fragen, welche Form der Kinderbetreuung denn dem Kindeswohl am besten entspricht oder welche Form der Güterproduktion den Bedürfnissen von Familie und Gemeinwesen die seinsgemäße Entfaltung sichert, dürfen in Zeiten des Wachstumsfetischs nicht mehr gestellt werden.

Gerade die so genannten konservativen Parteien sind gegenwärtig dem Götzen Wirtschaftswachstum hoffnungslos verfallen, mehr noch als viele linke Parteien, die tendenziell die Verteilungsproblematik (über-)strapazieren. Diese Haltung ist jedoch alles andere als im eigentlichen und besten Sinne konservativ, sondern im Kern ein plumper Materialismus, der ideengeschichtlich immer links verortet war.

Wozu statt Wie

Und wie jedes Idol, so fordert auch die ideologische Überhöhung der Wirtschaft zum Selbstzweck – die das letzte einigende Band einer zunehmend geistlosen Gesellschaft zu sein scheint – ihre Opfer. Der Mensch, der ein Leib-Seele-Wesen ist, verkommt zu einer materialistischen Kümmerexistenz als bloßer Produzent und Konsument. Die Familie wird zu einer Zuchtanstalt für Humankapital degradiert, die sich an die Bedürfnisse der Wirtschaft ebenso widerstandslos anzupassen hat wie die Heimat, die in ihrer Entwertung zum Wirtschaftsstandort all ihre gesellschaftlichen, kulturellen und sozialen Eigenheiten im Wettbewerb um Investitionen und Arbeitskräfte aufzugeben hat und deren Naturschönheiten vor der Zerstörung nur gerettet werden, sofern sie touristisch ausgeschlachtet werden können. In einer Gesellschaft, die nur mehr (subjektive) Tauschwerte anerkennt, haben die Eigenwerte des Schönen, Guten und Wahren keinen Platz mehr.

Die Antwort auf diese fundamentale Gesellschaftskrise der Gegenwart – die Wirtschaftskrise ist nur Ausdruck dieser Krise, deren Wurzeln viel tiefer liegen – ist die Abwertung der technizistischen Frage „Wie?“ und die Aufwertung der Frage: „Wozu? Wozu leben wir? Wozu benötigen wir die wirtschaftlichen Güter?“

Mit diesen Fragestellungen werden jene Themenfelder geöffnet, die durch Individualismus, Subjektivismus und Relativismus für Jahrzehnte der öffentlichen Erörterung entzogen worden waren. Um zu erkennen, worin das Maß des Wirtschaftens liegt, muss zunächst die Frage nach dem Sinn des Lebens und der Bestimmung des Menschen gestellt werden.

Das abendländische Menschenbild hat in der Erlangung der Tugendhaftigkeit das Äußerste dessen erkannt, was der Mensch seiner Natur nach erreichen kann. Der kluge, gerechte, tapfere und Maß haltende Mensch agiert wahrhaft frei, da er durch die Anerkenntnis seiner Natur die Ursache seiner eigenen Handlungen ist, während das Laster und die Sünde den Menschen fremd bestimmen und damit verknechten (vgl. Joh 8, 34). Deswegen ist es auch nur die Wahrheit, und insbesondere die Wahrheit über den Menschen, die den Menschen frei macht.

Das Streben nach materiellen Gütern erhält somit sein Maß aus den übergeordneten Gütern der menschlichen Existenz. Dies ist keine Sozialromantik, sondern schlichtweg eine Schlussfolgerung aus der Tatsache, dass der Mensch ein Leib-Seele-Wesen ist, das zur Erlangung der ewigen Glückseligkeit bestimmt ist. Dass vergängliche, materielle Güter niemals ewiges Glück bewirken können, sollte unmittelbar einsichtig sein. Das bedeutet aber eben auch nicht, dass das Streben nach materiellen Gütern an sich unmoralisch ist, sondern nur insofern, als sie uns von diesem natürlichen Ziel abringen. Das Zuviel ist ebenso zu meiden wie das Zuwenig. Christlich gewendet darf das Streben nach den vergänglichen Gütern nicht dazu führen, dass der Mensch das ewige Gut – die glückseligende Schau Gottes – verliert.

Streben nach Tugendhaftigkeit und Heiligkeit

Die Öffnung des Menschen hin auf die Transzendenz führt geradewegs dazu, dass auch die Wirtschaft wieder in den Dienst des Wahren, Schönen und Guten gestellt wird und dadurch zur geistig-sittlichen Hebung des Menschen, gerade auch im Arbeitsalltag beiträgt.

In praktischer Hinsicht würde sich die Hinordnung der Wirtschaft auf die Bedürfnisse der Familie, die als Keimzelle der Gesellschaft für deren Fortbestand unaufgebbar ist, u.a. in die Förderung einer kleinräumigen Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur übersetzen, was der in seiner Heimat viel zu wenig beachtete Leopold Kohr in das schöne Bild der „Fußgängerstadt“ verarbeitet hat. Wie viel gemeinsame Zeit verlieren heutzutage die Familien, ja überhaupt die sozialen Kontakte durch das Pendeln?

Der Irrwitz der „Wirtschaftsförderungsmaßnahme Fremdbetreuung“ käme klar zum Vorschein, weil eine ihren Dienstcharakter annehmende Wirtschaft nicht mehr die Ergebnisse der Bindungsforschung ignorieren würde, wonach insbesondere Unter-Dreijährige unter der Fremdbetreuung leiden. In einem anderen wirtschaftspolitischen Kontext würde die Rückbesinnung auf den Dienstcharakter der Wirtschaft die Frage stellen, ob etwa die von einer ideologischen Überhöhung des Handels bewirkte Auslagerung von Schlüsselindustrien und der Lebensmittelversorgung tatsächlich im Interesse des Gemeinwesens wäre, selbst wenn die Ausweitung des internationalen Handels kurzfristige Effizienzgewinne verspräche.

Sämtliche menschliche Institutionen sind dazu da, dem Menschen in seinem Streben nach Tugendhaftigkeit und Heiligkeit zu unterstützen. Überall dort, wo Institutionen beginnen, den Menschen zu verzwecken, sei es das Postulat der Gewinnmaximierung, sei es die Politisierung aller Lebensbereiche, verletzen sie die dem Menschen unabsprechbare Personenwürde.

Noch jede Ideologie hat Freiheit und Glück versprochen und Dritte für die Nichtverwirklichung des Paradieses auf Erden verantwortlich gemacht. Noch jede Ideologie brachte aber stattdessen Knechtschaft und existentielle Leere, weil der jeder Ideologie innewohnende Reduktionismus die ganzheitliche und auf Selbstüberschreitung angelegte Natur des Menschen verkennt.

Weil die Wirtschaft Dienerin ist, muss sie von Aufgaben befreit werden, die sie ihrem Wesen nach nicht erfüllen kann. Die Überhöhung der Wirtschaft zum Selbstzweck wird allerdings erst enden, wenn die gesellschaftliche Debatte auf allen Ebenen erneut die grundlegenden existentiellen Fragen zu debattieren beginnt und erkennt, dass der Mensch nicht von Brot allein lebt.

Mag. Gregor Hochreiter, Ökonom
Vorstand „Oekonomika – Institut für angewandte Ökonomie und christlich-abendländische Philosophie“
http://www.oekonomika.org

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Der letzte Tag eines Papstes drucken

Jetzt ist auch noch das Gasthaus in Rom, wo Joseph Ratzinger einst gelegentlich gegessen hat, medial vielerorts porträtiert worden. Nichts symbolisiert deutlicher die krampfhafte Hilflosigkeit der Öffentlichkeit, mit einer Institution zurecht zu kommen, die nicht von dieser Welt ist. Noch weniger sind die meisten Medien mit dem Phänomen eines aus Bescheidenheit zurücktretenden Papstes fertig geworden, von dem wir vermutlich nach dem großen und bewegenden Abschied nicht mehr viel zu sehen bekommen werden.

Die Medien haben die Kirche nie begriffen. Sie waren aber zugleich immer absolut fasziniert von einer geheimnisvollen Institution mit großem historischen Atem, bei der man nicht ständig durch Pressekonferenzen eines Parteiobmannes oder Ministers informiert – beziehungsweise meist desinformiert wird. Daher haben sie, insbesondere die italienischen Zeitungen, mit großer Gier jedes Gerücht und selbst die wildesten Spekulationen veröffentlicht.

Umgekehrt begreift aber auch die Kirche nicht die Rolle der Medien. Wie mit ihnen umgehen? Es ist ja auch kein Zufall, dass beim Nachlesen der Konzilsdokumente jenes über die Medien das weitaus schwächste und platteste ist. Den Umgang mit dieser Medienwelt hat der einstige Konzilstheologe Ratzinger viel weniger verstanden als etwa der polnische Papst, der sein Pontifikat weniger mit Theologie als mit Charisma geprägt hat.

Gibt es aber überhaupt eine richtige Umgangsform zwischen den Medien, die auf Inszenierung, auf Schlagzeilen, auf Gschichteln aus sind, und einer Institution, die zumindest im Prinzip für Wahrheit, Freiheit und Transzendenz steht? Man darf zweifeln.

Der Umgang wird umso schwieriger, als auch die Kirche selbst meist nicht die Spannung zwischen ihrem hehren prinzipiellen Ziel und Anspruch auf der einen Seite und ihren oft sehr diesseitigen Akteuren auf der anderen Seite zu überbrücken versteht. Daher stehen dann stehlende Kammerdiener, sich in schwulen Zirkeln treffende Vatikan-Prälaten und kindesmissbrauchende Mönche alleine im Scheinwerferlicht. Hat doch die Kirche sehr oft und sehr lange den Eindruck zu erwecken versucht, als ob das Hehre ihres Anspruchs auch automatisch ihre Akteure zu besseren Menschen machen würde.

Dieser Eindruck ist auch theologisch in keiner Weise gerechtfertigt. Selbst manche Päpste der langen Kirchengeschichte waren böse, katastrophale Persönlichkeiten. Daher ist es auch nicht sehr weise, wenn der Wiener Kardinal in fast jeder Wortmeldung der letzten Tage dem Heiligen Geist die Verantwortung für durchaus menschliche Personalentscheidungen zuschiebt.

Es würde der Kirche am besten tun, wenn sie wieder viel stärker die logische und oft gewaltige Diskrepanz zwischen ihrer geistigen Dimension und dem durchaus irdischen Personal zu akzeptieren und klarzulegen bereit ist. Sie verkörpert ja den Glauben an Gott und nicht jenen an irgendeinen Kaplan oder Kardinal oder Papst.

Daher sollte die Kirche nicht ständig den lieben Gott für alles Mögliche bemühen. Von den Schulnoten bis zum Wetter. Denn sonst wird sie von der unbeantwortbaren Frage überrollt, wie Gott die vielen Katastrophen zulassen kann, die auch zahllosen Guten und Unschuldigen Leid und Tod bereiten. Ob das nun große Naturkatastrophen sind oder Massenmorde wie jene in Auschwitz oder im Gulag.

Die Kirche darf aber natürlich dennoch auch die Mittel der diesseitigen Welt für ihren Auftrag einsetzen. Das mag das Theater sein, das etwa die barocken Jesuiten für kirchliche Zwecke entdeckt hatten; das mag die Liturgie sein, die sie seit Jahrtausenden als Mittel der Inszenierung ihres transzendenten Kerns verwendet; das mag die kulturelle Vielfalt zwischen Afrika, Asien oder Europa sein; das mag die seit dem Mittelalter verwendete Kirchenmusik sein; das mag die Kraft der Mystik sein.

Aber trotz all dem wird sie nur dann auch von Nichtgläubigen respektiert werden, wenn sie sich auch selbst vor allem anderen und immer als etwas im Kern über diese Welt Hinausweisendes begreift. Solange sie das tut, bleibt sie die wichtigste Institution der Weltgeschichte. Und sich selbst treu. Freilich wird sie dann aber auch automatisch immer Hassobjekt sein. Für Kommunisten, für Nationalsozialisten, für militante Atheisten, für geifernde Boulevard-Journalisten.  Mit anderen Worten gilt aber auch: Nur solange die Kirche Hassobjekt ist, wird sie kein beliebiges Etwas sein. Nur dann kann sie auch geliebt werden.

Hinter dieser Herausforderung verschwimmen viele heute so laut diskutierte Fragen zu Details. Wie es etwa das Thema verheiratete Priester ist, um nur eine einzige zu nennen. Solche hat es ja in Wahrheit in der römischen Kirche immer gegeben, von den unierten, also papsttreuen Ostkirchen bis zu den neuerdings zum Katholizismus übergetretenen anglikanischen Geistlichen.

Benedikt XVI., der intellektuelle Papst und große Theologe, hat all diese Zusammenhänge gespürt und kommuniziert. Als Person hat er aber erst durch seinen Rücktritt wirklich Emotionen ausgelöst. Solche waren ihm eigentlich Zeit seines Lebens unangenehm. Er sah – und sieht – Emotionen nur gegenüber Gott, Kirche und Religion als gerechtfertigt an. Eben weil er die Kirche immer als etwas ganz Anderes begriffen hat.

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Ideengeschichte Europas im 20. Jahrhundert drucken

„Demokratie … ist institutionalisierte Ungewissheit“: Mit diesen Worten endet Jan-Werner Müllers Buch „Das demokratische Zeitalter. Eine politische Ideengeschichte Europas im 20. Jahrhundert“ (Suhrkamp 2013). Es ist ein Streifzug durch das an politischen Extremen reiche vergangene Jahrhundert. Seine Protagonisten sind Wissenschaftler, Agitatoren, Revolutionäre, Politiker, Philosophen, Schriftsteller – und ihre Ideen. Viele Gedanken sind „schlagend geworden“, manche dann sogar tödlich.

Es wurde für viele Bewohner Europas eine „bittere Erfahrung, dass die gelehrten Worte der Philosophen, so unverständlich und absurd sie dem Durchschnittsmenschen auch erscheinen mochten, auf ganz unmittelbare Weise ihr Schicksal bestimmen konnten“ (Czes?aw Mi?osz). Politische Glaubenslehren aller Art wurden produziert; nachgerade zwanghaft. Sie sollten die jeweilige politische Herrschaft – die existierende oder angestrebte – legitimieren und ihre Taten oder Untaten rechtfertigen. Dabei wurde oft auf der Klaviatur „demokratischer“ Werte gespielt; auch von jenen, die eine liberale parlamentarische Demokratie verachteten: Von den Ideologen der „Volksdemokratien“, die eine kommunistische klassenlose Gesellschaft versprachen ebenso wie von den Faschisten, die einen „Volksstaat“ theoretisierten.

Ursprünge der radikalen „politischen Religionen“

Im ersten Teil seines Buches beschäftigt sich Jan-Werner Müller vornehmlich mit den marxistischen, faschistischen und nationalsozialistischen Ideen (und ihren Trägern), die allesamt – aus unterschiedlichen Gründen – durch eine Abwendung von der „liberalen Demokratie“ gekennzeichnet waren. Sie betonten ursprünglich, manche stärker, andere weniger stark – Gleichheit (nicht nur vor dem Gesetz), eine echte Einbeziehung in die politische Gemeinschaft, eine auf Dauer gestellte Teilhabe an der Politik, einen Kollektivkörper (eine „gesäuberte“ Nation oder ein sozialistisches Volk). Manche glaubten dafür einen „neuen Menschen“ erfinden/schaffen zu müssen – und wenn es denn sein musste, mit Gewalt.

„Alles Radikale, alles Gewaltsame schien bereits unmöglich in einem Zeitalter der Vernunft“. Mit diesem Satz bezog sich Stefan Zweig 1942 auf die Vorkriegsjahre bis 1914. Die Kriegsjahre zeigten die Wirklichkeit des gedanklich „Unmöglichen“; und sie begünstigten die Entwicklung von Ideen, die schon vor dem Großen Krieg existiert hatten: Des Marxismus, der nun neue, höchst verschiedenartige Blüten trieb; die Absage an die Ideen der Aufklärung, die ideologische Verherrlichung der Gewalt (z.B. bei George Sorel. Er wurde von Rechten und Linken gepriesen und „genutzt“; sein Beispiel zeigt, dass man auch als kleiner Provinzbeamter durch Schriften Revolutionäre inspirieren kann).

Auch der Rassismus wurde gedanklich lang vor dem Weltkrieg grundgelegt. Es ist nicht das geringste Verdienst dieses Buches, auf die Möglichkeiten solcher „Spätzündungen“ aufmerksam zu machen, auf die Quellen, die im günstigen Augenblick auszubrechen beginnen.

Vielfach illustriert ist die Rolle der Intellektuellen bei diesen Ideen- und Produktionsprozessen: Oft als notwendige und zu gewinnende „Second-hand-dealer“ (A. v. Hayek), manchmal als „Ingenieure der menschlichen Seele“ (J. Stalin), oft als akademische Schüler, die ihren Lehrer (M. Weber) entsetzten (G. Lukacs und E. Bloch), andere als ambitionierte oder tatsächliche Chefideologen (G. Gentile), wieder andere als Dissidenten, die nicht mit der Macht schwammen, sondern – höchst risikoreich – gegen sie ankämpften (J. Pato?ka, V. Havel, A. Michnik).

Das Zeitalter der „politischen Religionen“ (E. Voegelin) war auch nach dem 2. Weltkrieg nicht vorbei. Die Faszination, die der Kommunismus für viele Eurokommunisten (Italien, Frankreich) hatte, bestand auch dann noch fort, als im östlichen Teil Europas der Glaube an ihn im Verschwinden begriffen war.

Die praktische „Europäische Ideologie“

Aber die praktische Politik war vielerorts mit anderen Fragen beschäftigt. Mit Fragen des Wiederaufbaus, der Sicherheit, der Vermeidung eines Rückfalls in totalitäre Strategien. Verfassungsgerichte sollten die neue Ordnung als ganze schützen und individuelle Rechte gewährleisten (Österreich war das dritte Land – nach den USA und Kanada – das einen eigenen Gerichtshof damit beauftragte). Für „undemokratisch“ hielt dies Hans Kelsen, anders als viele Gegner, nicht.

Eine „neue Ideologie“ müsse eine europäische sein, verkündete K. Adenauer 1952 und De Gasperi bezeichnete die europäische Föderation „als einen Mythos … im Sinne Sorels … dieser Mythos ist ein Mythos des Friedens“. Also wieder einmal Sorel…

Es entwickelte sich zunehmend und lagerübergreifend ein Glaube an „technokratische“ Lösungen für soziale und ökonomische Probleme. Die Ideale der Arbeiterselbstverwaltung blieben in den meisten Ländern auf der Strecke.

Bemerkenswert ist die Einschätzung des Autors bezüglich der Christdemokratie. Er nennt sie „die wichtigste ideologische Innovation der Nachkriegszeit und eine der bedeutendsten des 20. Jahrhunderts überhaupt“. Sie trat für Subsidiarität und ein Europa ein, das „in seinem christlich-humanistischen Erbe vereint wäre, wobei über Details nicht allzu viel diskutiert wurde, solange sie unterm Strich auf Antikommunismus hinausliefen“.

Sie erklärte die Menschenrechte für unverzichtbar für eine wirklich katholische Weltanschauung; man scheute sich nicht „in der Mitte zu regieren und mit den Methoden der Rechten die Politik der Linken zu betreiben“ (G. Bidault).

Wirtschaftsliberale und sozialkonservative Katholiken fanden einen Kompromiss: „Wenn erstere die traditionelle Moral akzeptieren, fänden sich letztere mit dem Markt ab – so lautete der Deal“.

1968: Ursachen und Folgen

Die „Allerweltsparteien“ entstanden; langweilig, aber auch weniger gefährlich. Auch den Ideen der 68-er Bewegung(en) widmet der Autor einige Seiten. Er hat diese Zeit – so wie die davor – nicht erlebt, sondern erlesen. Sanfter Spott ist unverkennbar.

Für konservative und liberale Antitotalitäre hatten damals allerdings die Alarmglocken geschrillt, schließlich schienen „die Studenten das Parlament so sehr zu verachten, wie es die Links- und Rechtsextremen in den 1920er Jahren getan hatten." 68 schien die Webersche These zu bestätigen, dass die Herrschaft unpersönlicher Mächte wie der Technik, stets eine hocherregbare subjektivistische Kultur als vermeintliches Gegengewicht auf den Plan ruft. Er verweist aber auch auf die Verachtung, ja Wut, die die 68er mitunter von kommunistischen Intellektuellen erfuhren (P.P. Pasolini 1968: „Die Journalisten aus aller Welt (mitsamt/denen vom Fernsehen) / lecken euch (wie man glaube ich immer noch sagt in der Sprache der Uni), den Arsch. Ich nicht, Freunde / Ihr habt Gesichter von Vatersöhnchen“).

Auf die existierenden Verfassungen hatte 68 ff keine Auswirkungen. Auf die Sitten, so meint der Autor, schon. Manche diagnostizieren, dass die sozialen Beziehungen von Kindern und Eltern, Lehrern und Schülern, Vorgesetzten und Arbeitern aufgeschlossener geworden sind (U. Eco). Man kann sich auch fragen (J.W. Müller), ob es nicht auch ohne 68 zu einer Liberalisierung gekommen wäre. N. Luhmann formulierte als trockenes Resumeé: „Nach 68 konnte man über den Rasen laufen“.

Dissidenten im Kommunismus

Man mag über die gelegentlich geäußerte These streiten, dass es in Westeuropa auf die Intellektuellen immer weniger ankam. Für Mittel- und Osteuropa gilt sie mit Sicherheit nicht. Die Strategien der Dissidenz in den „Volksdemokratien“ waren relativ neu. Sie bestanden nicht in neuen Ideologien oder Kampfschriften, sondern u.a. in einer Art Rechtspositivismus mit unausgesprochenen politischen Absichten. Die „sozialistischen“ Regierungen (nicht alle) hatten die Helsinki-Schlussakte von 1975 unterzeichnet und damit auch den „Menschenrechtskorb“ (missachteten oder verhöhnten sie ihn gar im Stillen? Henry Kissinger tat es immerhin öffentlich).

Schon in den 60er Jahren hatte es in der Sowjetunion Versuche gegeben, mit radikalem „zivilen Gehorsam“ zu operieren. Jessenin-Wolpin versuchte eine „Revolutionierung der Art und Weise, wie Revolutionen gemacht werden“. Nach der Festnahme der Schriftsteller A. Sinjawski und J. Daniel organisierte er am „Tag der sowjetischen Verfassung“ eine Demonstration. Auf Flugblättern wurde „zur strikten Einhaltung der Gesetze“ aufgerufen, auf Spruchbändern zu: „Respektiert die sowjetische Verfassung!“ – Nach herrschender Sitte wurde er verhaftet und in die Psychiatrie eingewiesen.

Ein Jahrzehnt später trat die Charta 77 mit dem Anspruch auf, dem tschechoslowakischen Staat dabei zu „helfen“, die Helsinki-Schlussakte umzusetzen. Es war eine Konzentration auf Rechte, die der Strategie zugrunde lag. Man nahm die Regierung beim Wort. Den traditionellen politischen Kampf hielt man für aussichtslos; den Aufbau einer „Parallelgesellschaft“ nicht; nach 1989 übernahmen viele Länder, sehr zur Enttäuschung westlicher Linker, das Modell westlicher Demokratien und – oft in stärkerer Ausprägung als in Westeuropa – marktliberale Methoden.

Conclusio

Ein Buch wie dieses zeigt in der möglichen Kürze (ohne Anhang ca. 400 Seiten) das Aufkommen und Erodieren politischer Ideen (ihre Träger und ihre Opfer). Es vermittelt – ähnlich wie Tony Judt’s „Postwar“ – den Glauben (nein, nicht die Gewissheit!), dass wir in diesem Europa in einer besseren Zeit leben (das glaubten, siehe Stefan Zweig, auch viele Menschen vor 1914). Der Autor bemerkt nach diesem Streifzug, dass „wir mehr als einmal sahen, wie die Europäer das Vertrauen in liberaldemokratische Politik verloren haben … Es könnte sie die Dauerhaftigkeit und Flexibilität ihrer Art und Weise, seit 1945 Politik zu machen, mit einem gewissen (zweifellos gedämpftem) Gefühl des Vertrauens in vergangene Errungenschaften und zukünftige Möglichkeiten erfüllen“.

In der Nachbetrachtung ist es eine faszinierende Geschichte, voll von Aufbruchsstimmung und Scheitern, von wahnsinnigen Konstrukten und bemühten Visionen, von Visionären und Schurken.

Der Autor ist Professor für politische Theorie und Ideengeschichte in Princeton. Der professorale Ton fehlt ihm – und das macht das Buch so gut lesbar, ja geradezu spannend; aus seiner Abneigung gegenüber manchen Ideenproduzenten macht er kein Hehl, viele behandelt er mit Ironie, aber stets versucht er ihre Botschaft und deren Motivation klar zu beschreiben. Es ist ein Buch, das politisch interessierte Menschen lesen sollten. Es hält einige Überraschungen und Erinnerungen für sie bereit.

Rudold Bretschneider ist seit Jahrzehnten in diversen Cheffunktionen bei GfK (früher Fessel-GfK) tätig und einer der prominentesten Marktforscher und politischen Analysten des Landes.

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Noch einmal Votivkirche – Beobachtungen und Fragen zu einem Fanal unserer Zeit drucken

Die „Flüchtlinge“ in der Votivkirche kündigten letztens zum wiederholten Male an, sie würden ihren „Hungerstreik“ unterbrechen. Sehr interessant. Wir haben ohnehin schon ein wenig den Überblick verloren. Die Aufmerksamkeit an der Erpressungsaktion hatte aber offensichtlich nachgelassen, darum musste es mittels Pressekonferenzen, Aussendungen und Demonstrationen immer wieder hochgeköchelt werden.

Die Demonstration am Samstag, 16. Februar, vor dem Parlament, erbrachte das übliche Bild: Rote Fahnen, kommunistische Symbole und Sprüche, gesprayte Transparente, utopische Forderungen, schwarzgekleidete Demonstranten und viel Polizei, deren Kräfte wieder einmal von einer friedlichen Demonstration gebunden wurden. Also wie immer. Wir nehmen auch an, dass die Demonstranten und die Polizisten im Großen und Ganzen alte Bekannte sind.

Wie kann es sein, dass der österreichischen Gesellschaft, dem Staat und vor allem der Kirche eine schändliche Kirchenbesetzung – ein Novum in der österreichischen Demonstrationsunkultur, eine bislang für unmöglich gehaltene Grenzüberschreitung – einschließlich einer bestens koordinierten und inhaltlich gleichgeschalteten Medienkampagne aufgezwungen wird?

Wenn man das Gesamtphänomen Kirchenbesetzung und Medienkampagne aufmerksam betrachtet, ergeben sich einige Fragen:

Wer sind die „Flüchtlinge“?

Sind die „Flüchtlinge“ in der Votivkirche, bzw. wenn sie sich gerade dort aufhalten und nicht gerade auf Tournee sind, wirklich Flüchtlinge in einem relevanten Sinn? Wir wissen es nicht. Wir kennen auch keine konkreten Fluchtgründe. Ein solcher wäre im Falle eines Pakistani zum Beispiel, dass er den Islam verläßt und sich taufen lässt. Im gegenständlichen Fall handelt es sich aber um Moslems. Es würde daher naheliegen, dass sie in einem islamischen Land um Asyl ansuchen. Wir wissen auch nicht, über wie viele sichere Drittstaaten sie gekommen sind.

Die genauen Umstände der „Flüchtlinge“ sind also sehr unklar, wenigstens für die Öffentlichkeit. Was jedoch klar ist, ist, dass diese „Flüchtlinge“ von einem Netzwerk unterstützt werden. Manche sagen offen, dass sie instrumentalisiert werden. Dem kritischen Beobachter scheint es nämlich völlig ausgeschlossen, dass einige Flüchtlinge, noch dazu aus verschiedenen Ländern, erstens einig auftreten und zweitens über solch eine beeindruckende Logistik verfügen.

Es wird immer wieder der „bayrische Anarchist“ Hans Georg Eberl als Drahtzieher genannt, der die Kirchenbesetzung angeleitet haben soll. Grüne Bezirksräte und einschlägige Rechtsanwälte gerieren sich bei den Pressekonferenzen als Wortführer. Unterstützer finden sich, wenn auch meist anonym, auf einschlägigen Webseiten wie www.no-racism.net, www.slp.at und http://refugeecampvienna.noblogs.org/ und natürlich im notorischen „Ernst Kirchweger-Haus (EKH)“ (http://www.med-user.net/~ekh/). Wenn man sich durch deren wirre Gedankenwelten durchgearbeitet hat, stellt sich die nächste Frage: Bezahlen diese Leute Internetauftritte, Telephonkosten und die anderen Spesen, einschließlich der Unterstützung der „Flüchtlinge“, aus eigener Tasche, also aus rein „idealistischen“ Gründen?

Das scheint angesichts der Szene und ihrer Usancen eher unrealistisch.

Wer steckt also hinter den Unterstützern?

Die Leitfrage, die zur Identität der Unterstützer führen soll, ist: Cui bono? Welche Interessen bedient die Kirchenbesetzung mit ihren Begleitaktionen? Das Motto der inflationären Demonstrationen ist laut Sprechchören, Transparenten und Interneteinträgen: „No border – no nation – stop deportation!“ Dem kann man entnehmen, dass es den Hintermännern also ganz offensichtlich nicht um „Asyl“ geht.

Denn Asyl setzt von der Sache her einen starken Staat voraus, der in der Lage ist, Flüchtlinge vor dem Zugriff seitens derjenigen zu schützen, vor denen die Asylanten geflohen sind. Dazu benötigt es verlässliche Grenzen. Die Forderung „no border“ widerspricht dem evidenterweise. „No nation“ ist ein Affront gegen das Gastland. Irgendwo einzumarschieren, ein Gotteshaus zu besetzen und der ansässigen Bevölkerung zu sagen, sie mögen sich doch bitte als Nation auflösen, ist gelinde gesagt ziemlich dreist.

Ist diese Aktion von höherer Stelle koordiniert?

Was den Beobachter stutzig macht, ist, dass die Drahtzieher der Aktion offensichtlich bekannt sind, es aber kein konsequentes Durchgreifen der Polizei trotz vieler Anzeigen gibt. Es wurde zwar von einigen Festnahmen berichtet, die Polizei darf sich jedoch im Wesentlichen als Putztruppe betätigen, wie bei der Räumung des Saustalls im Votivpark ersichtlich.

Es stellt sich daher die Frage: Stehen die „Flüchtlinge“ und ihre „Helfer“ also unter einem höheren Schutz? Dafür gäbe es Erfahrungswerte: Angesichts des Verhaltens der Polizei beim diesjährigen freiheitlichen „Akademikerball“ z.B. (und bei vielen anderen Gelegenheiten, bei denen gegen nicht-linke Personen und Gruppen demonstriert wird) muss man den Eindruck bekommen, dass auf politische Weisung hin linke Aktivisten, auch gewaltsame, eine gewisse Protektion genießen.

Wem ist „No border – no nation“ noch ein Anliegen?

Hat sich das glorreiche „Friedensprojekt“ namens „Europäische Union“ nicht die Aufhebung von Grenzen und Abschaffung von Nationen zu seinem Anliegen gemacht? Kann man also sagen, dass die No border-Aktivisten nicht nur im Ernst-Kirchweger-Haus, sondern auch in der EU-Kommission sitzen? Die EU hat eine personalstarke, aber in der Öffentlichkeit praktisch unbekannte „Grundrechteagentur“ in Wien plaziert (vormals „Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“). Was man dort den ganzen lieben langen Tag macht, weiß die Öffentlichkeit nicht. Lediglich einige Broschüren und Schülerkalender sind bekannt geworden, die unverhohlen Werbung für ein nicht- bzw. antichristliches und nationenloses Europa machen. Auch der Islam hat dort gemäß den genannten Druckwerken einen mächtigen Protektor.

Anzunehmen, dass diese oder eine andere Einrichtung der EU (es gibt ja nicht zu wenig davon) ihre schützende Hand über die „Anarchisten“ hält, die mithilfe islamischer „Flüchtlinge“ eine katholische Kirche schänden, würde Sinn machen. Alle drei Personengruppen stehen in radikaler Opposition zum Christentum. Die „Anarchos“ als – wissentliche oder unwissentliche – Helferlein der Mächtigen? Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Jedenfalls wäre das bonum aus Cui bono? auf alle drei anwendbar. Das wäre jedenfalls eine realistische Hypothese.

Eine mächtigere Protektion der „Aktionisten“ würde auch die Einhelligkeit der veröffentlichten Meinung zugunsten der Kirchenbesetzer erklären. Dass eine Frau Brickner im „Standard“ ihre eigenen Ergüsse wirklich glaubt, kann man sich beim besten Willen nicht vorstellen. Sogar im dortigen Online-Forum, das nicht gerade ein „rechtes“ Milieu abbildet, wird sie massiv kritisiert. Aber das System hat genug Mittel, seine Propagandisten zu bezahlen. Es muss jedenfalls nicht auf die Meinung des Volkes hören.

Das weitreichende Versagen der katholischen Amtsträger

Schließlich würde eine Einflussnahme von mächtigerer Seite auch das beschämende Verhalten der Kirchenleitung und ihre bereitwillige Kollaboration erklären. Andererseits benötigt es hier am wenigsten direkte Druckausübung, weil die „no border“-Indoktrination der Kirche in Österreich ohnehin flächendeckend ist. Zwar nicht im gläubigen Volk, aber im Apparat und bei den Bischöfen. So war Mitte Jänner im – übrigens geradezu schmerzhaft sinnlosen – „Radio Stephansdom“ tatsächlich zu hören, wie Weihbischof Franz Scharl bei einer Veranstaltung namens „Österreichische Pastoraltagung“ zum Thema „Migration und Integration“ allen Ernstes von einer „Weltinnenpolitik“ schwadronierte. Wo hat er das wieder her? Man glaubte, nicht recht zu hören, als der Weihbischof meinte: „Solange es keine Weltinnenpolitik gibt, wird die göttliche Menschenwürde von Asylanten durch die Asylgesetze der Nationalstaaten verletzt“ (oder Ähnliches, aus der Erinnerung zitiert).

Exzellenz fühlen sich nicht wohl? Oder ist der österreichische Episkopat Befehlsempfänger? Die Scharlsche Einlassung ist symptomatisch für die Geistespathologie der österreichischen Nationalkirche: Es gibt nur mehr politische und soziale Dogmen, alles andere, besonders das depositum fidei ist zweitrangig. Daher zur Klarstellung: Erstens ist die Herbeiführung einer – zwangsläufig ins Monströse mutierenden – „Weltinnenpolitik“ definitiv nicht Missionsauftrag der Kirche, zweitens verteidigt die Kirche das Recht von Staat und Nation als wesentliche Ordnungselemente der Menschheitsfamilie, drittens schließen sich – siehe oben – „Weltinnenpolitik“ und Asyl sachlich aus, weil es in einem Weltstaat keine Fluchtmöglichkeit, ergo kein Asyl mehr gibt und viertens tritt die Kirche zwar für eine Asylgewährung ein, aber nicht als einklagbares Recht und unter Berücksichtigung der beschränkten Kapazitäten im Gastland – und mit selbstverständlichen Forderungen an den Asylwerber. Das müsste ein Bischof eigentlich wissen.

Aber seitens der Bischöfe, der Caritas und der kirchlichen Verbände wird oft so getan, als gäbe es nur mehr eine einzige Sünde, nämlich die sogenannte „Ausländerfeindlichkeit“ und als wäre die Aufnahme von Fremden die einzige oder höchste Forderung des Evangeliums. Das ist natürlich eine Narretei. Im Neuen Testament finden sich naturgemäß keine diesbezüglichen Erklärungen. Denn dort ist nicht die Errichtung eines christlichen Staates, der eben Asyl garantieren könnte, als letztes Ziel christlichen Handelns genannt, sondern das ewige Leben. Zum ewigen Leben gelangt der Gläubige durch das Tun des evident Guten. „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, habt ihr Mir getan“, sagt Christus und darunter fällt – z. B. – auch die Aufnahme von Fremden (Mt 25, 34ff). Freilich ist das ein Appell an den Einzelnen. Nicht daraus ableitbar ist eine durch konfiskatorische Steuersätze finanzierte Asyl- und Migrationsindustrie, von der viele Leute gut leben. Auch nicht ableitbar ist die „Transformation“ einer Nation und Kultur durch schrankenlose Zuwanderung. Schon gar nicht die Etablierung antichristlicher Kulte und die Aufzehrung der christlichen Kultursubstanz.

Die Untergebenen orientieren sich natürlich am Vorgesetzten: Der Hirtenbrief von Kardinal Schönborn vom 15. Mai 2011 ist ein bizarres Dokument kirchlicher Selbstaufgabe und Unterwerfung unter die herrschende weltliche Logik. Eminenz bekennt sich auch zu der – von dem Marxisten Gramsci konzipierten – „Zivilgesellschaft“. Dass Eminenz seine verwaschenen Ausführungen zudem immer wieder penetrant als „Masterplan“ bezeichnet hat, ist geradezu absurd.

Wenn man einen Zeitraum von zwanzig, fünfundzwanzig Jahren überblickt, muss man resümieren: Die Lehrverkündigung der Kirche Österreichs leugnet praktisch die (auf den hl. Augustinus zurückgehende) Lehre vom ordo amoris (Rangordnung der Liebe), gemäß der es natürlich eine Abstufung der Nächstenliebe nach Familie, Verwandtschaft, Gemeinde, Land u.s.w. gibt (die dadurch eben nicht eine Übernächsten-Liebe oder Fernsten-Liebe ohne irgendeine Verbindlichkeit ist).

Die Apostasie in der Kirche

Unter diesen Umständen erscheint die kirchliche Unterstützung für das lächerliche „Lichtermeer“ vor zwanzig Jahren als besonders krasses Symptom des Verrates an eben genannter Lehre.

Das Versagen der Lehrverkündigung in Fragen des Glaubens, der Moral und der Gesellschaftsordnung zeitigt die Folgen, die wir jeden Tag sehen und von denen die Schändung der Votivkirche nur ein Symptom – und ein Fanal schlimmerer Ereignisse – ist:  Das Verdunsten von Recht, Moral und Manieren und die Re-Paganisierung und Re-Barbarisierung der Gesellschaft.

Resümee

Das führt zur Schlussfolgerung. Wer auch immer die Schändung der Votivkirche konkret organisiert hat, der tiefste, spirituelle Grund dieses Fanals liegt in der fast flächendeckenden Apostasie von Gott:

Der Fremde, der in deiner Mitte wohnt, steigt immer höher nach oben, hoch über dich hinaus, und du steigst immer tiefer hinab. Er leiht dir aus und du kannst ihm nichts ausleihen. Er wird zum Kopf und du wirst zum Schwanz. Alle diese Verfluchungen werden über dich kommen, dich verfolgen und dich erreichen, bis du vernichtet bist, wenn du auf die Stimme des Herrn, deines Gottes, nicht hörst und nicht auf seine Gebote und Gesetze, auf die er dich verpflichtet hat, achtest. (…) Der Herr trägt zum Kampf gegen dich ein Volk aus der Ferne herbei, von den Enden der Erde, das wie ein Adler herabstößt, ein Volk, dessen Sprache du noch nie gehört hast, ein Volk mit unbeweglichem Gesicht, das sich dem Greis nicht zuwendet und für das Kind kein Mitleid zeigt (5. Moses, Deuteronomium, 28, 43-45.49; Einheitsübersetzung).

Da die amtlichen Verkünder der de facto autokephalen österreichischen Kirche weder erkennbar den katholischen Glauben verkünde noch für eine christliche Gesellschaftsordnung eintreten, die Kirche dadurch in der Praxis (wenn auch nicht im Wesen) zu einem allgemeinen interreligiösen Humanitätsverein mit linker Sozialpolitik und absoluter EU-Hörigkeit mutiert ist, liegt eine Kirchenbesetzung durch Moslems und deren marxistische Hintermänner unter der – mutmaßlichen – Protektion noch höherer Kreise in der tragischen Logik der Sache. Tanzende Derwische hatten im Jahr 2007 einen showmäßigen Auftritt in der Votivkirche: Man hat die Geister gerufen, jetzt sind sie da.

Unter diesen Umständen hatte der geistreiche und witzige Auftritt der „Identitären“ am 10. Februar „Wir besetzen die Besetzung“ einen geradezu exorzierenden Effekt. Die Aktion entlarvte sowohl den humorlosen Fanatismus der Linken als auch die Absurdität der politischen Forderungen der „Flüchtlinge“ – und leider auch das Versagen der zuständigen kirchlichen Führung.

Es ist wohl klargeworden, dass in der Besetzung der Votivkirche und den sie begleitenden Nebenspektakeln die Pathologie unserer Zeit schlaglichtartig beleuchtet wird. Auch wenn nicht alle Drahtzieher und Hintermänner der Aktion namentlich bekannt sind, kann man sich seinen Reim darauf machen.

So lange sind sie schon in der Kirche und haben sich noch nicht bekehrt?

MMag. Wolfram Schrems, Linz und Wien, ist katholischer Theologe und Philosoph mit viel kirchlicher Erfahrung.

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Wiener Volksbefragung: Was ich tun werde drucken

In Wien werden bereits die Stimmzettel zur unverschämtesten Volksbefragung der  Nachkriegsgeschichte versendet. Daher muss man jetzt entscheiden, was man damit tut. Die Fragen sind allesamt eine einzige Chuzpe. Dennoch wäre es absolut falsch, die Stimmzettel wegzuschmeißen oder ignorieren. Auch wenn es gegen die Dampfwalze der bestochenen Zeitungen im Ergebnis aussichtslos sein wird, sollte man doch unbedingt die Fragen beantworten und jeweils genau das ankreuzen, was man für richtig hält. Das hätte noch einen zweiten Nutzen: Das Richtige ist jeweils genau das, was die Rathausmanipulatoren nicht wollen. Daher wäre jeder in diesem Sinne eingeschickte Stimmzettel zumindest ein kleiner Beitrag für mehr Anstand, Sauberkeit und Demokratie.

Dass nur ein solches Verhalten richtig sein kann, war eigentlich ab dem Zeitpunkt klar, als die SPÖ mit ihren Plakaten frech das noch gar nicht vorhandene Ergebnis als Faktum und eigenes Werk behandelt hat. Dass die Menschen anders stimmen könnten, kommt da als Möglichkeit gar nicht mehr vor. Demokratie auf Genossenart.

Für Nichtwiener: Die Stadt ist übersät von roten Plakaten, auf denen steht „Die SPÖ schützt . . .“ und dann folgt zum Beispiel „. . . das Wiener Wasser vor den Folgen einer Privatisierung“. Sie, die SPÖ, – also nicht erst die noch gar nicht abgestimmt habenden Wähler! – schützt auf weiteren dieser Plakate Gemeindebauten, schützt „Öffis“, schützt „kommunale Betriebe vor Privatisierung“.

In Wahrheit schützt ein Ergebnis der Volksbefragung im Sinne der SPÖ natürlich weder Wasser noch Straßenbahn, sondern ausschließlich die SPÖ selbst und ihre schmutzigen Interessen! Wasser würde auch bei einer Privatisierung genauso viel und sauber fließen. Nur billiger. Die Straßenbahn würde genauso verkehren wie die kundenfreundlichen und pünktlichen Züge etwa der privaten Westbahn-Gesellschaft.

Die SPÖ – beziehungsweise die in ihrem Sinne abstimmenden Menschen – schützt in Wahrheit etwas ganz anderes: Das sind die von ihr in diesen Betrieben zu exorbitanten Bezügen als „Manager“ eingesetzten roten Protektionskinder. Sie schützt die hohen Gebühren dieser Betriebe gegen jede Konkurrenz, obwohl die Gebühren rund 20 bis 30 Prozent über den eigentlich notwendigen Kosten liegen. Und sie schützt damit die Geldquellen, mit denen sie sich die eigene Propaganda-Walze finanziert.

Zwar werden die Gehirnwäsche des Rathauses, die bestochenen Medien und die erstaunliche Feigheit der Oppositionsparteien, aber auch die Ahnungslosigkeit vieler Menschen dazu führen, dass die Wiener wirklich für all das stimmen, was die SPÖ will. Oder dass viele aus dumpfem Protestgehabe unreflektiert nicht mitstimmen. Weil sie nicht begreifen, dass das zu ihrem eigenen Schaden führt.

Besonders unverständlich ist, dass sich auch beide Oppositionsparteien um klare Antworten drücken. Die ÖVP stottert herum. Und die FPÖ empfiehlt: Zusammenknüllen und Wegwerfen. Das wäre aber absolut falsch. Denn dann hätten die rot-grünen Genossen noch freiere Bahn. Und sonstige Parteien sind ohnedies nicht wahrnehmbar.

Dabei hatte die FPÖ noch vor kurzem den durchaus klugen Gedanken, mit dem Verkauf von Wiener Wasser die schwere Verschuldung der Stadt zumindest zu reduzieren. Und auch die ÖVP konnte bis vor kurzem sehr viele sehr gute Gründe und Beispiele aufzählen, weshalb eine echte Privatisierung vorteilhaft sowohl für Steuerzahler wie für Konsumenten wäre.

Einzige Voraussetzung eines Privatisierungserfolgs: Die Gemeinde müsste die Privatisierung ordentlich begleiten und regulieren. Eine solche Regulierung ist etwa dem Bund durch diverse Regulatoren für privatisierte Sektoren gelungen. Man schaue nur auf die e-control oder die Telekom-Aufsicht. Bei Strom wie Telefon sind – trotz exorbitant erhöhter Steuern und Abgaben – die Kosten für die Konsumenten gesunken.

Es würde hingegen das Tagebuch sprengen, all die Pleiten, Peinlichkeiten und Milliardenschäden aufzuzählen, die Wiens Gemeindebetriebe angerichtet haben. Eben weil sie nicht privatisiert waren. Vom Stadthallenbad bis zum Flughafenumbau, vom Bauring-Skandal bis zu den diversen AKH-Betrugsfällen. Und selbst dort, wo bisher kein Korruptionsskandal aufgedeckt worden ist, trifft ein skandalöser Umstand auf absolut sämtliche Wiener Gemeindebetriebe zu: Millionen und Abermillionen werden als „Marketing“ oder „Werbung“ für in Wahrheit rein parteipolitische Zwecke ausgegeben. Von den Bestechungsinseraten der diversen Kommunalbetriebe bis zu der Finanzierung von Fußballvereinen, bei denen Genossen im Präsidium sitzen.

Dazu kommt der Treppenwitz, dass die SPÖ, die jetzt vor Privatisierung „schützt“, in Wahrheit längst vieles privatisiert hat. Man schaue nur, wie viele öffentliche Buslinien Wiens schon von privaten Betreibern (und damit für den Steuerzahler viel billiger, aber genauso verlässlich) betrieben werden. Man denke nur an die „Sale and lease back“-Geschäfte des Rathauses mit Straßenbahnen. Aber vielleicht wissen die Genossen nicht, dass „sale“ verkaufen heißt; auch Werner Faymann hat ja erst im Bundeskanzleramt Englisch gelernt. Und ohne die großartigen Wiener Privatspitäler wäre die Gesundheitsversorgung längst zusammengebrochen.

Vor allem muss man an die einstige „Zentralsparkasse der Gemeinde Wien“ denken. Dieser einst von Karl Lueger (ja, genau dem) gegründete und Jahrzehnte florierende Bankbetrieb wurde von den Genossen donnernd gegen die Wand gefahren, ebenso wie etwa die verstaatlichte Länderbank. Gewaltige Werte wurden dabei vernichtet. Nicht nur die Aktionäre wurden geschädigt, sondern auch die gewaltigen stillen Reserven der Creditanstalt, die diesem roten Finanzimperium zur kurzfristigen Rettung zugeschoben worden sind. Schließlich mussten die Überreste der Bank an krachende ausländische Institute verkauft werden. Und der Name „Austria“ wird seither schrittweise aus dem einst großen ausländischen Netz hinausgedrängt.

Man fasst es wirklich nicht. Jetzt wollen ausgerechnet die daran schuldigen Täter die Restbestände „schützen“, wie es sogar im offiziellen Wortlaut heißt! Und niemand wagt, lautstark dagegen zu protestieren!

Aber selbst über die Folgen eines Abstimmungsergebnisses besteht Unklarheit: Der grüne Klubobmann Ellensohn hat wenigstens eingeräumt, sollten die Wähler wirklich anders als gewünscht abstimmen, dann müsse halt privatisiert werden. Der rote Klubobmann Schicker entgegnete hingegen eiskalt: Auch dann würde nicht privatisiert werden. Schon diese Frechheit eines angekündigten Ignorierens des Befragungsergebnisses zwingt jeden, der noch Reste einer Demokratie haben und sich in den Spiegel schauen will, dazu, für die Privatisierung zu stimmen.

Wer braucht Olympia in Wien?

Fast genauso widerlich ist die Frage nach Olympia. Es gibt absolut keinen Grund, dafür Milliarden hinauszuschmeißen. Bei diesem Thema sollten übrigens auch die Nicht-Wiener höllisch aufpassen: Denn zahlen sollen den Spaß dann ja vornehmlich alle Österreicher. Daher wären auch Nicht-Wiener gut beraten, wenn sie ihre Wiener Freunde gut beraten würden, wirklich gegen diesen Schwachsinn zu stimmen.

Auch Wien selbst hätte absolut keine nachhaltigen Vorteile, Austragungsort Olympischer Spiele zu werden. Nur zwei Bereiche würden von solchen Spielen profitieren: Der eine ist die Eitelkeit der Promis, die sich bei Olympia auf Ehrentribünen tummeln wollen. Und der andere sind die schamlosen Profitinteressen roter Geschäftemacher, wie sie etwa der SPÖ-eigene Echo-Verlag bei der Fußball-Euro gezeigt hat (mit der großen Schiebung bei der Burgtheater-Vermietung).

Die Menschen dieser Stadt leben aber nicht vom Sport, sondern noch viel eher vom Kultur- und Städtetourismus. Dieser aber sucht die Attraktionen des vorsozialistischen Wiens und nicht die von Sportstätten. Dieser Tourismus wird während der Spiele selbst durch Sportfans mehr verschreckt als angezogen. Selbst wenn die nicht so bösartig und gefährlich sind wie die vom Steuerzahler subventionierten Fußballrowdies.

Pflanzfrage nach Kurzparkzonen

In anderer Hinsicht extrem ärgerlich ist eine weitere Frage. Nämlich die nach den Kurzparkzonen, die ganz Wien derzeit heftig erzürnen. Da wird frech etwas gefragt, was bei den erregten Debatten überhaupt nicht Thema gewesen ist. Ganz offensichtlich will man damit von diesen Kontroversen ablenken.

Dabei wird nochj dazu so so verschwurbelt gefragt, dass man nicht einmal versteht, welche Konsequenzen das eine oder andere Ergebnis überhaupt hätte. Aber offensichtlich ist das auch in der rot-grünen Koalition nie geklärt worden, denn auch Rathausbonzen geben keine eindeutige Antwort. Und vor allem wird nicht das gefragt, was die Wiener wirklich in Sachen Parken beschäftigt.  

Es wird nicht nach der Ausdehnung der Kurzparkzonen auf weitere Bezirke gefragt. Es wird nicht danach gefragt, ob für die sogenannten Pickerln weit über die eigentlichen Verwaltungskosten hinausgehende Tarife verlangt werden sollen. Die Wiener werden nicht gefragt, ob sie Bezirkspickerln oder solche für die ganze Stadt wollen.

Diese Frage ist also ein reiner Pflanz. Ich werde aber dennoch auch auf sie antworten. Und zwar mit der Antwort B. Aus dem einzigen Grund, dass sich die Gemeinde dann nicht mehr feige um die Entscheidungen und damit Verantwortung für die Kurzparkzonen drücken kann, die ihr ja eigentlich die Bundes- wie Landesverfassung immer schon zugeschrieben haben. Aber natürlich könnte man hier aber auch auf eine Antwort verzichten.

Ähnliches trifft schließlich auf die Frage nach den Solarkraftwerken zu. Die könnten zwar im Prinzip durchaus eine sinnvolle Geldanlage sein. Bei diesem Thema müsste es aber in Wahrheit um den Unsinn der geltenden (Bundes-)Gesetzeslage überhaupt gehen, die aber wiederum nicht abgefragt wird.

Denn diese Gesetzeslage trifft vor allem die Stromkonsumenten hart. Diese sind es, die mit überhöhten Gebühren zwangsweise die eigentlich völlig unwirtschaftlichen Solarkraftwerke sponsern müssen. Besonders unwirtschaftlich sind die Kraftwerke vor allem dann, wenn sie in Wien gebaut werden. Die letzten Monate haben ja auch Laien sehr anschaulich gezeigt, was Experten ohnedies seit langem sagen, nämlich dass es in dieser Stadt oft sehr lange fast keinen Sonnenschein gibt – während aber gerade im Winter der Strombedarf am höchsten ist.

Wie sehr auch diese Frage ohnedies nur als Schein-Demokratie gemeint ist, hat die „Wien Energie“ (ja genau, einer der vor Privatisierung zu „schützenden“ Gemeindebetriebe) vor einigen Tagen schockierend deutlich gemacht: Sie hat angekündigt, auf jeden Fall Solarkraftwerke zu bauen. Ganz egal wie die Abstimmung ausgeht. Alleine das zwingt – jenseits aller individuellen Interessen – zu einem klaren Nein. Und zwar unabhängig davon, dass die Wien Energie diese Ankündigung dann später auf Weisung des Rathauses wieder schubladisieren musste.

Würden die Wiener wirklich den Mumm zum Neinsagen haben, dann wären die rotgrünen Rathausbonzen nach dem Referendum auch in dieser Frage ganz schön in der Bredouille.

Das Tüpferl auf dem i: Der ganze Spaß kostet sieben Millionen Euro. Geld, mit dem man ganz schön viel Sinnvolles machen könnte, etwa Wiens explodierendes Defizit zu reduzieren.

Noch aus einem weiteren Grund empfiehlt es sich nicht, den zugeschickten Stimmzettel einfach zum Altpapier zu werfen: Es wird zumindest von der FPÖ behauptet, dass bei der letzten Abstimmung rote Funktionäre tagelang die Altpapier-Container nach weggeworfenen Stimmzetteln durchsucht hätten, die sie dann im Parteisinn ausgefüllt und eingeschickt hätten. Das ist zwar möglicherweise nur eine Behauptung, aber schon die zweifellos gegebene Möglichkeit eines solchen Missbrauchs ist ärgerlich. Und sie macht die zwei verantwortlichen Parteien lächerlich, weil Rot und Grün seit Jahren vehement gegen die Gefahr eines Missbrauchs von Internet-Abstimmungen wettern. Obwohl diese tausend Mal sicherer gegen Missbrauch sind.

Mein Vorschlag

Ich weiß nicht, ob ich auch nur irgendjemand überzeugen konnte. Ich weiß aber, wie ich meine eigene Stimmkarte ausfüllen werde:

  • 1. Wie soll die Parkplatzsituation und Lebensqualität für Bezirksbewohner/innen verbessert werden?
    A.    Es sollen für jeden Wiener Bezirk Parkraumregelungen eingeführt werden.
    B.    Es soll Lösungen für einzelne Bezirke geben (mit Berücksichtigung der Interessen der Nachbarbezirke).
    Antwort B

  • 2. Soll sich die Stadt um die Austragung der Olympischen Sommerspiele 2028 bemühen?
    NEIN

  • 3. Die kommunalen Betriebe bieten der Wiener Bevölkerung wichtige Dienstleistungen. Zum Beispiel Wasser, Kanal, Müllabfuhr, Energie, Spitäler, Gemeindewohnbauten und öffentliche Verkehrsmittel. Sind Sie dafür, dass diese Betriebe vor einer Privatisierung geschützt werden?
    NEIN

  • 4. Soll die Stadt nach dem Beispiel der Bürger/innen-Solarkraftwerke weitere erneuerbare Energieprojekte entwickeln, die mit finanzieller Beteiligung der Bürger/innen realisiert werden?
    NEIN

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Der Sieg der Schwulen und die Niederlage der simplen Fakten drucken

Die Schwulen-Lobby, also natürlich wie immer auch der ORF an führender Stelle, feiert wieder einmal einen großen Sieg. Sie erweckt damit in der Öffentlichkeit den Eindruck, seit dem jüngsten Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs wäre die Adoption durch Schwule fast ungebremst möglich. Das stimmt aber zu 98 Prozent nicht. Es ist in Wahrheit nur ein recht kleiner Sieg. Und auch der ist nur Folge der Tatsache, dass die Gesellschaft den Schwulen den kleinen Finger gereicht hat. Was aber seither Andersdenkende um die ganze Hand zittern lässt. (Mit nachträglicher Ergänzung)

Wäre Österreich bei einer klar ehe- und familienorientierten Rechtsordnung geblieben, und hätte es wie lange üblich nur verheirateten und heterosexuellen Paaren das Adoptionsrecht eingeräumt, dann wäre auch laut Menschenrechtsgerichtshof die Folge klar gewesen: Denn hätte dieser den konkreten Antrag eines lesbischen Paares nicht angenommen, sondern abgewiesen, eine Stiefkind(!)-Adoption durch die Partnerin der Mutter des Kindes zumindest prinzipiell für möglich(!) zu erklären.

Die zwei Rufzeichen des letzten Satzes stehen hinter den sehr gravierenden Einschränkungen der nun behaupteten Freigabe der Schwulen-Adoption.

Auf das zentrale Problem ist der Straßburger Gerichtshof nicht eingegangen – weil es auch von den Rechtsvertretern der Republik Österreich gar nicht angeschnitten worden ist. Weil es dazu in der Koalition keinen Konsens gibt. Nämlich auf die Tatsache, dass substanzielle Studien zeigen (das Tagebuch hat über sie ausführlich berichtet): Bei homosexuellen „Elternschaften“ ist für dort aufgezogene Kinder das Entstehen fundamentaler Probleme im weiteren Lebensverlauf viel wahrscheinlicher als bei heterosexuellen.

Auch bei diesen Studien steht außer Streit, dass es in Einzelfällen sehr engagierte homosexuelle „Eltern“ und sehr desinteressierte heterosexuelle geben kann. Bei einer Abwägung über die Auswirkung einer Adoptions-Entscheidung auf das künftige Kindeswohl kann es aber naturgemäß immer nur um erwartbare Wahrscheinlichkeiten und Durchschnittswerte gehen. Diese würden jedoch bei einer primären Orientierung am Kindeswohl eigentlich zu klaren Konsequenzen führen. Und die sind eben fast nie im Sinne der Schwulen-Lobby.

Eventuell käme noch ein zweiter Grund in Frage, der Schwulenadoptionen als sinnvoll erscheinen ließe: Wenn es zu wenig normale Eltern gäbe, die zur Adoption bereit sind, würde das Kindeswohl allemal eine homosexuelle Adoption als richtig erscheinen lassen. Besser eine Risiko-Adoption als ein Kind, das übrigbleibt. Jedoch gibt es ja weit mehr adoptionswillige Eltern als dafür in Frage kommende Kinder. Also kommt auch eine Knappheit an Adoptiveltern nicht als Grund in Frage.

Die Schuld an dem Urteil liegt bei Österreich. Denn die Republik hat sich formalrechtlich einfach auf den Standpunkt gestellt, dass homosexuelle Adoptionen hierzulande per Gesetz verboten sind. Sie hat aber nicht das Kindeswohl geprüft – wie es bei jedem Adoptionsantrag notwendig wäre.

Dabei würde zumindest im konkreten Fall das Kindeswohl noch aus einem ganz anderen Grund die Adoption durch die Partnerin der leiblichen Mutter verhindern: Denn es gibt einen leiblichen Vater. Und das Kind, ein Bub, unterhält auch Beziehungen zu diesem.

Bei anderen lesbischen Paaren in Europa ist die Situation bisweilen anders: Bei ihnen geht es um eine durch eine „anonyme“ Samenbank ermöglichte Schwangerschaft, wo also nie ein Vater ins Leben des Kindes getreten ist. Daher sind ja auch – eben im Interesse des Kindes! – in vielen Ländern Samenspenden nur an Ehepaare mit Fruchtbarkeitsproblemen erlaubt.

Der EGMR hat jedenfalls formal entschieden (und das bloß mit Mehrheit): Wenn ein Land heterosexuellen Lebensgemeinschaften die Adoption erlaubt, muss es das prinzipiell auch homosexuellen erlauben. Alles andere wäre eine Diskriminierung auf Grund der sogenannten sexuellen Orientierung. Dabei hat der Gerichtshof wohlweislich nur die Pflicht zur Gleichbehandlung etabliert.

Zweifellos hat sich die Schwulen-Lobby mit dieser Entscheidung wieder ein wenig vorgekämpft. Aber das, was manche Journalisten seither draus machen, bedeutet das Urteil eben keineswegs.

Würde Österreich wie viele andere Länder Europas prinzipiell die Adoption nur für verheiratete Paare erlauben, dann wäre es auch nicht zu diesem Erkenntnis gekommen. Denn der EGMR hat nun sogar ausdrücklich gesagt: Der (heterosexuellen) Ehe darf jedenfalls auch bei der Adoption ein Ausschließlichkeitsrecht gegeben werden. Aber eben nur der Ehe gegenüber Partnerschaften welcher Art immer; und nicht heterosexuellen gegenüber homosexuellen Partnern.

Wie mehrfach in diesem Themenbereich steht die ÖVP nun als hineingelegt da. Sie wollte wieder einmal einem vermeintlich progressiven Zeitgeist einen Schritt entgegenkommen. Und musste dann durch die juristische Automatik weitere Schritte hinnehmen, die sie eigentlich niemals gehen wollte.

Weshalb sich auf der anderen Seite etliche weibliche SPÖ-Politiker so sehr als Lobby für schwule Paare engagieren, müssen sie sich parteiintern ausmachen. Denn die 386 Paare, die sich (mit gegenüber den Vorjahren deutlich abnehmender Tendenz) im ganzen Jahr 2012 schwul verpartnert haben,  werden die abnehmenden Wählerzahlen der Partei nicht wirklich auffetten.

Ergänzung: Österreich ist einer von nur sechs Europarats-Staaten, der überhaupt Adoptionen auch außerhalb der Ehe erlaubt. Alle anderen 41 Staaten unter der Straßburger Judikatur sind also völlig unberührt.

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Der Lueger-Kannibalismus, Zusatztafeln und die dummen Bürgerlichen drucken

Das Lueger-Denkmal wird nun von einem SPÖ-Historiker mit einer Zusatztafel versehen. Und die ÖVP tut und textet eifrig mit. Nachdenken tut sie freilich nicht. Denn die Idee ist eine absolute Schnapsidee, die nur taktischen Interessen der Rathaus-Genossen dient. Denn niemand kann beantworten, warum es eigentlich nur bei Lueger eine Zusatztafel geben soll. Wenn man schon damit anfängt.

Was ist etwa mit dem roten Stadtrat Julius Tandler, der sich für die Tötung von „lebensunwertem Leben“ ausgesprochen hatte, und der 1930(!!), also absolut freiwillig, ins kommunistische Russland emigriert war? Was ist mit Karl Renner und seinem – nicht erpressten! – Aufruf, für den Anschluss an Hitler-Deutschland zu stimmen? Was ist mit Karl Marx, dessen Ideologie zur Rechtfertigung von millionenfachem Mord gedient hat? Was ist mit den vielen gefeierten Komponisten und Künstlern, die sich in der großen Mehrheit in ihren politischen Äußerungen gegen Rechtsstaat oder Demokratie gewendet haben? Was ist mit dem Wiener Rathaus, in dem auch blutbesudelte Machthaber amtiert haben? Was ist mit dem Denkmal für die sowjetische Armee, die neben dem Verdienst der Befreiung des Landes vom Nationalsozialismus auch viele schreckliche Verbrechen gegen völlig unschuldige Österreicher auf ihrem Konto hat?

Diese Liste ließe sich fast unendlich fortsetzen. Sie würde das Tagebuch fast in ein Jahrbuch verwandeln. Für all diese Menschen und Organisationen gibt es Denkmäler, Sonderbriefmarken, Gemeindebau- und Straßenbezeichnungen sonder Zahl. Aber keine Zusatztafeln, die auch auf deren dunkle Seiten verweisen würden.

Was hat es nun mit Lueger selbst auf sich? Er hat unbestreitbar hemmungslos den Antisemitismus breiter Wiener Schichten auf seine Mühlen gelenkt. Dieser Antisemitismus war damals im Kleingewerbe und im Klerus weit verbreitet. Er war vor allem ökonomisch fundiert, hatte aber auch einen christlichen Anstrich. Den hatten ja viele christliche Kirchen bedauerlicherweise bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Diese Schichten fühlten sich durch die aufblühende – und eben stark mit jüdischen Eigentümern identifizierte – Industrie und Finanzwelt, sowie die damit eng verbundene Technik und Naturwissenschaft existenziell bedroht. Dass erst all diese Neuentwicklungen den Wohlstand der Zukunft ermöglicht haben, ist zwar Tatsache. Das war aber dem damaligen, noch stark dem mittelalterlichen Zunftdenken verhafteten und tatsächlich vor einem starken Schrumpfungs- und Veränderungsprozess stehenden Kleingewerbe völlig wurscht. Und damit auch Lueger, der die Stimmen dieser Gewerbetreibenden brauchte.

Dieses Verhalten war absolut hässlich. Dem stehen freilich für eine seriöse Betrachtung aus dem Blickwinkel des 21. Jahrhunderts vier große Aber gegenüber: Erstens gibt es keinen einzigen Hinweis, dass sich Lueger in irgendeiner Weise für irgendeine Form der Gewalt ausgesprochen hätte; daher ist es mehr als unfair, dass ihn die Linke immer wieder mit dem Holocaust zu identifizieren versucht.

Zweitens war Lueger unbestreitbar der größte Bürgermeister der Geschichte Wiens; er hat aus der Stadt eine moderne, blühende – und alle Segnungen der Technik und Wissenschaft begeistert aufgreifende! – Weltmetropole gemacht: Das war eine unvergleichliche Leistung, wenn man an die Dumpfheit denkt, die seither das Wiener Rathaus geprägt hat. Lueger hat die Liberalen zwar vor dem Wahltag bekämpft, aber nachher großteils ihre Politik fortgesetzt.

Drittens wiederholen sich heute gerade auf der Linken die dunklen Seiten Luegers. Dazu gehört nicht nur ihr aggressiver Antizionismus, der nur in der linken Selbstdarstellung nichts mit Antisemitismus zu tun haben will. Dazu gehört vor allem der seit der Achtundsechziger Bewegung enorm große Kampf der Linken gegen Industrie, Technik und weite Bereiche der Naturwissenschaft. Dieser Kampf ist längst nicht nur bei den Grünen zu finden, sondern auch bei den Roten. Und er hat mit unterschiedlicher Intensität auch die Blau-Orangen und die Schwarzen infiziert.

Und viertens führt von Luegers scharfem verbalem Antisemitismus eine direkte geistige Linie zu Bruno Kreisky. Dieser hat, obwohl selbst jüdischer Abstammung, noch NACH dem Holocaust in einem so widerlichen Ton über die Juden generell gesprochen, dass einem nur übel werden konnte. Also müsste auch vor dem Kreisky-Forum und -Archiv in der Armbrustergasse eine Zusatztafel angebracht werden. Blöderweise ist aber in diesen Institutionen ausgerechnet jener Oliver Rathkolb seit Jahrzehnten intensiv und führend aktiv, der nun die Lueger-Tafel texten soll.

Begreift die bürgerlich dominierte Bezirksvertretung der Inneren Stadt all diese Zusammenhänge nicht? Ist sie wirklich so schwachsinnig, dass sie, wie behauptet wird, dieses Projekt unterstützt? Durchschaut sie nicht den Hauptantriebsmotor der Rathausgenossen, nämlich dass die wirklichen Leistungen für Wien fast ausschließlich von Habsburgern, liberalen Bürgermeistern wie Cajetan Felder und christlich-sozialen wie Lueger geschaffen worden sind? Nur deren Hinterlassenschaft lockt jährlich Millionen Touristen und große Kongresse in die Stadt. Die Touristenmassen vor dem – in roten Broschüren ständig bejubelten – Karl-Marx-Hof oder dem „Neuen Wien“ haben sich hingegen in so engen Grenzen gehalten, dass man sie in ein einziges Taxi stecken könnte.

Die Linke praktiziert klassische Aggression zur Übertünchung eines schweren Minderwertigkeitskomplexes. Rot-Grün setzen daher seit Jahrzehnten primär ganz stark auf Habsburg-Kannibalismus, Neoliberalen-Hatz und Lueger-Hass. Sie tut dies noch aus einem zweiten Grund: Rot-Grün braucht diese Geschichtsklitterung – bei der die total links gewendeten Wiener Historiker-Institute servil zu Diensten stehen – auch deshalb, um sich wenigstens irgendwo moralisch überlegen vorzukommen. Bricht doch ihre zweite Identitäts-Säule, der exzessive Wohlfahrtsstaat, gerade dramatisch unter der von ihm ausgelösten Schuldenlast zusammen.

PS.: Genau wegen dieses Lueger-Hasses haben die Rathausgenossen übrigens in den letzten Jahrzehnten auch alles getan, um nicht durch die Nennung einer U-Bahn-Station an jenen Bürgermeister zu erinnern. Das gilt für die Station „Schottentor“ unter dem (jetzt freilich aus dem gleichen Motiv umgetauften) Lueger-Ring; diese Namensgebung war alles andere als praktisch, wird „Schottentor" doch von vielen Nicht-Wienern oft mit „Schottenring“ verwechselt. Das gilt noch viel mehr für die Benennung der unter dem Lueger-Platz gelegenen Station „Stubentor“; hat doch vor der U-Bahn fast niemand mehr gewusst, was das Stubentor gewesen sein soll.

PPS.: Steckt hinter der Zusatztafel-Idee vielleicht auch die Hoffnung auf neuen Geldsegen für die Historiker, nachdem sie schon bei der Aufarbeitung des Schicksals fast jedes Vereins, jeder Firma in der Zeit des Nationalsozialismus Aufträge erhalten haben?

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Gewaltmonopol und Minderheiten – Polemik gegen den ,Rechtsstaat´ drucken

„Sie würden kein Auto stehlen.
Sie würden keine Handtasche stehlen.
Sie würden nicht Geld fälschen, Kinder entführen oder Killerdrohnen schicken.
Warum aber lassen wir dann all diese Dinge die Regierung tun?
Regierung ist kein „opferloses Verbrechen"!

Diese Botschaft richtete Jeffrey Tucker, vormals Vizepräsident des Ludwig von Mises Instituts in Auburn/Alabama und nunmehriger Chef des Internetbuchhandelshauses „Laissez Faire Books“, an die stetig wachsende Glaubensgemeinschaft der Staatsanbeter.

Starker Tobak, nicht wahr? Allerdings werden selbst mustergültige Untertanen, die mit anarchistischem Gedankengut gar nichts anfangen können, nicht umhinkommen einzuräumen, dass an Tuckers Zitat etwas dran ist. Denn Tatsache ist, dass eine überwältigende Mehrheit der Menschen tatsächlich nicht zur Kriminalität neigt – schon gar nicht zur initiierten Anwendung von Gewalt gegen ihre Mitmenschen. Wäre es anders, die Menschheit wäre längst ausgestorben.

Dennoch ist jede Untat, die sich dem Normalsterblichen ganz selbstverständlich verbietet – und zwar auch ohne hoheitliche Vorschriften – Staatsagenten nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten! Der Staat stellt, leider nicht nur in James-Bond-Filmen, vielen seiner Mitarbeiter eine Lizenz zum Töten aus. Ein Notwehrrecht gegen in seinem Auftrag tätig werdende Beamte gibt es nicht. Wer etwa sein rechtmäßig erworbenes Eigentum gegen einen amtshandelnden Polizisten zu verteidigen sucht, muss mit seiner Exekution rechnen – ganz ohne Gerichtsverfahren! Sollte der Witwe eines von den Schergen Leviathans liquidierten Bürgers anschließend Lust verspüren, sich auch noch verhöhnen zu lassen, darf sie sich zu diesem Zweck an das zuständige, staatliche Gericht wenden…

Der 1989 verstorbene amerikanische Naturforscher und Philosoph Edward Abbey fasste den Sachverhalt so zusammen:
„Wenn Sie sich weigern, ungerechte Steuern zu zahlen, wird Ihr Eigentum konfisziert.
Wenn Sie Ihr Eigentum verteidigen, werden Sie verhaftet.
Wenn Sie sich der Verhaftung widersetzen, werden Sie niedergeknüppelt.
Wenn Sie sich dagegen wehren, werden Sie erschossen.
Dieses Verfahren ist bekannt als Rechtsstaatlichkeit.“

Der Staat tritt, im von Abbey geschilderten Fall, nicht als Verteidiger von Leib, Leben und Sicherheit des Bürgers auf (also in dem Sinne, für den er da sein sollte), sondern ganz im Gegenteil! Er geht mit Gewalt gegen Menschen vor, die niemandem Unrecht zugefügt haben und deren einziges „Verbrechen“ darin besteht, ihr Eigentum behalten zu wollen. Denn „gerechte Steuern“ sind natürlich ein Oxymoron. Es gibt sie ebenso wenig, wie es „ehrliche Beute“ eines Raubüberfalls oder eine „politisch korrekte Vergewaltigung“ gibt. Steuern waren stets, sind und bleiben Diebstahl.

Ist die Existenz eines Monopols zur Rechtssetzung und Gewaltausübung schon dann problematisch und widersprüchlich, wenn anständige Menschen an dessen Schalthebeln agieren, so vervielfachen sich die Gefahren, wenn dem nicht so ist. In der Welt des real existierenden Gewaltmonopols dürfte das in ungefähr 100 von 100 Fällen der Fall sein.

Das nationalsozialistische Deutschland war, wie wir von Kindesbeinen an gelernt haben, ein Unrechtsstaat. Keinem aufrechten Demokraten würde es heute in den Sinn kommen, den Unrechtscharakter staatlicher Maßnahmen zur Zeit des Hitlerregimes zu bestreiten. Wen kümmert es da schon, dass dessen Regierung auf demokratische, rechtmäßige und verfassungskonforme Weise ans Ruder kam? Wer macht sich schon Gedanken darüber, dass der „Führer“ auf dem Höhepunkt seiner militärischen Erfolge – also etwa nach dem vollständigen Triumph über Frankreich – bei einer demokratischen Wahl vermutlich eine ¾-Mehrheit erreicht hätte (und damit ein Maß an Legitimation, dessen sich keine unserer Tage amtierende Regierung erfreut)?

Wie man es auch dreht und wendet: Ein zwischen damals und heute bestehender, struktureller Unterschied von Organisationen und Verwaltung des Staates, ist mit freiem Auge kaum zu erkennen. Kreuzbrave deutsche Beamte – keine geborenen Unmenschen und Mörder – mutierten nach dem 30. Januar 1933 über Nacht zu willigen Vollstreckern eines brutalen, antibürgerlichen, antiliberalen Totalitarismus´ (in Österreich war es am 13. März 1938 so weit). Wer ist naiv genug zu glauben, dass exakt dasselbe nicht jederzeit wieder geschehen könnte? Wer oder was sollte einen zu allem entschlossenen Polit-Desperado denn stoppen? Was sollte etwa eine linke Volksfrontregierung davon abhalten, ihr Gewaltmonopol – so wie damals unter dem Applaus der veröffentlichten Meinung – zur Unterdrückung und Verfolgung unliebsamer Minderheiten einzusetzen? Und – falls sie dazu willens wäre – würde der Polizeiapparat einer solchen Regierung tatsächlich die Gefolgschaft verweigern? Wohl kaum!

Minderheiten waren und sind der Gewalt eines (demokratisch „legitimierten“) Machtmonopolisten ebenso rechtlos wie wehrlos ausgeliefert. Biedere Polizeibeamte sehen weg, wenn bestimmten Minderheiten angehörende Mitbürger vom Mob drangsaliert und gedemütigt werden – oder sie fungieren am Ende selbst als aktive Werkzeuge derartiger Aktivitäten. Und um dem Fass die Krone aufzusetzen, werden für die durch organisierte Unrechtshandlungen entstandenen Kosten auch noch deren Opfer verantwortlich gemacht.

Der Akademikerball als warnendes Beispiel

Wien, am 1. 2. 2013. Einige Hundert Mitglieder freiheitlicher Burschenschaften und deren Begleiterinnen schicken sich an, den Akademikerball in der Wiener Hofburg zu besuchen. Auf dem Weg ins Balllokal werden sie von einer dreifachen Zahl gewaltbereiten Pöbels mit Schmähungen überhäuft, bespuckt und mit Farbbeuteln beworfen. Das Motto scheint zu lauten: „Besser ein Geschwür am After, als ein Deutscher Burschenschafter.“ Selbstverständlich war diese „Demonstration“, von der bereits im Vorfeld klar war, dass es zu Ausschreitungen kommen würde, behördlich genehmigt. Auf die beamteten Genossen ist Verlass.

Zur Klarstellung: es geht hier nicht um die Verharmlosung oder Relativierung weit schlimmerer Unrechtshandlungen in der Vergangenheit. Es geht auch nicht um unangemessene Vergleiche von Äpfeln mit Birnen. Es geht allein darum, die durch die Existenz eines Gewaltmonopolisten entstehende Problematik der Entrechtung von Randgruppen, die den Machthabern und deren Propagandisten unliebsam sind, aufzuzeigen.

Die Wiener Polizei war – im Februar 2013 – nicht in der Lage (oder nicht willens?), einen kleinen, politisch unliebsamen Teil der Gesellschaft, der sich keines Unrechts schuldig gemacht hat (die rechten „Burschis“), wirkungsvoll vor den Attacken gewalttätigen Abschaums zu beschützen. Der Polizeichef der Stadt Wien befand es anschließend sogar für geraten – nicht ohne das unverhüllte Wohlwollen der (mittels Subventionen und Inseraten) gleichgeschalteten Hauptstrommedien – die Opfer der von linken Radaubrüdern inszenierten Exzesse zu verspotten, indem er sie faktisch zu Tätern erklärte. Man hätte, so der wackere Beamte, schließlich einen anderen Zugang zum Balllokal wählen können (was faktisch unmöglich war, da auf allen zur Verfügung stehenden Zugangswegen der linke Mob lauerte). Am liebsten, so ließ der Polizeikapo sich vernehmen, wäre es ihm, wenn dieser Ball – angesichts der damit notorisch verbundenen Ausschreitungen – gar nicht erst stattfinden würde. Klar, schuld ist der mit Dreck Beworfene, nicht der Werfer. Daher ist natürlich ersterer zu bestrafen. Etatistische Logik vom Feinsten. Ob der Genosse Kommissar – pardon – Landespolizeipräsident, sich ähnlich äußern würde, wenn es sich um ein von Burschenschaftern belagertes Gschnas der sozialistischen Gewerkschaftsjugend handelte, darf bezweifelt werden.

Nochmals: Es geht hier nicht um das Kleinreden oder Relativieren weit schwerwiegenderer Übergriffe auf eine andere Minderheit in einer anderen Zeit. Es geht auch nicht um Sympathiekundgebungen für deutschnationale Vereine (welche dem Autor dieses Beitrags schwer zu unterstellen sein wird) Es geht – ganz grundsätzlich – um das Verhalten des Gewaltmonopols gegenüber jeder unliebsamen Minderheit. Damals wie heute ist das völlige Desinteresse der beamteten Amtsträger schwer zu übersehen, die Rechte der Bürger – und zwar ohne Ansehen ihrer Person – zu beschützen.

Die historische Parallele ist einfach unübersehbar!

Fazit: Wer meint, in einer Demokratie wären politisch unerwünschte Minderheiten vor gewalttätigen Übergriffen sicher, freut sich vermutlich auch jedes Jahr auf den Osterhasen und das Christkind. Wer meint, der Staat würde für den Schutz von Sicherheit und Eigentum seiner Insassen sorgen, ist vollends auf dem Holzweg. Der territoriale Machtmonopolist kennt nur ein einziges Ziel, das er rücksichtslos verfolgt: sein unaufhörliches Wachstum. Das war immer so und das wird sich wohl auch niemals ändern.

Eine systembedingt auf Unrecht gegründete Rechtsagentur – welche Segnungen hätte der Bürger von einer derart dubiosen Organisation zu erwarten…?

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Wer sagt endlich die Wahrheit? drucken

Karl Schwarzenberg ist eine besondere Politikerpersönlichkeit in Europa, denn er sagt auch dann die Wahrheit, wenn sie ihm politisch schadet. Und so hat er seine Chancen auf das Präsidentenamt ruiniert, indem er ein tschechisches Tabuthema angesprochen hat: Die Unrechtmäßigkeit der Beneš-Dekrete und der wilden Vertreibung 1945.

Ist ein österreichischer Politiker in Sicht, der es wagt, die Wahrheit auszusprechen? Etwa, dass wir bis 70 arbeiten sollten oder dass wir uns mit unserer Schuldenpolitik in den Sack lügen? Und wie ist es mit der Neutralitäts-Lüge, der Lüge von der niedrigen Arbeitslosigkeit, der Pensionslüge oder der Lüge von den Sparpaketen, die allesamt Belastungspakete waren? Aktuell bedienen heimische Politiker den Brüsseler Wasserschmäh, sowie auch das Märchen von der Finanzautonomie der Bundesländer, die allerdings mit ihrem Rechnungswesen noch nicht einmal im 20., geschweige denn im 21. Jahrhundert angekommen sind. Überdies befinden wir uns in einem Wahljahr und erleben bereits verstärkt die populistischen Ansagen: Vom Po-Grapschen bis zur Pendlerpauschale.

Bekenntnis zur Lüge

Ein Musterbeispiel von „Wählerverarschung“ (pardon pour l’expression) wurde von entscheidungsunfähigen Politikern mit der Volksbefragung zum Bundesheer versucht; interessanterweise haben die Wähler diesmal das üble Spiel durchschaut. (Garantie dafür gibt es für künftige Fälle allerdings leider keine; bei der letzten Nationalratswahl gelang es der SPÖ mit ähnlichen Tricks – und vor allem der Geldverschleuderungssitzung wenige Tage vor dem Urnengang – die Wahl für sich zu entscheiden).

Apropos Wehrpflicht: Dazu sei an ein bemerkenswertes Politikerstatement erinnert: „Die meisten Jungen sind gegen die Wehrpflicht, sie müssen nur zur Abstimmung gehen. Wir müssen vermeiden, dass wieder andere für uns entscheiden“. Meint der Autor mit „wieder“, dass bei den letzten Wahlgängen „andere“ (also die „Falschen“?) die „Richtigen“ überstimmt haben? Ist der Autor ein radikaler Faschist, der eine Bevölkerungsgruppe gegen eine andere ausspielen möchte und der das Prinzip vom gleichen Wahlrecht aushebeln will?

Das Zitat stammt von Werner Faymann aus der „Kronen Zeitung“ vom Abstimmungssonntag (aber was tut man als verantwortungsloser Opportunist nicht alles, um die letzten Reserven zu mobilisieren?). Nein, Werner Faymann ist alles andere als ein Karl Schwarzenberg und er ist wohl auch kein Politologe, der auf interessante Konstruktionsfehler der modernen Parteiendemokratie hinweisen wollte; der Mann ist nicht dafür bekannt, sich über Grundsatzfragen den Kopf zu zerbrechen.

Dennoch hat das Thema einige Brisanz und würde sich einen seriösen Diskurs verdienen. Diesen versucht Christian Ortner in seinem neuen Buch „Prolokratie – demokratisch in die Pleite“, wenn er darauf verweist, dass „sechs Millionen Nettoempfängern des Sozial- und Umverteilungsstaates nur noch zwei Millionen Nettozahler gegenüberstehen“.

Auf rund 90 Seiten nimmt sich Christian Ortner des immer stärker herandräuenden Problems der Kompatibilität von „Demokratie und gesunden Staatsfinanzen“ an; eine empfehlenswerte und anregende, wenn auch nicht immer erfreuliche Lektüre. Leider hat Ortner ebenfalls keine Antwort, wie man diese „Fehlfunktionen des demokratischen Betriebssystems“ beheben könnte, und er zitiert resignierend den luxemburgischen Regierungschef Jean Claude Juncker, der sich auch schon gelegentlich zur Lüge bekannt hat: „Wir Politiker wissen ja, was getan werden müsste. Wir wissen nur nicht, wie wir danach wiedergewählt werden können“. Womit wir wieder bei der politischen Lüge und den fehlenden Schwarzenbergs sind.

Trottoirzeitungen

Wenn wir davon ausgehen, dass sich laut einer aktuellen IMAS-Studie nur 26 Prozent der Österreicher für Politik interessieren, aber 79 Prozent zur letzten Nationalratswahl gegangen sind, muss man sich fragen, woher beziehen die über 50 Prozent, die sich nicht für Politik interessieren, ihre Informationen? Eine rasche Antwort gibt ein Blick in die von der Politik gekauften Billigzeitungen. Die Prolokratie hat eben die Medien, die sie verdient. Komplizierte Informationen sind zu lästig, der Funfaktor steht im Vordergrund und es wird kampagnisiert. Im Jänner wurde uns wieder gezeigt, mit welcher krassen Einseitigkeit ORF, „Krone“, „Heute“ und „Österreich“ für das SPÖ-Modell des Berufsheeres geworben haben, und wie stark die Argumente für die Wehrpflicht vernachlässigt, ja lächerlich gemacht wurden. Man weiß schon, wo die Geldtöpfe sind, mit denen man es sich nicht verscherzen sollte.

Dass die Abstimmung doch anders ausgegangen ist, wurde von vielen mit Erleichterung als Beweis aufgenommen, dass diese Trottoirzeitungen (der Ausdruck Boulevard ist eigentlich viel zu nobel), doch nicht alles vermögen. Hier ist Vorsicht angebracht: Denn erstens ging die Abstimmung für die SPÖ verloren, weil sie selber nicht geschlossen war, zweitens war es bei diesem Thema sehr schwierig, gegen die großen Sympathien, die vor allem der Zivildienst in der Bevölkerung hat, anzuschreiben (die „Krone“ konnte sich diesmal nicht „im Einklang mit der Volksseele fühlen“, wie Hans Rauscher treffend meinte), und drittens haben diese Krawallzeitungen ihren Schwerpunkt in Ost-Österreich, wo es ihnen ja in Wien sogar gelang, eine Mehrheit für das Berufsheer herbeizuschreiben.

Bücherverbrennungen anno 2013

Ein besonderes Kapitel im österreichischen Medienwesen ist der Umgang mit „unangenehmen“ Büchern. Die Nazis haben Bücher noch verbrannt, die zeitgenössischen Hohepriester der Deutungshoheit ignorieren Bücher oder verreißen sie in hämischen Rezensionen. Zwei aktuelle Fälle gibt es, und auch hier sieht es die ACADEMIA als ihre Aufgabe an, über Dinge zu berichten, die zwar passieren, von „gleichgeschalteten“ Medien aber ausgeblendet werden

Das eine ist die schon erwähnte Broschüre von Christian Ortner, das andere ist das Buch von Ernst Hofbauer: Faymann – der Kanzler im Zwielicht, der schon mit zwei Klestil-Büchern für Aufregung sorgte. Der Autor legt damit nicht nur ein penibel recherchiertes Portrait unseres Bundeskanzlers vor, sondern auch ein Sittenbild der Wiener SPÖ und ihrer Netzwerke; auch keine „angenehme“ Lektüre, aber sehr erhellend.

Sittenbild

Selbstverständlich nimmt in Ernst Hofbauers Faymann-Buch der lockere Umgang mit Steuergeld zur Medienbestechung einen besonderen Platz ein, und er zitiert dazu gewichtige Zeitzeugen, wie etwa den Wiener Kunst- und Medientheoretiker Peter Weibel, „Faymanns Devise, inserieren statt regieren, ersetzt Politik schon immer durch Medienmanipulation“, oder den an sich SPÖ-freundlichen Korrespondenten der NZZ, Charles Ritterband: „Angeblich gibt keine demokratische Regierung der Welt so viel Steuergeld für gezielt eingesetzte Selbstbeweihräucherung in den Medien aus“.

Angeregt durch die Auslassungen und Behübschungen im Lebenslauf des Kanzlers hatte sich der neugierige Ernst Hofbauer ans Werk gemacht. Was er zu Tage fördert, ist mehr als bemerkenswert, ja streckenweise erschreckend. Hofbauer schildert nicht nur die praktisch ungebrochene Karriere des späteren Teflon-Kanzlers, der es schon als Jugendfunktionär der SPÖ bestens verstand, ohne anzuecken vorwärtszukommen. Seine kaum dokumentierte AHS-Zeit sowie sein Nicht-Studium bilden nur den Aufhänger für ein Buch, das einerseits ein Sittenbild der Wiener SPÖ beziehungsweise des Rathausfilzes ist, sowie andererseits die Systemschwächen der modernen Gefälligkeitsdemokratie aufzeigt. Dazu passt exakt eine Headline zu einem „Standard“-Bericht: „Mittelmäßiger Wohnbaustadtrat zum Kanzler gekauft“. Wahrscheinlich haben wir Österreicher keinen Schwarzenberg verdient.

Prof. Dr. Herbert Kaspar ist Herausgeber der ACADEMIA, der Zeitschrift des österreichischen Cartellverbandes. Dieser Kommentar ist der aktuellen Dezember-Ausgabe entnommen.

PS: Die Political Correctness als Gefahr für die Demokratie

Herbert Rosendorfer, einer der wohl gescheitesten Schriftsteller der Nachkriegszeit, hat immer wieder Fehlentwicklungen unserer Gesellschaft auf’s Korn genommen und sich auch insbesondere zum Terror der Political Correctness geäußert, die die Demokratie gefährdet: „Wenn keiner mehr sagen darf, was er meint, ruft das eine Verlogenheit hervor, die schädlich für die Demokratie ist. [...] Wenn einer sagt, ich bin ein Nazi und der Hitler war ein großer Mann, dann weiß man, dass das ein Trottel ist.“

Wenn man aber befürchten muss, mit seiner Meinung Gesetze oder Konventionen zu verletzen oder sich dadurch der Ächtung der Zeitgenossen auszusetzen, dann wird man eben lügen, was die unangenehme Folge hat, dass man nicht mehr jeden Trottel sofort erkennt. Keiner sagt mehr wirklich was er denkt, sondern es wird so formuliert und verpackt, wie der Sprecher annimmt, dass es von ihm erwartet wird. Kein Wunder, dass zahlreiche Diskussionen hierzulande nicht nur langweilig, sondern vor allem auch verlogen ablaufen, was nicht so sein müsste, wenn man sich etwa Debatten im angloamerikanischen Raum ansieht.

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Ein Rücktritt und seine Gründe drucken

Das ist nun wirklich eine weltgeschichtliche Sensation: Der Papst tritt zurück. Was sind die wahren Motive von Benedikt XVI.? Eines ist sicher sein Gesundheitszustand. Ein anderes ist aber der Zustand seiner Kirche.

Der deutsche Papst tut etwas, was vor ihm überhaupt erst ein einziges Kirchenoberhaupt getan hat. Er übt praktizierte Demut. Ihm war keine Sekunde lang der Glanz und Pomp rund um das älteste Amt der Menschheit wichtig, sondern nur die Zukunft seiner Kirche.

Benedikt setzt damit einen zweifellos für die nächsten Jahrhunderte wichtigen Präzedenzfall: Während sein Vorgänger die öffentliche Darstellung seiner Leiden geradezu als mystischen Akt einer Wiederholung der Leiden Christi gesehen hat, will Ratzinger nicht seine zunehmende Schwäche in den Mittelpunkt des weltweiten Interesses einer immer schamloser werdenden Medienwelt gerückt sehen.

Das ist zweifellos Ausfluss seiner persönlichen Bescheidenheit und Nüchternheit. Damit stehen aber auch alle Nachfolger eines Tages vor der bisher nicht vorhandenen Frage: Rücktritt oder Ausharren? Folgen sie dem Exempel von Johannes Paul II. oder eben dem von Benedikt?

Dieser spürt mehr denn sein Vorgänger, dass die Kirche nicht nur Charisma braucht – von dem er zweifellos weniger hatte –, sondern auch eine kraftvolle Führung. Die hatte es in den letzten Krankheitsjahren des polnischen Papstes nicht mehr gegeben.

Aber auch der feinsinnige Theologe Ratzinger fühlte sich dazu immer weniger imstande. Kriminalfälle in seiner unmittelbaren Umgebung, vatikanische Intrigen und die wachsende Disziplinlosigkeit auch vieler Priester und Bischöfe haben ihn ebenso an den Rand der Verzweiflung getrieben wie der gewaltige Schock der vielen in seiner Amtszeit an die Oberfläche gekommenen Fälle von Kindesmissbrauch. Dabei ist es ihm verständlicherweise kein Trost gewesen, dass sich inzwischen gezeigt hat, welche grässlichen Dinge sich auch in vielen anderen staatlichen wie privaten Heimen und Schulen abgespielt haben.

Dass kraftvolle Führung in der Kirche zunehmend vermisst wird, werden wohl auch besonders viele Gläubige in der Erzdiözese Wien unterschreiben. Dass der Wiener Kardinal trotz mehrerer Mahnungen aus Rom auf die von Wien ausgehende Ungehorsams-Aktion etlicher Priester bis auf einige zaghafte Versuche letztlich völlig tatenlos reagiert hat, gehört da ebenso dazu wie seine Führungsschwäche in Sachen Votivkirche oder seine Unfähigkeit, sich mit guten Beratern zu umgeben.

In der Kirche zerren zwei Flügel in sehr unterschiedliche Richtungen. Das wurde in den letzten Monaten auch dadurch anschaulich, dass es für mehrere zu besetzende Bischofsämter keine überzeugenden Nachfolger gibt. Weder der progressive noch der konservative Flügel können überzeugende Kirchenmänner nennen. Und noch weniger Persönlichkeiten gibt es, die kraftvoll über diesen beiden oft sehr kurzsichtigen Gruppen stehen.

Nur in wenigen Ländern der Weltkirche wie in Österreich und im Heimatland des Papstes könnte man unter dem Eindruck der Medien glauben, dass der sogenannte progressive Flügel der stärkere wäre oder gar, dass er die Zukunft vertreten würde. Im weltweiten Katholizismus ist das hingegen keineswegs der Fall. Da ist im Gegenteil gerade aus der immer wichtiger werdenden Dritten Welt eine ganz starke Rückbesinnung auf die Tradition der Kirche zu beobachten. Aber auch im deutschsprachigen Klerus zeigt sich, dass jüngere Priester mit dem Ungehorsam der kirchlichen Altachtundsechziger immer weniger zu tun haben wollen.

Auch die von Benedikt XVI. zuletzt in auffallend großer Zahl vorgenommenen Kardinals-Ernennungen bestätigen das. Der nächste Papst wird daher nicht zu jenen gehören, die unter diffuser Berufung auf das ein halbes Jahrhundert zurückliegende Konzil (freilich ohne konkrete Belege durch Dokumente) eine ständige weitere Demontage der katholischen Tradition vorantreiben wollen.

Freilich: Schon oft haben sich Menschen nach ihrer Wahl ganz anders entwickelt als erwartet. Denn in den westlichen Industrieländern wird man durch bloße Tradition wohl nicht mehr die nötige Wiederbelebung des Glaubens schaffen. Ein kraftvoller Papst könnte daher sowohl in Richtung Zölibat wie auch in Hinblick auf die Geschiedenen dann Zeichen setzen, wenn er zugleich die Kirche mit Stärke wieder auf den missionarischen Weg des Glaubens statt des Zeitgeistes setzt.

Die große Zahl der neuen Kardinäle mit einem klar außereuropäischen Schwerpunkt zeigt aber noch zweierlei: Benedikt hat sich erstens in aller Zielstrebigkeit schon einige Zeit auf seinen Abgang vorbereitet. Und zweitens ist die Wahrscheinlichkeit so groß wie noch nie, dass der nächste Papst nicht mehr aus Europa kommt. Wer etwa das Blühen der Kirche in Vietnam gesehen hat, der spürt, wo es neue Wurzeln geben könnte.

PS.: Aus einem langen – privaten – Gespräch, das ich vor rund einem Jahrzehnt mit Josef Ratzinger führen durfte, weiß ich aber auch, was Österreich mit ihm verliert: einen Mann, der sich nicht nur auf Grund seines grenznahen Geburtsortes extrem gut in Österreich auskannte. Ratzinger zeigte sich damals voll innerer Empörung über die Heuchelei etlicher europäischer Staaten, mit denen gegen Österreich vorgegangen worden war.

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Planwirte aller Parteien drucken

­­­­Wer geglaubt hat, nur Rot und Grün stünden für die Planwirtschaft, der täuscht sich gründlich. Auch schwarz-blau-orange Politiker werden immer wildere Kämpfer für den realen Sozialismus, der mit seiner Plan- und Regulierungswut, mit seinen totalitären Verboten so viel Not und Elend geschaffen hat, während die Länder der Marktwirtschaft immer wohlhabender wurden.

Die jüngsten Exempel für die Regulierungswut der angeblich rechten Parteien:

Ein Satz aus der jüngsten Rede des schwarzen EU-Abgeordneten Othmar Karas: "Dann benötigen wir die Fiskalunion, nach der Fiskalunion benötigen wir die politische Union mit wirtschafts-, steuer-, sozial- und budgetpolitischer Koordinierung". Kommentar überflüssig.

Die jüngste Forderung des freiheitlichen Niederösterreichers Gottfried Waldhäusl: Er verlangt ein generelles Spekulationsverbot für Land, Gemeinden und Verbände, das in der Landesverfassung verankert werden soll. Das sei "eh sehr harmlos", wenn man bedenke, dass Leuten, die das Geld anderer verspielen, früher "die Hände abgehackt" worden wären. Kommentar überflüssig.

Der BZÖ-Parteichef Josef Bucher bekommt neuerdings überhaupt Schaum vor dem Mund, wenn er an die Möglichkeit denkt, dass sich in seinem Glas Wasser befindet, das ihm dort ein Privater und nicht der Staat eingeschenkt haben könnte. Kommentar überflüssig.

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Im Target-Sumpf: Die Dilemmata von Politik und EZB drucken

Hans-Werner Sinn, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in München (ifo), ist heute der prominenteste Nationalökonom deutscher Zunge. Seinen Ruhm verdankt er der Fähigkeit, komplizierte Vorgänge im Finanzbereich samt ihren Wirkungen auf die Realwirtschaft einfach, anschaulich und so überzeugend darzustellen, dass er zu den meist gesuchten Gesprächspartnern und Kommentatoren in den Massenmedien gehört.

Hunderte Fachkollegen schließen sich seinen Aufrufen immer wieder an, mit denen er die unbedarfte Politik vor den Nachteilen ihrer Maßnahmen und Entscheidungen warnt, welche Deutschland nach und nach in den Abgrund ziehen und Europa spalten. So traten zuletzt seiner Kritik an den Vorschlägen zur Schaffung einer EU-weiten Bankenunion über 270 Nationalökonomen bei. Die Bankschulden der PIIGSZ (Portugal, Italien, Irland, Griechenland, Spanien, Zypern) von rund 9.300 Milliarden Euro in irgendeiner Weise in eine Bankenunion einzubringen, dieser Vorschlag erscheint so absurd, dass wir ihn hier im Zusammenhang mit den Target-Salden nicht behandeln, sondern  bei anderer Gelegenheit beurteilen wollen.

Größte Beachtung haben Sinns gründliche, seit 2011 öffentlich gemachte Untersuchungen zu den verheerenden Folgen der ausufernden Target-Salden gefunden, in denen sich die Auswirkungen der Europäischen Währungsunion abbilden. Er musste sich einige Zeit um die Anerkennung des Problems durch seine Fachkollegen abmühen, war aber schlussendlich erfolgreich. Nicht erfolgreich war er bei der Mehrheit der Parlamentsabgeordneten, die noch bei ihren Beschlüssen im Juni/Juli 2012 die Target-Falle nicht zur Kenntnis nahmen.

Die Schönredner unter den Verantwortlichen in den Zentralbanken (rühmliche Ausnahme: Jens Weidmann, der Präsident der Deutschen Bundesbank), in den Finanzministerien, in der Politik und unter den Journalisten  versuchen bis heute die Auswirkungen der unbeherrschbaren Target-Salden klein zu reden. Dabei übertreffen Target-Salden die bislang aufgespannten „Rettungsschirme" um ein Vielfaches, ohne dass die Parlamente und Regierungspolitiker auf sie auch nur den geringsten Einfluss nehmen könnten. Sie alle agieren, wie die Engländer sagen, „penny-wise and pound-foolish“.  Sie liefern sich lieber Scheingefechte um ihre vermeintlichern „Hoheits- und Haushaltsrechte", die ihnen durch die „Finanzmärkte"  längst entwunden wurden; oder sie segnen Spar-, Koordinations- und Wachstumsprogramme auf ihren „Gipfeln" ab, die nicht mehr als heiße Luft für medienwirksame Ballons enthalten.

Sinns im September 2012 erschienenes Buch „Die Target-Falle – Gefahren für unser Geld und unsere Kinder" wurde innerhalb weniger Wochen zum Bestseller, doch ob die Käufer sich die Mühe machen, es durchzuarbeiten, bleibt zweifelhaft. Bitteren Wahrheiten ins Gesicht zu sehen ist nicht jedermanns Sache. Die Erkenntnis, von den eigenen Politkern, Zentralbankern und hohen Beamten von vorne bis hinten belogen, betrogen und um seine Erspartes gebracht zu werden, erschüttert das dem Menschen angeborene Urvertrauen in einer Weise, die es vielen geraten sein lässt, ihre Augen zu verschließen um den Glauben an die Würde und an das Gute im Menschen nicht ganz zu verlieren.

Was sind Target-Salden, wie entstehen sie?

Mit Target (Trans-European Automated Real-time Gross Settlement Express Transfer System) wird ein Clearingsystem zwischen den nationalen Notenbanken der Eurozone und der Europäischen Zentralbank bezeichnet, durch das der Zahlungsverkehr täglich verbucht und abgerechnet wird. Target 2 ist die Weiterentwicklung und der Nachfolger des bis Mai 2008 benutzten ersten Target-Systems.

Target-Salden, um die es in Hans-Werner Sinns Buch geht, entstehen, wenn die Summe der Überweisungen in ein Empfängerland die Rückflüsse in das Entsendeland übersteigt. In den ersten Jahren dieses Verrechnungssystems entstanden längerfristig keine größeren Salden. Guthaben wurden durch normale Kreditvereinbarungen oder durch Kapitalveranlagungen ausgeglichen. Mit der Finanzkrise traten aber spätestens 2009 die Verzerrungen ans Licht, die der Euro in der Finanz- und Realwirtschaft hervorgerufen hat. Die Salden konnten nicht mehr durch die ausgetrockneten Finanzmärkte ausgeglichen werden.

An die Stelle der Finanzmärkte traten die horrenden Verrechnungsforderungen der noch einigermaßen gesunden Länder gegenüber den PIIGSZ. Die Gefahr liegt darin, dass diese Verrechnungsforderungen oder „Target 2-Salden“ nicht mehr ausgeglichen werden können und von der EZB in größerem Ausmaß als uneinbringlich abgebucht werden müssen.

Die Entstehung dieser Salden hat vornehmlich zwei Ursachen: Leistungsbilanzdefizite und Kapitalflucht. Leistungsbilanzdefizite entstehen, wenn ein Land mehr importiert als exportiert und auch auf dem Dienstleistungssektor (bei vielen PIIGSZ zählt der Tourismus) keinen adäquaten Ausgleich schafft. Bleiben dann auch noch Kapitalinvestitionen aus und setzt mangels Vertrauen zusätzlich Kapitalflucht oder Kapitalrepatriierung ein, dann stehen die Defizitländer sehr schnell vor dem Bankrott.

Die von EFSF, ESM und IWF aufgespannten „Rettungsschirme“ sowie die Stützung von Banken und Staatsanleihen jetzt in „unbegrenztem Ausmaß" durch die Europäische Zentralbank sind „Kauf von Zeit“ und dienen nur noch der Konkursverschleppung. Zugleich führen sie dazu, dass die Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit verzögert wird und erforderliche Restrukturierungen, Beamtenabbau und Lohnkürzungen unterbleiben.

Gutachten der „Troika“ (EZB, IWF, EU), die vor Freigabe von weiteren „Hilfstranchen" den PIIGSZ regelmäßig bescheinigen, dass die hilfsbedürftigen Länder „auf gutem Wege" sind und „liefern", sind inzwischen nicht einmal mehr das Papier wert, auf dem sie geschrieben wurden  und dienen  nur noch der Ruhigstellung aufgebrachter Bürger und kritischer Parlamentarier in den Zahler- und Garantieländern.

Doch noch wichtiger als diese „Rettungsmaßnahmen“ sind für die Verzögerung der Konkursanmeldung die Target-Salden. Um ein Gefühl für die Bedeutung der Target-Salden für die Finanzierung der PIIGSZ zu bekommen genügt der Hinweis, dass durch die „Rettungsschirme" nur etwa 18 Prozent, durch die Target-Salden (inkl. der ihrem Charakter entsprechenden Ankäufe von Staatsanleihen durch die EZB) dagegen 82 Prozent der bislang ausgereichten Hilfsgelder aufgebracht wurden. Von 1.471 Milliarden Euro entfielen Ende August nur 255 Milliarden auf die „Rettungsschirme".

Nicht in diesen Summen ausgewiesen sind die beträchtlichen Injektionen der EZB, durch die Not leidende Banken mit Liquidität zum fast-Nulltarif versorgt werden. Durch die laufende Herabsetzung der Bonitätskriterien bis auf Schrottniveau für zu hinterlegende Sicherheiten ("Collaterals") steigt das Risiko für die gesunden Länder nochmals beträchtlich an. Eben deshalb will die EZB das Ausscheiden eines Landes aus dem Euro unbedingt verhindern, wäre sie doch dann selbst pleitegefährdet. Keine gute Voraussetzung für unparteiische Gutachten über die Schuldentragfähigkeit eines hilfsbedürftigen Staates.

Anschreiben als bloße Konkursverschleppung

Die Griechen, so führt H.-W. Sinn seinen Landsleuten die realen Auswirkungen der Target-Salden plastisch vor Augen, lassen „anschreiben": Sie fahren in dem von uns gelieferten Mercedes herum und bezahlen ihn mit einem auf Ewigkeit angelegten „Verrechnungsposten".

Solche Importe durch die Übertragung von fungiblen Vermögenswerten (z.B. durch Pfandbriefe oder durch Gold wie noch unter dem Bretton-woods-Abkommen verlangt) zu „bezahlen“ und damit auszugleichen, dazu bestehen bei den Griechen weder Veranlassung noch Absicht und Möglichkeit. Ganz im Gegenteil: Die EZB ermöglicht sogar den Ausverkauf Deutschlands (Immobilien) durch die Bürger aus PIIGSZ, die  via EZB bei der Deutschen Bundesbank ebenfalls  „anschreiben" lassen: Der Süden „kauft sich im Norden, was einem beliebt, und die Notenbanken des Nordens saugen das Geld im Austausch gegen weitere Target-Forderungen wieder auf".

Lange kann das nicht gut gehen. Die Behauptung, Deutschland habe vom Euro profitiert, erweist sich auch an diesem Beispiel einmal mehr als Schwachsinn. Das BIP-Wachstum Deutschlands von 1995 bis zur Krise 2007 betrug nicht einmal die Hälfte des Wachstums von Griechenlands! Und nur ein Sechstel von jenem Irlands!

Die Target-Forderungen der Überschussländer (Deutschland, die Niederlande, Luxemburg, Finnland, Estland) beliefen sich Ende September 2012 auf rund 1.100 Milliarden Euro, wobei Deutschland mit 75 Prozent die Hauptlast trug, in der EZB jedoch das gleiche Stimmgewicht wie Malta besitzt. Die PIIGSZ, die rund 1.000 Milliarden schulden, können leicht die Hände heben, die in die deutschen Vermögenstaschen greifen. Die deutsche Regierung und das Parlament werden nicht einmal mehr zum Abnicken gebraucht.

Der langen Rede kurzer Sinn: Deutschland steckt bis über den Hals im Target-Sumpf. Dank Merkel und ihren Helfershelfern sogar aus der Opposition (SPD und Grüne stimmen bei allen Rettungsaktionen mit) ist Deutschland „erpressbar“ geworden. Frau Merkels unbesonnene Bemerkung, „scheitert der Euro, so scheitert Europa", hat ihr jede Handlungsmöglichkeit zur Befreiung aus dem Schuldensumpf verbaut. Deutschland ist jetzt auf Gedeih und Verderb zu den Hilfen gezwungen. Die Spar- und Kontrollprogramme, an die Merkel die Hilfen binden will, werden von keinem Land mehr ernst genommen. Warum denn auch, wenn Merkel das Ausscheiden aus der Eurozone durch Konkurs ausschließt? Die Folge: Merkel und ihr Finanzminister Schäuble knicken bei jedem Gipfel ein.

Die Bilanz der „Rettungsmaßnahmen“ ist trist: Statt Senkung der Staatsschulden steigen sie in den PIIGSZ unentwegt, die Defizitreduktionen bleiben ohne Ausnahme hinter den Auflagen zurück. Spanien, der Empfänger eines „Bankenhilfsprogramms", versprach beim Beschluss im Februar 2012 seine Staatsdefizite von 2012 bis 2014 von 5,3 auf 1,1 Prozent des BIP zu vermindern, doch ein halbes Jahr später musste mit 8 und 6,4 Prozent gerechnet werden. Statt einer Verschuldung von 81,5 Prozent des BIP werden für 2014 nun 97,1 Prozent erwartet, das Bankenpaket im Ausmaß von bis zu 100 Milliarden Euro ist dabei noch gar nicht eingerechnet! Zur Belohnung für die Nichterfüllung der Auflagen und übernommenen Verpflichtungen werden Hilfssummen erhöht, die Zinsen vermindert, Rückzahlungen vertagt oder teilweise gar gestrichen.

Nicht viel anders entwickeln sich die Dinge in den anderen PIIGSZ. Die ganze Eurozone wird neuerdings auch noch durch den Absturz Frankreichs gefährdet. Die Niederländer haben schwere Probleme mit ihrem Bankensektor, sie mussten inzwischen eine der systemrelevanten Banken verstaatlichen. Ähnlich geht es Belgien und Slowenien.

Mit seinen jüngsten Reden in Großbritannien und in Davos hat der britische Premierminister David Cameron nicht nur mit dem Austritt aus der EU gedroht, sondern den Finger in die Wunde der Eurozone gelegt, die neben Stagnation mit hoher Arbeitslosigkeit und dem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit in den nächsten Jahren zu rechnen hat. Ganz abgesehen davon, dass Großbritannien „niemals“ den Euro einführen wird, sinkt dort wie auch unter den anderen Ländern die Zustimmung zur EU.

Das hat den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, am 1. Februar 2013 veranlasst, von einer „tödlichen Bedrohung der Europäischen Union“ zu sprechen. Die EU, so Schulz, habe auf breiter Front Vertrauen verloren. „Wenn sich Menschen von einem Projekt, von einer Idee abwenden, dann geht das irgendwann seinem Ende entgegen." Die „Malaise der Europäischen Union" sieht Schulz in einem „doppelten Vertrauensverlust, den die EU erleidet". In der Eurokrise verliere die Union zum einen „das Vertrauen bei den Investoren als erfolgreiche Wirtschafts- und Währungszone. Und sie verliert das Vertrauen der Bürger als die sie schützende und ihre soziale Stabilität bewahrende Macht."

Zurück zur Drachme ist die einzige Lösung

Damit die Dinge halbwegs ins Lot kommen, müssten nach der Einschätzung von H.-W. Sinn Spanien, Griechenland und Portugal längerfristig im Vergleich zum Durchschnitt der Eurozone um etwa 30 Prozent billiger werden, um wieder wettbewerbsfähig zu werden, und selbst Frankreichs Preise müssen um 20 Prozent gegenüber dem Durchschnitt der Euro- Länder fallen. Bislang ist von den notwendigen Preissenkungen so gut wie nichts passiert.

Deutschlands Preise müssten umgekehrt um etwa 20 Prozent gegenüber dem Durchschnitt steigen. Wollte man kein Land in die Deflation zwingen, dann müsste Deutschland  ein Jahrzehnt sogar um 5,5 Prozent jährlich inflationieren. Doch weder das Eine noch das Andere wird geschehen. Die Länder würden da wie dort vor eine Zerreißprobe gestellt, die sie nicht aushalten können.

Realistischere Vorschläge, die H.-W. Sinn in seinem Buch behandelt, laufen alle darauf hinaus, dass Griechenland ohne Rückkehr zur Drachme keine Aussicht hat, je wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Je früher das erfolgt, desto weniger schmerzhaft ist das für die Griechen und ihre Gläubiger (vgl. S. 228).

Anders stellen sich die Probleme für Spanien, Portugal, Italien, Irland und neuerdings auch für Frankreich und Belgien dar: Für diese Länder ist die Eindämmung der Kapitalflucht vordringlich. Die aber ist gebunden an die Wiedergewinnung von Vertrauen, doch das scheitert bereits an der zumeist wackligen politischen Führung in den Problemländern, die oft genug auch noch von Korruptionsvorwürfen geplagt wird.

Aus dem Dilemma der Griechen, entweder Rückkehr zur Drachme oder auf ewige Zeiten von Almosen zu leben, zieht H.-W. Sinn den Schluss, dass zumindest ein „temporärer Ausritt aus dem Euroverbund bei Ländern ins Auge zu fassen (ist), die in diesem Verbund nach heutiger Lage keine realistische Chance mehr haben, ihre Wettbewerbsfähigkeit wiederzuerlangen“ (S. 373). Mit „Strukturänderungen“ (Beamtenentlassungen, Lohn- und Pensionskürzungen, Inkaufnahme hoher Arbeitslosigkeit, besonders unter Jugendlichen) und „Sparprogrammen“ die Länder in die Rezession und Deflation zu stürzen, bringe nichts: „Wer glaubt, das Problem ließe sich mit Sparprogrammen von der Art lösen, wie sie die Euroländer derzeit von Griechenland und Portugal verlangen, hat die Schwere des Problems offenkundig nicht verstanden“ (S. 377).

In Wahrheit gibt es nur eine Alternative: Dauerfinanzierung der Leistungsbilanzdefizite oder Austritt. Zur Dauerfinanzierung wird sich niemand bereit finden. Zur Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit bleibt daher nur der Austritt, die Rückkehr zur eigenen Währung mit anschließender Abwertung.

Wie das technisch erfolgen könnte, dazu gibt H.-W. Sinn zahlreiche Hinweise, doch das ist hier nicht weiter von Interesse. Historische Beispiele für die Auflösung von Währungsunionen gibt es genug. Die meisten hatten insofern Erfolg, als nach wenigen Jahren die Wettbewerbsfähigkeit wieder erlangt und der Zugang zu den Finanzmärkten wieder offen war. „Wenn man aufhört, den Austritt als Weltuntergang zu deklarieren, und ihn auf die Ebene der praktischen Politik zurückholt, lässt er sich beherrschen und zum Wohle fast aller Beteiligten gestalten, vielleicht mit Ausnahme des Wohls einiger Finanzinvestoren. Er würde den Zusammenhalt Europas und die Basis für das friedliche Zusammenleben seiner Völker verstärken“ (S. 384).

Die Zahlungsbilanzkrise ist jedenfalls nicht durch „nahezu beliebigen Kredit aus der Notenpresse“ der EZB, durch Zinsen, die gegen Null tendieren und „Sicherheiten“, die diesen Namen nicht verdienen lösbar. Unantastbarkeit der Mitgliedschaft im Euro, unbeschränkte Hilfszusagen zur Verhinderung des „Scheiterns von Europa“,  unbegrenzter Zugang zu den Target-Krediten und zu den Griffen an der Notenpresse der EZB haben „nicht nur die Schuldenexzesse im privaten und im öffentlichen Bereich ausgelöst“, sondern auch zum Verlust der Wettbewerbsfähigkeit eines erheblichen Teils der Euroländer geführt“, die sich nun als „Fass ohne Boden“ für die noch soliden Länder darstellen „Wer die Eurozone zu einer Transfer- und Schuldenunion entwickeln will … spielt ein gefährliches Spiel.“ Sein „Weg führt nicht zu dem erstrebten Ziel der Vereinigten Staaten von Europa, sondern in Chaos und diskreditiert die europäische Idee nachhaltig“ (S. 386f).

Ein vernichtenderes Urteil über Euro und Währungsunion lässt sich kaum fällen.

Hans-Werner Sinn: Die Target-Falle – Gefahren für unsere Kinder und unser Geld. Geb. 417 Seiten. Hanser-Verlag, München, 2. Aufl., Okt. 2012, ISBN 978-3-446-43353-3, Euro 19,90

Der Autor ist Univ.-Dozent für Theoretische Volkswirtschaftlehre und Volkswirtschaftspolitik. Seine letzten Publikationen: Die Rechte der Nation (2002), Der Sinn der Geschichte (2011), ESM  – Verfassungsputsch in Europa (2012).

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Loben, wo es nur geht – ein bisserl was geht immer drucken

Das Tagebuch kommt kaum mehr nach mit dem Aufarbeiten der konzentrierten Blödheit in Politik und Medien. Dennoch braucht es auch bisweilen Tage zum Durchatmen, also der Konzentration auf positive Dinge. Bei der nötigen Suchanstrengung findet man diese Dinge immer noch. Nicht nur im zwischenmenschlichen Bereich, sondern auch in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Ob es nun um das Erwachen des indischen Mittelstandes geht, um neuerdings sogar Recht sprechende chinesische Gerichte, um die Suche der amerikanischen Armee nach Gerechtigkeit, um die Entlarvung des modischen Akademikerfimmels, um die wachsende Anerkennung für das differenzierte Schulsystem, um neuen Mut der Wiener Wirtschaftskammer, um tricksende Fluglinien, oder um lesbische Möchtegern-Pflegeeltern.

Da ist es zum Beispiel wirklich eindrucksvoll und bewundernswert, wie in Indien so viele Bürger aufstehen und protestieren, damit nicht weiterhin Vergewaltigungen, selbst die allerbrutalsten, von Polizei, Politik und Justiz unter den Teppich gekehrt werden können. In Indien hat sich in den letzten Jahren (durch das Aufblühen der nun erlaubten Marktwirtschaft!) ein breiter Mittelstand entwickelt, der solche atavistischen Bräuche nicht mehr hinzunehmen bereit ist. Das soll man ohne Hochmut anerkennen. Auch unsere Kultur hat ja vom mythologischen Raub der Sabinerinnen bis zum Ius primae noctis eine üble einschlägige Vergangenheit. Die Entwicklung in Indien ist umso wichtiger, als es bald das größte und jedenfalls heute schon das weitaus jüngste Land unter den Großen dieser Welt ist (dass die Dinge im ethnisch gleichen Pakistan so ganz anders sind, liegt an der dortigen Retro-Religion, deren Abgesandte gerade in Wien vom hiesigen Bischof begeistert betreut werden. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte, die heute nicht dazupasst).

Ebenfalls bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Aufruf des Vizegouverneurs von New Delhi, dass Besitzer legaler Waffen auf den Straßen patrouillieren sollten, um vor allem nächtens bedrohten Frauen beizustehen. Dieser Aufruf erfolgt genau zu dem Zeitpunkt, da in Amerika (und bei unseren papierenen und elektronischen Boulevardmedien) jeder Waffenbesitz medial zum Schwerverbrechen hochgeschrieben wird. Zumindest in Indien, aber auch bei der Mehrheit der Amerikaner sieht man hingegen eine eindeutige Schutzfunktion legaler Waffen.

Auch aus dem – noch – einwohnerreichsten Land dieses Globus gibt es Lobenswertes zu berichten. Nämlich einen Prozess. Vor einem chinesischen Gericht hat sich die deutsche Firma Kärcher gegen einen chinesischen(!) Konkurrenten voll durchgesetzt. Der Prozessverlierer hatte das gemacht, was in China bisher weitgehend straflose Folklore gewesen ist: Er hat interessante westliche Produkte hemmungslos plagiiert. Nun aber hat zumindest dieser Richter einen  wichtigen Schritt in Richtung einer rechtsstaatlichen Zukunft Chinas gesetzt. Ein ebenso bedeutender Schritt war fast gleichzeitig, dass China Nordkorea vor der UNO seinen (Veto-)Schutz entzogen hat. Diesen Schritten müssen freilich noch viele weitere folgen: von der Herstellung der Meinungsfreiheit über eine effiziente Bekämpfung der Korruption, über eine Autonomie der Tibetaner und Uiguren, bis zu einer Verbesserung der Umwelt, wobei es insbesondere um einen raschen Ersatz der luftverpestenden Kohlekraftwerke durch die einzige funktionierende Alternative gehen müsste: noch deutlich mehr Kernkraftwerke.

Ebenso bemerkenswert ist eine Entscheidung des amerikanischen Verteidigungsministeriums. Es hat John Allen, den Oberbefehlshaber in Afghanistan, von allen Vorwürfen eines unangemessenen E-Mail-Verkehrs mit einer Frau eines anderen reingewaschen. Das ist besonders lobenswert nach der grauslichen Medienkampagne, die monatelang gegen Allen und diese Frau gelaufen ist (die ganz der in Mitteleuropa laufenden Kampagne gegen den Spitzenkandidaten der deutschen Freidemokraten gleicht). Die USA haben bewiesen: Man kann dem Druck der Medien auch widerstehen. Die widerliche Verletzung der Privatsphäre der Betroffenen kann freilich nicht mehr rückgängig gemacht werden. Und sollte eigentlich spürbare Konsequenzen haben.

Ebenso interessant ist noch eine weitere Entwicklung in den amerikanischen Streitkräften. Dort dürfen Frauen erstmals auch an vorderster Front kämpfen. Das eröffnet ihnen in halbwegs friedlichen Zeiten – und die haben wir, trotz der in Afghanistan und Irak getöteten 130 US-Soldatinnen, – gute Karrierechancen ohne den Quotenschmäh. Das ist die logische Folge des Geburtenrückganges und der sehr negativ gewordenen sozialen Auslese in der US-Armee. Diese neuen Rechte für die Frauen bedeuten aber natürlich auch, dass für sie künftig die genau gleichen körperlichen Hürden vor einer Aufnahme in solche Kampfeinheiten gelten müssen; denn im Kampf ist jede Einheit so schwach wie ihr schwächstes Glied. Da kann es keine Rücksichten auf ein (einst so bezeichnetes) schwaches Geschlecht geben. Das „Frauen an die Front“ wird nach einiger Zeit interessante Erfahrungswerte ergeben. Dabei ist es freilich durchaus möglich, dass dann gerade auf Grund dieser Erfahrungen die volle Gleichberechtigung auch in solchen Extremsituationen kritisch hinterfragt werden könnte. Oder eben auch nicht.

Zurück nach Europa. Da hat eine Studie der EU-Institution Eurofound Spannendes herausgefunden: In vielen europäischen Ländern sind zahllose junge Universitätsabsolventen auch noch lange nach der Ausbildung ohne jede Chance auf einen Job. Das ist zwar betrüblich, aber für die völlig verquere österreichische Bildungsdebatte eine wertvolle Erkenntnis: Denn linke OECD-Experten, österreichische „Qualitäts“-Zeitungen, Gendarmen als Landeshauptmann-Darsteller und Rot-Grün versuchen  uns ja einzureden, wie gut es wäre, wenn wir noch ein paar Tausend Politologen, Publizisten, Literatur-Absolventen und Ähnliches hätten. Die Fakten zeigen jedoch: Der in diesen Kreisen modische Akademikerfimmel führt in eine absolute Sackgasse. Hingegen ist die Lage der Jungen am Arbeitsmarkt in jenen Regionen, die ein differenziertes Schulsystem, also keine Gesamtschule haben, viel besser.  In Italien beispielsweise ist die Arbeitslosenrate unter Akademikern doppelt so hoch wie in Österreich die Arbeitslosenrate unter Absolventen einer Lehre. Diese sind im Gegensatz zu den Italienern, Griechen oder Spaniern bisher ohne den Fluch einer Gesamtschule aufgewachsen. Und gehen daher zweifellos in ein glücklicheres Leben.

Besonders erfreulich (auch wenn von Frau Schmied und Herrn Androsch krampfhaft verschwiegen) ist im gleichen Zusammenhang: Österreich wird derzeit von ausländischen Delegationen gestürmt, die das hiesige System der auf der Hauptschule aufbauenden Facharbeiterausbildung studieren und übernehmen wollen. Das Problem: Diese Fact-Finding-Emissäre werden in jenem Ministerium wie auch bei den ideologisch deformierten Bildungs-„Experten“ von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung nicht wirklich die volle Wahrheit hören. Dazu müssten sie beispielsweise in Österreichs Vorzeigebundesland Oberösterreich fahren, wo noch keine weltfremden Ideologen sitzen.

In anderen Zusammenhängen verdient auch die Wirtschaftskammer Lob. Zum einen gilt das deren Sozialpolitik-Experten: Diese produzieren regelmäßig ganz ausgezeichnete Studien mit harten Fakten, die nur einen Nachteil haben: Sie werden von den Medien ignoriert, weil sie nicht in die gängigen Vorurteile passen.

Zum anderen gilt dieses Lob der Wiener Kammer-Präsidentin Jank. Sie hatte einst von ihrem Vorgänger einen Verein übernommen, der zum Schoßhund des Rathaus-Machtwerks degeneriert war. Jetzt stellt Jank den bis ins letzte Frage-Detail manipulativen Skandal-Befragungen durch das Wiener Rathaus mutig eine eigene unter den Unternehmern gegenüber. Jank will die Handelsbetriebe in Wiens größter Einkaufsgegend fragen, ob sie die von Grün-Rot (also einer weltfremden Griechin und einem groggy und desinteressiert in den Seilen hängenden Bürgermeister) geplante Lahmlegung der Mariahilferstraße für sinnvoll finden, die ja in eine Fußgängerzone verwandelt werden soll. Das dürfte für die dortigen Unternehmen zur Katastrophe werden, über die sich nur die niederösterreichischen Einkaufszentren freuen können. Dennoch fährt das Rathaus über den größten Handelsmagneten Wiens drüber. Es befragt die wirklich Betroffenen trotz der gerade modischen Umfrageflut kein einziges Mal. Eigentlich müsste angesichts des explodierenden Stadt-Defizits und der alle anderen Bundesländer weit überragenden Arbeitslosigkeit als erste die Wiener Finanzstadträtin gegen die Mariahilferstraßen-Katastrophe protestieren. Die aber isst und küsst sich nach dem Motto „Hallöchen“ sehr lustig, aber an Sachfragen völlig desinteressiert durch die Landschaft (offenbar ist das die beste Strategie, um vielleicht doch noch Bürgermeister-Darstellerin werden zu können). Umso lauter ist die tapfere Initiative von Jank zu loben. Sie befragt übrigens die Unternehmer nicht nur zur Mariahilferstraße, sondern auch zu den Parkpickerln. Denn längst haben immer mehr Gewerbetreibende gespürt, dass in den Bezirken 13, 18 und 19 zwar ihre burgenländischen Friseurinnen weiter einen ganztägigen Gratisparkplatz haben, dass aber immer mehr Kunden ausbleiben, wenn sie angesichts völlig überparkter Straßenzüge nicht mehr zufahren können.

Zu loben sind diesmal auch zwei Urteile von Höchstgerichten. Der OGH hat einen miesen Trick der AUA verboten: Diese hatte Passagiere bisher mit einer zusätzlichen Gebühr bestraft, wenn sie trotz Buchung von Hin- und Rückflug nur einen Flug beansprucht haben. Das darf künftig nicht mehr sein. Dieses Urteil ist übrigens von der Tiroler Arbeiterkammer erfochten worden, womit diese zum ersten Mal seit langem ihre Lebensberechtigung bestätigt hat.

Ebenso anerkennenswert ist ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs, der zuletzt ja einige eher merkwürdige Sprüche beschlossen hatte. Der VfGH hat die Beschwerde eines lesbischen Paares aus Niederösterreich abgelehnt, das kein Pflegekind bekommen hat. Grundlage der Entscheidung ist das Wohl des Kindes. Das muss immer wieder festgehalten werden. Dieses Kind wächst in der nicht gerade landesüblichen Atmosphäre eines lesbischen Paares alles andere als problemfrei auf. In Wien freilich bekommen solche Paare durchaus Pflegekinder. Warum geht das dort? Weil das Opfer, also das Kind, ja kein Klagerecht hat.

Womit noch einmal gezeigt ist: Viele dieser hier aufgelisteten Dinge sind nur deshalb lobenswert, weil sie im Kontrast zu anderen, recht üblen Erscheinungen stehen.

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Wer für das Zwangsheer stimmt, soll auch dafür zahlen! drucken

Das überraschend eindeutige Ergebnis der Abstimmung zur Frage Wehrpflicht oder Berufsheer? hat eine ganze Reihe von Kommentatoren auf den Plan gerufen. Die wohl provokantesten Thesen dazu formulierte Peter Menasse, Kommunikationsberater und Chefredakteur des Magazins „Nu“ (http://www.nunu.at/) in einem Gastkommentar für die Wiener Tageszeitung „Die Presse“. Unter der Überschrift „Pensionisten, ihr wollt das Zwangsheer? Dann zahlt auch die Zeche!" ließ er seinem Furor über den Ausgang der Abstimmung und gegen die Generation 60+ freien Lauf. Kurz zusammengefasst: Menasse wirft den Alten vor, dass diese sich ein schönes (schuldenfinanziertes) Leben machen, für das die Jungen aufzukommen haben.

Und nun soll die jüngere Generation – dank des erdrückenden Stimmgewichts der Alten – zu allem Überfluss auch noch für ein „Zwangsheer“ bluten, das sie selbst mehrheitlich ablehnt. Menasses Philippika gipfelt in der Forderung: „Jeder Euro, den das Heer zukünftig mehr kosten wird, sollte durch eine Kürzung der Pensionen hereingeholt werden. Ihr wollt das Zwangsheer, ihr wollt die Reform eines unsinnigen Gebildes – dann zahlt sie auch!“ Damit hat der Autor offenbar einen Nerv getroffen, wie die zahlreichen, zum Teil sehr emotionalen Leserkommentare zu diesem Beitrag zeigten.

Es ist bemerkenswert, dass viele glühende Befürworter der Demokratie immer dann büschelweise Haare in der Suppe finden, wenn ein Abstimmungsergebnis einmal nicht nach ihrem Gusto ausfällt. Menasse bildet da keine Ausnahme. Dass nämlich in der Demokratie in jeder Frage Mehrheiten zu Lasten von Minderheiten entscheiden, stört sie nicht, so lange das Abstimmungsergebnis ihre Zustimmung findet.

Hier dringen wir indes zum Wesenskern der Sphäre politischer Entscheidungen vor. Diese werden – in grellem Kontrast zu wirtschaftlichen Entscheidungen – im günstigsten aller denkbaren Fälle so gefällt, dass sie ein „Nullsummenspiel“ ergeben. Während wirtschaftlich freies Handeln alle daran Beteiligten besserstellt, gibt es in der Sphäre der Politik stets und notwendigerweise Verlierer, deren Zahl (stark) von der Regierungsform und (weniger stark) von der Qualität des Führungspersonals abhängt.

In einer Monarchie lebt eine kleine Zahl Privilegierter auf Kosten vieler. In einer Demokratie mit allgemeinem Wahlrecht lebt die große Masse auf Kosten weniger (diese Wahrheit ungeniert ausgesprochen zu haben, hat Mitt Romney möglicherweise die Mehrheit bei der zurückliegenden US-Präsidentschaftswahl gekostet).

Peter Menasse vorzuwerfen, dass er das Ergebnis einer bestimmten demokratischen Abstimmung kritisiert, wäre verfehlt. Vielmehr ist ihm vorzuhalten, dass er seine Kritik nicht auch bei jeder anderen demokratischen Abstimmung – untermauert mit denselben Argumenten – formuliert.

Wenn er nämlich meint, dass die Minderheit der Jungen von einer Mehrheit der Alten nicht ungestraft zum Wehrdienst gezwungen werden darf: Wie kommt dann aber die (etwa 20 Prozent der Wahlberechtigten stellende) Minderheit der Nettosteuerzahler dazu, von der Mehrheit der Profiteure des Wohlfahrtsstaates (bzw. deren Repräsentanten) mit ständig weiter steigenden Abgabenlasten beladen zu werden? Wie kommt die Minderheit der Arbeitgeber dazu, immer höhere Kosten schultern zu müssen, die aus der laufend zunehmenden arbeitsrechtlichen Besserstellung von Dienstnehmern resultieren? Weshalb darf die Mehrheit der Mieter ihre Rechte – seit dem Ersten Weltkrieg ungebremst – ohne weiteres auf Kosten der Minderheit der Vermieter ausweiten?

Menasse will – wie alle Apologeten der Demokratie – das Prinzip des demokratischen Staates entweder nicht sehen, oder er hat es nicht begriffen. Das Wesen der Demokratie besteht in einer völlig amoralischen Diktatur der Mehrheit. Keine noch so ausgeklügelte Verfassung vermag daran etwas zu ändern.

Die meisten Menschen verfügen von Natur aus über ein angeborenes Gespür für gut und böse. Sie unterlassen kriminelle Handlungen nicht aus Angst vor Strafe, sondern weil sie sie als falsch erachten. Nur wenige finden es daher angemessen, ihre materiell besser gestellten Nachbarn auszurauben. Kaum aber stattet man diese kreuzbraven Menschen mit dem Wahlrecht aus und schickt sie zur Wahl, wählen sie postwendend jene Räuberbande, die ihnen am glaubhaftesten verspricht, ihre Nachbarn auszuplündern und ihnen hernach den größtmöglichen Teil der Beute zuzuschanzen. Das demokratische Prinzip kehrt buchstäblich das Unterste zuoberst und korrumpiert selbst die anständigsten Zeitgenossen. Nicht umsonst riet der letzte der großen Philosophen des antiken Griechenlands, Epikur, dringend dazu, sich von der Politik fernzuhalten…

Einem der Gründerväter der USA, Benjamin Franklin, verdanken wir die hellsichtige Erkenntnis, wobei es sich bei der Demokratie darum handelt, dass „zwei Wölfe und ein Lamm darüber abstimmen, was es zum Mittagessen gibt“. Wie viel Naivität bedarf es, um sich über das Ergebnis einer derartigen Abstimmung Illusionen zu machen? Oder, wenn es etwas weniger wohlmeinend formuliert sein darf: Wie viel böser Absicht bedarf es, um ein derartiges System Krethi und Plethi als der Weisheit letzten Schluss verkaufen zu wollen? Es dürfte kein Wunder sein, dass die größten Philosophen seit den Tagen der Antike so unerbittliche Kritiker der Demokratie waren…

Zurück zur in der „Presse“ abgedruckten Suada: Wenn schon Kritik an der Demokratie, dann aber nicht anhand einer einzelnen Abstimmung, deren Ergebnis einem nicht schmeckt, sondern tiefgreifend – an die Wurzel gehend. Demokratie funktioniert – bei allgemeinem, gleichem und geheimen Wahlrecht – exakt so, wie sie Menasse anhand der Wehrpflichtabstimmung (völlig zu Recht!) kritisiert. Eine anonyme und daher nicht zur Verantwortung zu ziehende Mehrheit verschafft sich (materielle) Vorteile auf Kosten einer Minderheit, die ihren Schaden allenfalls durch eine Flucht ins Ausland begrenzen kann (was in Frankreich soeben beispielhaft und in großem Stil geschieht!).

Die zur Exekution des Mehrheitswillens aufgerufenen Politiker berufen sich auf das Wahlergebnis und sind für ihre (verbrecherischen) Handlungen nicht haftbar zu machen. Wir haben es somit mit einem System der doppelten Unverantwortlichkeit zu tun, in dem, wie Frédéric Bastiat konstatiert, jedermann versucht, auf Kosten der anderen zu leben. Ende der Durchsage.

Wer daran etwas ändern möchte, sollte über nachhaltig funktionierende und – anders als die dekadenten Wohlfahrtsstaaten europiden Zuschnitts auf Substanzverzehr gegründete – nichtstaatliche, eigentumsbasierte anstatt mehrheitsorientierte – Organisationsformen nachdenken. Mit hysterischem Geschrei wegen des Scheiterns einer sozialistischen Medienkampagne ist jedenfalls niemandem gedient…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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SPÖ: Nur noch Spin und gar nix drin drucken

Was ist nur mit den Sozialdemokraten los? In letzter Zeit versteigen sie sich in Österreich wie in Europa - eine weitgehende Ausnahme ist die SPD - fast täglich in immer radikalere Absurditäten. Die Sozialisten, die in den Nachkriegsjahren hierzulande noch eine lobenswerte Speerspitze gegen sowjetische Übergriffe gebildet hatten (vielleicht zum Ausgleich, weil ihr Verhalten 1938 viel weniger ruhmreich war), schwimmen ganz nach links hinaus.

Das hat sich in den letzten Tagen in Österreich ganz besonders deutlich und konzentriert gezeigt. Offen sind nur die Motive.

Ist das eine panikartige Reaktion auf die Ohrfeige bei der Volksbefragung? Ist das eine bewusste Strategie, ein „Spin“, mit einem Linksruck und dem Hochspielen anderer künstlicher Aufregungen von dieser Demütigung abzulenken? Hängt das damit zusammen, dass die einstige Arbeiterpartei weitestgehend von den Altachtundsechzigern übernommen worden ist? Ist das eine Folge des Sinnvakuums, das durch das dramatische Scheitern ihres neokeynesianischen Schuldenkurses ausgelöst wurde? Oder hängt das primär mit der Führungsschwäche der österreichischen Sozialdemokraten zusammen?

Die Partei hat nichts von ihrer alten Substanz mehr. Sie wird – zum Abscheu ihrer alten Wähler – von ein paar radikale Feministinnen, fanatischen Zuwanderer-Förderern und einer immer engere Anlehnung an linksextreme Positionen geprägt. Und vor allem von Spin-Doctoren, die aber ohne geistige Führung eines Parteichefs oder einer funktionierenden Ideologie nur Peinlichkeit erzeugen. Besonders schmerzhaft ist in Zeiten wie diesen, dass die SPÖ keinen einzigen Finanz- oder Wirtschaftsexperten hat, etwa eine kleine, österreichische Ausgabe des Peer Steinbrück.

In der Folge einige Beispiele, wie die Sozialdemokraten dieses Vakuum zu füllen versuchen. Man stößt fast durchwegs auf Signale, die noch mehr Wähler abschrecken, als es die Partei ohnedies schon getan hat. Jedenfalls kann die ÖVP für all das herzlich danken, liegt sie doch neuerdings zum ersten Mal seit Jahren bei den Umfragen gleichauf mit der SPÖ.

Faymanns Kampgne für noch mehr Schulden

Da entpuppt sich der Parteiobmann täglich mehr als ein europäisches Wunder an Dummheit: Als einziger Regierungschef eines der noch solventen Nettozahlerländer verlangt er Eurobonds, also die endgültige Haftung von Österreich (und Deutschland, Niederlanden und Finnland) für die Schulden Griechenlands, Spaniens, Frankreichs, Italiens, Zyperns und Portugals. Damit erntet er zwar bei den südeuropäischen Sozialisten Schulterklopfen; in Deutschland wie bei den österreichischen Wählern aber nur noch ein absolut verständnisloses Kopfschütteln.

Die Kampagne gegen blaue Bälle

Da hetzt der Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny gegen den „Akademikerball“ der FPÖ. Dieser sei „anmaßend und rufschädigend“. Diese grundlose Kampagne zeigt eine absolut totalitäre Einstellung dieses Politikers. Denn es gibt absolut keinen Grund, weshalb eine demokratische Partei wie die FPÖ in einem Rechtsstaat keinen Ball – oder irgendeine sonstige Veranstaltung – abhalten darf. Dasselbe gilt für jede Studentenverbindung. Eigentlich müsste Mailath-Pokorny zumindest für die Kosten des Polizeieinsatzes haftbar gemacht werden, der damit provoziert wird.

Swoboda: Lieber Italiens Kommunisten als Monti

Da dementiert der aus Wien kommenden europäische Sozialistenchef Hannes Swoboda ausdrücklich Berichte, wonach er den italienischen Sozialisten (Demokratische Partei) eine Koalition mit Mario Monti empfohlen habe. Herr Swoboda legt sogar Wert auf die ausdrückliche Betonung, dass er seinen dortigen Parteifreunden jemand anderen ans Herz legt: niemand anderen als den Nach-wie-vor-Kommunisten Nichi Vendola. Dieser wird von Swoboda ausdrücklich als „unentbehrlicher Partner“ empfohlen.

Nun: Vendola ist vor allem dadurch bekannt, dass er die Sanierungsmaßnahmen Montis vehement bekämpft hat, während ihnen Silvio Berlusconi so wie die Demokraten immerhin durchwegs zugestimmt hatte. Dass im übrigen auch bei der Demokratische Partei trotz ihres weitgehend demokratisch-rechtsstaatlichen Eindrucks selber etliches stinkt, darf am Rande schon vermerkt werden: Immerhin besteht sie großteils aus der ehemaligen Kommunistischen Partei (nachdem die eigentlichen Sozialisten im Korruptionssumpf untergegangen sind). Immerhin sind die Demokraten bis zum Ellbogen in den neuen und von der Dimension her überhaupt größten Finanzskandal des Landes um eine Bank aus Siena verwickelt (dieser Skandal interessiert aber unsere Medien kaum, da man ihn nicht Berlusconi anhängen kann).

Die Wasserraub-Kampagne

Da agitieren die Volksbefragungs-Verlierer nun plötzlich gegen einen angeblich von der EU geplanten Wasser-Raubzug. Ohne jede Berechtigung. In Wahrheit will ein neuer Vorschlag der Kommission nämlich nur regeln, dass eine Gemeinde die Wasserversorgung nicht wild, sondern nur in einer großen Ausschreibung vergeben dürfe. Bisher hingegen hat jedes Land, jede Gemeinde ihre Wasserleitungen an jeden verkaufen dürfen, den sie wollte.

Aber selbstverständlich war ein Wasserversorgungs-Auftrag an ein privates Unternehmen immer schon möglich gewesen. Ebenso wie das seit langem bei Strom, Kanälen, Straßenreinigung, Schulen und Tausend anderen Versorgungsunternehmen zum großen Vorteil der Konsumenten und Steuerzahler praktiziert wird. Privatisierung geschehen immer dort, wo die Versorgung unzureichend ist, und wo die Gemeinden absolut kein Geld haben. Sollen nun nach dem Willen der Sozialisten (samt ihren Verbündeten bei Kronenzeitung und BZÖ) solche Gemeinden verdursten müssen, weil sie jetzt eine solche Lösung verbieten wollen? Die Geschichte vom angeblich geplanten Wasserraub gehört jedenfalls zu den absurdesten und miesesten Propagandalügen der politischen Geschichte.

Die Affären der Claudia Schmied

Da weigerte sich die Unterrichtsministerin Claudia Schmied neuerlich, eine sogenannte Aufklärungsschrift zurückzuziehen, in der massiv die klassische Familie und normaler heterosexueller Sex heruntergemacht werden. Zu ihrem Pech sind gleichzeitig erstmals Unterlagen ihres alten, aber noch immer laufendenStrafverfahrens herausgesickert (was ich wie in allen anderen solchen Fällen nicht für gut finde). Darin wird die Frau schwer belastet, indem ihr nachgewiesen wird, dass schon in ihrer Vorstandszeit bei der Kommunalkredit die riskanten Wertpapiergeschäfte – wie „Credit Default Swaps“ – begonnen worden sind. Diese aber belasten die Steuerzahler heute mit Milliarden.

Der Inspektor ohne Studium

Da wollte man in Wien den sogenannten Schulschwänzbeauftragte zum Fachinspektor für Englisch bestellen. Der Mann ist aber blöderweise nicht einmal Akademiker, wie sich nach der Ausschreibung herausgestellt hat. Das kann aber eine SPÖ nicht ernsthaft stören: Sie ließ den Posten halt ein zweites Mal ausschreiben, wo dann dieses offenbar lächerliche Erfordernis aus den Bedingungen eliminiert worden ist. So konnte das gewünschte Protektionskind doch noch nominiert werden.

Die Kampagnen der linken Staatsanwälte

Da gibt es bei der allerübelsten Geschichte dieser Tage zwar keinen direkten Nachweis der Parteiverantwortung. Sie hat sich zum Unterschied auch schon vor längerem ereignet. Aber sie „stinkt“ ganz erbärmlich, um in der Sprache der Strafjuristen zu bleiben. Und sie zeigt das unglaubliche zynische Verhalten linker Netzwerke in der Justiz. Der Vorfall ist im Immofinanz-Prozess ans Tageslicht gekommen – aber seltsamerweise haben sich weder Richterin noch Staatsanwalt dafür interessiert. Der jetzt angeklagte Karl Petrikovics berichtete jedenfalls von einem Verhör durch einen Staatsanwalt im Jahr 2008. Dieser hat ihn aufgefordert: „Liefern Sie mir den Magister Grasser, es soll ihr Schaden nicht sein.“

Wenn das kein Amtsmissbrauch war, dann weiß ich nicht mehr, was überhaupt noch ein Amtsmissbrauch sein soll. An der Dimension dieses Skandals ändert es auch kein Jota, dass der betreffende Ankläger nicht mehr bei der Staatsanwaltschaft ist. Ganz im Gegenteil. Er ist nämlich jetzt in einer Rechtsanwaltskanzlei tätig – ausgerechnet in jener von Gabriel Lansky. Also eines gestandenen Sozialisten, der auch unbedingt SPÖ-Justizminister werden wollte. Wie sich die Kreise schließen.

Die Fekter-Kampagne

Da wird von rot-grünen Medien – ORF, „Wiener Zeitung“ und Falter an der Spitze – ganz zufällig in den Tagen nach der Volksbefragung eine noch nicht veröffentliche angebliche Kritik des Rechnungshofs an Ministerin Fekter groß thematisiert. Dabei ist diese Kritik schon im vergangenen Sommer durch die Medien kursiert. Das ist freilich eine bekannte Strategie der roten Spin-Doctoren und ihrer Medien: Die meisten Vorwürfe gegen Karl-Heinz Grasser sind von ihnen mindestens schon drei Mal als exklusive Neuigkeit verkauft worden.

Fekter soll jedenfalls einst als Innenministerin Beratungsaufträge zu teuer und ohne Ausschreibung vergeben haben. Es gibt zwar bis heute keinen Rechnungshofbericht, in dem man nachschauen könnte, was wirklich vorgeworfen wird. Dennoch berichtete der ORF nun täglich prominent über diese Causa, also weit intensiver als etwa über die Inseratenvergaben durch Werner Faymann, obwohl gegen diesen seit längerem ein Strafverfahren läuft, wofür bei Fekter zumindest bisher keinerlei Anzeichen vorliegen (auch wenn Peter Pilz sicher bald eine seiner berühmten Anzeigen verfassen wird).

Das heißt nun nicht, dass das Tagebuch eventuell inkorrekte Vergaben eines Ministers gutheißen würde. Ganz im Gegenteil. Sehr wohl aber bin ich dafür, dass man Strafrechtliches von Verwaltungsrechtlichem auseinanderhalten muss; dass Beratungen etwas viel persönlicheres sind als bloße Anzeigenschaltungen, was Ausschreibungen hier besonders schwierig macht; und dass zumindest staatseigene Medien genauso über Rechtsverletzungen durch SPÖ-Politiker berichten müssten, wie sie das ständig auch ohne harte Grundlagen über ÖVP-Politiker tun.

Um den Reigen der Gründe abzuschließen, deretwegen man über die SPÖ den Kopf schütteln muss, sei noch auf die Behauptung eines angeblichen Generationenkonflikts rund ums Bundesheer verwiesen. Über den aber schon vorgestern hier alles gesagt worden ist.

Diese Summe macht absolut fassungslos. Was ist die SPÖ nur für ein Haufen geworden! Lauter Spin und gar nix drin.

Wo der SPÖ Unrecht geschieht

Aber um nicht ungerecht zu sein: Ich bin rund um die SPÖ auch auf einen erstaunlichen Vorgang gestoßen, wo ihr allem Anschein nach Unrecht getan worden ist. Nämlich durch ein Gericht, so selten das auch vorkommt. Die SPÖ hat gegen ÖVP-Inserate des Jahre 2010 geklagt, weil diese nicht ordentlich gekennzeichnet gewesen seien, weil man gar nicht erkannt habe, dass es sich um Inserate gehandelt habe.

Der OGH hat nun die SPÖ mit einer mehr als seltsamen Begründung verlieren lassen: Für Parteien würden bei Inseraten nicht so strenge Maßstäbe gelten wie für Privatfirmen. Parteien bräuchten ihre Inserate nicht genau kennzeichnen. Dieses Urteil ist absolut unakzeptabel. Denn in einer Demokratie müsste sogar das Gegenteil judiziert werden: Bei jedem politischen Inserat sollte und müsste ganz genau und sofort der Auftraggeber erkennbar sein.

Die Kritik an diesem Urteil relativiert aber keinen i-Punkt an der verheerenden Bilanz über die SPÖ.

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Die Sternschnuppen: Und jetzt geht Fritz Dinkhauser drucken

Der markige Tiroler Fritz Dinkhauser verlässt also die Politik. Sein Alter und vor allem die schlechten Aussichten für die Landtagswahl sind die Gründe dafür. Vermutlich wird damit die derzeit zweitstärkste Tiroler Partei auch gleich wieder ganz aus dem Landtag verschwinden. Ein guter Anlass, eine Gesamtbilanz über die diversen politischen Sternschnuppen zu ziehen.

Von Dinkhauser über seinen Mittiroler Fritz Gurgiser, über Frank Stronach, Hans-Peter Martin bis zum BZÖ Jörg Haiders zieht sich ein roter Faden. Diesen kann man auch im Ausland etwa bis zu den Piraten und dem italienischen Komiker Beppe Grillo fortsetzen, und in der Vergangenheit bis zu Franz Olah. Sie alle sind politische Phänomene, die von den Medien hochgeschrieben werden, die aber rasch wieder untergehen, sobald die Medien das Interesse an ihnen wieder verloren haben. Auch kehlig-apokalyptische Dinkhauser-Sprüche oder das amerikanische Deutsch von Stronach oder das alemannische Eiferertum von Martin oder die täglich neue Richtungsänderung von Haider verlieren nach einer gewissen Zeit ihren Reiz für Fernseh-Zuschauer und Zeitungs-Leser.

Bei vielen der Genannten liegt freilich dazwischen der Gipfel ihrer Erfolgskurve sehr hoch: Dinkhauser beispielsweise war als Führer der zweitstärksten Partei mit mehr als 18 Prozent sogar quasi Chef der Opposition im Tiroler Landtag. Aber eben nur eine Legislaturperiode lang.

Das hat der ÖVP in dieser Zeit das Regieren sehr erleichtert. Denn Dinkhauser ist über seine gutmenschlichen Sprüche hinaus an der Sachpolitik weitgehend gescheitert, bis auf ein oder zwei Spezialthemen wie die Agrargemeinschaften war er nicht ernstzunehmen. Er hat sich, ein typischer Tiroler, auch sehr rasch in parteiinternen Streitereien verloren. Aus dieser Krise hat er nicht einmal dann mehr einen Wiederaufstieg geschafft, als sich auch die Tiroler ÖVP in inneren Streitereien verirrt hat, und als Günther Platter durch unsinnige Attacken auf das Gymnasium sowie die Annahme von Jagdeinladungen seine Partei beschädigt hat.

Bis auf die Piraten haben sie alle noch etwas gemeinsam: Es ging und geht überall um One-Man-Shows. Ein Dinkhauser, ein Stronach, ein Martin, ein Grillo, in hohem Ausmaß auch ein Silvio Berlusconi oder der bei uns weniger bekannte Laibacher Bürgermeister Zoran Jankovic sind eloquent und lebendig. Sie verschaffen den Medien im Gegensatz zu traditionellen Politikern, die auch in langen Interviews viel reden, aber möglichst nichts sagen wollen, eine Zeitlang Unterhaltungswert, Schlagzeilen und bessere Einschaltquoten. Sie strahlen unabhängig von ihrem Alter das Image aus, etwas ganz Anderes als die mausgrauen Altpolitiker, etwas ganz Neues zu sein. Ihre Reden versprechen Lösungen jahrelang ungelöster Probleme.

Jedoch: Dieser Effekt nützt sich rasch ab. Sie sind alle nicht konzept-, nicht pakt-, nicht problemlösungs-, nicht kompromissfähig – mit der zeitweisen Ausnahme Berlusconis (Dafür ist dieser umso tiefer in Strafverfahren verwickelt, ebenso wie Martin und Jankovic). Und kein einziger der Genannten hat seinem Land, seiner Region oder gar Europa in irgendeiner Weise den Stempel aufdrücken können.

Fast alle großen Persönlichkeiten der westeuropäischen Nachkriegszeit, die wirklich Geschichte gemacht und Dinge verändert haben, sind aus den großen Traditionsparteien herausgegangen. Ob das nun in Österreich ein Schüssel, ein Kreisky oder ein Raab gewesen ist. In Deutschland ein Schröder oder ein Adenauer, in Großbritannien ein Blair oder eine Thatcher, in Italien ein De Gasperi oder ein Moro. Lediglich Charles de Gaulle war eine Ausnahme: Der französische Kriegsheld hat im Alleingang die Gründung einer eigenen Partei geschafft, die auch ohne ihn am Leben geblieben ist.

Die einzige Neugründung, die nachhaltig das politische Spektrum in etlichen Ländern Westeuropa belebt hat, waren die Grünen. Sie konnten auf das breite Netzwerk der 68er Bewegung, auf die vielen Bürgerinitiativen gegen alles und jedes, auf die alternative Szene, auf die jedem modischen Trend verfallende Kulturschickeria, auf die heimatlos gewordenen Kader der diversen kommunistischen Totalitarismen und zeitweise auch auf Teile des umweltbesorgten konservativen Bürgertums setzen.

Was anfangs sehr heterogen war, hat jetzt nach Eliminierung der Bürgerlichen seinen sicheren Platz links von den Sozialdemokraten gefunden, wo dafür fast alle linkssozialistisch-kommunistischen Gruppierungen verschwunden sind. Die Grünen wollen den Sozialdemokraten nun auch als Mehrheitsbeschaffer dienen, nachdem sie diese gleichzeitig schon inhaltlich stark verändert haben (freilich nachweislich zum Nachteil der orientierungslos gewordenen Ex-Arbeiterpartei). Das ist aber bisher nur in Deutschland einige Jahre gelungen.

In Osteuropa ist der politische Trend allerdings ähnlich wie in Frankreich. Da sind die heutigen Parteien nach den Jahrzehnten der gesellschaftlichen Destruktion durch den Kommunismus weniger tief in der Gesellschaft verankert, als es die westlichen lange waren. Um nur ein Beispiel zu nennen: In Tschechien waren sowohl ein Vaclav Havel wie ein Vaclav Klaus schon auf der Bühne und wichtig, bevor sich Parteien bilden konnten.

Osteuropas Parteienlandschaft ist heute wie im Westen am Beginn des letzten Jahrhunderts in einem Zustand, den man am besten als Liquid Democracy beschreiben könnte (Ja ich weiß, dass dieser Ausdruck bei den Piraten und in der EDV-Welt eigentlich etwas ganz anderes heißt). Fast jede erfolgreiche Partei wird in den Reformländern bei der nächsten Wahl auch wieder zertrümmert.

Zurück zu den politischen Sternschnuppen in Westeuropa. Heißt ihr regelmäßig kurzes Leben, dass dort das politische Gesetz gilt: Extra factiones veteres nulla salus? Gibt es außerhalb der alten Parteien kein Heil? Können sich Rot und Schwarz und Grün und die da und dort existierenden dritten Lager (mit liberalen, nationalen oder separatistischen Wurzeln) auf Dauer der Macht gewiss sein?

Nichts wäre falscher, als wenn sie diese Hoffnung hegen sollten. Auch wenn sich bisher das Neue überall als nicht nachhaltig erwiesen hat, geht die Erosion des Alten munter voran. Man denke nur, dass in Österreich Rot und Schwarz, die Jahrzehnte deutlich über 90 Prozent gelegen sind, heute darum zittern müssen, wenigstens gemeinsam 50 Prozent zu erreichen.

Was heißt das? Politik wird diffuser, von momentanen Stimmungen geprägt, von Einzelthemen, von unvoraussehbaren Zufälligkeiten, von der kurzfristigen medialen Ausstrahlung einzelner Personen, vom Verschwinden alter Lager ohne das Entstehen dauerhafter neuer. Das kann gefährlich werden.

Das könnte aber auch durch eine ernsthafte Öffnung für die Direkte Demokratie in einem neuen konstruktiven Aufbruch münden. Und nur so, sicher nicht durch irgendeine neue Heilsgestalt. Die Erkenntnis vieler Menschen, sich in einer immer komplizierter und differenzierter werdenden Welt nicht auf Dauer mit einer Person, einem Lager identifizieren zu können, droht ohne die Entwicklung direktdemokratischer Mechanismen in totaler politischer Frustration zu enden. Die Menschen sind durchaus bereit, sich ernsthaft auch mit solchen komplizierten Sachfragen zu befassen, an denen die Politik scheitert. Wie der vergangene Sonntag gezeigt hat.

Direkte Demokratie von der Parteien Gnade kann aber kein Dauerzustand sein. Die Bürger und nicht die Parteien sind der Souverän. Sie wollen daher selbst bestimmen, worüber sie selbst abstimmen und was sie ihren politischen Angestellten überlassen: Ein Minister ist auf deutsch ebenso ein Diener wie ein Mandatar ein Beauftragter ist.

 

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Hoch Cameron: Eine wichtige Debatte beginnt drucken

Der britische Premierminister David Cameron hat mit seiner großen EU-Rede eine lobenswerte Debatte begonnen. Und er hat dabei Wichtiges gesagt, dem viele Millionen Europäer zustimmen werden. Auch wenn der Machtapparat im restlichen EU-Europa jetzt über ihn herfallen wird. Aber wenn man nicht auf die Briten hört und eingeht, werden ihnen bald weitere Völker folgen.

Dass Cameron  ein Referendum für einen EU-Austritt angekündigt hatte, war ja erwartet worden. Er hat dafür aber ein auffallend fernes Datum gesetzt. Er tut dies natürlich zum Teil deshalb, weil er in seiner Partei auch scharfe EU-Gegner hat. Er tut dies aber auch – und das beweist insbesondere die lange Frist –, weil er in dieser Zeit auf qualitative Reformen in der EU hofft. Die zusammengefasst in unseren Terminologie vor allem eine Rückkehr zur Subsidiarität bedeuten würden.

Es ist relativ dümmlich, wenn Frankreich binnen Minuten nach der Cameron-Rede sagt, man werde den Briten beim Weg aus der EU den Roten Teppich ausrollen. Denn in Wahrheit, so könnte man mit Fug und Recht sagen, wäre der Rote Teppich für einen Ausstieg Frankreichs noch viel wichtiger: Frankreich ist das Haupthindernis für eine Reform der EU-Agrarpolitik; Frankreich gefährdet mit der absurden Erhöhung seiner Sozialausgaben wie etwa der Senkung des Pensionsantrittsalters und der Erhöhung der Beamtenzahlen die Stabilität des gesamten Euro-Raums; Frankreich hält mit seinem Protektionismus für wichtige Industriefelder (von der Energie bis zur Eisenbahn) die Binnenmarkt-Regeln viel weniger ein als die Briten.

Viel wichtiger als die bloße Referendums-Ankündigung ist aber der zentrale Satz Camerons: Hauptgrund für die britische Mitgliedschaft in der EU sei der Binnenmarkt. Und den will er nicht verlassen.

Genau darum geht es: Sehr viele Länder und Bürger haben sich deshalb für die EU entschieden, weil der gemeinsame Binnenmarkt mit seinen vollen und noch immer nicht ganz hergestellten Freiheiten für Güter, Kapital, Bürgern und Dienstleistungen in einer modernen Industriewelt überlebenswichtig ist. Er ist unverzichtbar für die Hoffnung auf Jobs, auf Wachstum, auf zumindest Wohlstandswahrung.

Vieles andere, wohin sich die EU in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten entwickelt hat, ist hingegen überflüssig. Vieles hat sich auch geradezu als schädlich und menschenfeindlich entwickelt. Dabei geht es um viele sich als Verschwendung erweisende Förderprojekte. Dabei geht es vor allem um sozialtechnologische und politisch korrekte Eingriffe in unser aller Leben.

In so manchen Bereichen hat die EU statt der erwarteten vierfachen Freiheit des Binnenmarktes immer mehr Unfreiheit und Regulierung bedeutet. Das hängt wohl auch zunehmend damit zusammen, dass rund um die Jahrtausendwende die Linke und vor allem viele Grüngesinnte begonnen haben, die einst von ihnen bekämpfte EU zu instrumentalisieren. Sie haben in der EU plötzlich das perfekte Instrument entdeckt, freiheitsbeschränkende Projekte voranzutreiben, mit denen sie national nie durchgekommen wären.

Warum etwa müssen Österreich und im Konkreten vor allem Niederösterreich auf EU-Anordnung Gebiete unter Naturschutz stellen, die sie gar nicht wollen? Warum etwa muss Österreich wie auch jedes andere EU-Land neuerdings eigene(!) Bürger an die Justiz anderer EU-Länder ausliefern? Warum muss Europa als einzige Industrieregion der Welt die These von der menschenverursachten Erderwärmung mit selbstbeschädigender Schärfe umsetzen? Um nur drei von Hunderten Fehlentwicklungen anzusprechen.

Daher ist der britische Grundgedanke absolut richtig: Es muss zumindest die Wahlfreiheit hergestellt werden, nur beim Binnenmarkt mitzumachen – dort aber voll und wirklich! – und sich vom Rest zu dispensieren. Zu dem natürlich auch die immer übler werdenden direkten und indirekten Folgen des Euro gehören (Schuldenmechanismus, Bankenunion, Finanztransaktionssteuer usw.). Zu dem die zunehmenden „intellektuellen“ Attacken gegen das Recht auf nationale Identität gehören.

Cameron: "Es gibt eine wachsende Frustration, dass die EU den Menschen angetan wird, anstatt in ihrem Interesse zu handeln."

Wie wahr. Auch wenn in den nächsten Tagen Hunderte von Leitartiklern, Politikern und Diplomaten so tun werden, als wäre Cameron das Problem – und nicht die Fehlentwicklungen Europas.

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Geiseln, Terror und das einzige Gegenmittel drucken

Viele europäische Regierungen haben Algerien kritisiert – aber keine hat eine echte Alternative zu dessen Vorgehen nach der großen Geiselnahme anzubieten. Im Grunde sind alle froh, nicht selber vor Entscheidungen gestanden zu sein. Das in Algerien entstandene Blutbad zeigt nämlich, wie sehr die ganze zivilisierte Welt vor kaum lösbaren Aufgaben steht. Der Umgang mit Terrorismus und Geiselnahmen wird immer mehr zur zentralen Sicherheits-Herausforderung. Der Jubel über die rasch befreiten Geiseln hält sich mit der Trauer über die von den Entführern getöteten die Waage.

Natürlich kann man sich wie Österreich auf den bequemen Standpunkt stellen: Von „uns“ war nur ein einziger dabei und der hat sich irgendwie herausschlagen können; jetzt sind den Österreichern die Vorgänge an der nordafrikanischen Erdgasanlage wieder völlig egal. Die Medien kämpfen nur um das erste – mutmaßlich teure – Exklusivinterview mit dem Mann. Der Rest war irgendwas irgendwo in der Wüste.

Doch begeht man dabei einen gefährlichen Irrtum, wenn man die Sache schon wieder abhakt: Denn gerade österreichische Techniker, Facharbeiter und sonstige Experten sind in einer wachsenden Vielzahl bei solchen und anderen Projekten in der Dritten Welt beschäftigt. Daher geht auch die Österreicher der Terrorüberfall viel an und insbesondere die Frage des „Was tun?“.

Europa kann Afrika nicht abschalten

Wenig sinnvoll wäre jedenfalls die Stammtisch-Antwort: Na, dann sollen die Leute halt besser daheim bleiben und sich dort redlich nähren. Die Umsetzung solcher Gedanken würde zu einem dreifachen Schaden führen.

Erstens bringen diese Projekte den Entwicklungsländern einen wesentlichen Beitrag zu ihrer wirtschaftlichen Entwicklung. Und nur die Wirtschaft ist für die Stabilisierung und den Fortschritt dieser Länder relevant, während die gesamte, von Gutmenschen ständig verlangte Entwicklungshilfe auch bei einer Verdreifachung nur einen Tropfen auf heiße Steine bedeuten kann.

Zweitens sind Öl- und Erdgasimporte für die europäische Energieversorgung absolut unverzichtbar. Dies gilt umso mehr, als Länder wie Österreich auf die Nutzung neuentdeckter Gasvorräte im eigenen Land komplett verzichten, weil Umweltschützer der Politik Panik eingejagt haben (dabei könnte Österreich solcherart autark werden). Wer freilich im eigenen Land nicht das geringste Risiko eingehen will, muss erst recht in fremde Länder gehen, wo es viel größere Risken und Probleme zu bewältigen gibt.

Drittens wäre es auch ohne die Energieproblematik absolut selbstbeschädigend (und zugleich menschenrechtswidrig), arbeitswilligen jungen Männern und Frauen den Weg in die weite Welt zu verbauen. Denn selbstverständlich trägt es einen Gutteil zum europäischen Wohlstand bei, wenn diese Menschen dort ihr Wissen anwenden und auch gut verdienen können. Man sollte im eigenen Interesse nur alles tun, damit sie die Bindung an die Heimat behalten. Man schaue nur auf die Schweiz: Das Land, das den Beitritt zur EU immer verweigert hat, ist international wirtschaftlich enorm vernetzt. Sie ist nur durch ihre Handelsströme und die vielen Auslandsschweizer zu ihrem Reichtum gekommen. Und nicht durch Käse- und Schokolade-Erzeugung.

Warum Mali und Algerien auch uns angehen

Das heißt: Die Vorgänge in Mali oder Algerien gehen die Europäer genauso an wie jene in Libyen oder Somalia. Man denke nur, welch gewaltigen menschlichen und wirtschaftlichen Schaden Europa durch die Piraterie vor den Küsten Somalias erlitten hat. Diese ist erst durch massiven Einsatz westlicher – auch chinesischer – Marine-Kräfte weitgehend beendet worden. Obwohl Pazifisten, Juristen, Grüne und Fundamentalchristen vehement dagegen agitiert hatten.

Durch die notwendige wirtschaftliche (und durch die nicht notwendige, aber interessante touristische) Präsenz ist man aber auch allen lokalen Risken ausgesetzt: Diese bestehen neuerdings insbesondere auch im Risiko von Geiselnahmen und finanziellen (wie in Somalia) oder politischen (wie jetzt in Algerien) Erpressungen. Die europäischen Gesellschaften sind aber in ihrer sicheren und wohlgeordneten Umwelt nicht mehr vorbereitet auf solche Herausforderungen. Wie sollen sie richtigerweise reagieren?

Aus etlichen Stellungnahmen von Regierungen geht indirekt die Haltung hervor, die in den letzten Jahrzehnten insgeheim schon oft praktiziert worden ist: Verhandeln, nachgeben, keinesfalls das Risiko von Menschenleben riskieren und insgeheim über dunkle Kanäle Lösegeld zahlen. Aber natürlich ohne dass es die Öffentlichkeit erfährt.

Lösegeld über geheime Kanäle

Natürlich können sich Politiker ein wenig in der Publicity sonnen, wenn jahrelang gefangen gehaltene Risikotouristen plötzlich wieder lebendig aus der Sahara zurückkommen. Und wenn niemand genau fragt, wie das plötzlich möglich war. Oder wenn höchstens vage auf die Vermittlung befreundeter arabischer Politiker verwiesen wird. Es wird jedoch nie dazugesagt, dass auch diese charmanten Vermittler die Regeln ihrer Region genau kennen: Jede Ware hat ihren Preis – und auch Geiseln sind eine Ware.

Das war und ist aber mit Sicherheit der falsche Weg. Denn durch jedes Nachgeben hat man die Entführer, aber auch Nachahmetäter zu immer neuen Geiselnahmen und zu immer neuen Piratenüberfällen ermutigt. Mit dem gezahlten Geld konnten die Banden auch ihre Ausrüstung, Logistik und Schlagkraft ständig weiter verbessern. Ob sie nun zur See, im Großstadtdschungel oder in der Wüste operieren.

Im Dienste der internationalen Rechtsordnung und Sicherheit wäre also ein konsequentes Vorgehen gegen jeden, der Lösegeld zahlt, (auch Versicherungen tun das oft) notwendig. Es wäre jedenfalls wichtiger als der seit ein paar Jahren eskalierende Aktionismus gegen Schmiergeldzahler. Aber die Rechtsverfolgungsbehörden schauen bei Lösegeld gerne weg und bei Schmiergeld umso schärfer hin. Dabei war in früheren Jahren – im Ausland! – bezahltes Schmiergeld nicht nur toleriert, sondern sogar steuerlich absetzbar gewesen.

Man muss jedenfalls bei eingehender Analyse der vielen Entführungen der letzten Jahre und Jahrzehnte zu dem für sensible europäische Ohren unangenehmen Schluss kommen: Die Aktion der algerischen Armee und Polizei gegen den großangelegten Terrorüberfall auf die Besatzung eines Erdgasfelds war notwendig und richtig. Trotz der schmerzhaften Anzahl von Todesopfern. Aber jedes andere Vorgehen hätte Prozesse ausgelöst, an deren Ende noch viel mehr Todesopfer und Leid gestanden wären.

Die Medien als Bühne der Entführer

Die Algerier haben auch insofern richtig gehandelt, als sie ohne lange internationale Koordinationsgespräche und sehr rasch zugeschlagen haben. Dadurch haben sie verhindert, dass die Geiselnehmer psychologischen Druck aufbauen konnten. Man stelle sich nur vor, wenn jetzt monate- oder auch jahrelang emotional belastende Videos und Fotos in Medien auftauchen würden, in denen die Entführten um Lösegeldzahlung und Verzicht auf jede Intervention flehen. Gleichzeitig hätten die Geiseln in ihren Botschaften die Tortur eines jahrelangen Daseins in ständig fliehenden Wüstenkarawanen vermittelt.

Nach Erhalt solcher Botschaften hätten die emotionsgierigen Medien unweigerlich ihre Regierungen massiv unter Druck gesetzt. Darauf hätten wiederum diese keinen anderen Ausweg gesehen, als ihrerseits Algerien politisch, diplomatisch und wirtschaftlich massiv unter Druck zu setzen. Bis Algerien schließlich nachgegeben hätte. Was zu der skizzierten Spirale an immer schlimmeren Geiselnahmen geführt, aber den Regierungen ein paar Wochen Erleichterung gebracht hätte. Was ja oft als entscheidend gilt, agieren doch Europas Regierungen ohnedies fast nie mehr in längerfristigen Perspektiven.

Gewiss wird noch lange über die Details der Befreiung diskutiert werden. Haben die algerischen Soldaten nicht taktische Fehler begangen? Hätten sie nicht dieses oder jenes anders machen können? Nachher sind bekanntlich immer alle klüger. Es ist dennoch jedenfalls gut, aus jeder solchen Aktion Lehren für das nächste Mal zu ziehen. Dabei können nun westliche Sicherheits- und Militärexperten zusammen mit Algerien durchaus konstruktiv die Vorgänge analysieren. Auf die Befreiungsaktion ganz zu verzichten oder sie unendlich zu verschieben, wäre aber sicher nicht die richtige Alternative gewesen.

Der Sturz harmloser Diktatoren

Wenn der Westen und seine Medien ehrlich wären, müssten sie auch viel ehrlicher ihre eigenen Fehler analysieren. Es erweist sich immer mehr als ein solcher Fehler, beim Sturz der Herrscher über Tunesien, Libyen und Algerien mit- und nachgeholfen zu haben. Denn es gibt massive Hinweise, dass die algerischen Geiselnehmer von den in Libyen plötzlich herrenlos gewordenen Waffen profitiert haben, dass also Gadhafis Sturz geradezu kausal für die große Aktion gewesen ist.

Zugleich muss man sich eingestehen, dass in keinem der Länder des arabischen Frühlings Demokratie und Rechtsstaat ausgebrochen sind. Die Wirtschaft ist sogar vielfach kollabiert. Es wird weiter gefoltert. Es gibt weiter Korruption. Die Christen werden sogar viel mehr verfolgt als früher. Die Lage der Frauen hat sich ebenfalls verschlechtert. Und die neuen Machthaber haben zum Teil eine große Nähe zu islamistischen Terror-Gruppierungen.

Um es noch direkter zu sagen: Die jetzige ägyptische Regierung wird mit Sicherheit bei Ausbruch eines neuen Nahostkrieges nicht so friedlich bleiben wie der gestürzte Mubarak, sondern mit den von Amerika gelieferten Waffen gegen Israel kämpfen. Die politische Intervention zu Mubaraks Sturz wird in einer objektiven Geschichtsschreibung zweifellos als einer der ganz großen Fehler des Barack Obama eingehen. Und die militärische Intervention in Libyen bleibt auf dem Schuldkonto der Herrn Cameron und Sarkozy. Von der Verantwortung der Medien gar nicht zu reden, die ihre jeweiligen Regierungen überhaupt erst zum Fallenlassen einstiger Verbündeter getrieben haben.

Es geht um Bedrohungen der Außenwelt

Wie berechtigt ist in diesem Licht die Intervention des nunmehrigen französischen Präsidenten Hollande in Mali? Diese ist wohl positiver zu beurteilen als einst bei Sarkozy, obwohl auch sie mit starkem Blick auf das innenpolitische Image des amtierenden Präsidenten erfolgt ist.  Positiv ist jedenfalls, dass Hollandes Intervention nicht primär populistisch unter dem Druck der Medien erfolgt ist. Das macht aber noch gar nicht den großen Unterschied zu den Interventionen in Libyen oder Ägypten aus.

Bei der Beurteilung einer Intervention kann es in Wahrheit nämlich nur um ein einziges Kriterium gehen: Stellt die Regierung, gegen die interveniert wird, auch eine Bedrohung nach außen dar? Das ist bei den im Nord-Mali derzeit herrschenden Total-Fundamentalisten zumindest nach den vorliegenden Informationen stark anzunehmen. Die engen Verbindungen zu Al-Kaida deuten darauf hin, dass in Mali nun ein neues Aktionsgebiet für diese Terrorgruppe nach derem mühevollen Zurückdrängen in Afghanistan und Somalia entstehen würde. Und das sollte um fast jeden Preis vermieden werden, hat Al-Kaida doch schon viele Tausend Todesopfer gefordert – im Westen wie in der islamischen Welt.

So sehr der Steinzeit-Islam mit abgehackten Händen und entrechteten Frauen auch abzulehnen ist: Gegen diese Exzesse müssen die betroffenen Menschen eines Landes selbst zum Kampf antreten – auch wenn dies, wie etwa Iran und Saudi-Arabien zeigen, extrem mühsam ist. Aber von außen aufgestülpte Modernisierung und Liberalität funktionieren in aller Regel nicht. Das müssen die Völker selber durchsetzen und lernen.

Das Irrlicht „Humanitäre Intervention“

Daher ist auch der von Politikern und Diplomaten gepriesene Slogan von den „Humanitären Interventionen“ ein Irrlicht. Auch schon aus Gründen der Größenordnung: Weder Europa noch die USA sind imstande und willens, all die Regime zu stürzen, die Menschenrechte in grober Weise verletzen. Denn dazu müsste eigentlich weit man mehr als der halben Welt den Krieg erklären: von China bis zum Großteil der islamischen Länder. Diese Vorstellung ist völlig absurd. Interventionen können nur dann legitim sein, wenn die üblen Regime dieser Welt nicht nur ihre eigenen Bürger, sondern auch andere Länder bedrohen. Demokratisierung von außen klingt zwar edel, aber diese Vision des George W. Bush war ein vollkommener Fehler.

Daher sollte man auch das Gerede von der „Humanitären Intervention“ rasch wieder beerdigen. Die Legitimität eines solchen militärischen Angriffs führt nur dazu, dass Regierungen medial regelmäßig dann unter Druck kommen einzugreifen, wenn Zeitungen und Fernsehen intensiver über einen Konflikt berichten. Sonst aber nicht. Damit werden die Medien zu den künftigen Machern der Welt- und Kriegspolitik ernannt. Und sie können einen Krieg herbeischreiben, wenn es sonst zuwenig zu berichten gibt. Die Medien nehmen sich dann irgendeines der üblen Regime dieser Welt vor und setzen es auf die Abschussliste. Das geschieht zufälligerweise vor allem dann, wenn eine PR-Agentur von irgendjemandem mit einigen Millionen beauftragt worden ist, ein Land zu kritisieren . . .

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Die vielen Gründe für die Wehrpflicht. Und die wenigen dagegen drucken

Bei der Bundesheer-Abstimmung geht es um Österreich, um seine Sicherheit, um seine Mitbürger in Nöten. Dennoch sind die Volksbefragung und ihre Begleitumstände keineswegs dazu angetan, mich mit fliegenden Fahnen zur Abstimmung schreiten zu lassen. Aber alles in allem stoße ich jedoch deutlich auf mehr Gründe, die mich zu einem eindeutigen Abstimmungs-Ja zur Wehrpflicht veranlassen.

Unstrittig ist es für mich, jedenfalls hinzugehen. Denn wer sich in der Art des Heinz Fischer lebenslang um Entscheidungen drückt, gibt jenen recht, die dem Volk die Fähigkeit zur Mitentscheidung absprechen. Und das darf keinesfalls passieren, auch wenn diese Befragung in vielerlei Hinsicht ganz anders aussieht, als eine direkte Demokratie etwa nach Schweizer Muster organisiert sein sollte.

Was spricht für die Wehrpflicht?

  1. Demokratiepolitische Gründe sind wohl die stärksten für mein Ja – auch wenn sie direkt mit der Sachfrage nichts zu tun haben. Aber die unglaubliche Anti-Heeres-Hetze der Dichand- und Fellner-Medien (übrigens nach wie vor dick mit roten Anzeigen finanziert) und die nur wenig subtilere Einseitigkeit des ORF-Fernsehens zwingen einfach dazu, sich dem entgegenzustellen. Aus Gründen der politischen Hygiene ist es notwendig zu zeigen, dass sich die Bürger nicht von ein paar viertelgebildeten Geschäftemachern und Altachtundsechzigern, von deren wilden Falschmeldungen und Verzerrungen am Nasenring führen lassen. Die Arroganz und Machtanmutung dieses Drittklassjournalismus würden bei einem Erfolg ihres Anti-Bundesheer-Kampfes endgültig unerträglich. Sind sie doch jetzt schon viel zu mächtig und die Politik ihnen gegenüber viel zu knieschwach, wie etwa das Wehrpflicht-Umschwenken der Herrn Häupl und Darabos auf Befehl der Krone zeigt. Und wie auch die rechtlich extrem bedenkliche Verschleuderung unseres Steuergeldes zur Bestechung jener Medien durch eine Reihe von Spitzenpolitikern zeigt.
  2. Genauso stark sind die emotionalen Beweggründe, wenn man es so nennen will: der Patriotismus, der zu einem Ja bringt. Es geht einfach um das Zeichen, dass die Bürger bisweilen auch etwas für das Land tun müssen, wenn dieses noch als Gemeinschaft funktionieren soll. Und die Bürger sind auch in breitem Umfang durchaus bereit dazu – auch wenn sie sich naturgemäß nicht gerade um Pflichten drängen. Die Österreicher sind zum Gutteil gar nicht die prinzipiellen Schmarotzer, als die sie von der Politik eingeschätzt werden, die lediglich immer mehr Schulden zu Lasten der Zukunft und leistungsfreie Wohlfahrtsleistungen wollen. Trotz aller Fehler erscheint den Österreichern der Dienst im Bundesheer sogar noch als weit sinnvoller als die Verwendung der in Österreich exorbitant hohen Steuerleistungen – also der Erträge einer anderen Bürgerpflicht. Niemand hat Verständnis, wenn Geld für Salzburger Finanzjongleure ausgegeben wird, für jugendliche Bahnpensionisten, für die höchsten Förderungen Europas, für ein zum Nichtstun verleitendes Wohlfahrtssystem, für Tausende überteuerte öffentliche Betriebe und andere Unsinnigkeiten.
  3. Hinter der Antwort auf die Befragung steckt auch eine grundsätzliche weltanschauliche Frage. Es geht um das grundsätzliche Bild von Mensch und Staat, es geht um den Kampf gegen ein linkes Menschenbild, das Egoismus statt Verantwortung setzt, Sozialschmarotzertum statt Leistung. Letztlich geht es um eine Abwehr der ständigen Attacken auf alles, was die Menschen mit nicht-linkem Gedankengut imprägnieren könnte: auf die Wehrpflicht, auf die Familie, auf das Gymnasium, auf das Eigenheim (also auf Eigentumswohnung und Eigenheim statt Gemeindewohnung).
  4. Natürlich ist auch die Performance des Norbert Darabos ein Motiv. Es geht also um die Hoffnung, dass er – trotz der jetzigen halbherzigen Rückenstärkung durch seine Genossen – bei einer Niederlage gehen muss. Sein plötzlicher Schwenk in Sachen Wehrpflicht auf Verlangen der Krone beziehungsweise eines in Wahlkampfnöten steckenden Wiener Bürgermeisters war nur noch peinlich. Ähnliches gilt auch für sein jahrelang gezeigtes Desinteresse am Heer (als zuständiger Minister!); seine Vorliebe lediglich für die Sport-Kompetenz, bei der er so getan hat, als wäre wie im totalitären Systemen Spitzensport eine Staatsaufgabe und nicht einfach ein Geschäft und ein Beruf (womit sich Darabos freilich auch die volle Verantwortung für das Olympiadebakel aufgehalst hat); seine Probleme, auch nur einen geraden und sinnvollen Satz zu artikulieren; und insbesondere seine Neuverhandlung der Eurofighter-Beschaffung, die Österreich deutlich schlechtere Flugzeuge zu einem schlechten Preis gebracht hat.
  5. Bei aller Kritik an der Realität des Wehrdienstes, bei aller Notwendigkeit, sich mit den – freilich nur teilweise erfolgreichen – internationalen Versuchen Richtung Berufsheer auseinanderzusetzen: Die Konzeptlosigkeit ist erschütternd, mit der die SPÖ dieses nun in Österreich einführen will. So etwas könnte man überhaupt nur mit einem schrittweisen Plan und sorgfältiger Vorbereitung tun – sonst drohen Jahrzehnte des sicherheitslosen Vakuums in einer Übergangsphase.
  6. Auch wenn sich die SPÖ mit fast ständigen Neuberechnungen ihre Ideen schön zu rechnen versucht hat; auch wenn es keine unabhängige und seriöse Studie zu all diesen Fragen gibt: Man kann eigentlich keine Zweifel haben, dass ein Berufsheer mehr kostet. Wer auf dem freien Arbeitsmarkt Soldaten finden will, muss mehr zahlen als für gesetzlich Verpflichtete. Zusätzlich entdecken beim Wehrdienst so manche ihre Lust am Heer, die sonst erst mit teuren Werbekampagnen angesprochen werden müssten. Bezeichnend ist die einhellige Meinung der Schweizer Regierung, also des mit Österreich am ehesten vergleichbaren Landes: Das heutige Milizsystem (=Wehrpflicht) sei das kostengünstigste und flexibelste Modell für die Schweizer Armee.
  7. „Wehrpflicht abschaffen, sagt die Vernunft“: Wenn der SPÖ in ihren Flugblättern schon auf die Sprüche der Billa-Werbung verfällt, ist das auch nicht gerade ein professionelles Zeichen (das aber nur als Argument am Rande).
  8. Erstaunlich ist, dass die SPÖ – traditionell eine Kaderpartei, in der blinder Gehorsam erste Genossenpflicht ist ,– eine ganze Reihe ihrer Bundesländer-Organisationen und Abgeordneten nicht auf die Berufsheer-Linie bringen konnte. Auch das beweist, wie fragwürdig die Argumente von Darabos, Faymann und Häupl sind.
  9. Die sicherheitspolitische Ahnungslosigkeit der SPÖ erreichte in den letzten Stunden vor der Abstimmung noch einen Höhepunkt: Klubobmann Josef Cap behauptete in einer Fernsehdiskussion lautstark, dass Griechenland nicht Mitglied der Nato wäre.
  10. Zumindest widerlich sind die linken und offensichtlich bezahlten Kampfposter, die immer in Wahlkämpfen in den Internet-Foren auftauchen. Viele von ihnen haben sich nachweislich ganz frisch erst im Wahlkampf registriert (dort wo das notwendig ist). Und regelmäßig verschwinden sie dann genau eine Woche nach der Abstimmung wieder. Aber immerhin. Sie könnten ja auch gleich am Sonntag um 17 Uhr abgedreht werden.
  11. Absurd sind Strafanzeigen der Grünen, weil Bürgermeister in Kolumnen für ein Abstimmungsverhalten plädiert haben (was anderes ist es freilich, wenn rote und schwarze Ortsvorsteher das in amtlichen Aussendungen getan haben, was unakzeptabel ist). Damit haben sich die Grünen verstärkt als Rekordhalter in Sachen skurriler Anzeigen positioniert.
  12. Besonderen Zorn hat ein linker Verfassungsprofessor ausgelöst (ein regelmäßiger Verbündeter vor allem der Grünen, außer wenn es um seine eigene Universität geht): Er prophezeit, dass internationale Gerichte die Wehrpflicht auch auf Frauen ausdehnen würden. Das ist nicht nur juristisch ein sehr bemühtes Argument – auch wenn zugegebenermaßen viele Gerichte zunehmend zu originellen statt konsequenten Urteilen neigen. Diese Professoren-Aussage ist aber durch den Zeitpunkt jedenfalls sehr leicht als bloße Wahlkampf-Polemik durchschaubar: Wenige Tage vor der Volksbefragung plötzlich von etwas zu schwadronieren, was vielleicht und eventuell in zehn oder zwanzig Jahren judiziert werden könnte, reduziert einen solchen Juristen auf die Rolle des Propagandisten einer Partei.
  13. Wenn man aber schon die Verfassung bemüht: Es sind eindeutig die Linksparteien, deren Forderungen gegen die Verfassung verstoßen. Was an sich ja legitim ist, aber aus einem anderen Grund stört: Wenn eine rechte Partei Änderungen der Verfassung vorschlägt, brechen in den Medienkommentaren gleich Verfassungsbogen und Rechtsstaat tosend zusammen, wird gleich eine dritte Republik ausgerufen. Wenn es Linke tun, wird das Thema Verfassungsbruch nicht einmal erwähnt.
  14. Zurück von Rot und Grün zum Bundesheer. Man kann keine Zweifel haben, dass eine Abschaffung der Wehrpflicht (in welcher juristischen Form auch immer) praktisch nicht mehr reversibel wäre. Es würde nämlich in einer internationalen Krise als gefährliches Eskalationszeichen und als Provokation angesehen werden, wenn man wieder die Wehrpflicht einführt. Und dennoch würde es dann ja noch Jahre dauern, bis man wieder eine brauchbare Menge an einsetzbaren Milizsoldaten hat.
  15. Nur sehr naive Geister und völlig unhistorisch denkende Menschen können glauben, dass in der Mitte Europas der ewige Friede ausgebrochen wäre. Die Geschichte zeigt: Auch aus völlig friedlichen, stabilen Situationen, in denen weit und breit keine Gefahr zu drohen scheint, entwickeln sich regelmäßig nach einigen Jahren wieder explosive Lagen. Auch nach dem Wiener Kongress oder dem Jahr 1867 hatten viele an den ewigen Frieden geglaubt . . .
  16. Es gibt einige jetzt schon absehbare Gefahren, die zu auch militärisch explosiven Situationen führen könnten: die Massenmigration nach Europa (die weitaus größte der Geschichte, in der noch jede Massenmigration irgendwann zu Kämpfen geführt hat), der islamistische Terrorismus, das demographische Vakuum, Europas vermeintlicher Reichtum.
  17. Ein häufig gebrauchtes Anti-Wehrpflicht Argument lautet: „Im Kampf gegen Terrorismus brauchen wir Profis“. Das gilt jedoch nur für die unmittelbare Befreiungsaktion etwa nach einer Geiselnahme. Wenn man aber – beispielsweise – an eine Situation denkt, in der ein Giftanschlag auf Trinkwasser angedroht wird: Dann braucht es alleine zum Schutz der Wiener Wasserleitungen viele Tausende, ja Zehntausende Soldaten. Ähnliches gilt für Hunderte andere Objekte, wie Bahnhöfe oder Kraftwerke.
  18. Selbst wenn es gelingen sollte, wenigstens die versprochenen Mindestzahlen an Berufssoldaten zu finden (was viele Beispiele aus anderen Staaten mit niedriger Arbeitslosigkeit als extrem unwahrscheinlich erscheinen lassen): Dann besteht das künftige Heer mit Sicherheit aus einer negativen sozialen Auslese, und keineswegs aus „Profis“. Zu einem Freiwilligenheer gehen dann vor allem Rambo-Typen, jene, die gerne im Wald Krieg spielen und alle, die auch bei einem guten Arbeitsmarkt keinen Job finden können. Die Daten zeigen ganz klar (auch wenn die neuerdings ideologisch geführte Statistik Austria sie zu unterdrücken versucht): Arbeitslos sind vor allem Ausländer, und da wieder vor allem jene ohne irgendeine Bildung. Das ergibt dann ein Heer, das deutlich weniger Sicherheit ausstrahlt, auch wenn es die gleiche Zahl von Panzern haben sollte.
  19. Neben den nicht seriös prognostizierbaren militärischen Sicherheitsrisken ist die Katastrophenhilfe eine zentrale Aufgabe eines Heeres. Auch wenn man natürlich hier ebenfalls nie weiß, ob und wann eine Katastrophe eintritt. Aber zu deren Aufarbeitung braucht es jedenfalls immer wieder auch die Masse an Wehrdienern – und nicht nur irgendwelche imaginäre Profis.
  20. Besonders ärgerlich war in diesem Zusammenhang die ostösterreichische Schneekatastrophe der vergangenen Tage: Während niederösterreichische Gemeinden zu Recht einen Assistenzeinsatz des Heeres gegen die Schneemassen angefordert und bekommen haben, hat Wien (und das Burgenland)  darauf demonstrativ verzichtet. Motto: Wir lassen lieber den öffentlichen Verkehr fast einen ganzen Tag lang kollabieren als zuzugeben, dass das Bundesheer und seine vielen Wehrpflichtigen in der Not absolut sinnvoll und notwendig sind. Aber vielleicht stellt ja Wien trotz seiner Schuldenverdopplung binnen zwei Jahren jetzt Tausende Schneeschaufler rund ums Jahr an, um in den Tagen des Bedarfs einschlägige „Profis“ zur Verfügung zu haben.
  21. Angesichts des sich signifikant verschlechternden Gesundheitszustandes junger Menschen (Stichworte Übergewicht, Allergien, Bewegungsmangel, Medikamentenmissbrauch) ist die einzige Pflicht-Begegnung vieler Menschen mit einem Arzt zwischen Schule und Totenbeschau alleine schon den halben Wehrdienst wert.
  22. Natürlich hat der Wehrdienst auch wichtige pädagogische Aufgaben. Ist doch bei so manchen jungen Menschen die Pflicht, sein Bett zu machen, etwas, mit dem sie noch nie in ihrem Leben konfrontiert worden sind. Zum sinnvollen Pflichten-Lernen gehört auch pünktlich aufzustehen, seinen Kasten aufzuräumen, sich selbst um sein Gewand zu kümmern, Schuhe zu putzen, sich in eine Ordnung einzufügen und vieles andere mehr.
  23. Und zu guter letzt sei der Zivildienst genannt: Der ist in Zeiten der spürbar werdenden demographischen Katastrophe immer wichtiger, ja längst unverzichtbar geworden. Was in der Zeit des Kalten Krieges und seiner drohenden Massenarmeen noch als Kriegsdienstverweigerung schwer unsolidarisch war, ist unter vielfach geänderten Verhältnissen heute zum Eckstein der sozialen Betreuung geworden. Das heißt freilich nicht, dass nicht auch beim Zivildienst grobe Missbräuche abzustellen wären ( Einsätze in Parteiorganisationen etwa oder Auslandsaufenthalte auf Staatskosten).

Diese Gründe bringen mich in der Summe zu einem klaren Ja zur Wehrpflicht. Dennoch haben mich einige andere Faktoren bei diesem Ja ziemlich gestört.

Die Gründe des Zweifels

  1. Hauptgrund, weshalb ich bisweilen mit einem Nein zur Wehrpflicht liebäugelt habe, ist die Tatsache, dass die Pro-Wehrpflicht-Kampagne vor allem von Offizieren betrieben worden ist. Diese aber sollten sich eigentlich – genauso wie der Verteidigungsminister – zurückhalten und die Frage den Bürgern überlassen. Schließlich müssen Offiziere wie Minister ja in der Demokratie so und so den Willen des Souveräns erfüllen. Vor allem haben beide in dieser Frage durchaus auch sehr persönliche Interessen im Spiel. Auch Lehrer sollte ja nicht die Schulpolitik entscheiden.
  2. Vielen Offizieren und Unteroffizieren – also den „Profis“ – ist nie bewusst geworden, dass jede Sekunde eines Pflichtdienstes von totaler Sinnorientierung geprägt sein muss. Dass es eigentlich ihre oberste Pflicht sein müsste, ständig für einen sinnvollen Wehrdienst ihrer Untergebenen zu sorgen. Es geht also um die Pflicht zum Dienst an den Dienstpflichtigen. Jeder Leerlauf, jedes Gelage, jede Scheinbeschäftigung, jede Schikane ist da ein Verbrechen. So wie jeder Steuer-Cent eigentlich nur extrem sparsam ausgegeben werden dürfte, müsste auch mit jeder Pflicht-Sekunde, zu denen man junge Menschen zwingt, extrem sorgfältig umgegangen werden. Und das ist vielen der Beamten in Uniform nicht wirklich klar. Irgendwie herrscht da in manchen Offiziers-Casinos wohl noch der altadelige Geist aus Zeiten, da für sie die Wehrpflichtigen in Masse ungebildete Bauernlümmel waren, die scheinbar meilenweit unter den überwiegend adeligen Gold-Trägern stehen. Auch viele Unteroffiziere sind diesem Dienst an Dienstpflichtigen psychisch nicht gewachsen.
  3. Zu diesem Missbrauch eines Pflicht-Dienstes gehört als augenfälligstes und verbreitetstes Exempel der Einsatz von Wehrpflichtigen als Gratiskellner für Offiziere und Unteroffiziere. Bei einem Besuch in der israelischen Armee habe ich gesehen, wie sich Offiziere, Mannschaften, ausländische Gäste und natürlich auch weibliche Soldaten völlig gleichberechtigt bei der Essensausgabe anstellen müssen und nebeneinander sitzen. Österreich stellt ja auch seinen Sektionschefs – also Beamten, deren vermeintliche Bedeutung mit jener höherer Offiziere vergleichbar sind, – keine Gratiskellner zur Verfügung. Auch sie müssen sich anstellen oder im Gasthaus die Dienste eines Kellners selbst bezahlen.
  4. Eine empörende Attacke auf die Aufgaben der Landesverteidigung war die Einstellung der Miliz-Übungen durch den unglückseligen Ex-Minister Günther Platter (ja genau, das ist jener Mann, der jetzt in Tirol auch das Gymnasium demolieren will). Das hat den Sicherheitswert des Wehrpflichtigen-Heeres arg vermindert. Noch empörender ist, dass keine Partei derzeit laut nach einer zumindest teilweisen Reaktivierung der Miliz verlangt.
  5. Fast zu einer Wahlenthaltung hätte mich die Feigheit von ÖVP und FPÖ gebracht. Beide trauen sich nicht mehr, für eine Nato-Mitgliedschaft zu plädieren. Dabei hatten diese beide Parteien einst vehement (und mit guten Gründen) nach einer solchen verlangt. Sie geben sich heute populistisch und krampfhaft als Retter der Neutralität, als ob diese noch in irgendeiner Weise eine Bedeutung hätte.

Ganz unabhängig vom Ausgang der Befragung müsste eine ganze Reihe von Aufgaben auf der Tagesordnung stehen. Die aber so oder so wohl wieder nicht angegangen werden.

Die To-do-Liste

  1. Österreich müsste (so wie jedes andere Land) alle ein bis zwei Jahre breit angelegte Analysen der Risken und Gefahren vornehmen, die dem Land in der Zukunft drohen könnten. Dazu zählen derzeit zweifellos an besonderer Stelle auch die Risken durch die gewaltigen Haftungen und Kredite für Griechenland&Co (und deren drohendes Platzen). Ein Eckpfeiler dieser Analysen müssten aber immer auch jene Gefahren sein, die nur militärisch beantwortet werden können. Auch diese sind ohne jede Political Correctness auszusprechen. Während manche Gefahren aus Gründen der PC verschwiegen werden, wird dauernd von Klima-Gefahren geredet und viel Geld für deren Abwehr ausgegeben. Dabei würden ja eventuelle Klima-Veränderungen in Wahrheit auch viel Positives bringen (ganz abgesehen von der Frage, ob sie überhaupt menschlich beeinflussbar sind).
  2. Auf eine solche Gefahren-Analyse müsste regelmäßig eine Strategie-Analyse aufsetzen. Also die Suche nach den besten Instrumenten, um konkrete Gefahren zu beantworten. Das heißt im militärischen Zusammenhang: Wofür braucht es eine Masse an Wehrpflichtigen, wofür hochgradige Spezialisten?
  3. An dieser Stelle könnte und müsste endlich auch eine ruhige Debatte über die Tabu-Themen Neutralität und Nato einsetzen. Freilich gebe ich zu, realpolitisch wird es vorerst nicht dazu kommen. Aber man darf sich ja auch einmal etwas wünschen.
  4. Als nächstes müsste eine Strategie entwickelt werden, wo man Spezialisten (Cyber-War-Experten, Piloten . . .) überhaupt herbekommt. Denn weder die diversen Darabos-Modelle noch die Wehrpflicht werden sie liefern. Spezialisten findet man nur durch viel Geld (so wie man ja auch nur durch Geld viele Milizsoldaten für Auslandseinsätze gefunden hat).
  5. Nach diesen drei Stufen sind dann die Kosten zu prüfen. Wobei man natürlich auch immer zu dem Schluss kommen kann: Zu teuer, dieses oder jenes Risiko gehen wir halt ein (so wie die öffentliche Hand ja auch oft das Risiko von Fremdwährungskrediten eingegangen ist).
  6. Selbstverständlich wäre auch längst schon die Dienstpflicht für Frauen zu thematisieren. Es braucht Frauen (die Mehrheit der Studenten ist heute weiblich!) genauso als Sprachen- und Sicherheits-Spezialisten wie auch für soziale Aufgaben. Das Erfreuliche ist: Mit welcher Frau man auch spricht, der Großteil vor allem der jungen ist durchaus bereit zu einer Dienstpflicht. Sie meinen im Gegensatz zu den Berufsfeministen die Gleichberechtigung nämlich ernst. Solche Fragen werden den Bürgern aber nicht vorgelegt.
  7. Unabhängig vom Ausgang des Referendums täte dem Heer auch ein forcierten Abbau seines personellen Wasserkopfs gut. Das heißt: rapider Abbau von Overheads, von Sektionen, von Kommanden, bis hin zu den Landesmilitärkommanden und so manchen Musikkapellen.
  8. Selbstverständlich müsste eine allgemeine Dienstpflicht auch Untaugliche erfassen. Wer nicht zum Heer kann oder will, kann ja jedenfalls zum Zivildienst und zu einer sitzenden Aufgabe wechseln. Auszunehmen sind nur alle jene, die trotz aller Inklusions-Moden nicht imstande waren, einem normalen Unterricht zu folgen.
  9. Und ganz unabhängig von Heer und Zivildienst darf keinesfalls der Kampf um die direkte Demokratie aufgegeben werden. Also um verpflichtende und verbindliche Referenden, sobald ein Volksbegehren genügend Unterschriften findet. Dabei muss es um einen klaren Gesetzestext gehen. Dabei braucht es eine längere und ruhige sachliche Vorbereitung jedes einzelnen Votums. Dabei braucht es die Zurückhaltung der Parteien, die niemals aus einem Referendum einen Probegalopp für Wahlen machen dürfen. Dabei braucht es auch die Expertisen parteiunabhängiger Think tanks und Institute. Da es die derzeit in Österreich leider kaum gibt, wird man oft auch Ausländer dazu holen müssen.

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Volksbefragung zur Wehrpflicht – eine subjektive Zusammenfassung drucken

Keine Woche mehr bis zur Volksbefragung - allerhöchste Zeit, zusammenzufassen, was bisher an Argumenten vorgetragen wurde, und was dazu zu sagen ist. Wir – die Bürgerinitiative Österreich – danken für die Gelegenheit, das hier tun zu dürfen. Zuvor ist es aber wesentlich wichtiger, die »Metaebene« festzuhalten: und zwar, dass das, was wir hier präsentiert bekommen, rein gar nichts mit Österreichs Verteidigungskapazität zu tun hat, sondern schlicht und einfach Parteiengeplänkel ist.

Das ist schon daran zu erkennen, dass die Parteien ihre Standpunkte vertauscht haben: Unter Schüssel trat die ÖVP noch (völlig richtig) für die Aufgabe der Neutralität und ein Berufsheer ein. Selbst unter Darabos war die Wehrpflicht noch »in Stein gemeißelt«. Das exakte Umdrehen der Standpunkte ist durch keine äußeren Umstände erklärbar: es handelt sich um taktische Stimmenmaximierung (die für eine Seite allerdings nicht funktionieren wird).

Was dann folgte, ist an Chuzpe kaum zu überbieten: nach exakt keiner fachlichen Aufbereitung jenseits von Propagandaspots beider Seiten wird die Frage dem – in aller Regel sachlich völlig unkundigen – Bürger vorgelegt, um damit »Direktdemokratie« zu heucheln. Dabei handelt es sich nur um die unterschiedliche Einschätzung der Stimmung in der Bevölkerung und den Versuch, den Koalitionspartner alt aussehen zu lassen und über den Tisch zu ziehen.

Was könnte unseren Gewählten dafür geeigneter erscheinen, als ein Thema von der »Bedeutungslosigkeit« der Österreichischen Wehrkapazität und somit nicht weniger als unserer staatlichen Souveränität? Verbindlichen »Dank« also an die Protagonisten dieses Unsinns; praktisch überall werden die Themen »nationale Sicherheit« und »militärische Behauptung der Souveränität« im parlamentarischen Konsens abgehandelt – nur wir schaffen das wieder einmal nicht.

Aber wie auch immer, wir Bürger sind gefragt, eine Stimme für die Ausgestaltung der militärischen Landesverteidigung in Form einer Wehrpflicht oder eines Berufsheers abzugeben. Die Möglichkeiten, die es grundsätzlich gibt, diese Abstimmung wahrzunehmen:

  • Für die Beibehaltung der Wehrpflicht zu stimmen
  • Für die Einführung eines Berufsheers zu stimmen
  • Der Abstimmung fernzubleiben
  • Hinzugehen und ungültig zu wählen

Für die ersten beiden Punkte gibt es lange Listen von Argumenten, (wobei festzuhalten ist, dass unter den Argumenten »pro Wehrpflicht« kaum bis keine militärischen sind – siehe unten)
In der Sache würden wir an sich ein ordentlich gemachtes Berufsheer im internationalen Verbund präferieren (wobei einschränkend zu sagen ist, dass es viel zu früh ist, so eine Festlegung überhaupt vorzunehmen).

Dennoch lautet unsere Empfehlung anders. Denn wir sind zum Einen davon überzeugt, dass weder die organisatorischen noch die parlamentarischen Belange heuer noch abgehandelt werden könnten, sollte die Befragung tatsächlich »pro Berufsheer« ausgehen. Zum anderen erfolgt heuer noch eine NR-Wahl, sodass die dann neue Regierung sich mit großer Wahrscheinlichkeit gar nicht an ein ungewünschtes Ergebnis gebunden fühlen wird.

Wir ersuchen Sie daher und rufen auf, folgende Option in Betracht ziehen:

  • An der Befragung teilnehmen! Nur so können wir unseren Volksvertretern zeigen, dass uns wichtige Fragen unseres Landes nicht egal sind.
  • Ungültig stimmen (und zwar unmanipulierbar).

Denn wenn ein hoher Prozentsatz der Wahlberechtigten das tut, zeigen wir, dass wir gegen Manipulationsversuche resistent sind und die Arbeitsverweigerung der Regierung nicht akzeptieren.

 

Im Folgenden die Zusammenfassung der Argumente, die uns so unter kamen, mit jeweils ein paar Anmerkungen aus unserer Sicht dazu:

Katastrophenschutz & Aufrechterhaltung ziviler Dienste

Beides sei nur mit einer Wehrpflicht aufrecht zu erhalten.

Zum einen waren in den letzten Jahrzehnten nie mehr als wenige 1000 Mann gleichzeitig in einem Katastropheneinsatz, zum anderen zeigte sich beim Jahrhunderthochwasser 2002, dass der zivile Zusammenhalt in der Bevölkerung großartig funktioniert: es waren so viele freiwillige Helfer vor Ort, dass man beginnen musste, sie abzuweisen.

Die Hilfsleistungen, die dabei von Grundwehrdienern erbracht werden können, sind Hilfsarbeiten wie Aufräumarbeiten oder Sandsäcke stapeln, was von zivilen Helfern ebenso gut gemacht wird. Spezialgerät wie Transporthubschrauber aber werden aber nicht von Grundwehrdienern bedient.

Andere verpflichtende Dienste als Wehr- und dessen Ersatzdienst sind laut der Genfer Menschenrechtskonvention als »Sklaverei« verboten. Einzig zur militärischen Behauptung der Souveränität darf ein Staat seine Bürger zwangsverpflichten. Weder Katastropheneinsatz noch Krankentransporte können aber ernsthaft diesem Zweck zugeordnet werden.

Die Wehrpflicht aufrecht zu erhalten mit der Intention, lediglich deren Ersatzdienste zu bedienen, käme im Wirtschaftsleben einer klassischen Umgehungskonstruktion gleich, die vor keinem Gericht bestand hätte.

Außerdem ist festzuhalten, dass das Argument mit der zentralen Aufgabe eines Heeres, dem Kampfeinsatz, nichts zu tun hat.

Einsatzfall Gebäudeschutz

Das Bedrohungsbild habe sich geändert; um die kritische Infrastruktur in Österreich im Ernstfall zu schützen, wären 8000 Mann notwendig. Das wäre nur durch Wehrpflicht erbringbar.

Allerdings ist Gebäudeschutz eine absolut nervtötend langweilige Hilfsarbeit, die man in wenigen Tagen erlernen kann. Ein voll ausgebildeter Soldat ist dafür einfach zu schade. Im Anlassfall, dass tatsächlich die gesamte relevante Infrastruktur und Wirtschaft gleichzeitig geschützt werden muss, sollten 8000 Mann vorübergehend aus Polizei und ergänzend Berufsarmee zu stellen und in kurzer Zeit aus einem Arbeitslosenheer von mehreren 100000 rekrutierbar sein.

Gebäudeschutz, nebenbei bemerkt, ist eine klassische Polizeiaufgabe, keine militärische. (Ebenso wie Grenzschutz, wo jüngst ein »Assistenz«(!)-Einsatz geleistet wurde) Es kann nicht richtig sein, eine ganze Organisation zu erhalten, weil die beauftragte ihren Auftrag nicht erfüllen kann. Was kein Vorwurf ist, lediglich eine Feststellung.

Kosten: Berufsheer viel teurer als Wehrpflicht

Dieses Argument vergleicht eine gedörrte mit einer frischen Zwetschke. Ein Berufsheer, das militärische Landesverteidigung umfassend darstellen könnte, wäre zweifelsohne teurer als unsere derzeitige Lösung, die uns zwei Milliarden Euro im Jahr wert ist. Aber das wäre eine gut gemachte Wehrpflicht auch.

Und ziemlich sicher wäre sie teurer als ein Berufsheer, das auf ausgewählte Aufgaben spezialisiert ist, die es im internationalen Verbund erfüllt.

Eine Erhöhung um 50 oder 100 Prozent auf 3 oder 4 Milliarden Budget, wie es für eine umfassende militärische Landesverteidigung so oder so nötig wäre, scheint allerdings politisch nicht durchsetzbar.

Pädagogischer Wert

Es würde jungen Männern ganz guttun, ein halbes Jahr im Dienst der Allgemeinheit zu stehen.

Das mag sein, allerdings muss man zum einen klar sagen, dass es sich um eine Dienstzeit handelt, nicht um einen Dienst. Nach der Grundausbildung jedenfalls, denn nach wenigen Wochen erfolgt keine weitere militärische Ausbildung oder Übung mehr, es wird lediglich abgewartet, dass die Grundwehrdienstzeit vorbei geht.

Ähnliches scheint leider auch für weite Teile des Zivildienstes zu gelten: erst unlängst wurde uns ein Beispiel bekannt, wo ein Zivildiener in einer Bezirksparteiorganisation(!) Dienst schiebt, und Veranstaltungen auf- und abbaut – wenn er denn etwas zu tun bekommt.

Wenn man tatsächlich die Pädagogikkarte spielen will, muss man im übrigen wohl erklären, wieso wir diese Charakterbildung nur unseren Burschen angedeihen lassen wollen, nicht aber den Mädchen.

Neutralität nach Schweizer Vorbild nur durch Wehrpflicht darstellbar

Das mag sogar stimmen, aber unsere Neutralität gehört dringend überdacht, zumal sie de facto ohnehin bereits – und zurecht – Geschichte ist.

Warum zurecht? Einerseits ist eine wehrhafte Neutralität, die jeden potenziellen Aggressor zumindest vor schwerwiegende Probleme stellt, in hohem Maße respektabel. Aber nicht eine, die – umgeben von Freunden – sich auf die Argumentation stützt: »Wir sind ja neutral und dürfen gar nicht angegeriffen werden. Und wenn doch, dann sind wir ja von Freunden umgeben, die uns beistehen würden.« (Es ist erschreckend, wie oft man diese Sätze hört.)

Jemand, der sich für »neutral« erklärt, ist schon per eigener Defintion nicht von »Freunden« umgeben, und für den Zeitpunkt eines Angriffs kann diese Aussage wenigstens für die Richtung, aus der jener erfolgt, gar keine Gültigkeit haben.

Das »Schweizer Vobild« haben wir seit der Gründung des Bundesheeres 1955 keinen einzigen Tag gelebt, hauptsächlich aus finanziellen Gründen. Hätten wir es ernst genommen, so hätten wir 2/3 mehr ausgeben müssen!

»Die Welt in Zahlen« beziffert die Ausgaben:

Schweiz: 4.0Milliarden USD (d.s. 500 USD pro Kopf und Jahr); Österreich: 2.5 Milliarden USD (294 USD pro Kopf und Jahr).

Wie weit ein reiner pro-Kopf-Vergleich bei doppelter Fläche zulässig ist, bleibe dahingestellt. Welcher Unterschied sich bei +2/3 über einen Zeitraum von 60 Jahren ergibt, bleibe ebenfalls dahingestellt.

Umgestellte Staaten haben Nachwuchsprobleme

Ein Berufsheer würde so ein Sammelbecken für Vertreter schlechter gestellter Schichten, Arbeitslose und Leute mit Migrationshintergrund.

Der erste Satzteil scheint zu stimmen (obwohl er kaum auf objektiver Zahlenbasis nachprüfbar ist). Aber das ist nicht mehr als ein Marketingproblem, das mit zunehmender Erfahrung auch in den Griff bekommen werden wird.

Wir bezweifeln nämlich, dass ein Migrant, der seiner alten Heimat noch verbundener ist als seiner neuen, in der neuen Heimat zum Heer gehen würde. Ebenso, dass Unterprivilegierte oder Arbeitslose es tun würden, sofern sie sich vor körperlicher Anstrengung und Entbehrungen und/oder langen Dienstzeiten drücken wollten (und falls doch wären sie sehr leicht eliminierbar).

Auch möchten wir die Aussage eines Panzerkommandanten zitieren, dem zu folge er »am Steuer sicher keinen Akademiker brauchen« könne.

Europäisches Berufsheer wäre nur für Rohstoffkriege konzipiert

Das ist ein etwas skurriles Argument. Es geht davon aus, dass dass die letzten Kriege Rohstoffkriege waren, was völlige Verständnislosigkeit in strategischen Fragen nachweist. Aber lassen wir uns einen Moment darauf ein: Selbst, wenn es stimmen sollte, so stellt sich doch die Frage, wie Österreich verfahren könnte. Sich moralisch mit erhobenem Zeigefinger über die anderen erheben und ihnen erklären: »Du, Du, Du, so etwas tut man nicht!«, aber insgeheim darauf hoffen, dass wir von den »erbeuteten« Rohstoffen direkt oder indirekt doch profitieren?

Wehrfähigkeit in Volkes Hand

Nur ein »Söldnerheer« würde auf die eigene Bevölkerung schießen.

Die Frage, ob ein Soldat auf einen Zivilisten schießt ist keine Frage, die der Soldat beantworten kann, sondern einzig sein Kommandant. Warum hier einem Berufsoffizier eher zugetraut wird, einen Schießbefehl zu erteilen oder ausführen zu lassen als einem Milizoffizier, ist völlig offen.

Unser Versuch, einen Zusammenhang (jenseits von Einzelbeispielen) zu recherchieren, ist jedenfalls mangels Anzahl gescheitert.

Dass Berufssoldaten bei Aufständen auf die Zivilbevölkerung das Feuer eröffnet haben, steht außer Zweifel. Ebenso allerdings, dass das bereits von den Volksarmeen im ehemaligen Osten getan wurde, die sich aus Wehrpflichtigen rekrutierten.

Das Heer müsse in der Bevölkerung »verankert« sein

Das klingt nach einem guten Argument - aber wofür? Was, genau, bedeutet es?

Was haben wir von einem »in der Bevölkerung verankerten« Heer, wenn unser Wehrwille nicht dazu reicht, ihm einen ordentlichen Übungsbetrieb zu ermöglichen und zu finanzieren?

Die Bevölkerung dürfe nicht entwaffnet werden

Die Bevölkerung ist entwaffnet. Wir bewahren – anders als die Schweizer Miliz – unsere Waffen nicht zu Hause auf. Eine weitere Abweichung vom »Schweizer Vorbild«.

Wehrdienst wäre unzeitgemäß

21 von 27 Staaten haben keine Wehrpflicht mehr.

Das mag sein, aber was beweist es? Sicher nicht, dass man eine ordentliche Landesverteidigung nicht auch über eine Wehrpflicht herstellen könnte.

Modernes Gefechtsfeld würde Grundwehrdiener überfordern

Eindrücke, wie der moderne Infantrist aussehen wird, findet man in der 10 minütigen Diashow "Die Soldaten der Zukunft".

Als Gegenargument wird ins Treffen geführt, dass eine gute Ausbildung unter-, der Wert von moderner Gefechtsfeldtechnik überschätzt wird. Wir teilen diese Meinung eigentlich nicht, denn erstens haben wir keine gute Ausbildung, und zweitens besteht ja auch für den, der Gefechtsfeldtechnik einsetzt die Möglichkeit, seine Leute gut auszubilden. Es handelt sich bei der modernen Technik ja um eine Erweiterung, nicht um einen Ersatz militärischer Fähigkeiten der Truppe.

Die zitierte »gute Ausbildung« ist übrigens ganz sicher nicht in 6 Monaten herzustellen.

Österreichs Image als Staat in der Gemeinschaft würde aufgewertet

Das sehen wir allerdings auch so: wir glauben, dass unsere Neutralität im Ausland vorsichtig ausgedrückt anders wahrgenommen wird als im Inland: während wir der Meinung sind, allein aufgrund unserer Neutralität überall Respekt zu genießen, werden wir im Ausland eher als Trittbrettfahrer wahrgenommen.

Es wäre hoch an der Zeit, dieses unwürdige Image endlich zu reparieren.

Matthias Wolf ist selbständig, Liberaler und Obmann der parteiunabhängigen Bürgerinitiative Österreich

 

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Was geht uns Afrika an? drucken

Noch vor kurzem hat die sozialistische Regierung Frankreichs beteuert, sich nicht mehr in afrikanische Kriege einmischen zu wollen. Jetzt steckt sie in Mali voll in einem solchen Konflikt. Zu Land und in der Luft.

Gut oder schlecht? Nun, es ist jedenfalls unakzeptabel, wenn die Halbwertszeit eines Politikerwortes und seiner Glaubwürdigkeit immer kürzer wird. Es ist aber auch nicht einzusehen, warum man verkommene und korrupte afrikanische Diktatoren vor dem Sturz retten soll.

Dennoch muss man inständig hoffen, dass den Franzosen die Intervention gelingt. Denn in Wahrheit geht es nicht um irgendwelche unsympathische Potentaten, sondern um die Eindämmung des Vorstoßes des radikalen Islamismus quer über den ganzen Kontinent. Nicht weniger als vier Staaten – Sudan, Somalia, Tschad und Nigeria – sind in der einen oder anderen Form in jüngster Zeit schon zu blutigen Fronten dieses Krieges geworden.

Nur naive Europäer können glauben, dass sie das alles nicht angeht. Das scheint man nun in Frankreich trotz einer ja immer zu Wunschdenken neigenden sozialistischen Regierung erkannt zu haben. Großflächige Piraterie wie vor Somalia, unzählige Entführungen westlicher Reisender sowie die Verwandlung bisher unbedeutender Wüstenstaaten in sichere Rückzugsgebiete für Terroristen, die überall in der Welt zuschlagen können: Das sind die größten der Gefahren durch diesen panafrikanischen Krieg, die jedenfalls auch Europa ernst nehmen sollte. Diese Auseinandersetzung ist zweifellos der längst entbrannte Krieg der Kulturen, den „progressive“ Geister nie wahrhaben wollten. Der aber offenbar immer heftiger wird.

Was dabei freilich verdrängt wird: Die Unterstützung des Westens für die Revolutionen von Ägypten bis Tunesien war zweifellos eine starke Ermutigung für die Fanatiker, denen dadurch etwa in Kairo nun die Macht in den Schoß gefallen ist. Überdies sind die Hinweise stark, dass die Islamisten erst durch die vielen Waffen aus Libyen erfolgreich kämpfen können.

Dennoch bleibt die große Frage: Ist der Westen überhaupt noch imstande und ernsthaft willens, an so vielen Fronten Krieg zu führen, seine eigene Sicherheit zu gewährleisten? Mit Luftangriffen alleine ohne ausreichende Bodentruppen gewinnt man jedenfalls keinen Krieg (was langsam ja auch Syriens Assad lernen muss).

 

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Fußnote 384: Wie bekämpft man Extremisten? drucken

Ein Schuldspruch mit 5:3 Stimmen ist doch eher ungewöhnlich. Dennoch bekam der Rechtsextremist Gottfried Küssel überraschende neun Jahre Haft. Auch seine Mittäter wurden heftig eingetunkt.

Das ist freilich von der gesetzlich beschlossenen Rechtsordnung voll gedeckt. Jeden liberalen Menschen müssen – ganz abgesehen von der Beweisfrage – jedoch Strafen, noch dazu eines solchen Ausmaßes für Meinungsdelikte schockieren. Und seien die geäußerten Meinungen noch so grauslich. Die Vermutung ist stark, dass man mit so drakonischen Strafen erst recht Märtyrer in der ja von pubertären Dummköpfen dominierten rechtsextremen Szene schafft. Gleichzeitig muss man zugeben: Man kann auch nicht überzeugend beweisen, dass Ignorieren oder rationale Auseinandersetzung mit dem neonazistischen Geschmeiß, mit seinen widerlichen – offenen wie versteckten – Antisemitismen, mit seiner Kriegsverherrlichung, mit seiner Apologetik eines der grässlichsten Terrorregime der Geschichte und dessen Völkermorden eher zu einem Erfolg führen würde. Man denke nur an die Renaissance der Kommunisten in Graz und in Ö1, obwohl ihnen gegenüber genau diese Reaktionen praktiziert werden. Man denke aber auch an die rechtsextremistischen Umtriebe unter vielen glatzköpfigen Fußballanhängern, die von Fernsehreportern und insbesondere sozialistischen Klubfunktionären immer wieder hofiert werden. Dabei geht es bei deren Taten keineswegs nur um Meinungsdelikte.

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SN-Kontroverse: Wehrpflicht drucken

In jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten gibt es eine Doppelkolumne mit dem Titel „Kontroverse“, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Ist die Wehrpflicht noch sinnvoll?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Profis statt Zwang

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Die Zwangsverpflichtung junger Männer zum Bundesheer ist sinnlos und eine Verschwendung von Ressourcen. Sie entspricht nicht mehr den Anforderungen an eine moderne Landesverteidigung. Das derzeitige System ist sehr teuer. Laut einer Studie der Wirtschaftswissenschafterin Gudrun Biffl kostet die Wehrpflicht jeden Grundwehrdiener rund 77.500 Euro durch den Verlust an Lebenseinkommen und beruflicher Perspektiven.

Bereits 21 von 27 EU-Länder haben eine Berufsarmee. Eine konventionelle militärische Bedrohung durch Panzer gibt es nicht mehr. Die Bedrohungen sind komplexer geworden, sie treten kurzfristig ein. Terrorismus, das Scheitern von Staaten, Angriffe auf IT-Systeme, die Bedrohung strategischer Infrastruktur oder der Klimawandel, das sind die modernen Gefahren.

Im Kampf dagegen sind gut ausgebildete Soldaten nötig. Das derzeitige System ist veraltet. Es ist auf die nicht mehr existente Bedrohung des Kalten Krieges aufgerichtet mit einem Massenheer, in dem 60 Prozent der etwa 24.000 Grundwehrdiener als Systemerhalter und somit als Fahrer, Köche, Kellner oder Schreiber eingesetzt werden. Ein gewaltiger Apparat ist damit beschäftigt, die restlichen 40 Prozent der Rekruten in kürzester Zeit zur Abwehr eines Feindes auszubilden, den es in dieser Form nicht mehr gibt. Das ist absurd!

Durch ein Berufsheer ist der Katastrophenschutz besser gewährleistet. Bei den Pionierbataillonen, den Spezialisten im Katastrophenfall, werden im Profiheer die Grundwehrdiener eins zu eins durch Berufssoldaten ersetzt. Das heißt gleiche Mannstärke bei besserer Ausbildung.

Ein Berufsheer bedeutet keineswegs Abschaffung der Neutralität. Einen Zusammenhang zwischen Profiheeren und NATO-Mitgliedschaften gibt es nicht. Neutrale und allianzfreie Staaten wie Irland und Schweden haben ein Profiheer. Es ist hoch an der Zeit, den Zwang zum Heer abzuschaffen und auf Profis zu setzten.
 

Wenn uns Österreich noch etwas bedeutet

Andreas Unterberger

Am Bundesheer ist vieles dringend zu verbessern: Von der oft lustlosen Ausbildung über die (laut linken Politikern) Asylanten nicht zumutbaren Kasernen, die veraltete Ausrüstung, den Überhang an Schreibtischbeamten, die Abschaffung der Miliz bis zum Missbrauch von Wehrpflichtigen als Gratis-Kellner für Offiziere & Co (die es ja für Staatsbeamte sonst auch nicht gibt). Die Abschaffung der Wehrpflicht wäre aber die völlig falsche Antwort.

Sie würde das Heer nicht verbessern, sondern überdies in eine gefährliche Ansammlung aus arbeitslosen Unterschicht-Angehörigen und Zuwanderern verwandeln. Sie würde in Zeiten sinkender Geburtenraten große Lücken bei Aufgaben wie Katastrophenhilfe oder Zivildienst reißen. Sie würde noch dazu mit Sicherheit mehr kosten - die Versuche von Herr Darabos, seine Ideen mit ständig neuen Zahlen schönzurechnen, sind nur noch grotesk.

Eine Wehrpflicht - und Dienstpflicht für echte(!) soziale Aufgaben - bedeutet ein zentrales Zeichen, dass Staatsbürgerschaft, dass Gemeinschaft nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten heißt (übrigens auch für Frauen). Zumindest solange uns diese Republik noch irgend etwas bedeutet.

Wehrpflicht ist pädagogisch für viele junge Menschen in einer schwierigen Orientierungsphase sinnvoll. Sie geht auch von der historischen Erfahrung aus, dass sich die - derzeit gute - Sicherheitslage viel rascher ändern kann, als ein Heer wieder aufgebaut wäre. Nur bei einer Wehrpflicht gibt es ausreichend Bewaffnete, welche die sensible Infrastruktur (Wasserleitungen, Kraftwerke . . .) gegen terroristische Bedrohungen sichern können.

Über ihr Ende nachzudenken, wäre höchstens dann sinnvoll, wenn Österreich in ein Bündnis mit Arbeitsteilung einträte, in dem die einen die Luftraumsicherung besorgen, die anderen etwa friedensschaffende Polizeieinsätze. Aber darüber will ja heute niemand auch nur diskutieren.

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Die lustigen Armutsstatistiken: Die armen Deutschen und die reichen Griechen drucken

In den Weihnachtstagen war die Chance besonders groß, dass man von einem Priester oder Politiker oder Journalisten wieder etwas von der wachsenden Armut in Österreich vorgeschwätzt bekam. In diesem Fall sollte man ihn einfach mit seinem Geschwätz stehen lassen, eine andere Kirche besuchen, eine andere Partei wählen oder das Medium wechseln.

Denn in Wahrheit sinkt die Armut in Ländern wie Deutschland oder Österreich seit vielen Jahren ganz signifikant. Es wird nur deshalb ständig vom Wachsen der Armut geredet, weil dies bestimmten Interessen hilft. Die einen wollen zur Auflagen/Seher-Vermehrung auf Tränendrüsen zu drücken (was meist wenig hilft); andere wollen die Spendenbereitschaft erhöhen (was zu Weihnachten deutlich hilft); auf der politischen Ebene ist die Armutsrhetorik die Universalwaffe, um immer noch mehr Steuern und Umverteilung zu fordern (die ja in der Tat ständig intensiviert wird); und wieder andere müssen im eigenen Interesse den Geldfluss Richtung der großen Armutsindustrie aufrechterhalten und vermehren (was offensichtlich sehr erfolgreich ist).

Zu dieser Industrie gehören etwa die Caritas, die Diakonie, sogenannte Armutskonferenzen und zahllose andere private wie staatliche Organisationen, Vereine, Ämter. Diese wollen alle jedenfalls einmal sich selber verwalten und am Leben erhalten. Sie alle können daher nie im Leben zugeben, dass sich die Armuts-Situation signifikant verbessert hat.

Armut nimmt in Österreich jedoch nur in einer einzigen Gruppe zu: Bei den Zuwanderern aus afrikanischen und islamischen Ländern – sofern wir von den offiziellen Einkommensdaten ausgehen. In diesen ist freilich naturgemäß keinerlei Schwarzarbeit verzeichnet.

Die Absurdität der Armutsstatistiken zeigt sich im internationalen Vergleich besonders krass. In Deutschland wird für den Zeitraum 2005 bis 2011 eine Zunahme der Armutszahlen von 18,4 auf 19,9 Prozent ausgewiesen. Dabei hat sich dort im gleichen Zeitraum die Zahl der damals fünf Millionen Arbeitslosen halbiert. Das ist wohl der beste Beweis eines Erfolgs im Kampf gegen Armut. Die Ursache dieses Erfolgs war Hartz IV, eine parteiübergreifende Reform (Agenda 2010), die unter der rotgrünen Regierung Schröder begonnen worden war. Sie hat den Bezug des Arbeitslosengeldes zeitlich beschränkt, und den daran anschließenden Erhalt von Not-Unterstützung an strenge Kriterien und vor allem Arbeitswilligkeit gebunden. Und siehe da: Die Arbeitslosigkeit schmolz so schnell dahin, wie es vor zehn Jahren absolut niemand für möglich gehalten hatte.

Aber dennoch hat laut Statistik die Armutsgefährdung in Deutschland zugenommen.

In Wahrheit zeigen solche Armutsmessungen nämlich immer nur das Ausmaß von Ungleichheit. Und die kann eben auch dann zunehmen, selbst wenn es allen zu hundert Prozent besser geht. Und damit nimmt eben auch die angebliche Armutsgefährdung zu. Diese gibt es statistisch immer dann, wenn man weniger als 60 Prozent des Median-Einkommens verdient (das ist das mittlere Einkommen).

Wie grotesk diese Behauptung ist, zeigt sich vor allem im Vergleich zu Griechenland und Portugal: Denn während in Deutschland die Armut in dieser Zeit gestiegen sein soll, ist sie laut der gleichen Messmethode in diesen beiden Ländern gesunken. Sie haben richtig gelesen: Laut Armutsstatistik gibt es in Griechenland und Portugal heute deutlich weniger Arme als in der dortigen (schuldenfinanzierten) Boomzeit von 2005. Dabei sind die beiden Länder seither in die schwerste Krise seit Jahrzehnten gestürzt.

Man kann diesen statistischen Armuts-Schwachsinn auch konkret zeigen: In Österreich ist eine durchschnittliche vierköpfige Familie armutsgefährdet, wenn sie "nur" 2160 Euro im Monat ausgeben kann. Gar nicht zu reden von den rund 15 Prozent des Volkseinkommens, die nach seriösen Schätzungen noch zusätzlich (wenn auch gewiss nicht von jeder Familie) schwarz, also an allen Statistiken vorbei verdient werden.

Zu dem bar verfügbaren Betrag kommen in sehr vielen „armen“ Fällen noch durch Steuermittel geförderte Eigentumswohnungen, von anderen subventionierte Kranken- und Pensionsversicherungen, ORF- und Telefongebührenbefreiung, Gratis-Schule, Gratis-Kindergarten, aus sozialen Gründen subventionierte Verkehrsmittel und vieles andere mehr. All das sind Dinge, die es in vielen deutlich ärmeren Ländern nicht gibt. Und fast alle hierzulande vorgeblich Armen haben Waschmaschine, Farbfernseher und auch ein Auto zur Verfügung.

Trotz dieser extensiven Armutsberechnung ist in Österreich die Zahl der Armutsgefährdeten sowohl absolut wie relativ zurückgegangen. Aber bevor einer aus der Armutsindustrie diesen Rückgang zugeben würde, beißt er sich lieber die Zunge ab. Statt dass man endlich einmal sagt: „Danke, liebe Steuerzahler und Spender, dank Eurer Hilfe war der Kampf gegen die Armut in den letzten Jahren und Jahrzehnten mehr als erfolgreich“, erfindet man halt neue Armutsdefinitionen.

Die österreichische Armutsindustrie hat seit einigen Jahren einen manipulationssicheren Verbündeten im neuen Leiter der Statistik Austria. Dieser Herr Pesendorfer kam direkt aus dem SPÖ-Machtzentrum, für deren Selbstverständnis ja der Glaube an die ständig steigende Armut noch wichtiger ist als für die Tabakindustrie der Glaube an die Ungefährlichkeit des Rauchens. Mit Pesendorfers Hilfe wurde 2008 nun eine manifeste Armut erfunden. Seither ist man „manifest“ arm, wenn man mehr als 25 Prozent seines Einkommens für die Miete ausgibt. Diese ebenso seltsame wie willkürliche Definition machte über Nacht beispielsweise Zehntausende Studenten zu Armen.

Und Rot wie Grün haben dadurch wieder ein Argument mehr, um noch mehr Steuern zu verlangen. Und die Journalisten können weiterhin alljährlich den gleichen Betroffenheitsartikel zu Weihnachten schreiben (viele tun es auch das Jahr über regelmäßig, weil ihnen nichts anderes einfällt). Und die Kirchen können gegen die wachsende Armut predigen – obwohl sie über mehr Arme eigentlich froh sein müsste, weil ja kaum ein Reicher ins Himmelreich kommt . . .

PS.: Um nicht missverstanden zu werden: Weniger materielle Armut heißt keineswegs, dass ein Land wie Österreich automatisch glücklicher geworden wäre. Immer mehr zerbrochene Familien und deren Kinder, immer mehr einsame Alte (deren Zahl noch dramatisch zunehmen wird, da jetzt die vielfach kinderlosen Babyboomer ins Rentenalter rutschen), misshandelte Muslim-Frauen, bildungsfern aufwachsende Kinder in Zuwandererfamilien: Das alles bietet mehr als genug Anlass für persönliches, zwischenmenschliches Engagement. Das alles sind Alarmsignale einer wachsenden seelischen Armut. Das alles bietet jedoch kein Argument für immer noch mehr Umverteilung. Das alles ist zum Teil sogar direktes Produkt des Wohlfahrtsstaatsdenkens. Daher wird es eben aus bestimmten Interessen heraus ignoriert.

PPS.: Dieses expansive Wohlfahrtsdenken ist natürlich auch die Hauptursache der schweren Schuldenkrise, die Österreich, Deutschland und noch viel mehr den Rest Europas erfasst hat. Die ja an diesem Ort an anderen Tagen immer wieder analysiert wird.

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Nur kein Zipfelchen der Macht abgeben! drucken

Dieses „Demokratiepaket“ als „umfangreich“ zu bezeichnen, ist reichlich kühn. Aber der Konsens zwischen den beiden Regierungsparteien reicht halt offensichtlich nicht für mehr. In Wahrheit hat dieses Paket nichts mit direkter Demokratie zu tun. Es ist Kosmetik, die nichts an den Machtmechanismen ändert. Erstaunlich ist nur, dass die Volkspartei so kampflos auf eine Umsetzung ihres ambitionierten Vorstoßes verzichtet, den Parteiobmann und Jugend-Chef noch vor ein paar Monaten präsentiert haben.

Über allen Paragraphen dieses Mini-Pakets ist Ruh. Nur kein Zipfelchen der Macht abgeben, lautet seine eindeutige Devise.

Weniger eindeutig ist das Verhalten der ÖVP: War ihren Funktionären der eigene Ruf nach einer echten direkten Demokratie selbst unheimlich geworden? Oder haben ihr die in der Umgebung von Politikern besonders häufigen dümmlichen Ratgeber (also vor allem die geschniegelten und halbgebildeten Kabinettsmitarbeiter mit einem Pseudo-Studium à la Politologie oder Publizistik) und Kronenzeitungs-Gläubigen wieder einmal einen Unsinn eingeredet? Nämlich dass es der ÖVP irgendetwas nutzen würde, wenn sie Wonne und Eintracht mit der SPÖ simuliert (während deren Chef den Schwarzen soeben „Unanständigkeit“ vorgeworfen hat)? Begreifen die Schwarzen denn nicht, dass sie nur dann noch eine Überlebens-Chance haben, wenn sie endlich ein eigenes Profil demonstrieren, das in etwas mehr bestehen müsste als in neuen Jungunternehmerförderungen?

Warum beharrt die ÖVP nicht auf einem echten Paket zur Einführung der direkter Demokratie? Dieses könnte aber auch rund um den Wahltermin gemeinsam mit zwei Oppositionsparteien beschlossen werden. Am besten zusammen mit einer Privatisierung des ORF, mit echten Studienzulassungs-Regeln und einer Abschaffung des staatlich verordneten Genderismus. Das wäre ja durchaus legitim, hat doch beim letzten Mal die SPÖ diesen Zeitraum im politischen Niemandsland nach Platzen einer Koalition ihrerseits für einen milliardenschweren Raubzug aufs Budget ausgenutzt. Da könnte man ja diesmal den Spieß umdrehen und mit dem gleichen Recht auch einmal etwas Sinnvolles machen. Wenn man noch irgendeinen Mumm in den Knochen hätte.

Aber, so werden manche einwenden, bringt das Paket nicht doch etliches?

Nun ja, es ist ganz nett, wenn ein Nationalratskandidat mit sieben Prozent der Stimmen von einem hinteren Listenplatz aus nach vorne rutschen kann. Nun ja, es ist ganz nett, Volksbegehren künftig auch elektronisch unterstützen zu können. Nun ja, es ist ganz nett, dass es jetzt zu jedem Volksbegehren mit mehr als 100.000 Unterschriften eine Sondersitzung in Nationalrat geben wird. Nun ja, es ist ganz nett, dass künftig 10.000 Bürger eine Anfrage an einen Minister stellen können.

Aber auch in der Summe ist das alles unbedeutend und ändert nichts an der Qualität unserer von schwerem Vertrauensmangel erschütterten Demokratie.

Man nehme nur den letztgenannten Punkt und vergleiche: In Skandinavien braucht man keine 10.000 Unterschriften; dort kann jeder einzelne Bürger eine Anfrage stellen; er bekommt dann sogar volle Akteneinsicht und nicht nur die hierzulande üblichen Schmecks-Antworten von Ministern, mit denen schon seit vielen Jahren die jeweiligen Oppositionsabgeordneten abgespeist werden.

Vor allem aber fehlt das entscheidende Vorhaben aus dem einstigen ÖVP-Papier: Dass nämlich so wie in der Schweiz die Bürger eine bindende Volksabstimmung erzwingen können; dass nach einem ausreichend unterstützten Volksbegehren das Parlament diesem entweder zustimmen oder ein Entscheidungsreferendum ausschreiben muss.

Nur solche Maßnahmen wären eine echte Rückgabe eines Teils der Macht von der Politikerklasse an den Souverän gewesen. Aber dem trauen die Parteien halt auch weiterhin nur Unsinn zu – während sie sich insgeheim vor allem vor der eigenen Entmachtung fürchten.

Dabei stoßen wir ständig auf Beweise für die Dummheit, Schmierigkeit und Ahnungslosigkeit der politischen Klasse. Nur ein paar Exempel aus den letzten Stunden:

  • Da behauptet etwa Bundeskanzler Faymann, dass „ganz Skandinavien“ bei den Pisa-Tests „die ersten Plätze“ gewinne. Das ist freilich völliger Holler. Das stimmt bloß für Finnland. Schweden ist hingegen seit neun Jahren nicht mehr unter den ersten Zehn gewesen. Dänemark, Island und Norwegen sind noch nie in einer Pisa-Gesamtwertung unter den ersten Zehn gelandet.
  • Da erlässt Wirtschaftsminister Mitterlehner eine Verordnung, dass die öffentliche Hand Aufträge bis zu 100.000 Euro freihändig, ganz ohne Ausschreibung vergeben kann (früher war die Grenze bei 40.000!). Das bedeutet nichts anderes als die weite Öffnung der Tore für kleine und große Korruptionisten in Politik, Verwaltung und Wirtschaft. Diesen kann man bei ihrem schmierigen Agieren so gut wie nie auf die Schliche kommen, solange sie nur die geschobenen Aufträge auf fünfstellige Zahlen aufteilen.
  • Da zeigt die erste Veröffentlichung gemäß dem Medientransparenzgesetz, dass dieses Gesetz – wie im Tagebuch prophezeit – keinerlei Rückgang des korrumpierenden Inseratenstromes aus öffentlichen Kassen Richtung Medien ausgelöst hat. Dieser Strom erreicht statt dessen im Jahresschnitt satte dreistellige Millionenzahlen, also ungefähr das Zehnfache der offiziellen und sauberen Presseförderung. Bei Medien müssen ja nicht einmal 100.000-Euro-Aufträge ausgeschrieben werden. Bei Medien bleibt nicht nur die Höhe der Zahlung dubios, sondern vor allem die Frage, ob die Leistung überhaupt notwendig ist.
  • Da wird uns in Wien ziemlich unverhohlen angedeutet, dass nach der „Heizsaison“ die Preise für Strom, Gas und Fernwärme wieder einmal steigen werden. Der Grund ist nicht etwa die Entwicklung der Weltmarktpreise – diese sinken ja derzeit zum Teil kräftig! – sondern das Vorhaben der Rathausbosse, die üppigen Pensionen der dortigen Gemeindeangestellten (und zugleich letzten sicheren SPÖ-Wählergruppe) mit höheren Rücklagen abzusichern. Das sind Pensionen, die weit höher sind als jene der meisten Strom- und Gaskunden.
  • Da ärgert sich ganz Wien über die Fragen für die Wiener Volksbefragung, die nur noch als Pflanz und Ablenkungsmanöver zu verstehen sind.

Und die für all das verantwortliche Politik wagt es  – samt ihren medialen Wasserträgern –, die Bürger weiterhin als unfähig darzustellen, über ihre eigenen Angelegenheiten zu entscheiden. Ob sie solche Behauptungen wenigstens noch selber ernst nehmen kann?

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Prolokratie: Buchbesprechung drucken

Der liberale Journalist Christian Ortner, Betreiber der Blogs „Das Zentralorgan des Neoliberalismus“, bricht mit dieser Streitschrift mehr als nur ein Tabu. Er führt darin die heilige Kuh des modernen Wohlfahrtsstaates – das Prekariat – auf politisch höchst inkorrekte Weise vor. Er hält dessen Anwälten – den Sozialisten in allen Parteien – einen Spiegel vor, in dem absolut nichts Erfreuliches zu sehen ist. Außerdem äußert er – und dafür gebührt ihm größter Respekt – als einer der wenigen heimischen Publizisten, die populär genug sind, um nicht einfach totgeschwiegen zu werden, grundsätzliche Kritik am demokratischen System, was gewöhnlich sofort mit gesellschaftlicher Exkommunikation durch die Dressurelite geahndet wird. Das ist in seinem Fall – erstaunlich genug – nicht geschehen.

Der Grund dafür ist, dass es die herrschenden Eliten, dank des von ihnen täglich aufs Neue zu Schau gestellten Gemischs aus Inkompetenz und Niedertracht, so weit gebracht haben, dass selbst radikal gegen den Strich gebürstete Meinungsäußerungen von vielen politisch heimatlos gewordenen Bürgern nicht nur akzeptiert, sondern sogar dankbar angenommen werden. Daran ändert nichts, dass die über die Deutungshoheit verfügenden (linken) Tugendwächter mit Ablehnung reagieren. Ein erfreuliches Zeichen.

Ortners Kernthese: Stetig wachsende Anteile der Bevölkerung verblöden in immer stärkerem Ausmaß. Daraus folgt ein Niedergang der Qualität der von den „Kevins und Jessicas“ getroffenen politischen Entscheidungen. Das ist durchaus plausibel, denn wer Dreck nicht von Schuhcreme unterscheiden kann, wird bei der Beantwortung komplexer politischer Fragen kaum besondere Kompetenz an den Tag legen. Selbstverständlich sind schlichte Naturen eher am Ende der Einkommensskala zu finden und damit die zuverlässigsten Klienten des Wohlfahrtsstaates. Die immer größer werdende Zahl der Nachfrager staatlicher Umverteilungsmaßnahmen wiederum führt zu einem stetig wachsenden Stimmgewicht dieser Gesellschaftsschichten, womit sich der Kreis schließt.

Anfang der Sechzigerjahre präsentierten die genialen Kabarettisten Bronner, Qualtinger & Co. eine Nummer namens „Die Unterentwickelten“, die heute angesichts ihrer offenkundigen „Minderheitenfeindlichkeit“ völlig unvorstellbar wäre. In dieser heißt es „…wenn wir was lernen, werden wir zwar gescheiter, aber heut´ kommen wir mit der Blödheit viel weiter…“ was in einer Zeit, als Kinder (im Gegensatz zu heute) nach Abschluss der Grundschule immerhin fähig waren, zu lesen und zu schreiben, als weit vorweggenommene Bestätigung der Befunde, wie sie nach Thilo Sarrazin nun Christian Ortner vorlegt, verstanden werden kann.

Einen Ausweg scheint nur der (unvermeidliche) Systemkollaps mit anschließendem Neustart zu bieten. Auf dem Boden des gegenwärtigen Systems (Andreas Khol würde sagen „innerhalb des Verfassungsbogens“) ist deshalb nichts zu retten, weil die vom System der Prolokratie Begünstigten natürlich nicht freiwillig von ihren „wohl erworbenen Rechten“ lassen werden…

Besonders schmerzen wird es die unkritischen Apologeten der Massendemokratie, dass Ortner nicht nur die Mär von der grundsätzlichen Überlegenheit von Mehrheitsentscheidungen, sondern auch das Mantra vom demokratischen System als dem einzig erfolgreichen Freiheits- und Wohlstandsgenerator in Frage stellt, indem er mehr oder weniger autokratische (jedenfalls undemokratische!) Erfolgsmodelle wie China, Singapur oder Oman dagegenhält. Er stellt die berechtigte Frage, wie weit es denn mit der Freiheitsliebe in einem System her sein kann, das seine Leistungsträger mittlerweile um rund zwei Drittel ihres Einkommens bringt und das die gesamte Bevölkerung mit täglich neuen Regeln und Verboten drangsaliert.

Ortners Forderung, das Wahlrecht – analog zur Fahrerlaubnis – an gewisse geistige Fähigkeiten zu binden, erscheint nicht abwegig. In der Tat: Weshalb sollten Idioten kluge Entscheidungen treffen? Aus der Praxis des Alltags allerdings ergibt sich insofern ein gewichtiger Einwand (der einzige, den der Rezensent vorzubringen hat!), nämlich, dass man aus dem Mund einfacher Menschen (sofern sie ihr eigenes Geld verdienen und noch nicht durch die Segnungen des Wohlfahrtsstaates völlig korrumpiert und demoralisiert wurden), oft erheblich Gescheiteres zu hören bekommt, als aus dem von Akademikern. Insbesondere dann, wenn es sich z. B. um Soziologen oder Politikwissenschaftler handelt, die, kaum der Uni entronnen, auch schon – vorzugsweise in linken Parteien – auf politischen Mandaten hocken und von Steuergeldern leben. Formale Bildung schützt eben weder vor Blödheit noch vor Verkommenheit! Ein Blick ins Parlament, wo es von (scheinbar) gut gebildeten Menschen wimmelt, verschafft in dieser Frage absolute Gewissheit.

Wenn Ortner also fordert, „Kevin und Jessica müssen daran gehindert werden, die Konten heute noch Ungeborener zu plündern.“ Ist dem grundsätzlich zuzustimmen. Wie das (gewaltfrei) gehen soll, wird indessen nicht so ganz klar. Die Auswahl von Mandataren durch Los, anstatt durch Wählerentscheid, mag eine brauchbare Methode sein. Auch das Zitat aus Hayeks „Verfassung der Freiheit“, in dem ein Ausschluss aller Empfänger von Transferzahlungen (also auch der Beamten!) vom Wahlrecht gefordert wird, ist gut gewählt. Doch wer sollte das durchsetzen – gegen den Willen einer täglich größer werdenden Wählermehrheit?

Fazit: Angesichts des den Meinungshauptstrom beherrschenden, politisch korrekten Einheitsbreis, ein Büchlein voller erfrischender, kluger Gedanken.

Prolokratie
Christian Ortner
Edition a, Wien 2012
91 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-99001-047-1
€ 14,90,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien. 

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Europa endlich neu denken drucken

Erst in wirklichen Krisen können sich Staaten und Institutionen bewähren. Bei Schönwetter haben hingegen auch brüchige und windschiefe Konstruktionen Bestand. Was ist da nun die Europäische Union: ein windschiefer Schönwetter-Bau oder eine Struktur, die zu Recht den Nobelpreis bekommt? Immer mehr Menschen fragen sich: Wie wird die EU die gegenwärtige Krise überleben? Kann sie, wird sie überleben? Was sich noch nicht alle eingestehen: Es ist absolut notwendig, Europa komplett neu zu denken. Denn es hat sich auf einen Irrweg begeben. Es gilt zu bewahren und auszubauen, was sich bewährt, aber auch rasch wieder abzustoßen, was sich nicht bewährt hat.

Dazu tut es einmal gut, in die Außensicht zu wechseln. Tatsache ist, dass in den entwickelten Ländern Europas, die nicht EU-Mitglieder sind, die Diskussion über einen Beitritt fast völlig verstummt ist. Von der Schweiz bis Norwegen hat man weitgehend das Interesse an einer Mitgliedschaft verloren. Die Schweizer feiern gerade im großen Konsens als Erfolg, dass sie vor 20 Jahren beschlossen haben, sogar dem Vorhof der EU, dem Europäischen Wirtschaftsraum, fernzubleiben. Damals war die Nein-Mehrheit noch relativ knapp. Heute wäre sie haushoch.

Aber auch in jenen Ländern, die viele EU-Bürger ohnedies nicht gerne in ihrem Verein gesehen hätten, ist das Interesse geschwunden: Von Russland bis zur Türkei orientiert man sich viel weniger an der EU als vor einem Jahrzehnt. Man geht lieber eigene – nationale, nationalistische – Wege. Russland lebt (noch?) sehr gut von den hohen Energiepreisen, und die Türkei weist ein eindrucksvolles Wirtschaftswachstum auf.

Nur die Chaos-Länder wollen noch beitreten

Lediglich die kleineren und notleidenden Staaten in der Zone dazwischen zeigen anhaltendes Interesse an einer Mitgliedschaft: von Albanien bis zur Ukraine, von Moldawien bis Bosnien. Diese und alle anderen Nicht-EU-Länder in diesem Raum bekommen ökonomisch die Füße nicht auf den Boden. Sie strampeln irgendwo im Niemandsland zwischen den alten KP-Diktaturen, neuen nationalistischen Autokratien und dem Status von Möchtegern-Demokratien herum. Sie erwarten sich von der EU-Mitgliedschaft Wunderdinge und die Heilung aller Probleme von Korruption bis Unterentwicklung, vom Versagen der Justiz bis zu ungelösten ethnischen Konflikten.

Für die diplomatischen Eliten Europas wird es freilich immer schwerer, den bisherigen Mitgliedern solche Länder als Bereicherung der Union zu verkaufen. Hängen doch schon etliche der jüngst beigetretenen Mitgliedsstaaten wie ein Bleigewicht an den Beinen der Union. Insbesondere gilt das für Rumänien, wo soeben eine schwer korrupte und anti-rechtsstaatliche Gruppierung einen triumphalen Wahlsieg errungen hat.

Diese Länder wollen das Geld des Westens, aber nicht dessen Spielregeln. Dennoch zeigt sich die EU-Diplomatie auch an deren Mitgliedschaft interessiert: Sie glaubt nämlich, dadurch eine Stabilisierung der Region und der diversen brodelnden Konflikte zu erreichen. Dass die Bürger der alten EU-Staaten das anders sehen, ist den europäischen Eliten ziemlich egal. Ebenso, dass die erhoffte Stabilisierung durch die Mitgliedschaft auch schon bei den zuletzt aufgenommenen Mitgliedern nicht funktioniert.

Aber jedenfalls sind die Beitritts-Ambitionen solcher Staaten noch keineswegs ein Erfolgssignal für die EU. Viel signifikanter ist, dass alle Nicht-Euro-Mitgliedsstaaten sämtliche Initiativen abgeblasen haben, die gemeinsame Währung zu übernehmen.

Die klugen Vorstellungen der Briten

Am ernstesten sollte Europa aber das beobachten, was sich in Großbritannien abspielt. Im Inselreich ist ein Referendum über die eigene europäische Zukunft fast nicht mehr abzuwenden. Den Briten geht es dabei keineswegs nur um den Streit über die künftigen EU-Budgets und ihren eigenen Rabatt. Immer mehr Menschen, aber auch Abgeordnete fragen sich dort, ob man noch eine gute Zukunft in dieser Union hat. Würde Großbritannien aber die Union ganz verlassen, wäre das nicht nur für die Wirtschaft des Landes ein schwerer Schlag, sondern vor allem auch für die Union selber.

Wäre die Union gut beraten – also auch die anderen Mitgliedsstaaten und deren Abgeordnete – dann müssten sie sich viel ernsthafter mit den britischen Zukunftsvorstellungen befassen. Diese bestehen keineswegs nur in einem Entweder-oder. Vielen Briten schwebt ein Status vor, der sich ganz auf den europäischen Binnenmarkt konzentriert, auf den Rest aber verzichtet. Immerhin muss man London ja konzedieren, dass es den Binnenmarkt, also die Freiheit für Güter, Dienstleistungen, Kapital und Menschen sehr korrekt umsetzt, während etwa Frankreich vielfach hinterherhinkt, obwohl es gerne so tut, als ob es der Erfinder Europas wäre.

Rettet den Binnenmarkt!

Dieser Binnenmarkt ist eine historische Errungenschaft, die es in der Tat unbedingt zu retten gilt. Dabei ist auch ständig gegen vielfältige Versuche anzukämpfen, wieder kleine nationale Trennzäune zu errichten. Diese tarnen sich abwechselnd als ökologisch oder sozial, als kulturell oder sonst wie. Dahinter steckt aber fast immer der alte Protektionismus zu Lasten der Konsumenten und im Interesse einer kleinen Clique. Nur sehr rückständige Dummköpfe können ignorieren, wie sehr dieser Binnenmarkt den Wohlstand aller Europäer in den letzten Jahrzehnten gehoben hat, wie viele Millionen Arbeitsplätze verloren wären, wenn man die Unternehmen wieder in nationale Fesseln legen wollte.

Daher sollte man den Binnenmarkt auch in jenen Bereichen endlich abrunden, wo er noch immer nicht funktioniert: Etwa bei der Luftraumsicherung, im gesamten Eisenbahnbereich oder auch in den Regelungen des Straßenverkehrs. Das sind für einen Binnenmarkt wirklich essenzielle Bereiche.

Daher sollte man auch viel ernster das Projekt der Bush-Ära wiederzubeleben, den Binnenmarkt auch auf Nordamerika auszudehnen.

Ein verbesserter Binnenmarkt wäre noch viel problemloser, hätten nicht fundamentalistische europäische Behörden und Richter die Personen-Freizügigkeit extrem weit in Bereiche hinein ausgedehnt, wo sie keineswegs notwendig und sinnvoll ist. Viele diesbezügliche Regeln sind nicht nachhaltig anwendbar: Etwa der Anspruch von EU-Rentnern, in jedes EU-Land ihrer Wahl ziehen zu können, und dort automatisch die jeweiligen Mindestsicherungen zu bekommen (allein die österreichische Ausgleichszulage bringt vielen EU-Rentnern eine Versiebenfachung ihrer Rente); oder die extensive Praxis der Familienzusammenführung. Aber von dieser Problemzone abgesehen ist der Binnenmarkt wirklich eine sensationelle Errungenschaft, um die Europa zu Recht beneidet wird.

Zurück an den Start

Als umso fragwürdiger erweist sich vieles andere, was in den letzten 20 Jahren dazugekommen ist. Als erstes Beispiel kommt einem dabei natürlich die Währungsunion eines Teils der EU-Staaten in den Sinn. Heute erkennt man, was kluge Menschen schon in den 90er Jahren gesehen haben: Ohne durchgreifende politische Union ist eine Währungsunion absurd. Solange jedes Land selber seine Budgetdefizite entscheidet, seine Steuersätze, sein Rentenalter, seine Mindestsicherung usw. kann eine Währungsunion nicht funktionieren. Die Ergebnisse dieses Realexperiments sollte langsam in alle Köpfe eingedrungen sein. Und zugleich sollten auch die naivsten deutschen und österreichischen Politiker erkennen, dass eine solche politische Union auf friedlichem Weg nicht durchsetzbar ist.

Aber nicht nur bei der Währungsunion drängt sich ein „Zurück an den Start, um Schlimmeres zu verhindern“ auf. Genauso fragwürdig ist die Zusammenarbeit im Bereich des Strafrechts. So wichtig eine Angleichung des Zivilrechts in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum ist, so absurd ist es, wenn man beispielsweise Mitgliedsstaaten verpflichtet, eigene Staatsbürger ans Ausland auszuliefern.

Genauso widersinnig ist es, von einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu reden, wenn man neutrale Länder als Mitglieder hat, oder wenn man es stillschweigend hinnimmt, dass ein Nicht-EU-Staat einen bedeutenden Teil der Union völkerrechtswidrig besetzt hält. Die Situation in Nordzypern ist für eine Möchtegern-Weltmacht mit 500 Millionen Menschen nur noch peinlich. Entweder man hätte Zypern nie aufnehmen dürfen, oder man kann die volle Souveränität der EU durchsetzen.

Und was soll man von der Glaubwürdigkeit der EU halten, wenn sie sich als demokratisch ausgibt, aber ein völlig undemokratisch zusammengesetztes Parlament hat? Jeder deutsche Abgeordnete muss ja zwölf Mal so viele Wähler vertreten wie etwa einer aus Malta.

Am schlimmsten ist der manische Hang der Union, in ihrem Machtrausch ständig immer noch mehr Dinge zu regeln, für die sie niemals geschaffen worden ist. Die Beispiele reichen von der ständigen Verschärfung des angeblichen „Verhetzungs“-Tatbestands übers Nichtrauchen über Studienberechtigungen bis zum gerade wieder aktualisierten Versuch, allen Europäern wassersparende Armaturen vorzuschreiben. Diese sind nicht nur teurer, sondern nördlich der Alpen auch schädlich, wo es genug Wasser gibt, aber viele Rohrsysteme wegen zu geringen Wasserdurchlaufs verschlicken.

Vielleicht sollte man die Europäer an Joseph II. erinnern, der auch alles mögliche von oben neu reglementieren wollte und solcherart zum unbeliebtesten Herrscher geworden ist.

Ein Weniger wäre mehr

Die Konklusion: Für Europa wäre heute ein Weniger ein klares Mehr, das vielleicht sogar das Überleben der Union retten könnte. Manche klugen Europäer erkennen das auch langsam: So empfahl dieser Tage der österreichische Nationalbank-Chef Ewald Nowotny Europa mehr Pragmatismus. Er warnte davor, die Idee einer politischen Union zur Schicksalsfrage zu machen. Das klingt zumindest in Ansätzen sehr vernünftig.

Die Mehrheit der europäischen Politiker will aber weiterhin in eine falsche Richtung gehen. Sie versprechen zwar immer dann mehr Subsidiarität, wenn die Bürger zu sehr aufbegehren, praktizieren aber jahraus, jahrein das Gegenteil. Es wird Zeit, dass sich besonnene Europäer für das zu engagieren beginnen, was in Europa rettenswert ist.

PS.: Ach ja, und der Friedensnobelpreis? Der ist wohl nichts anderes eine gewaltige Verführung, den wirklichen Zustand Europas zu verdrängen. Er ist ungefähr so ernst zu nehmen, wie die Verleihung des selben Preises an Barack Obama in dessen erstem(!) Amtsjahr, bevor er weitere vier Jahre Krieg führte. Wenn die EU so weitermacht, wird sie selbst zur großen Friedensbedrohung.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com. 

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Die Medien: der große Ekel drucken

Kann man sich noch, ohne sofort tief und schamvoll zu erröten, als Journalist bezeichnen? Nicht erst die letzten Stunden machen einem klar, dass man zu einer Berufsgattung zählt, die zwar an einem Ende immer noch tolle Leistungen zustande bringt, die am anderen aber so verkommen ist, dass es tiefer nicht mehr geht. Nicht nur in Großbritannien und Australien, sondern etwa auch in Österreich. (Mit einer nachträglichen Ergänzung).

Der Selbstmord einer britischen Krankenschwester ist das jüngste und dramatischste Mahnmal am Wege eines widerlich gewordenen Journalismus. Die Frau wusste offensichtlich nicht mehr ein und aus, nachdem zwei australische Radioreporter sie hineingelegt haben. Die zwei hatten sich als die britische Königin und ihr Mann ausgegeben, die sich nach dem Befinden der wegen Schwangerschaftsproblemen eingelieferten Frau ihres Enkels erkundigen.

Schon allein dieses Vordringen in das Privatleben anderer – ja, auch Royals haben ein Menschenrecht darauf! – sollte eigentlich Skandal genug sein. Zusätzlich haben die Reporter aber dann auch noch diese Krankenschwester, ihre Hilfsbereitschaft und ihren Respekt vor einer scheinbar anrufenden Königin dem Hohn preisgegeben. Die Frau wurde in ihrer Menschlichkeit an den Pranger einer geilen Weltöffentlichkeit gestellt. Das ist Menschenhatz auf das Widerlichste. Und nicht nur ich werde es als sehr bedauerlich finden, dass es da wohl keine strafrechtlichen Konsequenzen geben wird.

Das alles passiert - wenn auch durch australische Täter - ausgerechnet in Großbritannien. Dieses Land hat soeben geglaubt, die medialen Skandale und Missbräuche der letzten Jahre endlich aufgearbeitet zu haben. Journalisten mehrerer Medien hatten Promis und deren Umgebung abgehört und bis ins Privateste hinein verfolgt. BBC-Moderatoren haben Hunderte Kinder sexuell missbraucht. Andere haben einen Politiker fälschlicherweise als Missbrauchstäter geoutet. Das alles hat Medien und Politik von einem „Nie wieder“ reden lassen. Und jetzt das!

Bei uns in Österreich, da ist ja alles zum Glück viel besser, oder? Nein, das ist es keineswegs. Bis auf das Fehlen von bekannten Todesopfern ist der Journalismus hier in manchen Bereichen noch viel übler. Zum einen, weil es am positiven Ende nichts mit britischen Qualitätsprodukten Vergleichbares gibt, also insbesondere mit dem „Economist“ und – trotz allem – mit BBC-World und BBC-World-Service.

Zum anderen empören die Käuflichkeit, die Bestechlichkeit und die Erpressungsmethoden (Motto: „Wenn Sie nicht inserieren, machen wir Sie medial fertig“) bestimmter Medien und Verleger. Das, was da bei etlichen Boulevardmedien und Wochenprodukten zu beobachten ist, ist übler als alles, was man im westlichen Ausland kennt. Und nicht nur die Faymanns und Stronachs und Berlakovichs, die dafür mit Steuergeld zahlen, sind widerlich, sondern die Erpresser erst recht.

Es gibt in Österreich auch solche „witzigen“ Radioreporter, die sich als etwas Falsches ausgeben, und die dann die hineingefallenen Opfer vor aller Öffentlichkeit lächerlich machen. Auch da ist wieder einmal der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit Ö3 seit Jahren an führender Stelle dabei. Ohne dass sich eines der unzähligen Aufsichtsgremien aufgeregt hätte.

In eine ähnliche Kategorie fallen die vielen Fernsehformate mit versteckter Kamera, die es auf fast allen Sendern immer wieder gibt. Auch in diesen Programmen wird die Hilfsbereitschaft von Menschen ausgenutzt und lächerlich gemacht. Das hat gesellschaftlich diese Hilfsbereitschaft dramatisch reduziert. Denn die meisten Menschen überlegen inzwischen schon bei jeder ungewöhnlichen Situation auf der Straße, ob sie da nicht wieder einmal von „lustigen“ Journalisten hineingelegt werden.

Am widerlichsten ist aber, was da der österreichische Presserat genau in diesen Tagen beschlossen hat: Er hat es ausdrücklich als legitim bezeichnet, wenn Journalisten mit verdeckter Identität recherchieren. Zwar spricht das Gremium von bestimmten Voraussetzungen dieser Legitimität. Nur: Über die entscheiden halt wiederum die Journalisten selber. Die Presserats-Funktionärstypen begreifen nicht: Wer einmal solche Dämme eingerissen hat, wie etwa die journalistische Pflicht zu offenem Visier, der wird die Sturzflut an Jauche nie wieder aufhalten können.

Immer mehr weise Menschen befürchten, dass der demokratische Rechtsstaat in einer tödlichen und vielleicht finalen Krise steckt. Ich hoffe trotz allem noch immer, sie haben nicht recht. Aber unbestreitbar hat der Journalismus und seine Verkommenheit einen großen Anteil an dieser bedrückenden Entwicklung. Wie auch immer sie enden mag.

 Nachträgliche Ergänzung: Absolut fassungslos hat auch der sogenannte Qualitätssender Ö1 gemacht: Dieser hatte in einem Journal-Beitrag (vor dem Selbstmord) den australischen Journalisten zu dem nach Ansicht des ORF gelungenen Fake-Interviews gratuliert. Öffentlich-rechlich halt.

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Die flachen und die steilen Steuern drucken

Was ist gerechter? Eine progressive Steuer, bei der mit steigendem Einkommen ein immer höherer Prozentsatz fällig wird, oder eine Flat tax, bei der immer der gleiche Prozentsatz kassiert wird? Eine ethische Debatte über Gerechtigkeit lässt sich nächtelang führen. Beide Steuermodelle haben manches für sich. Aber zweifellos hat bei uns die progressive Steuer derzeit die höheren moralischen Ebenen für sich. Daher haben wir eben bei der Einkommensteuer eine Progression, daher wird bei vielen anderen scheinbar „flachen“ Steuern durch Freibeträge, durch niedrigere Sätze beispielsweise für Lebensmittel versucht, auch hier die Ärmeren zu bevorzugen und die Reicheren abzukassieren.

Ein kluger Staat würde freilich diese ethische Diskussion nicht führen. Der würde eher rational nachdenken: Was ist einfacher in der Einhebung? Wo gibt es weniger Steuerflucht und Steuerwiderstände? Was ist gut für das nationale BIP? Wo habe ich am Ende genug Einnahmen, um auch sozialen Schutz für alle Familien, Kranken und Alten zu finanzieren? Und da spricht alles für eine einfache und klare Flat tax ohne viele Ausnahmen und Schlupflöcher.

Dieses Prinzip hat sich in osteuropäischen Ländern mit etlichem Erfolg durchgesetzt. Trotz Senkung und Angleichung der Spitzensteuersätze war am Ende mehr in der Staatskasse. Weil die Leistungsträger besser motiviert waren. Weil die Steuerzahler ehrlicher wurden. Und weil es Steuerpflichtige gegeben hat, die ihre Einkommen plötzlich in Flat-tax-Ländern deklariert haben und nicht in „progressiven“ Ländern.

Eine Ausnahme dieser Erfolgsstory ist Ungarn – aber aus ganz anderen Gründen. Dort hat man durch andere neue Steuern und Schikanen begonnen, ganz gezielt Investoren – also vor allem Ausländer – zu schröpfen, um die einheimischen Wähler zu schonen. Diese eigenwillige Erfindung eines nationalen Sozialismus durch eine sonst konservative Regierung musste natürlich Schiffbruch erleiden.

Neben flachen und progressiven Steuern gibt es aber auch noch ein drittes Modell: die Pauschalbesteuerung in etlichen Schweizer Kantonen. Dort zahlt man ab einer gewissen Einkommenhöhe keinen Rappen zusätzlicher Abgaben mehr. Dieses Modell ist eine Hauptursache des Schweizer Reichtums, hat es doch zu einem Zuzug aus der ganzen Welt in diese Teile der Schweiz geführt. Für jeden, der viel zu versteuern hat, ist die Übersiedlung in die Schweiz hochinteressant – und im Gegensatz zum Verstecken von Geldern auf Schweizer Konten völlig legal. Man braucht nur die Zustimmung der betreffenden Gemeinde.

Für viele ist das trotz aller Erfolge ein absolut unmoralisches Modell. Daher ist in Österreich auch ein Finanzexperte gescheitert, der es vorgeschlagen hat – obwohl er eigentlich aus rotem Uradel und der Bank Austria gekommen ist. Gegen den nicht definierbaren Begriff Gerechtigkeit muss bei uns offenbar der Begriff Erfolg immer scheitern.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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SN-Kontroverse: KPÖ-Wahl drucken

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Ist es legitim, die KPÖ zu wählen?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Legitimität und sattelfeste Demokraten

 

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Natürlich ist es legitim, die KPÖ zu wählen. Es handelt sich dabei weder um eine nach dem NS-Gesetz verbotene Partei, noch steht sie, wie es einst Andreas Khol (ÖVP) über die FPÖ gemeint hat, "außerhalb des Verfassungsbogens". Das hat bekanntlich weder Khol noch die ÖVP dran gehindert, im Jahr 2000 eine Koalition mit der FPÖ einzugehen. Wohlgemerkt als drittstärkste Partei.Die Folgen sind bekannt: Wolfgang Schüssel wurde Kanzler und die schwarz-blaue Ära ist in erster Linie ein Fall für die Korruptionsstaatsanwaltschaft. Wobei Khol zugute zu halten ist, dass er Schüssels "Superidee", Karl Heinz Grasser zum ÖVP-Chef zu machen, letztlich verhindert hat.

Dass die KPÖ im steiermärkischen Landtag 2010 zwei Sitze und nun in Graz Platz zwei erobert hat, zeigt, wie sehr das Wahlvolk vom oben geschilderten Spiel angewidert ist. Die "Kummerln" haben in der "grünen Mark" gezeigt, dass Politik anders ausschauen kann. Statt Privatisierungen auf Teufel komm raus, Selbstbereicherung einiger weniger oder dubiosen Beschaffungsvorgängen - Konzentration auf die alltäglichen Probleme der Menschen wie z.B. Wohnungsnot oder Ängste vor dem sozialen Abstieg.

Auf KPÖ-Drängen wurde der Regress bei der Sozialhilfe in der Steiermark abgeschafft; die Fristen für die Entscheidung über Anträge auf Sozialhilfe auf drei Monate verkürzt. Menschen in akuter Not müssen nicht mehr ein halbes Jahr auf die Gewährung von Hilfeleistungen warten. In Graz profilierte sich die KPÖ in erster Linie über den Mieterschutz und die Sanierung von Substandardwohnungen. Ämter und hoch dotierte Positionen scheinen Ernest Kaltenegger & Elke Kahr nicht so wichtig. Die Grazer KPÖ-Chefin meint: "1800 Euro monatlich reichen mir völlig."

Dass sie der ÖVP als stimmenstärkster Partei den Anspruch auf den Bürgermeistersessel nicht streitig macht, weist die KPÖ-Spitzenfrau zudem als sattelfestere Demokratin als Schüssel, Grasser & Co. aus.

 


Völkermord wird salonfähig

 

Andreas Unterberger

 

Der Kommunismus war zusammen mit dem Nationalsozialismus das weitaus übelste Verbrechenssystem der letzten 200 Jahre. Im Schatten eines zwar rhetorisch human klingenden, aber ökonomisch absurden Ideologiegebäudes hat eine Ideologen- und Funktionärs-Clique jahrzehntelang den halben Globus mit ihrem menschenverachtenden Machtsystem überzogen.

Dieses beruhte auf organisiertem Terror und Massenvernichtung ganzer Völker. Ihm sind in Europa und Asien unvorstellbare 80 bis 100 Millionen unschuldiger Menschen zum Opfer gefallen.

In Osteuropa ist das ganze morsche Gebäude vor 23 Jahren in einer tapferen Erhebung der Menschen zusammengebrochen. Aber bis heute werden im Zeichen des Kommunismus in Nordkorea oder Kuba Menschen aus politischen Gründen verfolgt, inhaftiert, ermordet.

Und bis heute muss dort die Bevölkerung darben. China hat wenigstens die skurrilen Wirtschafts-Ideen des Kommunismus entsorgt, was einen steilen Aufstieg ermöglicht. Der Machtterror geht aber auch in China weiter.

Wie kann es da anständige Menschen in Österreich unberührt lassen, wenn in der zweitgrößten Stadt jeder Fünfte eine kommunistische Partei wählt? Diese war ja nicht einmal bereit, sich wenigstens durch eine Namensänderung oberflächlich von den kommunistischen Verbrechen zu distanzieren.

Was für katastrophale Versäumnisse passieren da an Schulen und Universitäten, wenn so vielen Menschen jedes Wissen über den Kommunismus fehlt? Werden dort die enormen Ähnlichkeiten zwischen real existierendem Sozialismus (wie ihn die Kommunisten gerne nannten) und National-Sozialismus verwischt? Welchen ökonomischen Unsinn verbreiten Medien, wenn so viele Menschen ausgerechnet die Wohnungspolitik als Motiv nennen, warum sie KPÖ gewählt haben? Dabei hatte gerade Osteuropas Wohnungsnot das Scheitern des Kommunismus besonders deutlich demonstriert.

 

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Es geht auch ohne Staat! drucken

Der Wohlfahrtsstaat europäischen Zuschnitts befindet sich in einer Krise. Sein durch ständig steigende Steuerlasten und riesige Schuldenberge gekennzeichnetes, unaufhörliches Wachstum, führt zu einer fortschreitenden Belastung der Leistungsträger und schafft völlig falsche Anreize. Dass eine sichere Anstellung im Staatsdienst besonders auf gut ausgebildete, junge Menschen so große Anziehungskraft ausübt, spricht Bände.

Dass sie – anstatt sich für die mit dem Wagnis einer beruflichen Selbständigkeit verbundenen Chancen zu interessieren – scheinbar sichere, unselbständige Erwerbsarbeit vorziehen, ist ein offensichtliches Symptom der Fehlleitung von (humanen) Ressourcen. Wenn eine Gesellschaft so weit (ver-)kommt, dass die Bestgebildeten lieber weisungsgebundene Verwalter als kreative Macher sein wollen, dann ist es um deren Zukunft nicht gut bestellt.

Keines der gegenwärtig artikulierten Reformvorhaben zieht die Segnungen des Wohlfahrtsstaates in Zweifel. Keine der aktuellen Parteineugründungen stellt ein alternatives System zur Diskussion. Nicht einmal eine Neuordnung des Steuersystems (etwa auf Grundlage einer Proportionalsteuer) erscheint derzeit möglich. Dass es zur sozialen Organisation in Gestalt des allsorgenden Gouvernantenstaates, der die Menschen ihrer Freiheit beraubt und zu wohlgenährten Sklaven degradiert, eine plausibel erscheinende Alternative gibt, soll hier anhand einiger grundlegender Überlegungen dargstellt werden.

Das segensreiche Eigentum

In deren Zentrum steht das private Eigentum, dessen rechtmäßiger Erwerb und Schutz. Grund dafür bildet die Erkenntnis, dass letztlich alle bürgerlichen Rechte Eigentumsrechte sind, deren Unantastbarkeit für eine funktionierende soziale Ordnung von entscheidender Bedeutung ist. Die Grundlagen einer staatsfreien Privatrechtsgesellschaft sollen anhand der Gedanken eines der kompromisslosesten und radikalsten Denker im libertären Lager, Hans-Herman Hoppe, erläutert werden. In der Folge wird ein Auszug aus einem am 26. 11. in dem Blog von Freitum.de erschienenen Beitrag über einen aktuellen Vortrag Hoppes in der Freiheitsakademie im Modelhof im ostschweizerischen Müllheim wiedergegeben:

  • Jedes Individuum ist Eigentümer seines eigenen Körpers, alles andere ist Sklaverei.
  • Es gilt die Eigentumsgarantie, jeder hat Anspruch auf das, was er aus naturbelassenem Zustand an sich genommen hat. [„naturbelassener Zustand“ ist jener, in dem noch kein Eigentumsrecht an einer Sache begründet wurde – etwa durch die Inbesitznahme einer bislang unentdeckten Insel. Diese Art der Eigentumsbegründung ist heute – ehe es zu einer Besiedelung des Mondes oder fremder Planeten kommt - nicht mehr von Bedeutung, Anm.]
  • Alle mit seinem Körper und den in naturbelassenem Zustand an sich genommenen Gütern produzierten Güter oder Dienstleistungen sind zudem legitimes Eigentum.
  • Eigentum kann auch durch freiwilligen Tausch entstehen.
  • Alles andere ist Diebstahl.

Die aus ökonomischer Sicht heikle Frage des Gemeineigentums (öffentliche Güter) stellt sich aus oben genannten Regeln nicht, wenn sie streng angewendet werden. Dennoch zeigte Hoppe gekonnt auf, dass bei solchen Gütern nicht immer Harmonie der Interessen bestehen wird und nicht zuletzt eine dadurch entstandene Moral-hazard-Problematik nur durch Eigentum gelöst werden kann.

Steuern sind Diebstahl

Doch wie ist mit Rechtsbrechern vorzugehen, die Eigentum ungerechtfertigt an sich nehmen? Die meisten (minarchistischen) Liberalen beantworten diese Frage mit „Staat“. Nicht so Hoppe. Er zeigt auf, dass der Staat bei allen Konfliktfällen, wo er die letzte Instanz ist, jeweils das letzte Wort hat. Der Staat bestimmt über Recht und Unrecht, insbesondere auch bei Fällen zwischen Privaten und dem Staat (öffentlich-rechtliche Streitfälle). Der Staat als Monopolist der Rechtssprechung kann also Konflikte anstiften und mit seinen Regeln die Leute dazu zwingen, nach seinem Gusto den Konflikt wieder zu lösen.

Dies zum Beispiel im Bereich Diebstahl. Der Staat darf die Bürger durch Steuern bestehlen. Sofern man sich gegen den Fiskus stellen möchte, muss man vor staatliche Gerichte treten, die staatliches Recht anwenden. Der Staat verknüpft geschickt sein Monopol auf Rechtssprechung mit seinem Gewaltmonopol. Denn wird der Diebstahl (Steuern) vom Bürger nicht legitimiert, wird das Geld mittels Gewaltmonopol eingetrieben.

Zumindest die Ökonomen müssten bei der aktuellen Situation des Staates aufschreien, denn diese Wissen, dass Monopole immer schlecht sind. Ein Monopolist ist der Einzige, der etwas darf. Er kann hohe Preise durchsetzen und die Qualität niedrig halten. Monopolisten hassen Wettbewerb. So ist es auch zu erklären, dass Diebstahl verboten ist, denn der Staat hasst Konkurrenz.

Während nahezu allen Ökonomen der Ansicht sind, dass Monopole stets schlecht sind, sind nur ganz wenige der Ansicht, dass auch bei der Produktion von Sicherheit ein Monopol schlecht ist. Hoppe ist einer davon. Der Produzent von Sicherheit (Staat) müsste im Wettbewerb stehen. Schon heute gibt es private Sicherheitsdienstleister, dennoch ist das Gewaltmonopol noch immer beim Staat. Professor Hoppe bezeichnet mit seiner klaren Sprache den Staat als einen „rechtsbrechenden Rechtsschützer und enteignenden Eigentumsschützer“, der die Ausgaben für die Produktion von Sicherheit maximiert, den Output, die Sicherheit, jedoch minimiert.

Schlechte Monarchen werden entfernt, Gauner wiedergewählt

Hoppe bricht mit jeglichem bestehendem Denken. Er ist auch bekannt dafür, dass er die Demokratie in Frage stellt. Dass auch die Demokratie nicht die ideale Staatsform ist, zeigte er mit einem typischen Vergleich auf: Dem Vergleich der Demokratie mit der Monarchie. Dass die Monarchie einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz darstellt, dürfte klar sein. Alle sollen vor dem Gesetze gleich sein, waren es in einer Monarchie jedoch nie. Auf die Monarchie folgte die Demokratie, in der nun plötzlich jeder „König“ werden konnte.

Jedoch werden auch in einem demokratischen System die Bürger unterschiedlich behandelt, nicht zwingend mit persönlichen Privilegien, sondern vielmehr mit funktionellen Privilegien. Öffentliche Leute (Beamten) dürfen stehlen (Steuern), private nicht. „Bei einer Privatperson ist es Stehlen und Geben, beim Staat heißt es dann Sozialpolitik“, so Hoppe. Ohne Zweifel, der Staat ist sehr großzügig beim Geldausgeben – das wären wir auch, wenn wir fremdes Geld ausgeben dürften.

Ein weiteres Problem der Demokratie ist die Kurzfristigkeit. In einer Monarchie ist der König der Eigentümer des Bodens, in einer Demokratie ist der Politiker der temporäre Verwalter. In der Zeit der Legislatur, die meistens vier bis acht Jahre dauert, kann er als Nutznießer möglichst viel aus dem geliehenen Boden (Volk) rausholen. Wäre es sein Eigentum, würde er es nicht derart aussaugen. Die Bürger lassen dies in einer Demokratie zu, denn auch sie könnten einmal vom Sklaven zum Peitscher aufsteigen.

Zudem: Ein König wird per Zufall in die Königsfamilie hineingeboren. Ist er ein guter König, gibt es keine Probleme. Ist er ein schlechter König, wird er von seiner eigenen Familie „entfernt“. Denn diese wird nicht zulassen, dass die Dynastie zerbricht. Keine unsympathische Selektion. In einer Demokratie werden diejenigen Politiker gewählt, die dem Volk am meisten versprechen, am verschwenderischsten fremdes Geld ausgeben. Hoppe nennt dies den „Wettbewerb der Gauner“ und verdeutlicht: „Demokratie fördert die Bildung von üblen Charakteren, es kommen die rauf, die am übelsten sind.“

Nach dieser Einführung in seine konsequente Denkweise zeigte er die Grundzüge einer Privatrechtsgesellschaft auf. Ganz nach der Denkweise aller Wirtschaftswissenschafter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie gibt er zu verstehen, dass er sich niemals anmaßen würde zu wissen, wie eine solche Gesellschaft im Detail aussehen könnte. Er weiß jedoch, dass jegliche Staatsaufgaben von Privaten besser erledigt werden können.

Ausgehend von den oben aufgeführten Grundregeln bezüglich Eigentum zeigte er auf, dass Sicherheit von Privaten besser produziert werden kann. Auch die Rechtssprechung könne von im Wettbewerb stehenden Privaten besser erledigt werden. In einer Privatrechtsgesellschaft sind freiwillige Verträge der Kern der Sache, da kein staatlicher Zwang mehr vorhanden ist. „Der Staat ist ein vertragsloser Zustand – oder haben Sie jemals so etwas wie einen Gesellschaftsvertrag, der Sie zu all Ihren Bürgerpflichten zwingt, unterschrieben?“

Für Libertaristen gibt es so etwas wie einen Rousseau´schen Gesellschaftsvertrag nicht. Auch der „volonté générale“ kann nicht als Legitimation von Macht und Zwang gegenüber mündigen Individuen geltend gemacht werden.

Jeder gehört sich selbst, kollektive Machtausübung gegen den Willen des Individuums ist nicht tolerierbar. Oder denken Sie, dass irgendjemand besser weiß, was für Sie gut ist? Diese auf freiwilligen Verträgen basierende spontane Ordnung (vgl. auch Mises) wäre eine Alternative zum System „Staat“.

Wer zahlt ist sicher

Kein privatrechtlicher Sicherheitsdienstleister kann den Preis fixieren, jedoch keine Leistung garantieren. Niemand würde einen solchen Vertrag unterzeichnen. Der Staat hingegen bestimmt den Preis (Steuern), garantiert jedoch keine Leistung. Mehr noch: Wenn er mal Leistung von dem gestohlenen Geld zurückgibt, dann tut er das mit großem Gebrüll als Ausdruck des „Sozialstaates“.

In einer Privatrechtsgesellschaft würde die Leistung (Sicherheit) definiert werden. Der Preis pro Einheit Sicherheit würde zweifelsohne fallen. Es gäbe keine planwirtschaftliche Unter- oder Überproduktion von Sicherheit, da die Produzenten von Sicherheit im Wettbewerb untereinander stehen. Zudem ist Sicherheit ein Gut, welches mit anderen Gütern konkurriert, denn wenn Sie mehr Geld für Sicherheit ausgeben, haben Sie, unter Annahme von Knappheit hinsichtlich des Gutes „Geld“, weniger Geld für andere Güter übrig. Sie werden also entsprechend Ihren individuellen Präferenzen Sicherheit nachfragen, die einen mehr, die anderen weniger. So kriegt jeder soviel Sicherheit, wie er auch nachfragt und bezahlt nicht für nicht nachgefragte Sicherheit. Eine effiziente Allokation, gerechter geht es nicht.

Gäbe es auf die Produktion von Sicherheit kein staatliches Monopol, so gäbe es auch keine Beamten oder Polizisten, die mittels Ihrer Steuern fürs Nichtstun bezahlt werden. Im System „Staat“ muss ein Polizist keine Verbrecher jagen, denn er kann ja bequem Strafzettel verteilen, bis der Feierabend naht. Zudem werden im Staat die Opfer von Verbrechen nicht entschädigt, schlimmer noch, das Opfer (Bürger) bezahlt mit seinen Steuern ja noch die Unterbringung des Verbrechers.

Ein privatrechtlicher Anbieter von Sicherheit wäre im Gegensatz zum Staat an Prävention sehr interessiert, denn er muss im Schadensfalle bezahlen. Folglich würde er vorbeugende Maßnahmen zur Verbrechensverhütung unterstützen, ein Staat tut so etwas nicht. Er würde auch eher die Diebesbeute zurückführen, denn dann müsste er weniger Schadensersatz bezahlen.

Private Anbieter von Sicherheit wären sogar friedensfördernd, denn eine Privatperson würde keinen großangelegten Krieg gegen andere Völker führen, da sie selbst bezahlen müsste. Die Option von Steuereinnahmen und Geldausweitung über die Zentralbanken zur Kriegsfinanzierung gibt es nicht. Staaten sind viel aggressiver, da die Aggressoren die Kosten nicht selber tragen müssen; das Volk bezahlt die Kosten und die Bürger verlieren unfreiwillig ihren Kopf auf dem Schlachtfeld, nicht die Aggressoren.

Jedem seine Rechtsordnung

Hoppe befasst sich auch mit privaten Rechtssprechern. Diese könnten verschiedene Rechtsnormen anbieten, so könnten Muslime ihr Rechtssystem nachfragen, Juden ihre Rechtssprechung. Bei Konflikten zwischen den jeweiligen Rechten würden unabhängige Schlichtungen entstehen, die ebenfalls in Konkurrenz stehen. Eine universelle, internationale Rechtssprechung würde sich etablieren, richterliches Ermessen auf ein Minimum begrenzt. Wenn diese Schlichtungsstellen scheitern, würden sie in einem nächsten Fall nicht wiedergewählt und verschwinden vom Markt, diejenigen, die im Sinne der beiden Streitparteien schlichteten, werden am Markt bestehen können.
http://www.freitum.de/2012/11/privatrechtsgesellschaft-eine-skizze.html?spref=fb

Der Übergang vom Status quo zur Privatrechtsgesellschaft ist – ohne gewaltsame Ausschreitungen – nur zu schaffen, wenn zuvor einer großen Zahl von Menschen klar wird, dass der Staat kein einziges ihrer Probleme lösen kann, ohne damit zugleich eine Vielzahl neuer Probleme zu schaffen. Ludwig Mises sprach von einer „Interventionsspirale“:

Der Staat selbst ist das Problem! Je größer, desto drückender seine auf den Bürgern ruhende Last. Ein Rückbau des Staates – sowohl hinsichtlich seiner räumlichen Ausdehnung (10.000 Liechtensteins sind besser als eine EU), als auch in Bezug auf seine Regelungskompetenzen, ist anzustreben. Dazu bedarf es weder einer Revolution noch der Anwendung oder Androhung physischer Gewalt. Es reicht eine einzige Einsicht: Wenn wir den Staat nicht umbringen, wird der Staat uns umbringen…

Diese und andere, in erfrischender Weise gegen den Strich gebürstete Gedanken, finden sich in Hoppes im heurigen Jahr erschienen Buch „The Great Fiction“:
http://propertyandfreedom.org/hoppes-new-book-the-great-fiction/

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Marktwirtschaft versus konservative Wirtschaftsauffassung drucken

Der Tagebuchbetreiber teilt Friedrich Romigs wirtschaftstheoretische Vorstellungen über weite Strecken nicht. Denn sie beruhen auf einem völligen Missverständnis von Marktwirtschaft, einem Ignorieren der durch sie erzielten Wohlstandsvermehrung und dem Fehlen jeder Wertschätzung für die Freiheit als zentralem Wert (auch des Christentums). Die liberalen Ökonomen waren auch die einzigen, die von Anfang konsequent die Schulden-Ansammlung in der EU sowie die diversen Rettungspakete kritisiert haben. Romigs Vorstellungen einer durch Stände und Kammern regulierten Ökonomie sind nicht nur im einstigen Ständestaat total gescheitert.
Die begeisterte Zitierung von Linksaußen-Ökonomen wie Kurt Rothschild zeigt trotz Romigs eigentlich konservativ-katholischen Hintergrunds die große Nähe seines Theorieansatzes zu sozialistischem Denken. Dieses war in der Geschichte immer die sichere Garantie für allgemeine Verarmung. Dennoch präsentiert das Tagebuch in der Folge Romigs Text ohne jede weitere Anmerkung, weil er eine konsistente Zusammenfassung einer sonst kaum noch so artikulierten Weltsicht darstellt, weil er jedenfalls als interessante Herausforderung gelten kann, und weil Mainstream-Medien solchen Sichtweisen keinerlei Artikulations-Chancen bieten. (a.u.)

„Marktwirtschaft" ist ein Kind des Liberalismus, Liberalismus ein Kind der Aufklärung.[i] Das Projekt der Aufklärung ist die Lostrennung („Emanzipation") des Menschen von Gott und schließlich von jeglicher Autorität unter Rekurs auf die als „mündig" angenommene einzelmenschliche Vernunft[ii].

Was eigentlich ist „Marktwirtschaft"?

Die auf sich selbst gestellte („autonome") menschliche Vernunft, die sich nicht mehr als Manifestation des göttlichen Logos versteht, muss ihr Prinzip in sich selbst finden, um auf die Frage, was vernünftig sei, antworten zu können. Wir bezeichnen das als „Rationalismus"[iii].

Vernünftig, „rational" ist für den Rationalismus zuletzt nur das, was Lust verschafft (die Nationalökonomen nennen es „Nutzen", „Bedürfnisbefriedigung", „Ertrag", „Wohlfahrt") und Unlust (Missnutzen oder „Disutility", „Mühe", „Arbeit", „Aufwand", „Kosten") meidet[iv]. Das handlungsbestimmende Prinzip der Vernunft ist nach rationalistischer Auffassung das ökonomische Kalkül von „pleasure and pain“, „utility and disutility", „Nutzen und Aufwand", „Ertrag und Kosten"[v].

Insoweit der Mensch rational handelt – und nur dann handelt er als „aufgeklärter" Mensch, als animal rationale – ist er homo oeconomicus. Sein ganzes Dichten und Trachten, alles was er tut, zielt auf Lustgewinn („Profit") sowie auf den Erwerb von äußerem Reichtum und Macht ab, die beiden Mittel, um sich jeden Wunsch zu erfüllen („Macht ist Münze"). Genau das sind denn auch die Antriebsmotive der „Marktwirtschaft": „Die Gier nach Profit und das Verlangen nach Macht"[vi].

Das Streben des Einzelnen nach Profit (Lustgewinn, Reichtum) und Macht, stößt auf das gleichartige Streben der Mitmenschen, d. h. auf Konkurrenz. Sie ist das regulative Prinzip, welches das Verhältnis der Menschen zueinander bestimmt, und der Markt der „Ort", auf dem der Wettbewerb ausgetragen wird. „Marktwirtschaft" wird daher häufig mit „Wettbewerbswirtschaft" gleichgesetzt.

Wettbewerb (z.B. im Sport) bezweckt Auslese der Besten nach Regeln oder Normen. Solche (Spiel-)Regeln oder Normen „organisieren" den Wettbewerb („die Wettbewerbsveranstaltung") und bestimmen, wer beim Wettbewerb auf Grund seiner alle anderen Konkurrenten überragenden Leistung („Performance") als Sieger gelten und als der Tüchtigste („Beste", „Stärkste", „Schnellste") den Siegespreis erhalten soll. Auf dieser Idee des Wettbewerbs beruht die der „Marktwirtschaft" zugeschriebene Leistung oder „Funktion", das Hauptproblem der Nationalökonomie, die „Allokation knapper Ressourcen", optimal zu lösen.

Die Ressourcen wandern zum „besten Wirt", zu den tüchtigsten Unternehmen, zu den kaufkräftigsten Käufern, zu den „Orten" des höchsten Ertrages (z.  B.  Kapital in die Länder mit dem höchsten Realzinsniveau) – allerdings nur unter einer Voraussetzung: Die Auslese der Besten und die Wanderung der Ressourcen dürfen nicht gestört, der Wettbewerb nicht „verzerrt", in den Markt nicht „eingegriffen" werden. Jedenfalls nicht anders als mit „marktkonformen" oder „wettbewerbsneutralen" Mitteln. Der  Markt soll „frei" sein. Nur wenn Markt und Wettbewerb sich selbst überlassen bleiben, können sie ihre „Selbstregulierungsfunktion" erfüllen. „Marktwirtschaft" ist daher politisch immer mit der Forderung nach „Laissez faire", und durch sie mit dem Liberalismus verbunden. „Der Markt braucht keinen Meister", hier wirkt der Automatismus der „Selbstorganisation", die „spontane Ordnung" (F. A. v. Hayek), die „invisible hand" (A.  Smith). Einzig die Spielregeln und Normen, unter denen der Wettbewerb stattfinden und seine Auslesefunktion erfüllen soll, sind festzulegen.

Wettbewerb ist Krieg

Wie im sportlichen Wettbewerb, so gibt es auch in der wirtschaftlichen Konkurrenz Sieger und Besiegte, in der Wirtschaft jedoch u. U. mit fatalen Konsequenzen für den Unterlegenen. In der Marktwirtschaft – und das ist der Sinn des Wettbewerbs als Ausleseveranstaltung – soll der Unterlegene auf dem Markt nicht zum Zuge kommen, er soll vom Markt verdrängt und ferngehalten werden. Marktwirtschaftlicher Wettbewerb ist daher immer Verdrängungswettbewerb, Kampf um Marktanteile und Marktkontrolle (insbesondere auch der Marktzugangskontrolle).

Als Verdrängungswettbewerb tendiert Wettbewerb dazu, sich selbst aufzuheben, d.h.: Er tendiert zum Monopol. Wettbewerb ist Kampf ums Monopol, um Vorzugsstellungen, um Kontroll- und Machtpositionen, ähnlich wie in der Parteiendemokratie. Sie ist das politische Korrelat zur „Marktwirtschaft".[vii]  Die moderne Industriegesellschaft stellt sich dem Betrachter denn auch in der Tat als eine „Welt von Monopolen"[viii] dar, die, wenn nicht gerade Waffenstillstand (z. B. auf Grund von Kartellvereinbarungen) zwischen einigen von ihnen herrscht, sich alle gegenseitig bekriegen und unter ihre Kontrolle bringen wollen.

Kriege, so wissen wir aus Erfahrung, werden durch (Unternehmens-) Strategien, Ausrüstungen (Waffen, Munition, logistische Einrichtungen), (Mitarbeiter-) Truppen und Kampfgeist („Motivation", Begeisterung, „Identity") entschieden. Militärische Termini haben seit langem Einzug in die Hörsäle, Lehrbücher und Führungskader der Wirtschaft gehalten.  Kein Wunder, dass da einer der klügsten Nationalökonomen seinen Studenten empfohlen hat, Clausewitz' „Vom Kriege" zu studieren[ix]. Was sie dort lernen würden: Strategie, Aufmarschplanung, Angriff, Überraschung, Umgehung, Tarnung, Täuschung, Umzingelung, Einkesselung, Grabenkampf, Belagerung, Zermürbung, Ausfall, Rückzug etc., das alles sei viel realitätsnäher als alle ökonomischen Modelle und Theoreme.

Die theoretische Form, in der sich die „soziale Marktwirtschaft" heute darstellt, ist die „Neoklassik". Das Überraschende nun ist – und deshalb ist K. W. Rothschild rückhaltlos zuzustimmen – dass es kein einziges mikro- oder makroökonomisches neoklassisches Grundtheorem gibt, das modernen wissenschaftstheoretischen Ansprüchen sowohl in logischer wie empirischer Hinsicht genügen würde und die erforderlichen Tests bestanden hätte. Kein einziges! Mit anderen Worten: Es gibt kein einziges „ökonomisches Gesetz", dessen kausal-mechanische Eindeutigkeit empirisch bewiesen wäre. Was wir heute in der neoklassisch ausgerichteten Nationalökonomie betreiben, ist im Wesentlichen „angewandte Mathematik" oder, wie H. Albert den Nationalökonomen spöttisch vorhielt, „Modellplatonismus"[x], Modellschreinerei ohne Realitätsbezug[xi].

Markt, Angebot und Nachfrage gibt es nicht

Das viel berufene „Gesetz von Angebot und Nachfrage" zur Bestimmung der Preise erwies sich als Tautologie.[xii] In der Praxis gibt es keine Angebots- und Nachfragekurven (in deren Schnittpunkt der Preis zu finden ist).  Die Unternehmer (Anbieter) können nicht einmal die Frage beantworten, was denn eigentlich ihr Produkt tatsächlich „kostet".[xiii] Die Kostenrechnungen und Kalkulationssysteme, die man ihnen einredete, brachten Resultate hervor, die eine „Mischung aus viel Dichtung und wenig Wahrheit"[xiv] darstellen, geeignet, „jenen Preis zu rechtfertigen, der erzielbar ist".[xv]

Die „Gesetze über die Zu- oder Abnahme der Grenzrate der Substitution", mit denen die Theorie erklärt, wie Verbraucher sich verhalten und Haushalte ihre Budgets verwalten, lösten bei den Betroffenen (Hausfrauen, Konsumenten), je nach dem Grade des Verständnisses, erstauntes Kopfschütteln oder Lachkrämpfe aus. Am Ende mussten selbst die Neoklassiker die Idee einer geschlossenen Preistheorie aufgeben und zugestehen, dass die von ihnen aufgestellten „Marktgesetze" nicht ausreichen, um das Zustandekommen von Preisen zu erklären.[xvi]

Und dann verloren sie auch gleich noch den Marktbegriff, sie konnten ihn nicht mehr definieren! Sie hatten den einen „Markt" solange in Teil- und Elementenmärkte zerlegt, bis er sich verflüchtigte und nur noch „Verhaltensweisen" und „individuelle Kundenbeziehungen" übrig blieben. Schon vor rund fünfzig Jahren kam von einem mit neoklassischen Methoden arbeitenden Nationalökonomen daher die Empfehlung, „den Marktbegriff nicht mehr zu verwenden".[xvii] Er ist nichts als ein flatus vocis.

„Marktwirtschaft" ohne „Markt"? Wo sollten da die Marktgesetze herkommen, auf die man sich immer berief, wenn Betriebe geschlossen und Arbeiter auf die Straße geworfen wurden? Denn das Problem, das sie zu lösen versprach, das Problem der Arbeitslosigkeit, diese Geißel des Kapitalismus, bekam die neoklassische Theorie und „Synthese" nie in den Griff. Der Keynes'schen Revolution ging der Atem aus.

Die Theorie zur Bestimmung des Volkseinkommens und der Beschäftigung durch Sparen und Investieren erwies sich als eine „metaphysische Konzeption".[xviii]  Die Annahmen über die „Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals", den „Hang zum Verbrauch" und die „Liquiditätsvorliebe" waren nichts als „Catchwords", welche die unverantwortliche Ausweitung der Budgetdefizite begründen halfen. Sie fachten die Inflation an,  versteinerten die Strukturen und schwächten die Wettbewerbsfähigkeit. Als man damit auch die Arbeitslosigkeit nicht mehr in den Griff bekam, ließ man die Keynes'sche Theorie fallen.

Politiker kamen ans Ruder, welche die „Sanierung" der Budgets versprachen, und versatile Ökonomen aus dem klassischen Lager, die „Monetaristen", sprangen ihnen bei, die ihnen ein altes Museumsstück, die „Quantitätstheorie des Geldes", frisch abgestaubt und hochglanzpoliert, als Neuheit verkauften. Jetzt waren „schlanker Staat", Privatisierung und Deregulierung angesagt. Das Problem der Arbeitslosigkeit ließ sich damit zwar auch nicht lösen, aber die Schuld daran konnte man wenigstens auf die Vorgänger im politischen Amte abschieben, die keinen budgetären „Spiel"raum für Ankurbelungsmaßnahmen übrig gelassen hatten. Wirtschaftspolitik pendelte zwischen „Gas geben" und „Bremsen".

Der Leser, der bis hierher durchgehalten hat und Bilanz zieht, wird sich fragen, was denn das Ganze soll? Eine Theorie ohne Praxisrelevanz? „Gesetze" ohne Beweis?  Begriffe ohne Substanz? Was wird denn dann mit dieser Worthülse „Marktwirtschaft" bezweckt?

Die Antwort klingt, als würde sie aus der linken Suppenküche kommen:

„Marktwirtschaft" ist Ideologie! Ihr Zweck ist die Verschleierung und Verdeckung von Machtpositionen, Machterwerb, Machtkämpfen, Machtsicherung, Machtkontrolle. Sie soll das Nachdenken darüber ausschließen oder ablenken, wie die moderne Industriegesellschaft tatsächlich funktioniert, wie, durch wen und zu wessen Gunsten sie motiviert und kontrolliert wird. Kommt Kritik dennoch auf, so wird sie unter Hinweis auf „Selbstregulierung" und „Laissez faire", auf „Sachzwänge" und „Globalisierung", auf „Gemeinsamen Markt" und „internationale Vereinbarungen" abgetan.  Statt angesichts der schrecklichen Verwüstungen unserer Umwelt politisch zu handeln, wird das „Laissez faire" zur Maxime der Politik. Die Berufung auf die sich selbst regulierenden „Marktgesetze" ist Ausdruck der Resignation der classe politique vor einer Entwicklung in Gesellschaft und Wirtschaft, die sie selbst in Szene gesetzt hat.

Kennzeichnend für diese Entwicklung zur modernen Industriegesellschaft ist die totale Verschmelzung von Großindustrie, Geschäft, Rüstung, Forschung, Technik, Massenproduktion, -konsum, -unterhaltung, -kommunikation, -manipulation, Staatsbürokratie und Politik.[xix] Das gesamte Ausbildungs- und Erziehungssystem des „Produktionsfaktors" Mensch ist auf die Bedürfnisse der Großindustrie abgestellt. Die Großforschung, inzwischen selbst zu einer Industrie geworden, wird vom Staat unterhalten: Elektronik, Weltraumfähren, Satellitenkommunikation, Atomforschung, Genforschung, sie alle sind „social costs of private enterprise". Die Industriegesellschaft dient nicht den Bedürfnissen des Menschen, sondern ihren eigenen Bedürfnissen. Ihre Rationalität manifestiert sich in ihren höchsten Formen in der Destruktion („Atomgesellschaft"), in der Verschwendung („Gesellschaft im Überfluss") und in der Verdinglichung des Menschen („Entfremdung").[xx]

Das Verdikt Pius XI.

Die moderne Dreifaltigkeit von Naturwissenschaft, Technik und Industrie – Erwin Chargaff macht hierauf wiederholt aufmerksam – arbeitet mit immer größerer Beschleunigung („Wachstumsraten") an der Zerstörung der Welt. Die liberalkapitalistische „Marktwirtschaft" und die mit ihr verbundene neoklassische Theorie sind nichts anderes als der ideologische Überbau für die „Struktur der Sünde", wie Johannes Paul II. sie klarsichtig benennt. Die Verbrämung der „Marktwirtschaft" mit „sozialen" oder „ökologischen" Attributen ändert nichts an diesem  harten Verdikt. Es ist so gültig wie jenes, das Pius XI. vor 80 Jahren mit einer Prägnanz ausgesprochen hat, die erschauern lässt:

„Das ist ja der Grundirrtum der individualistischen (= neoklassischen, F. R.) Wirtschaftswissenschaft, aus dem alle Einzelirrtümer sich ableiten: in Vergessenheit oder Verkennung der sittlichen Natur der Wirtschaft glaubte sie, die öffentliche Gewalt habe gegenüber der Wirtschaft nichts anderes zu tun, als sie frei und ungehindert sich selbst zu überlassen (= Laissez faire.  F. R.); im Markte, das heißt im freien Wettbewerb besitze diese ja ihr regulatives Prinzip… Die Wettbewerbsfreiheit – obwohl innerhalb der gehörigen Grenzen berechtigt und von zweifellosem Nutzen – kann aber unmöglich regulatives Prinzip der Wirtschaft sein.

Die Erfahrung hat dies, nachdem die verderblichen individualistischen Theorien in die Praxis umgesetzt wurden, bis zum Übermaß bestätigt … Am auffallendsten ist heute die geradezu ungeheure Zusammenballung nicht nur an Kapital, sondern an Macht und wirtschaftlicher Herrschgewalt … Zur Ungeheuerlichkeit wächst diese Vermachtung der Wirtschaft sich aus bei denjenigen, die als Beherrscher und Lenker des Finanzkapitals unbeschränkte Verfügung haben über den Kredit und seine Verteilung nach ihrem Willen bestimmen. Mit dem Kredit beherrschen sie den Blutkreislauf des ganzen Wirtschaftskörpers; das Lebenselement der Wirtschaft ist derart unter ihrer Faust, dass niemand gegen ihr Geheiß auch nur zu atmen wagen kann.

Diese Zusammenballung von Macht, das natürliche Ergebnis einer grundsätzlichen zügellosen Konkurrenzfreiheit, die nicht anders als mit dem Überleben des Stärkeren – das ist allzu oft des Gewalttätigeren und Gewissenloseren – enden kann, ist das Eigentümliche der jüngsten Entwicklungen.

Solch gehäufte Macht führt ihrerseits wieder zum Kampf um die Macht, zu einem dreifachen Kampf: Zum Kampf um die Macht innerhalb der Wirtschaft selbst; zum Kampf sodann um die Macht über den Staat, der selbst als Machtfaktor in dem Interessenkampf eingesetzt werden soll; zum Machtkampf endlich der Staaten untereinander … (= Imperialismus, F. R.) … Der freie Wettbewerb hat zu seiner Selbstaufhebung geführt; an die Stelle der freien Marktwirtschaft trat die Vermachtung der Wirtschaft; das Gewinnstreben steigerte sich zum zügellosen Machtstreben. Dadurch kam in das ganze Wirtschaftsleben eine Grausen erregende Härte".[xxi]

Kein Kommunist, so meinte Maurice Thorez in seiner historischen Ansprache vom 26.  Oktober 1937, habe den „Wirtschaftsliberalismus" je so heftig kritisiert wie Pius XI.[xxii]

Die Konservative Wirtschaftsauffassung

Für die konservative Auffassung ist Wirtschaft „Leistungsgemeinschaft" im Dienste der Gesellschaft, genauer noch „ein Gebäude rangordnungsmäßig gegliederter Leistungen von Mitteln für Ziele".[xxiii] Diesem Begriff zufolge unterscheidet konservative Wirtschaftstheorie:

  1. Die der Wirtschaft von der Gesellschaft vorgegebenen Ziele, zu deren Erreichung die von der Wirtschaft bereitzustellenden Mittel notwendig sind. Zu diesen Mitteln gehören nicht nur solche, welche die „Bedürfnisse" der einzelnen Menschen („Konsumenten") „befriedigen" (z.B. Nahrung, Kleidung, Wohnung), sondern auch Weltraumfähren, SDI (Raketenabwehr-)-Systeme, Atomraketen, Neutronenbeschleuniger zur Erzeugung von Nobelpreisen, Gefängnisse, Kirchengebäude, Wasserwerfer der Polizei, Überwachungssysteme bei Grenzübertrittsstellen; Güter also, die von der neoklassischen Theorie in der Regel ausgeklammert werden.  Welche Mittel bereitzustellen sind, darüber entscheidet nicht die „Wirtschaft", sondern die Gesellschaft in ihren der Wirtschaft vorgeordneten „Kultursachbereichen" (mit ihren „Haushalten" und „Budgets").
  2. Die Leistungsarten oder Funktionen: Organisatorische Leistungen (Wirtschaftssystem, Wirtschaftsverfassung, Wirtschaftsordnung, Wirtschaftsrecht, Besteuerungssystem, Geld-, Währungs- und Kreditsystem), Vorleistungen (Erfinden und Lehren), Hervorbringungsleistungen (Kreditschöpfung und Kreditgewährung, Handel, Lagerhaltung, Transport, Erzeugung, Schadensverhütung und Versicherung).
  3. Die Leistungsgebilde oder Sozialwirtschaftsstufen, die jeweils alle Leistungsarten in spezifischer Weise darstellen oder „ausgliedern" (Weltwirtschaft, Großraumwirtschaft, Volkswirtschaft, Regionalwirtschaft, Verbandswirtschaft, Betriebswirtschaft, Hauswirtschaft).
  4. Die Leistungs- oder Wirtschaftsgrundlagen: Der Mensch als Verrichtungsträger, die Natur (Boden, Bodenschätze, Wald, Wasser, Pflanzen- und Tierarten, Mikro- und Makroklima), Wissenschaft und Technik
  5. Die Leistungsgrößen, Leistungs„werte" oder Preise
  6. Die Vorrangverhältnisse, insbesondere der Vorrang der Ziele vor den Mitteln, der Mittel vor den Leistungsgrundlagen, der höheren Leistungen und Wirtschaftsstufen vor den niedrigeren, der Leistungen vor den Leistungsgrößen.
  7. Die Wirtschaftspolitik als Inbegriff von organisatorischen Maßnahmen zur Umbildung der Wirtschaft zwecks Effizienzsteigerung oder Festigung der Gesellschaft.

Nach ihren grundsätzlichen Absichten („Schlüsselbegriffen"), ist konservative Wirtschaftspolitik: Wirtschaftsausbaupolitik (z.B. Entwicklungspolitik, „Vollbeschäftigungspolitik"), Dezentralisationspolitik (z.B. Großstadtauflockerungspolitik); Struktur(krisen)politik, Stabilisierungspolitik (z.B. Konjunkturpolitik); Kreativitäts(anregungs)politik (z.B. Innovationspolitik).

Konservative Ordnungspolitik erschöpft sich nicht in Wettbewerbspolitik oder Marktordnung: Im Vordergrund steht nicht die „Konkurrenz", sondern die Förderung der Zusammenarbeit oder „Kooperation" der einzelnen Wirtschaftsgebilde nach den Prinzipien Selbsthilfe (solidarische Hilfe), Selbstverwaltung (Subsidiarität) und Gemeinwohlwahrung (Gesamtwohlfahrt, bonum commune, sittliche Bindung). Ihr regulatives Prinzip ist nicht die Konkurrenz, sondern die Gerechtigkeit (Angemessenheit, Entsprechung, iustitia commutativa et distributiva).[xxiv]

Durch die Politik der Zusammenarbeit wird die Wirtschaft „formiert" oder „durchorganisiert", d.h. verbandlich gegliedert. Je kräftiger die Verbände entfaltet und hierarchisch gegliedert sind, desto besser funktioniert die Selbstverwaltung, der Interessenausgleich zwischen den Verbänden und die Zusammenarbeit mit dem Staat.

Verband schluckt Staat

Der Staat kann sich auf seine eigentlichen Hoheitsaufgaben zurückziehen und die wirtschafts- und sozialpolitischen Angelegenheiten der (sozial-)partnerschaftlichen Regelung der Wirtschaftsverbände weitestgehend überlassen, die, im Gegensatz zur Staats- und EU-Bürokratie, den zu solchen Regelungen gemeinsamer Angelegenheiten notwendigen Sachverstand besitzen. Hoheitliche Eingriffe sind dann nur erforderlich, wenn der Interessenausgleich versagt oder das Gemeinwohl verletzt wird.

Je nach geschichtlicher Situation wurden von praktisch allen westlichen Industriestaaten ordnungspolitische Maßnahmen gesetzt und Einrichtungen geschaffen, durch welche die gemeinwohlorientierte Verbandsbildung angetrieben und die Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft verbessert und geregelt wurde.

Erinnert sei hier nur an den „Reichswirtschaftsrat" der Weimarer Republik (wegen seiner Zusammensetzung ein Fehlschlag), an die heutige relativ geordnete „Repräsentation organisierter Interessen" in der BRD, an das schweizerische „Vernehmlassungsverfahren" und die „Friedensabkommen", an die österreichische „Sozialpartnerschaft", an den „Sozialökonomischen Rat" in den Niederlanden, an die „Planification a la franVaise", an die „Camera Corporativo" in Portugal (unter Salazar eingerichtet), an das wenig nachahmenswerte System des „Lobbying" in den USA, das jedoch ergänzt wird durch die „Hearings".

Immerhin zeigen diese wie auch andere, zum Teil äußerst erfolgreichen Ansätze, dass kein Staat allein auf den „Marktmechanismus" vertraut. Allzu viele Wahlmöglichkeiten hat der Staat ja heute nicht mehr: Entweder überlässt er die Kontrolle des „Marktes" den Großunternehmungen mit allen Nachteilen für das Gemeinwohl, die im ersten Abschnitt beschrieben wurden; oder er kommt seiner Gemeinwohlaufgabe nach und fördert die gemeinwohlorientierte Verbandsbildung nach den oben beschriebenen Prinzipien. Die dritte Möglichkeit: Sozialisierung und zentrale Planung, wird nach dem Scheitern der realsozialistischen Experimente heute ja kaum noch jemand in Betracht ziehen.

Die neoklassische Theorie hat zu den Verbänden und ihren Funktionen praktisch keinen Zugang.  Für sie sind Verbände Träger von privater Macht, welche die Märkte kontrollieren und die Konkurrenz fernhalten wollen (also Kartelle oder Monopole). Um ihr Ideal von der möglichst vollständigen Konkurrenz- und Marktfreiheit durchsetzen zu können, würden die Vertreter der Neoklassik daher am liebsten alle Verbände auflösen, womöglich auch die Gewerkschaften. Alles, was sie damit erreichen, ist die Kontrolle der Märkte durch jene Mammutunternehmungen, die übrig bleiben, wenn die Konkurrenz ihre Auslesefunktion erfüllt hat.

Die Ziele konservativer Wirtschaft

Jede Gesellschaft ist umso lebendiger und reicher, je mehr die kleinen Gemeinschaften und Verbände entwickelt und differenziert sind. Daher Dezentralisationspolitik, Auflockerung, Betonung der Unterschiedlichkeit, „Spezifizität" statt Gleichheit und Uniformierung.  Daraus ergibt sich als anzustrebendes Bild konservativer Wirtschaft:

  1. Humane Arbeits- und Konsumwelt: Förderung von Klein- und Mittelbetrieben („small is beautiful"), Dezentralisation von Großbetrieben (Werkaussiedelung, Gruppenarbeit, Vollfertigung statt Fließbandarbeit, Automation zwecks Entlastung von stumpfsinniger Repetitivarbeit), Förderung gediegener, gesunder und dauerhafter Produkte und des persönlich geprägten Bedarfes, Zurückdrängung der Massenproduktion und Massenunterhaltung, des Massentourismus etc.
  2. Humane Wohnwelt: Förderung der Großstadtauflockerung, Eigenheim- und Gartenstadtbewegung, Zurückdrängung der Mietskasernen und Slums, Förderung der Nachbarschafts-, Dorf-, Bezirks- und Heimatkultur.
  3. Bändigung von Wissenschaft und Technik: Auflösung der militärisch-technisch-industriellen Superstrukturen, Förderung naturnaher und humaner Wirtschaftstechniken, regenerativer Kreisläufe, intermediärer Techniken.
  4. Schutz der Natur, sorgfältiger Umgang mit den Naturgrundlagen; Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit, Schonung der Bodenschätze und Energiereserven, Bekämpfung des Waldsterbens und der Großrodungen, Reinhaltung der  Seen, Flüsse, Meere und Grundwasserreserven; Erhaltung der Tier- und Pflanzenarten, naturnahe Züchtungsmethoden, tiernahe Stallhaltung, Bekämpfung der Klimaverschlechterungen (Ozonbelastung, Treibhauseffekt) und der Luftverschmutzung.
  5. Umfassende Förderung der Zusammenarbeit auf allen Ebenen (betrieblich, regional, national, international), zwischen allen Leistungsträgern, Klassen und Schichten, ihren Verbänden und Vertretungen. Zurückdrängung der überbordenden Konkurrenz, des Klassenkampfes, der Interessenkonflikte, der Machtkonzentrationen, des Wirtschaftsimperialismus.
  6. Zusammenwachsen und „Formierung" der Verbände zu einem ideellen „Wirtschaftskörper", der die gegenseitige Abhängigkeit und Aufeinanderangewiesenheit aller am Wirtschaftsleben partizipierenden Glieder bewusst, überschaubar und gestaltbar macht und hierbei Eigeninitiative (Selbsthilfe, Eigenvorsorge, Privateigentum) und Selbstverwaltung (Selbstbestimmung, Freiheit) mit Gemeinwohlorientierung (Sozialprinzip) verbindet.

Die Bausteine aus der Tradition

Die Tradition der konservativen Wirtschaftsauffassung[xxv] reicht bis in die Antike zurück. Sie hat ihre Vertreter und Schulen in jeder geistesgeschichtlichen Epoche und findet in der Gegenwart immer mehr Freunde. Die Beiträge von tausenden Verfassern müssten genannt werden, doch mögen hier einige Andeutungen genügen:

Grundlegend ist Platons „Staat" mit seiner Lehre von der Einheit oder Ganzheit der Seinsordnung, Staatsordnung (= Ständeordnung) und Tugendordnung.
Die Summen des Hl. Thomas v. Aquin mit ihrer Lehre vom  „gerechten Preis" und der Güterlehre. Auf Thomas fußt weitgehend die Katholische Soziallehre mit den Enzykliken der Päpste.
Fichtes „Geschlossener Handelsstaat", der in seiner Stringenz den Gegensatz der konservativen Auffassung zur „offenen" oder „freien" Markt- oder Konkurrenzwirtschaft ganz deutlich macht.
Adam Müllers „Elemente der Staatskunst" mit ihrer Lehre vom „idealischen" oder geistigen Kapital der Nation.
Friedrich Lists „Nationales System der politischen Ökonomie" mit der für alle Wirtschaftspolitik bis heute unverlierbaren „Lehre von den produktiven Kräften".
Die ältere und jüngere historische Schule (Roscher, Knies, Hildebrand, Schmoller) mit ihrer Abkehr von jedem Modelldenken und der Betonung des „geschichtlichen Wachstums der Ordnungen" in Abwehr konstruktivistischer und funktionalistischer Ordnungsversuche der Wirtschaft.
Die soziologische Richtung der Nationalökonomie mit Werner Sombart und Max Weber, an der Spitze Othmar Spanns und Walter Heinrichs „universalistische" oder „ganzheitliche" Schule, die das am gründlichsten durch gearbeitete System der konservativen Wirtschaftstheorie bisher geliefert hat.
Die „institutionelle" Richtung, die vor allem in den USA vertreten ist (Th. Veblen, J. K. Galbraith).
Die auf J. M. Keynes zurückgehende, jedoch weiterentwickelte „strukturanalytische" Schule mit ihrer Input-Output-Rechnung (W. Leontief).
Die kulturmorphologische Schule (E. Egner, B. Laum, F. Perroux), die grundlegende Einsichten in nichtmonetäre Transaktionen (Stichwort: „Schenkende Wirtschaft") gebracht hat.
Die ökologische Richtung mit der Lehre von den „sozialen Kosten" (W. K. Kapp). Die „gemeinwirtschaftliche Schule" mit der Untersuchung von Kommunalbetrieben (G. Weisser, H. Ritschl).
Die "Raumwirtschaftslehre" mit ihrer Betonung von Standortfaktoren und „zentralen Orten" (A.  Lösch).

Ganz allgemein lässt sich sagen, dass Autoren, die sich intensiv mit Spezialfragen und wirtschaftspolitischen Problemen befassen (z. B. Internationale Organisationen, Währungs- und Kreditpolitik, Agrarpolitik, Marketing, Unternehmungsführung, Haushaltswirtschaft usw.), allein schon vom Sachgehalt ihrer Arbeiten her, sich vielfach konservativen Auffassungen nähern. So verfügt etwa die Betriebswirtschaftslehre über ihre eigene konservative Tradition, die sie heute ganz bewusst und mit äußerster Schärfe der auf der neoklassischen Mikroökonomie fußenden Privatwirtschaftslehre (E. Gutenberg) gegenüberstellt (H.  Nicklisch, K. Oberparleiter, E. Schäfer, F. Schönpflug, J. Kolbinger, R. Fürst, R.-B. Schmidt, H. Ulrich, H. A. Simon). Ähnliches ließe sich wohl aus jedem Teilgebiet der Wirtschaftswissenschaft berichten.

Paradigmenwechsel?

Durch ihre ganz bewusste Unterordnung unter die geistig-kulturell-sittlichen Dimensionen der Gesellschaft stellt sich die konservative Wirtschaftsauffassung der wichtigsten Aufgabe unserer Zeit: Der „Versittlichung" von Wirtschaft und Gesellschaft oder, um es mit den Worten von Johannes Paul II. auszudrücken, der „Überwindung der Strukturen der Sünde", zu denen der Liberalismus und die liberalkapitalistische Marktwirtschaft samt der sie begleitenden neoklassischen Theorie zweifellos gehören[xxvi].

Im Westen ist sie weithin herrschend geworden, ihre geistigen Wurzeln hat diese Struktur in der Aufklärungsphilosophie. Auf den Denkeinstellungen der „Aufklärung" (Verneinung der Transzendenz, Nichtunterscheidung von Sein und Seiendem, Ablehnung jeder Metaphysik), ihren Denkmustern (Individualismus, Hedonismus, Utilitarismus, Rationalismus) und ihren Denkmethoden (naturwissenschaftlich-technisch-mathematisches Verfahren –Positivismus, kritischer Rationalismus) beruht die „Krise der Neuzeit"[xxvii] mit ihren geradezu lebensbedrohenden Zerstörungen und reduzierten Zukunftserwartungen.[xxviii]

In der Entwicklung der Wirtschaftswissenschaft sind es vier Momente, die auf eine Ablösung der liberalkapitalistischen Marktwirtschaftstheorie hoffen lassen:

  1. Die ganzheitliche Sicht: Es besteht heute in der Theorie ein Zug zur Totalanalyse, zur Erfassung der allseitigen („interdependenten") Bezogenheit aller Einzelerscheinungen und Nebenerscheinungen des wirtschaftlichen Prozesses, so heute vor allem die Beachtung ökologischer, landschaftlicher, sozio-kultureller und technischer Aspekte und Folgen von wirtschaftlichen Projekten und Entscheidungen.
  2. Die Bildung „ganzheitlicher" Institutionen: Schon durch ihre Zusammensetzung schaffen sie die Voraussetzung dafür, dass Projekte oder wirtschaftspolitische Maßnahmen nach allen Seiten und Interessengesichtspunkten hin abgewogen werden (sozialökonomische Räte, sozialpartnerschaftliche Beiräte, Kammern, Körperschaften öffentlichen Rechts usw.)
  3. Die Entwicklung ganzheitlicher Methoden der Wirtschaftsanalyse: Der Bedarf dieser Institutionen wie auch die ganzheitliche Sicht fordern Methoden, die den All-Zusammenhang der einzelnen Wirtschaftszweige und Haushalte sichtbar und die quantitativen Wirkungen von Maßnahmen der Wirtschaftspolitik abschätzbar machen (Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Systemanalysen, Input-Output-Tabellen u.a m.)[xxix]
  4. Die Abwertung des Ökonomischen: Es treten heute immer mehr Bewegungen auf, welche die Ansprüche der „Industriegesellschaft" in die Schranken weisen (Naturschutz, Greenpeace, biologisch-dynamischer Land- und Gartenbau, Gartenstadtbewegung, Aktion ziviler Ungehorsam, Besetzung von Kraftwerksbaugelände, Verhinderung von Straßenprojekten, Bürgerinitiativen u.v.a.). Solche Bewegungen sind Symptome dafür, dass immaterielle, soziale und kulturelle Werte wie Gesundheit, Lebensqualität, „Selbstverwirklichung", persönliche Freiheit und Würde gegenüber Einkommen und Konsum von materiellen Gütern an Bedeutung gewinnen[xxx].

Im gleichen Ausmaß, in dem diese konservativ-ganzheitlichen Denkweisen und Methoden sich durchsetzen, verdrängen sie „Marktwirtschaft" und Neoklassik. Der Paradigmenwechsel, von der „Aufklärung" zum „Konservativismus", scheint sich langsam zu vollziehen. Wie lange der Prozess der Ablösung dauern und von welchen Rückschlägen er betroffen werden wird, kann heute niemand sagen. Eines aber wissen wir heute ganz sicher: „Aufklärung" und Liberalismus, konsequent zu Ende gedacht, führen zu Chaos und Anarchie[xxxi], zur Zerstörung der Natur,[xxxii] zur Auflösung der Ordnungen und letzten Endes zur „Abschaffung des Menschen".[xxxiii] [xxxiv]

Der Autor lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Er veröffentlichte zuletzt „Die Rechte der Nation“ (Stocker, Graz 2002), „Der Sinn der Geschichte“ (Regin-Verlag, Kiel 2011) und „ESM-Verfassungsputsch in Europa“ (Schnellroda 2012).

Endnoten

[i]Die gründlichste Klärung dieses Zusammenhangs von sozialer Marktwirtschaft, (Neo-)Liberalismus und Aufklärung findet sich  bei E. E. Nawroth: Die Sozial- und Wirtschaftsphilosophie des Neoliberalismus, Heidelberg 1961. N. kommt zu dem Schluß, daß es sich beim Neoliberalismus nicht um eine Neuschöpfung, sondern um die Renaissance altliberaler Konzepte handelt, die in keiner einzigen Grundfrage über das geistige Niveau der Aufklärungsphilosophie hinausgekommen ist (S 425). N. setzt sich mit den deutschen Vätern des Neoliberalismus  auseinander (F.  A. v. Hayek, A. Müller-Armack, W. Eucken, W. Röpke, F. Böhm). Im angelsächsischen Bereich firmiert der Neoliberalismus unter "Neoklassik". Die Schlußfolgerungen N's. gelten in gleicher Weise wie für den Neoliberalismus und die "soziale Marktwirtschaft" (social market economy) auch für die "neoklassische Nationalökonomie".  Vgl. dazu: F. Romig: Die ideologischen Elemente in der neoklassischen Theorie - Eine kritische Auseinandersetzung mit Paul A. Samuelson, Berlin 1971, insbes.  S 10; unabhängig kommt zu gleichartigen Aussagen jetzt H. Arndt: Irrwege der Politischen Ökonomie, München 1979. A. behandelt das Schrifttum in seiner ganzen Breite.

[ii]Vgl. Stichwort: "Aufklärung", in: H. Schmidt: Philosophisches Wörterbuch, 20.  Aufl. (neu bearb. v. G. Schischkoff), Stuttgart 1978, S. 45f. Dort bes. zu beachten die Hinweise auf "Rationalismus" und "Liberalismus", die mit der "Aufklärung" untrennbar zusammenhängen. Einen guten und ausführlicheren Überblick bietet F.Schalk: Die europäische Aufklärung, in: Propyläen Weltgeschichte, Bd. 7, Frankfurt 1986 (Neudruck), S. 469-512.

[iii] Vgl. Stichwort: "Rationalismus", in: Phil.  W. B., a. a. O. (FN 2), S 551: "Der Rationalismus ist die Denkweise der Aufklärung … "

[iv] Lustmaximierung (Hedonismus) als letztes Ziel des Rationalismus folgt aus seiner sensualistischen (materialistischen) Geisteslehre: Nihil est in intellectu quod non fuerit in sensu (J. Locke) Dieser Grundsatz zieht sich von Hobbes über  Marx bis zu den Evolutionisten durch die gesamte Aufklärung. Vgl. O. Spann: Philosophenspiegel-Die Hauptlehren der Philosophie begrifflich und geschichtlich dargestellt, 3. Aufl. (mit einem Nachwort von G. Schischkoff), Bd. 13 der Othmar Spann-Gesamtausgabe, Graz 1970, S 35.

[v] Die Reduktion des "rationalen" Denkens auf das "ökonomische Kalkül" von "pleasure and pain" (Jevons) läßt sich über A. Smith bis zum neo-epikuräischen Eudämonismus des Th. Hobbes zurückzuverfolgen.  Vgl.  K. Muth: Geschichte des abendländischen Geistes, Berlin 1950, Bd. 2, S. 221, S. 400, S. 421.  Die gesamt neo-klassische "Mikroökonornie" ist in ihrem Kerne nichts anderes als "Nutzenkalkül" von Tausch- oder "Substitutions-Möglichlkeiten ("Optionen", Wahlhandlungen). Politisch begründet das Offenhalten der Substitutionsmöglichkeiten die Forderung nach Erwerbsfreiheit, Eigentumsfreiheit, Gewerbefreiheit, "offene" Märkte, "freie" Marktwirtschaft sowie die Abwesenheit von "Macht" und "Zwang". Auf die Tautologie, die dadurch entsteht, ein machtfreies Marktmodell zu konstruieren und dann, um des Funktionierens willen, politisch die Elimination der Macht zu fordern, hat nachdrücklich hingewiesen K. W. Kapp: The Social Costs of Private Enterprise, Cambridge, Mass. 1950, S. 240

[vi] Johannes Paul II: Enzyklika über die soziale Sorge der Kirche "Sollictudo rei socialis", Rom 1987 (abgek.  SRS) n. 37: Zwei Verhaltensweisen kennzeichnen die heutigen "Strukturen der Sünde": "die ausschließliche Gier nach Profit und das Verlangen nach Macht" die beide "unauflöslich verbunden sind" und "die wahre Natur des Bösen" ausmachen.

[vii] Der Zusammenhang von "Marktwirtschaft" und Demokratie" wird gerade von Neoliberalen oder "Ordo"-Liberalen ("freiheitliche" Wirtschaftsordnung - "freiheitliche" Gesellschaftsordnung) immer wieder betont.  Doch auch hier wirkt so etwas wie die "Dialektik der Aufklärung": In der neoliberalen Konzeption wird aus "Wettbewerbsfreiheit" "Wettbewerbszwang", daher das Verbot von Kartellen, Zusammenschlüssen und anderen Verbänden als Formen "privater Macht". F. Ottel: Wirtschaftspolitik am Rande des Abgrundes, Frankfurt 1957, ist diesem Sachverhalt nachgegangen.

[viii] J. Robinson: The Economics of Imperfect Competition, London 1933 (repr. 1948).

[ix] Vgl.  K. W. Rothschild: Preistheorie und Oligopol, in: A. E. Ott (Hrsg.), Preistheorie, Köln 1965, S. 360.

[x] H. Albert: Modell-Platonismus. Der neoklassische Stil des ökonomischen Denkens in kritischer Beleuchtung, in: Sozialwissenschaft und Gesellschaftsgestaltung. Festschr. f. G. Weisser, Berlin 1963,  S 45.

[xi] Wie ein roter Faden zieht sich die Sorge um den Realitätsbezug durch die "Presidential Addresses", die von den bekanntesten Wirtschaftswissenschaftern aus dem angloamerikanischen Bereich jeweils zu Jahresende an die American Economic Association gerichtet und anschließend in The American Economic Review veröffentlicht werden.  Gegen die zunehmende Spezialisierung und Trivialisierung werden "Economics of economics" gefordert, also die Anwendung des ökonomischen Kalküls von Nutzen und Aufwand auch auf die Theorienproduktion der Nationalökonomen. Das erinnert an die J. Schumpeter zugeschriebene Bemerkung, von der Arbeit der Nationalökonomen entfielen 10 Prozent auf die Aufstellung neuer Theorien, 90 Prozent auf ihre Widerlegung, das Ergebnis nähere sich Null.  Heute stimmt das sicher nicht mehr: mindestens 50 Prozent ist für das gedankenlose Wiederkäuen von unbewiesenen Grundtheoremen in Lehrveranstaltungen und Textbüchern anzusetzen. "Papageiengeschwätz" nennt das eine der berühmtesten Nationalökonominnen, J. Robinson. Um diesen  Tendenzen - Realitätsferne, Trivialisierung, Verschwendung von Ressourcen -   gegenzusteuern, wäre es marktwirtschatlich konsequent - wenn auch eine kleine Revolution  auslösend -  nicht nur "Economics of economics" zu fordern, sondern Wissenschaft und Forschung samt Lehrbetrieb und Universitäten zu privatisieren und die staatliche Subventionierung einzustellen. In diese Richtung gehen die Vorschläge zweier so bedeutender Kritiker am heutigen "Wissenschaftsbetrieb" wie E. Chargaff und P. Feyerabend (vgl. E. Chargaff: Kritik der Zukunft.  Stuttgart 1983, S 35ff; P. Feyerabend: Irrwege der Vernunft (engl. Farewell to Reason), Frankfurt 1989, bes.  S 381 ff. Wie immer, so ist es auch hier mit marktwirtschaftlichen Prinzipien" zu Ende, wenn "vested interests" betroffen sind.

[xii] Zu diesen, aus der Tatsache des Wirtschaftskreislaufes und der Interdependenzen abgeleiteten und auf den ersten Blick nicht gleich plausiblen Sätzen sowie zu den folgenden Beispielen: F. Romig, a.a. O. und H. Arndt, a. a. O. ( beide FN 1).

[xiii] J. Robinson: Doktrinen der Wirtschaftswissenschaft - Eine Auseinandersetzung mit ihren Grundgedanken und Ideologien (engl.  Economic Philosophy), München 1965,S 118.

[xiv] So der führende deutsche Kostentheoretiker und -praktiker P. Riebel: Das Rechnen mit Einzelkosten und Deckungsbeiträgen, in: Zeitschrift. f. handelswissenschaftliche  Forschung, Köln schon 1959, S.  237: "Es gibt in jeder Wissenschaft Fragen. die aus der Natur der Sache heraus nicht beantwortet  werden können.  Dazu gehört die naheliegende, aber laienhafte Frage: Was kostet die Leistungseinheit?"

[xv] J. Robinson a.a.O. (FN 13), S. 169.  Der Sarkasmus ist nicht zu übersehen.

[xvi] Vgl.  H. v. Stackelberg: Grundlagen der theoretischen Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., Tübingen 1951, S. 220f.

[xvii] H. Sanmann: Marktform, Verhalten, Preisbildung bei heterogener Konkurrenz, in: Jb. f. Sw., Bd. 14, Göttingen 1963, S 59. Ganz folgerichtig verwendet die konservative Wirtschaftstheorie den Begriff "Leistungswechsel" für "Markt" und nimmt die Funktionen in den Blick, die mit diesem verbunden werden.

[xviii] J. Robinson, a. a. O., (FN 13), S 118

[xix]Überaus anschaulich dargestellt durch J. K. Galbraith: Die moderne lndustriegesellschaft (engl.  The New lndustrial State), München 1968.

[xx] Hierzu noch immer grundlegend H. Marcuse: Der eindimensionale Mensch. Studien zur fortgeschrittenen Industriegesellschaft (engl. One-Dimensional Man), Berlin 1968, 3. Aufl.  Ihn zitiert  Paul Vl. in seiner "Ansprache an die Internationale Arbeiterorganisation (ILO)" in Genf, am 10.  Juni 1969, n. 20, in: Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands (Hrsg.): Texte zur katholischen Soziallehre, 8. Aufl., Bornheim 1992, S 451

[xxi]Pius XI.: Enzyklika über die gesellschaftliche Ordnung, ihre Wiederherstellung und Vollendung nach dem Heilsplan der Frohbotschaft "Quadragesimo anno".  Rom 1931, n. 88 und 105-109.

[xxii] Hirtenbrief der Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten von Amerika über den marxistischen Kommunismus vom Nov. 1980 (dtsch.), Bonn 1980, Anm. 3. Verdienstvollerweise hat A. Mohler  wieder in Erinnerung gerufen, wo der eigentliche Feind des Konservativen zu finden ist: im Lager der Liberalen. Hier gilt es sich zu absoluter Klarheit durchzuringen und jeden Kompromiß zu vermeiden (vgl.  A. Mohler: Liberalenbeschimpfung.  Sex und Politik, Der faschistische Stil, Gegen die Liberalen - Drei Politische Traktate, Essen 1989, S. 132).

[xxiii]      Wir folgen hier der universalistisch-konservativen Theorie 0. Spanns und seiner Schule, von der Armin Mohler meint, sie habe der Konservativen Revolution "das durchgearbeitetste Denksystem geliefert" (A. Mohler: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932, Darmstadt 1972 (2. Aufl.), S 203. Als Standardwerk konservativer Wirtschaftspolitik darf gelten: W. Heinrich: Wirtschaftspolitik, 2 Bde., Berlin 1964-1967 (2.  Aufl.); eine kurze Gesamtübersicht bietet F. Romig: Wirtschaft der Mitte.  Eine Einführung in die "Wirtschaftspolitik" von Walter Heinrich, Stifterbibliothek, Bd. 72, Salzburg 1955.  Eine populäre Einführung in das Spannsche System wurde vorgelegt von W. Becher: Der Blick aufs Ganze - Das Weltbild Othmar Spanns, München 1985; in den "Monographien zur österreichischen Kultur und Geistesgeschichte" liegt als Bd. 4 jetzt vor: J. H. Pichler (Hrsg.): Othmar Spann oder Die Welt als Ganzes, Wien 1988.  Dort auch eine Bibliographie der wichtigsten Arbeiten aus der Spann-Schule (S 279-285).  Eine Othmar Spann-Gesamtausgabe in 21 Bänden ist erschienen In der Akademischen Druck- und Verlagsanstalt in Graz, 1963-1979.

[xxiv] Vgl. F. Romig: Theorie der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, Berlin 1966. Dort auch eine Tabelle als Überblick über das ganzheitliche System von Gesellschaft und Wirtschaft (S 92).

[xxv] In der Iehrgeschichtlichen Darstellung schließen wir uns weitgehend an: 0. Spann: Die Haupttheorien der Volkswirtschaftslehre auf lehrgeschichtlicher Grundlage. In einem Nachwort weitergeführt v. W. Heinrich. (Bd. 2 der Othmar Spann-Gesamtausgabe), 28. Aufl.,Graz 1969 .

[xxvi] Johannes Paul II. benennt als "Strukturen der Sünde" für den Westen den liberalistischen

Kapitalismus und für den Osten das "System, das sich am marxistischen Kollektivismus orientiert".  Vgl. Enzyklika SRS (FN 6), n. 20.

[xxvii] Für die Aufhellung der geistigen Hintergründe dieser Krise noch immer lesenswert: René Guénon: Die Krise der Neuzeit (franz. La Crise du Monde Moderne), Köln 1950

[xxviii] Aus dem bereits uferlosen Schrifttum seien zwei Hauptwerke hervorgehoben: Bericht an den Präsidenten: "GLOBAL 2000", Frankfurt 1981 (12.  Aufl.); World Comission on Environment and Development: Our Common Future (abgek.  Brundtland-Bericht), Genf 1989 (12.  Aufl.). In beiden Berichten umfangreiche Literaturangaben.  Der letztgenannte Bericht klingt wie ein Verzweiflungsschrei (bes.  S. X f).  Die Zerrüttung der Umwelt schreitet seit Jahren fort und beschleunigt sich ständig.  Effektive Maßnahmen, die geeignet wären, die Entwicklung einzubremsen oder gar zu stoppen, scheitern zumeist an den unterschiedlichen Interessenlagen der einzelnen Länder.

[xxix] Die Nichteinbeziehung des Verzehrs an natürlichen Ressourcen (z.  B. Erdöl) oder der Beeinträchtigung der Lebensqualität, ferner die Nichtberücksichtigung von marktvermeidenden Leistungen (z.  B.  Haushaltsarbeit) in den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen führen zu falschen Aussagen (etwa über die "Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts"), Fehlschlüssen und Fehlmaßnahmen. Zum Teil werden solche Rechnungen angestellt, um Projekte plausibel zu machen, die auf Widerstand stoßen. Die Rede ist dann von "Umwegrentabilität" (z.B. von "Weltausstellungen"), "Spin-off-Effekten (bei der Raumfahrt und Rüstung). Intangible Kosten bleiben dabei meist unberücksichtigt, im Gegensatz zu den intangiblen Erträgen.

[xxx] Vgl. K. Lehmann: Gesellschaftlicher Wandel und Weitergabe des Glaubens, Bonn 1989, S 8

[xxxi] Sobald nicht Gott, sondern der "Mensch das Maß aller Dinge" ist, führt der Weg, einem Diktum F. Grillparzers zufolge, "von der Humanität  über die Nationalität zur Bestialität". Der Emanzipation von Gott entspricht die Emanzipation des Menschen von (den "Zwängen") der Gemeinschaft, die Auflösung der Familie, das Absterben des Staates, die klassenlose und herrschaftsfreie Gesellschaft, die Anarchie.Geistesgeschichtlich konsequent folgte auf Rousseau, Feuerbach, Marx, Bakunin und Kropotkin. Radikal gedacht, endet aller Liberalismus in Anarchismus. Dazu: K. Muth: Die Geschichte des abendländischen Geistes, Berlin 1950, insbes. Bd. 2, Kap.  VII: "Die Doktrin der Anarchie", S 283 ff. Das Ziel der Anarchie: die "herrschaftslose Gesellschaft", findet sich heute in allen "emanzipatorischen" Bewegungen der Gegenwart. so bei den "Grün-Alternativen" den "Basisdemokraten", den "Feministinnen", den "Revolutionären Marxisten", Kommunisten und Sozialisten. Ebenso bei den Liberalen (A.  Rüstow), Linksliberalen und Sozialdemokraten. Die Umsetzung folgt der  "Strategie des Kulturkampfes", von der vor allem Schulen, Universitäten, Kirchen, Massenmedien, Kunst und Unterhaltungsindustrie betroffen sind.  Ausführlich behandelt in: F. Romig: Der neue Kulturkampf - zur Strategie der Linken: Die "Revolution ohne Revolution", in: Neue Ordnung, H. 4-6, Graz 1988.

[xxxii] Vgl. F. Romig: Erwin Chargaff: Ein Monument des Widerstandes gegen die Dehumanisierung der Welt, - eine Hommage, in: Neue Ordnung , H. 4, Graz 1989, S. 9 f: Naturwissenschaft erforscht nicht die Natur, sie sprengt sie; sie löst keine Probleme, sie schafft sie. Dem Wissenschaftsbetrieb geht es nicht ums Wissen, sondern ums Geld. Hauptfunktion der Wissenschaft ist die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen für Wissenschaftler, die von den Universitäten ohne Rücksicht auf den Bedarf produziert werden. Die Wissenschaft wurde zu einer Ersatzreligion hochstilisiert, Forscher zu Quasi-Priestern geweiht, die Frage nach dem Sinn ihrer Tätigkeit, "und bestünde diese auch nur darin, eine Gesteinsprobe vom Mars zu holen", gilt als Tabubruch und Sakrileg. Eine kräftige Lobby sorgt dafür, daß dem Staat immer größere Geldmittel entrissen werden, die der Selbsterhaltung der Forschungsindustrie und ihrem krebsartigen Wachstum dienen. Zusammen mit der von ihr getriebenen Industrie ist sie dabei, die Erde unbewohnbar zu machen und alles Leben auszulöschen . Sie ist zur größten Bedrohung der Menschheit geworden.  Sie entstammt dem Ungeist der "Aufklärung", der dafür gesorgt hat, daß  "seit fast zweihundert Jahren ein Frösteln durch die Weit geht" (Warnungstafeln, Stuttgart 1982, S. 184). Ganz in diesem Sinn auch P. Feyerabend: a.a.O.  (FN 11): dort reiche Literaturangaben.

[xxxiii]J. Kardinal Ratzinger : Wider die Abschaffung des Menschen - Antwort zur Krise der Werte und der Moral, in: DIE PRESSE, Beilage SPECTRUM, Wien 5./6. Dez. 1987, S 1: "Der Prozeß, der... den Menschen zerstören wird, spielt sich unter Kommunisten und Demokraten ebenso auffällig ab wie unter Faschisten… Die entgegengesetztesten modernen Weltanschauungen haben den Ausgangspunkt der Leugnung des natürlichen Sittengesetzes und der Reduktion der Welt auf "bloße" Tatsachen gemein. … Es herrscht das Kalkül und es herrscht die Macht. Die Moral ist abgetreten, und der Mensch ist abgetreten".Ähnlich F. H. Tenbruck: Die unbewältigten  Sozialwissenschaften oder die Abschaffung des Menschen, Reihe "Zukunft und Herkunft", Bd. 2, Graz 1984, Abschnitt "Über die Abschaffung des Menschen", S 230ff.

[xxxiv] Die vorgetragene konservative Wirtschaftsauffassung steht in engster Verbindung mit der konservativen Bild vom Menschen. Vgl. F. Romig: Das Wesen des Konservativismus, CRITICON, H. 119, München  1990, 135ff

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Wenn die Demokratie zusammenbricht drucken

Kritik an der Demokratie zu üben ist unserer Tage ein gefährliches Unterfangen. Wer nicht für die Demokratie ist, der befürwortet die Diktatur, so die platte Sicht der über die Deutungshoheit gebietenden Systemapologeten. Etwas uneingeschränkt Gutes, zu dem es weit und breit keine Alternative zu geben scheint, zu hinterfragen, verwirklicht den Tatbestand der Blasphemie und disqualifiziert jeden Kritiker auf der Stelle. Eine Buchempfehlung.

Die beiden Autoren, der Journalist Carel Beckmann und der Vorsitzende der holländischen „Stiftung für mehr Freiheit“, Frank Karsten, fassen den Inhalt ihres Buches im Untertitel kurz und bündig zusammen: „Warum uns das demokratische Prinzip in die Sackgasse führt“. Anliegen der Autoren ist es, das Wesen der Demokratie als das einer „säkularen Religion“ zu entlarven und zu diesem Zwecke mit systemrelevanten „13 Mythen“ aufzuräumen.

Wie viele „Radikalliberale“ auch, betrachten die Autoren die Demokratie als „kollektivistisches System“, als „Sozialismus durch die Hintertür“. Und in der Tat: Dass Demokratie, deren zentrales Mantra „Mitbestimmung“ lautet, mit Freiheit und Selbstbestimmung wenig zu tun hat, liegt auf der Hand, sobald klar wird, was die „Durchflutung aller Lebensbereiche mit Demokratie“ in der Praxis bedeutet: Die totale Unterwerfung jedes, auch des intimsten, Lebensbereiches unter den Willen des ebenso allwissenden wie allmächtigen Kollektivs und/oder dessen Agenten.

In unterhaltsamer Form zerpflücken Karsten und Beckmann die Glaubenssätze des demokratischen Systems. Der „jede Stimme zählt“-Mythos etwa, wird als Manifestation des „Stockholm-Syndroms“ erkannt. Der in Wahrheit ohnmächtige Wähler wird von der herrschenden Nomenklatura in der Illusion gewiegt, er könne mit seiner Teilnahme am Wahlritual tatsächlich etwas bewegen. So kollaboriert er mit seinen natürlichen Widersachern und Ausbeutern und lernt diese am Ende sogar noch zu lieben…

Der „in einer Demokratie herrscht das Volk“-Mythos wäre durch nichts nachhaltiger zu entzaubern gewesen als durch den seit Jahren aufgeführten Eiertanz um Griechenland und Eurorettung. Obwohl klare Wählermehrheiten in Deutschland und Österreich die einschlägige Politik der EU ablehnen, wird diese von den Regierungen beider Länder nach Kräften unterstützt. „Volksherrschaft“ sieht anders aus.

Das Mehrheitsprinzip (das den „Willen von 51 Prozent“ automatisch in Recht transformiert) wird so erläutert: „In der Demokratie werden moralische Erwägungen durch den Willen der Mehrheit übertrumpft (…) Die Anzahl der Menschen, die etwas wollen, setzt Erwägungen der Moral und der Rationalität außer Kraft.“ Die Erwartung, auf Kosten anderer einen Vorteil aus der Wahl einer bestimmten politischen Partei zu ziehen, ist das stärkste Motiv der meisten Wähler.

Der Mythos, wonach Demokratie zu Wohlstand führt, wurde durch Beispiele wie China und Singapur massiv beschädigt. Nirgendwo auf der Welt war –  in Abwesenheit demokratischer Rechte – jemals eine dramatischere Steigerung des Lebensstandards zu verzeichnen als ebendort. Die These der Autoren, wonach sich die Bürger westlicher Länder trotz – und nicht wegen – der Demokratie großen Wohlstands erfreuen, hat daher einiges für sich.

Die Behauptung, wonach es zur Demokratie keine (bessere) Alternative gebe, wird als „Mythos 13“ abgehandelt. Auf den Punkt gebracht: „Die Alternative zum demokratischen Kauf eines Autos ist nicht ein Diktator, der das Auto für sie kauft, sondern Sie, der sie das Auto für sich kaufen.“ Oder, grundsätzlicher formuliert: Selbstbestimmung ist die Alternative zur (Illusion von) demokratischer Mitbestimmung.

Dass demokratische Systeme eine inhärente Neigung zur Zentralisierung aufweisen, ist evident. Die einst föderativ und dezentral organisierten USA sind zu einem von Washington aus dirigiertem Moloch geworden. Auf demselben Weg befindet sich die EU. Insbesondere linke Politiker machen keinerlei Hehl aus ihrem Wunsch zur Errichtung von zentral geführten „Vereinigten Staaten von Europa“. Dass dieser Prozess mit einer uferlosen Machtakkumulation in der Brüsseler Zentrale und mit einer weiteren Entrechtung der Bürger einhergehen muss, ist offensichtlich. Folgerichtig nehmen die Vorstellungen von Carsten und Beckmann eher am Bespiel der dezentral verfassten Schweiz Maß.

Nach der herben Kritik am Status quo wird am Ende des Buches die freie Privatrechtsgesellschaft als Alternative vorgestellt, die sich am organisatorischen Vorbild des Internets orientiert. Das „Credo“ dieser Gesellschaft lautet, sie sollte „auf Verträge gegründet sein, in denen Rechte respektiert werden und alle Parteien wissen, woran sie sind.“

Der Weg dahin soll auf pragmatische Weise beschritten werden. Kein gewaltsamer Umsturz, sondern der systematische Rückbau des Staates ist das Ziel. Die meisten der von ihm angeeigneten Aufgaben können – mit Gewinn für alle (außer die Monopolrentner) – mit kurzen Übergangsfristen in Privathände übergeben werden. Der Umstand, dass der Staat etwa Bildung, Gesundheitswesen, Landwirtschaft, usw. seiner totalen Kontrolle unterworfen hat, liefert ja in jedem diese Fälle die Ursache für Misswirtschaft, Fehlfunktionen, Korruption und Geldverschwendung.

Die im Realsozialismus unserer Tage verpönte „Diskriminierung“ wäre in einer Privatrechtsgesellschaft das selbstverständliche Recht jedes einzelnen. Das Prinzip der Freiheit bedeutet nämlich, dass jedermann seine Vertragpartner frei wählen kann und folglich kein Vertrag ohne Willensübereinkunft zustande kommt. Kontrahierungszwang ist der Privatrechtsgesellschaft unbekannt…

Leser, die mit der Theorie der „Österreichischen Schule“ vertraut sind, werden in dem Buch wenig Neues finden. Allen anderen dagegen werden darin erfrischende, bisweilen auch verstörende, Denkanstöße geboten.

Wenn die Demokratie zusammenbricht
Frank Carsten, Karel Beckmann
Finanzbuchverlag 2012
189 Seiten, broschiert
ISBN978-3-89879-712-2
€ 14,99,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Damit Geld, Ideen und Leistung zusammenfinden drucken

„Der Staat braucht höhere Steuereinnahmen, damit er Arbeitsplätze und Wachstum sichern und schaffen kann.“ Fast würde man glauben, diese Behauptung könnte stimmen, so oft hört man sie derzeit. Dennoch bleibt sie absoluter Unsinn. Das Gegenteil ist wahr: Höhere Steuern zerstören Arbeitsplätze und Wachstum; und der Staat hat sich als unfähig erwiesen, Arbeitsplätze zu schaffen, die auch einen positiven Beitrag zum Wachstum leisten. Er produziert nur in einem einzigen Bereich dauerhafte Jobs: in der Bürokratie. Aber die kostet Wachstum. Sie behindert produktive Tätigkeiten.

Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand entstehen immer nur in privaten Unternehmen. Dort wo jemand eine kreative, eine geniale, eine witzige Idee hat, die auf dem Markt nachgefragt werden könnte. Dort wo jemand eine tolle Erfindung macht, mit der Produkte billiger erzeugt werden können. Dort, wo sich Fleiß, und Verlässlichkeit einen Kundenstock schaffen. Dort wo jemand im Glauben an eine Innovation ein Risiko eingeht.

Nichts davon kann der Staat. Er handelt ja nur durch Beamte oder Politiker. Beamte sind niemals kreativ, witzig, genial, sondern immer nur vorsichtig auf Einhaltung jeder Vorschrift und Vermeidung jedes Risikos bedacht, um ihre eigene Karriere nicht zu gefährden. Und Politiker gehen erst recht kein Risiko ein, das ihre Wiederwahl bedrohen könnte. Sie geben das den Steuerzahlern abgenommene Geld immer nur in Perspektive auf die nächste Wahl aus. Und die ist fast immer gleich ums Eck. Politisch ausgegebenes Geld fördert Parteizwecke oder gar Parteifreunde, oder es fließt an medial gepushte Modezwecke.

Weder Politiker noch Medien noch Beamte hingegen hätten vorher auf jene Produkte gesetzt, mit denen österreichische Firmen heute besonders erfolgreich sind. Ob das nun ein Koffein-Getränk mit Himbeergeschmack, geschliffene Glasscherben, Feuerwehrautos, Gleisstopfmaschinen, Feuerfest-Artikel, Kraftwerksturbinen oder Beschläge sind.

Kurzer Wechsel in einen anderen Bereich, zur modernen Kunst. Ich schätze sie und gehe gerne in Museen und Galerien. Vor einiger Zeit geriet ich daher in eine Ausstellung der Nachkriegs-Ankäufe der Republik: Es war die langweiligste Ansammlung von unverkäuflichem, ideenarmem Epigonentum, die ich je gesehen habe. Jedes einzelne erworbene „Kunst“-Werk roch nach einem Gefälligkeits- oder Wohltätigkeits-Werk.

Oder blicken wir auf die Verstaatlichte Industrie: Jahrzehntelang brauchte man politische Protektion oder Schmiergeld für einen Post-Beamten, um wenigsten nach ein paar Monaten einen Telephonanschluss zu bekommen. Sonst dauerte es Jahre. Heute geht das sofort.

Auch bei den oft als angebliches Gegenbeispiel zitierten britischen Eisenbahnen hat sich die Privatisierung als Erfolg erwiesen. Mit ihnen fahren heute viel mehr Briten mit viel weniger Unfällen als vor der Privatisierung. Und auch während der langen Labour-Jahre wurde diese wohlweislich nicht zurückgenommen. Lediglich in einem einzigen Teilbereich gab es Probleme: bei den Geleisen. Hier funktionierte das Konkurrenzprinzip als Kern der Marktwirtschaft nicht. Hier hatte der Staat vorher jahrzehntelang alle Investitionen unterlassen, sodass die Käufer scheiterten und die Schienen wieder an den Staat zurückgeben mussten.

Beispiele für die Überlegenheit von privatem Unternehmertum ließen sich lange fortsetzen. Dabei müsste etwa unbedingt auch auf die Voest im Vergleich Einst-Jetzt eingegangen werden. Oder auf das Schicksal der einstigen Staatsbanken und jenes der privat geführten. Der Vergleich macht objektive Beobachter sicher.

Die in jeder Hinsicht überlegene Privatwirtschaft hat nur zwei Probleme: Wie bringt man der Politik endlich bei, dass sie nicht durch Förderungen und Regeln, sondern nur durch einen Abbau von Steuern und Gesetzen das Wachstum fördert? Und zweitens: Wie finden die tollen Ideen mit dem notwendigen Kapital zusammen? Wer finanziert den Aufstieg eines familiären Klein- oder Mittelbetriebs zu einem großen Industrie-, Handels- oder Finanzunternehmen? Wo kommt das Geld für Kauf und Erneuerung eines privatisierten Staatsunternehmens her? Wie fließt das auf Sparbüchern schlummernde Geld in die produktive Realwirtschaft?

Der Begegnungsort ist der Kapitalmarkt. Und in seiner idealen Form die Börse. Dort kann auch der kleine Mann sein Geld genauso sinnvoll investieren wie die großen Fonds. Dort sind Heerscharen von Analysten und Anlagespezialisten unterwegs, um die spannendsten, zukunftsträchtigsten Investitionsobjekte mit jenen Menschen zusammenzubringen, die einen sinnvollen und möglichst gewinnbringenden Arbeitsplatz für Familienvermögen, für ihre Altersvorsorge, für ererbtes Geld suchen.

Börse-Veranlagungen sind gerade in Zeiten sinnvoll, da man bei Anleihen real viel Geld verliert – wenn man nicht zum nervenzerfetzenden Hochseil-Akt eines Kaufs griechischer Papiere bereit ist. Umgekehrt braucht auch der große Markt der Ideen und kapitalbedürftigen Unternehmen gerade heute die Börse nötiger denn je, da die staatlichen Regulatoren Bankkredite massiv verknappen.

Es ist absolut unverständlich, dass ausgerechnet jetzt das Verständnis von Politik und Medien für den Wert der Börse drastisch abnimmt. Nachdem man ihr in Österreich am Beginn des letzten Jahrzehnts noch einen gewaltigen Boom versetzt hat, sehen populistische Politiker in Börsen und Anlegern heute nur noch eine Melkkuh und beschimpfen sie als Spekulanten. Ständig erfinden sie neue Steuern, welche die Transmission-Funktion der Börsen behindern.

Das Ergebnis: Zwar sind die Börsenkurse dennoch gestiegen, aber in Österreich hat das Volumen des über die Börse in die Wirtschaft fließenden Geldes dramatisch abgenommen. Wem auch immer das nützen soll: den Arbeitsplätzen, dem Wachstum, dem künftigen Wohlstand gewiss nicht.

Aber manche Politiker glauben ja ohnedies, dass das Geld aus der Druckmaschine oder dem Kopierer kommt.

Dieser Beitrag deckt sich weitgehend mit einem Text für die große Jubiläumsnummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier", die 90 Jahre alt wird.

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Obamas allzu teurer Sieg drucken

Die Schlacht ist geschlagen – und viel knapper gewonnen worden, als zu vermuten war. Ein Twitter-Kommentar hat pointiert formuliert, was es in dieser Wahl wirklich zu gewinnen gab. „Erster Preis: Du verlierst die Wahl. Zweiter Preis: Du beschäftigst Dich mit dem gesetzlichen Budgetnotstand, dem Iran, den Staatsschulden, Pakistan, der Bildungsfrage, China etc. etc.“ Das muss Barack Obama nun weitere vier Jahre tun – darum ist er nicht zu beneiden.

Die Probleme, die auf Obama immer noch warten, hat das Tagebuch bereits eingehend analysiert. Mindestens bis zu den „Mid-Term-Elections“ in zwei Jahren wird er dabei seine Grenzen vom politischen Gegner diktiert bekommen, der den Kongress weiterhin regiert. Status quo also. Und damit wird das Faszinierende an Obama, das bezeichnenderweise bei der Siegesrede erstmals wieder aufgeblitzt ist, schnell wieder an der Realität zerschellen. Obama hat sich immer als Einiger verstanden, er will die Vereinigten, die Einigen Staaten. Diese Hoffnung, dieses Selbstverständnis haben ihn getragen. Wie bei der ersten Wahl hat er auch diesmal rhetorisch versucht, den Gegner nach geschlagener Schlacht auf das gemeinsame Große einzuschwören.
Vergebens. Vor vier Jahren hat er damit die Tea Party Bewegung geerntet. Auch diesmal wird er wohl scheitern – die USA sind ein zutiefst zersplittertes Land, gesellschaftliche Gräben werden immer größer. Und Obamas Agenda – Reform des Steuersystems, Reform der Immigrations-Gesetzgebung und Kampf der explodierenden Staatsschuld – wird nicht zum Abbau dieser Gräben beitragen.
Worüber sich die Amerikaner aber wirklich Gedanken machen müssen – und einige große Köpfe wie Francis Fukuyama tun das sehr intensiv -, ist wohl die Frage, wie demokratisch eine Demokratie eigentlich noch ist, wo der Erfolg davon abhängt, wer die meisten Wahlkampf-Milliarden aufbringt. In 94 Prozent aller Fälle, so stellt sich bei einer Analyse der Präsidentschafts- und Abgeordnetenwahlen heraus, gewinnt der Kandidat, der sich die meiste TV-Zeit kaufen kann.
Das kann so skurrile Blüten treiben wie die Tatsache, dass im Oktober für die Diskussion der vier finanziell schwachen Kandidaten kleinerer Parteien (immerhin ein früherer Gouverneur von New Mexico, der frühere Bürgermeister von Salt Lake City, ein früherer Kongress-Abgeordneter und ein Arzt) nur ein leistbarer TV-Sender gefunden werden konnte – ausgerechnet Al-Jazeera.
Aber die Wahlkampf-Milliarden-Rekorde verpflichten auch: Darf für Obama noch zählen, was die Wähler von ihm erhoffen, oder muss er nun für die Unterstützung zahlen und tun, was seine Geldgeber von ihm erwarten? Eine Frage, die für jeden Repräsentanten und Senator ebenso zu stellen ist. Wer zahlt, schafft an?
Hier hat das demokratische Musterland, das die USA immer sein wollen, riesigen Handlungsbedarf. Und für uns sollte bei allem Anlass zur Politiker-Verdrossenheit das Beispiel USA eine Warnung sein, Diskussionen, wie Demokratie zu finanzieren ist, ernsthaft und fernab von Populismus zu führen.

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Klima: Lügen, Fakten, Interessen drucken

Wie viele andere habe ich als Nicht-Naturwissenschaftler eine Zeitlang die Thesen von einer durch den Menschen verursachten Klimakatastrophe geglaubt. Bis dann immer mehr Ungereimtheiten aufgetaucht sind. Worauf ich mich sehr intensiv mit dieser Frage zu befassen begonnen habe. Ich tat das wohl in einer vielleicht altmodischen Auffassung von Journalismus, der Dingen auf den Grund zu gehen versucht, ich bin aber auch geprägt durch meine Ausbildung als Ökonom und Jurist.

Als Ergebnis sehe ich heute die Dinge total anders. Ich bin, wenn das nicht ein semantischer Widerspruch wäre, zum überzeugten Skeptiker geworden, der staunend vor einer gigantischen Blase steht, die von der Politik, etlichen NGOs und auch willfährigen Wissenschaftlern aufgeblasen worden ist

Vor zwei Jahren habe ich im Tagebuch 28 kritische Fragen zur offiziell dekretierten These von der Klimakatastrophe formuliert. Ein Leser reichte diese an Ministerien und Abgeordnete weiter. Das Verblüffende: Er bekam zwar eine Reihe Antworten – aber kein einziges Schreiben wagte es, inhaltlich auf die Fragen zu antworten, sondern alle verwiesen auf irgendwelche Experten weiter. Aber auch alle befragten österreichischen Experten beteuerten, dass sie sich nur mit einem sehr spezifischen Randgebiet befasst haben und dass sie zur Grundfrage, der menschlichen Schuld an der globalen Erwärmung, nichts Wissenschaftliches sagen konnten. Am Schluss wurde man dann meist auf einen UNO-Bericht verwiesen (abgesehen von den in meinen Augen sehr skurrilen Auftritte einer Frau Kromp-Kolb).

Zum erstenmal in der Geschichte fungiert damit ausgerechnet die UNO als oberste wissenschaftliche Instanz, obwohl diese immer nur interessengesteuert agiert hat. Die UNO hat aber dennoch gleich dekretiert, dass ihre Klima-Beschlüsse nicht mehr hinterfragt werden könnten. Was natürlich das Gegenteil von Wissenschaftlichkeit ist.

Mit anderen Worten: Regierung und Parlament beschließen gravierende politische Maßnahmen und wirken an solchen Beschlüssen auf EU-Ebene mit, ohne dass sich ein einziger der österreichischen Entscheidungsträger so viel Fachwissen angeeignet hätte, dass er sich selbst diesen Fragen zu stellen wagte.

Manche meinten: Wir sind zwar nicht sicher, aber im Zweifel machen wir lieber etwas, bevor wir nichts machen. Nutzt es nicht, so schadet es nicht. Das klingt plausibel. Ist es aber nicht.

Die Schäden durch die Global-Warming-Panik

Denn wenn auf Grund falscher Annahmen gewaltige Kosten entstehen, dann ist das kriminell. Um nur einige Beispiele für die dadurch ausgelösten Schäden zu nennen:

       I.            In der europäischen Schuldenkrise mit ihren unabwendbaren, wenn auch in Österreich noch gar nicht spürbaren katastrophalen Auswirkungen stecken viele Milliarden, die nur wegen der angeblich drohenden Klimakatastrophe ausgegeben worden sind.

    II.            Wenn weltweit die Agrarindustrie wegen dieser angeblich drohenden Klimakatastrophe in signifikantem Umfang statt Lebensmittel Treibstoff produziert, dann führt das zu Knappheiten und irgendwo in der Welt mit ihrer rasch wachsenden Bevölkerung zu Hunger. Die steigenden Preise, über die alle reden, sind ja nur eine Folge dieser wachsenden Knappheit, nicht deren Ursache.

 III.            Sparsamer Umgang mit knappen Ressourcen ist immer sinnvoll. Sparsamkeit wird aber schon automatisch durch den Preis ausgelöst. Wenn eine Ware knapper wird, steigt der Preis, was die Verbraucher zur Sparsamkeit zwingt. Und was die Entwicklung von alternativen Waren interessant macht, und zwar umso interessanter, je mehr der Preis steigt. Das ist eine ganz natürliche Entwicklung, für die es gar keine Einmischung von Regierungen bräuchte.
Freilich amüsiert es, dass uns Weltuntergangspropheten seit 50 Jahren prophezeien, das Erdöl werde in 40 Jahren zu Ende sein. Die bekannten und förderbaren Ölreserven sind heute jedoch so groß wie nie, obwohl dem heute auch viel mehr Ölkonsumenten als früher gegenüberstehen, man denke nur an China oder Indien. Und die förderbaren Gasvorräte reichen dank neuer, zum Teil freilich teurer Techniken derzeit schon für viele Jahrhunderte.
Dennoch bleibt es sinnvoll und logisch, wenn steigende Preise global zur Sparsamkeit anleiten. Wenn hingegen Geld einzig dafür ausgegeben wird, um CO2 in Erdlöcher zu pumpen, dann wird dadurch kein Liter Öl eingespart. Es werden vielmehr teure Ressourcen vergeudet.

 IV.            Unsinnig ist freilich auch die Subventionierung des Treibstoffpreises in etlichen Drittweltländern. Das setzt falsche Anreize Richtung Verschwendung und lenkt bedeutende staatliche Mittel völlig fehl. Nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur wird für die Subventionierung des Treibstoffpreises aus politisch-populistischen Gründen sieben Mal so viel Geld ausgegeben wie in Europa für die Subventionierung alternativer Energien. In Wahrheit ist beides absoluter Unsinn. So wie die Regierung Indiens fürchten sich viele Drittwelt-Machthaber aber vor Unruhen, wenn sie den Ölpreis nicht mehr stützen würden.

    V.            Europa hat die weitaus strengsten Klima-Auflagen. Das belastet nicht nur die Konsumenten über die Energiepreise und über teure Schikanen wie das Glühbirnen-Verbot. Das belastet vor allem die Industrie. Voest-Vorstandschef Eder hat so wie viele andere Manager schon deutlich gesagt, dass es künftig wegen der diversen Folgen der Klimapolitik keine Großinvestitionen mehr im EU-Raum geben wird.

 VI.            Jedoch: Selbst wenn Europa im Zuge seiner eigenen Selbstbeschädigung die eigenen Energiepreise in die Höhe treibt, ändert das gar nichts am globalen Ölverbrauch: Denn dadurch wird in anderen Regionen Öl automatisch relativ billiger. Was dort wiederum den Verbrauch in die Höhe treibt und die Verlagerung von energieintensiven Industrien aus Europa profitabel macht.

VII.            Was man auch immer von Alternativenergien hält: Solarmodelle in der nördlichen Hälfte Europas oder in nebelreichen Regionen, wie sie jetzt überall mit massiven Förderungen entstehen, sind auch in der systemimmanenten Logik der globalen Erwärmungs-Lehre absurd.

VIII.            Besonders heftig ist der Schaden für Österreich, das sich zu besonders ehrgeizigen Kyoto-Zielen verpflichtet hat. Es muss nun teuer CO2-Zertifikate nachkaufen, also sich für Kyoto noch mehr verschulden. Dabei machen die Kyoto-hörigen Länder nur 15 Prozent der globalen Treibhaus-Gas-Emittenten aus.

 IX.            Auch die sogenannten grünen Jobs sind trotz der lauten Propaganda eine Fiktion. Eine Studie aus Spanien – wo am heftigsten Alternativenergien subventioniert worden sind – zeigt, dass für jeden dieser grünen Jobs in der Alternativ-Industrie zweieinhalb Mal so viele Arbeitsplätze in anderen Industrien verloren gehen, weil überhöhte Energiepreise Unternehmen zum Zusperren oder Abwandern zwingen.

Soweit ein paar zusammengefasste Hinweise auf die Schäden der Klimapolitik.

Warum die These nicht stimmen kann

Ebenso spannend und noch wichtiger ist ein Streifzug durch die vielen Gründe, die der offiziellen These einer vom Menschen verursachten globalen Erwärmung und insbesondere auch deren Schädlichkeit entgegenstehen.

1.     Vorweg ein Zitat aus einer amerikanischen Petition, die von 31.000 Naturwissenschaftern, darunter 9000 mit einem Ph.D. (einem unserer Habilitation ähnelnden Grad) unterzeichnet worden ist:
„Die vorgeschlagenen Begrenzungen sogenannter Treibhaus-Gase werden die Umwelt beschädigen, den Fortschritt der Wissenschaft behindern, und die Gesundheit und Wohlfahrt der Menschheit beschädigen. Es gibt keinen überzeugenden wissenschaftlichen Beweis, dass von Menschen verantwortete Freisetzung dieser Gase eine katastrophale Erwärmung der Atmosphäre und Klimakatastrophen auslöst oder auslösen wird. Darüber hinaus gibt es gravierende wissenschaftliche Beweise, dass eine Vermehrung des atmosphärischen CO2 viele vorteilhafte Effekte auf die Pflanzenwelt und die tierische Umwelt hat.“

2.     Es ist Tatsache, dass es auch lange vor der menschlichen Nutzung von CO2-emittierenden Treibstoffen gewaltige Änderungen des Weltklimas gegeben hat. Es gab Eiszeiten und Wärmezeiten. Deren Ursachen hängen mit relativ großer Wahrscheinlichkeit mit Sonnenaktivitäten, kleinen Variationen von Umlaufbahnen und Änderungen von Meeresströmungen zusammen.

3.     Zufällig wird gerade in jüngster Zeit von Astronomen vom Planeten Pluto eine Erwärmung berichtet – obwohl dort bekanntlich keine Menschen ihr Unwesen treiben.

4.     Sicher ist laut den Astronomen aber auch, dass in einigen hundert Millionen Jahren die Sonne die Erdtemperaturen auf über hundert Grad erhitzt haben wird. Aber nachdem es noch einige Eiszeiten gegeben haben wird.

5.     Es war jedenfalls schon viel wärmer auf diesem Planeten. Grönland wurde so getauft, weil es einst grün war, und weil damals auf der riesigen, heute eisbedeckten Insel Getreide angebaut wurde. Nach einer herrschenden Definition von Eiszeit sind während einer solchen beide Polkappen mit Eis bedeckt. Wie etwa heute.

6.     Wärmezeiten waren immer gut für die Menschen. Sie konnten sich ausreichend ernähren und sonst unwirtliche Gebiete bewohnen. Daher ist die nach davorliegender Abkühlung seit ca. 1850 zu beobachtende Erwärmung um 1 bis 2 Grad alles in allem durchaus positiv. Egal wodurch sie ausgelöst worden ist. Die gegenwärtige Wärmephase hat jedenfalls lange begonnen, bevor die CO2-Emissionen durch den Menschen im nennenswerten Umfang eingesetzt haben.

7.     Wärmeperioden sind auch viel besser für die Artenvielfalt als Kälteperioden.

8.     Ein globale Erwärmung wäre auch deshalb gut, weil die Erde im derzeit unbewohnbaren Permafrost-Norden die größten Landmassen hat, während rund um den Äquator viel weniger Land ist.

9.     Vermehrtes CO2 in der Atmosphäre ist kein Gift, wie manche Politiker und Journalisten kühnerweise behaupten. Sondern CO2 erhöht zusammen mit ausreichender Sonneneinstrahlung signifikant die Fruchtbarkeit praktisch aller Pflanzen und verbessert damit die Ernährung.

10.                      Der vor wenigen Tagen verstorbene bekannteste österreichische Meteorologe, Reinhard Böhm (ein Autor des Science-Blogs des Tagebuchs), hat intensiv bewiesen, dass die journalistischen Berichte von einer Zunahme der Wetterextreme nicht stimmen. „Die Temperaturschwankungen sind sogar geringer geworden.“

11.                      Der nobelpreisgekrönte Al-Gore-Film enthält so viele nachgewiesene Unwahrheiten, dass in Großbritannien sein Einsatz in Schulen sogar gerichtlich verboten worden ist.

12.                      Während der letzten 500 Millionen Jahre war die Lufthülle mehrmals bis zu zehnmal reicher an CO2 als heute. Und das hat nie zu einer dramatischen Aufheizung geführt, wie sie jetzt prophezeit wird.

Wer profitiert?

Das wirft nun die entscheidende Frage auf: Wie konnte es trotz der Fülle dieser Fakten zur Dominanz der Global-Warming-Theorie kommen? Wer profitiert davon? Wer hatte Interesse an dieser These?

a)    Eine besondere Rolle spielen viele Medien: Apokalyptische Weltuntergangsszenarien lassen sich insbesondere am Boulevard, aber auch durch unseriöse Filmemacher hervorragend zur Auflagensteigerung verwenden. Seriöse, abwägende Berichte tun das hingegen nicht.

b)    Es gibt starke Hinweise, dass die Global-Warming-Szenarien besonders von der Atomindustrie betont werden, die dadurch ja auch wieder in etlichen Ländern ins Geschäft gekommen ist.

c)     Mit dem Bau von Alternativenergie-Anlagen lässt sich derzeit sehr viel Geld verdienen.

d)   Großes Interesse an der Global-Warming-These herrscht auch in der Bauindustrie, wo man viel mit Wärmedämmungen und Niedrigenergiehäusern viel Geld verdient. Was an sich legal ist. Jedoch zeigen Studien, die dieser Tage von der Zeitung „Die Welt“ publiziert wurden, die aber sonst unterdrückt werden, dass die Energieeinsparungswirkung keineswegs im versprochenen Ausmaß eintritt. Und dass ältere Gebäude energiemäßig viel besser sind als angenommen.

e)    In vielen Ländern sind in den letzten Jahren nur deshalb emissionsfreudige Fabriken errichtet worden, um sich dann deren Schließung oder Sanierung teuer durch Kompensationszahlungen aus Europa abkaufen zu lassen.

f)      Selbstverständlich verbessert auch jede Dramatisierung das Spendenaufkommen für Umweltorganisationen. Dafür eignen sich putzige Eisbären-Bilder perfekt. Da brauch man ja nicht dazusagen, dass sich die Eisbärenpopulationen in den letzten Jahren weltweit signifikant vermehrt haben, also keineswegs besonders bedroht sind.

g)    All jene Klimaforscher und viele andere Disziplinen, die sich gezielt hinter die Global-Warming-These stellen, werden mit massiven Forschungsmitteln unterstützt. Das verzerrt in vielen Ländern die Unabhängigkeit und Objektivität der Forschung. Das führt in der auch nicht nur aus Heiligen bestehenden wissenschaftlichen Gemeinde zu Manipulationen und zur Einschüchterung kritischer Geister, bis hin zum Mundtotmachen.

h)   Die Wissenschaftsgeschichte ist auch voller Beispielen von Modewellen, wo eine große oder zumindest laute Mehrheit an eindeutig falsche Thesen geglaubt hat. Die Beispiele eines scheinbaren Konsenses der gesamten Wissenschaft reichen von der Überzeugung, dass die Erde der Mittelpunkt des Weltalls wäre, bis zu einem in der Zwischenkriegszeit erschienen Buch „Hundert Wissenschaftler gegen Einstein“. Noch übler: Ganze Universitäten sind einst fast geschlossen dem Nationalsozialismus beziehungsweise dem Kommunismus verfallen. Freiwillig.

i)      Viele Entwicklungsländer – zumindest all jene in Küstennähe – erkannten in der Warming-Theorie ein perfektes Argument, um die Entwicklungshilfe-Geldströme wieder zu vermehren. Denn der Kolonialismus hat langsam als Argument zur Erzeugung von schlechtem Gewissen ausgedient. Die Behauptung, dass der Welthandel der Dritten Welt schadet und nicht nützt, wird nur in extrem linken Zirkeln geglaubt. Die Dritte Welt konnte nach 1989 auch nicht mehr durch eine Schaukelpolitik zwischen Ost und West Unterstützungen generieren. Da kam die Global-Warming-Panikmache zum perfekt richtigen Zeitpunkt. Wenn man jemandem einreden kann „Weil ihr so viel Auto fahrt, werden wir vom Meer überschwemmt“, wagt niemand Nein zu sagen – vor allem dann nicht, wenn er die Zusammenhänge nicht durchschaut.

j)      Noch nie hat sich in der Nachkriegszeit die Politik so sehr in rein wissenschaftliche Fragen eingemischt. Die von Ohnmachtsgefühlen geplagte Politik glaubt so, wieder Macht zurückgewinnen zu können. Erstmals wieder konnte man so Steuer- und Abgabenerhöhungen als etwas ethisch Wertvolles verkaufen. Typisch ist etwa die Forderung eines Mannes, der im ORF etliche Jahre als die Stimme des Mannes von der Straße seine täglichen Auftritte zu allem und jedem hatte: Niki Lauda verlangte – unabhängig davon, dass seine Formel 1 und auch Flugzeuge selbst die heftigsten Treibstoffsünder sind – plötzlich, dass angesichts der Klimakastrophe die Demokratie sistiert werden und die Freiheit der Menschen eingeschränkt werden müsse.
Es ist unglaublich verführerisch für die Politik, wenn sie vom Volk aufgefordert wird, zu diktatorischen Mitteln zu greifen. Warum sollte sie da Nein sagen?

Ist Umweltschutz überflüssig? Ganz und gar nicht. Aber statt einer imaginären globalen Erwärmungs-Katastrophe sollten wir uns mehr um die echten Umweltprobleme wie die Versauung der Grundwässer durch Dünger und die rapide voranschreitende Zubetonierung der Bodenflächen durch oft überflüssige Gebäude und Verkehrsbauten kümmern.

(Dieser Text ähnelt in Teilen einem Vortrag, den ich vor dem Liberalen Klub in Linz gehalten habe.)

 

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Der fünfte November: Ein denkwürdiger Jahrestag drucken

"Remember, remember the Fifth of November
Gunpowder, treason and plot;
I know of no reason why gunpowder treason
Should ever be forgot.“

Am fünften November des Jahres 1605 wurde ein Anschlag verhindert, der, wäre er geglückt, vermutlich ein politisches Erdbeben ausgelöst hätte – vergleichbar mit jenem, das die Attacken auf die Zwillingstürme des World Trade Centers im Jahr 2001 nach sich gezogen haben. Es geht um den „Gunpowder Plot“ auf das englische Parlamentsgebäude, dessen auf der Insel heute noch vielerorts gedacht wird.

Die Absicht des britischen Offiziers Guy Fawkes war es, einen Sprengstoffanschlag zu verüben, dem die gesamte politische und geistliche Elite Englands zum Opfer fallen sollte. Zu diesem Zweck wollte er am Tag der Parlamentseröffnung, wenn, neben großen Teilen des Hochadels und des hohen Klerus, auch König Jakob I. nebst Familie anwesend war, eine gewaltige Menge von zuvor im Keller des Gebäudes deponierten Schwarzpulvers zur Explosion bringen.

Der Plan scheiterte in letzter Sekunde durch den Verrat eines Mitverschwörers und hatte die Hinrichtung aller daran Beteiligen zur Folge.

Die Motive Guy Fawkes´ – nach Meinung von Witzbolden mit Sinn für britischen Humor – „der einzige Mann, der je ein Parlament in ehrlicher Absicht betreten hat“, bleiben an dieser Stelle unbeachtet. Es geht stattdessen um die Beschäftigung mit den Konsequenzen der Tat – wäre sie geglückt.

Wäre der Anschlag tatsächlich ausgeführt worden, hätte er England ins Chaos gestürzt. Der kollektive Ausfall der gesamten politischen Elite wäre schwer, wenn nicht unmöglich, zu verkraften gewesen. Da die Staatsgeschäfte damals – wie in jeder Monarchie mit starker Position des Königs – in den Händen eines kleinen Personenkreises ruhte, gab es auch keine jederzeit bereit stehende „Reservearmee“ potentiellen Ersatzpersonals. Ein intelligent, entschlossen und rücksichtslos ausgeführter Coup hätte es daher ermöglicht, schlagartig eine entscheidende Weichenstellung – in welcher Richtung auch immer – vorzunehmen.

Heute ist das anders: Die in modernen Demokratien alle Lebensbereiche durchdringende Politisierung der Gesellschaft bringt es mit sich, dass ein vergleichbarer Terroranschlag so gut wie keine nennenswerten Konsequenzen hätte. Würde Guy Fawkes heute in Österreich zuschlagen und 183 Abgeordnete, zwei Dutzend Minister und Staatssekretäre und den Bundespräsidenten zusammen ins Jenseits befördern – was hätte er gewonnen? Ein paar Tage danach wäre alles beim Alten: Anstatt der ersten wäre eben die zweite Garnitur am Ruder. Schließlich gibt es Abertausende von Möchtegernabgeordneten, -ministern und -präsidenten, die jederzeit dazu bereit stehen, an dem Punkt weiterzumachen, an dem man die Aktivitäten ihrer Vorgänger unterbrochen hat.

Angesichts der Jahrzehntelang erwiesenen Reformresistenz des rezenten Politsystems im Land der Hämmer, in dem selbst eine klitzekleine Verwaltungsvereinfachung – ganz zu schwiegen von einer veritablen Verfassungsreform – am Beharrungsvermögen von Tausendschaften wohlbestallter Privilegienritter scheitert, dürfte die Antwort auf die Frage, ob dessen vergleichsweise hohe „Regenerationsfähigkeit“ gut oder schlecht ist, nicht allzu schwer fallen…

Ludwig Mises stellt in „Die Bürokratie“ fest: „Wer seinen Mitmenschen nicht zu dienen in der Lage ist, will sie beherrschen." Ob das im Jahr 1605 auch auf Jakob I. zutraf, sei dahingestellt. Betrachtete der sich doch schließlich als von „Gottes Gnaden“ in sein Amt berufen. Zumindest theoretisch und durch glückliche Umstände bedingt konnte zu seiner Zeit tatsächlich ein charakterlich, geistig und körperlich dafür geeigneter Mensch an die Macht gelangen und diese behutsam und zum Vorteil seiner Untertanen einsetzen.

In der Massendemokratie dagegen gelangen – dank völlig verkehrter Anreize und Selektionsmechanismen – stets die skrupellosesten und gefährlichsten Individuen an die Macht. Ein aufrichtiger und ehrlicher Akteur hat im Wahlkampf einer modernen Demokratie, in der die Stimmen gezählt und nicht (mehr) gewogen werden, keinen Funken einer Chance, gewählt zu werden. Folglich wimmelt es in den politischen Führungszirkeln einer Massendemokratie von zu ehrlicher Arbeit ebenso unwilligen wie unfähigen, verschlagenen und bösartigen Individuen, die außerhalb dieses Habitats niemals in Führungspositionen gelangen würden.

Die meisten anständigen Menschen dagegen pflegen sich von der Politik möglichst weit fernzuhalten…

Fazit: Guy Fawkes würde sich unserer Tage wohl eher der Rosenzucht widmen. Dass nach dem Vorbild seines Konterfeis angefertigte Masken heute von linken Adoranten überbordender Staatsmacht getragen werden, wenn sie sich auf den Weg machen, die Wallstreet zu okkupieren, darf als Treppenwitz der Geschichte verbucht werden und wirft ein grelles Licht auf die Geschichtsvergessenheit unserer Tage…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Die Verdrossenheit und ihre Ursachen drucken

Es lebe der kleine Unterschied: Wenn man fußballverdrossen ist, geht man nicht mehr auf den Sportplatz und kann auch ohne diesen Sport unbekümmert weiterleben. Wenn man politikverdrossen ist und nicht mehr zu Wahlen geht, dann bekommt man dennoch alle Konsequenzen politischer Entscheidungen zu spüren, ohne dass man den winzigen Mitspielraum genutzt hätte, den jeder in einer Demokratie (noch) hat. Man straft also nicht die Politik oder Politiker, sondern sich selber und macht die anderen mächtiger.

Jedenfalls sinkt die Wahlbeteiligung als sichtbarste Form der Politikverdrossenheit kontinuierlich. Zugleich bleibt in allen Parteien weitgehend der qualifizierte Nachwuchs aus. Das Image der Politiker hat einen Tiefpunkt erreicht. All diese Aspekte sind Folgen eines historischen Erdbebens im geistigen Fundament unserer Gesellschaften: Sowohl das demokratische wie auch das rechtsstaatliche Prinzip wie auch das Bekenntnis zu Marktwirtschaft und Leistungsprinzip sind als Ganzes unterminiert und beschädigt. Denn viele Menschen haben das Bewusstsein um den Wert dieser Grundlagen verloren. Die Ursache ist erstaunlich: Gerade der Erfolg der marktwirtschaftlich-rechtsstaatlichen Demokratie hat diese Grundlagen scheinbar unwichtig gemacht.

Noch nie haben zwei Generationen ohne jede Unterbrechung in einer Periode des inneren und äußeren Friedens, des ständig wachsenden Wohlstands und Aufstiegs leben können. Den Menschen wurden aber nicht Rechtsstaat, Marktwirtschaft und Demokratie als Grundlage dieses Segens vermittelt. Statt dessen wurde ihnen eingetrichtert: Wenn man nur die richtige Partei wählt, kommt der restliche Segen ganz von selbst. Das ewige Glück schien machbar. Jetzt aber platzen die verantwortungslosen Versprechungen der Parteien. Sie sind rat- und orientierungslos, die Wähler ebenso: Und gemeinsam versuchen sie, die bedrohlichen Fakten so lange es geht zu verdrängen.

Die große Frage lautet: Kann die Wahrheit, kann das Wissen um diese Basis noch einmal in unser kollektives Bewusstsein zurückgeholt werden? Zu dieser Basis gehören: Die fundamentalen Bedeutung des Rechtsstaats, in dem unabhängige und charakterlich saubere Richter nach klaren und bekannten Gesetzen judizieren; die Überlegenheit der Marktwirtschaft als einzig funktionierende Quelle von Wohlstand und Gerechtigkeit; die freiwillige Befolgung der Regeln des Zusammenlebens durch die Bürger, auch wenn kein Polizist dahintersteht; die Prinzipien der Demokratie; die Selbstverständlichkeit von Fleiß und Leistung; die Einhaltung diverser Generationenverträge; und nicht zuletzt die Kompromissfähigkeit.

Fast alles von dem ist in Erosion, ist innerlich ausgehöhlt. Die Bürger spüren, dass es jetzt eigentlich nur noch bergab gehen kann. Sie sind in ihrer Frustration sogar bereit, in phrasendreschenden Selbstdarstellern die erträumten Wunderheiler zu erblicken. Denn sie glauben – nachvollziehbar, aber falsch – nach wie vor an die billigen und einfachen Problemlösungen. Als ob man Jahrzehnte von Fehlern mit einem Mal wieder gut machen kann. Und ebenso falsch wie nachvollziehbar ist, dass sie die Fehler nur bei der Politik suchen, aber nie bei sich selber.

In Wahrheit ist ein guter Teil der Fehler dieser letzten Jahrzehnte nicht mehr reversibel. Und vieles andere wäre nur noch mit größter Mühe wieder ins Lot zu bringen. Was sind nun die konkreten Fehler, die sich in dieser Systemkrise und der Politikverdrossenheit niederschlagen? In Stichworten – und das Wichtigste zuerst:

  1. Der weitgehende Verzicht auf Kinder: Der Geburtenausfall führt dazu, dass am Ende dieses Jahrhunderts die Nachfahren der damaligen Österreicher nur noch ein Fünftel der Zahl von 1970 ausmachen werden, als die Geburtenziffern plötzlich gefallen sind, um nie mehr zu steigen.
  2. Die falsche Zuwanderung: Österreich gelang es nicht, zum Ausgleich für den Geburtenausfall qualifizierte Zuwanderer ins Land zu holen. Stattdessen kamen in hoher Zahl schlecht gebildete und kulturell kaum kompatible Menschen mit Drittwelt-Prägung aus islamischen und afrikanischen Länder nach Österreich. Diese haben wenig zum Wohlstand beigetragen, wurden aber in überdurchschnittlich hohem Ausmaß Konsumenten des Sozialsystems.
  3. Die Illusion des Pensionssystems: Statt auf die dank der Medizin gestiegene Lebenserwartung durch eine längere Lebensarbeitszeit zu reagieren, haben Bürger und Politik den Pensionsantritt ständig nach vorne verlegt und den Arbeitsbeginn nach hinten. Ergebnis: Heute sind im durchschnittlichen Leben eines Österreichers die Jahre des Arbeitens und Steuerzahlens deutlich kürzer als jene Jahre, während der man von anderen lebt. Was ein absolut nicht nachhaltig funktionierendes System ist.
  4. Die Exzesse des Wohlfahrtsstaats: Statt dass Menschen primär fürs Arbeiten bezahlt werden, ist es heute vielfach einfacher, sich fürs Nichtarbeiten zahlen zu lassen (und daneben eventuell schwarz zu arbeiten). Zugleich wird das Gesundheitssystem durch das weitgehende Fehlen von Wettbewerb und Selbstbehalten unfinanzierbar.
  5. Die Schuldenexplosion: Auch diese ist seit dem Jahr 1970 fast alljährlich zu beobachten. Damals lagen die Schulden des Gesamtstaats bei rund 15 Prozent eines sehr kleinen Bruttoinlandsprodukts. Heute liegen sie bei 73 Prozent eines viel größeren BIP. Dabei ist klar, dass es neben dieser offiziellen Quote noch viele derzeit versteckte Schulden und Haftungen für ausgelagerte Gesellschaften gibt, sowie für Pensionen und Gesundheitsversorgung, für die schon die Prämien kassiert, aber keine Rückstellung gebildet worden sind.
  6. Die falsche Reaktion auf die Euro-Finanzkrise: Statt von Anfang an den EU-Regeln gemäß keinen Schuldenstaat zu unterstützen, ist man seit 2010 so viele Haftungen eingegangen und hat so viele Kredite ausbezahlt, dass deren unvermeidliches Platzen auch Staaten wie Deutschland und Österreich mit in den Abgrund reißen wird. Das ist übrigens der einzige Fehler, der ausschließlich aufs Schuldkonto der Politik geht, während die Bürger diese Hilfsaktionen immer abgelehnt haben. Dabei ist es ein geringer Trost, dass die Fehler vor allem von der europäischen Politik begangen worden sind, während die österreichische lange nur nachgetrappelt ist, ohne überhaupt zu begreifen, was sich da abspielt.
  7. Der Glaube an den Staat: Statt möglichst viel durch die Menschen selbst erledigen zu lassen, mischt sich der Staat von Jahr zu Jahr in immer noch mehr Bereiche unseres Lebens ein.
  8. Die Korruption: Diese hat sich wie ein schleichendes Gift ausgebreitet. Von Baugenehmigungen in Wien reicht der Sumpf über die vielfältigen Kärntner Skandale und die Geldgeschäfte des Karl-Heinz Grasser bis zum Griff Werner Faymanns in die Kassen von ÖBB und Asfinag, mit dem er sich das Wohlwollen käuflicher Zeitungsverleger kaufen wollte.
  9. Die Überregulierung durch die EU: Diese mischt sich in ständig mehr Dinge ein, welche man besser regional regeln könnte.
  10. Die destruktive Haltung der Medien: Die Medien haben jahrelang jeden politischen Akteur als Gauner oder Dummkopf hingestellt. Sie haben sich lustig gemacht über Menschen, die sich für Familie und Kinder entschieden haben. Sie haben populistisch fast jede Forderung nach noch mehr Staatsausgaben unterstützt. Und sie haben die einstige Hofberichterstattung der 50er und 60er Jahre durch ein aggressives und verächtlich machendes Hinunterschreiben von Politikern ersetzt. Womit sie diesen für jedes Gemeinwesen entscheidenden Beruf total unattraktiv gemacht haben. Viel zu wenige gescheite und anständige junge Menschen sind daher noch bereit, in die Politik zu gehen. Sie sehen, dass sie dort für ein im Vergleich zur Wirtschaft mäßiges Salär Gefahr laufen, total fertig gemacht zu werden.

Angesichts dieser hier kurz angerissenen katastrophalen Entwicklungen ist psychologisch die frustrierte Abwendung vieler, insbesondere auch junger Menschen nachvollziehbar. Dabei bräuchten Demokratie und Rechtsstaat deren Engagement stärker denn je. Freilich nicht zu einer Perpetuierung all dieser Fehlentwicklungen, sondern zu einem mutigen Neubeginn.

Dieser Beitrag erschien in einer ähnlichen Form auch in einer Studentenzeitschrift (der Ostaricia).

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Europa der Vaterländer – Vaterland Europa: Zehn Thesen drucken

Der konservativ-katholische Publizist und Denker trug die folgenden zehn Thesen bei einer Veranstaltung der Johannes-Messner-Gesellschaft in Wien vor. Diese Thesen haben mit ihrem anti-aufklärerischen, antiliberalen und anti-EU-Impetus viel Aufsehen und Widerspruch erregt. Das Tagebuch stellt sie daher hier zur Diskussion.

1. Die EU leugnet von ihrem ganzen Konzept her das Naturrecht der europäischen Völker auf nationale Existenz

Sie bezeichnet sich selbst als Schritt auf dem Weg zur Neuen Weltordnung, dem Ordo novus saeculorum. Ohne Respekt vor dem Naturrecht auf nationale Existenz verliert der Mensch seine kulturelle Identität, er wird zum vaterlandslosen Gesellen.

In seiner großen Rede vor der Generalversammlung der UNO vom 5. Oktober 1995 monierte Johannes Paul II. die Vernachlässigung der Rechte der Nation: „Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die 1948 angenommen wurde, hat ausführlich die Rechte der Persönlichkeit behandelt. Aber es gibt noch keine ähnliche internationale Vereinbarung, die angemessen die Rechte der Nationen aufgegriffen hätte“. Das Recht auf Existenz „schließt für jede Nation auch das Recht auf die eigene Sprache und Kultur ein, durch die ein Volk sich ausdrückt und die das fördern, was ich als die ihm eigene geistige Souveränität nennen möchte“. Dazu gehöre „das Recht (der Nation) ihr Leben nach den eigenen Überlieferungen zu gestalten, ihre Zukunft aufzubauen und für eine angemessene Ausbildung ihrer jüngeren Generation zu sorgen“. Gerade durch die Anerkennung der Rechte der Nation könne dem „explodieren Bedürfnis nach Identifikation und Überdauern“ Rechnung getragen werden.

In seiner Enzyklika Laborem exercens (über die menschliche Arbeit) lässt der Papst durchblicken, dass „die Volksgemeinschaft – auch wenn sie noch nicht die ausgereifte Form einer Nation erreicht hat – nicht nur die große, wenn auch mittelbare `Erzieherin´ jedes Menschen ist (da ja jeder sich in der Familie die Gehalte und Werte zu eigen macht, die in ihrer Gesamtheit die Kultur einer bestimmten Nation ausmachen), sondern sie auch die große und historische Inkarnation der Arbeit aller bisherigen Generationen verkörpert. All das bewirkt, dass der Mensch seine tiefste menschliche Identität mit der Zugehörigkeit zu einer Nation verbindet“.

Johannes Messner merkt an, dass die Nation „nicht treffender als mit Hegels Ausdruck `objektiver Geist´ gekennzeichnet werden (kann), weil sie unabhängig von jedem Einzelnen besteht, während doch jeder Einzelne darin geistig wurzelt". Im Volkstum, den Lebensformen, Sitten, Gebräuchen und Traditionen „erlebt sich das Volk als Gemeinschaft, lebt es die Gemeinschaft kraft institutioneller Bindungen und gibt es der geistigen Welt seiner Gemeinschaft die Dauer über die Generationen hinweg". Hier wird es sich „seiner Verbundenheit im gemeinsamen Schicksal" bewusst, nährt es die „Erinnerung … an seine gemeinsame Geschichte, an gemeinsame Bedrängnisse, Kriege und Siege, an seine Heldengestalten in näherer und ferner Vergangenheit, an die Krieger, Heiligen und Staatsmänner, durch die sich das Volk zu gemeinsamen Idealen aufgerufen sieht", so Johannes Messner in seinem berühmten „Naturrecht“.

Demgegenüber möchten die Ideologen eines Vereinten Europa den Nationalstaat in die Ecke des historisch Überholten rücken. Doch zu glauben, dass Briten, Dänen, Schweden, Polen oder Tschechen ihre Souveränität an einen europäischen Bundesstaat abtreten würden, ist Illusion. Selbst für Bundesstaaten wie Deutschland, Österreich, Belgien oder Spanien ist es einfach absurd zu glauben, sie würden praktisch alle wesentlichen Zuständigkeiten nach Brüssel übertragen und ihren Staat als leere Hüllen zurücklassen. Es wäre ja das auch gar nicht wünschenswert, denn Europa lebt und schöpft seine Stärke aus der Vielfalt – „l´Europe, c´est la diversité“, so der spanische Philosoph Salvador de Madariaga. Die durch die EU verfolgte Politik der Auflösung der Nationalstaaten ist eine „idée fausse“. Ihre Verbreitung gilt es zu verhindern.

2.  Wenn die Völker abgeschafft werden, schafft Europa sich ab

„Nicht nur Deutschland schafft sich ab, ganz Europa schafft sich ab“, bemerkte der Altabt von Heiligenkreuz, Gregor Graf Henkel von Donnersmarck, in einem Interview in einer Berliner Zeitung im Juni 2011. Er nahm dabei Bezug auf das Buch Thilo Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“.

Beide führten demographische Gründe ins Treffen. Die durch Zuwanderung gefüllten Leerräume führen zum Phänomen der „Ethnomorphose“, stellte der Wiener Zoologe und Verhaltensforscher, Antal Festetics de Tolna, schon vor Jahren fest. Wir erleben sie heute hautnah, denn „Neukölln ist überall“ (Bürgermeister von Neukölln Heinz Buschkowski).

3. Europa hat Christus verlassen, deshalb stirbt Europa. Ganz allein deshalb.

Dies notierte Dostojewski bereits 1871 in sein Tagebuch und machte dabei tiefere als bloß demographische Gründe geltend. 2007 gab Papst Benedikt XVI. in der Hofburg vor dem diplomatischen Corps und maßgeblichen Politikern seiner Befürchtung Ausdruck, dass in Europa wohl bald „nur noch die Steine vom Christentum reden“.

4. Der Untergang Europas ist besiegelt, weil es sich mit seiner heutigen modernen Weltanschauung, die sich aus einer pervertierten Aufklärung enrwickelt hat, verrannte

… bemerkte der schon erwähnte Altabt Gregor Henkel von Donnersmarck in drastischer Form. In der Tat ist die „Aufklärung“ (Enlightenment, Illumination) jene Geistesströmung der Neuzeit und Moderne, welche das Christentum abgelöst hat. Die drei Hügel, auf denen Europa einst erbaut war – Akropolis, Golgatha, Capitol – hat die „Aufklärung“ abgetragen. Jetzt ist die Rede von den „Drei Hügeln“ ist nur noch Nostalgie.

Die philosophischen Zierden der „Akropolis“ und der ganzen Antike, Platon und Aristoteles, gelten jetzt als „Feinde der offenen Gesellschaft“ und wurden von Sir Karl R. Popper, dem heute maßgeblichen Ideologen der „Aufklärung“, mit dem Bannfluch belegt. „The Spell of Plato“ ist der Titel des ersten Bandes seines berühmten Buches über „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“.

Auf Golgatha, so die Ansicht vieler „aufgeklärter“ Geister, fand ein Gotteslästerer seine verdiente Strafe: Die Behauptung, Jesus sei „wahrer Gott vom wahren Gott“, wie es im Credo heißt, ist für die „Aufklärung“ und ihren „kritischen Rationalismus“ unannehmbar, die Menschwerdung Gottes für Baruch Spinoza, der die moderne Aufklärung begründete, „eine Absurdität.“ Deshalb darf es nicht verwundern, dass im Kontext der EU die Kirche nur noch ein Kümmerdasein führt, sie gilt als „humanistischer Tendenzbetrieb“, etwa so wie Greenpeace oder die Liga für Menschenrechte. Doch im Gegensatz zu anderen „zivilgesellschaftlichen“ Vereinen muss sie sich mit dem Vorwurf von Daniel Goldhagen und Jules Isaac herumschlagen, sie sei für Antisemitismus und Holocaust verantwortlich.

Und auch der dritte Hügel, das Capitol, der für das römische Recht und die ganze europäische Rechtskultur von einst stand, ist abgetragen. Der Gedanke des „Naturrechts“, auf dem diese Rechtskultur gründete, „gilt heute als katholische Sonderlehre, über die außerhalb des katholischen Raums zu diskutieren sich nicht lohnen würde, so dass man sich schon beinahe schämt, das Wort überhaupt zu erwähnen“, war von Benedikt XVI. im Deutschen Bundestag (22. Sept. 2011) zu hören.  Selbst Naturwidriges gilt heute als „Naturrecht“. Die Folge: Wir haben keinen Rechtsstaat mehr, der das grundlegende Naturrecht auf Leben schützt. Mehr noch: Auf bald jedem Gipfel brechen die Staatschefs das Recht. Heute lässt sich die EU nur durch permanenten Rechtsbruch halten, so vor kurzem der ehemalige Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof und der zurückgetretene Chefvolkswirt der EZB, Jürgen Stark. Wo aber das Recht nicht herrscht, herrschen Räuberbanden und Korruption.

5. Der Rückzug des Christentums macht den Raum frei für das Wirken des Antichtist

Nach Paulus und Johannes also für den Menschen der Gottlosigkeit, den Verwirrer, den Lügner und Menschenmörder von Anfang an. Heute zeigt sich der Antichrist, so Kardinal Biffi bei den Fastenexerzitien im Vatikan 2007, als Pazifist, Ökumeniker und Ökologe.

6. Aus der pervertierten Aufklärung sind die Ideologien – die diversen „-ismen“ – hervor gegangen, die Heilslehren des Antichrist:

Kommunismus, Sozialismus, Nationalsozialismus, Globalismus, Kapitalismus, Ökonomismus,  Multikulturalismus, Genderismus, Demokratismus, Liberalismus, Pazifismus, Ökologismus, Ökumenismus. Alle diese „-ismen“ beruhen auf dem falschen Menschen- und Gesellschaftsbild der „Aufklärung“, das durch drei Marksteine gekennzeichnet ist:  Leugnung der Wahrheit, Diktatur des Relativismus und Evolutionismus als Weltanschauung.

Jetzt macht sich der Individualismus in der Gesellschaftsauffassung breit, der Hedonismus in der Individualethik, der Utilitarismus in der Gesellschaftsethik. Die organische Gesellschaftsauffassung ist verpönt, Gemeinwohl geht nicht mehr vor Eigenwohl, soziale Gerechtigkeit gilt für Liberale vom Schlage eines Friedrich A. von Hayek oder eines Hans Kelsen als „Unwort“.

7. Marktwirtschaft steht im Gegensatz zur organischen oder korporativen Gesellschafts- und Wirtschaftsauffassung

Marktwirtschaft ist Wettbewerbswirtschaft, das heißt Kampf um Marktanteile durch Ausschaltung der Konkurrenz. Mit der Verdrängung vom Markt verliert der Konkurrent seine Existenzgrundlage. Das bringt in das ganze Wirtschafts- und Gesellschaftsleben „eine grausenerregende Härte“ (Pius XI.). Heute sind Motor der Wirtschaftsentwicklung die Gier nach Profit und das Verlangen nach Macht. Beides bringt „Strukturen der Sünde“ hervor, worauf Johannes Paul II. hinwies (Enzyklika Sollicitudo rei socialis).

Wir begegnen diesen Strukturen in der Verschmelzung von Staat und Hochfinanz, von Staat und Großkonzernen, von Staat und Großforschung, in dem „militärisch-industriellen Komplex der Rüstung“, vor dem einst US-Präsident Eisenhower warnte, in der  Massenproduktion, dem Massenkonsum, der Massenunterhaltung, dem „Tittitainment“. Adorno und Horkheimer konstatierten als „Dialektik der Aufklärung“ das Umschlagen von Rationalität in Irrationalität. Geradezu fanatisch wird gearbeitet an der Zerstörung der Welt durch ABC-Waffen.

Spitzentechnik erlebt ihre Aufgipfelung in der Destruktion von Atomkern und Zellkern. Unsere „Überflussgesellschaft“ (Galbraith) lebt nicht mehr vom Anbau, sondern vom Abbau, sie verschwendet immense Ressourcen und gefährdet die Umwelt (Global 2000). Für viele Menschen wurde Verdinglichung und Entfremdung zum Schicksal. Selbst ihre Organe wurden inzwischen zum Gegenstand des Handels. Zur geistigen Korruption gesellt sich die wirtschaftliche.

8. Der gemeinsame Markt hat in Europa keinen Frieden gebracht, sondern Chaos

Heute wankt das ganze politische System. Nach der Reihe zerbrechen Regierungen, die Bevölkerung protestiert gegen die auferlegten „Sparprogramme“, Parlamente werden gestürmt, Gewerkschaften legen das Land lahm, Banken werden belagert, Autos werden abgefackelt, Geschäfte geplündert, ganze Stadtviertel beginnen zu „brennen“. Kaum noch gelingt es Polizei und Schutztruppen mit Knüppeln, Wasserwerfern, Tränengas und Gummigeschossen das Versinken in die Anarchie zu verhindern. Das soll Frieden sein? Die Verleihung des Friedensnobelpreises an die EU „kurz vor ihrer Implosion“, bemerkte Andreas Unterberger ganz zurecht, war nur noch lächerlich und absurd.

Die bürgerlichen Vertreter, welche dem Markt friedensstiftende Wirkungen zuschrieben, merkten gar nicht, dass sie der Ideologie des „historischen Materialismus“ aus Marxismus oder Kommunismus aufgesessen waren: Der ökonomische Unterbau, so diese Ideologie, sollte den kulturellen Überbau, die Rechts- und Friedensordnung bestimmen. Jetzt entwickelt sich die Europäische Union schrittweise zu einem „sanften Monster" (Hans Magnus Enzensberger), zu einer Art EUdSSR (Bukowski, Vaclav Klaus). Hermann Kardinal Groer nannte bereits 1991 in einem Interview für die September-Nummer der katholischen Monatszeitschrift „30 Tage“ die EU ein „infernalisches Reich“.

9. Was Not tut ist die Rückkehr zu den Ursprüngen der Politischen Philosophie (Aristoteles, Platon, Augustinus, Messner)

Wir sollten endlich richtig denken lernen, uns nicht mit Sonntagsreden über die hehren „Werte“ der EU: Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat, abspeisen lassen. Wie soll der Bürger in einem Staat frei sein, wenn der Staat, wie der Deutsche Finanzminister Schäuble jüngst anmerkte, selbst nicht frei und unabhängig ist? Was bedeutet „Demokratie“, wenn sie nur noch „Ramsch“ ist, wie der Kulturredakteur der FAZ, Frank Schirrmacher, im Hinblick auf verweigerte Volksabstimmungen in Griechenland anmerkte.

Was ist der Rechtsstaat wert, wenn das Recht von EU- und Staatswegen ständig gebrochen wird? „Nicht mit der Lüge leben“, forderte A. Solschenizyn einst die sowjetische Führung auf. Es sollte auch unser Motto werden, mit dem wir Lüge und Arroganz der abgehobenen EU-Elite bekämpfen.

10. Organische, korporative Volkswirtschaft verlangt Abkehr vom gemeinsamen Markt

… von der Globalisierung, und fordert Zurückfinden zum aristotelischen Begriff der relativen Autarkie, zu einem richtig verstandenen „geschlossen Handelsstaat" eines Fichte, weil nur er das Recht auf Arbeit zu familiengerechtem Lohn gewährleisten kann. Wir können nicht mit chinesischen Löhnen konkurrieren. Unsere Produktionen nach China zu verlagern, kann nur in einem Desaster enden.

Und wir dürfen unsere Jugend nicht auf dem Altar des Euro opfern (H.-W. Sinn). Die Währungsunion ist gescheitert (Präsident Vaclav Klaus), ihre Gründung geschah in einem Anflug von „kollektivem Wahnsinn“ (UK-Außenminister Hague). Ihre Mitglieder befinden sich nun in einem „brennenden Haus mit geschlossenen Türen“. Jetzt wird versucht den Brand mit Benzin zu löschen, d.h. mit noch mehr Schuldenmacherei.

Der Euro ist eine „Fehlkonstruktion“ (Merkel, Schäuble), weil sie völlig inhomogenen Volkswirtschaften eine Zwangsjacke verpasste, ohne sie vorher in eine politische Union zu zwingen. Die Konstruktion des Euro beruhte auf zwei Prämissen:

  1. Jedes Land entscheidet weiter selbst über seine Haushalts- und Fiskalpolitik (Prinzip der Haushaltssouveränität).
  2. Es muss die Verantwortung für die Resultate seiner Politik tragen, es gibt kein Bailout.

Die Prinzipien wurden alle gebrochen. Deshalb müssen wir jetzt zu einem Europa zurück, in dem das Wohlergehen einer Nation nicht davon abhängt, wie gut oder schlecht sich eine andere europäische Nation organisiert. Wir müssen wieder das Prinzip der „Nichteinmischung“ beachten. Nur so werden wir den europäischen Frieden sichern können. Denn der beruht auch darauf, zu respektieren, dass jede Nation in Europa nach ihrer eigenen Facon glücklich werden kann. „Germanic rules“ passen nicht für alle. Wirtschaftliche Ordnung wird in Europa erst wieder nach der Rückkehr zu eigenen Währungen herrschen. Wird das in Österreich nur von Strache, Stronach und Bucher begriffen? Es wäre traurig.

Der Autor lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Er veröffentlichte zuletzt „Die Rechte der Nation“ (Stocker, Graz 2002), „Der Sinn der Geschichte“ (Regin-Verlag, Kiel 2011) und „ESM-Verfassungsputsch in Europa“ (Schnellroda 2012).
Er trug die zehn Thesen in Kurzform bei einer Veranstaltung der Johannes Messner-Gesellschaft am 17. Oktober 2012 im Curhaus am Stephansplatz in Wien vor. Thema der Veranstaltung war „Europa der Vaterländer – Vaterland Europa“.

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Neos und Altos, Stronachs und Wütende drucken

Es ist die liebste Freizeitbeschäftigung an Österreichs Stammtischen  geworden: über neue Parteien zu diskutieren. Der Frust mit dem Istzustand ist groß, obwohl Umfragen (noch) eine erstaunliche Zufriedenheit der Bürger mit ihren eigenen Lebensumständen zeigen. Aber SPÖ und ÖVP strahlen deutliche Ermüdungserscheinungen aus. Auch die drei Oppositionsparteien haben Attraktivität und Schwung verloren. Da wenden sich naturgemäß viele Blicke der großen Zahl neu entstehender Parteien zu. Diese Neugründungen sollten freilich froh sein, wenn die potenziellen Wähler nicht allzu genau hinschauen. Denn auch bei ihnen stößt man auf viel Ernüchterndes. Und ihre primäre Stärke scheint nur darin zu bestehen, dass sie halt selber noch nie zur Wahl gestanden sind.

Bei Frank Stronach, dem Mann mit dem großen Inseratenbudget, scheint es ja sogar durchaus bewusste Strategie zu sein, nicht sonderlich präzise zu klären und erklären, wofür er eigentlich genau steht. Denn kaum wird der Ex-Industrielle genauer, muss er seine Slogans gleich mehrmals grundlegend ändern. Siehe seine Euro-Vorschläge.

Für rund zehn Prozent der Österreicher scheint es aber ohnedies zurm Verfall in Begeisterung zu genügen, dass Stronach für eine Flat tax und ein ausgeglichenes Budget eintritt (was bei genauerem Hinhören auf seine Wortkaskaden freilich auch wieder nicht so wörtlich gilt), und vor allem, dass er halt sein eigenes Geld ausgibt. Was im Vergleich zum Faymannschen Inseraten-Skandal ja schon eine ziemliche Leistung ist.

Die Korruptionsvorwürfe gegen Stronach rund um ein Schloss am Wörthersee (die auch die Kärntner Freiheitlichen treffen) sind zwar anrüchig – aber wirkungslos. Sind sie doch allzu auffällig unmittelbar nach Bekanntgabe seiner Kandidatur hinausgespielt worden. Was naturgemäß den Vorwürfen die Glaubwürdigkeit nimmt, selbst wenn sie stimmen sollten.

Ansonsten präsentiert der Austrokanadier einige sympathisch klingende Überschriften. Aber bei vielen der Wortkaskaden Stronachs weiß man auch beim zwanzigsten Mal nicht, was Phrasen wie „sozialökonomische Gerechtigkeit“ eigentlich heißen sollen. Und nie wird klar, wie und wo er denn die bei einem ausgeglichenen Budget nötigen Einsparungen konkret vornehmen will, oder was Stronach unter einem „zivilisierten“ Verwaltungsabbau eigentlich versteht.

Aber warten wir halt voller Skepsis bis aufs Frühjahr. Denn dann soll es von ihm endlich Konkreteres geben. Dann müsste Stronach endlich auch halbwegs interessante Persönlichkeiten gefunden haben, die hinter ihm die Nummer 2 und 3 spielen. Bei einem 80-Jährigen wäre es ja schon eine Zumutung, wenn die  Partei nur aus einem einzigen Mann besteht, und wenn für seine Partei im Parlament nur willenlose Befehlsempfänger ohne Profil sitzen sollten, die bisher als Hinterbänkler und Befehlsempfänger anderer noch keinem Wähler aufgefallen sind.

Wutloser Mut, mutlose Wut

Keine Chance, der Bedeutungslosigkeit zu entkommen, hat hingegen der Versuch einer weiteren Gruppierung, durch eine gemeinsame Kandidatur einen Bogen von den Piraten über die Christen und noch viele andere bis zu den sogenannten Mutbürgern zu ziehen. Piraten wie Christen werden, so viel man hört, nun wohl doch getrennt in die Schlacht ziehen. Und solcherart natürlich auch chancenlos bleiben.

Die verbleibenden „Mutbürger“ müssen zunehmend erkennen, dass die verbreitete, aber dumpfe Wut noch keine tragfähige und gemeinsame Basis für Politik ist. Denn unter dieser Überschrift haben sich sowohl sehr weit rechts wie sehr weit links stehende Gruppierungen zusammengefunden. Phrasen wie „Neue politische Kultur schaffen“ oder „Sicherung von Arbeit und Wohnen“ sind genauso langweilig wie die Altparteien.

Die Neos wurden detailliert

Diesen Altos versucht sich nun auch eine neue Gruppe von „Neos“ gegenüberzustellen. Auch diese hat vor ihrem Start wohl mehr Sympathie gefunden als nachher. Denn der Blick auf das Programm der Neos rund um den Vorarlberger Matthias Strolz reißt nicht gerade vom Sessel.

Ganz abgesehen davon, dass die Gruppe ohne Geld dasteht; dass auch bei ihr zumindest vorerst kein bekannter Name zu finden ist („Details zum Team folgen“, liest man auf der Homepage – jedoch nicht, wann denn das sein wird); und dass die Parteigründung an einem toten Samstag eines langen Wochenendes keine sonderliche Kommunikations-Professionalität signalisiert.

Auch ist die Selbstdefinition der Neos ziemlich wirr: Sie sprechen davon, dass sie zu einem Drittel aus bisherigen Grünwählern bestehen, einem weiteren Drittel aus „vor allem ÖVP“ und dem Rest aus LIF, heimatlosen Liberalen, SPÖ und Wechselwählern. Also alles, nur nicht Blau oder Orange. Diese wilde Mischung zeigt zwar den gemeinsamen politischen Frust einer Sandwich-Generation, aber keinen klaren politischen Standort.

Stronach hat hingegen instinktiv (oder gar nach Studium der demoskopischen Daten?) richtig erkannt, dass der größte freigewordene Platz im Wählerspektrum jener rechts der ÖVP ist. Hat diese doch in der großen Koalition ihre Identität verloren. Er fordert daher strengere Regeln für Asyl und Zuwanderung (wie immer freilich ohne jede Präzisierung) und er zeigt sich sehr EU-skeptisch (wie immer freilich ohne jede Präzisierung).

Dieser politische Grundinstinkt fehlt den Neos hingegen. Sie sind überall und nirgends. Am ehesten trifft noch das Vokabel linksliberal auf sie zu. Das ist jene kleine Nische, in der schon Heide Schmidt untergegangen ist.

Dafür haben die Neos unter den Neugründungen wenigstens das erste ausführlichere Programm, mit dem es sich auseinanderzusetzen lohnt. Da gibt es, auf einen Nenner gebracht, etliche tolle und sympathische Ideen, aber auch etliches Abschreckendes und Ernüchterndes.

Die Minusseite der Neos

Zuerst seien einige der besonders auffälligen Negativa aufgezählt:

  • - Das völlige Ausklammern des Migrations- und Islamisierungs-Themas – außer der sehr problematischen Forderung nach einem Transfer der Asyl-Kompetenz an die EU (der zweifellos zu einer massiven Zunahme der Asylgewährung führen würde). Dabei bewegt dieser Themenkreis in allen Umfragen die Österreicher zusammen mit der Schuldenkrise mehr als alles andere;
  • - das gänzliche Fehlen großer Bereiche wie Familie, Demographie oder Landesverteidigung;
  • - die unerträgliche Political Correctness der Sprache, die zusammen mit etlichen Rechtschreibfehlern das Programm fast unleserlich macht (Schreibweisen wie „Bürger_innenforen" zeigen, dass den Neos die Kommunikation mit den Bürgern eigentlich wurscht ist);
  • die an Stronach und viele andere Parteiprogramm erinnernde Phrasendrescherei („fair“, „verantwortungsbewusst“, „vernünftig“ . . .)
  • - das Plädoyer für eine „Bankenunion“ und eine „breite Einlagensicherung“, das im Grund nur die Haftung Österreichs (der Sparer und/oder Steuerzahler) für spanische und andere Sparbücher bedeuten kann;
  • - das ebenfalls nicht gerade massentaugliche Plädoyer für einen EU-Bundesstaat (der außer Othmar Karas hierzulande nicht mehr viele Anhänger hat);
  • - der Kauf von Staatsanleihen durch die EZB wird zwar zuerst kritisiert, dann aber skurrilerweise gleich wieder verteidigt: „vorerst die beste unter den vorhandenen schlechten Optionen“;
  • - als besonders üble Erbschaft des Heide-Schmidt-Konkurses findet sich das Verlangen nach einer „sozialen Grundsicherung“, einer „Grundversorgung“ und einem „überlebensfähiges Einkommen“ (das alles wird zwar nicht definiert, aber als gleich mehrfach erhobene Forderung in einem neuen Parteiprogramm kann es nur ein Noch-mehr gegenüber dem bedeuten, was da heute schon alles gezahlt wird);
  • - das Engagement für Schwulenadoption und eine voll gleichberechtigte Schwulenehe;
  • und last not least die Forderung nach einer „forcierten Fortführung der ergebnisoffenen EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei“.

Die Pluspunkte der Neos

  • + Vor allem die Tatsache, dass es da wenigstens einmal ein Papier gibt, an dem man sich reiben kann, was eben bei allen anderen Neugruppierungen (noch?) nicht der Fall ist.
  • + Das Fehlen des sonst überall üblichen Umwelt-Geredes.
  • + Beim – besonders ausführlichen – Schulkapitel finden sich zwar etliche Dummheiten: „Alle Schulen sind Bundessache“ (und wo bleiben in einem angeblich liberalen Programm die diversen Privatschulen?) oder: „gemeinsame Ausbildung für alle Pädagogen“ (solche Träume von Kindergärtnerinnen mit Uni-Abschluss werden dazu führen, dass wir bald gar keine mehr haben). Daneben gibt es aber auch zwei sehr positive Forderungen: erstens die einer sehr weitgehenden Autonomie der Schulen in lehrplanmäßiger und personeller Hinsicht; und zweitens die einer „Vielfalt an Schultypen für die 10- bis 15-Jährigen“: Damit gäbe es weder die rote Gesamtschule noch den Istzustand von nur zwei Schultypen, sondern eine Vielzahl von Schulen mit sehr individuellem Profil und Qualitätsniveau;
  • + Verpflichtende Volksabstimmungen, wenn zehn Prozent dies fordern (allerdings im Gegensatz zu ÖVP und FPÖ und zur Schweizer Realität bloß als Veto gegen Gesetzesbeschlüsse, nicht jedoch zur Durchsetzung von eigenen Gesetzesprojekten der Bürger);
  • + Gesetzgebung und Finanzierung (Steuerhoheit) durch die gleiche politische Ebene: Das heißt die meist sehr ausgabenfreudigen Bundesländer müssten all ihre ausgestreuten Wohltaten immer auch selber durch eigene Steuern finanzieren;
  • + Veröffentlichung aller öffentlichen Förderungen (wirklich liberal wäre freilich die radikale Infragestellung von Förderungen);
  • + Transparenz von Inseraten und Kooperationen öffentlicher Stellen (auch das ist eine viel zu sanfte Forderung: Denn eine wirkliche Einschränkung der diesbezüglichen Korruption wäre nur durch die Pflicht zur Ausschreibung aller Inseratenvergaben und Kooperationen erreichbar, sowie durch die gleichzeitige Pflicht zur externen Kontrolle der inhaltlichen Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit jedes einzelnen Inserats);
  • + Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft in der Sozialversicherung (an sich sehr mutig – aber wie sieht es dann mit der gleichzeitig geforderten „Grundsicherung“ aus?);
  • + flexibler Pensionsantritt je nach Alter und Einzahlungen (im Prinzip richtig, jedoch wird das Problem der staatlichen Zuschüsse zum Pensionssystem völlig ausgeklammert);
  • + Aufhebung der Ladenschluss-Bestimmungen;
  • + Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft in allen Kammern.

In der Summe: Neos bietet das typische Kunterbunt-Produkt von Brainstormings, ebenso wie auch das jüngste von Michael Spindelegger beauftragte Expertenpapier. Darin findet sich immer Vielerlei Gutes wie Blödes aufaddiert. Aber das Endergebnis ist nicht aus einem Guss, es entbehrt der in der Politik immer entscheidenden Emotion, und es zeigt keinen klaren, konsistenten und widerspruchsfreien politischen Gestaltungsanspruch. Das Neos-Papier klingt eher nach einem Zusammentreffen offenbar von ein paar Lehrern, Steuerberatern, Managern und EU-nahen Jungdiplomaten in einem Berater-Seminar. Interessante Menschen, aber halt nicht wirklich eine Basis für einen politischen Start.

 

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Hundstorfers Marsch zum Totalitarismus – und Leitl im Gleichschritt drucken

Sie geben nicht auf. Obwohl es keinerlei Anlass, keine Notwendigkeit gibt, obwohl ein ähnlich lautender Richtlinienentwurf der EU vor Jahren am Veto Deutschlands und einiger anderer rechtsstaatlich orientierter Länder (nicht Österreichs!) hängengeblieben ist, versucht es das Sozialministerium erneut: Es hat einen Gesetzesentwurf in die Regierung gebracht, der die letzten Reste der persönlichen und unternehmerischen Freiheit durch eine bürokratisch abgestützte Diktatur der Political Correctness zu ersetzen droht. Das Widerlichste daran: Der angebliche Wirtschaftsvertreter Christoph Leitl stimmte diesem extrem linken Gesetzesentwurf bereits zu; und der Rest der ÖVP schläft bis auf den lobenswert mutigen Manfred Juraczka (vorerst?) tief und fest.

Dass Rudolf Hundstorfer nach außen den anständigen und soliden Bürgerlichen mimt, ist ja nichts Neues. Ebensowenig wie die Tatsache, dass der Sozialminister in seinem politischen Verhalten gleichzeitig die Tür nach links außen weit offen lässt. Der Mann will ja ganz offensichtlich noch mehr werden. Was angesichts der Alkohol- und Kriminalitäts-Probleme in diversen roten Spitzenjobs durchaus nicht chancenlos ist.

Offenbar aus diesem Grund startete Hundstorfer jetzt einen neuen Versuch, das – in Wahrheit ohnedies problematische – Gleichbehandlungsgesetz weiter zu verschärfen. Dieses Gesetz würde nach der geplanten Verschärfung in der Praxis insbesondere Schwule und Moslems zulasten aller anderen privilegieren; und es würde vor allem gläubige Christen kriminalisieren. Das zeigt das Beispiel Großbritannien, wo als einziges Land seit einigen Jahren ein ähnliches Gesetz in Kraft ist. Das ist dort eine Erbschaft der finalen Agonie Labours, die bisher auch von der liberal-konservativen Regierung nicht angetastet worden ist, weil die mitregierenden Liberalen gesellschaftspolitisch sehr links stehen.

Schwerer verständlich ist, dass der angebliche Unternehmervertreter Leitl dem Vorhaben zugestimmt hat und damit neuerlich einem linken gesellschaftspolitischen Projekt die Mauer macht. Sein Verhalten durchschaut man erst mit Hilfe des Hinweises, dass Leitl im Grunde seines Denkens und Handelns ein klassischer Alt-68er ist. So wie es leider auch der neue Industriellen-Präsident ist.

Beide begreifen nicht, dass die Wirtschaft bei Aufgabe der historischen Allianz mit dem wertkonservativen Lager in eine hoffnungslose Minorität gerät. Denn für die Linken werden die Unternehmer immer der Klassenfeind bleiben, den man zwar bisweilen als Hilfe für irgendwelche Projekte auf einem angeblich gemeinsamen Weg benutzt, den man aber am Ende gnadenlos bekämpft. Da wird es der Wirtschaft absolut nichts helfen, dass Leitl in seiner Anbiederung begeistert die geplante Finanztransaktionssteuer begrüßt (sie sei „richtig und wichtig“), dass Kammer und Industriellenvereinigung viele Schwulen-Förderungs- und Schulen-Zerstörungs-Projekte finanzieren, dass sie bei vielen genderistischen Aktionen mitmachen.

Am Schluss werden die Unternehmervereine aber alleine bleiben. Das wird ihnen, aber logischerweise auch dem Land strategisch schaden. Daran tragen alle jene Unternehmer mitschuld, welche die Leitls und Kapschs gewählt haben. Oder die als Desinteressierte deren Wahl nicht verhindert haben.

Noch schwerer verständlich ist, dass die ÖVP heikle gesellschaftspolitische Materien wie Political-Correctness-Gesetze einfach der Wirtschaftskammer überlässt. Dabei müsste die einstige Mehrheitspartei des österreichischen Bürgertums doch längst begriffen haben, dass Leitls Politik weitere Wählermassen Richtung FPÖ und Stronach vertreiben wird. Aber die Volkspartei scheint geistig schon so ausgedünnt, dass da kaum jemand den Eindruck erweckt, auch nur zu begreifen, was die Linke mit Hilfe der Sozialpartnerschaft alles durchsetzen will. Der Parteiobmann ist meist auf Tauchstation – oder äußert sich skurrilerweise ausgerechnet dann kritisch über einen Parteifreund, wenn seine Finanzministerin etwas absolut Richtiges über die Notwendigkeit einer Steuerreform sagt.

Was genau beinhaltet die von Hundstorfer im Konsens mit Leitl vorgelegte Gleichbehandlungsnovelle? Mit einem Satz: Alle Rechte, jeder Schutz, der bisher schon gegen vermeintliche Diskriminierung auf Grund des Geschlechts oder der ethnischen Herkunft zugestanden ist, wird nun auch auf die Bereiche Weltanschauung, Alter, Religion und sexuelle Orientierung ausgedehnt. Das bedeutet das endgültige Ende von Privatautonomie und Freiheit.

Bei jedem Rechtsgeschäft von der Wohnungsvermietung bis zur Vergabe eines Jobs können Angehörige einer privilegierten Gruppe nach Inkrafttreten dieses Entwurfs Diskriminierung geltend machen, wenn ihre Wünsche nicht erfüllt werden. Sie können immer behaupten, sie seien nur wegen dieser Eigenschaften nicht zum Zug gekommen. Ein christlicher, heterosexueller Mann ohne extremistische Anschauungen sollte hingegen künftig am besten gar nicht versuchen, sich um einen interessanten Job oder eine günstige Wohnungsmiete zu bewerben. Er kann und wird eh nicht genommen werden.

Beweislastumkehr

Noch schlimmer: Nicht der angeblich aus den genannten Gründen Diskriminierte muss vor Gericht die Diskriminierung beweisen, er braucht diese nur zu behaupten. Vielmehr muss die Gegenseite beweisen, dass sie nicht diskriminiert hat. Was naturgemäß alles andere als einfach ist.

Das neue Gesetz wird einen bürokratischen Mega-Gau auslösen, nicht nur bei Privatpersonen, sondern auch bei den anschwellenden Überwachungsbehörden. Vor allem trifft dieser Gau Arbeitgeber, Wohnungsvermieter und viele andere. Sie alle sollten dank Leitl künftig von vornherein bei jedem Rechtsgeschäft (vom ersten Telephonat bis zur letzten Besprechung) jeden Schritt zur Gänze so dokumentieren, damit sie sich gegebenenfalls nachher freibeweisen können.

Das werden sie nämlich häufiger müssen, als viele glauben. Denn mit diesem Gesetz bekommen die sogenannten Gleichstellungsbeauftragten noch viel mehr Rechte. Sie werden sich auch als Nichtbeteiligte in fast jedes Rechtsgeschäft und Verfahren einmischen können.

Fast nicht extra erwähnt werden muss, dass über die neue Flut von Gleichbehandlungsregeln natürlich auch eine Reihe von Kommissionen zu wachen hat, natürlich mit „mindestens 50% Frauen“ (warum eigentlich nicht auch eine Schwulen-, Kommunisten-, Alten- und Migrantenquote?). Und in diesen Kommissionen sitzen natürlich dick und fett die Sozialpartner (WKO, ÖGB, AK, Industriellenvereinigung) sowie zwei SPÖ-Ministerien, nämlich Sozialministerium und Bundeskanzleramt (=Frauenministerium).

Diese Zusammensetzung der Kommissionen ist wohl die taktische Sollbruchstelle, damit die ÖVP noch ein unbedeutendes Detail ändern kann: Da wird dann halt ein rotes durch ein schwarzes Ministerium ersetzt und die ÖVP kann behaupten, das Schlimmste verhindert zu haben.

Die frechste Lüge in dem Hundstorfer-Entwurf findet sich aber in den Erläuterungen. Dort wird nämlich glatt behauptet, dass durch dieses Gesetz keine zusätzlichen Kosten entstehen. Dabei haben diese Gleichstellungsbeauftragtinnen schon in den letzten Jahren jede Menge Sand in alle möglichen Institutionen streuen können. Insbesondere bei den Universitäten gelang ihnen dies, deren Niveauverlust durchaus auch (auch! Natürlich nicht alleine) „Verdienst“ dieser Politkommissarinnen ist.

Wenn schon nicht Lüge, so zumindest eine naive Selbsttäuschung sind ferner die folgenden Behauptungen des Sozialministers in den Erläuterungen: Es werde „nicht mit einem erheblichen Anwachsen“ der Verfahren gerechnet; es werde zu einer „Erhöhung der Kaufkraft der einzelnen Haushalte“ kommen. Natürlich wird dafür kein einziger Beweis angeführt; das wäre mangels der Existenz eines solchen auch ziemlich schwer. Denn in Wahrheit wird dieses Gesetz den Wirtschaftsstandort Österreich schädigen. Für so manche Unternehmer wird es der letzte Anlass sein, die Tätigkeit in Österreich aufzugeben.

WKO-Aufforderung zum Lügen

Apropos Lüge: Was bekam eine Unternehmerin in der WKO zur Antwort, als sie ihre Sorgen ob des neuen Gesetzentwurfs deponierte? Sie möge einfach die Unwahrheit sagen. Also dass sie leider ausgebucht sei, und daher den Interessenten nicht nehmen könne, obwohl sie so gerne mehr Schwule/Moslems/Kommunisten unter ihren Kunden hätte . . .

Der Zynismus dieses Ratschlags übertrifft wohl den Hundstorfers noch bei weitem. Lügt nur ordentlich, dann tut euch das neue Gesetz eh nicht weh.

Zusätzlich sind viele Vokabel des Gesetzes auch völlig undefinierbar. Und damit völlig unbrauchbar:

Was etwa ist sexuelle Orientierung genau? Gehört da nicht auch Prostitution in all ihren Formen dazu? Päderasten? Freunde der Sodomie, des Exhibitionismus, des lautstarken Sexualverkehrs, des Sadomasochismus? Wie werden Richter den Gummi-Begriff eines „angemessenen und erforderlichen“ Kriteriums interpretieren, bei dessen Zutreffen man doch noch dem neuen Kontrahierungszwang entgehen könnte (was aber natürlich erst lange nachher festgestellt werden kann)? Wie definiert sich der Begriff „Weltanschauung“? Wo ist deren Grenze zu einer Geistesverwirrung? Ist der Glaube an die Hundert jenseitigen Jungfrauen als Lohn für einen Mord als Weltanschauung/Religion geschützt? Wie ist es mit dem Lob für Sexualverkehr mit Neunjährigen? Wie ist es mit dem Glauben an die netten Marsmännchen, die Kreise in Felder pflügen?

Es wird in Wahrheit nach Realisierung des Gesetzes keinerlei Schutz dagegen geben, dass man künftig jeden Fundamentalisten, jeden Wahnsinnigen, jeden Extremisten als Mieter oder Mitarbeiter aufnehmen muss, solange dieser nicht strafrechtlich verurteilt oder besachwaltert ist. Alle andere Haltungen und Einstellungen sind ja problemlos als erlaubte Religion oder Weltanschauung darstellbar.

Bestimmte Gruppen sollten sich daher schon jetzt um einen guten Strafverteidiger umschauen – oder die Auswanderung in einen Rechtsstaat vorbereiten. Denn bekanntlich provozieren die Lobbyisten der verschiedensten – angeblich verfolgten – Gruppen wie der Homosexuellen gerne Anlässe, um ihre Gesinnung auch durch einen öffentlichen Gerichtsprozess propagieren zu können.

Besonders gefährdete Exempel

  • Ein jüdischer Hotelbesitzer, der keine Lust hat, einen Ball einer Burschenschaft in seinem Haus aufzunehmen.
  • Eine katholische/jüdische/islamische Partnervermittlungsagentur, die sich auf das Zusammenführen von Menschen des gleichen Glaubensbekenntnisses spezialisiert hat.
  • Ein Wohnungsbesitzer, der nicht an eine Antifa-Gruppe vermieten will.
  • Eine einst vor den osteuropäischen Kommunisten geflohene Familie, die ihre Wohnung nicht an einen KPÖ-Funktionär vermieten will.
  • Ein Paar, dessen Tochter durch eine radikale Sekte völlig entfremdet worden ist, das daher nichts mit einem Angehörigen dieser Sekte als Mieter oder Mitarbeiter zu tun haben will.
  • Ein evangelikaler Graphiker, der keine Lust hat, die explizit gehaltene Einladung zu einer schwulen Verpartnerung zu gestalten (oder die Photographin, der Tortenbäcker usw. bei gleicher Gelegenheit).
  • Der Rechtsanwalt, der keinen Fundamentalisten vertreten mag.
  • Der christlich orientierte PR-Spezialist, der nicht für eine Abtreibungsklinik arbeiten will.

In keinem einzigen dieser Beispiele geht es darum, dass der abgewiesene Vertragspartner etwa Probleme hätte, anderswo Anwalt/PR-Agentur/Bäcker/Graphiker/Hotels zu finden. Daher gerät niemand durch eine Abweisung in einen Notstand. Das wäre nur dort der Fall, wo eine Monopol- oder Quasi-Monopol-Situation besteht, etwa bei ÖBB oder anderen Verkehrslinien, etwa wenn es spätabends kein anderes erreichbares Hotel gibt.

Es geht also keineswegs um den Schutz von irgendwelchen armen Minderheiten in Not. Es geht eindeutig darum, dass aggressive Minderheiten eine gesetzliche Waffe haben, um Provokationen zu organisieren. Es geht um die Abwehr eines gigantischen Umerziehungsprojekts (gegen das sich die unerträgliche Sprachzerstörung der letzten Jahre durch Binnen-I und Schrägstriche noch harmlos ausnehmen wird). Es geht letztlich um das, wofür die Österreicher 1848 oder 1955 gerungen haben: um die Freiheit. Oder zumindest um deren letzten Reste.

Britische Exzesse

Wer das alles für übertriebene Ängste hält, der möge sich anschauen, welche Exzesse seit kurzem in Großbritannien toben, wo Labour ein ähnliches Gesetz in Kraft gesetzt hat:

  1. Da wurde ein Strafprozess eingeleitet, weil ein fetter Mensch als „fett“ bezeichnet worden ist (nicht nur ein bloßes Ehrenbeleidigungsverfahren).
  2. Da ist ein altes christliches Ehepaar, dass sich geweigert hat, an ein schwules Paar ein Zimmer mit einem Doppelbett zu vermieten, so intensiv verfolgt worden, bis die zwei Alten am Schluss ihre ganze Fremdenpension verloren haben.
  3. Da mussten katholische Adoptions-Vermittlungsagenturen zusperren, weil sie ihnen anvertraute Kinder nur an katholische Eltern vermitteln wollten.
  4. Das gleiche Schicksal droht jeder solchen Agentur, wenn sie sich weigern sollte, Kinder an schwule Paare zu vermitteln.
  5. Da wird von britische Gleichbehandlungskommissionen auch schon dagegen gekämpft, dass überhaupt christlichen Eltern, welche in der Regel Homosexualität ablehnen, Kinder zur Pflege übergeben werden.
  6. Da wurde ein Bischof verurteilt, weil er es abgelehnt hat, einen schwulen Mann für eine Kinderbetreuungseinrichtung anzustellen.
  7. Da wurden einem christlichen Altersheim von der Regionalverwaltung folgende Vorbedingungen für die solchen Heimen zufließende Unterstützung abverlangt:
    Statistiken über die sexuelle Orientierung seiner (17!) Insassen vorzulegen (die alle über 80 oder 90 Jahre alt sind);
    Photographien von gleichgeschlechtlichen Paaren in seine Prospekte aufzunehmen;
    ausdrücklich die Akzeptanz solcher Beziehungen zu verlautbaren;
    homosexuelle Veranstaltungen in der Nachbarschaft anzukündigen;
    und die Mitarbeiter einem (Propaganda-)Training zum Thema Homosexualität unterziehen zu lassen.
    Das Heim gewann zwar letzten Endes nach Einschaltung der Medien den Streit, blieb aber auf seinen Kosten sitzen, während die Behörde auf der Gegenseite Steuergeld verwenden konnte.
  8. Da droht sämtlichen sozialen Einrichtungen der britischen Kirchen der Entzug staatlicher Mittel, wenn sie nicht beginnen, aktiv Propaganda für Homosexualität zu machen (das wird zwar in Österreich den Linksaußen Landau, Küberl und Chalupka wohl keine Probleme machen, aber vielleicht dem Rest der Kirchen).
  9. Da wird den Schulen verboten, „gender-spezifische Kleidung“ für die Schuluniformen vorzuschreiben, also etwa Hosen beziehungsweise Röcke.
  10. Da hat zumindest eine britische Lokalverwaltung VOR der Vermietung einer Wohnung die „sexuelle Orientierung“ der Mietwilligen erfragt. Als Grund wurden „Beobachtung“ angegeben.
  11. Einer christlichen Kirche wurde eine Publikation verboten, in der dem Christentum der Vorzug gegenüber dem Islam gegeben wurde. Diese Publikation wurde zwar nach einem längeren Rechtsstreit doch noch erlaubt, aber die Behörde sieht sich weiter im Recht, dass solche Publikationen als „Hass-Delikt“ verboten werden sollten.
  12. In Großbritannien kostet die Steuerzahler allein das Sammeln von Daten zum „Equality Act“ und deren Publikation eine satte zweistellige Millionensumme (aber die WKO-Mitglieder zahlen ja nicht nur gerne ihren Zwangsbeitrag, sondern auch alle Steuern).
  13. Da wurde ein Hotelierspaar nach einer Diskussion mit einer muslimischen Frau sogar eingesperrt. Ein islamischer Verein hat dem Paar vorgeworfen, durch seine in der Diskussion gefallenen Äußerungen ein Hass-Delikt begangen zu haben. Das Paar wurde zwar letztlich freigespochen, weil nach Ansicht des Gerichts der Dialog völlig zivilisiert war. Aber Haft und Verfahren führten zu einem solchen Umsatzrückgang, dass das Hotel gesperrt werden musste.

Das sind nur einige britische Beispiele. Das neue Gesetz führt nicht immer zu Verurteilungen, es gibt aber linken Behörden jede Menge von Möglichkeiten in die Hand, um Andersdenkende zu verfolgen.

Aber die einst christliche ÖVP schweigt bei uns trotz des abschreckenden britischen Beispiels gegen die Öffnung der Tore für neue Christenverfolgungen. Aber die einst liberale ÖVP schweigt gegen die roten Absichten einer massiven Freiheitsbeschränkung. Aber die einst mutige ÖVP hat ja offensichtlich auch dem Sozialminister schon erlaubt, dass er dem (inzwischen zum Glück hängengebliebenen) EU-Richtlinienentwurf zum gleichen Thema zugestimmt hat. Hängt dieses Schweigen vielleicht gar damit zusammen, dass auch dort schon bis hin in Ministerbüros die Schwulen-Lobby Schlüsselpositionen erobert hat, die ja zur Propagierung ihrer „Orientierung“ auch vor dem Einsatz der Gerichte nicht zurückschreckt?

Ob Michael Spindelegger noch einen Kurswechsel, also ein klares und lautes Nein schafft? Viel Führungskraft scheint er ja nicht mehr zu haben. Und im konkreten Falls müsste er ja sogar einen Leitl desavouieren . . .

 

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Basken, Katalanen, Schotten: Die Imperien und die Freiheit drucken

Im Baskenland haben separatistische Parteien klar die Regionalwahl gewonnen. Darauf ist in Spanien – das ohnedies viele andere Sorgen hat – Katastrophenstimmung ausgebrochen. In Wahrheit grundlos.

Basken wie Katalanen wollen nicht mehr mit Spanien verbunden sein. Für die in Madrid regierende Rechtspartei droht damit die Welt unterzugehen. Sie will die Sezession mit allen Mitteln verhindern. Wobei völlig unklar bleibt, ob darunter am Ende sogar auch militärische Mittel zu verstehen sind. Der spanische Nationalismus ist jedenfalls so groß, dass selbst ein neuer Bürgerkrieg nicht auszuschließen ist, um Sezessionen zu verhindern.

Gewiss spielen beim Sezessionswunsch und bei dessen Gegnern auch ökonomische Argumente eine Rolle. Die beiden trennungswilligen Regionen zahlen mehr in die gesamtspanischen Kassen ein, als sie herauszubekommen glauben. Aber primär geht es um spanischen wie regionalen Stolz, um Emotionen, um Ehre, um Geschichte. Dabei hätte die derzeit regierende Rechtspartei durch eine Sezession sogar Vorteile: Sie würde viel sicherer bei Wahlen reüssieren, wenn die primär mit den Sozialisten koalitionswilligen Sezessionisten aus dem spanischen Parlament ausscheiden sollten.

Aber in Wahrheit sind all diese Argumente läppisch. Es gibt überhaupt keinen zwingenden Grund, weshalb ganze geschlossene Regionen nicht das Recht auf einen eigenen Staat haben sollten. Noch dazu, wenn sie sich sprachlich mehr (Basken) oder weniger (Katalanen) vom restlichen Staat unterscheiden.

Nach einer solchen Trennung stehen die einzelnen Teile nämlich oft viel stabiler da. Die angestrebte Größe eines Staates ist in Wahrheit meist nur eine Last. Das haben die Österreicher am Beginn des letzten Jahrhunderts mit vielen Schmerzen gelernt. Das haben die Tschechen und Slowaken am Ende desselben Jahrhunderts überraschend schnell und leicht gelernt. Etwas mühsamer, aber letztlich ebenso unvermeidlich, positiv und notwendig war die Neugestaltung des ehemaligen Jugoslawiens und der ehemaligen Sowjetunion.

Wenn Völker auf keinen Fall mehr miteinander leben wollen, dann soll man sie nicht dazu zwingen. Und es ist absolut unverständlich, dass weder EU noch Menschenrechtskonvention noch UNO das Recht auf Unabhängigkeit einzelner Völker vorsehen. Geschweige denn, dass sie einen geordneten rechtlichen Weg zur Ausübung der Selbstbestimmung eröffnen würden. Sie sehen jede noch so zufällig oder gewaltsam gezogene Grenze als heilig an.

Klar sollte aber auch sein: Für eine Sezession muss es gewiss mehr als eine momentane Stimmung brauchen. Nötig ist neben detaillierten Trennungsverhandlungen und -verträgen vor allem eine Volksabstimmung. Wobei durchaus qualifizierte Anforderungen sinnvoll wären – etwa ein doppeltes Referendum, wobei es mindestens ein oder zwei Jahre Abstand zwischen zwei Wahlgängen geben muss, - oder ein Mindestquorum.

Aber es ist jedenfalls Tatsache, dass niemand ernsthaft von einer Herrschaft des Rechts in Europa reden kann, solange nationalistische Zentralregierungen ganze Regionen wie ein Kolonialvolk unterjochen können und niemand etwas dagegen unternehmen kann. Außer er riskiert als Revolutionär und Verfassungsbrecher Kopf und Freiheit.

Interessant ist, dass ausgerechnet die größte ehemalige Kolonialmacht, nämlich Großbritannien, da geistig schon weiter ist. Sie ermöglicht ihren einzelnen Teilen ganz offiziell die Sezession, ob das nun Nordirland oder Schottland ist. Interessant ist aber, dass insbesondere die schottischen Nationalisten an Zuspruch verlieren, seit der Weg zur Unabhängigkeit offen erscheint. Es ist also auch durchaus möglich, dass es etwa die Katalanen letztlich dann doch nicht so ernst meinen. Denn natürlich kostet Sezession etwas: Vom Aufbau eigener Regierungs- und Gesetzesstrukturen bis hin zur Entlohnung eigener Diplomaten.

Das größte Problem stellt eine Sezession aber für die EU dar: Denn dort weiß niemand, wie man eigentlich damit umgehen soll. Insbesondere auch deshalb, weil die EU-Verfassung eine massive Bevorzugung der kleinen Staaten vorsieht. Vor allem das EU-Parlament ist absolut undemokratisch zusammengesetzt. Dort muss beispielsweise jeder deutsche Parlamentarier mehr als zwölf Mal so viele Wähler vertreten wie einer aus Malta.

In dieser Frage herrscht längst aus vielen Gründen dringender Handlungsbedarf – aber eben auch deswegen, damit klar wird, dass ein etwa in drei Teile zerfallenes Spanien nicht plötzlich weit mehr Abgeordnete ins EU-Parlament entsenden kann als heute. Bekämen die künftigen Teile aber keine zusätzlichen Vertreter, wären sie wiederum gegen andere gleichgroße Mitgliedsstaaten benachteiligt. Aber daran darf der Freiheitsdrang von Basken&Co nicht wirklich scheitern – sondern nur daran, dass er möglicherweise nicht ernsthaft genug ist, auch alle Nachteile der Unabhängigkeit zu tragen.

 

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Waffenregistrierung: Tatsächlich im Sinne der Sicherheit? drucken

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! Dieses Motto haben die Führer der EU tief verinnerlicht. Wie schon der mutmaßliche Urheber dieses Zitats, der Bolschewik Lenin, sind auch sie davon überzeugt, es mit unmündigen Narren zu tun zu haben, die man keinen Schritt tun lassen sollte, ohne sie dabei zu überwachen. In der Hauptstadt Großbritanniens, die einstmals ein Hort der Freiheit war, befindet man sich heute auf Schritt und Tritt im Visier von Überwachungskameras. George Orwells düstere Phantasie „1984“ ist dort längst Wirklichkeit geworden.

Selbstverständlich hält es der Leviathan auch für geraten, die Finanzgebarung seiner Untertanen zu überwachen. Ein Bankgeheimnis, so werden wir belehrt, nutzt nur Drogendealern und Waffenschiebern. Die Beträge von Bargeldtransaktionen werden limitiert: In Belgien mit derzeit 5.000,- Euro und in Italien mit gar nur 1.000,- Euro. Jede größere Transaktion wird elektronisch kontrolliert. Mehr als 10.000,- Euro seines sauer verdienten Geldes über eine Grenze zu tragen, ist nur dann erlaubt, wenn man zuvor der Zollbehörde Meldung erstattet. Angeblich wegen leidiger Probleme mit „Schwarzgeld“, „Steuerbetrügern“ und „Geldwäsche“. Mit Überwachung, so wird uns von den Obertanen versichert, hat all das natürlich nicht das Geringste zu tun. Es dient nur rechtstreuen Bürgern, die vor jenen geschützt werden sollen, die sich nicht an Regeln und Gesetze halten.

Klar, dass der Staat, dessen Ziele nur auf Grundlage der Ausübung von Gewalt gegen seine eigenen und gegen fremde Bürger verwirklicht werden können (ein Umstand, dessen sich die wenigsten Zeitgenossen bewusst sind), privatem Waffenbesitz mit besonderem Misstrauen begegnet. Ein Monopolist schätzt Konkurrenz nicht. Ziel ist daher die Entwaffnung rechtstreuer Bürger. Jede in den letzten 30 Jahren erfolgte Änderung der Waffengesetze diente allein diesem Zweck. Die Registrierung des derzeit noch nicht amtlich erfassten „Altbestandes“ ist ein weiterer logischer Schritt in dieser Richtung. Schließlich wird damit die Grundlage für eine nachfolgende Konfiskation geschaffen (wie das – zumindest in Kakanien – im Falle von „Pumpguns“ und „Kriegswaffen“ schon praktiziert wird: Diese sind explizit von einer Eigentumsübertragung unter Lebenden und der Vererbung ausgeschlossen).

Zehntausendschaften mittelbar oder unmittelbar von Steuergeldern lebender Intellektueller und Journalisten sind damit beschäftigt, jeden geeignet erscheinenden Anlass dazu zu nutzen, um gegen den privaten Waffenbesitz (wie allerdings auch gegen jede andere Form uneingeschränkten Privateigentums) zu polemisieren.

So werden Jäger gerne in die Nähe der Tierquälerei gerückt; Sportschützen immer wieder als schießwütige Narren dargestellt und jene Bürger, die auf ihrem Recht zur Selbstverteidigung bestehen, einer paranoiden Grundstimmung und eines abscheulichen Hangs zur Selbstjustiz verdächtigt. Diese unablässige Wühlarbeit trägt Früchte: Dass für die Gesamtzahl der in einer Gesellschaft verübten Gewaltverbrechen gerade jene Waffen so gut wie keine Rolle spielen, deren Besitz auf gültigen Rechtstiteln gründet, wird ignoriert. Die simple Feststellung „Ein Privater braucht keine Waffe“ ersetzt jede ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema.

Waffenbesitz – der beste Schutz gegen das Gewaltmonopol

Am Ende geht es darum, das staatliche Monopol zur Ausübung bewaffneter Gewalt sicherzustellen und rigoros durchzusetzen – allerdings nur gegen rechtschaffene Bürger. Hoheitliche Kontrolle, Regulierung, Schnüffelei, Enteignung und Unterdrückung richtet sich ja niemals gegen (organisierte) Kriminelle, die sich zu keiner Zeit je um Gesetze geschert haben und von deren Waffenarsenalen die Behörden folglich keinen blassen Schimmer haben; sondern ausschließlich gegen jene staatsgläubigen Träumer, die – trotz serienweise widriger Erfahrungen – immer noch davon überzeugt sind, es mit einem „Rechtsstaat“ zu tun zu haben, der ihnen die Grundlage für ihr Leben in Freiheit und Sicherheit garantiert.

Dass Kriege, Unterdrückung von und Massaker an (ethnischen) Minderheiten, Folter von Systemabweichlern und Unrechtsjustiz stets ein Werk des Staates und dessen bewaffneter Büttel waren und sind, wird aus dem Bewusstsein getilgt. Kein auf eigene Rechnung und persönliches Risiko tätiger Gewaltverbrecher hat je auch nur annähernd Unheil in einem Ausmaß über seine Mitmenschen gebracht, wie staatliche Gewalt es stets getan hat – und weiterhin tut.

Um wie viel effizienter hätten beispielsweise die in der Vergangenheit von nationalen und internationalen Sozialisten begangenen Gräuel ausgeführt werden können, wenn schon damals die Möglichkeiten der modernen Elektronik zur Verfügung gestanden wären? Nicht auszudenken! Wer aber möchte seine Hand dafür ins Feuer legen, dass derartige Untaten niemals wieder vorkommen können – heute nicht mehr im Namen von Klassen- oder Rassenwahn, sondern z. B. der Klimahysterie wegen?

An dieser Stelle sei auch an die Gewaltausbrüche in mehreren englischen Städten im zurückliegenden Jahr erinnert. Viele Fahrzeug- und Ladenbesitzer erlitten damals hohe Verluste. Schlimme Unruhen und Gewalttaten im Zusammenhang mit der sich verschärfenden Schuldenkrise sind auch in Mitteleuropa nicht mehr auszuschließen. Das möglicherweise auf uns Zukommende ist in Griechenland und Spanien schon Realität. Besonders weit ist es am Ende nicht her mit dem Sicherheitsversprechen des Gewaltmonopolisten – besonders dann nicht, falls es so weit kommt, dass bewaffnete Staatsschergen sich mit dem randalierenden Pöbel solidarisieren…

Möchte man in einer solchen Lage Leib, Leben, Sicherheit und Besitz vollständig von der Willkür Dritter abhängig wissen? Wäre es nicht doch besser, sich in höchster Not selbst helfen zu können?

Ob man sich der Gefahr aussetzen möchte, im Fall des hoffentlich nie eintretenden Falles völlig wehrlos dazustehen, weil man seinen rechtmäßig erworbenen Besitz willfährig einer Behörde gemeldet hat, die ihr auf diese Weise erlangtes Wissen ausschließlich zum Schaden der Bürger nutzen wird, hat jeder Betroffene bis Juni 2014 selbst zu entscheiden.

Staatsgründer und Verfassungsvater Thomas Jefferson, ein Mann, der es wissen musste, meinte: „Der wichtigste Grund für die Menschen, ihr Recht zu behalten, Waffen zu tragen ist, als letzter Ausweg, sich vor der Tyrannei der Regierung zu schützen.“ Der Satz gilt heute – über 200 Jahre später – mehr denn je!

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Zwischen Triumph und Waterloo: Ein liberales Vierteljahrhundert drucken

Mit einem Vortrag des kritischen und unbequemen Philosophen Rudolf Burger feierte der Club Unabhängiger Liberaler seinen 25. Geburtstag. Das löste tiefgehende Reflexionen und Diskussionen über das Wesen des Liberalismus aus.

Mit der Frage, ob 1989, als der Realsozialismus in der Sowjetunion zusammenbrach, eine „welthistorische Fundamentalentscheidung“ zugunsten des liberalen Gesellschaftsmodells getroffen worden sei, begann Burger seine Ausführungen. Er antwortete darauf zunächst mit einem Zitat von Alexandre Kojève, der 1946 gemeint hatte, dass nach Friedrich Hegels Tod im Jahre 1831 lediglich Interpretationen seiner Welterklärung, linke wie rechte, erfolgt wären, weiter aber gar nichts. Der berühmte Aufsatz Francis Fukuyamas vom „Ende der Geschichte“, wäre demnach nur eine Fortsetzung dieser Überlegung gewesen.

Realpolitisch sei die These Fukuyamas „grotesk“. So etwas wie einen „Endpunkt der politischen Entwicklung“ könne und werde es nie geben. Geistesgeschichtlich allerdings sehe die Sache anders aus. In der Tat sei weit und breit keine neue Idee in Sicht, die über ausreichende Kraft verfüge, um einer neuen „Massenbewegung“ eine gedankliche Basis zu bieten. Burger meinte, dass „alles schon einmal da gewesen“ sei und in der einen oder anderen Form wiederkehren werde. Insbesondere sei denkbar, verschiedene Faschismen erneut zu erleben, da „der Faschismus sein Potential noch nicht völlig ausgeschöpft“ habe.

Heute lasse sich, unter Berücksichtigung der historisch bedingten Veränderungen, die den Begriffsinhalt des Liberalismus ausmachten, durchaus von dessen „Triumph“ über seinen sozialistischen Herausforderer sprechen.

„Nun zum Waterloo: Wir befinden uns in der Krise. War das also tatsächlich ein liberales Vierteljahrhundert, welches hinter uns liegt?“ Er, Burger, meine nein. Zwar bestehe ein offensichtlicher Unterschied zwischen der „liberalen Massendemokratie“ und totalitären Systemen. Allerdings habe dieses „westliche“ System mit dem klassischen Liberalismus kaum mehr etwas gemeinsam. Dieser habe zwar zu einer unerhörten Steigerung des allgemeinen Wohlstands geführt, wäre aber eben auch „rassistisch“ (ein Produkt des Kolonialismus) und „machistisch“ gewesen, habe großen Teilen der Bürgerschaft (z. B. den Frauen) kein politisches Wahlrecht eingeräumt und habe auch mit den Menschrechten nicht viel am Hut gehabt.

Politische Großbegriffe würden sich immer (auch) über ihre Gegner definieren. In reiner Form wären Konservativismus, Liberalismus und Sozialismus zuletzt im Revolutionsjahr 1848 zu sehen gewesen. Damals hätten alle drei klar voneinander unterscheidbare Handlungskonzeptionen geboten, die seither stark verwaschen worden seien – insbesondere durch das Aufkommen des Bürgertums.

Liberale würden heute oft als „Rechte“ oder „Konservative“ punziert. Nichts könne weiter von der Realität entfernt sein, da der (klassische) Liberalismus alles andere als eine bewahrende Ideologie gewesen sei. Während das konservative Weltbild von mittelalterlich-feudalistischen Vorstellungen geprägt sei, in der jeder seinen fixen und unverrückbaren Platz in der Gesellschaft einnehme, würde der Liberalismus die Gesellschaft dauerhaft „dynamisieren“. Nicht der durch Geburt erlangte Status wäre für ihn relevant, sondern die individuelle Position durch freie Übereinkunft. Liberale und Konservative stünden demnach weit voneinander entfernt.

Die allgemeine Umwertung der Begriffsinhalte sei u. a. daran zu erkennen, dass man im Jahre 1989 Helmut Kohl als „konservativ“, Michail Gorbatschow aber als „progressiv“ eingestuft habe. Für die politische Verortung verschiedener Akteure seien althergebrachte Begriffe offensichtlich nicht mehr zu gebrauchen. „Konservative“ gäbe es seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (dem Triumph des Bürgertums), spätestens aber seit der Reichsgründung 1871 schlicht nicht mehr.

Auch mit dem Liberalismus sei es mit der „Entdeckung der Armen als Konsumenten“ bergab gegangen. So seien etwa „Frauenwahlrecht und Homoehe“ definitiv keine Anliegen des klassischen Liberalismus gewesen. Weltbild und Selbstverständnis hätten sich durch die „Verschmelzung von Bürgertum und Proletariat“ dramatisch verändert. Die Klassenkategorien von Karl Marx würden demnach längst nicht mehr greifen.

Burgers These: Der Liberalismus habe anno 1989 zwar gewonnen – allerdings in einer derart veränderten Form, dass er mit seinen Wurzeln nichts mehr gemein habe. Eine massendemokratische Gesellschaft habe mit einer liberalen Gesellschaft eben kaum etwas zu tun. Wir lebten, so Burger, heute in einem System des „privatisierten Keynesianismus“: Nicht allein die Staaten würden sich hemmungslos verschulden, sondern auch Private (siehe die Immobilienblasen in den USA und in Spanien). Der „Überhang an Liquidität“ führe zu einer Verstärkung des Kurzfristdenkens, da langfristige Planungssicherheit verloren gehe.

Seiner Meinung nach werde es, mangels attraktiver Alternativen, „in kapitalistischer Form weitergehen.“ Künftige Auseinandersetzungen würden sich auf Fragen von „wie viel Staat?“ und das „Ausmaß staatlicher Interventionen“ konzentrieren. Im Übrigen sei schließlich auch der klassische Liberalismus niemals „staatsfeindlich“ gewesen, sondern habe – ganz im Gegenteil – geradezu als der Schöpfer des modernen Staates gewirkt.

Anschließende Debatte

In der anschließenden Diskussion ging es u. a. um Alternativen zur Massendemokratie – etwa in Form der von den „Anarchokapitalisten“ favorisierten Idee einer staatsfreien Privatrechtsgesellschaft. Burger hält diese deshalb für utopisch, weil sie auf einem „positiven, Locke´schen Weltbild“ basieren würde. Der Mensch aber sei nicht immer „gut“, sondern oft „gefährlich“. Deshalb bedürfe es eines Frieden sichernden Gewaltmonopols. Es komme allerdings darauf an, mittels ausbalancierter Gewaltenteilung dafür zu sorgen, dass es zu keiner extremen Machtsakkumulation in den Händen Weniger kommen könne.

Der Klimabewegung messe er keine Bedeutung von einer Qualität zu, die es ihr erlauben würde, Sozialismus oder Liberalismus zu „ersetzen“. Ihr „totalitärer Charakter“, die Verabsolutierung der Notwendigkeit zur Verhinderung des Klimawandels, sei allerdings unübersehbar.

Die immer weiter reichende Regulierung aller (privaten) Lebensbereiche durch nationale und supranationale Bürokratien würde ihn mit Sorge erfüllen. Wir erlebten dadurch das, was er „Mikronormierung des Alltags“ nenne. Damit sei leider auch eine drastische Vermehrung des Typs des „Sykophanten“ verbunden.

„Transzendentale Obdachlosigkeit“ sei ein Massenphänomen unserer Zeit. Der Mensch bedürfe indes einer Richtschnur. Sei ihm die Religion verloren gegangen, so bedürfe er zur Identifikation eben einer Ideologie.

„Gerechtigkeit“ bedeute „jedem das Seine“, nicht aber „jedem das Gleiche“.

In einer im Zusammenhang mit dem laufenden parlamentarischen Untersuchungssausschuss abgeführten Debatte mit Peter Pilz von den Grünen habe er diesem mitgeteilt: „Ich verabscheue Korruption, aber Moralisten machen mich schaudern.“

Im Zuge des Vortrags und der Debatte wurden einige Buchempfehlungen ausgesprochen, die an dieser Stelle angeführt seien:

Margret Boveri „Der Verrat im 20. Jahrhundert"
http://books.google.at/books/about/Der_Verrat_im_20_Jahrhundert.html?id=IekSAQAAMAAJ&redir_esc=y 

C.S.Lewis „Der innere Ring"
http://www.gomeck.de/lewis-innerering.html oder (engl. download: http://johnrepici.com/Misc/TheInnerRing.pdf)

Josef H. Reichholf „Eine kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends" und „Warum die Menschen sesshaft wurden: Das größte Rätsel unserer Geschichte"
http://www.amazon.de/Josef-H.-Reichholf/e/B001JOZJMU

Terry L. Anderson & Peter J. Hill “The Not So Wild, Wild West: Property Rights on the Frontier”
http://www.amazon.com/The-Not-Wild-West-Economics/dp/0804748543

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Drei Jahre und kein bisschen leise: Das Tagebuch dankt drucken

Ohne großen Weihrauch und Raketen sei kurz angemerkt: Das Tagebuch ist soeben drei Jahre alt geworden.

Und es hat auch nach Veröffentlichung der ersten mehr als 3000 Eintragungen nicht die geringste Absicht, leiser zu treten. Sondern es will auch künftig täglich den Mächtigen auf die Zehen treten – vor allem dort, wo die Mainstream-Medien Dinge übersehen, selbst Mittäter sind oder auf dem linken Auge zeitgeistige Scheuklappen tragen. Das Tagebuch hofft, auch in Zukunft bisweilen den einen oder anderen Erfolg erzielen zu können, wenn es gelingt, zumindest einige Dummheiten abwenden zu können. Es wird sich bemühen, auch Lobenswertes nicht zu übersehen.

Es wird auch weiterhin eine Analyse-, Reflexions- und Diskussionsbasis für alle jene sein, denen Meinungsfreiheit, Ordoliberalismus, öffentliche Sparsamkeit, Zurückdrängung der Staatsallmacht, saubere Wissenschaft, Leistung, Sicherheit, Familien, gute Schulen, die Abwehr von Political correctness  und Islamismus sowie die Bewahrung der österreichischen Identität wichtig sind, samt all ihren kulturellen Wurzeln von der Antike über das Christentum bis zur Aufklärung. Das Tagebuch wird hoffentlich auch in Zukunft Attacken von Hackern ebenso wie Unterstellungen und Beschimpfungen aushalten.

Und es wird vor allem von einer hoffentlich weiter steigenden Anzahl von Abonnenten partnerschaftlich am Leben gehalten werden. Womit es ein lebendiges Substitut für die bedauerliche Tatsache ist, dass weder ein Verlag noch sonst jemand das nötige Geld dafür in die Hand zu nehmen bereit ist, dass es endlich auch in Österreich wieder ein liberalkonservatives Printprodukt gibt.

Dafür aber allen Partnern umso mehr ein ehrliches Dankeschön. Und auch den vielen Helfern und Tippgebern im Hintergrund.

 

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Europa braucht Eliten – sie sind seine letzte Chance drucken

Europa steht in einem gewaltigen Wettbewerb. Von Indien bis China haben Milliarden Menschen in großen und kleineren Ländern die jahrzehntelange Selbstbeschädigung durch sozialistische Experimente aufgegeben und machen Europa nun durch beinharten Kapitalismus Konkurrenz. Die europäische Schuldenkrise ist nur ein Symptom, wie sehr der alte Kontinent in diesem Wettkampf zurückfällt und nun schon sehr alt aussieht.

Die Nationen auf der Überholspur machen das Gegenteil von dem, was in Europa die Debatte dominiert: Sie schimpfen nicht auf die Globalisierung wie viele europäische „Intellektuelle“, sondern sie nutzen diese. Sie zentralisieren politische Entscheidungen nicht, wie es auch von der deutschen Bundeskanzlerin verlangt wird, sondern geben diese Schritt für Schritt frei. Sie vergemeinschaften nicht Haftungen, Schulden, Kontrollen, wie es die EU tut, sondern lassen regionalen Entscheidungen viel Platz. Sie führen keine Kampagnen gegen die Reichen. Sie halten den Wohlfahrtsstaat nicht mehr wie in ihren sozialistischen Jahren für ein erstrebenswertes Ziel, sondern für ein Entwicklungs-Hindernis, das möglichst klein gehalten werden muss.

Sie ermöglichen solcherart seit rund zwanzig Jahren einem ständig wachsenden Anteil ihrer Bürger Wohlstand und Lebensqualität.

Muss man da die Zukunft Europas angesichts des Zurückfallens hinter diese Konkurrenz nicht schon als rettungslos verloren ansehen? Überalterung, Überschuldung, Islamisierung, die höchsten Steuern, die dichtesten Regulierungen, die schwersten Soziallasten, die teuersten Löhne: All das lässt rasch einen großen Defätismus unter den Bürgern Europas wachsen.

Hohe Steuern führen zum Brain drain

Auch wenn man sich diesem Defätismus (noch) nicht anschließen will, so muss man doch alle relevanten Signale beachten und richtig deuten. Einer der bedrückendsten Aspekte ist der Brain drain. Während nach Europa und zu seinen üppigen Sozialleistungen weiterhin in großen Zahlen Menschen ohne Bildung zuwandern – etwa unter dem Vorwand einer Familienzusammenführung –, ziehen immer mehr Universitätsabsolventen und unternehmerische Menschen aus den EU-Ländern weg. Das ist besonders bitter, weil die jungen Menschen in den meisten Staaten Europas fast gratis studiert haben, in manchen überhaupt gratis. Das bedeutet: Talentierte Menschen werden hier teuer ausgebildet und stellen durch ihre Auswanderung eine lebende Entwicklungshilfe etwa an die USA oder Kanada, an die Schweiz oder Australien dar.

Besonders pervers: Ein Hauptgrund für die Emigration ist das hohe Niveau der Steuern und Abgaben in den EU-Ländern. Diese sind aber gerade deshalb so hoch, damit Schule und Studien gratis sein können. Das ist ein Regelkreis, der unweigerlich zum Kurzschluss führen muss.

Die wissenschaftlichen und technischen Eliten – zu denen zunehmend auch bestimmte Facharbeiter zählen – sowie unternehmerisch und kreativ denkende Menschen sind aber die entscheidenden Faktoren für die Erhaltung des europäischen Lebensstandards. Mit den immer zahlreicher werdenden Sozialhilfeempfängern, mit schöngeistigen Räsonierern über die Überflüssigkeit von Wachstum und Technik und mit einer Jagd auf jeden Erfolgreichen (=Reichen) wird das hingegen nicht gelingen. Ganz im Gegenteil.

Ohne Patentschutz keine funktionierende Forschung

Der Brain drain hängt noch mit einem weiteren, ebenfalls kaum öffentlich beachteten Faktor zusammen: dem katastrophalen Zustand des europäischen Patentwesens. Denn ein funktionierender Schutz solcher Urheberrechte wäre die Voraussetzung für eine blühende Forschungslandschaft. Ohne ständige Innovationen hätte Europa aber überhaupt keine Chance gegenüber der asiatischen Herausforderung.

Bei der Krise des Patentwesens geht es nicht nur um Dinge wie die erstaunliche Folgenlosigkeit von verheerenden Rechnungshofberichten über das österreichische Patentamt, das zu einer Versorgungsstation für Protektionskinder zu verkommen droht. Noch viel schlimmer ist, dass es nach wie vor kein gemeinsames EU-Patent gibt. Wer daher in allen EU-Ländern einzeln eine Erfindung patentieren will, zahlt nach Angaben des EU-Kommissars Barnier ungefähr tausend Mal so viel dafür wie für ein US-Patent. Das ist natürlich sehr oft absolut unerschwinglich und unrentabel. Und das treibt neben den hohen Steuern weitere kreative Köpfe aus Europa hinaus.

Das gemeinsame EU-Patent scheitert wieder einmal an den EU-typischen Konflikten: Wo soll es angesiedelt sein? Und in welchen Sprachen sollen/müssen Patente abgefasst sein? Da treten die üblichen Eifersüchteleien und Nationalismen zutage. Zwar hat man langsam eingesehen, dass die Übersetzung in 20 oder mehr Sprachen bei komplizierten technischen Texten viel zu teuer wäre. Aber wenn neben Englisch als meist verstandener und in der Technik total dominierender Sprache und eventuell Deutsch als verbreitetster Muttersprache auch für Französisch, Spanisch und Italienisch Gleichberechtigung gefordert wird, bleibt das Projekt zwangsläufig sofort wieder stecken.

Das ist umso skurriler, als die EU in den letzten Jahrzehnten in zahllosen anderen Fragen strenge Uniformität durchgesetzt hat. Sie tat das aber fast immer nur dort, wo eine Vereinheitlichung absolut überflüssig war, von den Raucher-Regeln bis zu den Sozialleistungen für Zuwanderer, bis zur Aufnahme von Frauen oder Schwulen in einen Job oder eine Wohnung. Neueste „Sorge“ der EU: Die Zahl der Notausgänge in Österreichs Schulen.

Beim Patentwesen und in weiten Bereichen des für einen funktionierenden Binnenmarkt ebenfalls entscheidenden Straßen- und Eisenbahnverkehrs scheitert sie hingegen mit einer sinnvollen Vereinheitlichung.

ETH Zürich als Gegenmodell zum EU-Bildungsdenken

Der schrittweise intellektuelle Abstieg Europas zeigt sich auch bei den diversen Universitäts-Rankings. Diese sind von einem ständigen Rückfall der europäischen Universitäten geprägt. Nur die britischen können noch mit den amerikanischen Elite-Unis mithalten. In Hinblick auf Kontinentaleuropa ist es mehr als bezeichnend, dass ausgerechnet eine Hohe Schule aus einem Nicht-EU-Land regelmäßig die besten Platzierungen erreicht: die ETH Zürich.

Schaut man sich diese Universität ein wenig näher an, dann meint  der EU-Europäer, dass die Schweiz auf einem anderen Kontinent leben muss. So klar ist die Elitenorientierung der ETH. Dort hat der neue Rektor Lino Guzzella auch keine Probleme, eine Verdoppelung der Studiengebühren von 1300 auf 2600 Franken anzukündigen. Er wagt es sogar, mit deutlichen Worten Anforderungen an die Schulen des Landes zu formulieren, die ganz anders klingen. Die österreichischen Rektoren haben hingegen nur zwei Anliegen: ständig mehr Geld und ständig weiterer Ausbau teurer Gender-Projekte.

In Österreich gibt es sogar Rektoren, die sich für die allgemeine Niveausenkung durch die Gesamtschule aussprechen. Guzzella hingegen verlangt: Gymnasien und Volksschulen müssen mehr fordern und leistungsorientierter werden. Man komme derzeit zu leicht zur Matura. Diese müsse härter werden. Guzzella hält daher überhaupt nichts von höheren Maturantenquoten, denn dadurch werde das Niveau der Matura nur gesenkt. In Österreich sind hingegen die höheren Maturantenquoten eine Stehsatz-Forderung fast aller Politiker.

Der ETH-Chef spricht auch in Hinblick auf die Volksschulen Klartext: Wenn diese immer mehr mit Erziehungsaufgaben belastet werden, würden die talentierten Schüler zu wenig gefördert. Noch klarer sein Auftrag an die Gymnasien: „Die Gymnasien müssen sich als Elite-Schulen verstehen.“

Und all diese goldenen Worte kann der Mann ohne Widerspruch auch in dem nach Schweizer Verhältnissen als links geltenden „Tagesanzeiger“ sagen.

Noch ist Europa nicht verloren

Konklusion: Europa hat zweifellos schlechte Zukunftsaussichten. Es kann dennoch bestehen – aber nur dann! –, wenn es ganz auf seine Eliten setzt. Das heißt insbesondere: wenn es jeden einzelnen von Anfang an, also vom Schulbeginn an, intensiv fordert.

Klar muss dabei natürlich auch sein: Niemand gehört automatisch zu einer Elite. Ganz im Gegenteil. Das muss immer wieder neu überprüft werden. Aber es darf auch niemals als Problem bezeichnet werden, dass Kinder von bildungsorientierten Eltern mit viel höherer Wahrscheinlichkeit zum Kreis der Talentierten gehören als andere Kinder. Unabhängig davon, ob hinter diesen Unterschieden nur kulturelle und Erziehungsfaktoren stehen oder auch – sehr wahrscheinlich – genetische (spricht ja viel dafür, dass es oft schon die Gene waren, die für die überdurchschnittliche Bildungsorientierung der Eltern gesorgt haben).

Wenn die Eliten-Karte stechen soll, braucht es aber auch modernste Schulen und Universitäten mit strengen Zugangsregeln und nicht die Lustlosigkeit von überlaufenen und schlecht ausgestatteten Gratis-Wärmestuben. Und es braucht danach die Möglichkeit, ohne große Bürokratien eigene Unternehmen zu gründen, und die motivierende Aussicht, einmal ohne konfiskatorische Steuern gut verdienen zu können.

Nichts davon hat das heutige EU-Europa. Aber das ist allemal leichter erreichbar als eine Umdrehung der demographischen Katastrophe. Die Elitenkarte ist wahrscheinlich die letzte, die Europa noch hat.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Jagt die Reichen: Jeder zweite ein Millionär! drucken

Die Nationalbank ist zum voll schuldigen Mittäter an der ständigen Eskalation der Schuldenkatastrophe geworden. Was tut sie in dieser Situation, statt endlich zu bremsen zu beginnen? Sie gibt eine aufwendige Studie über die privaten Vermögen der Österreicher in Auftrag. Die damit verbundene Absicht ist leicht zu erkennen, wird diese doch ohnedies bei jeder zweiten Wortmeldung eines linken Politikers offengelegt. Und auch die überall mitgelieferte, jedoch falsche und einseitige Interpretation dieser Studie macht die Absicht noch deutlicher.

Österreich sei ja gar nicht wirklich ernsthaft verschuldet, wird da immer öfter von linken Politikern und Ökonomen beteuert. Die offengelegten wie auch die versteckten Verbindlichkeiten und Haftungen von Bund, Ländern, Sozialversicherungen, ÖBB, Asfinag seien gar nicht so beängstigend, wie es auf den ersten Blick scheint: Stehen ihnen doch die ansehnlichen Privatvermögen der Österreich gegenüber.

Alles klar? Die Täter rechnen also schon mit dem nächsten Raubzug auf das, was trotz konfiskatorischer Einkommensteuern und Abgaben den Österreichern noch an privatem „Reichtum“ verblieben ist. Dieser Raubzug wird generalstabsmäßig vorbereitet: Ganz „zufällig“ nur elf Tage vor dem SPÖ-Parteitag wird diese Nationalbank-Studie – in Wahrheit eine bloße Meinungsumfrage – hinausgespielt, die sofort von allen linken Medien mit dem erwünschten aggressiven Unterton verbreitet wird: „Die Vermögen sind ungleich verteilt“. Offenbar wünscht man sich eine gleiche Verteilung wie einst im Kommunismus - wo dann nur noch die Funktionäre ein wenig gleicher waren.

Wie schön passt diese Inszenierung in einen Parteitag, der von den Regisseuren unter das Motto „Mehr Gerechtigkeit!“ gestellt worden ist. Natürlich beteiligen sich wie fast immer auch Linkskatholiken und -protestanten an der Gehirnwäsche. Den Österreichern soll eingehämmert werden: Gerechtigkeit gibt es erst, wenn alle gleich viel haben und verdienen. Wenn der Parteitag ruft, kann man doch nicht bis März warten, also bis zu jenem Zeitpunkt, zu dem die EZB diese Studie eigentlich erst haben will.

Damit tritt die Nationalbank würdig an die Seite von ÖBB, Arbeiterkammer und Asfinag, die ebenfalls gesetzwidrig die Propaganda der SPÖ erledigen. Man kann der Notenbank einzig zugute halten, dass es keinen Beweis für die direkte Bestimmung ihres Handelns durch die Partei gibt. Sie tut das möglicherweise durchaus freiwillig.

Denn würde sie wirklich die Interessen Österreichs und seiner wirtschaftlichen Stabilität vertreten, dann hätte sie – wenn sie schon eine solche Vermögensverteilungs-Studie macht – an Stelle des allgemeinen Jammerns gejubelt:

Gott sei Dank haben wir etliche Reiche in diesem Land! Was wäre es für eine Katastrophe, gäbe es nicht die Mateschitzs oder Swarovskis, die Wlascheks oder Benkos! Ihre Existenz beweist, dass man in Österreich durch Leistung und Geschick reich werden kann (ja, auch mit dem nötigen Glück, wie immer im Leben)! Wir werden alles tun, um sie hier zu halten! Denn sie tätigen die spannendsten Investitionen und schaffen die meisten Arbeitsplätze! Wir ignorieren daher auch das läppische Arbeiterkammer-Argument, dass die Reichen einen viel kleineren Teil ihres Geld für Lebensmittel- und Kleidungseinkäufe ausgeben als die Wenigverdiener!

Aber nein. Nichts davon ist zu hören. Die Nationalbank fügt sich schmiegsam in die Parteitags-Regie ein. Offenbar ist das auch jene der EZB, die ihre wahnwitzige Gelddruck-Politik nun auf Kosten der Bürger kompensieren will. Die daher sehr an deren Vermögen interessiert ist.

Warum steht eigentlich auch sonst niemand auf und verteidigt unser Menschenrecht auf Privatsphäre und den Datenschutz dort, wo er wirklich zu verteidigen ist (also nicht beim Geburtsdatum eines 90-Jährigen!)? Es geht die SPÖ wie auch die EZB wie auch die OeNB einen feuchten Dreck an, wie viel seines versteuerten Einkommens jeder gespart hat. Oder ob er es im Nachtlokal, im Wettlokal oder durch Spenden ans Rote Kreuz und die Kirche ausgegeben hat.

Dazu kommt, dass die Studie bei genauer Betrachtung ohnedies das Gegenteil von dem zeigt, was ringsum die redaktionellen Spin-Doctoren schreiben. Eigentlich müssten selbst jene Menschen, die Neid als oberste politische Maxime haben, über diese Umfrage erstaunt sein, würden sie diese offenen Auges lesen.

Denn der Studie zufolge sind nur ganz wenige Haushalte in Österreich überschuldet. Denn ihr zufolge haben 48 Prozent ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung. Denn ihr zufolge ist mehr als die Hälfte in alter Schilling-Währung gerechnet sogar ein Millionärs-Haushalt: Liegt doch der Median, also jene Grenze, wo die Hälfte aller Haushalte ein noch größeres Vermögen hat, bei einem Vermögen von 76.500 Euro. Erinnert sich noch jemand an die Aufregung, als ein Hannes Androsch erklärt hat, kein (Schilling-)Millionär zu sein? Seine damalige Antwort: „Leider nein.“

Dabei kann man sicher sein: Die Österreicher sind noch deutlich reicher, als irgendeine Umfrage zeigen kann. Bei solchen Umfragen vergisst man nicht nur auf viele Besitztümer wie Schmuck oder ähnliches; vor allem verschätzt man sich heftig beim Wert des eigenen Hauses. Denn viele haben noch gar nicht mitgekriegt, wie steil in den letzten drei Jahren der Marktwert vieler Immobilien in die Höhe gestiegen ist.

Daher ist es mehr als legitim, die von den Linksparteien geplanten Vermögens- und Erbschaftssteuern als flächendeckenden Angriff auf die Österreicher zu empfinden. Viel mehr Familien, als diese selbst glauben, sind durchaus schon in der Nähe der Million Euro an akkumulierten Besitztümern.

Und wenn man jetzt immer öfter hört, dass eigentlich schon ab einer halben Million an Vermögen zugeschlagen werden soll, dann hat zu Recht der ganze Mittelstand Angst. Denn selbst, wer auch nach dem Stöbern von Finanzbeamten in den Schmuckschatullen, Wochenendhäusern und Kindersparbüchsen noch nicht ganz vermögenssteuerpflichtig wäre, wird das mit Sicherheit nach der unvermeidbaren Inflations-Explosion sein, nach der ja alles viel mehr "wert" ist. Deren Lunte brennt ja schon. Und ausgerechnet die auf das Vermögen der Österreicher so neugierigen Nationalbanker halten noch ein heißes Zündholz in der Hand.

Statt über eine angeblich ungerechte Verteilung zu jammern, könnte und sollte man sich eigentlich über den Reichtum so vieler Österreicher freuen. Anstelle der nun vielerorts ausgerufenen Hetze „Jagt die Reichen“ (fehlt nur noch, dass man den zu jagenden Reichen auch noch ein religiöses Bekenntnis als Adjektiv anhängt) könnte man eigentlich innehalten und sagen: Ja, super. Die Menschen haben es in diesem Österreich in ihrer großen Mehrheit zu etwas gebracht. Darauf können wir stolz sein. Man vergleiche den heutigen Zustand doch mit 1945, als Österreich das ärmste Land Europas war.

Dann müsste man auch noch etwas zweites dazusagen: Da wir uns dem österreichischen Souverän, also diesen zu einem so hohen Anteil wohlhabenden Bürgern verpflichtet fühlen, werden wir jetzt alles tun, um deren Wohlstand nicht zu gefährden. Immerhin haben sie ja ohnedies schon einen Gutteil des Geldes bei dessen Erwerb gleich an den Staat abgeliefert. Wir werden den Österreichern daher kein zusätzliches Geld mehr abnehmen, um weniger fleißige Völker zu finanzieren. Wir werden bis zuletzt für die Stabilität der Währung kämpfen.

Wir werden ebenso das Erbrecht verteidigen, strengen sich doch viele erfolgreiche Österreicher  primär in Hinblick auf ihre Nachkommen, also die Erben so an. Was dem Bruttosozialprodukt sehr nützt. Was die künftigen Erblasser nicht in diesem Ausmaß täten, wenn sie wüssten, dass sie noch mehr für die Steuer arbeiten müssten und noch weniger für ihre Kinder. Wir wissen ja, dass 1945 praktisch alle mit Null angefangen haben, dass nur ganz wenige der heutigen Vermögen aus früheren Zeiten stammt. Keine der genannten vier reichen Österreicher etwa hatte 1945 irgendeinen Reichtum in der Familie. Daher stimmt auch die Behauptung nicht, die Reichen würden immer reicher. Reicher werden vor allem die Fleißigeren.

Das heißt nun nicht, dass jener Teil der Österreicher unwichtig wäre, der im Verhältnis dazu relativ arm ist. Aber mit Sicherheit  würde es diesen Menschen noch viel schlechter gehen, wenn wir die Reichen verjagen und den Mittelstand demotivieren.

Ja, das müsste man alles sagen. Es tut nur niemand.

SPÖ und Grüne sind sowieso zur Partei der diebischen Neidgenossen geworden. Die ÖVP traut sich zwar einmal im Jahr, ihren Koalitionspartner Dieb zu nennen, ist aber ansonsten durch Affären, Amok laufende Bundesländer-Kaiser, eine ständig querschießende Wirtschaftskammer, strategische, taktische und Führungs-Schwächen wie gelähmt. Auch bei Blau und Orange sind viele Lähmungserscheinungen zu konstatieren, wenn auch aus meist anderen Gründen. Und wer nach den jüngsten demaskierenden Auftritten des total substanzlosen Phrasendreschers Frank Stronach noch immer auf den steirisch-kanadischen Exindustriellen setzt, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen.

PS.: Es ist wohl auch kein Zufall, dass diese Studie an alle möglichen Medien gespielt worden ist, von denen man sich die „richtige“ Interpretation erwartet und jedenfalls durchwegs erreicht hat. Auf der Homepage der Nationalbank ist die Studie jedoch interessanterweise bis zur Stunde nicht veröffentlicht worden. Daher bleibt jede Menge methodischer Fragen offen. Was vielleicht auch beabsichtigt sein könnte. Es wäre ja auch peinlich, wenn unabhängige Wissenschaftler (die paar, die es außerhalb von Wifo und anderen Subventionsvereinen noch gibt) die Seriosität der Erhebung nachprüfen könnten . . .

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Vom Fördern und Fordern drucken

Haben vielleicht auch Sie – so wie einst mein Onkel – einen braven Neffen, den Sie ordentlich fördern, auf dass er es einmal besser habe im Leben? Nein? Ist gar nicht so einfach heutzutage, denn es gibt kaum noch Kinder, und die paar, die es gibt, haben ohnehin schon alles. Der Mensch ist eben nicht mehr auf Gefälligkeiten angewiesen, sondern er hat Rechte – auf alles und obendrein sofort.

Aber wir verhinderte Förderer sollten uns trösten, denn was früher an Weihnachts- und Geburtstagsgeschenken oder als Zeugnis- und Schikursgeld anfiel, brachte dem Beglückten auch Verpflichtungen: Artig Danke sagen, Ansichtskarten schreiben, Ziergegenstände basteln und irgendwann einen Kranz kaufen. Hand aufs Herz: Wollen wir als aufgeklärte Erwachsene einem jungen Menschen antun, was traumatische Spätfolgen haben und die Selbstverwirklichung behindern könnte? Fürs Fördern ist ohnehin der Staat da, denn der hat das Geld – und er hat die Experten, die genau wissen, was zu fördern ist.

Doch was heißt eigentlich „fördern"? Die heute grassierenden Missverständnisse um Rechte und Pflichten resultieren keineswegs nur aus der Verpönung des Wortes „Pflicht", sondern auch aus einer Begriffsverwirrung um alles, was irgendwie „sozial" ist. Das reicht von Förderung, Subvention und „Motivation" – einschließlich Parteispende und Bestechung – über Mäzenatentum und Wohltätigkeit bis hin zu Zivilcourage und Nächstenliebe. Es scheint daher angebracht, diese Begriffe etwas näher zu betrachten.

Förderungen und Subventionen

Nützliche Hinweise bietet oft die Wortgeschichte, denn sie beleuchtet psychosoziale Hintergründe von Begriffen und Fehldeutungen. „Fördern" kommt von derselben Wurzel wie „vor", bedeutet also „vorwärts bringen". Fördern heißt demnach, erwünschtes Handeln zu erleichtern, zu beschleunigen oder überhaupt erst auszulösen. Im Umkehrschluss dürften Maßnahmen, die Erwünschtes erschweren, verteuern oder unterbinden, kurzum den Leistungsansporn nehmen, nie als Förderung bezeichnet werden. Dürften – denn es geschieht trotzdem.

„Subvention" bedeutet „Hilfeleistung", setzt also eine Notlage voraus, die gemildert oder beseitigt werden soll. Und hier wird ein wesentlicher Unterschied deutlich: Ein Geförderter muss sich keineswegs in Not befinden! Begünstigungen, die etwa Betriebsansiedlungen ermöglichen sollen, sind demnach Förderungen, aber solche, die Betriebsschließungen verhindern sollen, sind Subventionen. Eigenvorsorge, Mobilität oder Forschung kann man fördern. Aber den Betrieb von unwirtschaftlichen Krankenhäusern, Kraftwerken, Eisenbahnen oder Fluglinien kann man bestenfalls subventionieren.

Damit sind noch nicht alle Unterschiede erfasst: Förderung bringt Wertschöpfung, und nur wenn die Voraussetzungen falsch eingeschätzt waren, läuft sie auf Wertvernichtung hinaus. Subvention hingegen ist grundsätzlich Wertvernichtung und lässt sich nur rechtfertigen, wenn sie eine andere, noch größere Wertvernichtung verhindern hilft, insbesondere die Schädigung unschuldiger Dritter. Subventionen sollten daher immer nur vorübergehende Maßnahmen sein, um unvorhersehbare Härten auszugleichen. Förderungen dienen dem Marktgeschehen, Subventionen verzerren es, und zumindest längerfristig muss sich immer die Wirtschaftlichkeit durchsetzen. Ja sie setzt sich auch durch – spätestens wenn zu arge Verzerrungen ein Land in den Ruin geführt haben.

Zahler in Geiselhaft

Die korrekte Unterscheidung zwischen Förderungen und Subventionen ist zuweilen deswegen so schwierig, weil beide etwas gemeinsam haben: Sie werden leicht zur Rente, denn die Begünstigten pflegen aus wiederkehrenden Zahlungen ein Gewohnheitsrecht abzuleiten. Und früher oder später geraten die Geber in Geiselhaft der Nehmer – schon im nationalen Rahmen und erst recht in einer „Transfer-Union“. Es werden Verhaltensweisen „gefördert" – hier im negativen Sinn – die gar nicht förderungswürdig sind.

Dieses Phänomen ist für zwei Situationen typisch: Entweder der Geber hat viel zu viel Geld und will sich nicht mit Überlegungen oder gar Diskussionen über Gerechtigkeit und Sinnhaftigkeit belasten. Er handelt also nach dem Gießkannenprinzip, um sich bei möglichst vielen eine gute Nachrede zu kaufen. Oder aber Geber und Zahler sind nicht identisch. Dies ist immer der Fall, wenn Politiker Steuermittel verschenken, also institutionalisierte Veruntreuung betreiben, oder – und nicht minder infam – wenn sie Quersubventionen erzwingen, wie das etwa im Energiebereich eingerissen ist und den Betreibern unwirtschaftlicher Energieerzeugung eine unverdiente Rente verschafft.

Man muss sich vor Augen halten, was eine solcher Griff in fremde Taschen bedeutet: Nur wenn es ausreichend viel an „schmutziger“ Wirtschaft gibt, kann mit deren Wertschöpfung die „saubere“ Wirtschaft mit erhalten werden. Auf jeden Fall aber verteuert sich die Produktion – zum Vorteil der ausländischen Konkurrenz und zum Nachteil der eigenen Volkswirtschaft.

In wirtschaftsschwachen Gegenden allerdings verdienen manche Infrastruktureinrichtungen wie Krankenhäuser, Verkehrswege, Leitungsnetze, Wasserversorgung etc. besondere Erwägungen: Sollen hier betriebswirtschaftlich unrentable, aber volkswirtschaftlich und bevölkerungspolitisch nützliche Betriebe durch Subventionen am Leben gehalten werden, oder ist es vertretbar, dass mit deren Schließung oder Verwahrlosung auch die Lebensqualität sinkt, dass lokale Zulieferbetriebe in den Ruin getrieben werden, dass Menschen – vor allem die jungen – abwandern, dass sich Immobilien entwerten etc. Eine politische Entscheidung ist in solchen Fällen unvermeidlich. Und bei aller Wertschätzung der Rentabilität: Das Ganze ist eben mehr als die Summe seiner Teile.

Mäzenatentum

Mäzenas, nach dem die Sache benannt ist, gab sein eigenes Geld aus – zumindest ist nichts Gegenteiliges überliefert. Auch Fürsten und Feldherren, die oft einen Teil ihrer Beute für gute Zwecke spendeten, gaben nach damaligem Verständnis ihr eigenes Geld aus. Und daraus erklärt sich, warum Künstler früher so beachtliche Werke vollbrachten, denn für Scharlatanerien wäre kein Geld geflossen.

Kultur-Funktionäre hingegen sind keine Mäzene, obwohl sie sich gerne als solche geben – und dies umso lieber tun, je mehr ihr Tun an Amtsmissbrauch und Verhetzung grenzt. Auch Direktoren sind keine Mäzene, wenn sie das Geld ihrer Aktionäre ausgeben oder wenn sie „Kunst“-Ausgaben steuerlich verwerten, um solcherart das Steueraufkommen zu verkürzen und indirekt die anderen Steuerzahler zum Mitzahlen zu zwingen. Es sind genau diese beiden Gruppen von Pseudo-Mäzenen, die heute den Marktmechanismus stören und dem Schmarotzertum Vorschub leisten. Mit ihrer angeblichen Fördertätigkeit, mit ihrer „Ankaufspolitik“, kaufen sie sich Propagandisten und bedienen sich am Jahrmarkt der Eitelkeiten.

Wohltätigkeit, Nächstenliebe und Zivilcourage

„Wohltätigkeit" ist eine Handlungsweise, die einem Dritten „wohl" tut, oder von welcher der Täter zumindest glaubt, dass sie das tut – was nicht immer dasselbe ist. Oft glaubt man ja, dass bereits ein „guter Ratschlag" eine Wohltat sei.

„Nächstenliebe" wiederum ist eine Geisteshaltung, eine Grundeinstellung, die sich unter anderem als Wohltätigkeit manifestieren kann, eventuell auch als Förderung – aber gewiss nicht als Subvention aus Steuergeldern! Nächstenliebe heißt nicht, anderer Leute Geld zu verschenken, und auch nicht, moralischen Druck auszuüben, also andere gewissermaßen zur Wohltätigkeit zu erpressen, und ebenso wenig, sie unter Ausnützung von Eitelkeit und Geltungssucht etwa bei Wohltätigkeitsveranstaltungen zum demonstrativen Spenden zu animieren! Womit nicht unbedingt etwas gegen solche Veranstaltungen gesagt sein soll, sondern nur gegen den Missbrauch eines religiösen Begriffes, sei er nun Deutsch oder Lateinisch.

Der barmherzige Samariter gilt als das Urbild christlicher Nächstenliebe. Es ist jedoch reizvoll, die Geschichte weiterzuspinnen: Wenn der gute Mann jeden Tag auf Überfallene gestoßen wäre, hätte er sie alle genauso hingebungsvoll betreut wie den ersten? Oder wäre er eher zum Statthalter gegangen und hätte ihn um Maßnahmen gegen Straßenräuber gebeten? Oder hätte er gar angeregt, den Hintergründen des Straßenräubertums nachzugehen und das Übel an der Wurzel zu packen? Und ist nicht das Eintreten für das öffentliche Wohl ebenfalls ein Ausdruck von Nächstenliebe? Vorbeugender Samariterdienst, sozusagen.

Noch kniffliger wird es, wenn wir annehmen, der Samariter wäre früher aufgestanden und zufällig gerade zur Stelle gewesen, als sich der Räuber auf sein Opfer stürzte. Hätte der Samariter zugesehen – oder hätte er sein Schwert gezogen und eingegriffen? Ist nicht die Zivilcourage, die ritterliche Tugend, Bedrängten beizustehen, auch eine Form von Nächstenliebe? Das Wegschauen, das Nur-keine-Probleme-kriegen mag heute vielleicht klug sein, wenn man Zeuge mancher Vorgänge etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln wird. Doch Nächstenliebe ist das nicht. Und der sektiererische Kampf gegen eingebildete Diskriminierungen ist dies schon gar nicht, denn genau wie Subventionen fördert er Fehlverhalten, spaltet die Gesellschaft und macht insgesamt ärmer.

Es gibt keinen Rechtsanspruch, ja nicht einmal einen moralischen Anspruch auf Förderung, Subvention, Wohltätigkeit oder Nächstenliebe. Wohl aber gibt es gesellschaftliche Pflichten, Nützliches zu tun, und es gibt religiöse Pflichten, Gutes zu tun. Selbst wenn die „Umwegrentabilität" der guten Tat nicht in jedem Einzelfall gegeben ist, erweist sich die Einhaltung wohlverstandener religiöser Gebote in ihrer Wirkung auf Dritte als jenen Maßnahmen zumindest ebenbürtig, die aus gesellschaftlichen Zweckmäßigkeitsüberlegungen getroffen werden. Jedenfalls solange es die Gesellschaft gibt und nicht bloß eine amorphe Masse ohne identitätsstiftende Fixpunkte.

Dr. Richard G. Kerschhofer lebt als freier Publizist in Wien.

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Die Angst da oben vor dem Volk da unten drucken

Es ist erschreckend. Immer öfter hört man aus den verschiedensten Ecken den Ruf nach einer eigentlich längst für tot gehaltenen Figur: Der Ruf gilt dem „wohlmeinenden Diktator“. Besonders in der Klimadebatte, aber auch rund um die europäische Schuldenkrise wird laut nach ihm verlangt. Die Demokratie versage, ein Diktator sei die bessere Lösung. Wobei jeder Rufer freilich davon ausgeht, dass dieser Diktator die Meinung des Rufers teilt und durchsetzt. Jeder andere Diktator wäre zweifellos sofort ein böser und kein „wohlmeinender“ mehr.

Besonders deprimierend ist, dass sich kaum noch jemand diesen Frontalattacken auf die Demokratie entgegenstellt. Die Befürchtung wächst, dass das nicht deshalb geschieht, weil Demokratie ohnedies tief verankert und selbstverständlich ist, dass solche Vorschläge an ihr abperlen müssen. Vielmehr ist eine wachsende Demokratie-Müdigkeit zu konstatieren.

Ganz unverblümt hat dieser Tage etwa der norwegische Professor Jorgen Randers den Ruf nach einem Diktator ausgestoßen. Er ist einer der Chefberater des Club of Rome, eines überaus einflussreichen grünen Thinktanks. Seine Forderung: Es brauche eine Diktatur auf Zeit, um den Anstieg von Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre zu beenden; die Parlamente könnten solche Probleme nicht lösen.

Erstaunlich ähnlich sind viele zum Teil schon realisierte Therapieanssätze in der Schuldenkrise. Der italienische Ministerpräsident Mario Monti etwa ist ja nichts anderes als ein solcher wohlmeinender Diktator; er regiert, obwohl er von niemandem gewählt worden ist. Auch in Griechenland herrschte nach Ausbruch der Krise eine Zeitlang eine nie gewählte Regierung. Ebenso wird die regelmäßig in die diversen Krisenstaaten anreisende Troika aus EZB, Währungsfonds und EU-Kommission von vielen als Diktatur verstanden. Umgekehrt fühlt sich auch die große Mehrheit der Deutschen und Österreicher angesichts der von ihnen abgelehnten Politik einer de facto unbegrenzten Übernahme fremder Schulden zunehmend von einer Diktatur regiert.

Gewiss sind all diese Fälle in vielen Details unterschiedlich. Aber überall sind es nicht die Bürger, sondern nur eine Elite, nur einige Profiteure, die diese Formen einer Diktatur als wohlmeinend empfinden.

Sind aber nicht viele dieser Fragen in der Tat zu kompliziert, um sie demokratisch, also durch die Bürger selbst entscheiden zu lassen? Dass die richtige Antwort auf die Schulden-Krise oder auf Klima-Fragen schwierig ist, sei unbestritten. Tatsache ist aber auch, dass in beiden Bereichen auch alle Abgeordneten und Minister ahnungslos sind. Sie antworten nur mit leeren Phrasen, wenn sie von Bürgern kritisch angesprochen werden. Dabei sind ja sie es, die die Entscheidungen treffen, weil die Fragen zu komplex für die Bürger wären. Der Kern dieser Phrasen ist dann immer die Berufung auf meist ungenannt bleibende Experten.

Tut Erwärmung der Erde gut?

Nun ist aber Tatsache, dass es auch unter den jeweiligen Experten die unterschiedlichsten Einschätzungen gibt.

Zehntausende Naturwissenschaftler haben sich etwa öffentlich gegen die offizielle These der globalen Erwärmung gestellt. Ein Teil von ihnen weist die Behauptung zurück, dass die tatsächlich stattfindende Erderwärmung (die es in der Erdgeschichte schon oft und auch in stärkerem Ausmaß gegeben hat) Schuld der Menschen sei. Der andere Teil wiederum arbeitet unabhängig von der Schuldfrage heraus, dass Erwärmungsphasen der Erdgeschichte alles in allem exzellente Perioden für die Menschheit, deren Ernährung und die Artenvielfalt in der Tier- und Pflanzenwelt gewesen sind.

Beim Finanzthema wiederum gibt es Hunderte Spitzenökonomen, welche die europäische Politik einer sich ständig steigernden Übernahme fremder Schulden vehement kritisieren. Unter den deutschsprachigen Wirtschaftsexperten, die nicht von Regierungen, Parteien oder Lobbies (etwa durch „Forschungsaufträge“) abhängig sind, bilden diese Kritiker zweifellos die Mehrheit.

Das ist nun in beiden Fällen sicher noch kein Beweis, dass diese Experten und nicht die von der Regierung bestellten Recht haben. Das ist aber sehr wohl ein Beweis übler Manipulation, wenn die Regierungen so tun, als ob die Meinungen der Experten kongruent wären.

In beiden Themen gilt aber: Weder die eine Seite noch die andere kann ihren Standpunkt mit der in exakten Wissenschaften notwendigen Schärfe und Klarheit beweisen. Aber am Schluss sind es immer die Menschen, welche die Konsequenzen zu tragen haben.

Die Dominanz des Herrschaftsinteresses

Daher kann es überhaupt keinen Grund geben, die Gefahren, Chancen und Wahrscheinlichkeiten unterschiedlicher Strategien nicht in aller Offenheit mit den Bürgern zu diskutieren. Dazu braucht es ganz gewiss eine intensive Debatte, in der alle Experten – nicht nur die gekauften und abhängigen – vor den Bürgern ihre Meinung deponieren können. Wozu gibt es schließlich öffentlich-rechtliche Medien, die viel an Zwangsgebühren kassieren? Um solche Diskussionen – etwa vor einem Referendum – zu ermöglichen, wären aber auch die vielen Steuergelder besser eingesetzt, die weiterhin auf diversen dunklen Inseraten- und Kooperations-Kanälen in bestimmte Printmedien fließen.

Aber statt dass solche offene Diskussionen ermöglicht werden, wird mit der angeblichen Überlegenheit von Experten-Wissen von oben über die Menschen drübergefahren. Aus gutem Grund. Denn gerade in diesen Fragen dominieren die Herrschaftsinteressen der politischen Klasse und die Experten sind nur deren Wasserträger.

Politiker wollen beim nächsten Wahltag wiedergewählt werden. Da ist es ihnen völlig gleich, ob sie irgendwann einmal – wenn sie vielleicht schon tot sind – in der Sache recht bekommen. Daher entscheiden sie sich immer für die kurzfristig nützliche Variante und nie für das, was langfristig am besten wäre. Daher lassen sie immer nur jene Experten zu Wort kommen, die ihren kurzfristigen Interessen dienen.

Konkursverschlepper

Daher schieben sie wie ein zusammenkrachender Unternehmer jeden Gedanken an den Bankrott immer wieder beiseite. Obwohl der zumindest in Hinblick auf Griechenland längst hätte eingestanden werden müssen. Die Politik kann mit dieser Konkursverschleppung (bei einem Unternehmer oder Bürger ein kriminelles Delikt!) die unvermeidlichen Folgen des Bankrotts hinausschieben, die vom Dominoeffekt des Ausfalls griechischer Kreditrückzahlungen bis hin zur großen Blamage für die Staatenlenker reichen. Sie kaufen freilich Zeit nur durch eine gigantische Vermehrung des Risikos. Am Schluss sind dann die Folgen des lange verheimlichten Bankrotts viel dramatischer und gehen weit über Dominoeffekte und Blamage hinaus.

Aber vorerst gelingt es ihnen eben noch, das hinauszuschieben. Dazu nehmen sie Schulden über Schulden auf, pressen immer mehr Steuergeld aus den Menschen heraus, und lassen hemmungslos neue Banknoten drucken. Dass damit die Folgen des unvermeidlichen Konkurses noch viel katastrophaler sein werden, dass dieser hinausgeschobene Konkurs dann nicht mehr nur Griechenland, sondern zwangsläufig immer mehr Länder erfassen wird, ist ihnen egal. Hauptsache, sie können noch einmal schnell die nächsten Wahlen gewinnen. Oder zumindest den Mandatsverlust in Grenzen halten.

Ganz ähnlich ist das Selbstverständnis der Spitzenmanager großer Banken und Unternehmen. Sie wissen alle, dass die Schuldenpolitik mit Sicherheit in einen Mega-Crash führen muss. Aber so mancher Spitzenmanager denkt sich ähnlich den Politikern: Dass EZB und Regierungen den Konkursantrag hinausschieben – wenn auch nur durch unverantwortliche neue Schulden, Haftungen und Gelddruckaktionen –, ist gut für den eigenen Bonus. Jetzt kann man noch ein paar Monate länger ohne die schockartigen Auswirkungen eines Staatsbankrotts (oder mehrerer) die eigenen Geschäfte fortsetzen. Jetzt gibt es noch einmal ein brauchbares Bilanz- oder Quartals-Ergebnis.

Der wohlmeinende Monti regiert im luftleeren Raum

Regierungen wie so manche Bankchefs (siehe etwa die Aussagen der Bank Austria) handeln daher alles andere als reinen und ehrlichen Herzens. Sie berufen sich aber dennoch auf die angebliche Überlegenheit ihres „Experten“-Wissens.

Die Schuldenkrise ist der beste Beweis, dass echt demokratische Prozesse zu besseren, jedenfalls ehrlicheren Ergebnissen führen würden als die interessengesteuerten „Experten“- und Eliten-Entscheidungen.

Ein hervorragendes Beispiel für das schlechte Funktionieren autoritärer Entscheidungen ist Italien: Auch ich war anfangs von vielen Ankündigungen und Vorhaben Mario Montis begeistert. Aber von Woche zu Woche zeigt sich mehr, dass ein Monti von oben nicht die Realität der italienischen Gesellschaft an der Basis verändern kann. Verwaltung, Gewerkschaften, Wirtschaft und Bürger des Apenninlandes wissen nämlich: Der Mann ist ohnedies bald wieder weg. Daher werden zwar die meisten von Monti verlangten Gesetze beschlossen, aber mangels des entscheidenden bürgergesellschaftlichen Konsenses nicht wirklich angewendet.

Ähnliches hatte man auch in Griechenland beobachten können: ein paar Prozesse, ein paar Razzien, wenn gerade ausländische Journalisten da sind, aber keine wirkliche Änderung des Landes. Solange andere zahlen, wird man sich doch wegen des Geredes von Diktatoren auf Zeit nicht ernsthaft ändern.

Die Interessen der Experten

Auch in der Klima-Debatte dominieren viele auf den ersten Blick nicht sichtbare Interessen im Hintergrund.

Da gibt es etwa das Interesse von Wissenschaftlern an hohen Forschungs-Förderungen, die man durch möglichst dramatisierende, wenn auch unbewiesene Behauptungen über  Erwärmungs-Katastrophen in Fünfzig Jahren lukrieren kann. Da gibt es das Interesse der Alternativenergie-Industrie an Aufträgen. Da gibt es das Interesse der Atomwirtschaft an ihren im Vergleich zum behaupteten CO2-Weltuntergang harmlos erscheinenden Kraftwerken. Da gibt es das Interesse vieler Industriesparten an Absatzförderung durch angeblich klimafreundliche Gesetze, wie etwa denen über ein Verbot der billigen Glühlampen. Und last, not least ist die Klimapanik für Politiker ein ideales, ethisch wertvoll klingendes Argument, um Gebühren und Steuern erhöhen zu können, um weitere Macht zu akkumulieren.

Gewiss ist es auch für den Einzelnen nicht leicht, sich zwischen all diesen Desinformationen zu bewegen und der Wahrheit näherzukommen. Man denke nur an die esoterischen und verschwörungstheoretischen Unsinnigkeiten, die in machen NGOs verbreitet werden. Aber es kann dennoch kein Zweifel sein: Den diversen Lobbies gelingt es in politischen Hinterzimmern leichter als in aller Öffentlichkeit, ihre Interessen durchzubringen. Daher kämpfen sie nicht nur gegen eine Vertiefung der Demokratie etwa durch obligatorische Referenden, sondern sogar für eine Knebelung der gegenwärtigen ohnedies nur repräsentativen Demokratie.

Demokratie: Der Prozess ist wichtiger als das Ergebnis

Das treffendste Zitat zur Verteidigung der Demokratie hat dieser Tage der tschechische Präsident Vaclav Klaus formuliert: „Vor allem nach unserer Erfahrung aus dem Kommunismus wissen wir sehr gut und vielleicht besser als die Menschen in Westeuropa, dass der Demokratieprozess wichtiger als das Ergebnis ist.“

Selbst wenn sich die eine oder andere Entscheidung einer echten Demokratie eines Tages als Fehler erweisen sollte, ist dieser Fehler für die Bürger eher erträglich als Fehler von über sie drüberfahrenden Machthabern. In Demokratien sind Fehler vor allem viel leichter behebbar; niemand muss ja dort als allwissender Herrscher auftreten und daher aus Angst vor einem Gesichtsverlust an falschen Entscheidungen festhalten.

Auch die restliche Geschichte jenseits der besonders üblen, aber sich selbst als wohlmeinend ausgebenden Kommunisten lehrt: So mancher Diktator fängt zwar „wohlmeinend“ an, aber fast jeder wird noch sehr übelmeinend, sobald er merkt, dass die Menschen anders denken als er. Und jedenfalls sind für einen Diktator (und insbesondere seine unmittelbare Umgebung) die Verlockungen der Macht viel zu groß, als dass er sich nicht rasch daran gewöhnen und sie auch mit brutalen Mitteln verteidigen könnte. Die Beispiele eines völlig freiwilligen Verzichts auf Macht sind rar. 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Zwangsarbeit zur Aufrechterhaltung der äußeren Sicherheit drucken

In der aktuellen Diskussion um die Wehrpflicht scheinen die Positionen zwischen der sozialistischen und der liberalen Seite auf geradezu groteske Art verdreht. Es ist kein Zufall, dass sowohl SPÖ als auch ÖVP noch vor einigen Jahren zum Teil konträre Positionen vertreten haben.

Wo soll man also als liberal denkender Mensch im Jänner sein Kreuzchen machen? Eine spannende Frage, da sich hier die Freiheitsrechte des einzelnen und eine der wenigen Pflichten, die auch ein Liberaler dem Staat zugesteht, diametral gegenüberstehen.

Die Verpflichtung zur Zwangsarbeit (und nichts anderes sind Wehr- und Zivildienst) gehört sicherlich zu den stärksten Eingriffen in die persönlichen Freiheitsrechte jedes einzelnen. Um es mit den Worten unseres Bundeskanzlerdarstellers zu sagen, der Staat stiehlt den jungen Männern 6 bis 9 Monate ihres Lebens (die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen ist ein eigenes Thema, das separat zu behandeln wäre). In vielen Fällen betrifft dies nicht nur 40 Stunden Arbeitszeit pro Woche und damit einhergehend einen fast kompletten Erwerbsausfall (also quasi eine 100 Prozent Steuer).

Diese moderne Form der Zwangsarbeit beinhaltet wochenlange Einsätze an der Grenze, bei der Grundausbildung und im Katastropheneinsatz, in denen die jungen Männer kaserniert sind und auch ihr privates und soziales Leben auf massive Weise beeinträchtigt wird. Eine Einschränkung, die man heutzutage nicht einmal mehr Asylsuchenden für einige wenige Tage zumuten will. Für Soldaten im Milizsystem (das in Österreich im Vergleich etwa zur Schweiz ohnehin ein Schattendasein führt) führt dies auch zu negativen Konsequenzen für den weiteren Berufsweg, wenn der Arbeitgeber den Milizsoldaten mehrere Wochen im Jahr freistellen muss.

Umgekehrt gehört die Aufrechterhaltung der inneren und äußeren Sicherheit zu den zentralen Aufgaben eines Staates; eine der wenigen Aufgaben, die nur sehr schwer in private Hände gelegt werden kann. Für einen Staat, der von seinen Bürgern weiterhin für neutral gehalten wird, keine leichte Aufgabe. Bei den meisten Aufgaben des Zivildienstes fällt die Analyse schon deutlich schwerer. Die Aufrechterhaltung eines maroden Gesundheits- und Pflegesystems durch Zwangsarbeit zu ermöglichen, gehört eher nicht zu den Kernaufgaben des Staates. Das können Private besser (wie man bei den katholischen Ordensspitälern sieht).

Die zwangsweise Verpflichtung aller jungen Männer muss auch zu erheblichen Ineffizienzen führen. Maturanten, die Solitaire spielen, HTL-Absolventen, die Rollstühle schieben, Tischler, die Wache stehen, Ärzte, die Sandsäcke befüllen oder IT-Techniker, die Keller auspumpen. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass hier wertvolle Ressourcen (die dem Staat nur durch Zwang zur Verfügung stehen), hochgradig ineffizient eingesetzt werden. Ließe man die jungen Männer in ihren Berufen arbeiten, könnten sie einen (monetär) viel höheren Beitrag zum Gemeinwohl leisten, einerseits durch den Mehrwert, den sie für sich und andere generieren, andererseits durch die (erheblichen) Steuern und Abgaben, die sie an den Staat abliefern müssen.

In einer arbeitsteiligen Welt muss ein spezialisiertes Berufsheer gesamtwirtschaftlich die effizientere Lösung sein, auch wenn die nominellen direkten Kosten für den Staat sicherlich höher ausfallen werden müssen, als dies heute der Fall ist (und als uns der Verteidigungsminister einzureden versucht).

Aber wie ist es mit dem erzieherischen Effekt? Tut es den jungen Männern nicht gut, wenn sie sich ein paar Monate für die Gemeinschaft einsetzen? Es mag schon der Fall sein, dass Wehr- oder Zivildienst für die persönliche Entwicklung des einen oder anderen förderlich sein kann, aber zwangsweise Werterziehung und Persönlichkeitsbildung erwachsener Männer können sicher nicht Aufgabe des Staates sein.  Wer sich gerne einbringen will und das für sich als bereichernd erfährt, hat viele Möglichkeiten: aber eine Zwangsverpflichtung mit potentiell ideologischer Schlagseite (insbesondere beim Zivildienst, wo das Innenministerium über die Zuteilung der Plätze entscheidet) ist problematisch.

Unterm Strich also ein klares Ja zur Aufgabe des Staates für äußere Sicherheit zu sorgen, aber die Verpflichtung, dies möglichst effizient und mit den geringsten Auswirkungen auf die persönlichen Freiheitsrechte des einzelnen zu tun. Und hier ist ein Berufsheer (in einem weiteren Schritt zusammen mit internationaler Arbeitsteilung mit verbündeten Staaten) wohl die bessere Variante.

Stephan Unterberger ist Ökonom und Mitarbeiter einer internationalen Finanzinstitution mit Sitz in der Schweiz.

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Größe durch Kleinheit: von Kolumbus und Schiller lernen drucken

Wie wünschen wir uns Europa eigentlich? Hinter allen Stürmen der Finanzkrise scheint jede vernünftige Überlegung zum weiteren Zusammenleben auf dem Kontinent verschwunden. Es gibt anscheinend nur noch die radikalen Utopisten auf beiden Seiten, die jedoch keine sinnvollen Perspektiven anzubieten haben.

Auf der einen Seite stehen die Vergangenheits-Nostalgiker, die meinen, vor der EU wäre alles gut und wunderbar gewesen. Sie sind aber genauso realitätsfremd wie die Zukunfts-Nostalgiker, die meinen, zentralistische Vereinigte Staaten von Europa wären eine funktionierende Utopie. Beide Visionen sind realitätsfremd und damit gefährlich.

Die Vergangenheits-Nostalgiker übersehen, dass die gegenwärtigen Probleme Europas nicht mit der Tatsache einer europäischen Wirtschaftsgemeinschaft an sich zusammenhängen. Ganz im Gegenteil: Deren Auseinanderbrechen wäre eine absolute Katastrophe. Denn schon ab den 80er Jahren hat sich gezeigt, dass der Standort Österreich alleine zum Untergang verurteilt wäre.

Ohne den Zugang zum großen gemeinsamen Binnenmarkt Europa würde sich für niemanden mehr eine Betriebsansiedlung in der kleinen Alpenrepublik lohnen. Zusammen mit der für Österreich enorm hilfreichen Ost-Wende hat die EU-Mitgliedschaft dem Land im letzten Vierteljahrhundert dann wider alle Wahrscheinlichkeit doch noch eine sensationelle Fortsetzung des Wirtschaftswunders der Nachkriegsjahre erlaubt. Österreich hat fast als einziges Land Europas die zwei Generationen seit dem Kriegsende ohne eine größere Rezession überstanden. Das wird zwar als selbstverständlich empfunden, ist es aber keineswegs.

Der Binnenmarkt als großer Triumph der EU

Die großen, völlig ungelösten Probleme im gegenwärtigen Europa stammen auch keineswegs von Wirtschaftsunion und Binnenmarkt, wenngleich auch dort viele ärgerliche Überregulierungen zu beobachten sind. Die Ursachen der Krise sind viel mehr die schwere Überschuldung fast aller europäischer Staaten, die von deren Politikern zu verantworten ist, ob es nun direkte staatliche Schulden oder die durch eine verantwortungslose Geldpolitik der EZB ermöglichten privaten Schulden sind.

Die EU hingegen hat kein Land zur Schuldenexplosion gezwungen, sie hat vielmehr oft genug davor gewarnt.

Eine solche Schuldenexplosion hat auch in Deutschland und Österreich stattgefunden. Siehe etwa Österreich: Das Land hat Ende der 60er Jahre eine Staatsschuldenquote von deutlich unter 20 Prozent gehabt, heute aber eine solche von offiziell 73 Prozent. Österreich würde mit dieser Quote ohne den Rückhalt in EU und Euro von schwersten Stürmen heimgesucht; es hätte Riesenprobleme, neue Geldgeber zu finden. Dazu kommt, dass nicht nur diese „explizite“ Staatsverschuldung auf historischer Rekordhöhe steht, die implizite ist noch viel höher. Diese inkludiert auch alle versteckten Haftungen und ungedeckten Pensionsversprechungen. Österreich steht so wie Deutschland, Finnland und die Niederlande nur deshalb scheinbar so gut da, weil fast alle anderen Euro-Staaten noch viel schlechter dastehen. Das erinnert an das alte Sprichwort vom Einäugigen unter den Blinden.

Ein Ausscheiden aus dem gemeinsamen Währungsraum oder gar dem Binnenmarkt wäre also ein geradezu selbstmörderisches Abenteuer.

Genauso weltfremd sind aber auch die Zukunfts-Nostalgiker, die sich selbst an ihren Europa-Phrasen begeilen. Sie sehen nicht die schweren Fehlentwicklungen innerhalb der EU, die jenen innerhalb Österreichs gleichkommen. Sie begreifen nicht, dass ein noch engerer Zusammenschluss zu einer Katastrophe führen muss.

Analysieren wir ganz ohne Blick auf die Euro-Krise die Idee der Umwandlung der Union in einen Staat. Die sprachliche, historische, kulturelle, ökonomische Diversität Europas würde diesen auch ohne die Schuldenkrise zerreißen. Man schaue nur auf die vielen Antagonismen zwischen den EU-Staaten.

Man sollte sich aber auch bewusst machen, dass alle früheren Großimperien der Geschichte wieder zerfallen sind. Dass die heute noch existierenden Großmächte Russland, China und die USA durchwegs nur mit kriegerischer Gewalt und brutaler Unterdrückung eines Teils der Bevölkerung zusammengezwungen werden konnten. Auch die USA sind ja letztlich Produkt eines Bürgerkriegs wie auch der Oktroyierung der englischen Sprache auf die deutsch, französisch, niederländisch, italienisch oder sonstwas sprechende Mehrheit. Und China wie Russland werden bis heute überhaupt nur mit der Macht der Gewehre in den jeweiligen Grenzen zusammengehalten.

Das kann wohl niemand ernsthaft als europäische Perspektive wollen.

Zynische Reaktion auf die Schuldenkrise

Noch weniger kann es gelingen, Europa auf dem Schlachtfeld der Schuldenkrise zu einer echten staatlichen Einheit zu zwingen. Dieser zynische Gedanke ist ja in der europäischen Elite durchaus verbreitet:  Zwar geben nun immer mehr zu, dass Europa nach Ausbruch der Schuldenkrise fast alles falsch gemacht hat – aber dennoch sehen sie die Krise trickreich als Chance an, um diesem Europa noch mehr Macht zu geben.

Die Schuldenkrise hat aber die emotionalen Antagonismen zwischen den Völkern in Wahrheit massiv vertieft. Daran kann auch die realitätsfremde Rhetorik der Politik nichts ändern. Die Griechen sehen die Aufforderungen der Troika zu sparen als willkürliches deutsches Spardiktat und graben als Revanche alte Weltkriegsverbrechen aus. Die Deutschen sehen die Griechen als grenzenlos faule Parasiten. Um nur eine konkrete Folge der Schuldenkrise zu nennen.

Gewiss erscheint es fast jedem, der in Brüssel auch nur als kleiner Korrespondent eine Rolle spielt, sehr verführerisch, dieses Europa zentralistisch zu führen. Letztlich ist dort ja jeder ein wenn auch noch so kleiner Teilhaber der Macht – weit mehr als es die anderen 500 Millionen draußen in den Mitgliedsländern sind. Genau dasselbe passiert innerhalb Österreichs mit jedem, der in Wien eine wichtige Rolle spielt. Letztlich geht es immer um Macht, zumindest um das Gefühl, dem Zentrum der Macht nahe zu sein.

Der theoretische Plan, jetzt durch strikte Kontrolle der nationalen Budgets von oben Disziplin zu erzwingen, kann nicht funktionieren. Es gelingt nicht einmal der Republik Österreich, die Bundesländer zu Budgetdisziplin zu zwingen, die sich in den letzten Jahren viel übler verhalten als der Bund. Dieser machiavellistische Plan kann nur funktionieren, wenn man in allen Mitgliedsstaaten, Provinzen und Gemeinden die Demokratie und Eigenständigkeit abschafft. Und wenn man ein zentrales Heer zur Durchsetzung dieser zentralen Disziplin einsetzt.

Die Menschen gehen nicht mit

Die Menschen gehen bei solchen Projekten einfach nicht mit, zumindest nicht im gewünschten Tempo. Mit gutem Grund.

  • Zum ersten lassen sie sich nicht von oben diktieren, ob sie sich primär als Europäer, als Österreicher, als Tiroler oder als Kufsteiner fühlen. Oder etwa gar als Weltbürger, die beispielsweise unter den strengsten Klimazielen leiden müssen, während weltweit der CO2-Verbrauch praktisch ungebremst zunimmt.
  • Zum zweiten stehen diesen Zentralisierungsideen Geschichte und vor allem die Sprachenvielfalt entgegen; diese Kräfte wurden bis 1989 durch die gemeinsame Angst vor dem Kommunismus überwunden – eine Angst, die es heute zum Glück nicht mehr gibt.
  • Zum dritten hat der ewig wiederholte Slogan von der EU als Friedensprojekt für die Durchschnittseuropäer ungefähr so viel emotionale Relevanz wie eine Attacke der Marsmännchen. Kriegsgefahr lauert außerhalb der EU – wofür diese im übrigen in keiner Weise vorbereitet ist –, aber sicher nicht zwischen den EU-Staaten.
  • Zum vierten ist die EU in vielerlei Hinsicht eine ineffiziente Fehlkonstruktion geworden. Was für sechs Nato-Mitglieder konzipiert war, funktioniert in einer fast unveränderten institutionellen Architektur bei 27 und bald 28 Ländern mit bündnispolitischer, ökonomischer, geographischer Vielfalt überhaupt nicht mehr.
  • Und zum fünften übersehen Anhänger eines europäischen, aber auch österreichischen Zentralismus die generelle und prinzipielle Überlegenheit von Föderalismus und dezentralen Entscheidungen, von Vielfalt und Subsidiarität.

Dazu ein Zitat das früheren Präsidenten der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, des Naturwissenschaftlers Peter Schuster, aus Science-Blog.at: „Die Aussage, dass eine zentrale Kontrolle großer, komplexer Einheiten zum Scheitern verurteilt ist, stellt eine Binsenweisheit dar. Wirtschaft und Gesellschaft untermauern die Gültigkeit dieser Aussage durch zahllose Beispiele in der Vergangenheit und Gegenwart, welche beweisen: Systeme werden ineffizient, sobald sie eine kritische Größe überschreiten.“

Schuster beweist das mit den neuesten Erkenntnissen der Genforschung. Schon länger bekannt sind die Beispiele aus Politik und Gesellschaft, die zum gleichen Schluss führen.

Erfolgsmodelle von Singapur bis zur Slowakei

  • Man schaue etwa auf die großen Erfolge kleiner politischer Gebilde wie Hongkong oder Singapur.
  • Man schaue auf den relativen Vorsprung der Bundesstaaten Deutschland und Österreich gegenüber zentralistischen Staaten wie Frankreich, Italien, Spanien oder Griechenland.
  • Man schaue auf die Schweiz, die – selber nicht gerade eine Großmacht – viele entscheidende Kompetenzen wie die Fixierung der Steuerhöhe und das Ansiedlungsrecht noch weiter nach unten an Kantone und Gemeinden delegiert hat.
  • Man schaue auf den Zerfall des viel zu groß gewordenen Römischen Reiches.
  • Man schaue auf die jahrhundertelange Agonie des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.
  • Man schaue auf die finale Lähmung des Habsburgerstaates durch eskalierende Nationalitäten- und Sprachenkonflikte.
  • Man schaue umgekehrt auf das Erblühen Tschechiens und der Slowakei sowie die Freundschaft zwischen beiden Ländern nach langen Jahren des Antagonismus in erzwungener Gemeinsamkeit, in denen sich jeder Landesteil durch den anderen übervorteilt gefühlt hat.

Zwar hat man immer in den Zentralen des jeweiligen Reiches geglaubt, dass ein Zerfall die ultimative Weltkatastrophe bedeuten würde. Aber letztlich waren Strukturen schlussendlich viel lebensfähiger, sobald die Menschen nur jenen Machtgebilden unterworfen sind, zu denen sie auch gehören wollen. Diese Legitimität liegt meist bei den kleineren Einheiten, kann aber in Einzelfällen wie bei der deutschen Einheit bisweilen auch zu größeren führen. Aber das ist dann eben eine demokratisch gewollte Einheit.

Das Ergebnis kann natürlich auf Grund der Migration und unterschiedlicher demographischer Geburtenfreudigkeit bisweilen auch eine Änderung der Identität sein. So ist etwa aus dem serbischen Kosovo durch die Zuwanderung der Albaner ein zu 90 Prozent albanischer Staat geworden, dem sich freilich wiederum verständlicherweise die rund zehn Prozent serbischer Gemeinden nicht unterordnen wollen. Das lässt sich heute nicht mehr ändern, das ist aber eine massive Warnung an jene, die blind der Massenmigration zuschauen.

Kolumbus hätte im Zentralstaat kaum Chancen gehabt

Auf dem Papier scheint es ja so, dass ideale Regelungen am besten funktionieren, wenn sie auch überall gelten. Nur weiß leider niemand so genau, was denn eigentlich jeweils die ideale Regelung ist. Und selbst wenn man die gefunden zu haben glaubt, ist es halt nicht so, dass gleiche Regelungen für alle gleich sinnvoll sind.

Man denke nur an die Stichworte Wassersparen, Tagesarbeitszeit oder Solarenergie: Eine lange Siesta, die in Spanien oder Italien sinnvoll ist, ist es in Deutschland oder Österreich in keiner Weise. Wassersparrichtlinen der EU sind im regenreichen Norden sinnlos oder gar schädlich, weil Leitungssysteme bei reduziertem Durchsatz verschlicken. Solaranlagen sind im Norden sinnlos, weil dort viel zu wenig Sonne scheint. Genausowenig wäre es sinnvoll, im Süden Lawinenhunde zu halten (das ist zum Glück aber noch niemandem eingefallen).

Noch wichtiger ist eine weitere geschichtlich bewiesene Erkenntnis: Die Vielfalt kleiner Einheiten kann nie durch eine einzige Fehlentscheidung eines einzigen Machthabers aus der Balance gekippt werden. Wenn sich in einer kleinen Einheit ein Fehler ereignet, wird man diesen durch den Vergleich zu den Nachbarn bald entdecken und korrigieren. In solchen System kann jeder von jedem lernen. Sie regulieren sich dadurch selbst.

Wenn Christoph Kolumbus nur eine zentrale europäische Entscheidungsebene vorgefunden hätte, hätte er nicht zwischen Genua, Frankreich, Portugal und Spanien hausieren gehen können, bis ein Machthaber sein Abenteuer finanziert. Wenn Friedrich Schiller bei dem einen Fürsten unterdrückt worden ist, konnte er zu einem anderen weiterziehen und sich dann ungehindert dem Schreiben hinzugeben.

Unter den Historikern herrscht verbreitetet Konsens, dass überhaupt der Erfolg Europas im letzten halben Jahrtausend entscheidend auf seine staatliche, religiöse, kulturelle Vielfalt zurückzuführen ist. Dadurch fand der wissenschaftliche und kulturelle Fortschritt immer Plätze, wo er sich ungehindert entwickeln konnte. Und die größten Katastrophen haben Europa heimgesucht, wenn ein Diktator seine Herrschaft kontinental ausweiten wollte. Ob das nun Napoleon, Hitler oder Stalin war.

Von der Familie bis zu den Schulen: Vielfalt funktioniert

Der Vorteil kleiner Einheiten zeigt sich natürlich auch im gerade wegen seiner Kleinheit allergrößten Erfolgsmodell der Geschichte: der Familie. Sie hat sich besser als Tausende andere Modelle bei den Aufgaben bewährt, Kinder heranzuziehen, Alte und Kranke zu betreuen, gesellschaftliche Stabilitätsanker zu entwickeln. Natürlich gibt es auch arg versagende Familien – aber deren Auswirkungen waren relativ wie absolut nie so schlimm wie etwa jene der Heimerziehung mit all ihren Auswüchsen. Von den Anti-Familien-Projekten totalitärer Regime ganz zu schweigen.

Dasselbe kann man an der Schule zeigen. Länder wie Deutschland oder Österreich mit ihren vielfältigen Schulmodellen, mit der dualen Ausbildung direkt in den Betrieben, können den Jugendlichen, der Gesellschaft und dem Arbeitsmarkt viel erfolgreicher helfen als zentralistische Einheitsmodelle, wie wir sie in allen Ländern mit katastrophaler Jugendarbeitslosigkeit finden.

Natürlich heißt das kein Plädoyer für ordnungsfreie Anarchie. Auch jeder funktionierende Markt hat eine Marktordnung. Diese legt fest, wo und wann die Marktfahrer ihre Stände aufstellen können und dürfen. Aber jede einzelne dieser Regeln muss extrem gut überlegt sein. Wenn sie an den Bedürfnissen der Marktteilnehmer zu sehr vorbeigeht, wird sie ignoriert oder der Marktplatz geht kaputt. Und es entsteht ein Schwarzmarkt.

Daher kann auch für die EU nur gelten: Ja zu einer gemeinsamen Markt- und Rahmenordnung für den Binnenmarkt, zur zumindest europaweiten Freiheit für Menschen, Dienstleistungen, Geld und Waren (wofür noch viel zu tun ist). Aber Nein zu jedem Modell, das glaubt, wenn man den Wettbewerb unter den Europäern durch Zentralisierung bremst oder gar verbietet, dass dann dieses Europa gegenüber Asien oder Amerika wettbewerbsfähig bleiben kann.

Eine Schuldenunion kann nicht funktionieren

Dass diese Überlegungen auch die einzige richtige Analyse der Schuldenkrise ermöglichen, braucht wohl keine lange Argumentation mehr. Die scheinbare Stärke der zentralen Währung – verkörpert durch niedrige Zinsen – hat in vielen Ländern des Südens zu Verantwortungslosigkeit geführt. Kein Land sorgte sich ab diesem Zeitpunkt ernsthaft um die Stabilität der eigenen Währung. Das geschah dann noch viel weniger, als die eigentlich gegen solche Verantwortungslosigkeit eingezogenen Schutzwälle mit einem politischen Federstrich beiseitegeschoben worden sind: die Maastricht-Kriterien und das No-Bailout-Verbot vor allem.

Daher mutet es wirklich grotesk an, wenn jemand ernsthaft glaubt, ausgerechnet eine zentralistische Aufsicht für gleich 6000(!) Banken, eine gemeinsame Einlagenhaftung, eine Schuldenunion und so weiter können wieder mehr Verantwortungsbewusstsein schaffen. Und diese Aufsicht soll ausgerechnet durch jene EZB erfolgen, welche ihre einzige vertraglich festgehaltene Aufgabe, die Sicherung der Geldstabilität, durch leichtfertiges Gelddrucken massiv verletzt.

Europa kann nur durch Vielfalt und Offenheit, durch freien inneren Wettbewerb und möglichst nahe bei den Akteuren angesiedelte Verantwortung, durch Subsidiarität und Föderalismus die großen Herausforderungen bestehen. Viele Politiker wollen aber von diesem richtigen Weg Europas auf einen falschen abbiegen. Weil er scheinbar bequemer ist.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Von Dieben und Heuchlern drucken

ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf sorgte mit einer in der „Pressestunde“ des staatlichen Fernsehens getätigten Aussage für gehörige Aufregung. Er werde, so seine Ankündigung, privates Eigentum „vor Dieben genauso wie vor Sozialdemokraten schützen“.

Mehr hat er nicht gebraucht. Kollektive Erregung im Lager der Roten. Schon winkt der Wiener Bürgermeister mit dem Zaunpfahl von Neuwahlen auf Bundesebene. Und das, obwohl Kopf sich in der Frage einer Ladung von Kanzler Faymann vor den parlamentarischen Untersuchungsausschuss (es geht um massive Ungereimtheiten im Zusammenhang mit einige Zeit zurückliegenden Inseratenvergaben) mit Rücksicht auf den Koalitionsfrieden kuschelweich – um nicht zu sagen grundsatzfrei – zeigte.

Sozialdemokraten in die Nähe von Dieben zu rücken, scheint den sensiblen Genossen – und der ihnen verpflichteten Journaille – unerträglich.

Dass man Dinge beim Namen nennen kann, ohne damit kollektive Kurzatmigkeit auszulösen, demonstrierte der libertäre Kandidat um die US-Präsidentschaft bei den republikanischen Vorwahlen, Ron Paul. Im Zuge eines Wahlkampfauftritts bezeichnete er kürzlich Steuern rundweg als Diebstahl. Eine für die Ohren an obrigkeitliche Raubzüge gegen private Vermögen gewöhnte Bürger Eurolands unerhörte Aussage. Insbesondere in Kakanien, wo ein Ex-Staatssekretär im Finanzministerium sich zu der Behauptung versteigen konnte, hohe Steuerlasten würden mit einem hohen Zivilisationsgrad korrelieren, würde Ron Pauls Behauptung weithin mit Kopfschütteln quittiert werden.

Doch blendet man stereotyp vorgebrachte Schutzbehauptungen aus („wenn es keine Steuern gäbe, wer würde denn Straßen bauen, für Bildung und Sicherheit sorgen?“, etc.) und richtet seinen Blick nur auf das Wesen einer Steuer, wird klar, wie recht Ron Paul hat. Wenn Herr A Herrn B – gegen dessen Zustimmung – Teile seines rechtmäßig erworbenen Vermögens abnimmt, ohne sich dafür zu einer konkreten Gegenleistung zu verpflichten – wie nennt man das? Ob diese Tat auf eigene Initiative von A oder in fremdem Auftrag, als ausschließlich seine oder als die Handlung einer Organisation erfolgt, ändert im Kern nichts an deren Unrechtmäßigkeit. Auch ein möglicherweise vorliegender guter Wille, mit den enteigneten Mitteln „gemeinnützige“ Aktivitäten finanzieren zu wollen, ist kein Grund, um den Unrechtscharakter der Expropriation in Abrede zu stellen.

Würde etwa ein Schneider auf die Idee kommen, Steuern zu erheben, um die Bekleidungsqualität seiner Mitmenschen zu steigern, erklärte man ihn für verrückt. Dasselbe würde einem Zahnarzt blühen, der sich anschickte, im Sinne der allgemeinen Zahngesundheit eine „Plombensteuer“ einzutreiben.

Beim territorialen Machtmonopolisten, dem Staat, stellt sich die Sache nur deshalb anders dar, weil dieser sämtliche Regeln bestimmt, jederzeit ändern und nach seinem Willen und zu Lasten seiner Opfer (der Steuerzahler) willkürlich gestalten kann. Das Internetlexikon Wikipedia erklärt folgerichtig: „Diebstahl ist eine gegen fremdes Eigentum gerichtete Straftat. Welches Verhalten sich im konkreten Einzelfall als Diebstahl darstellt, bestimmt sich nach den Tatbestandsmerkmalen der jeweiligen nationalen Strafrechtsnorm…“ Steuern fallen – welche Überraschung – nicht unter die entsprechenden Tatbestandsmerkmale der Strafrechtsnorm. „Quod licet Iovi, non licet bovi” – oder: “Some animals are more equal than others.”

Zurück zu Herrn Kopf: Sozialdemokraten „in die Nähe von Dieben zu rücken“ wäre ein blanker Euphemismus. Allerdings sind die Möglichkeiten Herrn Kopfs, das Eigentum der Mittelschicht (um das es der ÖVP in der vorliegenden Angelegenheit angeblich geht) zu schützen, bescheiden. Noch wichtiger aber ist, dass seine Ambitionen, das auch tatsächlich tun zu wollen, außerordentlich zweifelhaft sind.

Nicht nur deshalb, weil der anmaßende Imperativ seiner proletoiden Parteifreundin Mikl-Leitner („Her mit der Marie!“) heute noch in den Ohren klingt. Sondern vor allem deshalb, weil aus den Reihen der ÖVP noch keinerlei Initiative zur Rückführung der drückenden Steuerlasten gestartet wurde. Was ist mit dem bestehenden – auch von seiner Partei zu verantwortenden – staatlichen Diebstahl an den Bürgern? Weshalb sollten nur neue Belastungen ein Übel, die bestehenden aber in Ordnung sein – und das bei einem rekordverdächtig hohen Enteignungsniveau?

Keiner erwartet von den Schwarzen eine Initiative zur Abschaffung der ebenso kostspieligen, wie freiheits- und bürgerfeindlichen Staatsmonopole. Doch es ist schon bemerkenswert, dass selbst ein vergleichsweise bescheidenes Anliegen, wie eine bloße Diskussion über die offenkundige Willkür und Ungerechtigkeit eines progressiven Einkommensteuertarifs für sie kein Thema ist. Daher ist es nach wie vor Jörg Haider – Gott hab in selig – der als bislang einzig namhafter Politiker des Landes, das Thema Flat Tax (wenn auch nur halbherzig) aufs Tapet brachte. Bürgerliche ÖVP?

Aus freisinniger Sicht ist daher weniger der Umstand zu Tadeln, dass Kopf Sozialisten und Diebe im selben Atemzug nennt, sondern seine Heuchelei, die darin besteht, sich einerseits zum Anwalt der Mittelschicht zu erklären und zugleich nicht für eine Proportionalsteuer („Flat Tax“) einzutreten, die diese massiv entlasten würde.

Mit der aktuellen Programmatik und dem gegenwärtig aufgebotenen Personal, ist der Absturz der einst staatstragenden ÖVP zu einer unbedeutenden Kleinpartei wohl nicht mehr aufzuhalten.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Die Christen in der Welt drucken

Der folgende Text ist der Originalwortlaut der Rede des Wiener Kardinals vor der deutschen Bundeskanzlerin und 900 hochrangigen Gästen in Berlin. Da es die bisher weitaus konkreteste und wichtigste Stellungnahme Schönborns zum Verhältnis zwischen Christen und säkularer Welt ist, übernimmt das Tagebuch sie zu Dokumentationszwecken und als Diskussionsgrundlage vollständig.

„Es ehrt mich, heute hier in Berlin Gast sein zu dürfen und beim Michaelsempfang einige Worte an Sie richten zu können. Wien und Berlin haben vieles gemeinsam, in der Geschichte, in der Kultur, in der Sprache, auch wenn Karl Kraus, der große Wiener Literat gesagt hat: „Was Deutschland von Österreich trennt, ist die gemeinsame Sprache". Auch anderes trennt uns: Berlin ist die wiedergewonnene Hauptstadt eines wiedervereinigten Deutschland; Wien ist der Wasserkopf eines kleinen Landes, der einmal die Hauptstadt eines großen Reiches war. Wie sagte doch der eben schon zitierte Karl Kraus über unser kleingewordenes Österreich? „Wir haben eine große Zukunft – hinter uns!"

Doch Spaß beiseite. Haben wir eine große Zukunft vor uns? Wir, die Europäer, die Europäische Union? Wir, die Nettozahler dieses großen Zukunftsprojektes der europäischen Integration? Oder liegt diese Zukunft bereits hinter uns? Sind die Zeichen nicht auf Sturm, auf Krise? Stehen wir vor großen Zusammenbrüchen? Passen auf unsere Tage die Worte, die Karl Kraus, um ihn ein drittes und letztes Mal zu zitieren, in einem berühmten Aufsatz zu Beginn des Ersten Weltkrieges geschrieben hat, als alle bombastisch von „dieser großen Zeit" sprachen? „In dieser großen Zeit, die ich kannte, als sie noch klein war, und die wieder klein werden wird, wenn ihr noch Zeit bleibt".

Bleibt uns noch Zeit angesichts des rasanten Anwachsens der Schulden? Wird das europäische Integrationsprojekt den Spannungen standhalten, denen es schon jetzt ausgesetzt ist und die wohl noch stärker werden? Sie werden von mir sicher keine Antwort auf die Fragen erwarten, die sich zurzeit den politisch Verantwortlichen in Europa stellen. Dazu bin ich weder kompetent, noch ist es meine Aufgabe. Es ist aber auch für Politiker kein Zeichen der Schwäche, wenn sie ihre Ratlosigkeit eingestehen.

Ich versuche vielmehr, Ihnen einige Gedanken zum Verhältnis zwischen dem Christentum und dem europäischen Projekt vorzulegen.

Ich beginne mit einer kleinen Episode, die mir stark in Erinnerung geblieben ist. Im Oktober 2007 trafen sich die Vorsitzenden der europäischen römisch-katholischen Bischofskonferenzen zur jährlichen Vollversammlung im portugiesischen Marienwallfahrtsort Fatima. Thema war die Familie in Europa. Einer von uns brachte die von ihm und von anderen als dramatisch eingeschätzte Lage folgendermaßen auf den Punkt: Könnte nicht schon bald der Zeitpunkt kommen, da die europäische Gesellschaft in ihrer Mehrheit den Christen sagt: Ihr seid ein Fremdkörper unter uns! Eure Werte sind nicht unsere. Die „europäischen Werte" sind anders als die christlichen. Ihr gehört nicht zu uns!

Ist das übertrieben, wehleidig? Ist das Christentum im säkularen Europa inzwischen zum Fremdkörper geworden? Jenes Christentum, das doch offensichtlich eine der tragenden Wurzeln der europäischen Identität war - oder noch immer ist? Zunehmend empfinden sich Christen, die ihr Christentum ernstnehmen, marginalisiert. Ja zum Teil sogar diskriminiert. Die OSZE mit Sitz in Wien hat eine eigene Stelle errichtet, die in den Ländern der OSZE Diskriminierung von Christen beobachtet und registriert. Sie hat zu tun!

In immer mehr Bereichen geht der „mainstream" in eine andere Richtung als das Christentum. Überblicken wir die letzten 40 Jahre, dann erscheint mir die Feststellung unausweichlich: das Christentum wird immer marginaler. Ich sage das nüchtern diagnostisch. Als in Österreich 1974 die sozialistische Alleinregierung unter Bruno Kreisky daranging, die Abtreibung weitgehend straffrei zu stellen, gab es intensive Debatten, die auch zu einer Abstimmung im Parlament und einem Volksbegehren führten. Ich erinnere mich an ein Fernsehinterview mit Bundeskanzler Kreisky. Auf die Frage eines Journalisten, ob er sich nicht vorstellen könnte, dass es in Österreich Menschen geben, die mit der sogenannten „Fristenlösung" Schwierigkeiten haben werden, antwortete er: „Ich kann mir vorstellen, dass sehr, sehr religiöse Menschen damit Schwierigkeiten haben könnten". Das klang so, als wären diese Menschen „sehr, sehr" seltsam. Religiös, das ist auf jeden Fall rückständig, nicht auf der Höhe der Zeit, und sicher eine Minderheit. Es muss nicht sein, dass Kreisky das damals verächtlich meinte. Es war es dennoch allemal. Die Abstimmung ging extrem knapp aus: 93 zu 88 Stimmen für die Fristenregelung. Ein Volksbegehren zum „Schutz des Lebens" erhielt große Unterstützung, blieb aber wirkungslos. Und bis heute hat es keine österreichische Regierung zustande gebracht, alle damals versprochenen „flankierenden Maßnahmen" zu beschließen, die den Lebensschutz verbessern sollten.

Viel tragischer aber ist m. E., dass für Kreisky der Widerstand gegen die Fristenregelung vor allem bei „sehr, sehr religiösen Menschen" geortet wurde. Der vor allem kirchliche, christliche Widerstand, angeführt von Kardinal Franz König, war aber nicht primär religiös begründet, auch wenn er stark religiös motiviert war. Es ging vielmehr um die Anerkennung und den gesetzlichen Schutz des menschlichen Lebens, also um elementares Menschenrecht. Die Kirche verteidigte hier nicht konfessionelles Sonderrecht, sondern vernunftbegründetes Menschenrecht. Papst Benedikt XVI. hat in seiner Rede vor dem deutschen Bundestag (22. September 2011) genau darauf hingewiesen. Woran liegt es, dass sich, wie der Papst sagte, „im letzten halben Jahrhundert eine dramatische Veränderung der Situation zugetragen" hat? „Der Gedanke des Naturrechts gilt heute", so sagte er weiter, „als eine katholische Sonderlehre, über die außerhalb des katholischen Raumes zu diskutieren nicht lohnen würde, sodass man sich schon beinahe schämt, das Wort überhaupt zu erwähnen".

Seit den Siebzigerjahren ist die Entwicklung konsequent in dieselbe Richtung weitergegangen. Nach der rechtlichen „Freigabe" des Lebensanfangs kam unausweichlich die des Lebensendes. Die Euthanasiedebatte erfasst mit unerbittlicher Konsequenz immer mehr Länder Europas. Österreich ist (noch?) in der glücklichen Lage, dass es einen Allparteienkonsens gegen die Euthanasie und für die Hospizbewegung zur Sterbebegleitung gibt. Hier verdanken wir viel dem kräftigen Zeugnis von Kardinal König, der wenige Wochen vor seinem Tod (im 99. Lebensjahr) in einem unvergesslichen Brief an den österreichischen Verfassungskonvent den Satz geprägt hat: „Menschen sollen an der Hand eines anderen Menschen sterben, und nicht durch die Hand eines anderen Menschen". Wie lange wird dieser Konsens in Österreich dem Druck des europäischen Mainstreams standhalten? Ich enthalte mich des Kommentars zur innerdeutschen Entwicklung in dieser Frage. Es sei nur darauf hingewiesen, dass Präsident Horst Köhler das Wort von Kardinal König öfters zitiert hat.

Ein drittes Beispiel sei genannt, wo von kirchlicher Seite mit dem Naturrecht, der unveräußerlichen Menschenwürde, und gerade nicht religiös argumentiert wird, und wo dennoch die kirchliche Position eindeutig auf der Verliererseite ist: die verbrauchende Embryonenforschung. Einige Jahre lang hat eine Sperrminorität von EU-Ländern verhindern können, dass EU-Gelder in die embryonen-verbrauchende, d.h. embryonentötende Forschung, vor allem im Stammzellenbereich, fließen: Deutschland, gemeinsam mit Polen, Italien, Irland, Österreich und Portugal haben hier blockiert. Diese Front hat nicht lange gehalten. Wie auch jene andere, die sich gegen eine gesetzliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften mit der Ehe wehrte.

„Ich kann mir vorstellen, dass sehr, sehr religiöse Menschen damit Schwierigkeiten haben", meinte Bruno Kreisky 1974. Ist in dieser seither scheinbar unaufhaltbaren, unumkehrbaren Entwicklung das Christentum in Europa, von einem Nachhutgefecht zum anderen, auf unaufhaltsamen Rückzug? Sind seine Werte längst nicht mehr die so oft beschworenen „europäischen Werte"? Immer mehr erleben sich engagierte Christen als Minderheit. In den diversen Ethikkommissionen figurieren sie mit ihren Positionen meist „unter ferner liefen". Das hat die Stammzellendebatte gezeigt, das zeigt sich jetzt bei den Diskussionen um Bluttests zur frühzeitigen Feststellung von Behinderung, oder bei der Frage der Präimplantationsdiagnostik.

Manche katholische Mitglieder in den diversen Ethikkommissionen klagen darüber, dass stets nur ihr „Nein" zu neuen Entwicklungen gehört wird, und nicht das Ja, das ihre Position motiviert: das Ja zum Leben, zum Lebensschutz, zum unbedingten Respekt vor der Würde des Menschen von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod.

Ich glaube, wir haben noch zu wenig reflektiert, was diese Marginalisierung für die christliche Identität im heutigen säkularen Europa bedeutet. Wie sich mit den „christlichen Werten" in einem Europa positionieren, das mehr und mehr den Christen sagt: „Eure Werte" sind nicht „unsere Werte"? Ich denke, viele von uns, ob Gläubige oder Amtsträger, schwanken zwischen Anpassung und Abgrenzung. Beides hat Grenzen. Wie weit kann der politische Kompromiss gehen, der sich bei der Gesetzgebung der parlamentarischen Mehrheit beugt? Sicher sind viele Gesetzesmaterien kompromissfähig. Papst Benedikt hat im Bundestag aber darauf hingewiesen – ähnlich wie in seiner beeindruckenden Rede in Whitehall, im Parlament in London –, „dass in den Grundfragen des Rechts, in denen es um die Würde des Menschen und der Menschheit geht, das Mehrheitsprinzip nicht ausreicht".

Was aber, wenn dank dem Mehrheitsprinzip die Gesetzgebung und der durch sie abgebildete und zugleich auch mitgeprägte gesellschaftliche Konsens sich von den „christlichen Werten" weg entwickelt und damit die Christen nicht nur in eine Minderheitsposition, sondern auch in Gewissenskonflikte bringt?

Dann ist die Versuchung naheliegend, sich, wie Paulus warnend sagt, „dieser Welt anzugleichen" (Röm 12,2). Dann fehlt die Kraft zum Widerstand, der Mut zur Alternative. Am letzten Tag seines Deutschlandbesuches, bei seiner Rede in Freiburg (25. September 2011) hat Papst Benedikt auf die Gefahr der "Verweltlichung" der Kirche hingewiesen, auf die „Tendenz, dass die Kirche zufrieden wird mit sich selbst, sich in dieser Welt einrichtet, selbstgenügsam ist und sich den Maßstäben der Welt angleicht". Der Versuch, den „christlichen Werten" im Kanon der säkularen Gesellschaft Raum zu geben, scheitert meist schon daran, dass vieles in der Kirche schon soweit säkularisiert ist, dass es profillos und kaum zu unterscheiden ist. Dann hat die Kirche in die säkulare Gesellschaft nichts mehr einzubringen. „Wenn das Salz schal wird, taugt es zu nichts mehr", hat Jesus gesagt (Mt 5,13). Das vieldiskutierte Wort Papst Benedikts von der „Entweltlichung" ist das Gegenstück zur „Verweltlichung" der Kirche.

Wie bei vielen anderen Gelegenheiten ermutigt Papst Benedikt die Christen heute, zur säkularen Gesellschaft ein positives Verhältnis zu gewinnen, nicht im Sinne der Anpassung. Vielmehr sollen die Christen in aller Freiheit in einer pluralistischen Gesellschaft das Eigene einzubringen. Gerade in Staaten, die ein stark kooperatives Verhältnis zu den Kirchen haben - wie Deutschland oder Österreich – ist die Versuchung groß, mehr auf die eigene kirchliche Institution und Organisation zu schauen, als auf die ursprüngliche Berufung des Christen in der Welt. Gerade in einer säkularen Gesellschaft ist ein „verweltlichtes" Christentum uninteressant, denn „weltlich" sein, das können die Säkularen meist besser als die Kirchlichen. Papst Benedikts Aufruf zu einer „Entweltlichung" der Kirche zielt, so sehe ich es, genau auf diese Situation eines „verweltlichten" kirchlichen Lebens. Paradoxerweise ist eine „entweltlichte" Kirche besser geeignet, weltoffen zu sein, wie es das Konzil wollte: „Sie öffnet sich der Welt, nicht um die Menschen für eine Institution mit eigenen Machtansprüchen zu gewinnen, sondern um sie zu sich selber zu führen", indem sie sie zu Gott führt.

Mich beeindruckt immer wieder, wie sehr Papst Benedikt die Kirche dazu auffordert, zur säkularen Gesellschaft, zum „secular age" (Charles Taylor) ein positives Verhältnis zu gewinnen. In Freiburg sagte er, durchaus überraschend: „Die Geschichte kommt der Kirche in gewisser Weise durch die verschiedenen Epochen der Säkularisierung zur Hilfe, die zu ihrer Läuterung und inneren Reform wesentlich beigetragen haben".

Diese „Entweltlichung" meint sicher nicht den Rückzug aus allen institutionellen, rechtlichen, gesellschaftlichen Vernetzungen der Kirche mit der zivilen Gesellschaft und dem Staat, wohl aber ein Freierwerden für das Eigentliche des Christentums, das Evangelium und seine Bezeugung. So kann der kontinuierliche Rückgang an Einfluss- und Bestimmungsmöglichkeit der Kirche auf die Gesellschaft, die Gesetzgebung, den Staat, durchaus nicht nur als Verlust gesehen werden. Papst Benedikt zeigt den müden und resignierten Christen unermüdlich, dass sie nicht zu verzagen brauchen, wenn sie auf die argumentative Kraft von Vernunft und Glauben und auf die Leuchtkraft der gelebten Christusnachfolge setzen. Gerade in der säkularen Gesellschaft hat der Gläubige die Freiheit, seine Überzeugung ins Spiel zu bringen. Er darf nur nicht wehleidig sein, und auch nicht prätentiös.

Die Beschneidungsdebatte ist ein spannender Fall für das Thema Religion in der säkularen Gesellschaft. Es fehlt an der Zeit, ausführlicher darauf einzugehen. Das Menschenrecht auf körperliche Integrität wird gegen das Menschenrecht auf Religionsfreiheit ausgespielt. In der säkularen Gesellschaft hat ersteres eine größere Plausibilität als letzteres. Man wünschte sich, dass das Recht auf körperliche Integrität des zur Abtreibung freigegebenen Ungeborenen mit ebensolcher Vehemenz verteidigt würde wie das Recht, über das Haben oder Nichthaben des Praeputiums (für Nichtlateiner: der Vorhaut) selber entscheiden zu können. Jan Ross hat in der „Zeit" m.E. die Sache auf den Punkt gebracht, wenn er seinen Artikel zum Beschneidungsurteil betitelt: „Hilfe, die glauben". Ja, da gibt es Menschen, die Teil unserer Gesellschaft sind, die ernsthaft glauben, dass die Beschneidung das Bundeszeichen der Treue Gottes zu seinem erwählten Volk ist, und die daher lieber aus Deutschland auswandern würden, als dass sie sich vom Gesetzgeber die Beschneidung verbieten lassen.

Welchen Platz hat der Glauben von Menschen in der säkularen Gesellschaft? Hat sie dafür Toleranz übrig? „Sehr sehr religiöse Menschen", wie Kreisky sie nannte, haben sie (noch) Platz in einem Reservat für eine aussterbende Spezies? Oder werden sie als Mitbürger in ihrer eigenen religiösen Überzeugung ernst genommen?

Lange Zeit galt als Argumentationsfigur für den Platz der Religion in der säkularen Gesellschaft der Hinweis auf ihren pragmatischen Nutzen; etwa: „Religion ist nützlich für die Moral". Sie fördert kulturelle Werte. Sie stärkt soziales Verhalten. Das mag alles stimmen. Aber es ist nicht das Herz der Religion, es ist nicht der Grund für das Gläubigsein. Gläubig sind Menschen nicht, weil es nützlich ist, sondern weil sie an Gott glauben. Weil Gott für sie „die alles bestimmende Wirklichkeit" ist, wie Rudolf Bultmann sagte. Ganz einfach bringt das eine junge Muslima auf den Punkt. Sie antwortete in Österreich einem Journalisten auf die Frage, ob sie das Kreuz im öffentlichen Raum nicht störe, es tue ihr gut, dadurch zu wissen, dass sie in einem Land lebt, in dem Menschen an Gott glauben.

Jürgen Habermas spricht von „unabgegoltenen religiösen Bedeutungspotentialen", die im liberalen Staat nicht übersehen oder verdrängt werden dürfen. Religiöse Mitbürger können sie einbringen. Dazu müssten sie aber als Personen ernst genommen werden. Umgekehrt wird den religiösen Menschen im säkularen Kontext zugemutet, dass sie sich bemühen, ihre Inhalte in die Sprache der säkularen Welt zu übersetzen. Wenige können letzteres so meisterhaft wie Papst Benedikt. Nicht umsonst wird er von nichtreligiösen Menschen wie kaum ein anderer christlicher Autor gelesen.

In seinen Reden und Schriften kommen die großen Worte des Glaubens zu neuem Leuchten, wirken unverbraucht frisch, wie neu. Und sie lassen etwas von der unerschöpflichen Quelle spüren, aus der sie kommen, Worte wie Glaube, Hoffnung, Liebe. Ein Wort wie Barmherzigkeit meint mehr als niemandem wehtun zu wollen, als Solidarität, ja mehr als Gutsein. Gnade wäre zu nennen und Heil – das so missbrauchte Wort. Martin Walser hat in einem großartigen Buch das Wort Rechtfertigung (durch den Glauben) hervorgeholt und wieder neu zur Geltung gebracht. Es steht im Kontrast zum heute allgegenwärtigen Rechthaben. Das sind einige große Worte des Glaubens, auf die zu verzichten ein zu großer Verlust wäre.

Doch mehr als alle Worte spricht die Tat. Vielleicht müssen wir Christen mehr darauf vertrauen, dass die selbstlose, interessensfreie Tat des Glaubens oft mehr bewirkt als alle noch so wichtigen gesetzgeberischen Maßnahmen. Kaum jemand hat in den letzten Jahrzehnten mehr überzeugt als Mutter Teresa von Kalkutta. In der so schmerzlichen Auseinandersetzung um den Lebensschutz hat sie die einzig überzeugende Antwort gefunden: die direkt helfende Tat, indem sie sagte: „Tötet sie nicht! Gebt sie mir!" Fremdkörper oder Wurzel Europas: das Christentum: Es hat dem Christentum gut getan, dass es durch das Feuer der Kritik von Aufklärung und Säkularismus gehen musste. Es ist die Chance der Läuterung. Es ist die Frage nach seiner Glaubwürdigkeit. Ist nicht in so mancher säkularen Kritik am Christentum auch ein Stück Sehnsucht verborgen, es möge doch so etwas wie ein authentisches, gelebtes Christentum geben? Insgeheim wissen wir wohl, ob säkular oder gläubig, dass hier die tragfähigen Wurzeln Europas liegen. Nahe kommen wir dem fremdgewordenen Christentum freilich nur um einen Preis: die eigene Bekehrung. Und die ist ein lebenslanger Prozess."

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Eine Mücke im Schlafzimmer drucken

Im Jahr 1959 hielt ein amerikanischer Richter eine Ansprache an die gelangweilte Jugend. Seit Jahren kursiert diese Mischung aus Kritik und weisem Ratschlag in den unterschiedlichsten Printmedien. Nun verbreitet sie sich im Internet.

Die meisten Ratschläge von damals, mögen sie auch mehr als ein halbes Jahrhundert alt sein, haben an Aktualität nichts verloren:

„Always we hear the cry from teenagers, ‘What can we do, where can we go?’ My answer is, go home, mow the lawn, wash the windows, learn to cook, build a raft, get a job, visit the sick, study your lessons, and after you’ve finished, read a book.

Your town does not owe you recreational facilities and your parents do not owe you fun. The world does not owe you a living, you owe the world something. You owe it your time, energy and talent so that no one will be at war, in poverty or sick and lonely again. In other words, grow up, stop being a cry baby, get out of your dream world and develop a backbone, not a wishbone. Start behaving like a responsible person.

You are important, and you are needed. It’s too late to sit around and wait for somebody to do something someday. Someday is now and that somebody is you.”

Natürlich ließe sich trefflich darüber streiten, ob Rasenmähen oder Floßbauen das Nonplusultra jugendlicher Betätigung ist. Sich einen Ferialjob zu suchen und dabei zu begreifen, dass Geld nicht mühelos aus dem Bankomaten oder der Brieftasche der Eltern quillt, halte ich hingegen für eine hervorragende Idee.

Es schadet auch nicht, sich möglichst früh an den Gedanken zu gewöhnen, dass Mama und Papa keine hauptberuflichen Spaß-Provider sind. Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten werden wohl jene die besten Zukunftsperspektiven haben, die Leistung und Verlässlichkeit nicht uncool finden.

Gesellschaftliches Engagement sollten junge Leute vielleicht auch in Erwägung ziehen. Diejenigen, die zu klug sind, um sich in der Politik zu engagieren, werden dadurch bestraft werden, dass sie von Leuten regiert werden, die dümmer sind als sie selbst, wusste schon Platon. Und wer meint, als Einzelner sei man viel zu unwichtig, um etwas verändern zu können, sei erinnert: Wenn du glaubst, du bist zu klein, um in der Welt etwas zu bewirken, dann versuche mit einer Mücke im Zimmer zu schlafen!

Dr. Eckehard Quin ist AHS-Lehrer für Chemie und Geschichte sowie Vorsitzender der AHS-Gewerkschaft

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Die liberale Studentenbewegung in Europa wächst weiter drucken

Konferenz der „European Students For Liberty" am 17. November in München, Deutschland

In Anbetracht der aktuellen Systemkrise wird heute deutlicher denn je, wie stark die Staatsgläubigkeit an den meisten europäischen Universitäten verwurzelt ist. Wir stehen vor dem Zusammenbruch „unserer“ Wohlfahrtssysteme und trotzdem hören Studenten ausschließlich von Lösungen, welche nur der Staat bereitstellen könne. Er wird als unser aller Heilsbringer dargestellt und gleichzeitig werden „die freien Märkte“ verteufelt. Staatlich verursachte Probleme sollen durch noch mehr Staat gelöst werden.

Besonders deutlich ist dies am Beispiel der „Generationengerechtigkeit“ erkennbar. Die Jugend müsse das System aus Gerechtigkeitsgründen akzeptieren und darauf hoffen, in Zukunft selber von diesem zu profitieren. Doch wie am raschen Wachstum der „European Students For Liberty“ zu erkennen ist, verlieren mehr und mehr Studenten das Vertrauen in den Staat als Löser all unserer Pobleme.

Das Netzwerk der „European Students For Liberty“ wuchs innerhalb des vergangenen Jahres auf über 105 liberale Studentengruppen aus 20 verschiedenen Ländern an. Zudem besuchten mehr als 220 Studenten im vergangenen Jahr unsere erste europäische Konferenz im belgischen Leuven (und dies ohne jegliche Subventionen!). Diese große Nachfrage hat uns dazu angespornt, liberale und libertäre Ideen in Form von Regionalen Konferenzen noch näher an die Studenten zu bringen. Wir veranstalteten im Sommer schon eine Konferenz in Vilnius (Litauen) und werden im Herbst weitere Konferenzen in Stockholm, Turin, Belgrad und auch in München abhalten.

Die Konferenz in München wird am 17. November in deutscher Sprache an der Universität München abgehalten. Bereits jetzt haben uns prominente Redner, wie z.B. Professor Dr. Thorstein Polleit (Chief Economist, Degussa Goldhandel GmbH), Prinz Michael von Liechtenstein, Theobald Müller (Unternehmensgruppe TheoMüller), Jonathan Logan (Vice-President Cryptohippie Inc.) und Karl Peter Schwarz (Korrespondent Frankfurter Allgemeine Zeitung) zugesagt.

Unser Ziel ist es, DIE Ressource für liberale Studenten zu werden, so dass wir mit einem umfangreichen Netzwerk und mit ausgeprägten Fähigkeiten dem etatistischen Zeitgeist entschlossen entgegenstehen können. Daher bieten wir Kontakte, Trainings und Ressourcen, wie z.B. kostenlose Bücher, Konferenzen oder Seminare im Internet an. Es ist großartig, wie viele Möglichkeiten und Gleichgesinnte es innerhalb Europas gibt. Wir wollen diese bündeln und zusammenbringen.

Was uns von bestehenden Strukturen unterscheidet ist unser Fokus. Wir nehmen kein Geld vom Staat an und sind nicht politisch tätig. Als „European Students For Liberty“ konzentrieren wir uns ausschließlich auf die Ideen der Freiheit, die akademischen Theorien und die Kommunikation derselben. Wir schreiben dabei niemanden vor, was der beste Weg zur Freiheit ist, sondern wollen genau darüber diskutieren.

Deshalb würden wir uns sehr freuen Sie und Euch in München begrüßen zu dürfen.

Informationen:

Michael Landl ist im Vorstand der European Students For Liberty tätig. Er arbeitete für das Austrian Economics Center in Wien und studiert International Affairs and Governance an der Universität St. Gallen. Sie können ihn unter der E-Mail mlandl@studentsforlibery.org erreichen.

Weiterführende Links:

European Students For Liberty
Regionale Konferenzen
Regionale Konferenz München

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Die große Seifenblase: der Ethikunterricht drucken

Aus zwei sehr unterschiedlichen Gründen wird derzeit die Einführung eines verpflichtenden „Ethik-Unterrichts“ verlangt. Die einen – vor allem Sozialdemokraten – wollen einen solchen zur Verbreitung bestimmter Werte, aber auch zur Zurückdrängung des Religionsunterrichts für alle Schüler verpflichtend einführen. Kirchenvertreter wiederum fordern einen Ethikunterricht als Alternative zur Religionsstunde. Beide Seiten liegen aber ganz grundsätzlich falsch. Weder ist das eine Modell gut für Gesellschaft und Moral noch das andere für Kirchen und Glauben.

Ach ja: Bevor wir uns mit diesen beiden an sich ehrenhaften Zielen auseinandersetzen, sei noch eine dritte Gruppe erwähnt, die nach dem Ethik-Unterricht ruft: Das sind Philosophen, Genderologen, Politologen, kirchenkritische Theologen und Exponenten anderer brot- und berufsloser theorielastiger Studien, die sich als Ethiklehrer endlich gut bezahlte Jobs erhoffen. Das ist so schnell durchschaut wie als hoffentlich irrelevant abgehakt.

Eine viel spannendere Frage ist, welche die Philosophen schon seit den Zeiten der alten Griechen beschäftigt: Kann durch einen Ethik-Unterricht moralisches Verhalten verbessert werden? Können die Menschen ohne irgendeine religiöse oder ideologische Untermauerung durch Schulunterricht ehrlicher, fleißiger, solidarischer gemacht werden? Eine schöne Hoffnung. Nur gibt es für ihre Umsetzbarkeit und Wirksamkeit keinerlei empirische Beweise.

Verlogene Gutmenschpropaganda

Statt dessen wird durch den Ethikunterricht mit großer Sicherheit etwas ganz anderes passieren. Dafür sorgt schon das sich anbietende Lehrpersonal. Der Ethikunterricht wird in breiter Front verlogenes grünes und sozialistisches Gutmenschtum propagieren. Dessen Kern lautet in der Regel: „Der Staat soll“ oder „Die Reichen/die Männer/die Christen/die Europäer sind die Bösen“. Projekte des Ethikunterrichts werden so wie schon heute viele Schul-Aktionen ständig neue benachteiligte Gruppen entdecken, für die zu Lasten Dritter oder der Allgemeinheit eine Besserstellung verlangt wird.

Also: Umverteilung zu Nichtleistungsträgern als angeblicher ethischer Imperativ. Das ist meilenweit weg von Kants Kategorischem Imperativ oder der damit verwandten Goldenen Regel, also den gutgemeinten Versuchen, ohne Transzendenz ethisches Verhalten auszulösen. Dahinter steckt meist ein Modell der Gegenseitigkeit, des wechselseitigen Nutzens: Do ut des. Ich gebe (oder unterlasse), damit du gibst (oder unterlässt).

Unter dem Tarnmantel des Ethik-Unterrichts würden statt der Goldenen Regel grün-alternative Weltbilder verbreitet, auch wenn sie in der Realität noch so oft gescheitert sind. Die Schule würde zu einem Vorfeld des Occupy-, Attac-, Greenpeace-Linksradikalismus werden.

Das ist nicht nur eine abstrakte Befürchtung. Das lässt sich schon an Hand der bereits vorhandenen deutschen Ethik-Lehrbücher beweisen. Diese hat nun der Philosoph Jan Schneider in einer Studie untersucht. Ein Austro-Ethikunterricht wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht sehr von diesen Büchern unterscheiden.

In ihnen wird nicht nur direkte Werbung für grüne Vorfeld-Organisationen bis hin zu deren Internet-Adressen gemacht. Es wird auch der Sozialstaat mit all seinen totalitären Tendenzen verherrlicht:  Er halte „immer stärkere und kontrollierende Eingriffe des Staates im Dienste der sozialen Gerechtigkeit für notwendig“, formuliert da eines dieser Bücher. George Orwells 1984 als Ethik des 21. Jahrhunderts. Hingegen findet sich kein Wort von der Schuld des Sozialstaats an Schulden und Arbeitslosigkeit. Das ergibt einen klaren Gesamteindruck: „Ethisches“ Lob für den gleichmacherischen Sozialstaat statt für Leistung und Eigenverantwortung.

Insbesondere wird auch der Welthandel pseudo-ethisch denunziert, obwohl er in Wahrheit schon viele Entwicklungsländer aus der Armut herausgeführt hat: Der Nord-Süd-Handel sei „ein Instrument sozialer Ausbeutung“, behauptet eines der Ethik-Lehrbücher. Als ob auch nur ein einziger Mensch im Süden besser dran wäre, wenn es keinen Nord-Süd-Handel mehr gäbe. Natürlich wird das Gegenteil der Fall sein, also eine gewaltige soziale Elendskatastrophe im Süden ausbrechen. Statt des Handels wird in den Büchern „Fair Trade“ bejubelt,. Als ob künstlich erhöhte Preise und schlechtere Qualität eine sinnvolle Strategie für Entwicklung wären.

Noch konsequenter wird in solchen Ethik-Büchern die Technik denunziert. Den jungen Menschen wird ein Weltbild vermittelt, als ob es den Menschen in einer überwiegend agrarischen Kultur vor Hundert Jahren besser gegangen wäre. Ausgeblendet werden die damaligen weltweiten Hungersnöte, das Elend großer Massen und die im Vergleich zu heute nur halb so hohe Lebenserwartung. Geradezu selbstverständlich ist in einem solchen grüntriefenden Kontext die Prophezeiung, dass Energie oder Rohstoffe demnächst ausgehen würden. Was heute noch falscher ist als in den Sechziger Jahren oder am Beginn des 19. Jahrhunderts, als man ebenfalls schon diese düstere Prophezeiung liebte.

Keinerlei Verständnis oder gar Sympathie gibt es in diesen Ethik-Büchern für die Vorteile der Marktwirtschaft und die damit verbundene Verschiebung der Macht vom Staat zum Einzelbürger. Den Ethik-Autoren sind all jene Mechanismen zuwider, die in den letzten Jahrzehnten Wohlstand und Ernährung eines wachsenden Anteils der Menschheit dramatisch verbessert haben. Dafür liegt ihnen umso mehr eine vermenschlicht dargestellte Tierwelt am Herzen. Und natürlich bekommt auch die feministische „Geschlechtergerechtigkeit“ in diesen Büchern breiten Raum. Alles was zur Denunzierung von Fortschritt und Freiheit dient, wird zum Postulat eines postmodernen Ethik-Unterrichts.

Aber legen wir die Ethik-Bücher beiseite. Denn eine Veränderung der individuellen Ethik oder Weltanschauung lässt sich ohnedies nicht durch Unterricht oder Bücher erzielen, selbst wenn diese nicht so verlogen wären.

Auch all die verpflichtenden Marxismus-Lehrveranstaltungen im einstigen Osteuropa haben ja nur eines bewirkt: Dass die Osteuropäer bis auf ein paar Ewiggestrige heute die schärfsten Anti-Marxisten der Welt sind. Ähnliches kann man gerade in Hongkong sehen: Dort wollten die Pekinger Machthaber fürs nächste Schuljahr verpflichtende Lehrstunden in Sachen „Patriotismus“ einführen. Die Ablehnung war so groß, dass die Behörden letztlich das Projekt abbliesen.

Individuelle Moral wird nämlich auf ganz anderen Wegen vermittelt: durch familiäre Prägung; durch überzeugende Vorbilder im persönlichen Umfeld und in der Gesellschaft, also etwa auch durch das Verhalten der Lehrer; durch religiöse Wertorientierung; oder durch Gruppendruck nach dem Muster:  „Im Klassenkampf müssen eben Opfer gebracht werden“; „Ein deutscher Junge lügt nicht“; oder deutlich positiver: „Ein österreichischer Facharbeiter arbeitet ordentlich, auch wenn ihn niemand kontrollieren kann“.

Viel positiver als ein Ethik-Unterricht durch verblasene Gutmenschen wäre etwas ganz anderes: ein ordentlicher Unterricht über Recht und Wirtschaft, also Wissen statt schwammigen „Kompetenz“-Gewusels. Die Wissens- und Verständnislücken von Schulabsolventen in Hinblick auf Ökonomie, Gesetze und Staat sind nämlich erschütternd und gefährlich, subjektiv wie kollektiv.

Die generalpräventive Wirkung von Strafandrohungen des Rechtssystems ist weitgehend unbestritten. Daher hätte auch ihre Lehre im Unterricht sehr viel Sinn. Und es ist eigentlich unverständlich, dass das in unseren Schulen so gut wie gar nicht stattfindet.

Gewiss wäre es schön, wenn jeder Mensch auch ohne die Gefahr einer Strafe auf Steuerhinterziehung, sexuellen Kontakt mit Kindern, Gewalttaten, Beschäftigung von Schwarzarbeitern, Betrügereien und viele andere Dinge verzichten würde. Aber letztlich hat sich in allen Gesellschaften die Strafandrohung als beste Strategie erwiesen.

Damit diese Strategie aber wirklich wirkt, braucht es zwei Voraussetzungen: Es muss erstens ein ernsthaftes Risiko bestehen, erwischt zu werden (das hat mit Schule nichts zu tun, sondern mit der Effizienz von Polizei und Behörden). Und zweitens muss man die Verbotsnorm samt Strafe überhaupt kennen. Und genau dafür wäre eben ein ordentlicher Rechtsunterricht sowohl in Pflicht- wie auch in Höheren Schulen essentiell.

Dieser sollte aber auch jenseits des Strafrechts das Wissen jedes Bürgers über das Funktionieren von Staat und Gesellschaft erhöhen: von den Mechanismen der Gesetzgebung bis hin zur Sozialversicherung. Letztlich kann ja eine Demokratie nur mit sie verstehenden Bürgern funktionieren.

Ebenso wichtig ist das Wissen um ökonomische Zusammenhänge. Nur Bürger, denen beispielsweise der Zusammenhang vermittelt worden ist, dass die Akkumulierung von Schulden sowohl eine Familie wie auch einen Staatshaushalt langfristig zum Zusammenbruch bringen muss, werden sich politisch verantwortungsbewusst verhalten. Nur dann werden sie immun gegen Schulden-Scharlatane mit ihrem Stehsatz: „Für . . .  muss doch noch Geld dasein.“ Aber eben das Geld der anderen, des Staates, nie das eigene.

Ist es nicht deprimierend, werden da manche einhaken, wenn sich die Menschen primär wegen der ökonomischen oder rechtlichen Konsequenzen eines Verhaltens ethisch verhalten? Mag sein, dass manche das als deprimierend empfinden, aber es ist eine realistische Weltsicht.

Macht dieser Religionsunterricht noch Sinn?

Wie aber sieht es mit der zweiten Gruppe aus, die aus ganz anderen Gründen nach einem Ethikunterricht ruft? Das ist in Österreich vor allem die Kirche. Sie sieht, dass für so manche Schüler das Kaffeehaus attraktiver geworden ist als der Religionsunterricht. Die Abmeldungen von Religion wären daher zweifellos weniger häufig, wenn man trotzdem in einer Schulklasse sitzen muss.

Eine Reduktion der Abmeldungen könnte so also zweifellos erreicht werden. Nur bleibt mehr als offen, was die Kirche von solchen demotivierten Schülern überhaupt hätte. Statt über solche Vergatterungsmechanismen nachzudenken sollte sie nämlich den Religionsunterricht selbst gründlich ändern.

Dieser hat sich in den letzten Jahren im Versuch einer billigen Anbiederung vielerorts schon selbst in Richtung einer diffusen und gott-fernen Ethik-Lehre  entwickelt. Viele Religionslehrer wagen es nicht mehr, von den Kindern ernsthaft kognitives Lernen zu verlangen. Das hat zu Schulabsolventen geführt hat, die nach zwölf Jahren „Religion“ weder die zehn Gebote noch das Vaterunser kennen, die dafür Dutzende verlegene Besuche in einem Obdachlosenasyl hinter sich haben. Die Religionslehrer wagen nicht mehr, von Gott zu reden und zu zeigen, dass sie selber den eigenen Glauben noch ernst nehmen. Sofern sie ihn überhaupt noch haben.

Der Religionsunterricht in staatlichen Schulen ist für die Kirchen ein Holzweg geworden. Die Kirchen glauben zwar, sich viel Geld zu ersparen, wenn die Religionslehrer vom Staat bezahlt werden. Sie verlieren dafür aber den Kontakt zu den Kindern.

Viel erfolgreichere Exempel sind für die Kirchen jene Länder, wo der Religionsunterricht nicht in der Schule des Staates, sondern in Gebäuden der Kirchen wie etwa Pfarren erfolgt. Wie in den USA oder in der Schweiz. Dort entsteht automatisch eine viel engere Bindung. Dort werden die Jugendlichen viel enger an das kirchliche Leben herangeführt, als das nach dem österreichischen Staats-System erfolgt.

Natürlich müssten die Kirchen dann sich und damit auch die Arbeit mit den Kindern wieder viel ernster nehmen. Sie müssten begreifen, dass weder Tischtennisspielen noch Befindlichkeits-Gesäusle den Kern eines Religionsunterrichts zu bilden haben. Sie müssten auch klarmachen, dass es ohne Teilnahme an diesem Religionsunterricht dann später auch keine Teilnahme an den populären Zeremonien der Kirche geben kann. Also weder Firmung noch Eheschließung noch Begräbnis.

Ein paar Studienreisen österreichischer Bischöfe würden sie auf dem Weg dieser skizzierten Erkenntnis weit voranbringen. Der Rest wären dann nur noch technische Details.

Dazu gehören etwa Möglichkeiten, einen in pubertärer Brauch-i-net-Mentalität versäumten Religionsunterricht später einmal in ernsthafter Form nachzuholen. Gewiss müsste auch über finanzielle Kompensationen für das gesprochen werden, was sich der Staat durch den Abzug der Religionslehrer aus den Schulen erspart (hat er sich doch einst an Kirchenvermögen fett bedient). Gewiss müsste es dann ein oder zwei Nachmittage geben, die landesweit für den außerschulischen Religionsunterricht frei wären: An diesen Nachmittagen dürfte es dann also keinen Unterricht oder Übungen und Trainings staatlich geförderter Vereine (vom Sport bis zur Kultur) geben; da müssten auch Ganztagsschulen ungehindert die Teilnahme ermöglichen.

All das wird aber nirgendwo ernsthaft diskutiert. Statt dessen findet unter der vermeintlich edlen Überschrift „Ethik“allerorten nur völlig vordergründige Geplänkel statt, die weder der Gesellschaft noch der Schule noch den Religionen etwas bringen.

 

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Buchrezension: Das moralische Kostüm geistiger Herrschaft drucken

Staatliche Macht und Herrschaft gründet – was von einer großen Mehrzahl der Bürger selten gewürdigt wird – auf Androhung oder Anwendung physischer Gewalt. Aggressionshandlungen eines Individuums gegen Dritte oder gegen staatliche Institutionen sind als Auslöser hoheitlicher Gewalt gegen den Bürger nicht erforderlich. Es reicht, sich nicht widerspruchslos vom Fiskus enteignen zu lassen – schon bekommt man die eiserne Faust des Leviathans zu spüren.

Im vorliegenden Buch aus der Feder von Peter Gerdsen, seines Zeichens emeritierter Professor der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg, und unter anderem Fachmann für Kommunikationssysteme, geht es indessen um eine subtilere Methode der Herrschaft über Menschen. Es geht nicht um jene Macht, „die aus den Gewehrläufen kommt“ (Mao Zedong) sondern um Herrschaft „… durch Beeinflussung und Enteignung des Denkens der Menschen mit der Folge, dass sie das wollen, was dem Willen der Herrschenden entspricht.“

Der Autor beschreibt die zur Erringung dieser „geistigen Herrschaft“ eingesetzte Strategie – als eines der wichtigsten Werkzeuge benennt er die von der Intellektuellenkaste beherrschten Massenmedien. Diese würden unwidersprochen über Gebrauch und Inhalt von Begriffen entscheiden, deren schleichender Bedeutungswandel die Umsetzung bestimmter Politikziele, etwa das der „sozialen Gerechtigkeit“, wesentlich erleichtere. Methode und Konsequenzen der Begriffsumdeutung werden an Beispielen wie „sozial“ oder „diskriminierend“ beleuchtet.

Gerdsens Kritik an den in der Massendemokratie herrschenden Dynamiken fällt zum Teil recht harsch aus: „… ermöglicht das quantitative Prinzip, das der Konstruktion der Demokratie zugrunde liegt, beliebige Entartungen“ – wie etwa die „Diktatur der 51 Prozent“. Die Symbiose von politischen Funktionären und Medienschaffenden bilde die schlechthin entscheidende Grundlage für die Errichtung von geistiger Herrschaft. Die Parteiendemokratie sei eben im Begriff, zur Mediendemokratie zu mutieren, welche die Gefahr einer „Zwangskollektivierung des Bewusstseins“ mit sich bringe.

Heutzutage gelte: „… alle sachlichen Probleme, die mit sachlicher Urteilskraft zu lösen sind, werden in moralische Probleme transformiert.“ Den Grund dafür sieht der Verfasser im „Verlust der Religion“, der Empörung, Aggressivität, insbesondere aber (Werte-) Relativismus mit sich bringe: „Wer nicht an eine absolute Wahrheit glaubt, verliert seinen moralischen Kompass und seine Fähigkeit, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden.“ Ob der Glaube an „absolute Wahrheiten“, wie vom Autor behauptet, wirklich nur religiösen Menschen gegeben ist, darf zumindest bezweifelt werden und sei der Beurteilung durch den geneigten Leser überlassen.

Political Correctness und Gender Mainstreaming seien wesentliche Elemente im Kampf für eine totale Einebnung aller individuellen Unterschiede; der unentwegte Kampf gegen die zur Wurzel allen Übels stilisierte „Diskriminierung“ ist ein weiteres Mittel zu diesem Zweck. Allfällige Gegner und Hindernisse würden mittels der jederzeit griffbereiten Moralkeule rücksichtslos niedergemacht, wobei es nicht darauf ankomme, tatsächlich einer „gerechten Sache“ zu dienen, sondern lediglich darauf, dass dies der breiten Öffentlichkeit glaubhaft vermittelt werden kann, sodass der jeweilige Gegner (persönlich) diskreditiert werde.

Zum als „Ausblick“ bezeichneten Ende des Buches nennt der Autor die „Wiedergewinnung der Religion im Sinne echter Transzendenz“ als unerlässliche Voraussetzung, um im Kampf gegen die geistige Herrschaft durch machtbesessene politische Funktionsträger bestehen zu können und nicht zum „Sklaven ohne Ketten“ zu verkommen. Ob es tatsächlich der Religion bedarf, um sich geistiger Fremdherrschaft erfolgreich zu widersetzen, sie dahingestellt. Könnte nicht schon die bloße Einsicht in die Macht und Funktionsweise der modernen Mediokratie einen wesentlichen Schritt in Richtung einer Entmachtung des politisch-publizistischen Komplexes bedeuten…?

Das moralische Kostüm geistiger Herrschaft
Wie unter dem Deckmantel der Moral Macht ausgeübt wird
Peter Gerdsen
Bautz-Verlag 2012
ISBN 978-3-88309-700-8
121 Seiten, broschiert
€ 15,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Buchrezension: Jesus, der Kapitalist drucken

Betrachtet man die hierzulande von christlichen Organisationen zu Phänomenen wie Privateigentum, Zins und Profit, oder ganz allgemein zu Fragen der Wirtschaft, abgegebenen Stellungnahmen, so kann einen leicht der Verdacht beschleichen, bei dem aus Nazareth stammenden Religionsstifter und dessen Gefolge habe es sich um die ersten Sozialisten der Menschheitsgeschichte gehandelt. Die bei jeder sich bietenden Gelegenheit von Caritas, Diakonie oder Katholischer Sozialakademie formulierte Kapitalismuskritik könnte gar nicht schärfer ausfallen, würde sie von Aktivisten der Roten Falken abgesondert werden. In verteilungspolitischer Hinsicht stehen die Kirchen oft links vom sozialistischen Meinungshauptstrom.

Umso erstaunlicher – ja geradezu provokant – mutet daher der Titel des vorliegenden Buches an. Der Autor, Robert Grötzinger, ein deutschstämmiger Ökonom, der als Übersetzer in England lebt und sich zur anglikanischen Kirche bekennt, durchforstet sowohl das Alte wie auch das Neue Testament und kommt daraufhin zum Schluss, dass die Bibel zu nichts weniger taugt, als zur Apologie des Sozialismus – also zur Legitimierung hoheitlich erzwungener Einkommens- und Vermögensumverteilung. An keiner Stelle des Bibeltextes werde explizit die Verfügung über Besitz und Eigentum (z. B. Geld) angegriffen – sofern dessen Erwerb auf redliche Art erfolgt sei. Nach Paulus wäre lediglich die „Liebe zum Geld“, nicht aber das Geld selbst „die Wurzel allen Übels“ (1 Timotheusbrief 6, 10).

An keiner Stelle der Heiligen Schrift würde demnach die Verfügungsgewalt eines rechtmäßigen Herrn über sein Eigentum, das Erzielen von Profit, oder das Nehmen von Zins kritisiert. Das Gegenteil sei richtig, wie der Autor z. B. anhand des Gleichnisses von den Arbeitern im Weinberg (Matthäus 20, 1-16) und des Gleichnisses von den anvertrauten Talenten (Matthäus 25, 14-30) belegt. Unmissverständlicher könne die unumschränkte Verfügungsmacht des Eigentümers über seine Habe und die Rechtmäßigkeit und Vorteilhaftigkeit des Erzielens von Profit gar nicht gutgeheißen werden.

Die immer wieder gerne als Belege für die antikapitalistische Überzeugung des Gottessohnes ins Treffen geführten Textstellen (wie etwa die Vertreibung der Geldwechsler aus dem Tempel, oder das Gleichnis vom Nadelöhr, anlässlich der Bergpredigt) verlören augenblicklich die unterstellte, antimarktwirtschaftliche Bedeutung, wenn man den jeweiligen Kontext berücksichtigte, in dem sie stehen.

Der Hinauswurf der Tempelhändler lässt sich nach Meinung Grötzingers so erklären, dass Jesus mit deren unlauteren Geschäftpraktiken nicht einverstanden war – nicht jedoch mit dem bloßen Umstand ihrer Anwesenheit im Tempel. Im Gleichnis vom Nadelöhr indes, sei die Person des Adressaten von entscheidender Bedeutung: Nach dem Evangelisten Lukas handle es sich dabei um einen „Vorsteher“ (im Original „archon“, d. h. „Herrscher“). Der Mann habe sein Vermögen also offensichtlich nicht durch eigene Arbeit (durch „wirtschaftliche Mittel“) sondern durch Vorteilsnahme, Diebstahl oder Raub (also durch „politische Mittel“), auf unlautere Weise und damit unter Bruch der Gebote Gottes erworben. Deshalb sei ihm der Eintritt ins Himmelreich verwehrt – nicht, weil er „reich“ ist.

Es ist gleichermaßen erhellend wie kurzweilig, zu lesen, wie Grötzinger die von ihm zitierten Bibelstellen unter einem marktwirtschaftlichen Blickwinkel deutet und interpretiert. Als gelernter Ökonom verfügt er dazu auch über ein intellektuelles Rüstzeug, das der Mehrzahl der Kleriker leider vollständig fehlt – was erklärt, weshalb die Heilige Schrift mitunter auf haarsträubende Weise sinnentstellende Auslegungen erfährt, sobald die Sphäre des Wirtschaftens berührt wird.

Ob man dem Autor auch dann noch folgen möchte, wenn er schließlich zu der Erkenntnis kommt, dass Kapitalismus und Christentum einander gegenseitig bedingen würden (immerhin heißt der Untertitel des Buches „Das christliche Herz der Marktwirtschaft“), sei dahingestellt. Auch wird es wohl von der Beantwortung der „Gretchenfrage“ abhängen, wie der Leser das noch grundsätzlichere, seit der Aufklärung debattierte Problem, ob es in einer „gottlosen“ Welt überhaupt so etwas wie allgemein gültige, verbindliche, universale Werte geben kann, beurteilt.

Beachtung verdient jedenfalls die gegen Ende zitierte Aussage des (atheistischen) US-Ökonomen Walter Block, der meint: „Der Hauptgrund, weshalb Religion den säkularen Führern gegen den Strich geht, ist, dass diese Institution moralische Autorität definiert, die nicht von ihrer Macht abhängt. (…) Wer sich den etatistischen Plünderungen widersetzen will, kann dies ohne Unterstützung der Religion nicht tun.“

Da ist einiges dran!

Jesus, der Kapitalist
Robert Grötzinger
Finanzbuchverlag, Edition Lichtschlag 2012
ISBN 978-3-89879-711-5
192 Seiten, broschiert
€ 12,99,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Fußnote 334: Was das Ende des Kapitels B. bedeutet drucken

Herr B. ist also zurechnungsfähig und bekommt die Höchststrafe. Das passt allen so.

B. selbst wollte zurechnungsfähig sein, weil er so eher irgendwann wieder in Freiheit kommen kann. Die Justiz erspart sich eine teure Sonderanhaltung mit psychiatrischem Klinikstandard. Die Öffentlichkeit wollte nicht nochmals ein Berufungsverfahren mit B.s Tiraden und einem weiteren Medienrummel ertragen müssen; B. hatte aber mit einer Berufung gedroht, wenn er für unzurechnungsfähig erklärt wird. Und wahrscheinlich ist das durchaus pragmatische Urteil in seiner allgemeinen Wirkung auch richtig so: Sonst wären künftig allzu leicht die wirren oder auch nur unorthodoxen Ansichten eines Menschen Objekt von Gerichtsverhandlungen, und nicht mehr nur dessen Taten. Sonst kämen westliche Gerichte zu sehr in die Nähe der kommunistischen Pseudogerichte, wo Andersdenkende zu Tausenden als geisteskrank weggesperrt worden sind. Freilich waren dort die „Geisteskranken“ nicht wie B. hasserfüllte Massenmörder, sondern mutige Menschen mit eigenen Ansichten.

 

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Eine Nation der Heuchler drucken

„Geld und Besitz ist den Österreichern nicht so wichtig.“ So lautete dieser Tage die Schlagzeile der renommierten Salzburger Nachrichten unter Zitierung einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung. Diese Aussage steht freilich im Gegensatz zur realen Welt: zum Gedränge in den Einkaufszentren, zum Gewerkschaftsgefeilsche um Lohnerhöhungen oder zu jener Frage, die mir nach Vorträgen ständig gestellt wird (egal was das Thema war): „Was soll ich mit meinem Geld in Zeiten wie diesen nur tun?“ Alles zeigt die Bedeutung von Geld und Besitz.

Auch sonst spiegeln Umfragen oft ein realitätsfremdes Bild. So sprechen sich große Mehrheiten immer für Bio-Produkte und gegen Kinderarbeit in der Dritten Welt aus. Sobald die Befragten aber einkaufen gehen, handeln sie meist nicht mehr gutmenschlich-modisch, sondern rational-vorteilsorientiert.

Ganz ähnlich verhalten sich Grünpolitiker, die lautstark Tempo 30 für ganz Wien fordern, die aber dann mit Geschwindigkeiten jenseits von Gut und Böse unterwegs sind. In die gleiche Kategorie zählen Finanzminister, die von den Steuerzahlern Ehrlichkeit verlangen, die dann selbst wie ein billiger Balkan-Schmuggler im Plastiksackerl große Geldmengen über die Grenze schleusen. Dazu zählen Priester, die es mit der Enthaltsamkeit nicht so ernst meinen, Ehemänner, die fleißig „Überstunden“ machen, oder Verleger, die sich maßlos erregen, wenn ein Politiker mit einem Billigticket in der ersten Klasse fliegt, selber aber über ihre Auflagezahlen so lügen, dass die Druckerschwärze rot werden müsste.

Irgendwo sind wir wohl alle Heuchler. Besonders gefährlich wird das Heucheln aber, wenn Umfragen auch zu der Forderung führen: Wir wollen kein Wirtschaftswachstum. Da wird das Heucheln brandgefährlich. Denn Verzicht auf Wachstum bedeutet wachsende Arbeitslosigkeit, wachsende Not. Natürlich kann man subjektiv ein Leben des Verzichts führen – wovon Menschen abgesehen von Klöstern freilich meist nur auf einem sehr hohen Wohlstandsniveau reden. Eine Gesellschaft als Ganzes darf daran aber sicher niemals denken. Denn nur Wachstum ermöglicht gesellschaftlichen Frieden ohne brutale Verteilungskämpfe. Diese brechen unweigerlich aus, wenn neue Generationen keinen anderen Weg zum Wohlstand finden, weil die Alten schon alles besitzen. Noch weniger kann Wachstumsverzicht ein Rezept für Europas Schuldenstaaten sein. Denn nur Wachstum schafft zumindest eine kleine Chance, dass die gewaltigen, in den letzten Jahrzehnten aufgebauten Schulden nicht zu einer Katastrophe führen.

„Aber die Umwelt!“, werfen da manche ein. Und liegen total falsch. Denn gerade das Wirtschaftswachstum und die ebenfalls gerne verteufelte Technik haben ermöglicht, dass etwa in Österreich die Seen wieder sauber sind, dass es kaum noch stinkende oder vergiftete Industrieregionen gibt, dass auch in den Städten die Luft viel besser als in den 70er Jahren ist. Nichts davon wäre bei Stagnation erreichbar gewesen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Salto Nullo. Wen wundert’s? drucken

Mäßige bis schlechte Leistungen in Schule und Ausbildung, Pisa-Studie; Korruption so weit das Auge reicht und jetzt auch noch Salto Nullo in London. Ein kollektiver Jammer ist die Folge.

Meinungsmacher und Medien sind entsetzt, stehen vor einem Rätsel. Fehlerhafte Strukturen werden gesucht, durchleuchtet und verantwortlich gemacht. Was ist bloß mit unserem System, was ist mit unserer Jugend, unseren kommenden Leistungsträgern los? Aber jetzt einmal ehrlich: Wen wundert’s?

Jahrzehnte andauernde Leistungsfeindlichkeit an allen Ecken und Enden konnte ihre Wirkung nicht verfehlen. Außerdem dreht sich doch seit Jahren alles nur um das eigene Wohlbefinden, jenes von Frau und Mann. Kinder, die nächsten Generationen, das wertvollste Gut, die Zukunft einer Gesellschaft, scheinen Wenige zu kümmern. Eigenleistung von Kindern fördern und fordern, mehr dienen statt bedient werden, mehr Sein statt Schein – das wären einige der Zauberworte!

Aber wen interessieren diese Themen schon in einer Gesellschaft, die es verlernt hat Verantwortung zu übernehmen, verantwortlich zu leben, Verzicht zu üben … Verantwortung? Verzicht? … Wozu? … Wen wundert’s!

Herbert Schramek, Dr. med. univ., Jahrgang 1959, ist Arzt und habilitierter Physiologe.

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Hauptursache der Krise: Mangelnde Haftung der Verursacher drucken

Hinsichtlich der Ursachen für die herrschende Krise – besonders aber bezüglich der Möglichkeiten zu ihrer Überwindung – herrscht Uneinigkeit zwischen den Gelehrten. Während Keynesianer und Monetaristen in einer „aktiven, kreativen Geldpolitik“ (IWF-Chefin Christine Lagarde) das richtige Werkzeug erblicken, sind für Liberale strukturelle Maßnahmen und rigoroses Sparen die geeigneten Mittel. Die hohe Politik setzt – wie könnte es anders sein – vermehrt auf keynesianische und monetaristische Konzepte…

Zur Bewertung der verschiedenen Denkansätze ist es mitunter hilfreich, sich Gedanken älterer Theoretiker zu Gemüte zu führen. Der österreichische Ökonom und Sozialphilosoph Ludwig Mises schreibt im Jahre 1944 in seinem amerikanischen Exil in „Die Bürokratie“:

«Der freie Unternehmer trifft seine Entscheidung nach genauer und vorsichtiger Prüfung aller Vor– und Nachteile und nach Abwägung der Erfolgs- und Mißerfolgsaussichten. Er wiegt möglichen Gewinn gegen möglichen Verlust ab. Verlust oder Gewinn wird in seinem eigenen Vermögen auftreten. Das ist wesentlich. Die Angelegenheit wird aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachtet, wenn die Abwägung zwischen dem Verlustrisiko für das eigene Geld und der Aussicht auf Gewinn für den Staat oder für andere Leute erfolgt.»

Mit diesen wenigen Zeilen wird indirekt eine der wesentlichen Ursachen für die aktuellen Probleme der Weltwirtschaft angesprochen: Die vollständige Entkoppelung von (Entscheidungs-)Macht und Verantwortung. Der mit eigenem oder geliehenem Geld agierende Privatunternehmer trägt das volle Risiko für seine Aktivitäten. Im Falle seines Scheiterns ist seine Existenz ruiniert. Er wird für lange Zeit – vielleicht lebenslänglich – von seinen Gläubigern verfolgt und er sitzt – im Falle grober Fahrlässigkeit – hinter Gittern. Entsprechend umsichtig entfaltet der ehrbare Kaufmann seine Aktivitäten. Anreiz und Lohn für seine Mühen ist die Aussicht auf einen möglicherweise erheblichen Unternehmergewinn.

Ganz anders bei Politikern und Bürokraten. Sie haben – außer ihrem Mandat – gar nichts zu verlieren. Ihr Privatvermögen steht – was auch immer sie tun oder lassen – niemals im Feuer. Was auch immer sie anfangen – sie tun es mit dem Geld fremder Leute, die sie zuvor beraubt haben. Niemals sind sie einem Konkursrichter Rechenschaft schuldig. Sie können nach Belieben Steuern und Abgaben erfinden, einheben und verschwenden.

Oder sie weichen – sollten kritische Belastungsgrenzen erreicht oder überschritten werden – unbekümmert auf das Mittel der Schuldenmacherei aus, um solcherart rücksichtslos künftige Generationen mit den Konsequenzen ihrer Misswirtschaft zu belasten. Kein Politiker muss jemals fürchten, für seine verantwortungslose Finanzpolitik zur Rechenschaft gezogen zu werden. In Österreich etwa wird, initiiert vom dynamischen Sozialistenduo Kreisky/Androsch, seit mehr als vier Jahrzehnten eine haarsträubende Verschuldungspolitik betrieben, ohne dass einer der dafür Verantwortlichen jemals vor dem Richter gestanden wäre.

Gegenwärtig haben sich die expliziten Verbindlichkeiten der Alpenrepublik zu 226 Mrd. Euro aufgetürmt – das sind mehr als 54.000,- Euro pro Erwerbstätigem! Allein die jährliche Zinslast übersteigt bereits die Acht-Milliarden-Grenze. Die Neuverschuldung des Bundes läuft somit vollständig in den Zinsendienst. Loch auf – Loch zu – ein Pyramidenspiel, das ganz offensichtlich zu Lasten der Jungen geht. Damit nicht genug: In den genannten Zahlen sind noch nicht einmal die „impliziten“ Schulden für unbedeckte Pensionsanwartschaften, Ansprüche aus der Krankenversicherung und Verpflichtungen von Staatsbetrieben (wie z. B. der chronisch defizitären Bundesbahn) enthalten.

Der Vollständigkeit halber darf allerdings nicht ausgeblendet werden, dass sich auch im Privatsektor Veränderungen vollzogen haben, die weniger stabilen (Finanz-)Verhältnissen Vorschub leisten. Die Zurückdrängung des „Unternehmer-Kapitalisten“ und der Siegeszug der von angestellten Managern geführten Kapitalgesellschaften verdeutlichen das von Mises angesprochene Problem: Der Manager setzt eben nicht sein eigenes Vermögen ein. Seine Interessen können daher von denen der Unternehmenseigentümer (Aktionäre), die gewöhnlich keinen direkten Einfluss auf die operative Unternehmensführung haben, ganz erheblich abweichen. Verwalter neigen dazu, meist kurzfristige Ziele zu verfolgen. Sie nehmen weniger Rücksicht auf den Substanzerhalt ihres Unternehmens als Eigentümer-Unternehmer, die langfristig und am Werterhalt orientiert, vielfach „dynastisch“, denken.

Politfunktionäre handeln besonders kurzsichtig und risikobereit, da für sie nur der Erfolg beim nächsten Wahlgang zählt. Ihr „Dienstgeber“ (der Wähler) hat weder bis dahin, noch danach, die Möglichkeit, sie für allfällige Fehlleistungen zivil- oder strafrechtlich zur Rechenschaft zu ziehen. Demokratisch gewählte Akteure genießen daher faktisch unbegrenzte Narrenfreiheit. Wie viele in demokratisch gewählte Regierungschefs/Minister/Staatspräsidenten wurden je wegen Verschwendung oder Schädigung der Staatsfinanzen gerichtlich zur Rechenschaft gezogen? Mir fällt keiner ein.

Die politische Klasse hat – unter den gegebenen Umständen – mit hemmungsloser Schuldenmacherei alles zu gewinnen, aber nichts zu verlieren. So lange sich daran nichts ändert; so lange Politiker nicht, wie das in der Privatwirtschaft selbstverständlich ist, die volle Verantwortung für ihr wirtschaftliches Handeln tragen, wird sich an ihrem Hang zum „Moral hazard“ nichts ändern.

Die Anstiftung und Nötigung der Banken zur Vergabe von Krediten an dubiose Schuldner (bei gleichzeitiger Übernahme von Ausfallhaftungen zu Lasten der Steuerzahler), die Auslösung von Konjunkturzyklen mittels „Ankurbelung“ der Wirtschaft durch künstlich niedrig gehaltene Zinsen, systematische Geldentwertung durch Staatsfinanzierung mit der Notenpresse, Arbeitsbeschaffung durch „Investitionen“ in unrentable (Prestige-)Projekte – das alles könnte radikal zum Ende kommen, wenn die Politbüros denselben Rechtsgrundsätzen unterlägen wie ordentliche Kaufleute.

Aus welchem guten Grund sollte man darüber nicht ernsthaft nachdenken?

Die Einführung einer umfassenden „Politikerhaftung“ (wie auch immer die im Detail gestaltet sein mag) hätte nicht nur den Effekt, staatliche Belastungs- und Schuldenexzesse einzudämmen, sondern würde zudem auch dazu führen, dass vermehrt wirtschaftliche Kriterien Einfluss auf die Personalauswahl hätten.

Die Dominanz von in Fragen der ordentlichen Finanzgebarung unbedarften Politikwissenschaftlern, Soziologen, Lehrern, Kammerfunktionären und Gewerkschaftern, etc. (von denen es gegenwärtig in Parlamenten und auf Regierungsbänken wimmelt), würde sich vermutlich deutlich reduzieren, sobald klar wäre, dass serienweise Fehlinvestitionen und Geldverbrennungsaktionen nicht mehr länger ohne schmerzliche persönliche Konsequenzen bleiben.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Ad fontes!: Was in der Politik heute Not tut drucken

Nach einer von „Standard“ und der „Presse“ im Herbst 2011 veröffentlichten Umfrage haben gut 80 Prozent der Österreicher kein Vertrauen in die Politik und ihre Politiker. Ähnlich ist die Lage in Deutschland. Der Vertrauensverlust ist darauf zurückzuführen, dass Politik heute ganz wesentlich auf gebrochenen Versprechungen, Lüge und Betrug beruht. „Die Kunst der Politik ist die Kunst der Lüge“, schrieb E. Sittinger in der „Presse“, „Politik ist ohne Unwahrheit nicht denk- und nicht machbar. Der Politiker hat sein ganzes Leben mit der Lüge zu tun, er ist professionell auf Lügen und Täuschen konditioniert. Die politische Karriere beginnt mit Lügen, sie setzt sich mit Lügen fort und sie endet mit Lügen. Wer die Wahrheit spricht, stört das Ritual, man könnte fast sagen: Er stört die öffentliche Ordnung“.

So richtig diese Analyse ist und so sehr sie auch den machtlosen „Wutbürger“ erzürnt, dessen Aktionen ins Leere laufen, bei ihr kann es nicht bleiben. Die Frage nach Auswegen aus der verheerenden, unsere Kultur und Zivilisation bedrohenden Situation drängt sich gebieterisch auf. Sie kennt viele Antworten, doch die meisten beschränken sich auf das Kurieren der Symptome, sie betreffen nur ganz selten „das Ganze“ unseres politischen Systems.

Von solchen Beschränkungen frei ist das eben erschienene Erstlingswerk eines jungen Philosophen (Jg. 1978) – Christian Machek – das wohl bald zu den meistbeachteten Werken der politischen Philosophie gehören wird. Als Weg aus der heutigen Misere empfiehlt es mutig und dem Mainstream der Political Correctness widersprechend „die Rückkehr zu den Ursprüngen der politischen Philosophie“. So sein Titel.

Was das Buch so bemerkenswert macht, ist, dass diese Rückkehr zu den Ursprüngen auf drei zeitgenössische Quellen gestützt wird, deren Ineinandergreifen und innere Bezogenheit in den Werken der politischen Philosophie noch keine umfassende Darstellung gefunden hat. Es gibt viele hervorragende Einzeluntersuchungen zu Leo Strauss und Erik Voegelin, den beiden Koryphäen am Himmel der politischen Philosophie, und auch zum  Naturrecht liegen eindrucksvolle Arbeiten vor,   sie aber quasi unter einem Dach zusammengeführt und ihre Aufeinanderbezogenheit systematisch verdeutlicht zu haben, ist das Verdienst des Autors.

Leo Strauss und Erik Voegelin, beide haben mit Nachdruck für die Gesundung unseres gesellschaftlich-politischen Lebens die Rückkehr zu den antiken Quellen der politischen Philosophie gefordert und beide haben auch immer wieder auf das nichtindividualistische, in die kosmische Ordnung „eingeschriebene“ Naturrecht rekurriert. Das daraus resultierende System der politischen Philosophie ist gewissermaßen zum „Gegengift“ gegen den geistigen Tiefstand geworden, zu dem „Aufklärung“, Französische Revolution, Menschenrechtsideologie, Demokratismus, Liberalismus, Sozialismus, Nationalismus und schließlich Nihilismus und Anarchie geführt haben. Machek gelingt es,uns diese Entwicklung in den sieben Kapiteln seines Werkes plastisch und überzeugend vor Augen zu führen.

Das erste und einleitende Kapitel beantwortet die heute kaum noch gestellte, in Wahrheit jedoch für alle politische Philosophie grundlegende Frage nach dem „guten Leben“ des Menschen, der von seiner Natur her zu seiner Entfaltung auf häusliche, gesellschaftliche und politische Gemeinschaften angewiesen ist, die ihn geistig fordern und ihm kulturelle Identität verleihen. Es berührt uns heute immer wieder eigenartig, dass es Menschen gibt, die so sehr von der Notwendigkeit der Gemeinschaft für das Leben ihres Volkes, seine Unabhängigkeit und Integrität überzeugt sind, dass sie „ihr Leben hingeben für ihre Freunde“ und sich opfern.

Keine Gemeinschaft kann sich erhalten ohne das Opfer, ein Gedanke, der dem modernen Nützlichkeitsdenken so fern liegt wie ein anderes Sonnensystem außerhalb unserer Milchstraße. Und doch fordert uns Thomas von Aquin vom 13. Jahrhundert an unvergessen bis heute auf, „unser Vaterland zu lieben und ihm im Notfall alles zu geben, Gut und Leben, nur nicht die eigene Seele“. Ohne diese Opferbereitschaft hätte die Entkolonialisierung nach dem 2. Weltkrieg niemals stattgefunden und die seither zur Unabhängigkeit gelangten rund einhundert Staaten müssten sich noch immer ihren Kolonialherren beugen.

Im zweiten Kapitel geht Machek auf das Naturrecht und drei ihrer bedeutendsten Vertreter ein: Leo Strauss (1899-1973), Erik Voegelin (1901-1985) und Johannes Messner (1891-1984). Dem Österreicher Johannes Messner verdankt die Welt einen der größten Beiträge zur Wiederbelebung des naturrechtlichen Denkens. Nicht besser lässt sich diese Wiederbelebung festmachen, als an dem eindrucksvollen Plädoyer des Papstes für das anti-demokratische Naturrecht vor dem Deutschen Bundestag im Jahr 2011, welches von den Abgeordneten von Rechts, der Mitte und von Links mit einer stehenden Ovation gefeiert wurde. Das Naturrecht, an dem alle positive Rechtssetzung sich zu orientieren habe, sei von Abgeordnetenwillkür und Mehrheitsmeinungen unabhängig, mussten sie sich sagen lassen.

Im dritten Kapitel finden die Grundgedanken der antiken Philosophie, ihre Erkenntnislehre und Anthropologie eine kurze und prägnante Darstellung, wobei immer wieder auf das Urteil der schon genannten maßgebenden zeitgenössischen Denker zurückgegriffen wird.

Das vierte Kapitel stellt besonders die Verdienste von Erik Voegelin heraus, den gnostischen Charakter der modernen, oben erwähnten Ideologien entlarvt zu haben, die uns stets aufs Neue eine „bessere“ Welt vorgaukelten und die Höllenfahrt ins Nichts beschleunigten. Die gnostischen Versuche der Selbsterlösung ohne den Erlöser wurden, so Voegelin, zur Ursache der Zerstörung der politischen Ordnung (S. 100).

Das fünfte und umfangreichste Kapitel trägt die Überschrift „Kritikpunkte am modernen Denken“.
Sophistischer Relativismus und der Bruch mit der Metaphysik, verdeutlicht an den Auseinandersetzungen mit Protagoras in der Antike und mit den mittelalterlichen und neuzeitlichen Denkern wie David Ockham, Joachim di Fiore, Nicolo Machiavelli, Thomas Hobbes und Karl Popper, werden der vernichtenden Kritik unter Berufung auf Leo Strauss, Erik Voegelin, Carl Schmitt, Robert Spaemann, Joseph Ratzinger und einer ganzen Reihe anderer berühmter Zeitgenossen unterzogen.. Die Quellenangaben und ausführlichen, in den Fußnoten wiedergegebenen Zitate sind außerordentlich bereichernd.

Das sechste Kapitel erinnert nochmals an die Notwendigkeit der Rückkehr zu den Ursprüngen der politischen Philosophie in einer Zeit, da die Erinnerung an Sokrates verblasst, Religion Privatsache wird, die Sorge um das Seelenheil die große Masse kaum noch interessiert und die Forderung nach tugendhaftem Leben dem Spott preisgegeben ist. Verdienstvoll wird gezeigt, wovon das Wohl der Gemeinschaft, sei es nun im Staat oder in den vielfältigen Formen der Gesellschaft, abhängt.

Resümee und Ausblick beschließen das bemerkenswerte Buch, dessen Anliegen und Wert mit einem Zitat aus Norbert Lesers Artikel „Philosophia perennis“ (1999) gut zusammengefasst werden kann: „Es ist nicht nur von großer theoretischer Bedeutung über eine Philosophie zu verfügen, die ewige Wahrheiten verbürgt und festhält und sich gegenüber zeitbedingten Irrtümern als resistent erweist, es ist auch von enormer praktischer Bedeutung, an der christlichen Tradition festzuhalten und sie (…) zu pflegen, weil das Festhalten an dieser Tradition die Menschen nicht nur vor Irrtümern, sondern auch vor dem Abgleiten in die Inhumanität bewahrt.“

Verdient hätte das Buch einen gewissenhaften Verlagslektor, dann wären wohl zahlreiche Fehler vermieden worden. Der Leser sollte sich von ihnen bei der Lektüre nicht stören lassen, er sollte vielmehr dankbar sein, ein Werk in Händen zu halten, das auf jeder Seite zum intensiven Nachdenken anregt.

Friedrich Romig lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Er war Mitglied der Europakommission der Österreichischen Bischofskonferenz. In seinem jüngsten Buch „Der Sinn der Geschichte“ (Regin-Verlag, Kiel 2011) bringt er die Gefahr der Entwicklung der Europäischen Union zu „Vereinigten Staaten von Europa“ in den Zusammenhang mit der Herausbildung der Neuen Weltordnung („Ordo Novus Saeculorum“).

Christian Machek
Die Rückkehr zu den Ursprüngen der politischen Philosophie
260 Seiten, Kart., Ferdinand Schöningh-Verlag, Paderborn-München-Wien-Zürich 2012
ISBN 978-3-506-77548-1
Euro 29,90.

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Die Krise, ihre Konsequenzen und unser Hang zum Verdrängen drucken

Dass die jahrzehntelange Eskalation staatlicher Verschuldung, und insbesondere die seit mehr als zwei Jahren anhaltenden „Rettungsaktionen“ zugunsten südeuropäischer Staaten unausweichlich verheerende Konsequenzen haben müssen, ist hierorts schon mehrfach ausgeführt worden. Erstaunlich ist jedoch: Warum wird dieses Faktum so stark verdrängt? Warum können Politik und Mainstream-Medien noch immer jede weitere Schuldenaufnahme und Haftungsübernahme, jedes weitere Drucken von Euro-Scheinen als Erfolg, als erleichternd und positiv darstellen? So wie es in diesen Augusttagen nach der Erlaubnis der EZB an die griechische Nationalbank geschehen ist, ungedecktes Geld auszugeben.

Diese Rettungsaktionen erhöhen ja jedesmal nur den längst schon unüberwindlichen Berg an Schulden und Haftungen. Sie müssten zwangsläufig  in einer Mischung aus konfiskatorischen Steuern und Inflation enden. Die Anzeichen dafür sind inzwischen schon zum Greifen nah. Um nur die zwei neuesten zu nennen: Die von manchen Linken und kirchlichen Kreisen hochgejubelte Attac-Bewegung fordert bereits 20- bis 80-prozentige Vermögensabgaben. Zugleich wird die Flucht in den Schweizer Franken immer schneller: Allein im Juli haben sich die Euro-Bestände in den Kellern der Schweizer Nationalbank um 41 Milliarden Franken erhöht. Das sind mehr als zehn Prozent ihrer bisherigen Euro-Schätze – und das binnen eines Monats. Das ist in Wahrheit der Beweis reinster Panik.

Zugleich steigen die Immobilienpreise in guten Lagen ins Unermessliche. In Kitzbühel haben sie sich vor allem durch den Ansturm Deutscher binnen vier Jahren verdoppelt. Auf der Insel Sylt kostet ein Quadratmeter laut dem Magazin „Focus“ schon bis zu 35.000 Euro. Das alles ist Inflation in Reinkultur, wenn auch in bestimmten Blasen konzentriert, die im klassischen Verbraucherkorb kaum vermerkt werden.

Warum aber dominiert in den Aussagen der meisten Politiker und vieler Medien nach wie vor die Begeisterung über Rettungsaktionen?

Verdrängung

Der erste Grund ist zweifellos der allgemeine menschliche Hang zur Verdrängung. Solange man Unangenehmes beiseiteschieben kann, tut man es. Sonst würde wohl niemand mehr zu einer Zigarette greifen, um ein Beispiel aus einem ganz anderen Zusammenhang anzusprechen.

Beharren auf den eigenen Fehlern

Der zweite Grund: Wer gesteht sich schon ein, in wichtigen Fragen völlig falsch gelegen zu sein? Wenn man jahrelang immer davon geredet hat, dass man den Euro rette, tut man sich schwer zuzugeben, dass man ihn durch die Rettungsaktionen eigentlich erst beschädigt hat, während es ursprünglich in Wahrheit nur um die „Rettung“ einiger Staaten gegangen ist, als diese auf Grund ihrer Verschuldung immer höhere Zinsen zahlen mussten.

Selbst bei diesen Staaten war und ist die Notwendigkeit der Rettungsaktionen durchaus zweifelhaft: Wohl sind die von Geldgebern verlangten höheren Zinsen schmerzhaft. Aber es ist absurd zu sagen, sie wären untragbar: Nach Berechnungen der OECD werden die höheren Zinsen etwa Spanien im Jahr 2013 mit 2,9 Prozent des BIP belasten. Aber im Jahr 1995 betrug die Belastung dieses Landes durch den Zinsendienst sogar 4,7 Prozent des damaligen BIP! Dennoch hat damals niemand davon geredet, dass Spanien untergehen werde, hat niemand nach Rettungsaktionen gerufen. Die Spanier haben sich nur inzwischen an das – im Grund durch einen Irrtum der Märkte im Gefolge der Euro-Einführung – bequeme niedrige Zinsniveau gewöhnt.

Bequemlichkeit

Die zuletzt steil gestiegenen Zinsen sind eigentlich das richtige, wenn auch verspätete Signal, dass die Staaten sparen müssen, weil die Geldverleiher das Vertrauen in sie verlieren. Genau das verlangte Sparen aber ist unbequem. Genau das tun weder die Bevölkerung noch die diversen Regierungen gerne. Und daher umgeht man die Sparnotwendigkeit halt so lange, so lange es irgendeinen Umgehungsweg gibt. Und die Hilfsaktionen haben eben diesen Weg geöffnet, den es in Wahrheit nie geben hätte dürfen. Daher dramatisiert man halt heftig weiter, um weiter an diese Hilfsgelder zu gelangen. Dieser Umweg ist bequemer als wirkliches Sparen.

Gewerkschaftslogik

Hinter dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der südeuropäischen Staaten steht in hohem Maß das Selbstverständnis der Gewerkschaften. Diese halten sich für umso erfolgreicher, ja steilere Lohnzuwächse sie erkämpfen. Das war in jenen Zeiten relativ egal, da die Wirkung der nicht durch Produktivitätszuwächse gedeckten Lohnerhöhungen dann ganz automatisch über höhere Preise wieder egalisiert werden konnte. In einem gemeinsamen Währungsraum, in dem Abwertungen nicht mehr möglich sind, führt das hingegen zum Verlust von Wettbewerbsfähigkeit und damit von Arbeitsplätzen. Dennoch waren die südeuropäischen Gewerkschaften, aber auch Unternehmer lange nicht bereit, ihr Verhalten zu ändern. Freilich: Wenn es keine zumindest auf dem Papier stehenden Lohnerhöhungen mehr gibt, verlassen viele Menschen die Gewerkschaft.

Wahlpopulismus

Politiker denken, planen und agieren immer nur bis zum nächsten Wahltag. Und der ist im Schnitt maximal zwei Jahre weit entfernt. Daher setzen sie keine Maßnahmen, die sich erst danach positiv auf die Wähler  auswirken würden. Daraus folgt mit anderen Worten: Nach dem Wahltag die Sintflut. In den Politikern ist dabei tief die Erfahrung verankert, dass man Wahlen nur gewinnen kann, wenn man den Menschen nach dem Maul redet. Sie glauben vielleicht sogar zu Recht, dass die Wähler den bestrafen, der ihnen die Wahrheit mit allen Konsequenzen sagt und nichts verspricht. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Wähler gleichzeitig den Politikern immer besonders vorwerfen, dass sie die Wähler anlügen.

Glaube an die Wohlfahrtsstaats-Ideologie

All diese Wählerbestechungsaktionen haben sich längst zu einer Ideologie verfestigt: zum Glauben an den Wohlfahrtsstaat. Dieser ist jahrzehntelang als eine immer bessere, immer schönere, immer sicherere Sache verkauft worden. Das geschah solange, bis viele Politiker wie Wähler nun schon selbst daran glauben, dass dieser Wohlfahrtsstaat irreversibel und absolut sicher wäre.

Der Hang zum Allmachtsgehabe

Dass sich dieser Glaube überhaupt halten kann, hängt wiederum mit dem Allmachtsgehabe der Politik zusammen. Während 1945 ein österreichischer Bundeskanzler noch offen zugegeben konnte, dass er den Bürgern nichts zu bieten habe, nicht einmal Glas für deren zerbombte Fensterscheiben, dominiert jetzt weltweit der politische Slogan „Yes, we can“.

Eine Spezialform des Allmachtsgehabes praktizieren viele Notenbanker, einschließlich jener der österreichischen Nationalbank: Sie verkünden, dass das zusätzlich gedruckte Geld problemlos wieder eingesammelt werden könnte, wenn es eine Inflation auslöst.

Was aber nicht stimmt. Denn erstens gibt es längst schon inflationäre Blasen und dennoch wird nicht einmal der Versuch eines Einsammelns gemacht, sondern das Drucken ungedeckten Geldes fortgesetzt. Zweitens ist die Einsammel-Ankündigung auch deshalb „leichtfertiges Gerede“, wie es der aus Protest abgetretene Chefvolkswirt der EZB, Otmar Issing, nun formuliert, weil es eine solche Einsammelaktion in der Geschichte noch nie gegeben hat, geschweige denn eine erfolgreiche. Denn dabei droht genau jener katastrophale Crash einzutreten, zu dessen vermeintlicher Vermeidung die ganze Hilfsaktion gestartet worden ist. Daher sagt auch Issing: „Die Geldwertstabilität ist mittelfristig massiv gefährdet.“ Ganz ähnlich argumentiert das frühere EZB-Ratsmitglied Jürgen Stark und der deutsche Spitzenökonom Hans-Werner Sinn.

Nur die Haupttäter in EZB und Wissenschaft tun alles, um nicht ihren katastrophalen Irrtum eingestehen zu müssen und sich weiter als allmächtig aufspielen zu können.

Misstrauen gegen den Markt

Eng mit dem Allmachtsgehabe ist der Glaube verbunden, dass der Staat alles besser regeln kann als der Markt. Was sich freilich immer noch als völlig falsch herausgestellt hat. Denn der Markt ist ja die Summe der  Entscheidungen aller Menschen, in die damit deren millionenfaches Wissen einfließt. In die Entscheidungen der Staaten fließt hingegen nur das Wissen einiger weniger Politiker und Beamter, die noch dazu neben dem vorgeblichen Gemeinwohl immer auch sehr egoistische Interessen verfolgen (also etwa die Sicherung der eigenen Wiederwahl). Daher gehen auch alle Versuche der Politik ständig schief, durch noch mehr Regulierung, also Einengung der Märkte, zu besseren Ergebnissen zu kommen. Das Geheimnis einer erfolgreichen Marktwirtschaft liegt genau darin, dass alle Menschen selber entscheiden und dann aber auch selber die Folgen ihrer Entscheidungen zu tragen haben.

Der Irrglaube des Neokeynesianismus

Dieses Allmachtsgehabe wird auch durch die dominierende Wirtschaftstheorie des Neokeynesianismus befördert. Nach der Theorie des John Maynard Keynes sollten die Staaten in den Konjunktur-Jahren eigentlich Überschüsse anhäufen, damit sie in schlechten Jahren durch zusätzliche Ausgaben den Wirtschaftsmotor wieder ankurbeln können. Unabhängig davon, ob diese Theorie wirklich funktionieren würde, wenn sie einmal angewendet würde, ist sie im real angewandten Neokeynesianismus völlig pervertiert worden: Die meisten Regierungen haben nämlich immer nur durch Defizite angekurbelt, aber nie ein Geld zurückgelegt.

Etwa seit 1970 hat sich dieser Prozess mit wenigen Ausnahmen weltweit beschleunigt. Der Neokeynesianismus eskaliert in der unfassbaren Ankündigung eines amerikanischen Notenbankchefs, Dollarscheine notfalls mit dem Hubschrauber abwerfen zu wollen. Viele Studien zeigen, dass der Ankurbelungseffekt längst abgenützt ist und nicht mehr funktioniert. Die Wirtschaft wächst nur noch im Ausmaß des zusätzlich gedruckten Geldes, aber nicht mehr darüber hinaus. Gelddrucken löst keinen Kreislauf mehr aus, der die Ankurbelungs-Investition wieder zurückverdienen würde. Das zusätzlich gedruckte Geld bedeutet aber automatisch Inflation oder massenweise Enteignung. Siehe oben.

Die vielen keynesianischen Wissenschaftler – die Österreichs Universitäten fast zur Gänze beherrschen – geben aber noch immer ungern zu, dass sie auf ganzer Linie falsch gelegen sind. Sie erinnern an die Wissenschafter des 16. Jahrhunderts mit ihrem Glauben an die Erde als Mittelpunkt des Alls. Sie erinnern an die Mediziner des 18. Jahrhunderts, die Blutegel als Haupttherapie eingesetzt haben.

Begrenztes Erinnerungsvermögen

Die Menschen verlieren erstaunlich rasch die Erinnerung an die für ganze Generationen verheerenden Folgen inflationärer Politik (siehe die 20er Jahre) oder eines dominierenden Eingreifen des Staates in die Ökonomie (siehe den Zusammenbruch der kommunistischen Planwirtschaften, aber auch der überregulierten und -besteuerten nordeuropäischen Ökonomien in den 90er Jahren).

Nationaler Egoismus

Vielfach war auch nationaler Egoismus die Ursache für die Eskalation der Schuldenkrise. Es liegt natürlich in Griechenland & Co im nationalen Interesse, Deutschland & Co ständig für ihre Ausgaben zahlen zu lassen. Um die Deutschen dazu zu bringen, wurde und wird immer wieder in mieser Weise im Süden Europas die Nazi-Keule gegen Deutschland eingesetzt. Und die Deutschen haben nach wie vor Angst vor dieser Keule.

Gutmensch-Denken

Letztlich schaffen es die hemmungslosen Schuldenmacher auch immer, die geschickteren emotionalen Phrasen zu finden. Man denke nur an das ständige Getrommel „Solidarität mit Griechenland, der Wiege Europas“. Man denke an die Phrase eines Caritas-Direktors: „Geld nicht nur für die Banken, sondern auch für die Armen!“ (Dabei gibt etwa Österreich mit einer Sozialquote von mehr als 28 Prozent des BIP alljährlich weit mehr für soziale Zwecke – also die soziale Umverteilung zugunsten Ärmerer – aus als jemals für die Bankenhilfe. So problematisch die an sich auch ist). Man denke an die Universalphrase jedes Politikers: „Aber dafür (Hier bitte beliebig Worte einsetzen wie Bildung, Europa, Gesundheitssystem, Lawinenschutz, Sporthilfe, Straßenbau, Entwicklungshilfe und so weiter) muss in einem der reichsten Staaten doch noch Geld dasein.“

Alle diese an den emotionalen Unterleib appellierenden Argumente sind meist wirksamer als die Gegenargumente, die immer nur über das Hirn und über Zahlen gehen können.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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SN-Kontroverse: Regierung oder Parlament? drucken

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

 

Sollen Regierungen ohne die nationalen Parlamente Europapolitik machen können?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Europäische Demokratie wagen

 

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Die EU steckt in einer Krisen und bis dato sind alle Versuche fehlgeschlagen, sie in den Griff zu bekommen. Dies liegt zum Teil daran, dass die Entscheidungsfindung in der EU kompliziert ist. Naturgemäß sind die Interessen von 27 Ländern überaus verschieden. Durch die komplexe Lage ist es daher fast unmöglich rasch und effizient auf Krisen zu reagieren. Nun hat der italienische Ministerpräsident Mario Monti, der selbst lange Mitglied der EU-Kommission war, vor einem Zerfall der EU gewarnt, falls der Euro scheitert und den Regierungen empfohlen, sie sollten sich die Handlungsfreiheit gegenüber den nationalen Parlamenten bewahren. Ein Aufschrei war die Folge und Monti musste wenige Stunden nach Veröffentlichung seiner Äußerung einen Rückzieher machen. Wobei Monti in seiner Analyse durchaus Recht zu geben ist. Er warnte vor einer schleichenden Entsolidarisierung und vor allem einem Wiederauferstehen des Nationalismus. Der wurde nie wirklich überwunden und ist wieder stark spürbar In Form der Ressentiments, die im Zuge der Finanzkrise zwischen den Nord- und Südländern aufgelebt sind. Eine Entmachtung der nationalen Parlamente als Rezept gegen die Krise, wie sie Monti vorschlägt, ist allerdings bei weitem zu kurz gedacht. In Wahrheit ist es die Geheimpolitik der Staats- und Regierungschefs, die sich wie Kurfürsten aufführen, die das Projekt Europa gefährden. Der EU-Rat müsste durch einen weiteren Ausbau der Rechte des Europäischen Parlaments besser kontrolliert und seine Entscheidungen demokratisch lückenlos legitimiert werden. Die nationalen Parlamente sind dazu nur bedingt in der Lage. Darüber hinaus müsste es zur Direktwahl des Präsidenten der EU-Kommission kommen. Europa steht am Scheideweg. Es hat die Wahl zwischen einer Renationalisierung oder begibt sich auf den Weg zur politischen Union. Diese wird jedoch ohne starke demokratische Instrumente auf europäischer Ebene nicht möglich sein.


Weg mit Gesetzen, Richtern, Wählern

 

Andreas Unterberger

Natürlich machen Parlamente viel Unsinn. Meist tun sie das freilich unter Mitwirkung von Regierungen. Sollten aber Regierungen künftig ohne diese Parlamente Politik machen können, bedeutet das ein Ende von Rechtsstaat und Demokratie. Denn nur über die Parlamente können die Wähler mitsprechen. Denn nur die Parlamente können Gesetze machen.

Sollten Regierungen die Parlamente in der Europapolitik künftig ignorieren dürfen, werden sie es im Handumdrehen überall machen. Alles ist ja schon irgendwie europäisch. Die Entmachtung der Parlamente heißt in Wahrheit: Die Machthaber können wieder, wie einst in Diktaturen und im Feudalismus, ohne Rücksicht auf Bürger und Gerichte agieren. Sie brauchen sich nicht mehr an die Gesetze zu halten, knebeln aber das Volk zugleich immer mehr durch immer mehr Vorschriften. Dieser Vorschlag von Mario Monti und Hannes Swoboda führt nichts anderes als das System Putin ein.

Bemerkenswert, dass solche Ideen vor allem auf der Linken Sympathien finden. Aber im Grunde ist das logisch: Denn jetzt ist das Ende der Schuldenpolitik erreicht, mit der jahrzehntelang das linke Traumgebilde des Wohlfahrtsstaats ermöglicht worden ist, mit der immer neue Ausgaben zur Wählerbestechung finanziert worden sind.

Das Platzen der Blase empört nun die Wähler. Sie erkennen, dass diese Schuldenpolitik, dass das Drucken von Billionen ungedeckter Euros zur Finanzierung der unheilbaren Misswirtschaft Griechenlands oder Süditaliens ihre persönlichen Ersparnisse vernichtet, ob nun durch Inflation oder durch Substanzsteuern. Zugleich wagen (zumindest in Deutschland) die Höchstrichter auf Gesetze und Verträge zu pochen. Da sich die Exponenten der Schuldenpolitik das Scheitern des eigenen politischen Lebenswerks nicht eingestehen wollen, möchten sie  lieber die Wähler entmündigen. Und zugleich Richter und Gesetze.

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Von der Schuldenkrise zur Rechts- und Demokratiekrise drucken

Europas Bürger erkennen zunehmend, dass in den nächsten Jahren ein gewaltiger Raubzug auf ihr Erspartes stattfinden wird, sei es durch konfiskatorische Steuern, sei es durch Inflation. Tertium non datur, sagen die Lateiner. Eine dritte Möglichkeit ist denkunmöglich. Etwas noch viel Schlimmeres haben die Bürger aber noch nicht erkannt: Es läuft gleichzeitig auch eine Attacke auf Demokratie und Rechtsstaat. Mit dieser Attacke werden noch viel wertvollere Güter zerstört als „nur“ jene Ersparnisse, mit denen die Babyboomer-Generation ihr eigenes Alter finanzieren wollte.

Diese Generalattacke ist zuletzt etwa in unverblümten Forderungen des italienischen Ministerpräsidenten Monti offenkundig geworden. Er verlangt öffentlich, dass sich die Regierungen der EU-Staaten nicht mehr „vollständig durch die Entscheidungen ihrer eigenen Parlamente binden“ lassen. Die Regierungen müssten vielmehr „Handlungsfreiheit“ gewinnen.

Das ist nun ebenso ungeschminkt wie skandalös. Diese Aussagen sind umso bedenklicher, als sie von einem Mann kommen, den man bisher für integer und korrekt gehalten hat. Wenn schon ein Monti so offen autoritär spricht, wie viel intriganter und undemokratischer muss dann der Geist bei den vertraulichen Diskussionen der EU-Regierungschefs sein, wo beispielsweise auch Putschisten wie der rumänische Ministerpräsident mit am Tisch sitzen!

Was Monti verschweigt: Wenn die Regierungen nicht mehr “vollständig“ an die Parlamente gebunden sind, dann sind sie auch nicht mehr an die Wähler gebunden. Und dann sind sie auch nicht mehr an die Gesetze gebunden, welche die Parlamente beschlossen haben. Sie wollen „legibus solutus“ sein – um noch ein letztes Mal zur Sprache der alten Römer zu greifen –, also frei von der Bindung an Gesetze. So wie einst die römischen Cäsaren waren. Oder so wie die Herrn Haider, Martinz und Scheuch glaubten zu sein.

Diese Freiheit für die Regierungen heißt freilich nicht, dass sich parallel auch die Freiheit der Bürger erhöhen würde. Diese wird ganz im Gegenteil von einer immer enger werdenden Diktatur der Politischen Korrektheit eingeschnürt. Die pikanterweise ebenfalls von der EU ausgeht.

So hat eine von allen guten Geistern verlassene Staatsanwaltschaft jetzt einen Salzburger unter anderem deshalb angeklagt, weil er bei Facebook zu islamkritischen Äußerungen ein „gefällt mir“ angeklickt hat. Zum Glück wehren sich so wie in diesem Fall häufig noch unabhängige Richter gegen diese Attacken auf die Meinungsfreiheit und die universelle Anwendung des Strafbestands der „Verhetzung“.

Vor dessen Verschärfung ist ja gerade in diesem Tagebuch intensiv gewarnt worden. Sie ist aber dennoch unter Verweis auf EU-Entscheidungen weitgehend in die Gesetzesbücher aufgenommen worden. Schuld daran war primär die linke Sozialistin Maria Berger, die in der EU der Beschneidung der Meinungsfreiheit zugestimmt (und in Österreich die Sache geheimgehalten) hat. Mitschuld sind aber auch die beiden folgenden schwarzen Ministerinnen, die der Übernahme dieses Knebelungsparagraphen keinen merkbaren Widerstand entgegengesetzt haben.

Zurück zu Montis Forderung: Auch in der Wirtschaftskrise der 30er Jahre sind von faschistischen, kommunistischen, nationalsozialistischen Bewegungen die Parlamente als „Quatschbuden“ hinweggefegt worden. Das hat in der Folge Demokratie und Rechtsstaat vernichtet. Und nichts anderes steht jetzt in diesen Wochen auf dem Spiel – auch wenn uns allen die Ablenkung durch olympische Spiele viel sympathischer erscheint.

Schuldengemeinschaft schaltet nationale Parlamente aus

Eine Sprengung von Demokratie und Rechtsstaat bedeuten aber auch die in auffälligem Gleichklang dieser Tage von den Chefs der deutschen und österreichischen Sozialdemokraten erhobenen Forderungen nach einer radikalen Vergemeinschaftung der nationalen Schulden. Sigmar Gabriel verlangt diese Schuldenunion auf direktem Weg (und lässt sich dabei vom „Finanzexperten“ Jürgen Habermas unterstützen); Werner Faymann tut dies auf einem substanziell nicht sehr unterschiedlichen Weg, indem er unbegrenzte Kreditmöglichkeiten des „Rettungsfonds“ ESM bei der Europäischen Zentralbank verlangt. Was genauso eine Vergemeinschaftung der Schulden bedeutet.

Gabriel träumt davon, dass man die einzelnen Staaten im Gegenzug zu einer strengen Haushaltsdisziplin zwingen  könnte. Nur: Diese Disziplin stand schon in den Maastricht-Kriterien festgeschrieben und wurde fast ständig und fast von allen Mitgliedsstaaten ignoriert. Das wird mit absoluter Sicherheit auch in Zukunft geschehen. Denn keine Regierung Europas lässt sich die politische Gestaltung entwinden. Aber ohne direkten und brutalen Eingriff einer solchen Schuldengemeinschaft bei Schlüsselfragen wie Pensionsalter, Studiengebühren, Sozialleistungen, Förderungen usw. (also praktisch allen Themen, welche die nationale Politik bewegen) kann sich keine Haushaltsdisziplin ergeben.

Die von Gabriel&Co vorgeschlagene paneuropäische Haftung für all diese Geldverschwendung bedeutet eine völlige Ausschaltung der Budget- und Steuer-Hoheit der nationalen Parlamente. Sie bedeutet eine ebenso gravierende wie stillschweigende Gesamtänderung der österreichischen Verfassung. Eine solche wäre eigentlich nur auf dem Weg einer Volksabstimmung möglich. Interessanterweise verschweigen sich dazu die sonst so mediengeilen Mainstream-Juristen komplett, die sogar bei der harmlosen Einführung von verpflichtenden Volksabstimmungen nach Volksbegehren vor einer Gesamtänderung gewarnt haben.

EU-Krise macht mehr Sorgen als Korruption

Die Politiker erkennen, dass sie den Schuldenkurs nur noch bei einer weitgehenden Ausschaltung der Demokratie realisieren können. Die Bürger in Europas Nordländern spielen nämlich nach drei Jahren Verwirrungspolitik nicht mehr mit. Das zeigte etwa die jüngste Repräsentativumfrage von Imas: Denn bei dieser nannten die Österreicher unter jenen Punkten, die sie besonders beunruhigen, eine Sorge deutlich am häufigsten: „die Folgen der EU-Krise (Griechenland etc.) für Österreich“. Diese verängstigt sie weit mehr als die Stichworte „Korruption“ oder Dutzende andere Besorgnisse. Dabei widmen die Mainstream-Zeitungen seit Monaten der Korruption viel mehr Platz als der Schuldenkrise.

Die Bürger haben erkannt, warum es geht. Die Politik will aber dennoch auf ihrem Kurs weiterfahren und umgeht dabei zahllose Rechtsvorschriften.

So hat sie die präzisen Maastricht-Regeln mit ihren Defizit- und Schuldengrenzen ständig und brutal verletzt. So haben die EU-Regierungschefs schon das auf allerhöchstem Rechts-Level einbetonierte No-Bailout-Verbot einfach ausgehebelt (es hatte die Übernahme von Schulden einzelner Mitgliedsstaaten durch andere Staaten, EU oder EZB strikt verboten). So hat sich die Zentralbank wider ihrem diesbezüglich eindeutigen Statut um Hunderte Milliarden wackelige Anleihenpapiere aus südeuropäischen Staaten andrehen lassen.

Wie pleite ist die EZB?

Bei all diesen durch die faktische Macht der Politik ignorierten Rechtsregeln geht es aber genau um den Kern jener Bedingungen, die Länder wie (vor allem) Deutschland zur Vorbedingung eines Beitritts zur Währung gemacht haben. Dass diese glasklar verankerten Bedingungen einfach durch die Hintertür entsorgt wurden, ist der schlimmste politische und rechtliche Betrug der Nachkriegszeit.

Alle Finanzexperten wissen, dass die EZB bei korrekter Bilanzierung und Offenlegung aller Risken eigentlich pleite wäre. Aber korrekt bilanzieren muss ja nur der kleine Kaufmann, nicht die mächtigste Finanzinstitution des Kontinents. Dort wird vieles geheimgehalten.

Das alles ist wirtschaftlich verheerend, auch wenn es Regierungen, Mainstream-Medien und interessierte Kreise immer als Erfolg darstellen, sobald durch neue Schaffung von Papiergeld der akute Ausbruch der schon längst gegebenen Insolvenz wieder ein paar Wochen hinausgeschoben wird. Aber die Tatsache, dass all diese Rechtsbrüche noch nie von einem europäischen oder österreichischen Höchstgericht auch nur behandelt worden sind, ist noch viel übler. Wenn einmal das Vertrauen ins Rechtssystem zertrümmert worden ist, dann ist eine Gesellschaft auf viele Jahrzehnte kaputt.

Die Richter werden vielfach oft vor vollendete Tatsachen gestellt. In Österreich kann der Verfassungsgerichtshof etwa über den verantwortungslosen ESM-Beitritt überhaupt erst dann zu beraten beginnen, wenn dieser schon Realität ist, wenn er aber auf Grund des internationalen Rechts gar nicht mehr gekündigt werden kann. Und der Europäische Gerichtshof kann in den heikelsten Fragen nur dann aktiv werden, wenn ihn eine Regierung einschaltet. Aber keine Regierung wird gegen das klagen, was ihr Regierungschef oder ihre Minister selbst mitbeschlossen haben.

Karlsruhe als einzige Hoffnung

Die Richter sind aber ohnedies froh, nicht entscheiden zu müssen. Wird ihnen doch von Regierungen und Mainstream-Medien ständig Angst eingejagt, dass ein Veto gegen das ständige Nachschütten von Geldern in das bodenfreie Schuldenfass schlimme Folgen hätte. Was ja an sich auch stimmt: Denn bei einem Griechenland-Bankrott müsste die EZB von den Mitgliedsstaaten viele Milliarden einfordern, weil sie dann die Wertlosigkeit der griechischen Anleihen in ihren Tresoren endlich eingestehen müsste. Verschwiegen wird freilich, dass das ständige Nachschütten beziehungsweise Verschweigen noch viel dramatischere Folgen haben wird. Wenn auch erst einige Monate, im besten Fall zwei oder drei Jahre später.

Einzig das deutsche Oberstgericht in Karlsruhe hat nun die Möglichkeit, sich mit einiger Wirksamkeit der fundamentalen Zerstörung von Demokratie und Recht entgegenzustellen. Der parteiunabhängige deutsche Bundespräsident hat – im Gegensatz zum österreichischen – mutigerweise mit der Unterzeichnung des irreversiblen ESM-Vertrags zugewartet, bis die Richter dazu grünes Licht geben. Das hat die Berliner Regierung natürlich erzürnt. Das gibt aber Hoffnungen.

Ohne Recht keinen Frieden

Allerdings hat sich auch Karlsruhe schon mehrfach den von der Politik hergestellten faktischen Zwängen gebeugt. Mehrfach haben die dortigen Richter schon bei Änderungen des EU-Rechts gesagt: Bis hierher und nicht weiter! Weiter dürfe die Einschränkung der nationalen und parlamentarischen Rechte nicht gehen. Und dann ging es beim nächsten Mal halt doch wieder ein großes Stück weiter. Die Richter haben in ihrer Ängstlichkeit nie das große Nein gewagt.

Also überwiegt auch diesmal die Skepsis. Dabei müssten intelligente Richter zweifellos wissen, dass es längst um Demokratie und Rechtsstaat und nicht mehr „nur“ um den Euro geht.

Da kann man dem deutschen Ex-Verfassungsrichter Paul Kirchhof nur zustimmen, wenn er jetzt schreibt: „Die EU steckt in der Krise, weil Recht missachtet wurde. Und wir spielen weiter mit dem Feuer: Eine Instabilität des Rechts wiegt schwerer als eine Instabilität der Finanzen.“ Deutlich weist er auch alle jene Sonntagsredner zurück, die die Schuldenpolitik als Friedenswerk verteidigen. Das Gegenteil ist wahr: „Ohne Recht gibt es keinen Frieden.“

PS: Bezeichnendes Detail am Rande: Die EU und ihre Mitgliedsstaaten haben auch anderswo ein gebrochenes Verhältnis zum Recht. Sie nehmen in diesen Tagen sogar den Putsch im Mitgliedsland Rumänien weitestgehend tatenlos hin. Bis auf ein paar lendenlahme Erklärungen zeigt man sich gegenüber den rumänischen Putschisten hilflos. Dort hat die Regierung den Präsidenten einfach suspendiert. Sie setzt Höchstrichter massiv unter Druck und will nun im Nachhinein ein von ihr selbst durchgeführtes und dann verlorenes Referendum über die Präsidentenabsetzung für ungültig erklären. Sie will die von der Regierung selbst erstellten Wählerlisten nachträglich ändern. Solche Methoden und deren Ziele sind seit dem Berliner Reichstagsbrand allzu gut bekannt.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Raus, raus, alles raus! drucken

So ähnlich muss das Gefühl der Passagiere auf der Titanic gewesen sein, als ihnen klar wurde, dass das Knallen keine Champagnerkorken waren, die Hilfe-Rufe zu keiner Theateraufführung gehörten und die Panik an Bord des unsinkbaren Schiffes vor dem ewigen Abtauchen immer größer wurde. Rettung? Nur für einen Teil der Menschen möglich.

Unsere Panik wird heute von einer Gemeinschaftswährung namens Euro und einer allein selig machenden Institution wie der Europäischen Union verursacht. Wenn einem sterbenskranken Menschen ein mit allen Bildbearbeitungskünsten manipuliertes Foto von ihm vorgehalten wird, so wird er sich der eitlen Hochglanzlüge nicht hingeben. Ihm sind Gefühle, Instinkte, Wahrnehmungen gegeben, die alle Versuche einer Beschönigung wie eine Verhöhnung auffliegen lassen.

Wir haben eine Währung mit so vielen Konstruktionsmängeln – und Verträge, die das Papier, auf das sie gedruckt worden sind, schon nicht mehr wert sind – dass sich jene, die uns diesen Euro und seine Allheilsfunktion eingeredet haben, im letzten Aufbäumen noch davon schwindeln wollen.

Indem sie abenteuerliche Schuldenkonstruktionen, Umschichtungen und neue Lügengebilde konstruieren. Rettungsboote, wenn Sie so wollen. Wie auf der Titanic sind nicht genug davon vorhanden. Können es nicht sein. Mathematik ist eine seriöse Wissenschaft und keine in der EU zu wählende Partei. Ein Minus und noch ein Minus ergeben dort keine Rettung, sondern das Debakel.

Bei katholischer Taufe und Firmung wird gefragt: „Widersagst Du dem Bösen und allen seinen Verlockungen?“ Merkt denn hier niemand, wie fast alle „Lösungsversuche“ in Sachen Euro eine Verschlimmerung darstellen? Wie dort das Böse in die Rolle von Politikern und Experten schlüpft, um den Untergang einer fehlerhaften Währungs- und Schuldentolerierungsunion zu verzögern?

Das unsinkbare Schiff Europäische Union sollten jene schleunigst verlassen, die noch eine Chance auf einen Platz im Rettungsboot haben. Von den Propheten der Neuzeit, Deutschlands Wifo-Chef Hans-Werner Sinn sei hier erwähnt, kann es kaum unmissverständlichere Warnungen geben. Doch gab es jene nicht auch von Jesus Christus, von Bahá‘ulláh, dem Begründer der Bahá‘í-Religion? Hat noch irgend jemand Vertrauen in die Expertise, ja in ein gottgefälliges Handeln des als EU-Spitzen getarnten Euro-Himmelfahrtskommandos?

Hier stecken sich noch einige Handelnde schwindelerregende Gagen zu, die von den Empfängern wohl noch am Tag des Erhalts zum Großteil in Gold umgetauscht werden. Übrig bleiben als die Dummen jene, die brav ihre Stimme abgegeben haben. So war es immer, aber muss es auch in Zukunft so sein?

Uns Österreichern könnte es in einer Vergeschwisterung mit der Schweiz blendend gehen. Oder wir holen uns den Schilling wieder zurück. Am besten mit einer sofortigen Notverfügung am kommenden Mittwoch. Je schneller, desto besser.

Die wirklichen Experten rufen längst, wie Feuerwehrleute in einem brennenden Hochhaus oder Schiffstechniker auf der sinkenden Titanic: „Raus, raus, alles raus!“ Wir sollten raus aus diesem Euro. Wir sollten immerwährend (wie kann man dieses Wort auch nur eine Sekunde anders verstehen?) neutral werden/bleiben.

Raus aus dem Euro, ja womöglich sogar raus aus der EU. Wir hatten auch ohne die Mitgliedschaft in der EU friedliche Zeiten, schreckliche Skandale aber dafür auch jenes Geld, das wir heute als Nettozahler in Brüssel abliefern. Es wird höchste Zeit, dieses Drama vom Spielplan der täglichen Nachrichten zu nehmen.

Eine Regierung ist auch zum Reagieren da. Schon während der psychologischen Betreuung durch das Katastrophen-Einsatzteam nach dem Austritt sollten im baufälligen Parlament die Grundfesten eines neuen Österreich errichtet werden. Mit Gerechtigkeit, niedrigen Steuern, Mobilität und dem Austro-Franken oder dem Schilling als Währung.

Widersagen wir dem Bösen und erfinden wir uns neu. Ich glaube an dieses neue Österreich. Entdecken wir Gott wieder und mit Ihm Anstand und Moral. Die Zeit ist reif.

Reinhard Bimashofer ist freier Journalist und im Vorstand des Instituts für Angewandte Politische Ökonomie.

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Kärnten – am Ende der einfachen Lösungen drucken

Ich gebe es ja zu: Es ist zu verlockend, jetzt ein paar Zahlen und Fakten auf den Tisch zu legen. Etwa jene, dass das Erbe Jörg Haiders den österreichischen Staat weit mehr kostet, als die Beteiligung am Europäischen Rettungsschirm EFSF. Sogar die Haftung Österreichs im EFSF liegt mit 18 Mrd. Euro unter jener, die das Bundesland Kärnten für das inzwischen notverstaatlichte Milliardengrab Hypo Alpe Adria übernommen hat. Der politische Kollateralschaden ist dabei „part of the game“.

Nur hämisch auf Kärnten zu zeigen, ist aber zu einfach. Der Aufstieg und Fall Jörg Haiders und seiner Apostel reicht viel weiter als die alte Volksweisheit, dass Hochmut vor dem Fall kommt. Die wirkliche Lehre daraus ist wieder einmal die Erkenntnis, dass Politik in der Regel viel komplizierter und mühsamer ist, als wir uns alle so sehr wünschen.

Die Geschichte zeigt uns, dass vermeintlich einfache Lösungen fast immer in Katatstrophen münden. Immer wieder treten neue Heilsbringer auf den Plan, die uns erklären, wie alles einfacher und schneller geht. Und immer wieder finden sie genug Begleiter auf ihrem Weg in den Abgrund. Mit etwas Glück machen sich die neuen Wunderwuzzis gleich zu Beginn lächerlich, wie etwa zuletzt Frank Stronach in der ZIB 2.

Wenn aber die Zeit reif ist und die Wirtschaft schlecht genug läuft, dann freuen wir uns alle über den nächsten, der die nötige Überzeugungskraft und das zughörige Charisma mitbringt. Dann werden wir alle gebannt seinen Ideen lauschen und seufzen: Endlich einer, der weiß wie es geht!

Traurig, aber wahr: davor ist keiner gefeit, denn Irren ist menschlich. Schadenfreude übrigens auch.

Wolfgang Hoffmann, Jahrgang 1959, ist Musiker, Unternehmer und Autor.
Siehe:
http://www.woho.at 

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Bevor Deutschland zu Griechenland wird drucken

In stürmischen Zeiten wie diesen zeigt sich das wahre Gewicht der Souveränität von Kleinstaaten. Es ist gleich Null. Sämtliche Entscheidungen in der europäischen Schuldenkrise laufen völlig an Österreich vorbei. Nicht einmal in den Diskussionen über ein zweifellos gewaltiges Problem ist das Land durch relevante Beiträge präsent gewesen. Dabei stimmt das verbreitete Vorurteil keineswegs, dass die EU-Institutionen ohnedies über die Mitgliedsstaaten drüberfahren würden. Denn in Wahrheit sind in den letzten zweieinhalb Jahren alle wichtigen Entscheidungen nicht in Brüssel, sondern in einem Mitgliedsland, nämlich Deutschland gefallen.

Lediglich in der Sarkozy-Periode hat noch ein zweites Land den Eindruck einer Mitsprache erwecken können. Der Rest war Deutschland. Dort hat 2010 Finanzminister Wolfgang Schäuble als erster die – problematische, aber wirksame – Parole ausgegeben, dass Griechenland nicht fallengelassen werde. Und nur dort werden im Herbst auch die nächsten Entscheidungen fallen.

Die werden in jedem Fall wieder gravierend sein. Nachdem sich die Hilfspolitik gegenüber Griechenland als reine Geldverbrennung erwiesen hat, werden nun die Stimmen immer lauter, das Land an der Ägäis doch fallenzulassen. Wobei es fast gleichgültig ist, ob das nun als Staatsbankrott im Euro oder als Ausscheiden aus dem Euro dargestellt wird.

Während etwa in Österreich selbst die kleinsten Andeutungen einer solchen Möglichkeit durch die Finanzministerin dieser sofort breiten Tadel in Politik und Medien einbringen, wird in Deutschland das Aus für Griechenland in aller Breite und Offenheit diskutiert. Schon an dieser Debatte – von der Politik bis zur Wirtschaftswissenschaft – sieht man das Selbstbewusstsein eines Landes, auf das es eben ankommt.

Warum hat Deutschland eine viel fundiertere Debatte?

Dahinter stehen zweifellos auch Qualitätsunterschiede im politisch-medial-wissenschaftlichen Personal. In Deutschland findet – und hört – man Hunderte Ökonomen, die tiefer analysieren als alle heimischen Experten. In der österreichischen Politik hat außer der Finanzministerin eigentlich niemand auch nur eine Ahnung über alle Aspekte und Zusammenhänge der Finanzkrise. Auch auf Beamtenebene finden in Wien einzig im Finanzministerium (zum Teil halböffentlich) spannende und substanzielle Diskussionen statt. Im Parlament, in Talkshows oder auf Professorenebene gibt es nur billige EU-Apologetik oder ebenso billige Anti-Aggression.

In Deutschland sind es vor allem CSU und FDP, die sich derzeit mutig in Richtung auf ein Aus für Griechenland positionieren. Dabei sind das in der Koalition jene Parteien, die sich bisher häufig duelliert haben, was wiederum Angela Merkel lange ermöglicht hat, den ruhenden und souveränen Pol zu spielen. Aber beide Parteien spüren jetzt offenbar stärker als Merkel oder Schäuble, wie unpopulär die Rettungspolitik ist. Und sie sehen daher angesichts schlechter Umfragen eine Profilierungschance.

Verdrängung ist ein Wert aus Österreich

Die deutsche Eskalation in Sachen Mut ist aber zweifellos auch durch die – erste – Verschlechterung des deutschen Ratings ausgelöst worden. Die Ratingagentur hat dabei im Grund jedoch nur logisch gehandelt: Wenn all die Haftungen schlagend werden, die Deutschland schon eingegangen ist beziehungsweise noch eingehen wird (sofern das deutsche Verfassungsgericht den „Rettungsschirm“ ESM erlaubt), und wenn der Großteil des verliehenen Geldes nie zurückgezahlt wird, dann ist auch Deutschland de facto pleite. Es gibt wenig Zweifel, dass diese Wenns von Monat zu Monat an Wahrscheinlichkeit zunehmen.

Dagegen verliert der Merkel-Spruch, dass die Hilfspolitik alternativlos wäre, rasch an Überzeugungskraft. Wenn das Ergebnis ihrer alternativlosen Politik ist, dass aus Deutschland Griechenland wird – und nicht wie versprochen umgekehrt –, dann wäre jede andere Alternative besser.

Das gilt natürlich genauso auch für Österreich. Nur wird das hier von keinem großen Medium, von keinem Minister, von keinem staatstragenden Ökonomen so artikuliert und analysiert. Die Österreicher feiern offenbar lieber so wie 1914 den wenn auch verregneten Sommer, während ringsum alles ins Zusammenbrechen kommt. Verdrängung ist ein Wert aus Österreich.

In Deutschland hingegen ist die Debatte so hart, dass auch schon manche von vorzeitigen Neuwahlen reden. Was natürlich der absolut falsche Weg wäre. Denn Neuwahlen lösen die Krise nicht, sondern machen nur jede Entscheidung noch schwieriger, wie Griechenland gezeigt hat.

Die anderen Schuldenstaaten schauen genau auf Griechenland

Eigentlich braucht es längst keine Debatte und kein Nachdenken mehr, ob man weiteres Geld nach Griechenland schicken oder ob man diesmal Nein sagen sollte. Denn: Auch wenn der Bericht der sogenannten Troika (EU, EZB, IWF) über die Hellenen noch aussteht, ist inhaltlich das Ergebnis völlig klar. Griechenland hat wieder nicht die versprochenen Reformen umgesetzt. Um das zu erkennen, muss man nur die Beschlüsse von Regierung und Parlament in Athen beobachten. Wenn die Troika keine Halluzinationen hat, kann auch sie nur zu einem negativen Urteil kommen.

Mit anderen Worten: Wenn Deutschland, wenn Europa wenigstens halbwegs glaubwürdig bleiben wollen, dann müssen sie jetzt einfach ihre Ankündigungen einhalten. Die haben Hunderte Male klar gelautet: Keine Reformen, kein Geld.

Bei dieser Glaubwürdigkeit geht es keineswegs nur um einen abstrakten Wert, um eine wählerwirksame Tugendbolderei. Es geht vor allem um die Beispielswirkung. Denn wenn Griechenland noch einmal mit seinen Schmähs durchkommen sollte, dann hat das verheerende Konsequenzen in vielen anderen Ländern. In Italien und Spanien werden die Gewerkschaften noch viel heftiger gegen die Sparversuche der jeweiligen Regierungen kämpfen. Und auch Portugal wie Irland werden ihre Sparanstrengungen einstellen, wenn aus Berlin und Brüssel das Signal kommt, der – scheinbar – reiche Onkel zahle ohnedies weiterhin alle ungedeckten Schecks. Dabei haben diese beiden Krisenländer zumindest bisher recht ordentlich ihre zugesagte Sanierungspolitik umgesetzt, sind aber noch lange nicht am rettenden Ufer.

Das Dilemma der Angela Merkel

Der Kein-Geld-mehr-für-Griechenland-Mut von CSU und FDP wird aber auch in Deutschland keineswegs von allen geteilt. Rot und Grün treten mit Ausnahme von Exminister Steinbrück ständig für weitere Hilfen ein; die beiden Parteien haben sogar große Sympathien für Eurobonds und andere Formen einer fortgesetzten Schuldenübernahme.

Und Angela Merkel ist völlig verunsichert. Sie weiß: Wenn sie diesmal konsequent bleibt, werden von Helmut Kohl bis zu den vielen linken Medien, von der Brüsseler Kommission bis zu einer Vielzahl ausländischer Regierungen alle über sie herfallen und sie als Mörderin Europas geißeln, samt den üblichen Anspielungen auf die deutsche Kriegsschuld. Diese Rolle ist halt so gar nicht nach Merkels Charakter. Sie weiß aber auch, dass die gegenwärtige Stabilität selbst in Deutschland durch heftige ökonomische Turbulenzen bedroht ist, wenn wirklich ein erster EU-Staat fallengelassen wird. Das wird einen unberechenbaren Tsunami auslösen. Einen sanften Krisenausklang kann es nämlich gar nicht mehr geben.

Merkel ist vor allem in Hinblick auf die deutsche Volksseele unsicher: Werden ihre Landsleute begreifen, dass die bei einem Nein zu weiteren Griechenland-Geldern ausbrechenden Turbulenzen harmlos sind gegen das, was droht, wenn man noch einmal nachgegeben hätte? Wähler denken oft nicht über die Alternativen zu einer unangenehmen Entscheidung nach. Sie reagieren einfach empört, wenn ihnen die in jedem Fall unvermeidliche Rechnung präsentiert wird. Auch wenn sie ein paar Wochen davor noch ganz anders gedacht und nach einem Aus für die Griechenland-Hilfe gerufen haben.

Schmerzfreie Alternativen wird aber auch Merkel keine mehr finden. Dazu ist in Europa und in fast jedem einzelnen Land schon viel zu viel schief gelaufen.

Die Wagenknecht-Illusion

Eine schmerzfreie Alternative stellen auch die jüngsten Ideen der linken Sahra Wagenknecht nicht dar, auch wenn diese derzeit in Deutschland weithin als eine liberale Wende der Salonkommunistin gefeiert werden. Wagenknecht verlangt nämlich eine Ende der ständigen Rettung von Staaten und Banken. Das ist sicher richtig und ein klares liberales Prinzip. Alle anderen linken Politiker haben in den letzten Jahren hingegen ständig nach immer noch mehr „Solidarität“, also teuren Rettungsaktionen gerufen.

Wagenknecht schlägt aber zugleich vieles sehr Problematische vor. Sie will, dass den Staaten sofort alle 60 Prozent des BIP übersteigenden Schulden gestrichen werden. Und sie will auch, dass sich die Staaten künftig gleich direkt bei der Europäischen Zentralbank finanzieren können. Das wäre eine endgültige Katastrophe. Dann wäre jede Bremse für die Geldverbrennung durch die Regierungen beendet. Dann könnte niemand mehr darüber entscheiden, welches Land noch kreditwürdig scheint und welches nicht. Dann hätten die Staaten zugleich die Kontrolle über praktisch alle Banken.

Denn die wären alle bankrott, wenn kein Staat mehr Anleihen zurückzahlen würde (Sind doch fast alle Euro-Staaten mit mehr als 60 Prozent verschuldet). Mit einem Bankencrash wären natürlich auch die dort liegenden privaten Vermögen kaputt, die über eine Mindestsicherung hinausgehen. Nach einer Verstaatlichung der Banken würden Politiker bei der privaten Kreditvergabe heftig mitentscheiden. So wie sie es jahrzehntelang in Kärnten und bei fast allen anderen Landesbanken oder bei den einstigen Staatsbanken getan haben. Mit katastrophalen Folgen.

Aber dennoch zeigt die Wagenknecht-Diskussion eines: In Deutschland wird von allen Seiten wenigstens heftig diskutiert und nachgedacht. Worauf Österreich konsequent verzichtet.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Staat heißt das kälteste aller kalten Ungeheuer drucken

Mein Aufsatz "Der vierte Juli: Nicht nur in den USA ein denkwürdiges Datum" bestand zum Großteil aus Zitaten von Denkern und Staatsmännern, die zu der kläglichen Situation passten, in der sich die Staatsfinanzen zahlreicher Mitglieder der EU, sowie der USA und Japans seit vielen Jahren befinden.

An den Beginn dieses Beitrags möchte ich wieder ein Zitat stellen – und zwar eines des amerikanischen Naturforschers und Philosophen Edward Abbey (1927 – 1989): „Wenn du dich weigerst, ungerechte Steuern zu bezahlen, wird dein Eigentum konfisziert. Wenn du versuchst, dein Eigentum zu verteidigen, wirst du festgenommen. Wenn du dich der Festnahme widersetzt, wirst du niedergeknüppelt. Wenn du dich dagegen wehrst, wirst du erschossen. Diese Maßnahmen sind bekannt als Rechtsstaatlichkeit.“

In wenigen Zeilen räumt Abbey rigoros mit der Illusion auf, dass es so etwas wie einen „Rechtsstaat“ geben könnte. Denn wahr ist: es gab nie einen, es gibt keinen und es wird wohl auch nie einen geben. Jede Tugend, die uns liebende und verantwortungsbewusste Eltern einst vorgelebt haben – Ehrlichkeit, Sparsamkeit, Bescheidenheit, Gewaltverzicht, um nur ein paar Beispiele zu nennen – sie alle sind dem Staat unbekannt. Die jedem Privaten verbotene Verletzung von Rechten Dritter bildet vielmehr seine Geschäftsgrundlage.

Kein Staat ist je ohne den Bruch von Individualrechten, also ohne Betrug, Raub, (Massen-) Mord und Totschlag entstanden. Die systematische Missachtung allgemein gültiger Rechtsnormen durch den Staat wird am von Abbey im obigen Zitat angesprochenen „Nichtaggressionsprinzip“ besonders deutlich. Wir alle haben schon als Kinder gelernt, niemals Gewalt gegen Dritte zu initiieren. Außer im Notwehrfall ist Gewaltanwendung in einer zivilisierten Gesellschaft grundsätzlich unzulässig. Niemals hätten unsere Eltern es uns durchgehen lassen, hätten wir anderen Kindern in der Sandkiste deren Spielzeug weggenommen – nur weil wir gerade die Stärkeren waren.

Der Fiskus dagegen hat keinerlei Skrupel, seinen gesamten Zwangs- und Gewaltapparat gegen jene rechtschaffenen, aber wehrlosen Bürger in Marsch zu setzen, deren einziges „Verbrechen“ darin besteht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum behalten zu wollen. Wer das nicht glaubt, versuche einmal, seine Schutzgeldzahlungen an den Staat zu verweigern! Schneller als man „Rechtsstaat“ sagen kann, wird man es mit recht robusten Amtshandlungen zu tun bekommen. Damit wird in flagranter Weise jenes Nichtaggressionsprinzip verletzt, das für jedermann gilt – außer für den Staat.

Und als ob das allein nicht schon schlimm genug wäre, fügt das „kälteste aller kalten Ungeheuer“ dem Unrecht auch noch den blanken Hohn hinzu! Kehren wir zu unserem Sandkasten zurück und nehmen wir an, die dort spielenden Kinder würden – in Abwesenheit ihrer Eltern – einen aus ihrer Mitte (vermutlich den Größten und Stärksten) – zum Streitschlichter küren. Immer dann, wenn es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Spielenden kommt, soll er – einem Fußballschiedsrichter gleich – auf der Stelle und ohne weitere Diskussion entscheiden. Das klingt so lange nach einer guten Idee, so lange die Urteile dieses Streitschlichters nicht auch jene Fälle betreffen, in die er selbst als Partei involviert ist. Jedem Kind wäre sofort instinktiv klar, dass dann wohl keine gerechten Urteile zu erwarten wären.

Vertraue keinen Richtern und Beamten

Liegt man indessen als Bürger mit „Big Brother“ im Streit - dann entscheidet in letzter Instanz - der große Bruder selbst. Genial, nicht wahr? Das ist gerade so, als ob man bei einem Großbetrieb eine Ware gekauft hat und – nachdem man an dieser einen Mangel feststellen musste – von der betriebseigenen Reklamationsabteilung an die betriebseigene Rechtsabteilung verwiesen wird, die letztlich endgültig über die Rechtmäßigkeit der Kundenforderung befindet.

Kein Konsument wird sich das bieten lassen! Zurück zur Sandkiste: Der von den Kindern gewählte Streitschlichter kann diesen nicht nur ihre Spielsachen entwenden – er ist ja schließlich allen anderen an Kraft überlegen – sondern danach auch noch darüber befinden, ob das in Ordnung ist oder nicht. Verrückt, nicht wahr? Der Staat hat es verstanden (der unermüdlichen Wühlarbeit ganzer Zehntausendschaften von staatsbesoldeten Intellektuellen, Lehrern und einer durch Rundfunkmonopol, Presseförderung und Inseratenkampagnen korrumpierten Journaille sei Dank!), uns diesen Irrsinn als die normalste und gerechteste Sache der Welt zu verkaufen.

Die von Montesquieu „erfundene“ Gewaltenteilung entpuppt sich denn als schieres Trugbild. Die drei Gewalten, Gesetzgebung, Verwaltung und Justiz, werden schließlich von Menschen verkörpert, die allesamt für dieselbe „Firma“ arbeiten. Von wegen „Gewaltenteilung“. Als Steuerkonsumenten leben sie von dem Geld, das der Staat – dank seines Vorrechts, Tribute zu erheben (ohne dass er den Zahlern dafür konkrete Leistungen schuldet!) – den nicht beamteten Bürgern abnimmt.

Das macht sie zu deren natürlichen Gegnern. Die Loyalität der beamteten Nettoprofiteure gilt einzig und uneingeschränkt dem Leviathan – nicht etwa den Financiers ihrer privilegierten Positionen.

Wenn also ein mit einer Behörde im Streit liegender Bürger sich von der Justiz Gerechtigkeit erwartet, dann gleicht er dem oben beschriebenen Konsumenten, über dessen allfälligen Schadenersatzanspruch die firmeneigene Rechtsabteilung zu befinden hat. Das Sprichwort besagt: „Wes´ Brot ich ess´, des´ Lied ich sing´!“ Was auch immer der Bürger von der Justiz erwarten kann, wird wenig mit Gerechtigkeit, dafür aber viel mit Macht zu tun haben…

Zentralismus verschlimmert die Lage noch

Nun ist es eine altbekannte Tatsache, dass politische Einheiten mit wachsender Größe zu immer stärkerer Zentralisation und Machtakkumulation tendieren. Die USA bilden ein wunderbares Beispiel dafür. Die ehrwürdigen Gründerväter, die meinten, ein wasserdichtes System von Checks and Balances geschaffen zu haben, würden ihr sympathisches, filigranes Geschöpf von damals heute nicht wieder erkennen. Aus dem einst unscheinbaren Zentrum einer losen Föderation unabhängiger Staaten ist eine alles kontrollierende Kommandozentrale geworden.

Besonders seit der Einführung bundesweiter Steuern und der Installation einer auf den Namen FED-System hörenden Inflationierungsbehörde im Jahre 1913, hat sich Washington rasant in die Richtung einer modernen Version des Versailles´ Ludwigs XIV. entwickelt. Washington rules – der Rest (von der New Yorker Wallstreet abgesehen) ist unbedeutende Provinz. Und nie zuvor werden die Bürgerrechte durch einen alle Lebensbereiche wie ein Krebsgeschwür durchdringenden Staat stärker eingeengt als heute.

Die USA, die in vieler Hinsicht dennoch immer noch deutlich mehr an Freiheit bieten als die lupenrein sozialistische Alte Welt, bilden im Hinblick auf ihre Zentralisierung die Blaupause für die Eliten der EU. Denn weniger als „Die Vereinigten Staaten von Europa“ darf es nicht sein – und wenn es die Restbestände von Freiheit in Europa und den letzten Cent der Deutschen, Holländer und Österreicher kostet!

Leider liegt das Fremdbestimmungsniveau, von dem aus dieses ebenso größenwahnsinnige wie bürgerfeindliche Projekt startet, ungleich höher als jenseits des Atlantiks – was dann besonders deutlich wird, wenn man die durchschnittlichen Abgabenlasten miteinander vergleicht (die in der EU im Schnitt um rund zehn Prozent höher liegen als in den USA). Der europide Überwachungs- und Regulierungsirrsinn, der mittlerweile nicht einmal mehr vor Bargeldtransaktionen, Essgewohnheiten und Kellerbeleuchtungen Halt macht (wir werden auch noch erleben, dass Neugeborene – Haustieren gleich – gechipt werden!), hat eben seinen Preis.

Die EU ist das schlimmste Ungeheuer

Bleibt die Hoffnung, dass dieser Spuk an „imperialer Überdehnung“ zerbricht, ehe er verwirklicht werden kann - wofür es täglich deutlichere Signale gibt. Der schriller werdende Ton und der immer hysterischere Aktionismus der Nomenklatura lässt sich durchaus als Untergangsindikator deuten…

Dieser Tage blickt alle Welt nach Karlsruhe, wo das deutsche Bundesverfassungsgericht über Klagen gegen den ESM zu entscheiden hat, der geeignet ist, Generationen von Bundesbürgern in die Schuldknechtschaft zu zwingen. Viel hängt von diesem Urteil ab. Die Richter haben es in der Hand, den Nachweis der faktischen Existenz einer „Gewaltenteilung“ in Deutschland zu erbringen. Allerdings: Es handelt sich auch bei ihnen um Staatsschranzen. Alles andere als ihr Einknicken vor der hohen Politik und der Masse der veröffentlichten Meinung wäre ein Wunder…

Kommen wir zur Überschrift dieses Beitrags zurück und setzen sie mit Nietzsches eigenen Worten (aus Also spracht Zarathustra, seinem „Buch für alle und keinen“) fort: „Staat heißt das kälteste aller Ungeheuer. Kalt lügt es auch, und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: Ich, der Staat, bin das Volk.“

Stimmt! Der Staat, der sich des Territoriums unseres Vaterlandes bemächtigt hat, hat mit seinem Volk gar nichts am Hut, was über dessen Rolle als Steuerlieferant hinausgeht. Weniger noch als „der Staat“ (oder besser: seine Repräsentanten) kümmert sich die Zentralbürokratie der EU um das „europäische Volk“.

Das „kälteste aller kalten Ungeheuer“ wäre für Nietzsche heute sicher nicht mehr der Staat, sondern jenes ungeheuerliche Kunstgebilde, das es nach dem Willen seiner jeder Bodenhaftung verlustig gegangenen Politeliten erst zu erschaffen gilt.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Fußnote 321: Die Gegenwart aufarbeiten! drucken

Norbert Darabos, der Minister von der traurigen Gestalt, verkündete mit bebender Stimme den „sensationellen“ Fund der im Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs versteckten Kapsel. Bildhauer Wilhelm Frass hatte darin 1935 ein flammendes nationalsozialistisches Bekenntnis versteckt. Wieder ein Mosaiksteinchen zur Aufarbeitung unserer Geschichte, verkündete Darabos. Das in der selben Kapsel enthaltene pazifistische Bekenntnis des zweiten Bildhauers, Alfons Riedel, versetzte ihn hingegen kaum in Entzücken.

Dabei könnte man den Kapselfund gerade deshalb auch als Mosaiksteinchen zur Aufarbeitung der Gegenwart verstehen.
Ständig erklären uns Künstler unsere österreichische Welt. Besonders intensiv natürlich seit der Regierungsbildung im Jahr 2000. Sie sagen uns mit dem Pathos von Demiurgen, wen wir wählen dürfen und wen nicht, wer regieren darf und wer nicht, wer böse ist und wer gut. Mit dem Aplomb des erleuchteten Sehers fordern sie „Wehret den Anfängen!“
Als wären sie berufen, unfehlbare Hüter der nationalen Moral zu sein.
Und Mainstream-Medien wie Staats-Funk bieten ihnen die schier unermessliche Plattform dafür.
Dass sich Künstler genauso oft irren, dass sie genauso oft mit den Mächtigen laufen (vielleicht sogar ein bisschen öfter, weil die Mächtigen ja auch den wohligen Subventionsregen über sie ausschütten können) wie jeder andere Bürger auch, das ist in der Gegenwart so, wie es in der Vergangenheit war. Wer das vergessen hat, den könnte die Kapsel daran erinnern.
Und dann könnte man uns vor den moraltriefenden Plattitüden politisierender Selbstdarsteller bewahren.

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SN-Kontroverse: Arabischer Frühling drucken

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Hat der arabische Frühling die Welt besser gemacht?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Schicksal selbst bestimmen

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Der arabische Frühling ist das faszinierendste politische Ereignis der jüngeren Geschichte. Die Tat eines einfachen Manns, der sich gegen Unterdrückung und Ausbeutung auflehnt hat, brachte Diktaturen zum Einsturz, Despoten wurden verjagt. Ausgelöst hat ihn der junge Gemüsehändler Mohamed Bouazizi am 17. Dezember 2010 in Tunesien. Er protestierte mit seiner Selbstverbrennung gegen Polizeiwillkür und Demütigungen durch die Regierung von Staatsoberhaupt Ben Ali. Binnen Tagen kam es zu Massenunruhen. Ben Ali flüchtete kurz danach und im Oktober 2011 fanden die ersten freien Wahlen zu verfassungsgebenden Versammlung statt. Heute wird Tunesien von einer Koalition aus der islamistischen Ennahda-Partei, dem linksnationalen Kongresses für die Republik (CPR) und der säkularen Ettakatol-Partei regiert. Das Land hat sich auf den schwierigen Weg zur Demokratie gemacht.
Ähnlich die Entwicklung in zahlreichen anderen Ländern des arabischen Frühlings. Egal ob es sich um Ägypten, Libyen oder den Jemen handelt. In anderen Ländern wiederum wurden die Regierenden zu Zugeständnissen gegenüber den Protestierenden sowie Machtbeschränkungen gezwungen. Dass die Transformation kein Spaziergang ist, liegt auf der Hand. So ist Ägypten noch lange nicht auf dem Weg zu geordneten Verhältnissen; die Konterrevolution aber ist misslungen. Der Kampf um die Machtverteilung geht weiter. Stets unter Beobachtung des Tahrir-Platzes. Ganz zu schweigen von der Lage in Syrien, dem weltpolitischen Pulverfass.
Egal wie lang und wie schwer der Weg ist, den die arabischen Länder noch vor sich haben - durch den Aufstand haben die Menschen ihr Schicksal selbst in die Hand genommen. Das ist allemal besser als Despotien und Diktaturen weiter stumm zu ertragen. Insofern hat der arabische Frühling sehr vielen Menschen Hoffnung gebracht und die Welt ein wenig besser gemacht.


 

Ernüchterung nach Revolutionsgeilheit

Andreas Unterberger

Einige Monate lang haben sich 2011 revolutionsgeile Medien und Ideologen ob der Umstürze in einigen arabischen Ländern begeistert. Heute haben sie längst wieder ihr Interesse verloren und ignorieren diese Länder. Denn sonst müssten sie zugeben, dass die Folgen der Revolutionen sehr bedrückend sind.
Nirgendwo haben die einst von Journalisten begeistert gefeierten studentischen Facebooker und Twitterer die Macht übernommen. In Ägypten tobt im Verfassungsvakuum ein Machtkampf zwischen Armee und Muslimbrüdern. Libyen ist in Dutzende Stammesgebiete zerfallen, die sich gegenseitig bekriegen. In allen Umsturzländern beklagen heute Frauen und Minderheiten (insbesondere die in Ägypten relevanten Christen), dass für sie der Triumph strenggläubiger Islamisten die Lage eindeutig verschlechtert hat. Die Investitionen gehen überall zurück, was die Jobchancen für die Jungen noch weiter verschlechtert. Auch die Touristen sind noch keineswegs zurückgekehrt. Und der brutale Umgang der Ägypter mit Präsident Mubarak - der trotz allem ein relativ milder Herrscher war - ist viel ärgeren Diktatoren wie Herrn Assad eine Lehre, Demokratiebestrebungen keinen Millimeter mehr nachzugeben.
Umstürze haben in der Weltgeschichte - ganz unabhängig von der Qualität der Absichten - fast immer eine Verschlechterung der Verhältnisse gebracht: Das lässt sich von 1789 über 1848 bis 1917 nachweisen. Das ändert nichts an meinem tiefen Respekt für die polnischen Streikenden von 1980, die deutschen Attentäter des Juli 1944, die ungarischen Freiheitskämpfer von 1956 und die tschechischen von 1968. Sie waren alle mutig und edel. Aber die Geschichte ist anders weitergegangen. Demokratie, Rechtsstand und Wohlstand entwickeln sich in der Regel nur in einem mühsamen evolutionären Weg und Lernprozess wirklich dauerhaft in eine gute Richtung. Schritt für Schritt und nicht Auge um Auge.

 

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Grün II: Wien ist nicht anders drucken

Als gelernter Wiener könnte man es als Fußnote abtun: Rot-Grün verhöhnt die Bürger und ihr Recht auf direkt-demokratische Mitsprache. Zuerst weiten sie das Parkpickerl aus, dann wollen sie eine – vorgeblich einschlägige – Volksbefragung zum Dampfablassen abhalten, die aber nichts an der bereits gesetzten Abzock-Maßnahme ändern wird. Hat jemand etwas anderes erwartet als einen solchen Zynismus der Macht? Und trotzdem: Das ist mehr als eine Fußnote. Es ist ein Sittenbild mit Dame.

Wenn eine mäßig erfolgreiche Partei endlich an die Macht will, kann sie das nur durch Willfährigkeit gegenüber einer großen Partei, die sie sich zu ihrer Machterhaltung halten will. Diese Willfährigkeit als Preis des Mitnaschens heißt: Alle wesentlichen Grundsätze über Bord werfen. Wie der grüne Vordenker Christoph Chorherr beim Hinweis auf das Fehlen der wichtigsten grünen Forderungen im Wiener Koalitionsabkommen so richtig sagte: „Als Opposition redet man halt viel Blödsinn.“ Grundsätze sind für die Grünen also dahergeredeter Blödsinn.
Das erklärt, warum die ach so basisdemokratischen Grünen in Wien die direkte Demokratie mit Füßen treten. Sonst immer lautstark gefordert, ist dieses Bekenntnis zur Willenskundgebung der Bürger eben auch nur so dahergeredeter Blödsinn. Dreizehn Prozent der Wiener Wahlberechtigten haben sich per Unterschrift für ihr Recht mitzuentscheiden eingesetzt, was kratzt das schon die Grünen? Zu den Bürgern hat man nur Vertrauen, wenn sie so denken, wie es einem in den grünen Kram passt.
Fazit: Mit dem Willen der Bürger haben die Grünen nichts am Hut.
In Wien zeigt sich aber auch, wie weit es mit den anderen Lippenbekenntnissen dieser Partei aussieht.
Kontrollpartei? Und da regt sich keine Vizebürgermeisterinnen-Zornesader, dass sich in dieser Stadt (die ohnehin auf dem Weg in die Pleite ist und trotzdem jahrzehntealte Pensionsreformen immer noch nicht umgesetzt hat) eine Rekord-Frühpensionierungswelle (Durchschnittsalter: 53 - !!! – Jahre) unter den Gemeindebediensteten abzeichnet?
Natürlich, Steuergeld mit beiden Händen zum Fenster hinauswerfen, das können sie auch selber. Jetzt, da das „Prestige“-Projekt einer Radfahrer-Schnellverbindung aus dem 16. Bezirk geplatzt ist – die Josefstädter Bezirksvorsteherin hat sich geweigert, den Radfahrern in der Pfeilgasse den dafür notwendigen Vorrang gegenüber allen anderen Verkehrsteilnehmern einzuräumen -, werden die Kosten dafür bekannt. Die Maßnahme in der Hasnerstraße hat der Stadt 350.000 und dem Bezirk 100.000 Euro abverlangt. Grünes Spielzeug darf eben teuer sein.
Auch das Prinzip der Selbstbedienung am Futtertrog der Macht haben sie rasch internalisiert. Da werden Wissenschafts-, Radfahrer-, Fußgänger-Beauftragte installiert. Da wird erstmals eine Politikerin einer regierenden Partei zur Patientenanwältin (mit 12.000-Euro-Gage) gekürt – ein Amt, das bisher nie mit Politikern besetzt wurde, um allen Bürgern eine Vertrauensperson zu geben.
Auch die Parteifinanzierung aus Steuergeldern stört die Grünen gar nicht mehr, wenn sie endlich so richtig partizipieren dürfen. Die Steuermillionen, mit denen uns die Stadt-SPÖ das Donauinsel-Fest und die Stadt-Schwarzen das Stadtfest „schenken“, haben sie nur umgeschichtet. Jetzt kriegt halt die ÖVP weniger, dafür die Grünen viel und die SPÖ immer noch, was sie sich nehmen will. Brot und Spiele nannten die alten Römer das.
Ja und da wäre dann noch die vollmundige Ankündigung, dass die Grünen nur einen (Regierungs-)Partner wollen, wenn sie so ihre Konzepte umsetzen können. Am Wiener Beispiel sieht man, wie es um grüne Konzepte steht – womit wir wieder beim Parkpickerl wären. Für ein städtisches Verkehrskonzept haben sich die Grünen ja sicher international umgeschaut. Da hätten sie vielleicht sehen können, dass ein vergleichbares Parkpickerl in Berlin € 20,40 für zwei Jahre kostet – und nicht wie bei uns in Wien € 240. Das ist der Unterschied zwischen Parkraumbewirtschaftung und Abzocke. Sie hätten vielleicht auch überlegt, dass ein Konzept, das den Namen verdient, alle Verkehrsteilnehmer einschließen muss. Auch die ihnen so suspekten Autofahrer. Da hätten bessere Ampelschaltungen etwas bringen können, auch Park+Ride-Anlagen, die nicht einen knappen Kilometer Gehweg von der nächsten U-Bahn-Station entfernt sind, wie bei uns üblich, oder kreative Lösungen wie das Durchbrechen der Gleichzeitigkeit von Arbeits- und Schulbeginn, die Frühstaus verursacht, und vieles mehr. Das „Konzept“ der grünen Planlosigkeits-Stadträtin bestand aber nur aus Abzocken und Radfahrer-Paradies.
Dass die Grünen eine Radfahrer-Partei sind, hat Michael Häupl gewusst. Alter Polit-Fuchs, der er ist, hat er wohl auch verstanden, was das bedeutet: Buckeln nach oben zum mächtigen Regierungs“partner“ und Treten nach unten Richtung Bürger. Wie jetzt bei der Parkpickerl-Volksbefragung.

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Grüne Abenddämmerung drucken

Was für eine Partei sind eigentlich die Grünen des Jahres 2012? Sie versuchen ja derzeit alles, um endlich einmal in eine Regierung zu kommen. Ein solches Bestreben ist in einer Demokratie nicht nur durchaus legitim, sondern auch normal. Aber was bedeutet eine grüne Regierungsbeteiligung eigentlich für dieses Land? Und was für eine Partei sind diese Grünen?

Auf Grund ihrer inhaltlichen Nähe zu vielen Journalisten sind die Grünen medial sehr präsent und werden dennoch kaum jemals kritisch durchleuchtet. Sie werden dort höchstens mit der immer gleichen Frage konfrontiert: Warum seid ihr Grünen denn nicht erfolgreicher, damit ihr endlich (unsere gemeinsamen) linken Inhalte durchsetzen könnt?

Auf der Seite der Pluspunkte steht gewiss, dass sie als Partei mit sehr geringer Regierungserfahrung in Sachen Korruption am relativ saubersten dastehen. Das wird aber seit zwei Jahren dadurch massiv konterkariert, dass sie in einem der Brennpunkte der Korruption, dem Wiener Rathaus, als billige Mehrheitsbeschaffer für die dortigen Netzwerke fungieren, ohne da irgendwie als Saubermacher aufzutreten. Obwohl von der Inseratenbestechung über die Postenvergaben in Rathaus, Gemeindebetrieben und Spitälern bis zu den extrem bestechungsanfälligen Baubehörden ein weites Tätigkeitsfeld vorzufinden wäre.

Soziologisch sind die Grünen im letzten Jahrzehnt rasch gealtert. Sie haben weitgehend den frischen Mythos als Jugendpartei verloren. Sie sind zur Gruppierung der altgewordenen, dogmatischen und verbitterten Oberlehrer der Intoleranz geworden, die lediglich für Zuwanderer, Schwule und Feministinnen ein offenes Herz haben. Die im Zeichen einer Diktatur der Political correctness jede Meinungsfreiheit bekämpfen.

Das aber nimmt ihnen automatisch jede Wachstumsperspektive. Für die Jungen sind die Piraten als jugendlich-anarchistische Spassgruppierung viel attraktiver. Die Grünen haben mit der Piraten-Klientel als Interessenpartei der etablierten Künstler eigentlich Interessengegensätze in Sachen Urheberrecht und Online-Diebstahl. Da sie aber andererseits nicht als Law-and-Order-Partei erscheinen wollen, fehlt ihnen überhaupt eine erkennbare Linie.

Selbst bei den von ihnen so geförderten Moslem-Zuwanderern können die Grünen nicht wirklich punkten, sind doch für diese sowohl Feminismus wie auch Schwulenfreundlichkeit absolut rote Tücher. Da hilft selbst der Zufall nichts, dass Grün auch die Farbe des Islams ist. Bei den inländischen Jugendlichen wiederum stellt die Zuwanderungsfreundlichkeit der Grünen eine weitgehende Unberührbarkeit her. Und bei den Schülern verscherzen sie sich wiederum mit ihrem Gesamtschul-Fanatismus fast jede Sympathie.

Gewiss können die Grünen als Interessenvertreter der Radfahrer bei all jenen punkten, bei denen das Radfahren die zentrale politische Kategorie ist. Diese Positionierung schafft aber wiederum bei einer wachsenden Anzahl von Fußgängern und Autofahrern große Aversionen, haben doch die Grünen den Radfahrern de facto das Privileg eines gesetzfreien Raumes erkämpft. Kein Polizist, keine Stadtverwaltung wagt etwas Wirksames gegen nächtens lichtlose oder Ampeln ignorierende Radfahrer zu unternehmen oder gegen die vielen rücksichtlos „Jetzt komm ich“-Radler am Wiener Ring oder auf anderen von Fußgängern genutzten Flächen. Sie alle fürchten die Grünen und ihre Journalisten als die Paten dieser Rad-Rowdys.

Aber der Umweltschutz! So werden nun manche einwerfen. Gewiss ist das bei den Grünen ein ganz wichtiges Thema. Aber auch das nutzt nichts mehr.

Erstens hat das Thema bei allen Umfragen sehr stark an Wertigkeit verloren; zweitens ist der Umweltschutz mehr oder weniger auch von allen anderen Parteien besetzt worden; das führt drittens zu einer hohen und in Zukunft noch stark wachsenden Stromkostenbelastung für jeden Haushalt und Arbeitsplatz, was in Zukunft zweifellos die Anti-Grün-Aversionen steigern wird.

Ebenso tut das die Verschandelung der Landschaft durch die hässlichen und ineffizienten Windräder. Die Grünen, die sich einst fast als Aufsummierung aller Bürgerinitiativen dieses Landes verstanden haben, sind nun zunehmend hilflos. Denn immer mehr Initiativen wenden sich genau gegen grüne Projekte wie diese Windräder oder die Ausdehnung der Wiener Parkpickerl-Pflicht (was unabhängig davon gilt, dass ich selbst Letztere für gut halte).

In Zeiten wie diesen ist aber ein ganz anderes Thema noch viel wichtiger als Gesellschafts- oder Umweltpolitik: Das ist die Sorge um die Stabilität von Wirtschaft und Finanzen. Und das ist der allergrößte Schwachpunkt der Grünen.

Ihr Abstimmungsverhalten in den letzten Jahren hat eine zwar klare, aber katastrophale Linie gezeigt: Sie kämpfen als unliberale Staatsfetischisten für fast alles, was das Defizit vergrößert oder die Steuern erhöht (wobei bekanntlich auch Steuererhöhungen auf Grund des Laffer-Effekts nur noch scheinbar eine Defizitreduktion bewirken, sondern oft zu einer Einnahmenreduktion führen). Nur in einem einzigen Punkt haben sie sich als Vertreter der Sparsamkeit und Vernunft etabliert: Sie sind gegen den Bau dreier gigantischer Bahntunnel. Dafür wollen sie beispielsweise Gratisunis für alle ohne jede Zugangsbeschränkung und glauben ernsthaft, dass dort Qualität produziert werden kann..

Die Grünwähler sind zwar die reichsten aller Parteien, sie malen aber dennoch zusammen mit der Arbeiterkammer und naiven Kirchenfunktionären ständig das linksradikale Grotesk-Bild von der immer größer werdenden Armut an die Wand. Was national wie global einfach nicht stimmt. Aber mit dieser Projektion begründen die Grünen ihre Forderung nach ständig noch mehr Sozialausgaben, bedingungslosem Grundeinkommen und dergleichen.

Am absurdesten aber ist das Verhalten der Grünen in der Währungskrise. Sie haben zwar für den neuen 700-Milliarden-(oder-mehr)-Fonds des ESM gestimmt, nicht aber für den Stabilitätspakt. Dabei sind beide Pakte von der europäischen wie ökonomischen Logik her engst verbunden. Mit diesem Ja-Nein sind die Grünen nur noch skurril.

Denn man kann mit guten Gründen gegen beide Pakte sein, wie es Blau und Orange tun. Man kann, wie die Regierungsparteien, auch mit einem ernsthaften Grund für die beiden Pakte sein (der etwa so lautet: „Es bleibt uns ja nichts anderes über, solange die Deutschen dafür sind.“) Man kann notfalls auch nur für den Stabilitätspakt sein, der die Defizite der einzelnen Staaten stark reduzieren soll, und den ESM ablehnen, der Österreich und Deutschland zu extrem hohen Haftungen für noch stärker verschuldete andere Länder zwingt. Denn Zwang zum Sparen (also der ohnedies viel zu sanfte Stabilitätspakt) ist jedenfalls gut; die EFSF- und EZB- und ESM-Haftungen würden hingegen  für die Nordländer den Staatsbankrott bedeuten, sollten sie schlagend werden.

Aber die grüne Linie ist verantwortungsloser Schwachsinn: Sie sind gegen eine Schuldenbremse, jedoch für die österreichische Mega-Haftung zugunsten der Schuldnerländer! Damit haben die Grünen jenseits aller vorgeschobenen juristischen Formalargumente gezeigt, dass der alte linksextremistische Kern in ihnen nach wie vor bestimmend ist: Man ist für alles, was diese Gesellschaft, dieses Land ruiniert und gegen alles, was sie noch stabilisieren könnte.

 

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Die Linksfaschisten putschen – und die EU schläft drucken

Man stelle sich vor: Die Regierung Schüssel hätte im Jahr 2000 den ihr kritisch gesinnten Bundespräsidenten abzusetzen versucht; sie hätte die Präsidenten beider Parlamentskammern (etwa Heinz Fischer von der nominell stärksten Partei) abgesetzt; sie hätte die Volksanwälte mitten in der Amtsperiode ausgetauscht; sie hätte sich gegen den Protest von Tausenden Künstlern den gesamten Kulturapparat über Nacht untergeordnet; sie hätte zwei unbotmäßige Verfassungsrichter mit Entlassung bedroht; sie hätte die Befugnisse des Oberstgerichts beschnitten; und sie hätte die Absetzung des Präsidenten erleichtert. Außerdem hätte sich herausgestellt, dass Wolfgang Schüssel bei seiner Dissertation massive Plagiate begangen und in seinem Lebenslauf Hochstapelei betrieben habe, indem er einen schlichten Sommerkurs als Master-Studium ausgegeben hätte.

Kein Zweifel: Die hysterischen Reaktionen der anderen EU-Staaten und der europäischen Sozialisten auf Österreich wären mehr als gerechtfertigt gewesen.

All das passiert nun seit Wochen tatsächlich in einem EU-Land, nur nicht in Österreich und auch nicht in Ungarn, sondern in Rumänien. Dort findet de facto der im ersten Absatz beschriebene Putsch statt. Der einzige Unterschied: Es ist ein sozialistischer Ministerpräsident, der all der aufgezählten Dinge schuldig ist.

Jedoch: Die bisherige Reaktion der Miteuropäer ist fast Null. Besonders bezeichnend ist der sozialistische Fraktionschef  im EU-Parlament, der beschämenderweise aus Österreich kommende Hannes Swoboda: Er kritisiert nicht etwa den Täter, den rumänischen Premier Victor Ponta, sondern dessen ausländische Kritiker. Diese würden sich in einen „internen Machtkampf“ einmischen.

Dabei sind die putschartigen Vorgänge in Rumänien zehnmal ärger und konkreter als alles zusammen, was einst der österreichischen Regierung oder im Vorjahr der ungarischen Zweidrittelmehrheit vorgeworfen werden konnte. In Österreich ist nämlich überhaupt nichts Verfassungs- oder Rechtswidriges passiert. Und in Ungarn sind alle – teilweise durchaus diskutablen – Gesetzesänderungen, die kritisiert werden, mit Regelungen identisch, wie es sie in anderen, „alten“ EU-Ländern völlig unangefochten gibt (wie etwa die Einschränkungen des Redaktionsgeheimnisses).

Das, was in den letzten Wochen in Rumänien passiert, ist nur noch mit den im Stalinismus üblichen Säuberungen nach Machtkämpfen in der Kremlspitze vergleichbar. Damals erschienen wenigstens auch in westeuropäischen Linkszeitungen kritische Artikel.

Noch widerlicher als das Verhalten der europäischen Sozialisten sind nämlich die angeblich unabhängigen westeuropäischen Medien und „Intellektuellen“. Was haben sie nicht nur im Falle Österreich und Ungarn alles aufgeführt, sondern auch, als der deutsche Minister Guttenberg des Plagiats schuldig war! Wie haben sie sich darüber erregt,  als die Amtsperiode der ungarischen Medienbehörde mit neun Jahren festgelegt worden ist. Und wie schweigen sie jetzt alle peinlich leise zu Rumänien.

Interessant ist aber auch, wie ein Typ wie Ponta überhaupt an die Macht kommen konnte. Denn eigentlich hatte ja die Partei des nun auf der Abschussliste des Premiers  stehenden Präsidenten Basescu die Wahlen gewonnen. Diese wurde jedoch von ein paar parlamentarischen Heckenschützen gestürzt, weil sie die Sparvorgaben von EU und Internationalem Währungsfonds umgesetzt hat.

Es war natürlich nicht sehr populär, als die Mehrwertsteuer um fünf Prozentpunkte erhöht werden musste und die Beamtenlöhne um 25 Prozent gekürzt wurden. In solchen Situationen gibt es in Osteuropa immer einige „unabhängige“ Abgeordnete, die ihr Fähnchen nach dem Wind richten und die Fronten wechseln (ob nicht gerade in solchen Situationen der oft gegeißelte Klubzwang seine Sinnhaftigkeit zeigt? Aber das ist schon wieder ein anderes Thema).

Viel erstaunlicher ist, dass man bisher auch vom IWF kein klares Wort gehört hat. Er hätte eigentlich sofort sagen müssen, dass Rumänien halt auf Hilfe verzichten müsse, wenn es die Sparprogramme ablehnt (zum Euro gehört das Balkan-Land ja zum Glück nicht, was wenigstens einmal ein Trost für ein geplagtes Euro-Land ist).

Auch Europarat und OSZE, die sich im Falle Ungarn wegen lächerlichster Details aufgepudelt hatten, sind total schweigsam. Dabei ist allein schon die Tatsache ein unfassbarer Skandal, dass Ponta und seine Spießgesellen nun den Verfassungsrichtern mit Korruptionsverfahren drohen, weil sie die Vorwürfe der sozialliberalen Regierung gegen den Präsidenten als nicht stichhaltig zurückgewiesen haben.

Diese Vorwürfe sind in der Tat absolut lächerlich: So wird Basescu die Aussage vorgeworfen, dass eigentlich er und nicht Ponta das Recht hätte, so wie Frankreichs Präsident zu einem EU-Gipfel zu fahren. Dasselbe hatte einst auch ein Thomas Klestil versucht. Womit auch der damals gescheitert ist – was aber in Österreich kein Mensch mit einer Amtsenthebung zu beantworten versuchte.

Das rumänische Verfassungsgericht hat zweifellos mit seiner Aussage recht: „Eine aktive Rolle im politischen und sozialen Leben des Landes kann nicht als verfassungswidriges Verhalten gewertet werden.“ Es will ja auch niemand Heinz Fischer abwählen, weil er ständig der Schuldenmacherei das Wort redet.

Neben den Sozialisten regiert in Bukarest nun übrigens auch eine linksliberale Partei mit. Was dafür sorgt, dass das Putschregime in Bukarest im EU-Parlament eine parlamentarische Mehrheit hinter sich hat. Die EU-Liberalen haben nämlich mit Liberalität sehr wenig am Hut, sondern entpuppen sich wie einst Heide Schmidt als eine getarnte Vorhut der Linken.

Das ist nicht nur für Rumänien beängstigend. Denn man bekommt zunehmend den Eindruck, dass das alles ein großes Design hat. Siehe etwa ganz ähnliche Vorgänge in Russland. Schlittert Europa als Folge der Schuldenkrise in einen neuen Faschismus, der die Phase der Demokratie beendet? Nur wäre das halt diesmal ein Linksfaschismus.

Ein weiteres Indiz: Auch in der Slowakei und in Kroatien haben die neuen linken Mehrheiten die Rundfunkchefs vorzeitig abgesetzt und die Gesetze zu ihren Gunsten geändert. Aber das ist erlaubt, handelt es sich doch um Linksregierungen.

PS.: Nur zum Kontrast: 2002, zwei Jahre nach Beginn von Schwarz-Blau, war ein Sozialist Chef jener österreichischen Behörde, welche (nach Jahrzehnten, in denen die Sozialisten jede ORF-Konkurrenz blockiert haben) über die Vergabe der ersten österreichischen Rundfunklizenzen entschieden hat. Irgendwie war das noch ein anderes Verständnis von Demokratie. Hat das eigentlich auch nur einer der Hetzer gegen jene Regierung anerkannt?

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Der vierte Juli: Nicht nur in den USA ein denkwürdiges Datum drucken

Im Artikel eins des Österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes heißt es: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“ „Volk“ – und das ist wichtig! -–meint das hierzulande ansässige – nicht etwa das griechische, spanische, portugiesische oder die Chimäre eines europäischen Einheitsvolkes.

Dieses winzige Detail dürfte von einer beachtlichen Mehrheit der Damen und Herren Parlamentarier übersehen worden sein, als sie – kurze Zeit nach ihren bundesdeutschen Kollegen – dem auf den Namen ESM hörenden Vertragsmonstrum ihre Zustimmung erteilten und damit die Finanzhoheit des vom Volk gewählten Parlaments unwiderruflich aufgaben. Die Auswirkungen des historisch einmaligen ESM-Knebelvertrages (der nicht nur dem bürgerlich-rechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben klar widerspricht), sind in ihrer ganzen Tragweite heute noch nicht abzusehen.

Wie weit und in welcher Form sich die dadurch bedingten Verluste an Freiheit und Rechtssicherheit auswirken werden, ist schwer einzuschätzen. Die Bürger Österreichs werden an vielen Fronten verlieren, soviel steht fest. Wer die Profiteure dieses Coups sind, ebenso: Es sind die üblichen Verdächtigen – das sattsam bekannte, hochgiftige Amalgam aus politischen Eliten und Bankenwelt.

Regierungen und die sie finanzierenden Banken leben schon seit der Zeit Karls V. in einer verhängnisvollen Symbiose miteinander – stets zu Lasten von Bürgern, Steuerzahlern und Sparern, stets auf Kosten von Frieden und Wohlstand. Dass ausgerechtet die rabiatlinken, „basisdemokratischen“ Grünen parlamentarische Kontrollrechte abgeben, um der internationalen (Finanz-)Kriminalität mehr Spielraum einzuräumen, ist so verrückt, dass es unmöglich erscheint, dafür Worte zu finden. Bei den beiden anderen sozialistischen Parteien der dubiosen GASPÖV-Dreierkoalition verwundert indessen schon lange nichts mehr…

Über die haarsträubenden Details des ESM-Regelwerks wurde bereits vielfach andernorts berichtet. Für Feinschmecker: Der Rechtsanwalt Carlos Gebauer in einem Vortrag zu diesem Thema: http://www.youtube.com/watch?v=ypGfFerA6Ls

Ich möchte es dabei bewenden lassen. Dafür habe ich in meinem Archiv gekramt und serienweise Zitate großer Persönlichkeiten ausgegraben, die präzise auf die gegenwärtige Lage gemünzt zu sein scheinen, obwohl sie z. T. über hundertfünfzig Jahre alt sind.

Bislang ignorierte weise Worte

Paul Watzlawick (1921 - 2007) erkannte: „Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel.“ Barroso, Van Rompouy, Lagarde & Genossen sehen die Notenpresse als ihr einziges Werkzeug! Daher heißt das von ihnen als Problem erkannte Phänomen „Unterkonsumption“. Für nachhaltige Maßnahmen, für eine Rückbesinnung auf jene Werte, denen die europäischen Gesellschaften einst ihren Aufstieg verdankten, für Fleiß, Sparsamkeit und produktiven Erfindergeist, haben diese Kreaturen dagegen keinen Funken von Verständnis.

Bertrand Russell (1872 - 1970) stellte fest: „Das ist ja der Jammer, die Dummen sind sich so sicher, und die Gescheiten so voller Zweifel.“ Dummheit ist – mit Blick auf die Nomenklatura – ein nicht ganz zutreffender Begriff. Hybris – die „Anmaßung von Wissen“ würde passen. Wäre die Historikerin und Autorin Barbara Tuchmann noch am Leben und würde sie „Die Torheit der Regierenden“ heute schreiben – den Eliten der EU würde sie wohl das letzte Kapitel gewidmet haben.

John Quincy Adams (1767 – 1848), der 6. Präsident der USA, meinte: „Es gibt zwei Wege, ein Land zu erobern und zu unterwerfen: Durch das Schwert oder durch Schulden." Die Eliten (innerhalb und außerhalb Deutschlands) haben den zweiten Weg gewählt. Der bald hundertjährige Krieg gegen die Deutschen ist damit auf einer völlig neuen Ebene angelangt. Deutschland – isoliert und auch von all denen verlassen, die im eigenen Interesse an seiner Seite streiten sollten – wird, bedingt durch die gewaltigen Lasten, die es im Sinne einer seltsamen Form europäischer „Solidarität“ auf sich genommen hat (die anderen verprassen das Geld und Deutschland bezahlt die Rechnungen), auf Generationen hinaus in der Schuldknechtschaft leben.

Thomas Sowell (geb. 1930): „Die erste Lektion der Ökonomie ist die Knappheit: Es gibt niemals genug von irgendetwas, um alle befriedigen zu können, die es haben wollen. Die erste Lektion der Politik ist die Nichtbeachtung der ersten Lektion der Ökonomie.“
Dennoch gilt nach Eugen Böhm Ritter von Bawerk (1851 – 1914): „Politische Macht vermag das ökonomische Gesetz niemals außer Kraft zu setzen."
Schulden schafft man nicht durch noch mehr Schulden aus der Welt. Schulden sind zu tilgen! Dafür, dass Deutschland (im Gegensatz zu allen anderen Nationen) seine (Finanz-) Verpflichtungen auf Punkt und Beistrich erfüllt, wird, wie bereits einmal, nämlich anno 1923, im Ernstfall die Armee Frankreichs sorgen – nur dass diese mittlerweile auch über Atomwaffen verfügt…

Bertrand de Jouvenel (1903 – 1987): „Umverteilung ist tatsächlich viel weniger die Umverteilung von freiem Einkommen von den Reicheren zu den Ärmeren, sondern vielmehr eine Umverteilung von Macht vom Individuum zum Staat." Hier nähern wir uns des Pudels Kern. Die auf den nationalen Wohlfahrtsstaat und dessen Regeln bezogene Feststellung trifft nämlich auch auf das Euro-Imperium zu. Es geht nicht um eine „Rettung“ von Staaten, die durch gnadenlose Finanzhaie bedroht werden! Es geht um eine noch stärkere Machtakkumulation im Zentrum der Union – um die Aufwertung der Institutionen des Imperiums – zu Lasten der Provinzen.

Wie bereits angemerkt: Es ist nicht ganz korrekt, das Wort Dummheit zu gebrauchen, welche die Regierenden umtreibt, doch gilt, wie der Literaturnobelpreisträger Sinclair Lewis (1885 – 1951) meinte „Es ist schwierig jemand dazu zu bringen, etwas zu verstehen wenn sein Gehalt davon abhängig ist, es eben nicht zu verstehen.“ Man darf die Eigeninteressen der handelnden Akteure eben niemals außer Acht lassen.

Friedrich August Hayek (1899 – 1992) verdanken wir folgende wichtige Erkenntnis: „Man kann ökonomische Freiheit ohne politische Freiheit haben, aber man kann nicht politische Freiheit ohne ökonomische Freiheit haben.“ Die volle Verfügungsgewalt über privates Eigentum ist daher eine Grundvoraussetzung für politische Freiheit. Diese Verfügungsgewalt steht aber gegenwärtig (bis auf ein paar allenfalls bei Neumond im Wald vergrabene Golddukaten) nahezu vollständig zur Disposition der Brüsseler Oligarchie. Das Wort von der „Versklavung“ durch den ESM hat daher einiges für sich.

Lord Dalbert Acton (1834 – 1902) Verdanken wir nicht nur die Erkenntnis, wonach absolute Macht absolut korrumpiert, sondern auch folgende Einsicht: „Freiheit ist die Verhinderung der Kontrolle durch andere.“ Die EU nach Einführung des ESM dürfte der Orwell´schen Schreckensvorstellung einer totalen Kontrolle gleichkommen…

Das Establishment wird nicht müde, fortwährend herauszustreichen, zu welch lichten Höhen ihr unermesslicher Ratschluss die Völker Europas führen wird. Dagegen stellte Friedrich Hölderlin (1770 – 1843) hellsichtig fest: „Immer noch haben die die Welt zur Hölle gemacht, die vorgeben, sie zum Paradies zu machen.“

Und um mit Ludwig von Mises (1881 – 1973) fortzusetzen: „Dieser ganzen fanatischen Verteidigung von Planwirtschaft und Sozialismus liegt oft nichts anderes zugrunde als das insgeheime Bewusstsein der eigenen Minderwertigkeit und Ineffizienz. Menschen, die sich ihrer Unfähigkeit im Wettbewerb bewusst sind, verachten ,dieses kranke Konkurrenzsystem´. Wer seinen Mitmenschen nicht zu dienen in der Lage ist, will sie beherrschen." Wie viele der Führungskader des EU-Zirkus haben ihr Geld jemals auf ehrliche Weise verdient? Jedenfalls keine der mir bekannten!

Die Politischen Eliten, die veröffentlichte Meinung und der Bankenapparat sind überzeugt zu wissen, welche Hebel es zu ziehen und an welchen Schrauben es zur „Feinzusteuerung“ unserer Gesellschaften zu drehen gilt. Doch Sören Kierkegaard (1813 – 1855) sagt: „Je mehr Leute es sind, die eine Sache glauben, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Ansicht falsch ist. Menschen, die Recht haben, stehen meistens allein.“ Innerhalb der arroganten Machtelite gibt es davon wohl keinen einzigen.

Alexis de Tocqueville (1805 – 1859) erkennt in seiner lesenswerten Abhandlung „Über die Demokratie in Amerika“: „Wir finden im menschlichen Herzen auch einen verderbten Gleichheitstrieb, der bewirkt, dass die Schwachen die Starken zu sich herunterziehen wollen und dass die Menschen die Gleichheit in der Knechtschaft der Ungleichheit in der Freiheit vorziehen" Was ist die EU anderes, als ein monströses Nivellierungsprojekt? In allen Teilen der Welt gibt es Tendenzen zur Verkleinerung politischer Entitäten. Im frankophonen Teil Kanadas leben immer wieder Abspaltungstendenzen auf. In Afrika toben fortgesetzt Unabhängigkeitskriege.

Selbst innerhalb Europas haben Staatenteilungen Tradition (man denke an das ehemalige Jugoslawien oder an die Tschechoslowakei). Schottland möchte los vom Vereinigten Königreich und in Spanien lebten Basken und Katalonen lieber heute als morgen in ihrem eigenen Staat. Einzig der Moloch EU setzt auf eine gegenteilige Entwicklung – will die Völker zwischen Atlantik und Baltikum mit aller Gewalt unter ein und dasselbe Joch zwingen. Aus welchem guten Grund aber sollten sich – um es zuzuspitzen – die „Nordländer“, in denen Ordnung, Fleiß und Produktivität herrschen, von den korrupten und unproduktiven Club-Med-Ländern „herunterziehen“ lassen?

Um zum Schuldendebakel zurückzukehren, das als Vorwand für die gegenwärtigen Zentralisierungstendenzen herhalten muss: Thomas Jefferson (1743-1826) stellte fest: „Ich glaube, dass Bankinstitutionen eine größere Gefahr für unsere Freiheit darstellen als stehende Armeen.“ Und das zu einer Zeit, als es in den USA noch keine Zentralbank gab und die Staatsfinanzierung mittels der Notenpresse noch nicht üblich war. Der dritte Präsident der USA – ein Visionär.

Josef Schumpeter (1883 – 1950): „Eher bringt man einen Pudel dazu, sich eine Wurstsammlung anzulegen, als ein Parlament dazu, bei vollen Staatskassen nicht neue Ausgaben zu beschließen.“ Von „vollen Staatskassen“ kann indes bereits seit Jahrzehnten keine Rede mehr sein. Wir sind vielmehr dabei – trotz Rekordschulden – unentwegt neue Staatsausgaben zu fordern und/oder zu akzeptieren.

Doch das dicke Ende kommt gewiss. Nochmals Mises: „Es gibt keinen Weg, den finalen Kollaps eines Booms durch Kreditexpansion zu vermeiden. Die Frage ist nur, ob die Krise früher durch freiwillige Aufgabe der Kreditexpansion, oder später zusammen mit einer finalen und totalen Katastrophe des Währungssystems kommen soll.“ Die hohe Politik hat sich für letzteres entschieden. Leider ist es so gut wie unmöglich, abzuschätzen, wann und wodurch der unvermeidliche Kollaps am Ende ausgelöst werden wird. Krieg? Bürgerkrieg? Eine Naturkatastrophe? Man sollte zwar das Beste hoffen, aber dennoch jederzeit auf das Schlimmste vorbereitet sein…

Ohne staatlich sanktionierte Veruntreuung von Depositen durch die Geschäftsbanken und die Schaffung von Kredit aus dem Nichts – keine Schuldenkrise. J.P. Morgan (1837 – 1913) hatte unzweifelhaft recht, wenn er meinte: „Gold und Silber sind Geld. Alles andere ist Kredit.“ Über die Alternative wusste schon Voltaire (1694 – 1778) Bescheid: „Papiergeld kehrt früher oder später zu seinem inneren Wert zurück – Null.“

Wir leben wahrhaft in interessanten Zeiten…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Der nächste Skandal: Bei der Schmied-Matura kann gar niemand durchfallen drucken

Als ob die Unterrichtsministerin noch nicht für genug Skandale verantwortlich wäre. Wie etwa: strafrechtliche Erhebungen wegen der Kommunalkredit-Pleite, manipulierte Auswertung der Bildungsstandard-Tests der 14-Jährigen, viel zu späte Vorlage der Unterlagen für die Zentralmatura, verfassungswidrige (eventuell auch amtsmissbräuchliche) Diskriminierung der AHS-Schüler gegenüber den Gesamtschülern in Hinblick auf die Klassengröße. Und nun der nächste, vielleicht folgenträchtigste Skandal rund um die Anforderungen für die neue  Zentralmatura in Deutsch.

Diese sind soeben veröffentlicht worden, eher verschämt und ganz ohne die sonst üblichen Propagandaauftritte Schmieds. Sie zeigen freilich ein so lächerlich geringes Anspruchsniveau, dass man zu dem Schluss kommen muss: Frau Schmied und ihre Genossen wollen voll Hass das ganze Schulsystem zertrümmern – oder zumindest lächerlich machen.

Einen deutschen Brief sollte jedenfalls kein Arbeitgeber künftig einen solchen Schmied-Maturanten schreiben lassen. Diese Warnung bezieht sich auch auf Akademiker , denn auf der Uni lernt man das Schreiben eines geraden Textes dann schon gar nicht mehr. Oder er sollte zumindest wissen, Absolventen welcher Schule von jeder Reife meilenweit entfernt sind, mag diese nun am Wiener Henriettenplatz oder in der Rahlgasse liegen.

Die Nivellierungsfanatiker rund um Schmied haben das Leistungsniveau für die Deutschmatura so niedrig gelegt, dass es nur eine mögliche Erklärung gibt: Sie wollen künftig auch jenen Menschen eine Matura-Garantie geben, die der deutschen Sprache nur auf schlichtestem Gastarbeiter-Niveau kundig sind.

Matura auch mit 40 schweren Fehlern

Hier sei einfach im Wortlaut zitiert (und in Klammer kommentiert), was künftig für ein Deutsch-Maturazeugnis ausreicht:

  • „Schreibhandlungen im Sinn der Textsorte überwiegend erkennbar“ (es genügt also: Auf dem Papier stehen ein paar deutsche Worte);
  • „Alle Arbeitsaufträge angesprochen und mindestens zwei bearbeitet“ („angesprochen“ ist meilenweit entfernt von erfüllt oder umgesetzt);
  • Einige wichtige Einzelaussagen/-aspekte des Inputtexts erfasst“ (also nicht etwa: Der Schüler hat zumindest verstanden, worum es bei seiner Deutsch-Matura gehen sollte, sondern er hat nur einige Detailsätze begriffen. Mit anderen Worten: die künftigen Maturanten müssen auch nicht einmal mehr sinnerfassend lesen können);
  • In elementaren Punkten überwiegend sachlich richtig“ (also: Einige der Sätze, die in der Maturaarbeit stehen, sind nicht an sich völlig falsch. Sätze wie „Götte hat Bücha geschribn“ sind also bei einem Literatur-Thema absolut richtig).
  • „Gedankliche Grobstruktur des Textes erkennbar“ (der Götte-Satz erfüllt auch diese Anforderung);
  • „Bezugnahme auf den Inputtext in einigen Punkten erkennbar“ (Der Plural in diesem Satz ist geradezu eine Herausforderung: Denn dadurch müssen neben dem Götte-Satz noch einige weitere Sätze mit Zusammenhang zum vorgegebenen Text „erkennbar“ sein);
  • Überwiegend kohärenter Aufbau innerhalb der Absätze“ (noch eine gewaltige Hürde: Der Schüler muss „überwiegend“, also mehrheitlich mit dem Davorstehenden irgendwie zusammenhängende Sätze formulieren);
  • Überwiegend schreibhandlungs- und situationsadäquate Sprachverwendung“ (überwiegend – was kaum mehr als die Hälfte bedeutet – müssen die Worte „situationsadäquat“ sein: also bei einem Literaturthema dürfen nur zur kleineren Hälfte Zurufe vom Fußballplatz stehen);
  • „In den Schlüsselbegriffen treffend, im Wesentlichen angemessene und semantisch korrekte Ausdrucksweise, sehr geringe Varianz in der Wortwahl (Also: ein sehr kleiner deutscher Wortschatz genügt völlig, der auch nur „im Wesentlichen“ richtig verwendet wird);
  • Nur in Ansätzen erkennbare Varianz in der Satzstruktur“ (es genügt also, wenn zehn Prozent der Sätze differenzierter sind als ein bloßes Subjekt-Prädikat-Objekt-Gefüge);
  • „An den Inputtext angelehnte Formulierungen, vieles wortwörtlich übernommen“ (Also auch das ist möglich! Da die Schüler den Inputtext ja ohnedies nur bruchstückhaft verstehen müssen, wird es für sie am einfachsten, den Inputtext einfach abzuschreiben und halt das eine oder andere Wort auszulassen);
  • Deutlich erkennbare Anwendung der Regeln der deutschen Schreibung“ (also: Der Text muss keineswegs richtig geschrieben sein, sondern nur „deutlich erkennbar“ regelkonform sein! Eine der linken Politruks aus dem bifie soll einem anfragenden Lehrer zu diesem Punkt sogar gesagt haben, auch eine Deutschmatura mit 40 – bisher: – schweren  Fehlern könne noch durchaus positiv sein!);
  • „Deutlich erkennbare Anwendung der Regeln der Zeichensetzung“ (Die richtige Zeichensetzung ist, so muss man in diesem Punkt Schmied zugute halten, auch schon vor ihr weitgehend außer Mode gekommen);
  • „Grammatikalisch überwiegend korrekt“ (also: Nicht jedes Wort steht im falschen Fall oder in der falschen Zahl oder Zeit).

Die selektionsfreie Matura

Ein wirklich erschütterndes Papier. Nur zur Erinnerung: Es geht hier nicht um einen Sprachtest für die Einschulung eines Migranten. Es geht nicht um die böse Selektion mit zehn Jahren. Auch nicht um jene mit vierzehn Jahren. Sondern es geht um die nach zwölf Schuljahren abzulegende Matura, um die zum Zugang auf die Universität befähigende Reifeprüfung!

Seit die Linke ihr  (nach „menschenverachtend“) zweites Lieblingswort, nämlich „Selektion“ entdeckt hat, wird dieser Selektion ganz offensichtlich auf allen Altersstufen der Kampf angesagt (die Wortwahl rückt jeden Andersdenkenden auch gleich taktisch geschickt wie untergriffig in die Nähe eines Holocausttäters). Der wahre Sozialismus ist offenbar erst dann erreicht, wenn jeder völlig leistungs-, also: selektionsfrei seine Matura und seinen Master bekommt.

Die einzige Leistung, auf die man hier trifft, ist dieses zitierte Papier des bifie (Erläuterung: Bei Erfüllung der Anforderungen der ersten Spalte bekommt man eine positive Note). Man hätte es kaum für möglich gehalten, dass man den Satz „garantierte Deutsch-Matura für jeden mit Null Anstrengung“ in so viele geschwollene Worte kleiden kann. Die Schmied-Leute verbreiten sogar, dass sie im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf die Anforderungen sogar verschärft hätten. Das scheint denkunmöglich.

Endlich sollten auch die Naivmenschen aus der Industriellenvereinigung sehen, welche Katastrophe die von ihnen unterstützte linke Schulpolitik auslöst. Wenn all diese Maturanten eines Tages bei der Wirtschaft jobsuchend an die Tür klopfen, ist es freilich zu spät, um noch irgendetwas zu retten. Und die ÖVP sollte endlich erkennen, dass jeder minimale Kompromiss, den man mit einer solchen Leistungshasserin eingeht, von einer Claudia Schmied verheerend missbraucht wird. Und ich selber muss beschämt zugeben, dass diese Frau meine einst überzeugte Unterstützung für die Idee einer Gesamtmatura ad absurdum führen konnte.

PS.: Die Unterstreichungen und Fettungen stammen von mir.

 

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Eurocrash voraus drucken

Noch heuchelt die politische Elite der EU Optimismus hinsichtlich der Zukunft des von ihr verordneten, gemeinschaftlichen Zwangsgeldes. Indessen mehren sich die Signale, dass es – all ihrem kostspieligen Aktionismus zum Trotz – demnächst zum Untergang dieses historisch beispiellosen Währungsexperiments kommen könnte. Das ist durchaus kein Grund zur Panik, denn – anders als uns die Regierenden unter Beschwörung der behaupteten „Alternativlosigkeit“ des ungeliebten Esperantogeldes weismachen wollen – wird das weder ein Ende Europas, noch des Friedens daselbst bedeuten – eher im Gegenteil.

Es ist daher angebracht, sich langsam Gedanken über die „Zeit danach“ zu machen – auch wenn es den Regierenden und den Zentralbankern gelingen sollte, das zur Groteske entartete „Wir-retten-den-Euro-Drama“ noch eine Weile auf dem Spielplan zu halten. Wie soll es weitergehen? Kann Europa, nachdem das monopolisierte Schuldgeldsystem ein wirtschafts- und gesellschaftspolitisches Trümmerfeld produziert hat, zu „echtem“ Geld zurückkehren? Und – wenn ja – wie sollte es beschaffen sein?

Antworten auf diese Fragen zu finden, ist deshalb so schwierig, weil auf dem Boden des real existierenden Wohlfahrtsstaates politisch durchsetzbare Lösungen keine nachhaltigen Ergebnisse zeitigen können, ökonomisch richtige Lösungen aber nicht mehrheitsfähig sind. Zu lange haben die führenden Köpfe in Banken und Regierungen das Volk darauf konditioniert, jederzeit auf Knopfdruck „billiges Geld“ zur Finanzierung schier jeden Unfugs abrufen zu können. Und Süchtige sind bekanntlich schwer zu entwöhnen.

Trotzdem sei hier der Versuch unternommen, ein nachhaltig funktionierendes Geldsystem – allerdings ohne Rücksicht auf die Wahrscheinlichkeit seiner Umsetzung – zu skizzieren.

Die neoklassische Wirtschaftstheorie – insbesondere die bis heute tonangebende Fraktion der (Neo-)Keynesianer – hat das Fundament für die gegenwärtige Krise gelegt. Schließlich hat die von ihr propagierte Methode, Geld nach dem Gusto der Regierenden aus dem Nichts zu schöpfen, die Welt dahin geführt, wo sie heute steht: An den Rand des Abgrunds. Sparer als Volksschädlinge zu denunzieren, die durch ihr Verhalten die Wirtschaft ruinieren; kreditfinanzierten Konsum zur Kardinaltugend und den goldenen Weg zum Wohlstand hochzujubeln; das Auffressen der buchstäblich letzten Reserven zu propagieren, um die Illusion scheinbar mühelos zu schaffenden Überflusses aufrechtzuerhalten; das hat´s, wie Herr Hinz und Frau Kunz soeben auf die harte Tour lernen müssen, nicht gebracht. Zahltag!

Von den Protagonisten der beschriebenen Voodoo-Ökonomie – in welcher Bank oder geschützten (steuerfinanzierten) Werkstätte sie auch immer hocken mögen – ist daher keine plausible Antwort auf die Frage nach dem „richtigen“ Geldsystem zu erwarten. Denn sie alle gehören, dank des nach R. Cantillon benannten Umverteilungseffekts der monopolisierten Geldproduktion, zu den bis in die Haarspitzen korrupten Profiteuren dieses Systems. Fündig wird man dagegen bei der im Zuge des vollständigen Bankrotts der Mainstreamökonomie einen regelrechten Popularitätsschub erlebenden „Österreichischen Schule der Volkswirtschaftslehre.“

Ein Blick auf die Geschichte der Geldes zeigt, wo der Hase im Pfeffer liegt: Einerseits ist es die staatliche Monopolisierung der Geldproduktion, andererseits die den Regierungen, dank der Abkehr von jeglicher Warenbindung und die Einführung der Teilreservehaltung der Geschäftsbanken, in die Hand gegebene Möglichkeit zur theoretisch unbegrenzten Ausweitung der Geld- und Kreditmenge.

(Literaturempfehlungen:
http://www.amazon.de/Ethik-Geldproduktion-Edition-Sonderwege-H%C3%BClsmann/dp/3937801197
http://www.amazon.de/Die-Trag%C3%B6die-Euro-System-zerst%C3%B6rt/dp/3898796701
http://www.amazon.com/Money-Bank-Credit-Economic-Cycles/dp/0945466390 ).

Um zu einem soliden Geldsystem zu kommen, ist zweierlei unerlässlich: Eine „Entstaatlichung des Geldes“ (wie von F. A. Hayek 1990 gefordert) und/oder eine Gelddeckung durch eine allgemein begehrte, „werthaltige“ Ware (z. B. Gold). Papiergeld würde in diesem Fall (wieder) den Charakter eines „Depotscheines“ annehmen.

Die „Austrian School“ kennt also zwei Modelle: Einmal das Hayek´sche, das private, miteinander konkurrierende Währungen vorsieht (das in seinem Buch „Denationalisation of Money“ präsentiert wird. Gratisdownload: http://mises.org/books/denationalisation.pdf). Der auf dem Markt stattfindende „Entdeckungsprozess“ sorgt dafür, dass das beste Geld davon, dasjenige nämlich, dem die Geldbenutzer am ehesten vertrauen, sich am Ende durchsetzt, bzw. die größten Marktanteile erringt. Betrugsversuche, z. B. durch eine hemmungslose Herausgabe von Noten, würden vom Publikum nicht hingenommen werden, da – anders als im Falle eines zwangsbewehrten, staatlichen Monopolgeldes – jederzeit Alternativen zur Verfügung stünden.

Zum anderen das 1963 von Murray Rothbard präsentierte, einer zu 100 Prozent durch Gold gedeckten Währung, wie er es in seinem Buch „What has Government Done to Our Money?“ gefordert hat. (Gratisdownload: http://mises.org/books/whathasgovernmentdone.pdf.)

In beiden Fällen haben die Regierenden keine Möglichkeit, sich durch ungebremste Geldproduktion (Inflation) am Eigentum ihrer Untertanen, namentlich dem der Sparer, zu vergreifen. Beim Hayek-Modell würden nicht länger die Büttel des Leviathans, in Gestalt von Notenbankern, sondern der Markt die Geldmenge limitieren; Im Rothbard´schen das (Förder-) Potential der Goldminen.

Die „Stock to Flow-Ratio“ (das Verhältnis der bereits existierenden zur laufend geförderten Menge) von Gold würde das Geldmengenwachstum auf etwa 1,5 Prozent p. a. begrenzen. Das ist die jährlich geförderte Menge, gemessen am bereits vorhandenen Bestand. Dieser (50 Prozent davon wurden in den letzten 50 Jahren aus dem Boden geholt) beläuft sich gegenwärtig auf rund 165.000 Tonnen (was einem Würfel von etwa 20m Seitenlänge entspricht). Die Jahresproduktion beträgt gegenwärtig rund 2.500 Tonnen – Tendenz fallend. Gold ist rar und nicht beliebig vermehrbar. Eine galoppierende Geldentwertung, wie wir sie heute kennen, wäre daher unmöglich. Hyperinflationen würden der Geschichte angehören.

Die dadurch verlorene Möglichkeit zur (betrügerischen) Manipulation aber garantiert den erbitterten Widerstand der politischen Klasse, die, wie J. M. Keynes, goldgedecktes Geld gerne als „barbarisches Relikt“ verunglimpft. Da das Wesen moderner Demokratien in der systematischen Verletzung von Eigentumsrechten – der Umverteilung des Wohlstands von Produktiven zu Unproduktiven – besteht, ist deren Festhalten am beliebig produzierbaren, nur durch heiße Luft gedeckten Papiergeld, tatsächlich „alternativlos“.

An die Einführung eines von privaten Produzenten herausgegebenen, nichtmonopolisierten Fiat-Money, oder (die nach Meinung des Autors solideste aller Varianten) eines Warengeldes – am besten des Goldstandards mit 100prozentiger Notendeckung – ist ohne eine tiefgreifende Änderung des politischen Systems nicht zu denken. Solange Regierungen nicht von Bürgern bestimmt werden, die für die Gesellschaft die wertvollsten Leistungen erbringen, sondern von denjenigen Parteien, welche die größte Wählerzahl repräsentieren, ist eine Abkehr vom herrschenden Schwundgeldprinzip nicht durchsetzbar.

Je größer (und verantwortungsloser) der Kreis der Wahlberechtigten, desto mieser das Geld! Die langfristige Abwesenheit wertbeständiger Zahlungsmittel indes steigert die Zeitpräferenz, reduziert die Bereitschaft zu sparen, behindert die Kapitalakkumulation und reduziert damit den künftigen Wohlstand. Ohne radikalen Systemwechsel scheint die Tendenz zur langfristigen materiellen Verarmung demokratischer Gesellschaften folglich unvermeidlich…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Direkte Demokratie: Ja, bitte – statt: Ja, aber drucken

Die Bedenkenträger sind wieder einmal kräftig unterwegs. Ihr Motto: „Direkte Demokratie? Ja schon, aber nicht wirklich.“ In der Folge einige Überlegungen, warum die Bedenkenträger Unrecht haben, und wie man die Direkte Demokratie erfolgreich gestalten könnte. Sie wäre jedenfalls für die Zukunft des Landes enorm wichtig und positiv. Die Machthaber sind freilich schon mit großem Erfolg dabei, alle Versuche wieder abzudrehen.

Am wirksamsten für diesen Abdreh-Erfolg ist wohl, wenn auch unbeabsichtigt, die Initiative „Mein OE“. Sie hat sich zwar eigentlich die Forderung nach mehr direkter Demokratie (neben einigen problematischeren Anliegen) auf die Fahnen geschrieben. „Mein OE“ ist aber trotz reichlicher publizistischer Unterstützung von den Bürgern weitgehend ignoriert worden. Sie haben nach den vorliegenden Informationen nicht einmal annähernd die Hälfte jener Zahl an Unterschriften erreicht, die man an Stimmen für einen einzigen Parlamentsabgeordneten benötigt.

Der Grund des Flops: Diese Initiative wird von der inoffiziellen Vereinigung all jener Altpolitiker getragen, welche die geringste Sympathie in der Bevölkerung genießen. Das haben die Herren Voggenhuber, Frischenschlager, Busek & Co offenbar schwarz auf weiß wissen wollen. Jetzt wissen sie es: Sie haben zwar bei etlichen linken Mainstream-Journalisten ihren Stellenwert, sind aber bei den Bürgern kollektiv Minus-Männer.

Die Österreicher fragen etwa kritisch, weshalb die Herren erst nach ihrer Politikerzeit kluge Gedanken entwickelt haben. Auch war es nicht gerade Sympathie-vermehrend, dass sich die Mein-OE-Herren in ihrem politischen Leben zuletzt alle Richtung Linksaußen bewegt haben. Das hat sich auch am sonstigen Unterstützerkreis der Herren gezeigt, der von Heide Schmidt bis zur linkradikalen Aktion Kritischer Schüler reicht. „Mein OE“ ist daher ebenso wie so manche „Mutbürger“-Vereinsmeierei als unbedeutende Marginalie abzuhaken.

Die Direkte Demokratie ist wichtiger als "Mein OE"

Es wäre aber dennoch eine totale Katastrophe, wenn mit diesem Altherrensommer auch gleich die Direkte Demokratie beerdigt würde. Was zwar ganz sicher versucht werden wird, was aber zum Glück nicht automatisch die Folge sein muss. Denn immerhin macht die Annäherung zwischen Schwarz und Blau über deren Ausbau doch wieder Hoffnung auf ein Überleben der Idee. Und die SPÖ tut sich mit ihrem ursprünglichen Njet zunehmend schwer. Die Grünen waren eigentlich ohnedies immer dafür – man muss aber abwarten, ob sie im üblichen Grünreflex nun dagegen sein werden, weil die rechten Parteien dafür sind. Jüngste Inverviews von Alexander van der Bellen zeigen nämlich schon ein weites Abrücken von der Idee.

Gewiss braucht es noch eine ernsthafte, aber dennoch zügige Debatte. Wobei die von Heinz Fischer gestarteten Versuche mit großer Aufmerksamkeit zu beobachten sind, durch Einberufung eines langwierigen Konvents in bekannter Manier die Idee auszubremsen.

Unter den sonstigen Hindernissen ist jedenfalls die Debatte, ab wie vielen Unterschriften unter ein Volksbegehren ein Referendum zwingend folgen müsste, die unwesentlichste Frage. Da wäre jede Zahl irgendwo zwischen den vielen bereits genannten sinnvoll und denkbar.

Viel gefährlicher ist das insgeheime Denken in jeder Partei: Nützt’s uns oder nicht? Welches Anliegen kriegen wir damit durch und welches nicht? Wenn da zu viele Rotlichter aufscheinen, droht jede Partei auch bald ihre Lust auf direkte Demokratie zu verlieren.

Wer seine Stimme nicht abgibt, gibt sie ab

Ebenso gefährlich sind die „Ja, aber“-Bedenken und -Hürden. So etwa das Verlangen, dass Referenden erst ab einer bestimmten Teilnehmeranzahl gültig sein sollen. Wobei mit 50 Prozent eine Hürde genannt wird, die höher ist als in vielen Ländern die Beteiligung an Parlamentswahlen beträgt. Dennoch bezeichnet dort niemand die Volksvertretungen als ungültig bestellt. Diese Hürde ist völlig absurd und nur ein böswilliger Verhinderungsmechanismus.

Nichtwähler übertragen ihr Stimmrecht ja immer automatisch auf jene, die hingehen. Diesen ist das zur Abstimmung stehende Thema (oder Gremium) halt wichtiger als denen, die nicht hingehen. Das macht es legitim, dass ihre Stimmen dann auch mehr Gewicht haben als die von daheimbleibenden Couch Potatoes. Und auch im Parlament können Beschlüsse ohne ein Mindestquorum fallen.

Raffinierter ist ein weiteres Argument der Gegner des Anspruchs der Bürger auf mehr Mitsprache: Sie wollen bestimmte Inhalte einem Referendum entziehen. Da gibt es etwa die breite Forderung, dass der Inhalt einer Volksabstimmung nicht gegen Verfassung, gegen Völkerrecht, EU-Recht oder gegen Grundrechte verstoßen darf.

Warum bitte diese Angst? Wäre das wirklich eine Katastrophe? Es gibt doch auch bei den vom Parlament beschlossenen Gesetzen viele, welche die Verfassung verletzen, ohne dass deswegen jemand „Katastrophe!“ schreien würde. Zahllose Gesetze, Urteile, Bescheide oder Verordnungen sind schon von einem österreichischen oder europäischen Höchstgericht aufgehoben worden. Das ist ein normaler Vorgang in einem Rechtsstaat.

Es wäre daher auch keine Staatskrise, wenn der VfGH künftig bisweilen auch ein Gesetz aufheben sollte, welches Ergebnis eines Referendums ist. Nach einer solchen Aufhebung kann man aber auch noch über etwas Zweites nachdenken: nämlich, ob dann nicht vielleicht die Verfassung entsprechend den Wünschen der Bürger abgeändert werden solle. Die Parteien wären jedenfalls gut beraten, daran zu denken. Wollen sie doch wiedergewählt werden. Und die Wünsche einer Mehrheit der Bürger sollten wichtiger sein als jene der Taxi-Innung, die sichon Verfassungsänderungen durchgesetzt hat.

Man kann aber auch über eine stärkere direkte Rolle der Bürger auch bei Änderungen der Verfassung nachdenken. Da gibt es eine Menge kluger Ideen, wie etwa doppelte Referenden über die selbe Frage in einem zeitlichen Mindestabstand, damit nicht Augenblicksstimmungen entscheidend sind. Letztlich steht die Republik in solchen Situationen immer vor der Alternative: Entweder: „Eine Verfassung sucht sich neue Bürger;“ oder: „Die Bürger suchen sich eine neue Verfassung“.

Die Angst vor dem Verlust der Macht

Hinter dieser Tabuisierung der Verfassung steckt neben prinzipieller Veränderungsangst vor allem der Kampf der sich für unverzichtbar und wichtig haltenden Machtträger in Politik, Oberstgerichten und Verwaltung (samt ihren Claqueuren in Universitäten und Medien). sie wollen ihren Einfluss, ihre Wichtigkeit bewahren. Diese Haltung ist aber in Wahrheit eine unerträgliche Hybris. Sie erinnert an die Feudalprivilegien einstiger Epochen, als man es für natur- oder gottgegeben hielt, dass alle Macht bei einer kleinen privilegierten Schicht Adeliger lag.

Ja, unsere Verfassung schreibt das im Gegenteil sogar schon heute vor, dass die Bürger in besonders wichtigen Fragen das allerletzte Wort haben. Immer dann, wenn es um eine sogenannte Gesamtänderung geht, ist eine Volksabstimmung nämlich sogar Pflicht. Und nach herrschender Ansicht besteht eine Gesamtänderung oft schon in der Änderung des einen oder anderen Satzes der Verfassung.

Mit welcher Logik aber sollen Volksabstimmungen dann plötzlich gefährlich sein, wenn es um weniger wichtigere Fragen als die einer Gesamtänderung geht?

Gegen die verlangte Tabuisierung der „Verfassung“ spricht aber auch noch die Tatsache, dass der Geltungsbereich der Verfassung in den letzten Jahrzehnten durch den Gesetzgeber oder auch bloß die Judikatur der Richter enorm ausgedehnt worden ist. Seit sogar Taxikonzessionen, die Existenz von Landesschulräten oder Kammern Verfassungsfragen sind, ist eine solche Tabuisierung absolut grotesk. Dazu kommt, dass von der Linken praktisch jeder zweite Satz eines blauen, orangen oder auch schwarzen Politikers als schwere „menschenverachtende“ Grundrechtsverletzung denunziert wird. Selbst harmlose Ballveranstaltungen werden ja schon – mit Unterstützung vieler Medien! – als Gefährdung der Verfassung dargestellt.

Ist die Wehrpflicht etwa kein Verfassungsthema?

Das Beharren der SPÖ darauf, dass die direkte Demokratie nicht die Verfassung berühren darf, macht den Beitrag ihres Ministers Norbert Darabos zur Debatte besonders amüsant: Er verlangt als „Nagelprobe“ für die direkte Demokratie, die Abschaffung der Wehrpflicht einer Volksabstimmung zu unterziehen. Nun gibt es aber überhaupt keinen Zweifel, dass deren Abschaffung nicht nur die Verfassung verändern, sondern auch das Völkerrecht verletzen würde. Eine Verletzung liegt so lange vor, so lange Österreich nicht formell auf seine „immerwährende Neutralität“ verzichtet, die es mit all ihm zu Gebote stehenden Mitteln zu verteidigen versprochen hat. Ohne Wehrpflicht ist aber dieses alle Welt notifizierte Versprechen eindeutig und endgültig gebrochen.

Wenn es passt, sollen dann plötzlich sehr wohl Volksabstimmungen über Verfassung und Völkerrecht entscheiden dürfen? Aber sonst nicht?

Entlarvend war unlängst auch ein Interview des SPÖ-Klubchefs Josef Cap, in dem er als typischer Ja-Aber-Politiker langatmig davon sprach, wo es überall keine direkte Demokratie geben solle. Auf die Frage, ob dann überhaupt noch etwas für Referenden übrig bleibt, fiel ihm ein einziges Thema ein: ein eventueller türkischer EU-Beitritt. Genau das ist aber die einzige Frage, wo es schon seit schwarz-blauen Jahren eine (dann auch von der Gusenbauer-SPÖ übernommene) Zusage der Politik gibt, jedenfalls eine Volksabstimmung abzuhalten. Mit anderen Worten: Auch die vielen Worte des Herrn Cap laufen in der Kurzfassung auf den Satz hinaus: nichts soll sich ändern.

Prammer zwischen Äpfeln und Pflastersteinen

Sensationell kaltschnäuzig war auch die Parlamentspräsidentin Prammer, als sie bei einer ORF-Debatte dialektisch ihren Widerwillen gegen die direkte Demokratie zeigte: Wenn die ÖVP schon so sehr die direkte Demokratie wolle, solle sie doch einfach das Androsch-Volksbegehren unterstützen. Aber genau das wäre natürlich nicht direkte Demokratie, wenn ein – trotz Millionen-Werbung – mager unterstütztes Begehren ohne Referendum zum Gesetz würde.

Prammer verwechselt da bewusst Äpfel mit Pflastersteinen. Ein naturgemäß immer nur von einer Seite unterstütztes Volksbegehren kann nie ein Referendum ersetzen. Denn nur dieses bietet auch die Möglichkeit, Nein zu einer Initiative einer kleinen, aber oft lautstarken Pressure group zu sagen.

Prammers Wortlmeldung wird durch die Tatsache besonders skurril, dass sich die SPÖ ja bisher nie gescheut hat, viel stärker unterstützte Volksbegehren eiskalt abzuschmettern. Etwa jene gegen Abtreibung oder gegen den Bau des Wiener Konferenzzentrums (das dennoch gebaut, aber nie ein Erfolg geworden ist). Aber Logik war ja noch die Stärke sozialistischer Dialektik.

Wenig Logik hat aber auch die Forderung des (sonst oft sehr weisen) langjährigen Verfassungsgerichtshofs-Präsidenten Karl Korinek, die direkte Demokratie dürfe das Parlament nicht schwächen. Was auch ein Heinz Fischer oder Andreas Khol in etwa so sagen. Ganz abgesehen davon, dass es das Parlament selber war, das sich in den letzten Jahrzehnten selbst immer weiter geschwächt hat: Wer, wenn nicht die Mehrheit der Bürger soll über jedem Parlament stehen?

Spezialisten werden weiter benötigt

Oft wird auch behauptet, den Bürgern fehle die Einsicht in komplizierte Materien. Das stimmt – genauso wie aber auch beim Großteil der Abgeordneten. Deshalb ist ja schon seit Jahrzehnten weltweit immer mehr die eigentliche Legistik – also die präzise Ausformulierung eines Gesetzestextes – von den Parlamenten in die Ministerien gewandert. Die Parlamente haben dann meist nur noch das eine oder andere Detail (wenn überhaupt etwas) geändert. Oder sie haben gute Gesetzesentwürfe der Ministerien durch parteipolitische Kuhhändel in oft schlechtere Gesetze verwandelt.

Dabei geht die Verfassung eigentlich davon aus, dass die Ministerien nur zur Umsetzung, nicht zur Schaffung der Gesetze da sind. Dennoch schreiben fast alle Journalisten ständig, dass dieser oder jener Minister ein Gesetz beschlossen oder geändert habe. Was juristisch falsch, aber realistisch ist. An der legistischen Detailarbeit in den Ministerien wird sich natürlich auch in direktdemokratischen Zeiten nichts ändern. Die direkte Demokratie wird immer nur ganz wenige, den Menschen wichtige Fragen herausgreifen. Der Rest bleibt den Technokraten. Diese müssten aber künftig immer daran denken, dass da noch wer über ihnen steht. Was eine wohltuende Wirkung hätte.

Auch internationale Verträge sind nicht tabu

Ein gewichtigeres Gegenargument ist jenes, dass Österreich viele Rechtsgrundlagen wie Menschrechtskonvention und EU-Verträge gar nicht mehr autonom ändern kann. Das stimmt an sich. Aber auch in diesem Bereich gibt es genug Spielraum für die Direkte Demokratie: So wie in der Schweiz könnten zumindest künftige Staatsverträge oder Beitritte zu Konventionen einem bindenden Referendum unterzogen werden, wenn binnen einer bestimmten Frist genügend Bürger ein solches begehren.

Zweitens könnte auch das Abstimmungsverhalten österreichischer Minister in EU-Räten direktdemokratisch gebunden werden. Genau so, wie das jetzt schon ein Parlamentsausschuss kann (aber auf Grund der jeweiligen Mehrheitsverhältnisse nie tut). Und drittens könnte ein Referendum auch der Regierung den bindenden Auftrag erteilen, sich für eine Änderung internationaler Rechtsgrundlagen einzusetzen. So wie sich nach dem – ganz knappen – Antiatomreferendum sämtliche Politiker, also auch die früheren Atombefürworter plötzlich international als Atomgegner auftreten mussten.

Wie sehr die repräsentative und die direkte Demokratie zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können, lässt sich an Hand eines aktuellen Beispiels zeigen: Die EU-Innenminister wollen – aus Sorge wegen der zusammenbrechenden Strukturen Griechenlands – gegebenenfalls wieder auf längere Frist Grenzkontrollen einführen; denn über Griechenland drängt ein gewaltiger Strom illegaler Zuwanderer nach Europa. Das EU-Parlament hat jedoch diesem Vorhaben den Krieg erklärt: Es fühlt sich dadurch in seiner eigenen Wichtigkeit – und in seiner europa-zentralistischen Attitüde – umgangen. Dabei gibt es aber überhaupt keinen Zweifel, dass die Innenminister und nicht die sogenannten Volksvertreter im EU-Parlament in Übereinstimmung mit der Mehrheitsmeinung der EU-Bürger stehen.

Nötig sind: Vorlaufzeiten und Finanzierungs-Regelungen

Es spricht also eigentlich alles für die direkte Demokratie. Dennoch sollte in zwei Bereichen den Bedenkträgern durch eine sorgfältige Ausgestaltung des Wies entgegengekommen werden:

Erstens braucht ein Referendum – so wie in der Schweiz – eine lange öffentliche Diskussions-Phase. In dieser Phase sollte auch allen Seiten (zumindest jenen, die durch ausreichende Unterschriften oder Mandatare dazu legitimiert sind), ausführlich und pluralistisch die Möglichkeit zur Information und Argumentation gegeben werden. Das gäbe den vorhandenen, wie auch eventuellen neuen öffentlich-rechtlichen Medien eine wichtige Aufgabe. Wenn die Menschen wissen, dass ihre Stimme am Ende wirklich zählt, ist eine Mehrheit durchaus bereit, sich qualifiziert zu informieren.

Und zweitens wäre es wohl auch sinnvoll, einer weiteren oft kolportierten Besorgnis Rechnung zu tragen. Diese Sorge sagt, dass direktdemokratisch entscheidende Bürger hemmungslos Ausgaben erhöhen und Steuern senken würden. Dass sie also den Staat in den Bankrott treiben würden. Daher sollte bei Referenden, deren Umsetzung Kosten verursacht, auch immer gleich obligatorisch ein Bedeckungsvorschlag mit abgestimmt werden. Ob der ausreicht, müsste in Zweifelsfällen schon vor der Abstimmung ein spezielles Gremium (etwa Verfassungsgerichtshof und/oder Ökonomen und/oder Staatsschuldenausschuss) beurteilen.

Dieser Vorschlag dient primär zur Beruhigung der Ja-Aber-Bremser, die meinen, die Österreicher wären halt nicht so verantwortungsbewusst wie die Schweizer. Diese haben ja auf direkt-demokratischem Weg ihr Land zu einem der sparsamsten, effizientesten und geringst verschuldeten Staaten Europas gemacht.

Keine schlechte Visitenkarte für mehr direkte Demokratie.

 

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Wider den Fetisch Mehrheit drucken

Ein Sprichwort sagt: „Wenn es dem Esel zu wohl ist, geht er aufs Eis tanzen.“ Kürzlich war es beim Autor dieser Zeilen wieder einmal so weit. Also: Aufs Auto verzichtet und mit der Wiener U-Bahn gefahren (U6, abends). Schlagartig drang dabei sofort wieder ein höchst beunruhigender Gedanke ins Bewusstsein, der mir schon vor vielen Jahren – anlässlich des Besuchs einer Fußballveranstaltung – spontan durch den Kopf schoss: lauter Wahlberechtigte! Bereits damals wurde mir spontan klar, dass es sich beim allgemeinen, gleichen Wahlrecht um die Kopfgeburt eines Irrsinnigen handeln muss… !

Einer der vielen Beweise für die Fragwürdigkeit des dubiosen Charakters der modernen Massendemokratie ist folgendes Paradoxon: Kein Tag vergeht, an dem in Rundfunk und Printmedien nicht ausführlich über die zunehmende „Politikverdrossenheit“ lamentiert wird. Repräsentative Meinungsumfragen zeigen, dass die politische Klasse hinsichtlich ihrer Wertschätzung auf dem Niveau von Hutschenschleuderern, Hütchenspielern und Zuhältern rangiert. Selbst schlichtere Gemüter spüren, dass die „demokratisch legitimierte“ herrschende Elite sich aus einer konsequenten Negativauslese der Gesellschaft rekrutiert.

Rechtschaffenenen Menschen würde es nicht in den Sinn kommen, an die Politik auch nur anzustreifen: „Wer den Menschen nicht zu dienen in der Lage ist, will sie beherrschen“ (L. Mises, „Die Bürokratie“). Trotzdem erschallt, kaum dass ein Problem – gleich welcher Art und Größe – ins öffentliche Bewusstsein tritt, sofort der kollektive Ruf nach politischer Intervention. Mit der knappen Feststellung „Die Politik ist gefordert!“ erwarten Krethi und Plethi ausgerechnet von jener Personengruppe das Heil, der sie noch nicht einmal einen Gebrauchtwagen abkaufen würden. Ein unmissverständlicher Hinweis auf den Mangel an Urteilsfähigkeit der Wählermehrheit.

Bleiben wir bei populären Spruchweisheiten: „Wenn der Bettler aufs Ross kommt, so kann ihm kein Teufel mehr voreilen.“ Was ist zu erwarten, wenn man Menschen, die ihr eigenes Leben nicht zu meistern imstande sind, mittels eines Stimmzettels in die Lage versetzt, ins Leben anderer Menschen hineinzupfuschen? Der Stimmzettel bedeutet ja nicht etwa Selbstbestimmung! Er verheißt lediglich Mitbestimmung. Und die läuft faktisch auf eine Marginalisierung des einzelnen und die totale Politisierung und Verstaatlichung der Gesellschaft hinaus.

Die kritiklose Begeisterung aller Linken für die Demokratie ist verständlich: Der Stimmzettel bildet in der modernen Massendemokratie eine Legitimation für die Unterdrückung von Minderheiten und die (gewaltsame) Aneignung fremden Eigentums. Die auf diese Weise geschaffenen Anreize sind verheerend und müssen langfristig zur Selbstzerstörung der Gesellschaft führen.

Eine Gemeinschaft, in der sich jeder um sein eigenes Fortkommen bemüht, ist nachhaltig lebensfähig. Eine, in der jeder all sein Sinnen und Trachten auf die Erzielung von Vorteilen auf Kosten Dritter richtet, dagegen nicht. Je größer die politischen Entscheidungseinheiten und je zentralistischer deren Organisation, desto dramatischer die negativen Konsequenzen und desto rapider der Zerfallsprozess. Im Zuge der Verschuldungskrise der EU erleben wir soeben, welch zerstörerische Kraft der für den modernen Wohlfahrtsstaat typischen Entkoppelung von Recht und Verantwortung innewohnt.

Als Staat, so lesen wir im Internetlexikon „Wikipedia“, bezeichnet man im weitesten Sinne „…eine politische Ordnung, in der einer bestimmten Gruppe, Organisation oder Institution eine privilegierte Stellung (…) zukommt.“ Die „privilegierte Stellung“, so bleibt zu ergänzen, kommt jener – stetig wachsenden – Gruppe von Individuen zu, die dem Staat ihr Einkommen zu verdanken haben. Wenn also von einem fundamentalen Interessenskonflikt innerhalb einer Gesellschaft zu reden ist, dann ist es nicht der, von K. Marx & Genossen konstruierte, zwischen Kapital und Arbeit, sondern der zwischen denjenigen, die der Staat ausbeutet und denen, die von Staat leben (ein von Franz Oppenheimer in seinem 1914 erschienen Buch „Der Staat“ anschaulich dargestellter Sachverhalt).

Es liegt auf der Hand, dass die Systemprofiteure daran interessiert sind, die Staatsquote ständig auszuweiten. Anders als bei auf Märkten stattfindenden, freiwilligen Interaktionen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass alle Beteiligten davon profitieren, handelt es sich beim auf einseitigen, auf Gewalt und Zwang beruhenden Verhältnis von Staatsschergen zu Untertanen nämlich um ein Nullsummenspiel. Der Nutzen der ersteren ist der Schaden der letzteren. Dabei handelt es sich um eine Tatsache, die von staatsabhängigen Intellektuellen aus naheliegenden Gründen konsequent vernebelt und von der erschreckend staatsgläubigen Masse der Wahlberechtigten nicht erkannt wird. Selbstverständlich ist dieses Prinzip auch – sogar in verstärktem Maße – auf das in Brüssel beheimatete Politbüro anwendbar, von dem aus das europäische Imperium dirigiert wird.

Die politischen Eliten betreiben – eine bislang erfolgreiche – „Haltet den Dieb“- Kampagne. In der Wiener „Presse“ vom fünften Juni darf ein notorischer Herold des Staatsinterventionismus, der ultralinke Ökonom Stefan Schulmeister, von einer „Entmündigung der Politik zugunsten des Fetisch Markt“ phantasieren. Angesichts fortwährend wachsender Staatsquoten und beinahe zu Tode regulierter Unternehmen eine geradezu bizarre Diagnose. Allerdings bewegt sich der WIFO-„Experte“ damit auf sicherem Terrain: Eine überwältigende (Wähler-)Mehrheit ist – wie er – der Meinung, dass nicht etwa unfähige und korrupte Regierungen mit ihrer verantwortungslosen, kreditfinanzierten Bereitstellung von Brot und Spielen für die Plebs das herrschende Dilemma herbeigeführt haben, sondern vielmehr „unkontrollierte Märkte“ und gewissenlose „Spekulanten“.

Überlassen wir am Ende zur Bedeutung von Mehrheiten dem hellsichtigen Friedrich Schiller das Wort: „Die Mehrheit? Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn; Verstand ist stets bei Wen'gen nur gewesen. Bekümmert sich um's Ganze, wer nichts hat? Hat der Bettler eine Freiheit, eine Wahl? Er muss dem Mächtigen, der ihn bezahlt, Um Brot und Stiefel seine Stimm' verkaufen. Man soll die Stimmen wägen, und nicht zählen; Der Staat muss untergehen, früh oder spät, wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet."

Dem bleibt – 209 Jahre später – nichts hinzuzufügen!

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Schmied und Platter, Fellner und Graf: eine Gegenstimme drucken

Unter Federführung des angeblich zu öffentlich-rechtlicher Qualität verpflichteten ORF häufen sich peinliche Beweise für die Banalisierung dieses Landes. Die politische Berichterstattung ist endgültig auf ein letztklassiges Seitenblicke-Format abgesunken. Ob es nun um Günther Platter, Claudia Schmied oder Graf Martin geht. Oder um die Fellnerschen Gossenmedien. Glückliches Österreich, wenn die von ORF&Co diskutierten Probleme die wahren Sorgen des Landes wären!

Beginnen wir mit dem Tiroler Landeshauptmann. Er hat ein Trainingslager der Fußballnationalmannschaft besucht und dabei den Fehler begangen, den dunkelhäutigen Spieler Alaba auf Englisch zu begrüßen. Dabei ist Alaba schon in Österreich geboren und als Beinahe-Teilnehmer des Champion-League-Finales zuletzt zu gewisser Berühmtheit unter Sportinteressierten aufgestiegen. Günther Platter hat ihn aber offenbar für einen noch nicht sprachkundigen Zuwanderer gehalten, der ob seiner Dribbelkünste vorschnell die Staatsbürgerschaft erhalten hat. Dieser Fauxpas ist journalistisch sicher einen lustigen Splitter auf Sport- oder Lokalseiten wert. Aber wenn der öffentlich-rechtliche Funk diese „Nachricht“ quer durch Zeit im Bild und alle Rundfunknachrichten schleppt, dann ist das einfach grotesk oder schon vorweggenommener Wahlkampf. Platter ist gewiss ein eher schwacher Landeshauptmann, den man aus vielen Gründen hinterfragen könnte. Aber sicher nicht wegen der – im Grunde fast sympathischen und jedenfalls mutigen Tatsache – dass er sich nicht für Fußball interessiert. Wenn der ORF ausgerechnet diese Lappalie breittritt, dann macht er sich selber läppisch.

Ebenso läppisch ist es, wenn sich der gleiche ORF und etliche andere Medien erregen, dass die zuständige Ministerin Claudia Schmied nicht beim Filmfestival in Cannes gewesen ist, obwohl an dessen Ende der Österreicher Haneke dort einen Erfolg feiern konnte. Dieses Tagebuch ist ja nun wirklich nicht als Mitglied des Anhängerklubs von Frau Schmied bekannt und hält sie aus mehreren gravierenden Gründen für rücktrittsreif: Aber das Tagebuch ist auch überzeugt: Die Minister der österreichischen Regierung sind nicht dazu da, um als Schlachtenbummler alle Filmfestivals abzugrasen. Solcher Spesentourismus ist schon im ORF schlimm genug, wo der Generaldirektor für einen Schlagerwettbewerb bis nach Mittelasien düst (obwohl die österreichischen Teilnehmer an jenem Bewerb schon lange vorher ausgeschieden sind).  Die Medien sollten sich mit den wirklichen Schmied-Skandalen befassen, nicht mit dem Verlangen des Herrn Haneke nach einem Aufputz seiner Ehrung.

Genauso lächerlich ist auch das bei der gleichen Gelegenheit medial verfochtene Verlangen der Filmproduzenten nach mehr Steuergeld. Die zweifellos erfreuliche Tatsache des Haneke-Erfolgs ist nämlich noch kein Beweis für eine unzureichende Filmförderung. Wenn überhaupt für etwas, dann eher für das Gegenteil. Und selbst wenn Hanekes Auszeichnung eine seltsame Folge unzureichender Finanzierung gewesen wäre, müsste sich langsam eines herumsprechen: Auch Kulturjournalisten sollten sich langsam damit abfinden, dass sich Österreich in nächster Zeit viel Wichtigeres als die derzeitigen Kulturbudgets nicht mehr leisten wird können.

Überhaupt das Mega-Thema der Medien ist eine Bassena-Geschichte um Martin Graf, den freiheitlichen Nationalratspräsidenten. Eine alte Frau glaubt sich durch ihn in seiner Rolle als Vorstand ihrer Privatstiftung geschädigt. Freilich: Die bisher bekannt gewordenen Indizien sind nicht gerade zwingend, diesen Vorwurf zu untermauern. Sie deuten eher auf mangelndes Wissen des Anwalts der Frau über das Stiftungsrecht. Dieses hat nun halt die Eigentümlichkeit, dass ein Stifter ab Stiftungsbeginn nie mehr über sein Vermögen verfügen kann. Solange ein Mensch auf diese Konsequenz ordentlich hingewiesen worden ist, und solange er nicht besachwaltert ist, muss er schon selber die Verantwortung für eine solche (Fehl-)Entscheidung tragen. Der Stiftungsvorstand wäre nur verantwortlich, wenn er fahrlässig oder gar vorsätzlich Schaden anrichtet, wenn er die Satzung der Stiftung nicht einhält. Aber das muss erst einmal bewiesen werden, was im Fall Graf alles andere als der Fall ist. Daher muss ich erneut – zumindest bis zur gerichtlichen Entscheidung über diese Vorwürfe – einen Politiker vor medialer Lynchjustiz in Schutz nehmen, den ich für jammervoll halte. Insbesondere wegen Grafs linkspopulistischer Haltung zu Universitätsthemen. Aber das erregt die angeblichen Qualitätsmedien dieses Landes lange nicht so wie die späte Reue einer alten Dame über eine eigene Fehlentscheidung.

Bleibt als letztes – etwas anders geartetes – Thema das Haus Fellner. Dieses hat in der dort üblichen Geschmacklosigkeit via einestwitterartigen News-Tickers vom Begräbnis jenes Buben berichtet, der vor ein paar Tagen von seinem Vater erschossen worden war. Ich verstehe alle, die sich darüber erregen. Ich halte es auch für durchaus legitim, jene Inserenten an den Pranger zu stellen, die noch immer die Fellner-Produkte finanzieren. Nur mit Verlaub: Deswegen eine Twitter- und Internet-Sperre für diese Medien zu verlangen, ist ein noch viel größerer Skandal. Meinungs- und Medienfreiheit beruhen halt nun einmal darauf, dass auch das veröffentlicht werden darf, was man zutiefst verachtet. Genau jene, die sich über relativ harmlose Dinge wie eine Vorratsdatenspeicherung erregen (wo ja nur angerufene Telefon- und Mail-Nummern, aber keinerlei Gesprächsinhalte gespeichert werden), werden plötzlich zu totalitären Oberzensoren, wenn ihnen dies aus ideologischen oder Konkurrenz-Gründen so passt.

Als problematischer Zensor hat sich in diesem Mordfall übrigens auch der ORF betätigt: Er hat den Zuschauern selbst die kleinste Andeutung vorenthalten, dass sich die tragische Tat unter Mitgliedern einer türkischen Familie abgespielt hat. Auch diesen Aspekt zu erwähnen wäre zweifellos Teil der Informationspflicht des ORF gewesen. Das ist etwas ganz anderes, als die Privatheit eines Begräbnisses unter besonders tragischen Umständen zu stören. Aber auch darüber ließe sich streiten: Denn selbstverständlich haben schon die Medien all jener Journalisten, die sich jetzt so politisch korrekt erregen, ausführlichst und Privatheit ignorierend über Begräbnisse in Mordfällen berichtet.

In der Twitter-Welt, wo die Begräbnis-Empörung ausgebrochen ist, die prompt von einigen Medien übernommen worden ist, scheint ein Virus kollektiver Hysterie zu grassieren.

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Freiheit ist Unfreiheit drucken

Barbara Prammer ist Präsidentin des österreichischen Nationalrats. Ehe sie in dieses hohe Amt gelangte, absolvierte sie eine für sozialistische Apparatschiki typische Karriere: Sie blickt auf Tätigkeiten im Gemeindeamt, in einem „Bildungs- und Rehabilitationszentrum“, im Arbeitsmarktservice und in einem Landesparlament zurück. Was es bedeutet, unter Marktbedingungen zu arbeiten, hat sie nie erfahren. Sie hat keinen Tag ihres Berufslebens außerhalb geschützter Werkstätten – mit produktiver Arbeit – zugebracht.

Frau Prammer hat der Zeitung „Die Presse“ ein Interview gegeben, das am 15. Mai 2012 veröffentlicht wurde. Großteils geht es um Fragen einer Wahlrechtsreform und ist über weite Strecken nicht der Rede wert. Im Zusammenhang mit einer Frage nach ihrer Beurteilung eines Vorschlags aus den Reihen der ÖVP, der vorsieht, den Bürger über die Verwendung eines Teils seiner Steuerleistungen selbst bestimmen zu lassen (Prammer lehnt das selbstverständlich strikt ab), findet sie allerdings die folgenden, bemerkenswerten Worte: „Die Freiheit einer demokratischen Gesellschaft ist eine gewisse Unfreiheit.“ Und sie fährt fort: „Diese gilt für das Individuum, um die Freiheit im Kollektiv zu ermöglichen.“ Seit Orwells Roman „1984“ wurde Doppeldenk nicht in reinerer Form praktiziert. Wir erinnern uns: Wahrheit ist Lüge, Krieg ist Frieden, etc.

Man darf der wackeren Frau dafür dankbar sein, dass sie so offen ausspricht, was den meisten Mitbürgern, die leider keinen Gedanken an eine kritische Auseinandersetzung mit dem Wesen der modernen Massendemokratie verschwenden, völlig entgeht: „Alle Lebensbereiche mit Demokratie durchfluten“ (Bruno Kreisky) oder „Mehr Demokratie wagen“ (Willy Brandt) führt am Ende zur totalen Unfreiheit des Einzelnen. Dieser hat, ist erst einmal die totale Demokratie ausgebrochen, gar nichts mehr selbst zu entscheiden. Stattdessen bestimmt das Kollektiv für ihn! Nicht nur, wann, wo, was und wie er arbeitet, sondern auch über Größe, Lage und Beschaffenheit seiner Unterkunft, Menge und Qualität seiner Nahrung und Frequenz des Unterwäschewechsels.

Wie Joseph Schumpeter in seinem 1942 erschienen Hauptwerk „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ überzeugend feststellt, sind die Sozialisten davon überzeugt, „…dass die Demokratie den Sozialismus impliziert und dass es außer im Sozialismus keine wahre Demokratie geben kann.“ Das erklärt auch, weshalb Linke – von Attac über die Gewerkschaftsjugend bis zu „Occupy Wallstreet“ – unentwegt das Hohelied auf die Demokratie (oder besser: das, was sie dafür halten) singen.

Prammers Motto ist – 44 Jahre danach – jenes der 68er: „Alles Private ist politisch.“ Angesichts der Qualität unserer politischen Führung ist das als ernstzunehmende, gefährliche Drohung zu verstehen. Man muss schon eine gründliche Gehirnwäsche hinter sich haben, um von einer „Freiheit im Kollektiv“ träumen zu können. In Wahrheit handelt es sich dabei nämlich um ein Oxymoron. Dass Freiheit nur im Bund mit Verantwortung zu haben ist; dass das von der Massendemokratie vergötterte Kollektiv aber eine doppelte Unverantwortlichkeit – nämlich die der Wähler, wie die der Gewählten – mit sich bringt und daher mit Freiheit unvereinbar ist, macht sich kaum einer bewusst. Wahr ist vielmehr: Freiheit und Demokratie passen schlecht zueinander, ja – sie schließen einander aus!

Dem kürzlich verstorbenen Ökonomen und Buchautor Roland Baader („Geld, Gold und Gottspieler“, „Geldsozialismus“) verdanken wir das folgende Zitat, das man den Sozialisten in allen Parteien ins Stammbuch schreiben sollte: „Das Wort „Demokratie“ ist ein schweres Rauschmittel. Es verhindert das Lernen, vernebelt den Verstand, verwirrt das Denken, erzeugt Wahnbilder – und macht schließlich schläfrig und apathisch. Die heutigen Demokratie-Junkies würden Sokrates wieder ermorden.“ Wer allerdings weiß heute mit dem letzten Satz noch etwas anzufangen…?

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Michael Spindelegger, ein wirklich netter Mensch drucken

Michael Spindelegger hat sich seinen begeisterten Anhängern in einer großen Rede präsentiert. Er hat dabei etliches Richtiges und Wichtiges gesagt. Er hat aber gleichzeitig Lücken und Defizite gezeigt, die er bis zum Wahltag nur noch schwer schließen kann.

Der ÖVP-Obmann ist ein richtig netter Mensch, den jeder gerne zu einem angenehmen Abendessen zu sich nach Hause einladen würde. Dabei wird es mit großer Wahrscheinlichkeit keinerlei Streit geben, sondern nur freundlich-wohlerzogene Konversation. Spindelegger ist auch ein kluger Mensch, der besser als sein Vorgänger zu spüren scheint, wo die ÖVP seit 2006 ständig Wähler verloren hat, also bei den Wertkonservativen und Wirtschaftsliberalen, und nicht bei Grünen oder Linken. Aber: Ist er auch der Mann, dem man persönliches Leadership zutraut? Immerhin tritt er ja im Rennen um den Job des Bundeskanzlers an.

Und in diesem Job wünscht man sich halt jemanden, der bisweilen auch ganz hart Nein sagen kann. Der mit eindrucksvoller Energie ein klares Ziel, eine Vision transportieren und durchziehen kann. Im Grund hatte Österreich freilich nur drei Kanzler, die an diesem Anspruch messbar waren: Julius Raab, Bruno Kreisky und Wolfgang Schüssel. Der Rest war und ist Restware. Spindeleggers Trost: Auch für die Konkurrenz trifft diese Qualifikation voll zu.

Einmal blitzte diese Perspektive einer mutigen Führerschaft in der langen Rede Spindeleggers auf, als er sagte, dass die ÖVP nicht unbedingt in der Regierung sein müsse. Da keimte Hoffnung, dass er jetzt einmal ganz glasklar sagen würde, unter welchen Umständen die ÖVP nicht in die Regierung gehen würde. Aber nichts kam. Schon war das Thema wieder gewechselt. Da hat ihm dann wieder der Mut gefehlt.

Statt dessen hört man viele teure Versprechungen Spindeleggers: Fonds für dieses und jenes; Gelder für Bauern wie für Klein- und Mittelbetriebe; die Forschungsquote will er gar mehr als verdoppeln; und am teuersten wie auch unsinnigsten: Hunderttausend Green Jobs sollen entstehen (bekanntlich jene Form der Geldverbrennung, die wir über immer teurere Stromrechnungen zahlen, während die solcherart geförderten Green Jobs in Wahrheit in chinesischen Solarindustrien entstehen). Angesichts dieses Schlaraffenlandes bleibt es ein wenig unglaubwürdig, gleichzeitig vom Schulden- und Steuerabbau zu reden. Vor allem nach dem jüngsten „Sanierungspaket“, das ja erst vor wenigen Wochen durchaus höhere Steuern gebracht hat.

Und gar nichts zu hören bekamen jene vielen einst schwarz wählenden Österreicher, die sich vor den Auswirkungen der massenweisen Migration fürchten, die in einer fortschreitenden Islamisierung eine dramatische Bedrohung spüren. Nichts zu hören bekamen jene vielen Bürgerlichen, die Europa eine völlig falsche Richtung nehmen sehen (nämlich die zur Inflation). Relativ wenig zu hören gab es schließlich auch in die Richtung jenes Motivs, das seit Jahrzehnten das stärkste für ÖVP-Wähler gewesen ist: Die ÖVP als stärkstes Bollwerk gegen den Sozialismus. Freilich: Das ist nicht ganz einfach zu transportieren, wenn man mit den Sozialdemokraten in einer Regierung steckt. Und wenn man das jüngste „Sanierungspaket“ unbedingt als hundertprozentigen Erfolg darstellen will, obwohl es weit von der ursprünglichen eigenen – und richtigen – Position abweicht.

Auf der Positivseite kann man dem ÖVP-Obmann zugute halten, dass er den Mut hat, sich auf den Slogan „Zukunft aus Tradition“ festzulegen (auch wenn das in der Inszenierung der Spindelegger-Weihestunde mit Fahnenläufern und vier mickrigen Balletttänzern peinlich mickrig drübergekommen ist). Aber natürlich hat er in der Sache recht: Die ÖVP hat nur eine Chance auf Wiederbelebung, wenn sie sich als konservative Partei im besten Wortsinn inszeniert.

Beifall spenden kann und muss man ihm auch für sein die ganze Rede dominierendes Bekenntnis zu Freiheit und Eigentum. Das sind zentrale Eckpfeiler jedes Liberalkonservativen, ja noch mehr: Diese entscheidenden Grundlagen unserer Gesellschaft müssen von einem bürgerlichen Politiker mit aller Kraft verteidigt werden.

Erfreulich ist an sich auch, dass die ÖVP in ihrer Selbstdarstellung nun auf „Werte aus Österreich“ setzt. Viel problematischer ist jedoch der mit Plakaten in den Vordergrund gestellte Katalog dieser Werte: Verantwortung, Tatkraft, Vertrauen, Zusammenhalt, Offenheit und Fleiss. Nichts gegen diese Eigenschaften. Aber den emotionalen Solarplexus der Wähler trifft Spindelegger so überhaupt nicht. Und vor allem bleibt unverständlich, warum in diesen Schwarz-Geboten ausgerechnet jene zwei Werte fehlen, die weit stärkere Bindungskraft in dem von der ÖVP angepeilten Wählerspektrum ausüben: Heimat und Familie.

Bleibt die Frage: Kann Spindelegger all das noch aufholen, woran er derzeit scheitert? Das gelingt ihm absurderweise wohl nur dann, wenn er eine Wandlung durchmacht, die man einem Menschen in der eigenen Umgebung normalerweise nicht wünscht. Spindelegger wird nämlich nur reüssieren, wenn aus dem netten und angenehmen Mann ein konfliktfreudiger wird. Und wenn zweitens die ÖVP auch wieder ein besseres Gespür für Taktik und Strategie entwickelt.

Genauso entscheidend für ihn wird auch noch ein Drittes sein. Nämlich ob er das unmittelbare und mittelbare Team rund um ihn noch deutlich verbessern kann. Handlungsbedarf herrscht da von seinem Kabinett und seinen Redenschreibern über etliche Minister bis zum Parlamentsklub, der ja im letzten Jahr überhaupt nur noch aus Werner Amon als Experten für Alles und Jedes bestanden haben dürfte. Aber um da noch eine positive Erneuerung umzusetzen, müsste Spindelegger gleich in mehrere Richtungen sehr unangenehm werden …

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Anthony de Jesay zu Gast in Wien drucken

Am 26. April referierte der große liberale Philosoph und Ökonom auf Einladung des Wiener Hayek-Instituts zu dem Thema: „Der indische Seiltrick. Die logischen Grundlagen der Sozialen Gerechtigkeit“. Er wählte hierzu den ungewöhnlichen Zugang über die Linguistik.

Zunächst erläuterte er dazu anhand dreier „Mustersätze“ die Funktionsweise jener sprachlichen Tricks, deren sich die Herolde sozialer Gerechtigkeit bedienen:

  • „Veronika ist ein schönes Mädchen, aber ihre Haare sind blond“. Das „aber“ in diesem Satz verkehrt den positiven ersten Teil des Satzes in sein Gegenteil. Das ist absurd, da die Schönheit des Mädchens und die Haarfarbe in keinerlei Widerspruch zueinander stehen.
  • „Heute ist ein wunderbar sonniger Tag, aber es weht ein unangenehmer Wind“. In diesem Fall ist der Einsatz des Wortes „aber“ gerechtfertigt, da die beiden Satzteile miteinander durchaus im Einklang stehen und logischen Sinn ergeben.
  • „Die wirtschaftliche Entwicklung der Slowakei war in den letzten 15 Jahren sehr gut, aber die soziale Ungleichheit hat zugenommen.“ Wieder wird die positive Aussage des ersten Satzteils durch das „aber“ in sein Gegenteil verkehrt – indem in dessen zweiten Teil impliziert unterstellt wird, dass soziale Ungleichheit etwas per se Übles sei. Die Selbstevidenz dessen wird – willkürlich – vorausgesetzt.

Es gibt zahlreiche Adjektivpaare, die eine klare Hierarchie ausdrücken, so wie etwa gut und böse oder wahr und falsch. Hier haben wir es tatsächlich mit selbstevidenten Wertungen zu tun. Gut und wahr sind besser als böse und falsch.

Es gibt allerdings auch andere Adjektivpaare, die keine derartige Wertung zulassen – zumindest nicht unabhängig vom Kontext, in dem sie stehen: z. B. groß und klein, schnell und langsam. Es handelt sich hierbei um nicht-selbstevidente Begriffspaare.

Den Apologeten Sozialer Gerechtigkeit geht es darum, den Begriff Gleichheit „selbstevident positiv“ aufzuladen. Ungleichheit sei schlechter. Steht dies erst einmal außer Streit, leitet sich daraus alles andere ab.

Zur Untermauerung der These von der Überlegenheit der Gleichheit werden häufig folgende Standardbehauptungen ins Feld geführt:

  • „Gott hat alle Menschen gleich geschaffen!“ Ein offensichtlicher Unsinn. Gott hat ja nicht etwa gleichgeschlechtliche Zwillinge geschaffen, sondern mit Adam und Eva grundverschiedene Individuen.
  • „Jeder Mensch verdient gleichen Respekt!“ Ein nicht minder haarsträubender Unsinn. Wer würde Donald Trump denselben Respekt zollen wie etwa Mutter Teresa?
  • „Menschen unterschiedliche Qualitäten zuzuordnen, ist moralisch willkürlich“ – eine These, die vom linken US-Philosophen John Rawls („Therorie der Gerechtigkeit“, „Gerechtigkeit als Fairness“, Anm.) aufgestellt wurde. Hinter einem „Schleier des Nichtwissens“ (um die unterschiedlichen menschlichen Qualitäten, Anm.) wäre Soziale Gerechtigkeit zu erreichen.

Die Verwendung des Begriffs „willkürlich“ im letztgenannten Satz ist klar pejorativ. Das wiederum ergibt nur dann Sinn, wenn Ungleichheit negativ bewertet wird. Ein perfekter Zirkelschluss.

  • „Ungleichheit bewirkt den Schmerz des Neides.“ Die Herstellung von Gleichheit lindere demnach diesen Schmerz. Eine kaum zu haltende These, da das Phänomen Neid auch bei perfekter materieller Gleichheit nicht aus der Welt verschwände. Neid würde sich dann eben auf das bessere Aussehen des Nachbarn oder das freundlichere Verhalten von dessen Katze richten. Neid ist eben eine höchstpersönliche Sache, die charakterlich bedingt ist.
  • „Das Durchschnittseinkommen liegt oberhalb des Medianeinkommens. Mehr (Einkommens-)Gleichheit herbeizuführen, würde also bewirken, dass mehr Menschen davon profitieren, als verlieren.“ Diese These ist nur dann positiv zu interpretieren, wenn man die „Heiligkeit“ der Mehrheit außer Streit stellt. Es gibt indessen keinerlei Grund, der das rechtfertigen würde.
  • „Alle sozialen Dysfunktionen der Armen sind dadurch bedingt, dass es Reiche gibt.“ (nach Richard Wilkinson und Kate Pickett „Gleichheit ist Glück“, Anm.). In jeder Gesellschaft, in der keine totale Gleichheit herrscht, gibt es indessen notwendigerweise immer „Reiche“. Das „Unglück“ der Armen wird gelindert, indem sich ihre Lebensumstände verbessern, nicht indem man Reiche eliminiert. Er, Jesay, ziehe es vor, Wohlstandsniveaus miteinander zu vergleichen, anstatt Wohlstandsdifferenzen. Es handle sich dabei um die einfachere Theorie, die daher bei der Anwendung von Occam´s razor der Wilkinson´schen vorzuziehen sei.

Am Beginn der menschlichen Entwicklung stand eine Gesellschaft von Jägern und Sammlern. In dieser Phase hatte gleiches Aufteilen der Beute Sinn, da ein Transport oder eine Aufbewahrung des Überschusses nicht möglich gewesen wäre. Es war daher ein Vorteil für das Überleben der Gruppe, Überschüsse gleich oder nach Bedarf „sozial gerecht“ zu verteilen.

Später, mit Beginn der Landwirtschaft, die es möglich machte, haltbare Überschüsse zu produzieren, ging der Überlebensvorteil auf jene Gruppen über, die Reserven (etwa als Saatgut für das kommende Jahr) zurückbehielten und nicht mit anderen teilten. Wer dieses Prinzip heute aufzuheben wünscht, stellt sich damit, indem er die Regeln der nomadischen Horde wieder einführen will, gegen die natürliche Entwicklung der menschlichen Gesellschaft.

Abschließend fasste de Jesay seine Thesen wie folgt zusammen:

  • Die Überlegenheit sozialer Gleichheit ist alles andere als selbstevident.
  • Es gibt daher keinerlei Grund, sich die Erreichung von Gleichheit zum Ziel zu setzen.
  • Nur wenn ein zur Erreichung seiner Ziele verwendetes Instrument gut ist, sollte man es befürworten.
  • Gerechtigkeit verlangt nicht mehr als die Befolgung von bekannten Regeln. Im Gegensatz dazu kennt Soziale Gerechtigkeit keinerlei feste Regeln. Es gibt keine Satzung. Es handelt sich um eine glitzernde Schale, in deren Inneren sich nicht mehr als die Forderung nach Gleichheit befindet.
  • Mit der behaupteten „Selbstevidenz“ der Überlegenheit sozialer Gerechtigkeit ähnelt der Egalitäre daher dem indischen Fakir, der behauptet, auf seinem Seil in den Himmel klettern zu können – und das staunende Publikum glaubt daran…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Rezension: Occupy Money drucken

Kennen Sie den alten Kalauer, in dem die Frage nach den drei dünnsten Büchern der Welt gestellt wird? Die Antwort lautet:
Sammlung italienischer Heldensagen
Alle Rezepte der englischen Küche
Die amerikanische Kulturgeschichte
Mit Occupy Money mutiert dieses Trio nun zum Quartett.

Von der Umschlagrückseite des dürren Bändchens trifft uns der gütige Blick der in der „DDR“ geborenen Autorin, Margrit Kennedy, die als „bekannte Geldexpertin“ vorgestellt wird. Im Buchinneren erfahren wir, dass es sich um eine Architektin, Städte- und Regionalplanerin handelt. Wer, wenn nicht eine Architektin, so fragt man sich, wäre eher dazu berufen, uns in die Geheimnisse des Geldwesens einzuweihen? Wer indessen Aufklärung in Fragen zur Statik von Hängebrücken erheischt, wendet sich im Gegenzug vertrauensvoll an einen Soziologen. Akademische Bildung verleiht bekanntlich Universalexpertise…

Wie der Titel des schmalen Büchleins verrät, möchte Frau Kennedy etwas – nämlich das Geld (wohl unseres, denn ihr eigenes hat sie ja schon) – „In Anspruch nehmen“, „belegen“, oder „innehaben“ (leo.org). Sie hat nämlich, nachdem sie sich, eigenen Angaben zur Folge, schon 30 Jahre lang an der Frage abgearbeitet hat, was denn an unserem Geldsystem verkehrt ist, zum Ziel gesetzt, zur Geburtshelferin für ein „neues, wertbeständiges Geld“ zu werden.

Die Antwort auf die bohrende Frage, worin denn nun der Fehler im rezenten Geldsystem besteht, wird – um die Spannung des Lesers nicht ins Unerträgliche zu steigern – gottlob bereits auf der ersten Seite des Vorworts gegeben. Es ist – erraten! – der Zins. Wer hätte das gedacht? Mit erfrischender Chuzpe stellt die Autorin ohne alle Umschweife klar, dass ihr scharfer Blick für das, was sie für die Wahrheit hält, aus dem Umstand resultiert, von keinerlei Sachkenntnis getrübt urteilen zu können.

So macht sie sich etwa daran – gestützt auf das abgelutschte Klischee vom Josephspfennig – die Perfidie des Zinseszinseffekts „nachzuweisen“, der langfristig angeblich jedes Geldsystem zusammenbrechen lässt. Dass Zinseszinsforderungen nur dann entstehen, wenn der Debitor nicht einmal die Zinsforderungen bedient (was gewöhnlich nur bei hochgradig dubiosen Schuldnern der Fall ist), bleibt unerwähnt. Auch die in Kreisen von auf dem Gebiet der Nationalökonomie dilettierenden Laien beliebte Herstellung einer Verbindung des Geldsystems mit „Krebszellen“ fehlt nicht.

Dass das derzeit herrschende Schuldgeldsystem selbstverständlich jene staatsnahen Klüngel begünstigt, die am großen Rad drehen, wird von der Autorin zwar richtig erkannt; indes folgen dem korrekten Befund aber nicht die logisch richtigen Schlüsse.

Leider hat Kennedy sich nicht tief genug in die einschlägige Literatur vertieft, sonst wäre ihr kaum verborgen geblieben, dass der Zins keineswegs ein notwendigerweise mit der Existenz eines intermediären Tauschmittels (Geld) verknüpftes Phänomen ist, sondern vielmehr aus der Tatsache resultiert, dass Menschen die augenblickliche Verfügbarkeit einer Sache deren in der Zukunft liegenden Verfügbarkeit vorziehen. Die Differenz beider (Nutz-)Werte resultiert aus der individuellen Zeitpräferenz – das heißt, aus der Bereitschaft, auf den Erwerb und die Nutzung einer Sache zu warten. Folglich würden auch in einem geldlosen Tauschsystem Zinsforderungen nicht verschwinden, sondern eben in Natura eingefordert und abgegolten werden.

Indem sie betont, beim „zinsbasierten Geldsystem“ handle es sich um ein (willkürliches) „Konstrukt“, offenbart Kennedy ein beachtliches Defizit an ökonomischem Basiswissen. Denn noch niemals wurde – bis zum Übergang zu einem staatlich monopolisierten Schwundgeld – ein Geld- oder Zinssystem einfach am grünen Tisch beschlossen. Geld und Zins waren ursprünglich vielmehr das Produkt der „spontanen Ordnung“ (Hayek). Es lohnt an dieser Stelle nicht, die zum Teil recht kuriosen Einlassungen der Autorin in sämtlichen Facetten zu schildern. Alle führen am Ende in ermüdender Weise immer zur Zinskritik zurück.

Die "Lösungen" der Architektin

Wir kommen daher sofort zum furiosen Finale, das der Präsentation von Alternativmodellen gewidmet ist. Tauschringe und Regionalgeldsysteme sind durchaus konventioneller Natur und können – so lange sie nicht ins Radar des um seine Einnahmen bangenden Fiskus geraten – durchaus funktionieren.

Eher in die Abteilung „Skurriles“ sind Ideen à la Bildungs- oder Gesundheitswährung einzuordnen. Hier blüht der staatliche Paternalismus in Reinkultur. Die hoheitliche Regulierung privater Lebensbereiche soll mittels geldwerter Gutscheine oder (erzwungener?) Präventionsmaßnahmen ins Werk gesetzt werden.

Kennedys Vorliebe für die skurrile Gesell´sche Freigeldidee wird offenbar, wenn sie eine „globale Referenzwährung“ vorstellt, die sich auf eine hochkomplizierte Warenkorbdeckung und „Standkosten“ (das bedeutet einen Negativzins für Geldhalter!) stützt. Vollends in die kollektivistische Ecke gleitet die Autorin ab, wenn sie von einer „CO2-Währung“ schwadroniert, die „…jedem Menschen ein gesetzlich garantiertes, individuelles Teileigentum an der gemeinsamen Atmosphäre“ zuspricht.

Wenige Seiten später heißt es dann folgerichtig: „Wenn man es genau nimmt, gehört das Land auf dem wir leben, uns allen. Deswegen würde die Vergabe des Landes über Erbpachtverträge wesentlich größeren Nutzen stiften als der Privatbesitz an Land…“ Kommentar überflüssig. Wer das Privateigentum derart rabiat angreift, legt die Axt an die Wurzeln unserer Zivilisation. Hier probt Kennedy unverhüllt einen Aufstand gegen die Vernunft (K. Popper)!

Die für viele Intellektuelle typische Geringschätzung der Autorin für privates Eigentum und ihr kritikloser Glaube an die Überlegenheit kollektiver („demokratischer“) Entscheidungen – gerade in Geldangelegenheiten – sind schlagende Beweise für die Richtigkeit des Spruchs „Schuster bleib bei Deinen Leisten“. Um Geldexperte zu sein, reicht es nicht, zu wissen, dass man Geld zum Erwerb jenes Krauts benötigt, das man besser nicht in Unmengen rauchen sollte, wenn man gerade an einem Buch arbeitet.

Es bleibt zu hoffen, dass die von der Architektin Kennedy errichteten Bauwerke eine etwas höhere Belastbarkeit aufweisen als ihre Einlassungen auf dem ihr bis heute augenscheinlich fremd gebliebenen Terrain der Geldtheorie.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Occupy Money
Margrit Kennedy
J. Kampenhausen Verlag 2011
107 Seiten, broschiert
ISBN 978-§-89901-595-9
€ 10,30

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Der geplante Verfassungs-Putsch im Mai drucken

Für Mai 2012 plant unsere Regierung den großen Verfassungsputsch. Zum 700 Milliarden EURO plus-Monster „Europäischer Stabilitäts-Mechanismus“ soll das Parlament Ja und Amen sagen und dann auf ewig seinen Mund halten. Die Exekutive will das Parlament buchstäblich „entmündigen“. Der ESM ist eine Mega Bad Bank, die uneinbringliche Schulden zahlungsunfähiger Staaten (PIIGS) aufnimmt, um sie von den reichen Staaten (D, NL, FIN, AT) und ihren Bürgern „bedienen“ zu lassen.

Allein der Finanzminister als „Gouverneur“ der neuen Mega Bad Bank ESM soll in Brüssel unwiderruflich entscheiden, welche Unsummen wir aufzubringen haben und wohin unser Steuergeld zu fließen hat. Der von Bundeskanzler Faymann am 2. Februar 2012 unterzeichnete Knebelvertrag ist ein totalitärer Anschlag auf das Verfassungsrecht, auf den Primat des Nationalrats und  die  Souveränität unseres Staates in Finanz- und Budgetfragen.

Zur Unterstützung gescheiterter Staaten werden uns Bürgern auf Generationen hinaus die Mittel entzogen, die wir selbst dringend brauchen, um wenigstens halbwegs über die Runden zu kommen, unsere Sozialnetze vor dem Zerreißen zu bewahren, die Infrastruktur zu erhalten und unserer Jugend jene Ausbildung zu ermöglichen, die sie für ihren Lebenskampf braucht.

Was ist beabsichtigt?

Der einzige Zweck des Putsches ist die Entschuldung schwacher EURO-Staaten zu Lasten der starken und ihrer Bürger. Es soll also genau das geschehen, was bei Einführung des EURO ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Niemals hätten Deutsche oder Österreicher der Einführung des EURO zugestimmt, wäre ihnen gesagt worden, sie müssten die Schulden anderer Staaten bezahlen oder für sie bürgen. Der Gedanke an eine „Schuldenunion“ war für alle Regierungen und sogar für den Mr. Euro, Herrn Claude Juncker, in den 90er Jahren so absurd wie „eine Hungersnot in Bayern“.

Das wurde vertraglich eisern und unmissverständlich in der „No-Bailout“-Klausel (heute Art. 125 AEUV) fixiert: „Kein Staat haftet oder zahlt für einen anderen Staat“. Und ausdrücklich wurde verboten, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Gelddruckmaschine anwirft, um Staatsschulden zu finanzieren. Im Mai 2010 wurden durch die Staatschefs im Zusammenwirken mit der EZB in einer Nacht- und Nebelaktion die Verträge gebrochen.

Ein einmaliger Vorgang: Die Staatschefs, die auf die Verfassung eingeschworen sind, brechen das Recht und machen genau das, wofür jeder Bürger bestraft wird. Das war das Ende des Rechtsstaats in Europa. Seit diesem Rechtsbruch kam es auf rund zehn Gipfeltreffen zu einer Kette von illegitimen „Rettungsmaßnahmen“, welche die zahlenden Euro-Mitglieder zugleich mit den „beschirmten“ Schuldnern immer tiefer in den Schuldensumpf hineintrieben, in dem sie nun  versinken und ihre Freiheit verlieren. Denn ohne Recht gibt es keine Freiheit.

Der Putsch durch ein neues „Ermächtigungsgesetz“

Mit dem ESM-Vertrag wird einer kleinen Gruppe von Personen, dem aus den Finanzministern der Euro-Mitglliedsstaaten bestehenden „Gouverneursrat“ (Art. 5), eine praktisch unkontrollierbare, politische und finanzielle Macht übertragen.

  • Die „Gouverneure“ können das zunächst mit 700 Milliarden bestimmte Stammkapital des ESM  jederzeit beliebig erhöhen (Art. 8, Abs. 2: Art. 10, Abs. 1).
  • Sie können jederzeit noch nicht eingezahltes Stammkapital einfordern. Innerhalb von sieben Tagen müssen die Staaten der Aufforderung nachkommen.
  • Sie können es dem ESM gestatten, Kredite in unbegrenzter Höhe aufzunehmen, um schwache Länder und ihre Banken zu finanzieren (Art. 21).
  • Die Leitung des ESM kann unbeschränkt Geschäfte jeder Art mit jedermann abschließen. Sowohl die Leitung wie die Gouverneure genießen Immunität vor gerichtlicher Verfolgung, auch dann wenn sie Gelder veruntreuen oder aufs Spiel setzen (Art. 35).
  • Die Gouverneure, Leitung und Mitarbeiter haben Schweigerecht und Schweigepflicht. Sie können von niemandem außerhalb des ESM zur Rechenschaft gezogen werden. Sie selbst bestimmen ihre Prüfer Art. 26-30). Gehalt oder „Entschädigung“ setzen sie sich selbst fest. Beides ist von staatlichen Steuern und Abgaben befreit.
  • Gesetze gelten für den ESM nicht, weder bestehende noch zukünftige. Kein Gericht kann den ESM belangen oder auf sein Vermögen zugreifen. Umgekehrt hat der ESM Klagerecht gegen jedermann (Art. 32)
  • Der ESM braucht keine Banklizenz, noch untersteht er irgendeiner Finanzaufsicht (Art. 32, Abs. 9).
  • Der ESM kann praktisch alle banküblichen Finanzgeschäfte tätigen (Art. 14 – 21):
    • Er kann Euro-Ländern Kredite geben (Art. 16)
    • Anleihen von EURO-Ländern zeichnen (Art. 17)
    • Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt kaufen oder verkaufen (Art. 18)
    • Banken finanzieren (Art. 15)
    • EURO-Ländern Kreditlinien und Ziehungsrechte einräumen (Art. 14)
    • EURO-Bonds ausgeben (Art. 21)
    • Zinsen festsetzen (Art. 20)
    • Der ESM kann unbegrenzt Kredite aufnehmen und „hebeln“ (Art. 21)
    • Die Liste der Geschäfte jederzeit ändern und erweitern (Art. 19)

Bei dieser ungeheuerlichen Kompetenzübertragung steigt selbst dem „Grünen“ EU-Freak Alexander van der Bellen „die Galle hoch“, wie er im Standard vom 30. März 2012 schreibt: „Nur weil die Regierungschefs pfeifen, haben Abgeordnete noch lange nicht zu springen. Sind Parlamente nichts als zeitraubende Schwatzbuden? Gilt jetzt als billiger Populismus, wenn Abgeordnete sich gegen autoritäre Strukturen wehren?“

Seine Fragen sind berechtigt, denn das ESM-Gesetz (es hat noch keinen Namen) ist nur mit dem „Ermächtigungsgesetz“ Hitlers aus dem Jahr 1933 vergleichbar. Dieses wurde im Reichstag (am 23. März 1933) damit begründet, dass es „dem beabsichtigten Zweck nicht genügt, wollte die Regierung sich für ihre Maßnahmen von Fall zu Fall die Genehmigung des Reichstags erhandeln und erbitten." Frau Fekter will einen Ausschuss des österreichischen Parlaments gerade noch „informieren“ und ihm allenfalls eine „begleitende Kontrolle“ einräumen, mehr nicht. Mit den Abnickern aus den Regierungsparteien glaubt sie schnell fertig zu werden. Und sie hat wohl recht damit.

Die Gewaltenteilung ist aufgehoben, die Exekutive hat die Legislative längst in die Tasche gesteckt. Die Abgeordneten lesen ja großteils nicht einmal die Gesetze, die sie beschließen, ihr Verständnis für komplizierte Finanztransaktionen ist beschränkt. Sie merken gar nicht, dass durch den bevorstehenden Verfassungsputsch das Königsrecht des Parlaments, die Repräsentation des Bürgers in Budgetfragen, durch ihre Zustimmung ausgehebelt wird. Immerhin werden wenigstens FPÖ und BZÖ den Knebelvertrag ablehnen, die „Grünen“ jedoch zustimmen. Sie verhandeln bereits, wie uns van der Bellen unterrichtet, mit der Regierung, und wie die Verhandlungen dieser Partei von Heuchlern mit der Regierung ausgehen werden, ist jetzt schon gewiss.

Der Putsch ist der eigentliche Skandal

Der Putsch durch eine unscheinbare Verfassungsänderung, mit der alle ursprünglichen Prinzipien der Europäischen Währungsunion (EWU) auf den Kopf gestellt werden, ist der eigentliche Skandal. Der ESM selbst gehört nicht zum EU-Recht, er beruht auf einem eigenen völkerrechtlichen Vertrag, der nach luxemburgischen Gesellschaftsrecht eine Art Aktiengesellschaft ins Leben ruft („a special purpose vehicle“, also eine „Zweckgesellschaft). Doch weil die „Verfassung“ der EU, der sog. „Lissabonvertrag“ (EUV und AEUV), von höherem Rang ist, dürfen völkerrechtliche Verträge zwischen den EU-Mitgliedern nicht der EU-Verfassung widersprechen.

Daher wird eine Verfassungsänderung notwendig. Diese, angeblich so „unscheinbare Verfassungsänderung“ geschieht durch einen Zusatz zu Art. 136 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der EU), der das Bailout-Verbot aufhebt. Der Zusatz lautet:

„Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren“.

Begleitet wird die jetzt die Einrichtung dieses „Stabilitätsmechanismus“ durch einen „Fiskalpakt“, der die Staaten zur Haushaltsdisziplin anhält, Er erwies sich jedoch schon bei der Unterzeichnung am 21. März 2012 als Placebo und wurde gebrochen. Spanien kündigte an, die Vorgaben nicht einhalten zu können. Der Fiskalpakt wird, so die Erwartung aller Fachleute, wohl das gleiche Schicksal erfahren wie der bei Schaffung der Währungsunion verabschiedete „Stabilitätspakt“ mit den bekannten „Maastricht-Kriterien“ (3 Prozent Defizit, 60 Prozent Gesamtverschuldung).

Er wurde ebenfalls schon bei der Einführung und später noch ungefähr sechzig Male gebrochen. Es lohnt sich nicht, diesen „Fiskalpakt“ näher zu betrachten, er dient allein dazu, den Abgeordneten eine Ausrede für ihre illegitime und gewissenlose Zustimmung zum ESM-Vertrag zu liefern. Ganz abgesehen davon stellt der streng keynesianische WIFO-Ökonom Stephan Schulmeister die Sinnhaftigkeit des Fiskalpakts immer weder mit guten Gründen in Frage Würde der Fiskalpakt durchgeführt wie geplant, so würde das gerade die „Rettung“ jener Staaten vereiteln, die Hilfen aus dem ESM in Anspruch nehmen müssen und alle anderen mit in die Depression stürzen. Schon werden Wachstumsprogramme aufgelegt, welche die Schulden gleich wieder erhöhen und den durch den Fiskalpakt vorgeschriebenen Schuldenabbau aufheben.

Die Regelung zur Einrichtung des ESM soll im „vereinfachten Vertragsänderungsverfahren“ gemäß Artikel 48, Absatz 6, EUV (EU-Vertrag) erfolgen. Der einzige Zweck dieses „vereinfachten Verfahrens“ ist die Ausschaltung der Parlamente und die Nichtabhaltung von Volksabstimmungen in Ländern, wo dies für die Ratifikation völkerrechtlicher Verträge und ihrer Änderung notwendig ist. Weil durch den ESM-Vertrag das ganze EURO-Konstrukt auf den Kopf gestellt wird, kommt dies einer Gesamtänderung der Verfassung  gleich, für die in Österreich eine Volksabstimmung zwingend erforderlich ist. Um sie zu vermeiden, deklarierte man einfach diese „unscheinbare“, in Wahrheit aber umstürzende, einer Revolution gleichkommende Einfügung zum Gegenstand des vereinfachten Verfahrens! Jetzt ist in Österreich nur noch eine 2/3-Mehrheit im Nationalrat für die Aufhebung des Bailout-Verbots notwendig.

Nach dem Lissabon-Vertrag ist durch eine „Nichtbeistandsklausel“ in ganz unmissverständlicher Weise das Bailout verboten:

„Ein Mitgliedstaat haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein“ (Art. 125 AEUV).

 Durch die Aufhebung  dieses  Kernstücks der nach deutschem Vorbild konzipierten „Stabilitätsunion“, wird die Europäische Währungsunion zu einer Schulden-, Haftungs- und Transferunion. Eine grundlegendere Verfassungsbestimmung, durch welche die ursprünglichen Prinzipien der EWU vollkommen verändert werden, ist kaum denkbar. Bundeskanzler Faymann hat sich vor den Wahlen zum Nationalrat verpflichtet, jede grundlegende Veränderung der Lissabonverträge einer Volksabstimmung zu unterziehen. Jetzt versucht er sich mit „dirty tricks“ seiner Verpflichtung zu entziehen und wird wortbrüchig.

Im Schuldensumpf für alle Ewigkeit

Der ESM-Vertrag enthält keine Auflösungs- und Austrittsklauseln. Er verpflichtet alle künftigen Generationen unseres Landes in alle Ewigkeit die Schulden anderer Länder zu übernehmen und zu bedienen, und das auf Kosten des eigenen Wohlstands. Die Haftung ist praktisch unbegrenzt. Wir haben uns nämlich verpflichtet, die Anteile am ESM auch jener Länder zu übernehmen, die Hilfen aus dem ESM erhalten oder ihren Vertragsverpflichtungen nicht nachkommen.

Suchen alle in Frage kommenden Länder, die so genannten „PIIGS“ (Portugal, Irland, Italien, Griechenland, Spanien) um Hilfen an, dann können sich unsere Haftungen und Zahlungen verdoppeln oder verdreifachen. Außerdem werden die Kredite des IWF vorrangig zurückgezahlt und bedient, sodass auch dadurch das Haftungsrisiko nochmals erheblich steigt.

Nach der Zustimmung zum ESM sind wir  Österreicher praktisch an einer „Gesellschaft mit unbeschränkter Haftung“ beteiligt, aus der wir nicht mehr herauskommen und damit „erpressbar geworden“ sind (Prof. Hans-Werner Sinn). Wir befinden uns dann auf dem sicheren „Weg in die Katastrophe“ (Prof. Max Otte). Schon seit den ersten, noch bescheidenen Beteiligungen konnten wir uns der ständigen „Aufstockungen“ und „Erweiterungen“ der nutzlosen Rettungsschirme nicht erwehren. Jetzt betragen Zahlungen und Haftungen für uns Österreicher mehr als 50 Milliarden EURO!

Wofür die zahlungskräftigen EURO-Mitglieder bereits zahlen und  haften

Wofür und in welchem Ausmaß wir Österreicher zahlen und haften müssen, weiß in Wahrheit niemand. Frau Fekter gab zuletzt (im „Standard“ vom 1. April 2012) eine Summe von 40 Milliarden EURO an, doch vergaß sie dabei die Zinsen und die bereits eingetretenen Ausfälle, nicht zuletzt verursacht durch Spekulationen von inländischen Banken. Zahlreiche Banken müssen Abschreibungen auf ihre Beteiligungen im Ausland vornehmen, die das Steueraufkommen mindern.

Die Steuerausfälle müssen von den Bürgern Österreichs durch erhöhte Zahlungen abgedeckt werden. Durch die bereits außer Kontrolle geratene Inflation erfolgt zusätzlich zur höheren Besteuerung eine „kalte Enteignung“ der Vermögen und Realeinkommen. EZB und Notenbanken haben die Geldschleusen geöffnet, neue Blasenbildungen zeichnen sich ab, die eher früher als später platzen und zu weiteren Belastungen führen werden.

Eine grobe Übersicht über weitgehend unbestrittene Zahlungs- und Haftungsbeträge der Gesamtheit der EURO-Länder weist folgende Positionen auf:

IWF-Anteil am Rettungsschirm (Haftung EURO-Länder!)

250 Mrd.

Bürgschaften für Hilfen aus dem EU-Haushalt (EFSM)

60 Mrd.

Bürgschaften aus dem EFSF (Vorgänger des ESM)

780 Mrd.

1. Rettungspaket für Griechenland (bilateral inkl. IWF)

109 Mrd.

 Privatentschuldung“ Griechenlands (dafür kommt größtenteils der Staat auf indirekte Weise in Form von Zinsdifferenzgeschenken an die Banken und durch Steuerausfälle auf)

110 Mrd.

EZB Ankäufe von Staatsanleihen der PIIGS (die nie zurückgezahlt werden!)

220 Mrd.

Target 2 Verbindlichkeiten der PIIGS (uneinbringlich!)

650 Mrd.

Geplante Aufstockung der IWF-Beteiligung durch EWU-Länder

150 Mrd.

In dieser horrenden Summe von 2.3 Billionen EURO sind Altbeteiligungen am Kapital des IWF oder der EZB, die natürlich ebenfalls nie zurückgezahlt werden, noch nicht enthalten. Auch die Verluste der EZB durch Abschreibungen auf uneinbringliche Forderungen gegenüber Banken und auf die von ihnen gestellten Sicherheiten („Collaterals“) lassen sich heute nicht beziffern. Die EZB hat ihre Bilanzsumme mit Hilfe ihrer Gelddruckmaschinen in wenigen Jahren auf rund drei Billionen EURO erhöht und damit verdreifacht! Und das bei praktisch stagnierender Realproduktion! Längst wird sie ihrer eigentlichen Aufgabe, für Preisstabilität zu sorgen, nicht mehr gerecht.

Österreich ist an den Unsummen mit ungefähr drei Prozent beteiligt. Wie hoch das daraus resultierende Risiko ist, lässt sich heute noch kaum abschätzen. Wir stecken jedenfalls bis zum Hals im Schuldensumpf.

Der Ausstieg ist machbar!

Trotzdem ist der Ausstieg machbar. Die von dem englischen, bankenunabhängigen Forschungsinstitut „Lombard Street Research“ im Auftrag der Niederländer erstellte Studie „Netherlands and the EURO“ (im Internet leicht abrufbar!) kommt jedenfalls zu dem Schluss, dass selbst der sofortige Ausstieg auf jeden Fall für die Niederländer weit billiger käme als die Weiterführung der Währungsunion bis zum Jahr 2015 oder darüber hinaus. Selbst wenn die bereits geleisteten Zahlungen und noch bestehenden Zahlungsverpflichtungen voll abgeschrieben werden müssten, ist der Nutzen aus dem Ausstieg höher als die Kosten.

Die Studie räumt ein für allemal mit der falschen Behauptung auf, die Niederländer hätten von dem Beitritt zur Währungsunion „profitiert“. Tatsächlich war der Beitritt von Beginn an mit erheblichen Wohlstandsverlusten verbunden. Geringere Zuwächse an BIP und  Realeinkommen pro Kopf, Zunahme an prekären Arbeitsplätzen, höhere Budgetdefizite, höhere Arbeitslosenraten, höhere Abschreibung auf Leistungsbilanzüberschüsse, höhere Inflationsraten, Einbußen an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Ländern wie Schweiz und Schweden lassen deutliche Nachteile aus der Mitgliedschaft in Währungsunion erkennen. Für die Niederländer wäre der sofortige Ausstieg aus der Eurozone sehr zu empfehlen. Die Gefahr einer überbordenden Aufwertung der eigenen Währung (dem Niederländischen Gulden) besteht nicht.

Die Ergebnisse dieser gründlichen Studie können ganz ohne Zweifel in hohem Maße auf Österreich übertragen werden. Auch für Österreich gilt, dass der schnellstmögliche Ausstieg aus der Währungsunion, die Nichtbeteiligung am ESM und die Rückkehr zur eigenen Währung die weitaus günstigste Option wäre.

Damit aber entsteht eine Verpflichtung für alle Abgeordneten, Journalisten, Meinngsführer und für alle Bürger, denen das Wohl des Landes und der künftigen Generationen am Herzen liegt, sich mit allen Kräften gegen den Putschversuch zu stemmen. Wenn wir diesen geplanten Putsch nicht verhindern, wird die ESM Mega Bad Bank sich auf uns legen wie eine Krake und mit ihren Fangarmen noch den letzten Blutstropfen aus unseren Adern saugen, bevor wir endgültig im Schuldensumpf versinken.

Friedrich Romig lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Er war Mitglied der Europakommission der Österreichischen Bischofskonferenz. In seinem jüngsten Buch „Der Sinn der Geschichte“ (Regin-Verlag, Kiel 2011) bringt er die Gefahr der Entwicklung der Europäischen Union zu „Vereinigten Staaten von Europa“ in den Zusammenhang mit der Herausbildung der Neuen Weltordnung („Ordo Novus Saeculorum“).

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Politische Philosophie eines modernen Idealismus drucken

1992, ein Jahr nach dem Untergang des Sowjetsozialismus und dem scheinbar endgültigen, globalen Triumph der US-Version einer „liberalen Demokratie“, verkündete der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama das „Ende der Geschichte“. Die Bipolarität der Welt des kalten Krieges war schließlich zu Ende. Die ganze Erde stand – zumindest für einige Zeit – unter der unangefochtenen Führerschaft der einzig verbliebenen Weltmacht.

Dass das US-Imperium – und mit ihm der vom ihm verkörperte und aller Welt oktroyierte politische Entwurf – bereits zu dieser Zeit auf unsicherem Boden stand, war damals wohl nur wenigen Zeitgenossen bewusst. Heute sieht sich die von den USA geführte, „freie“ Welt mit ungeahnten Herausforderungen konfrontiert, die nur auf den ersten Blick in der zunehmenden internationalen Bedeutung asiatischer Riesennationen oder der wachsenden Aggressivität der Sphäre des Halbmonds bestehen. In Wahrheit sind die Probleme der westlichen Welt – namentlich jener Europas – allesamt hausgemacht.

Gibt es den Königsweg, der aus der Krise herausführt?

Der Philosoph Wolfgang Caspart unternimmt in seinem jüngsten Buch den Versuch, aufzuzeigen, wie die, nach seiner Überzeugung, hauptsächlich durch die Fixierung maßgeblicher gesellschaftlicher Kräfte auf platte Ideologien und durch eine fehlerhafte Technik zur Auswahl politischer Eliten, bedingten Verwerfungen zu überwinden sind. In einer Rückbesinnung auf den (deutschen) Idealismus – also auf „Ganzheitlichkeit, Willensfreiheit, Verantwortungsethik, Geist und Metaphysik“ – soll die Wende bewerkstelligt werden.

Der Autor schlägt in dem in drei Teile gegliederten Text (Teil eins widmet sich der Ideologiekritik, Teil zwei der Politikwissenschaft und Teil drei dem Staatsdenken) einen großen Bogen von den Natur- zu den Sozialwissenschaften: Alle komplexen dynamischen Systeme werden durch (außenwirksame) Kontrollparameter und (innenwirksame) Ordnungsparameter bestimmt. Das gilt auch für menschliche Gemeinschaften.

Indem die ständig vom Streben nach kurzfristigen Erfolgen getriebene politische Klasse den Fehler begeht, laufend an den Ordnungsparametern zu manipulieren, anstatt sich darauf zu beschränken, die Kontrollparameter entsprechend zu setzen und das System sich selbst zu überlassen, driftet dieses infolge seiner Überregulierung in Richtung Chaos. Casparts Befund deckt sich in diesem Punkt mit jenem der „Österreichischen Schule“, die von einer verhängnisvollen „Interventionsspirale“ spricht. Die ausschließliche Gültigkeit positiven Rechts bei gleichzeitiger Verneinung naturrechtlicher Prinzipien stellt für den Autor eine maßgebliche Voraussetzung der aktuellen Fehlentwicklungen dar.

Europäische Ochlokratie

Dass die USA – und nicht Europa – seit Jahrzehnten die Führung der westlichen Welt behaupten, liegt nicht nur an der zurückliegenden Selbstzerfleischungstendenz der Alten Welt. Bedeutend sind vielmehr das Selbstverständnis der politischen Eliten Amerikas und deren vergleichsweise überlegene Qualifikation. Nicht stumpfe Bürokraten, sondern erfolgreiche Geschäftsleute prägen dort – im Inneren, wie nach außen – die Politik. Deren erste Priorität galt und gilt stets der Wirtschaft – nicht sozialromantisch motivierten Utopien.

Das in Europa herrschende politische System entlarvt Caspart als „Pöbelherrschaft“. Kaum einer der hier politisch Verantwortlichen war jemals außerhalb seiner Parteihierarchie – produktiv – tätig. Bei Wahlen geht es lediglich um die Gewichtverteilung innerhalb eines immer gleichen Klüngels von Funktionären. Zu glauben, mit seinem Stimmzettel tatsächlich etwas verändern zu können, ist illusorisch. Caspart: „Die ochlokratische (pöbelherrschaftliche) Parteienwirtschaft löst keine Probleme, sondern schafft sie und ist das Problem.“

Jede zentral geführte politische Organisation tendiert mit wachsender Größe zur immer weiter gehenden Entmündigung ihrer Untertanen. Das war am Beispiel des Aufgehens der einst unabhängigen Bundesstaaten der USA in einem zentralistisch geführten Imperium zu beobachten – und das wiederholt sich soeben bei der Umformung Europas in ein von Bürokraten (für die im Hinblick auf ihre Qualifikation dasselbe gilt wie für die Politikerkaste!) beherrschtes, bürgerfeindliches Monstrum.

Caspart sieht den Ausweg in einem Übergang zur politischen Führung durch eine meritokratische „Aristokratie“ der Verdienstvollsten – ohne allerdings konkrete Vorstellungen zu unterbreiten, auf welche Weise eine (unblutige!) Ablösung der regierenden Negativauslese vonstatten gehen sollte.

Denn die herrschende Ochlokratie wird, im instinktiv richtigen Bewusstsein, außerhalb ihrer parasitär lebenden Gemeinschaft – dort, wo das Gesetz von Angebot und Nachfrage gilt – keinerlei Chance zu haben, ihren Lebensstandard auch nur annähernd zu halten, alle Register ziehen, um ihre Ablöse durch „verdienstvolle Männer“ zu verhindern. Hierzulande sind offensichtliche Unmöglichkeit einer Verwaltungsreform und die blitzartig unterdrückten Debatten um eine Verkleinerung des Nationalrats oder die Abschaffung des völlig nutzlosen Bundesrates schöne Belege dafür, mit welcher Zähigkeit die fragwürdige „Elite“ an ihren Ämtern klebt.

Wolfgang Caspart dürfte nicht den Anspruch erheben, mit seinem Buch einen Leitfaden zur Herstellung einer besseren Welt zu präsentieren. Als treffsichere Analyse des beklagenswerten Istzustandes Europas und als kritischer Anstoß zum Denken außerhalb der ausgetrampelten Pfade des politischen Hauptstromes, ist der Text aber zweifellos bemerkenswert.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Politische Philosophie eines modernen Idealismus
Wolfgang Caspart
Peter Lang Internationaler Verlag der Wissenschaften, 2012
199 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-631-63025-9
€ 42,80,-

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Der Weg von der Europa-Begeisterung zur Depression drucken

Verheerender kann die Stimmung kaum sein: Nur noch 29 Prozent der Österreicher halten es für einen Nutzen, der Europäischen Union anzugehören. Schon 42 Prozent sehen darin einen Nachteil. So wie diese IMAS-Umfrage zeigen auch viele andere Indizien ein deprimierendes Image der Union. Dagegen rücken zwar regelmäßig die journalistischen, diplomatischen und politischen EU-Verteidiger zum Tadel für die Österreicher aus, all die Vorteile Europas nicht zu verstehen. Doch das ändert nichts. Denn die politisch-mediale Klasse hat ja längst jede Glaubwürdigkeit verloren.

Haben damit jene nachträglich Recht bekommen, die schon immer gegen die österreichische EU-Mitgliedschaft gewesen sind? Gewiss nicht. Denn jede ernsthafte Analyse zeigt, dass Österreich ohne die EU ökonomisch einen katastrophalen Weg gegangen wäre. Genauso klar ist aber auch, dass nichts falscher und schädlicher ist als die mancherorts gepflegte quasireligiöse Europaduselei.

Der Autor darf das mit einer gewissen Legitimation sagen: Er war der erste politische Journalist, der schon in den frühen 80er Jahren für den vollen Beitritt zu den europäischen Gemeinschaften eingetreten ist. Das hat ihm damals viel Tadel eingebracht – insbesondere von Außenamt und Wirtschaftskammer und den Grünen sowieso, die sich heute alle als die Erfinder Europas gerieren. Heute sind die Polsitionen vertauscht. Heute ist der eigene Blick auf die EU sehr kritisch und damit auch selbstkritisch geworden.

Die Union in der Existenzkrise

Die EU hat nicht bloß ein Vermarktungsproblem, wie man sich in Brüssel einreden will. Wir haben nicht nur eine extrem gefährliche, viele Länder erfassende Schuldenkrise. Sondern es stellt sich auch erstmals die Existenzfrage der EU selber.

Bedeutete vor zwei Jahrzehnten der EU-Beitritt für Österreich einen großen Schritt Richtung Modernisierung und Öffnung eines zur Nabelbeschau neigenden Landes, einen Akt der Durchlüftung und Befreiung aus dem erstickenden Mief der allumfassenden großen Koalition und dem real existierenden österreichischen Sozialismus, so hat die EU-Mitgliedschaft heute die gegenteilige Funktion.

In den 80er Jahren war die EU (damals: EG) ein grandioses Bollwerk der Freiheit, der Marktwirtschaft, der Idee eines grenzenlosen Binnenmarkts souveräner Nationalstaaten als Gegenmodell zur kollabierenden kommunistischen Planwirtschaft Osteuropas. Heute ist sie eine Agentur der sinnlosen Umverteilung zu Trittbrettfahrer-Nationen geworden. Heute versucht sie die europäischen Bürgern in präpotenter Art zu entmündigen. Kommission, Rat, Parlament und Gerichtshof wollen wie ein totalitärer Staat immer mehr menschliche Lebensbereiche reglementieren. Immer öfter ertappt man sich daher bei dem Gedanken: Liegt die einzige Überlebenschance Europas etwa gar in einer Neugründung?

Natürlich hatten EWG/EG/EU schon von Anfang an viele Konstruktionsfehler, etwa die Bevorzugung kleiner Mitgliedsstaaten bei Mandatszahlen und Stimmgewichtung. Wenn Malta oder Zypern in vielen Gremien genauso stark wie Deutschland oder Großbritannien sind, dann ist das schlicht undemokratisch.

Aber diese Konstruktionsfehler waren nicht so bedeutend, als es einst nur um eine Wirtschaftsgemeinschaft und dann einen Binnenmarkt ging, die man im Konsens aufbaute. Der freie Fluss und Wettbewerb von Waren, Dienstleistungen, Geld und Arbeitskräften vergrößerte den Wohlstand aller. Die Katastrophe trat erst ein, als sich die Union immer stärker auch zur wohlfahrtsstaatlichen Transferunion und zum überregulierenden Großen Bruder zu entwickeln begann.

Eine Luxemburgerin personifiziert den Absolutheitsanspruch

Die subjektive Lust der Brüsseler Akteure an der Macht ist nachvollziehbar, aber dennoch verderblich. Für mich wird sie etwa durch jeden Auftritt von Viviane Reding verkörpert. Die einstige Journalistin einer kleinen Zeitung (für die ich übrigens auch gelegentlich aus Österreich berichtet habe) stammt aus dem kleinen Luxemburg mit 500.000 Einwohnern. Heute ist sie Kommissarin „für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft“ von mehr als 500 Millionen Menschen. Alleine der Faktor 1000 würde wohl bei vielen ausreichen, um einen Machtrausch auszulösen. Bei Reding kommt hinzu, dass sie aus dem Titel ihres Ressorts auch eine allumfassende inhaltliche Kompetenz ableitet.

Niemand wagt mehr, sie in die Schranken zu weisen. Weder die Mitgliedsländer noch der schwache Kommissionspräsident Barroso. Freilich: Es gibt keine Materie, die nicht irgendwie mit Justiz oder Grundrechten in Zusammenhang zu bringen wäre. Reding ist keine Juristin, sondern Anthropologin, geriert sich aber als Vorgesetzte von 27 Justizministern – und der gesamten Justiz. In den Kompetenzen der Kommission sind allerdings in der Tat neben der Hauptfunktion Exekutive sowohl Gesetzgebung wie Rechtsprechung enthalten. Diese primären Staatsgewalten werden von anderen Verfassungen streng getrennt. Nicht so in der EU.

Dementsprechend präsentiert sich die Luxemburgerin als Großinquisitorin gegen Ungarn, dem sie Vertragsverletzungen vorwirft – weil dort eine Regierung mit Zweidrittelmehrheit das tut, was auch sonstwo (etwa ein Stück donauaufwärts) Regierungen auch ohne Zweidrittelmehrheiten tun, nämlich alle Spitzenfunktionen mit eigenen Leuten besetzen. Am nächsten Tag will sie den unabhängigen Gerichten Österreichs vorschreiben, dass sie den Diffamierungs-Kampagnen des korrupten Diktators von Kasachstan gegen dessen geflüchteten Ex-Schwiegersohn gehorchen sollen. Sie fordert von Österreich in Sachen Korruption bestimmte Maßnahmen (kümmert sich aber kaum um die gigantische Misswirtschaft mit EU-Geldern). Sie will per Gesetz(!) Europas Aktiengesellschaften einen bestimmten Frauenanteil in den Aufsichtsratsjobs vorschreiben. Sie kritisiert den Inhalt niederländischer Webseiten. Sie zwingt die Versicherungen zu Einheitsverträgen für Männer und Frauen (trotz grob unterschiedlicher Risken). Die Liste ließe sich lange fortsetzen.

Aber es wäre zu einfach, das Problem Europas auf eine Personalie zu reduzieren, auch wenn die noch so signifikant ist. Das Problem liegt schon in den unsauberen Verträgen. So kann sich der EU-Gerichtshof über alle in Sonntagsreden beschworene Subsidiarität und föderale Aufgabentrennung hinwegsetzen und mit den Staaten weit willkürlicher umspringen, als etwa die Republik Österreich mit den Bundesländern. Beispielsweise zwingt der EU-Gerichtshof Österreich zur Gleichbehandlung deutscher Studenten – obwohl die Universitäten ausdrücklich von der EU-Kompetenz ausgenommen sind, obwohl manche Studienrichtungen unter dem Ansturm zusammenzubrechen drohen.

Brüsseler Neojosephinismus

Die EU mischt sich auch in tausend andere Dinge wie Glühbirnen, Isolierungen von Hauswänden, Rauchverbote, Gleichbehandlung von Geschlechtern bei der Arbeitsplatzsuche oder die Anzahl von Kindern in Kinderkrippen ein. All das ist zur Herstellung eines gemeinsamen, wohlstandsmehrenden Binnenmarktes überhaupt nicht notwendig und in Österreich vielfach nur Bundesland-Kompetenz.

Für all diese Unsinnigkeiten ist es keine Entschuldigung, dass sie in einer Art Neojosephinismus vielleicht gut gemeint sind. Hinter der Regulierungswut steckt oft eine Allianz zwischen den EU-Beamten und den jeweiligen Fachministern, die mit ihren Anliegen national oft – und zu Recht – nicht durchdringen. Das trifft insbesondere Orchideenressorts wie jene für Frauen oder Umwelt. Nirgendwo in der EU-Maschine gibt es Instanzen oder Menschen, die sagen würden: Hört endlich auf, ihr regulierungswütigen Sozialtechnokraten, das Leben und die Freiheit der Europäer immer mehr abzuwürgen. Man kann hinter der Entwicklung auch eine ideologische Attacke sehen: Die linken Gegner von Freiheit und Marktwirtschaft, die in fast allen Ländern in den letzten Jahren von der Macht vertrieben worden sind, haben nun die EU als ihre Lieblingsplattform entdeckt.

Zugleich aber ist die EU völlig hilflos in jenen Dingen, wo es wirklich ein funktionierendes Europa bräuchte.

  • Sie pumpt seit Jahrzehnten riesige Summen in den Süden – und hat damit dessen Probleme nur noch verschlimmert, weil er jede Selbstverantwortung und Anstrengung verlernt hat.
  • Sie führte in vielen Ländern eine gemeinsame Währung ein – und scheiterte völlig daran, diese zur notwendigen Budgetdisziplin anzuhalten.
  • Sie spricht von einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik – und kann diese in keiner einzigen relevanten Frage gestalten.
  • Sie verhandelt mit der Türkei über einen Beitritt – und ignoriert feige, dass diese widerrechtlich ein Stück EU-Territoriums in Zypern besetzt hält.
  • Sie verleiht nun Serbien den Status eines Kandidaten – und kann dennoch weder durchsetzen, dass Serbien den Kosovo anerkennt, noch dass die Blockadeaktionen von Serben an den Grenzen des Kosovo aufhören.
  • Sie hat vor vielen Jahren die Einführung eines EU-Patents beschlossen – und kann sich nicht einmal auf Standort und Arbeitssprachen des Patentamtes einigen.

Wir haben dort viel zu viel Europa, wo wir es nicht brauchen. Und wir haben viel zu wenig davon, wo es unbedingt funktionieren sollte.

Dieser Beitrag erscheint in ähnlicher Form in der soeben erschienenen neuen Ausgabe der Zeitschrift "Academia".

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Begrenztheit beim Denken drucken

Einer der ganz Großen der österreichischen Politik der Nachkriegszeit war Hermann Withalm, der vor 100 Jahren geboren wurde (21. April 1912).

Vor 25 Jahren machte die ACADEMIA anlässlich seines 75. Geburtstags mit diesem Politiker, für den noch die staatsmännische Verpflichtung mehr zählte als die kurzfristige, taktisch motivierte Parteipolitik, ein Interview, in dem er bemerkenswert Prophetisches sagte.

1987 markierte das erste Jahr der Neuauflage der „Großen Koalition“ zwischen SPÖ und ÖVP, nachdem die SPÖ von 1970 bis 1983 absolut und von 1983 bis 1986 mit der FPÖ regiert hatte. Withalm bezeichnete die Hinterlassenschaft dieser 36 Jahre als ein „furchtbares Erbe, das jetzt aufzuarbeiten ist“; ein Erbe, das – nota bene – nicht nur nicht aufgearbeitet wurde, sondern von den Regierungen unter SPÖ-Kanzlern noch weiter verschlimmert wurde.

Reformstau

Withalm forderte eine Stärkung der Elemente der direkten Demokratie und eine Zurückdrängung des Parteienstaates. Der Chronist erfährt sogar, dass vor 25 Jahren die Einführung des Persönlichkeitswahlrechtes im Regierungsprogramm vorgesehen war, was Withalm als einen „ersten Ansatz“ bezeichnete, wieder eine „stärkere Beziehung zwischen Wählern und Gewählten“ zu gewährleisten. Dieses Thema wurde bekanntlich ebensowenig umgesetzt wie zahlreiche andere Überschriften, die seit Jahrzehnten die österreichischen Regierungsprogramme auffetten

Auf die Frage, ob es denn realistisch sei, von den Parteien  Reformen zu erwarten, die praktisch eine Entmachtung der Parteisekretariate bedeuten würden, gab Withalm eine bemerkenswerte Antwort: „Wenn sie wirklich Manns genug dazu sind, wenn sie den Mut aufbringen und die Zeichen der Zeit erkennen, wenn sie tatsächlich haben wollen, dass sie eines Tages in einer bestimmten Größe noch existieren, müssen sie das durchsetzen. Wenn wir haben wollen, dass wir noch Parteien in der derzeitigen Größenordnung bleiben – das gilt für die Sozialisten gleichermaßen – wenn wir nicht mit verschlossenen Augen durch die Welt gehen, dann gibt es sonst überhaupt keine andere Lösung. Sehen die Parteien das nicht ein, dann liegt das in der Begrenztheit beim Denken bei vielen Leuten, auch bei uns in der ÖVP.“

Withalm sprach konkret von einem Absinken auf ein Niveau von „Mittelparteien“, er hatte also schon 1987 eine Entwicklung vorhergesehen, die seit einem Vierteljahrhundert das österreichische Parteiwesen kennzeichnet. Dazu seien zur Erinnerung nur einige Zahlen angeführt: Noch bei der Wahl 1983 etwa hatten SPÖ und ÖVP gemeinsam 90,8 Prozent der Wählerstimmen erhalten. Bei der Wahl 1986 gab es trotz Verlusten für beide Parteien (hervorgerufen einerseits durch den erstmaligen Einzug der Grünen in das Parlament sowie durch eine Verdopplung der FPÖ-Stimmen in Folge der Übernahme des Parteivorsitzes durch Jörg Haider) immer noch satte 84,4 Prozent. Mittlerweile ist die zwei-Drittel-Mehrheit – wichtig für Verfassungsgesetze – ebenfalls schon Geschichte (2008 kamen beide Parteien gemeinsam nur mehr auf 55,24 Prozent).

Mogelpaket

Ob bei der nächsten Wahl die beiden Parteien noch die einfache Mehrheit erreichen werden, ist alles andere als ausgemacht, denn aktuellen Umfragen zufolge ist die Zufriedenheit der Bevölkerung mit der Performance der Koalition enden wollend. Nicht nur die „Salzburger Nachrichten“, auch viele Wähler haben das sogenannte Sparpaket als „Mogelpaket“ durchschaut: als ein kurzfristiges Notprogramm und Belastungspaket, das grundlegende strukturelle Änderungen wieder einmal weitestgehend ausspart.

Anerkennung fand das „Sparpaket“ lediglich in den – mit Regierungsinseraten kräftigst finanzierten – Jubelmedien der Boulevardpresse. Gerne werden die Medien als vierte Gewalt im Staat bezeichnet, und so manche Medien sparen auch diesbezüglich nicht mit Eigenlob: Als diejenigen, die unerschrocken den Mächtigen auf die Finger klopfen, Missstände aufzeigen und Fehlentwicklungen kommentieren – soweit die Theorie. Die österreichische Praxis anno 2012 sieht anders aus: Auf der einen Seite eine mediale Paralleljustiz, die tagtäglich Vorverurteilungen (in eine bestimmte politische Richtung) veröffentlicht, sowie andererseits mit Millionen Steuergeldern bestochene Boulevardblätter, die täglich zeigen, wie selektiv ihre journalistische Wahrnehmung ist.

Pseudoaufdecker

Es fällt etwa auf, dass seit Jahren das Thema Karl-Heinz Grasser den Boulevard beherrscht, mit ständig neuen Details aus Akten, die – so sollte man meinen – dem Amtsgeheimnis unterliegen. Auch im Zuge des nunmehrigen Untersuchungsausschusses sind gezielte Strategien erkennbar: Portionenweise werden in den Medien immer neue Details „aufgedeckt“, wobei die Regie zwischen Staatsanwaltschaft, Peter Pilz und Medien bestens funktioniert (eine Staatsanwaltschaft – nota bene – von der der „Kurier“ schon im September bemerkte, dass sie auffällig stark von Mitgliedern des „Bundes Sozialistischer Akademiker“ dominiert wird).

Und wer untersucht eigentlich den permanenten Amtsmissbrauch, durch den vertrauliche Akten mühelos den Weg in die selbsternannten Aufdeckermedien finden? Oder hat sich hier ein „Gewohnheitsrecht“ etabliert, das derartiges in Österreich salonfähig macht?

Inseraten-Tsunami

Während diese Krawallzeitungen einerseits einen Druckkostenbeitrag von nur 10.000 Euro an eine ÖAAB-Zeitung zum Megaskandal hochstilisieren, bleibt der Millionenskandal von Gefälligkeitsinseraten für SPÖ-nahe Medien selbstverständlich unerwähnt. Ganz im Gegenteil: „Kronen Zeitung“, „Österreich“ und „Heute“ machen sich über die Medienpolitik der Regierung offen lustig. So wurde tagelang die österreichische Presseförderung gegeißelt und etwa die Tatsache thematisiert, dass Zeitungen wie die „Presse“ oder der „Standard“ ungerechtfertigt hohe Presseförderungen erhalten (beide je über eine Million Euro im Jahr 2011).

Man kann über diese Presseförderung, die 2011 insgesamt 12,4 Millionen Euro ausgemacht hat, durchaus geteilter Meinung sein, aber man sollte – wenn man über Presseförderung spricht – die über 100 Millionen Euro nicht  verschweigen, die jährlich aus Steuergeldern von Ministerien, Landesregierungen und öffentlichen Unternehmungen vor allem in Boulevardmedien versenkt werden. Allein „Österreich“, das von Faymann-Jugendfreund Wolfgang Fellner seit der Gründung auf SPÖ-freundlichen Kurs gehalten wird und „Heute“ – dessen Naheverhältnis zur Wiener SPÖ evident ist – erhalten pro Jahr dadurch mehr Geld, als die gesamte offizielle Presseförderung ausmacht.

Für das Jahr 2009 haben Medienexperten für „Heute“ ein einschlägiges Werbevolumen von 12,95 Millionen und für „Österreich“ von 14,75 Millionen errechnet – und das Volumen der Schaltungen ist mittlerweile deutlich angestiegen. In diesem Umfeld ist es nicht erstaunlich, für welche Themen sich Journalisten nicht interessieren: Etwa für die Verantwortung, die die damalige Vorstandsdirektorin der Kommunalkredit, eine gewisse Claudia Schmied, für die Milliardenpleite bei dieser Bank hatte. Wird Frau Schmied zu diesem Thema befragt, hat sie eine Standardantwort: „Kein Kommentar“. Es ist verständlich, dass sie darüber nicht reden will. Weniger verständlich ist, dass sich „investigative Journalisten“ mit einer solchen Antwort zufrieden geben.

Karl-Heinz Grasser hätte mit dieser Strategie wohl keinen Erfolg gehabt. Aber vielleicht will man Frau Schmied ganz bewusst keine unangenehmen Fragen stellen, weil sie aus der SPÖ kommt, und weil ihr Ministerium ebenfalls seit Jahren in Millionenhöhe immer wieder mit großflächigen Inseraten versucht, die Gunst bestimmter Medien zu erkaufen. Merkwürdig ist auch, dass die sieben fehlenden Jahre im Lebenslauf unseres Bundeskanzlers, über die er keine Auskunft gibt, noch keinen „Enthüllungsjournalisten“ auf den Plan gerufen haben. Obwohl es doch durchaus interessant wäre zu wissen, wie viele Prüfungen, Kolloquien oder Pflichtübungen Werner Faymann während seines vierzehn-semestrigen Uniaufenthalts abgelegt hat. Der Staatsbürger und Steuerzahler sollte das Recht haben, über das Ausbildungsniveau der Menschen Auskunft zu bekommen, von denen er regiert wird.

Der „Standard“ vom 3. Dezember 2011 zitiert einen Medienexperten, der in Richtung Inseratenaufträge des Büros Faymann trocken feststellte, dass hier „ein mittelmäßiger Kommunalpolitiker zum Kanzler gekauft“ wurde. Kein Wunder, dass sich das Image der Politiker im Keller befindet und andererseits die nostalgische Sehnsucht nach geradlinigen Politikern von Schlage eines Hermann Withalm im Steigen ist.

Prof. Dr. Herbert Kaspar
Herausgeber der Zeitschrift ACADEMIA

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Magere Zeiten voraus drucken

Der kürzlich verstorbene Nationalökonom und Buchautor Roland Baader („Geld, Gold und Gottspieler“) fasste die aktuelle Lage der Weltwirtschaft in seinem letzten, „Geldsozialismus“ betitelten Buch so zusammen: „Was wir in den letzten Jahrzehnten im Kreditrausch vorausgefressen haben, werden wir in den nächsten Jahrzehnten nachhungern müssen. Es wird furchtbar werden.“

Damit hatte er wohl Recht! Denn Schulden – die Grundlage der vom Sozialstaat geschaffenen Wohlstandsillusion – müssen am Ende immer bezahlt werden: Entweder von den Schuldnern selbst, von den heute lebenden Kreditgebern, Sparern und Steuerzahlern, oder von für die prekären Umstände nicht verantwortlichen kommenden Generationen.

Seit dem Zweiten Weltkrieg durfte jede der heute im „freien Westen“ lebenden Generationen erwarten, dass es ihr materiell besser gehen würde als der ihrer Eltern. Die nach 1970 Geborenen werden – dank der zurückliegenden Schuldenexzesse – indes mit einem abnehmenden Wohlstandsniveau zurechtkommen müssen.

Nach dem Urteil von Systemmedien und beamteten Nationalökonomen sind es kollektive Gier, Spekulanten, verantwortungslose Banker, der „Neoliberalismus“, oder der „Turbokapitalismus“, denen wir die aktuellen Probleme zu verdanken haben. Nachdem – zum Verdruss der Masse der westlichen Intellektuellen – der Realsozialismus untergegangen ist, wurde, nach ihrer Meinung, durch die Krise nun die Marktwirtschaft diskreditiert. Daher erfährt die Suche nach einem „Dritten Weg“ gegenwärtig eine Renaissance. Unter den Etiketten „Ökosoziale Marktwirtschaft“, „Gemeinwohlökonomie“ oder „kreativer Sozialismus“, werden Konzepte präsentiert, die eine gerechtere Verteilung versprechen, leider aber allesamt auf eine zentral geführte Kommandowirtschaft hinauslaufen, die von den Produktiven zu den Unproduktiven umverteilt.

Das Gesetz der Knappheit

Der US-Wirtschaftswissenschaftler Mancur Olson stellte die Diagnose: “When there is a stronger incentive to take than to make … societies fall to the bottom.“ An diesem Punkt sind wir längst angelangt. Besonders die gut ausgebildeten Jungen verspüren wenig Lust, sich den Fährnissen des Marktgeschehens auszuliefern, da doch der Leviathan stressfreie Amtsstuben und erwerbslebenslang sichere Arbeitsplätze garantiert – zumal damit sogar höhere Lebenseinkommen verbunden sind (worauf der Sozialexperte Bernd Marin immer wieder hinweist). Das Schaffen von Anreizen, welche die Zahl derjenigen, die von Steuern leben, zu Lasten derjenigen, die Steuern zahlen, laufend erhöhen, ist ein Verfahren, das langfristig sinkenden Wohlstand garantiert.

Um die Ursachen der von der Politik offensichtlich nicht beherrschbaren, wirtschaftlichen Fehlentwicklungen zu verstehen, bedarf es der Einsicht in grundlegende ökonomische Gesetzmäßigkeiten. US-Ökonom Thomas Sowell: „Die erste Lektion der Ökonomie ist die Knappheit: Es gibt niemals genug von irgendetwas, um alle befriedigen zu können, die es haben wollen. Die erste Lektion der Politik ist die Nichtbeachtung der ersten Lektion der Ökonomie.“

Da der Zustand des Mangels die Regel, nicht die Ausnahme ist, gibt die politische Klasse vor, Unmögliches leisten zu können, indem sie behauptet, Knappheit und Mangel abschaffen zu können. Der ehemalige österreichische Finanzminister und Ökonomieprofessor Eugen Böhm von Bawerk stellte dazu fest: „Politische Macht vermag das ökonomische Gesetz niemals außer Kraft zu setzen." Am Beginn allen Unheils steht also stets der eitle Versuch der Machthaber, Naturgesetze außer zu Kraft setzen – wie jenes der Knappheit. Der Knappheit an Kapital wird durch eine „aktive Geldpolitik“ begegnet – durch Zinsmanipulation und Ausweitung von Geldmenge und Kreditvolumen.

Die von Ludwig Mises im Rahmen seiner Habilitationsschrift „Die Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel“ vor exakt 100 Jahren entwickelte Konjunkturtheorie, erklärt das Phänomen zyklisch auftretender Krisen. Seine Wirtschaftstheorie lehnt staatliche Interventionen rundweg ab. Sie setzt auf freie Entscheidungen selbstverantwortlicher Bürger. Aus Sicht der Politbüros bedeutet das eine unerträgliche Herausforderung ihres Selbstverständnisses als unfehlbare Führer.

Mises: „Boom-Bust-Cycle“

Vereinfacht dargestellt besagt diese „österreichische“ Konjunkturtheorie folgendes: Die Wirtschaft kennt keine stabilere Konstante als die der Veränderung. Alles befindet sich ständig im Fluss. Unternehmerische Entscheidungen sind stets auf eine ungewisse Zukunft gerichtet und bedeuten ein unvermeidliches Risiko. Jeder wirtschaftlich handelnde Mensch ist ein „Spekulant“, der hofft, ihm zum Vorteil gereichende Entscheidungen zu treffen. Mit seiner „Spekulation“ kann er natürlich falsch liegen.

Die für den Erfolg von Unternehmen maßgebliche Einschätzung der Nachfrageentwicklung kann danebengehen. Es gibt daher für keinen Betrieb eine dauerhafte Erfolgs- oder Bestandsgarantie. Es ist unvermeidlich, dass immer wieder Firmen in den unterschiedlichsten Branchen scheitern. Andere Betriebe entstehen dafür neu. Josef Schumpeter prägte für dieses Phänomen den Begriff „Schöpferische Zerstörung“.

Wenn – wie es in Krisenzeiten der Fall ist – rund um den Globus, zeitgleich, Unternehmen massenhaft in Schwierigkeiten geraten, müssen dafür besondere Gründe vorliegen. Keine der „neoklassischen“ Theorien, weder die der Keynesianer, noch die der Monetaristen, bietet dafür eine plausible Erklärung. Dass über Jahre hinweg künftige Konsumentenerwartungen korrekt antizipierende und erfolgreich agierende Unternehmer exakt zur selben Zeit allesamt die gleichen unternehmerischen Fehler begehen, die sie in existenzielle Notlagen bringen, ist nur dann zu erklären, wenn es einen für Anlass für ihr kollektives Fehlverhalten gibt. Der gegenwärtig an der Universität von Angers in Frankreich Volkswirtschaft lehrende Guido Hülsmann spricht in diesem Zusammenhang von „Error Cycles“.

Den Ausgangspunkt für kollektive unternehmerische Fehlentscheidungen bildet die Manipulation des Zinses. Auf dem freien Markt gebildete Zinsforderungen sind der Tatsache geschuldet, dass Menschen die Möglichkeit zur augenblicklichen Verfügung über ein Gut einer zukünftigen grundsätzlich vorziehen. Man spricht in diesem Zusammenhang von der „Zeitpräferenz“. Je höher die Zeitpräferenz, desto eher ist man bereit, für sofortigen Konsum mehr zu bezahlen. Wer seine Konsumwünsche zu verschieben bereit ist, fordert ein Entgelt für seinen momentanen Verzicht und den dadurch möglich werdenden Verleih seiner Mittel. Seinen Niederschlag findet die Zeitpräferenz in der Höhe eines Aufschlags auf den Preis des Geldes - eben den Zins. Der Zins ist somit ein natürliches Phänomen, das in einer freien Wirtschaft ausschließlich vom Aggregat der Zeitpräferenzen der Konsumenten bestimmt wird.

Die Höhe des Zinses bestimmt die Antwort auf die Frage, ob eine geplante unternehmerische Investition sich lohnen wird oder nicht. Niedrige Zeitpräferenzen der Konsumenten manifestieren sich in hohen Sparquoten und niedrigen Zinsen. Die Unternehmer empfangen die Botschaft: Die Konsumenten verfügen über Reserven und sind bereit, ihre Konsumwünsche auf später aufzuschieben. Dies führt zu einer Konzentration von Investitionen in „Güter höherer Ordnung“ (auf solche, die nicht dem augenblicklichen Konsum dienen).

Das heißt, dem Konsumenten werden erst nach dem Bau entsprechender Fabriken oder der Entwicklung neuer Produkte Güter angeboten und verkauft werden können. Es kommt zu einer Verlagerung des Investitionsschwerpunkts von der Konsum- zur Kapitalgüterindustrie. Die in Boomphasen zu beobachtende, steigende Bewertung von Aktien entsprechender Industriebetriebe, die Steigerung von Immobilienpreisen und Baubooms, sind Symptome dafür.

Das alles ist in Ordnung, wenn die Konjunktur bei den Investitionsgütern durch real gebildete Ersparnisse angetrieben wird. Dann haben die Unternehmer richtig gehandelt: Die künftig angebotenen Güter werden auf kaufkräftige Nachfrage treffen. Ist der Boom indessen auf aus dem Nichts geschaffene Kredite gegründet (was in den der Krise vorangehenden Jahren der Fall war), verhalten sich die Unternehmer fehlerhaft, weil sie Investitionsentscheidungen auf Grund nicht gegebener Voraussetzungen treffen. Investitionen in Güter höherer Ordnung gehen vielfach verloren, weil die produzierten Waren auf keine kaufkräftige Nachfrage treffen, da die vermuteten Ersparnisse niemals gebildet wurden. Die Folge sind kostenintensiv aufgebaute Überkapazitäten. Ein als Bürohaus geplanter, halbfertig gebauter Wolkenkratzer ist kaum anderweitig verwertbar und daher abzuschreiben. Die in gescheiterte Vorhaben investierten Mittel hätten – auf andere Weise eingesetzt – den allgemeinen Wohlstand mehren können.

Fazit: Nach Abschluss des „Boom-Bust-Cycles“ befindet sich das Wohlstandsniveau einer Volkswirtschaft, infolge des Totalverlustes der Fehlinvestitionen, auf einem niedrigeren Niveau, als wenn dieser Zyklus niemals in Gang gesetzt worden wäre.

Tatsächliche Werte statt Geld aus dem Nichts

In einem warenbasierten Geldsystem mit 100 Prozent Deckungserfordernis (z. B. einer Goldwährung), ist die Schöpfung „billigen“ Geldes („Fiat Money“) oder von Krediten aus dem Nichts unmöglich. Die zur Verfügung stehende Geldmenge kann nur in jenem Ausmaß gesteigert werden, den die weltweite Goldförderung möglich macht.

Ludwig Mises meinte: „Es gibt keinen Weg, den finalen Kollaps eines Booms durch Kreditexpansion zu vermeiden. Die Frage ist nur ob die Krise früher durch freiwillige Aufgabe der Kreditexpansion, oder später zusammen mit einer finalen und totalen Katastrophe des Währungssystems kommen soll.“

Die Regierenden haben – nachdem sie ein Meer aus Papiergeld geschaffen haben – die Wahl: Entweder sie versuchen, den Brand mit Benzin zu löschen und die am Ende des Konjunkturzyklus eintretende Rezession durch eine weitere Geldmengenexpansion („Reflation“) abzuwenden. In diesem Fall werden die Staaten sich noch weiter verschulden und diese Schulden direkt oder indirekt monetarisieren – also in Liquidität transformieren und über die Geschäftsbanken in Form von Krediten in die Wirtschaft pumpen. Oder sie enthalten sich jeder Intervention und lassen eine scharfe, über Jahre anhaltende Rezession zu.

Die politische Klasse hat sich – rund um den Globus – für Variante eins entschieden und damit Zeit gekauft.

Ohne eine nachhaltige Korrektur der Zahlenverhältnisse von Produktiven zu Unproduktiven (von Fahrradbeauftragten, Antidiskriminierungsagenten und Quotenwächtern geht nun einmal keine Wertschöpfung aus!) und ohne ein Ende hoheitlicher Interventionen in die Wirtschaft – vor allem aber ohne die Abschaffung des staatlichen Geldmonopols und die Rückkehr zu einem nicht manipulierbaren, intrinsisch werthaltigen Geld (z. B. Gold) – wird die Sanierung der Weltwirtschaft nicht gelingen.

Da die politische Klasse weiterzumachen gedenkt wie bisher, ist mit einer Verlängerung der Krise auf unabsehbare Zeit zu rechnen – mit etwas Pech aber auch mit einem totalen Systemcrash…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Licht ins Dunkel: Inflation oder Deflation? drucken

Die Gefahr einer „deflationären Depression“ dient Politikern und Zentralbankern seit den Tagen John Maynard Keynes´ als Rechtfertigung für eine inflationistische Geldpolitik. Um die vermeintlich segensreiche Schwundgeldpolitik der Währungsmonopolisten in einem günstigen Licht erscheinen zu lassen, werden auch heute noch mit größter Inbrunst jene Gefahren beschworen, die eine abnehmende Geldmenge angeblich mit sich bringt.

Der weitgehend vollständige Mangel an Wissen um Entstehung, Wesen und Bedeutung des Geldes erleichtert es Politikern, Zentralbürokraten und Bankern, das Geldvermögen der Bürger mittels Inflationssteuern unbemerkt umzuverteilen – zu ihren Gunsten, versteht sich! Henry Ford brachte es auf den Punkt, als er meinte: „Würden die Menschen das Geldsystem verstehen, hätten wir eine Revolution noch vor morgen früh.“ Da sich jedoch nur eine Minderheit der Bürger mit Fragen der – korrupten und betrügerischen – staatlichen Geldpolitik beschäftigt, ist die Revolution bislang ausgeblieben. Als Sparer ist man versucht hinzuzufügen: leider!

Markus Lindermayr, Janne J. Kipp und Christoph Schnabel unternehmen es in ihrem Buch „Inflation oder Deflation“, Licht ins Dunkel zu bringen. In einer auch für Laien verständlichen Sprache werden Grundbegriffe von Ökonomie und Geldpolitik erläutert und Begriffsumdeutungen, die in listiger Weise der Verschleierung von Ursache-Wirkungs-Beziehungen dienen, klar benannt: „Inflation“ bezeichnete ursprünglich die Ausweitung der Geldmenge, während heute damit eine allgemeine Teuerung gemeint ist.

Auf diese Weise wird in der Öffentlichkeit der Eindruck vermittelt, Preissteigerungen wären das Werk profitgieriger Produzenten von Waren und Dienstleistungen und perfider Spekulanten, während dafür in Wahrheit einzig und allein die hemmungslose Ausweitung der Geld- und Kreditmenge – und damit der staatliche Geldmonopolist – verantwortlich ist. Allgemeiner Preisauftrieb ist die mit einiger Zeitverzögerung und nicht für alle Güter in gleichem Ausmaß eintretende Folge einer vorangegangenen Inflation!

Nach einer Einführung in die verwendeten Begriffe werden die wesentlichsten Zusammenhänge und wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten erläutert, wobei die Autoren an ihrer Sympathie für die Analyse der „Österreichischen Schule“ keine Zweifel aufkommen lassen. Anschließend werden in einem historischen Teil zurückliegende Inflationsszenarien (beginnend mit dem berüchtigten Papiergeldexperiment des John Law in Frankreich) und die deflationäre Stagnation in Japan seit Anfang der 1990er-Jahre beschrieben.

Danach wird den Gründen für die zyklische Natur des Konjunkturphänomens nachgespürt und der nach seinem Schöpfer benannte Kondratjew-Zyklus vorgestellt. Mit der Beschreibung globaler Trends und verschiedener denkbarer „Basisszenarien“ für die Weltwirtschaft endet der 284 Seite umfassende erste Teil des Buches.

Der kurze, aber hochinteressante zweite Teil ist der Anlegerpsychologie gewidmet und beschreibt die von Investoren am häufigsten gemachten Fehler und deren Ursachen. Grundlegend mangelhafte oder selektive Wahrnehmung der Wirklichkeit, die unbewusste Ausblendung unangenehmer Wahrheiten, die Macht des „wishful thinking“ und das völlige Fehlen eines „Plan B“ im Falle des Eintretens unerwarteter Ereignisse, können in vielen Fällen zu schmerzhaften Vermögensverlusten führen.

Zwei bedenkenswerte Zitate aus dem Schlusswort: „Die Weltwirtschaft ist nun dabei, den ausgeprägtesten Zyklus der Wirtschaftsgeschichte zu beenden.“ Welche überaus unerfreulichen Konsequenzen damit aller Voraussicht nach verbunden sind, dürfte nach der Lektüre des Buches den meisten Lesern klar sein.

„Der Weg zurück zu einem nachhaltigen Gleichgewicht wird hart.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Inflation oder Deflation?
Markus Lindermayr, Janne Jörg Kipp und Christoph Schnabel
Finanzbuch Verlag 2012
336 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-89879-637-8
€ 20,60,-

 

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Kapitalismus ist böse! drucken

Nicht erst seit Ausbruch der Staatsschulden- Währungs- und Finanzkrise ist der „Kapitalismus“ – respektive das, was viele seiner weitgehend auf dem Holzweg befindlichen Gegner dafür halten – massiv in die Kritik geraten. Mit größter Selbstverständlichkeit verstehen sich bevorzugt jene linken Aktivisten als Angriffsspitzen gegen die marktwirtschaftliche Ordnung, deren Urteil durch keinerlei Sachkenntnis getrübt ist und die ihr allenfalls bescheidenes ökonomisches Verständnis der Lektüre von Gewerkschaftspostillen und Marx-Exegesen verdanken.

Dass keiner von ihnen je einen unter Marktbedingungen tätigen Betrieb von innen gesehen, geschweige denn einen geführt oder gar gegründet hat, versteht sich von selbst. Es ist, als ob sich Konditoren oder Mineralogen über die technischem Voraussetzungen und den Wirkungsgrad von Kernfusionskraftwerken auslassen würden.

So etwa reitet Jean Ziegler, ex-UNO-Agent, notorischer Bessermensch und nach eigener Einschätzung, die er einst der Hamburger „Zeit“ anvertraute, „weißer Neger“, in seinen Publikationen rollende Angriffe, gegen das kapitalistische nord-westliche „Imperium der Schande“, dem er die Schuld am in der der Dritten Welt herrschenden Elend zuweist.

Ein nicht ganz so prominenter „Experte“, Christian Felber, Gründungesmitglied des österreichischen Ablegers von „Attac“, geht seit Jahr und Tag mit seinen „50 Vorschlägen für eine gerechtere Welt“ und seinen rigoros planwirtschaftlichen Ideen für eine „Gemeinwohlökonomie“ hausieren. Er sieht darin eine „sozial gerechte“ Alternative zum im Kapitalismus manifestierten Eigennutzdenken. Wie Jean Ziegler sieht er die großartigen Errungenschaften der modernen Wohlfahrtsdemokratie (wie etwa die beinharte Bestrafung individueller Leistung und das gesetzlich verbriefte Recht auf Faulheit) gefährdet, wenn freie Bürger freie Entscheidungen im Hinblick auf die Verwendung ihres Eigentums treffen.

Was, wenn nicht Unsinn, will man indes von Soziologen oder Philologen zum Thema Ökonomie erwarten? Demütige Einsicht im Sinne des althergebrachten Rates „Schuster, bleib bei deinen Leisten“ ist von aus allen Poren Besserwisserei und Selbstgerechtigkeit verströmenden Intellektuellen nicht zu erwarten. Man darf gespannt sein, wann diese „Experten für eigentlich eh alles“ (© Günther Paal alias Gunkl) sich auch als Brückenkonstrukteure oder Neurochirurgen versuchen werden.

Sahra Wagenknecht: „Freiheit statt Kapitalismus“

Wenn ein Buch, als dessen Autorin eine gelernte Philosophin firmiert, den klangvollen Titel: „Freiheit statt Kapitalismus“ trägt, ist beinahe schon alles klar. Allerdings ist der Urheberin, der in der Sowjetzone sozialisierten Kommunistin Sahra Wagenknecht, die heute die „wirtschaftspolitische Sprecherin“ der Deutschen Linkspartei gibt, eine zumindest rudimentäre Beschäftigung mit einschlägiger Literatur zu attestieren. Dass eine radikale Gegnerin der Marktordnung „neoliberale“ Schwergewichte wie Rüstow, Erhard, Hayek, und sogar den pointierten Sozialismuskritiker Ludwig Mises (wenn auch falsch) – zitiert, ist immerhin bemerkenswert.

Im ersten Teil des 365 Seiten starken Werkes widmet sich die Genossin der Kritik des Status quo, wobei sie über längere Strecken so formuliert, als hätten ihr Philipp Bagus oder Thorsten Polleit die Feder geführt. Demnach liegt sie vielfach goldrichtig! Denn dass im Hinblick auf Unternehmen und Banken „big“ keineswegs in jedem Fall „beautiful“ bedeutet, ist korrekt. Dass die weltweit betriebene, hemmungslose Ausweitung der Geldmenge nicht das Gelbe vom Ei sein kann, ist wahr. Und dass Big Business und Big Government meist zum Schaden der Bürger unheilvolle Allianzen bilden, ebenfalls. Indessen fehlt ihr die Konsequenz zur Erkenntnis, dass die zu Recht kritisierten Zustände allesamt politisch motiviert waren und sind und daher auch politisch (demokratisch!) zu verantworten sind. Bitterböse Spekulanten und Investmentbanker agieren auf genau dem Humus, den eine von stabilen Wählermehrheiten inthronisierte Nomenklatura erst geschaffen hat.

Im zweiten Teil geht’s richtig ans Eingemachte: Hier entwickelt Wagenknecht ihre Vision dessen, was sie „kreativen Sozialismus“ nennt. Was dabei ihre Vorstellungen von denen der meisten orthodoxen Sozialisten unterscheidet, ist ihre – vordergründige – Absage an eine zentrale Wirtschaftsplanung. Ihr schwebt eine Art „Syndikalsozialismus“ vor, in welchem Unternehmensbelegschaften ihre Betriebe „selbständig“ führen sollen. Vielleicht hätte die Autorin, ehe sie sich damit auf allzu dünnes Eis wagt, bei einem anderen Linkssozialisten, nämlich Jean-Francois Revel, eine gedankliche Anleihe nehmen sollen, der in seinem Buch „Die Totalitäre Versuchung“ bereits anno 1976 auf die unauflösbaren Widersprüche hingewiesen hat, die ein derartiger „Sozialismus ohne Plan“ zwangsläufig mit sich bringt.

Dass kollektiv geführte Unternehmen in den meisten Fällen in kürzester Zeit untergehen; dass es genossenschaftlich geführten Betrieben an Wettbewerbsfähigkeit mangelt; dass die meisten Menschen einfach keine Unternehmer sein wollen – weder als in der Unternehmensführung tätige, noch als Anteilseigner, sondern ein fixes Einkommen als Unselbständige vorziehen – stört die ambitionierte Weltverbessererin nicht. Irgendwann, irgendwo muss der dem jeweiligen Gusto linker Kollektivisten entsprechende Neue Mensch am Ende doch noch zu finden sein…

Dass Wagenknecht, wie alle radikalen Linken, keinen Begriff stärker positiv besetzt als den der Demokratie, passt ins Bild. Geht es doch schließlich um siamesische Zwillinge: Ohne Sozialismus keine Demokratie; ohne Demokratie kein Sozialismus.

Ein Katalog klassisch bolschewistischer Ideen rundet das Bild harmonisch ab: Die Verstaatlichung aller Banken, Versicherungen und sämtlicher Unternehmen, die den „Grundbedarf“, wie Energie, Transport, und Telekommunikation sicherstellen, ist in ihrem Modell unumgänglich. Zum Glück zählen Nahrung, Bekleidung, Behausung und Sexualität nach Meinung der Autorin offenbar nicht zu den „Grundbedürfnissen“. T-Shirts, Mittagsmenüs und Geschlechtspartner dürfen im Wagenknecht´schen Utopia anscheinend frei gewählt werden.

100 Prozent Erbschaftssteuern für alle die Millionengrenze in Euro übersteigende Vermögensteile verstehen sich von selbst – Unternehmensbeteiligungen eingeschlossen. Letztere sollen allerdings nicht dem Staat anheimfallen, sondern Stiftungen zugeführt werden, die im Eigentum der in den Unternehmen Beschäftigten stehen. Begründet wird dieser weltfremde Irrsinn mit dem angestrebten Ziel, die Ausbildung von volkswirtschaftlich angeblich schädlichen „dynastischen Vermögen“ (die in der Praxis allerdings kaum zu finden sind, denn gerade einmal sieben Prozent aller Unternehmen erleben ihre Übergabe an die dritte Generation) zu unterbinden.

Der Frage, welche kreativen Geister es unter derartigen Rahmenbedingungen noch unternehmen werden, unter größtem Arbeitseinsatz und unter Inkaufnahme hoher materieller Risiken Betriebe aufzubauen, stellt die Autorin sich nicht. Wie die meisten Intellektuellen, die das Wesen der Marktwirtschaft nicht aus eigener Erfahrung, sondern nur aus der (marxistischen) Literatur kennen, versteht sie nicht, dass ein selbständiger, für seine Handlungen haftbarer Unternehmer grundsätzlich anders tickt, als ein angestellter Betriebsführer; dass zudem nicht alle Menschen gleich sind – weder in ihren Ansprüchen noch in ihren Fähigkeiten – und dass damit jeder Versuch einer (notwendigerweise gewaltsamen) Gleichmacherei sich stets zum Schaden aller auswirkt, will sie nicht zur Kenntnis nehmen.

Schade um die in weiten Teilen stimmige Analyse im ersten Teil des Buches. Am Ende wird doch wieder nur abgestandener, alter Wein aus neuen Schläuchen serviert: Enteignung, Kollektivismus, Geringschätzung von Einzelleistungen, Gleichmacherei und freie Bahn der Bürokratie. Leider hat auch Frau Wagenknecht nichts Neues anzubieten.

Fazit: Weder die Suche nach einem „Dritten Weg“, noch die Beschwörung einer „Gemeinwohlökonomie“ oder eines „kreativen Sozialismus“ werden zur Lösung der aktuellen Probleme beitragen, weil sie allesamt auf eine weitere Entkoppelung von (Entscheidungs-)Macht auf der einen, sowie Verantwortung und Haftung auf der anderen Seite hinauslaufen. Genau daran aber krankt ja bereits das gegenwärtig herrschende System von Interventionismus und Schuldenwirtschaft. Nicht mehr sondern weniger Demokratie – und damit eine Renaissance der individuellen Verantwortung – ist gefragt. Die Suche nach einem in jeder Lebenslage altruistisch handelnden „Neuen Menschen“ kann getrost abgeblasen werden. Der wird nie geboren werden…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Geheimes und Gemeines: Daten, Akten, Konten drucken

Ein Land der unendlichen Widersprüche: Wenn Journalisten und Rechtsanwälte den Schutz ihrer eigenen Geheimnisse verteidigen, lassen sie die ganze Republik erbeben, und die Regierung gibt bereits nach 48 Stunden nach; wenn die SPÖ gleich das ganze Bankgeheimnis abschaffen will, schweigt hingegen die ganze Republik. Wenn eine dubiose Illustrierte 200.000 Mails widerrechtlich veröffentlicht oder wenn das mit einzelnen geheimen Aktenteilen geschieht, die unangenehm für Karl-Heinz Grasser klingen, applaudiert die Szene sogar; und sie denkt sich nichts dabei, wenn sie anderntags wieder lautstark nach noch mehr Datenschutz ruft.

Der gemeinsame Nenner unter all diesen Widersprüchen ist ein trauriger: Kein Mensch in diesem Land diskutiert noch sauber und ordnungspolitisch objektiv über die Grenze zwischen dem Bereich, der als Persönlichkeitsrecht des Bürgers geheim zu bleiben hat, und jenem, wo der Staat bei der Strafverfolgung hineinschauen darf. Sondern jeder diskutiert diese Frage immer nur anlassbezogen, ob es ihm selber nutzt, ob es einem politischen Feind schadet.

Wo ich selbst die Grenzen sehe? Nun, man kann sie weiter und strenger ziehen; für beides gibt es Argumente. Aber am wichtigsten ist: Die Grenzen sollten jedenfalls objektiv und nicht willkürlich gelten, wie es aber derzeit angesichts einer völlig überforderten Staatsanwaltschaft praktiziert wird.

Zweitens wäre wichtig: Es gibt eine Reihe von Gründen, viel mehr Transparenz herzustellen. Wäre wie in nordischen Ländern jeder staatliche Akt für jeden Bürger zugänglich, würde nämlich viel an Korruption von vornherein erstickt werden. Dann würden sich auch kriminelle und halbkriminelle Machenschaften erübrigen, gezielt einzelne Geheimakten hinauszuspielen. Dann würden nicht nur die von anonymen Kräften willkürlich ausgewählten Schweinereien bekannt, dann könnten wir vielmehr allen üblen Vorgängen nachgehen, unabhängig von den sehr gezielten Interessen mancher – meist selbst bestochener! – Medien oder ideologisch motivierter Beamter.

Es ist aber völlig absurd und skandalös, die staatlichen Akten und Daten weiterhin total geheim zu halten (wenn sie nicht gerade wieder einmal ein bestochener oder intriganter Beamter hinausspielt), aber zugleich zu verlangen, dass das Bankgeheimnis abgeschafft werden soll. Wie dies soeben der SPÖ-Abgeordnete Johann Maier getan hat. Er erhebt voll klassenkämpferischem Hass auf alle „Reichen“ seine Forderung primär im Interesse ausländischer Steuerfahnder, die nach seinen Wünschen auf jedes österreichische Konto durchgreifen könnten. Und er versetzt nebstbei dem Finanzplatz Österreich einen weiteren verheerenden Schlag nach all den Belastungen, die sich schon zuletzt die österreichische und ungarische Regierung einfallen haben lassen.

Aber wenn die SPÖ schon die Bürgerrechte endgültig zertrümmern will, dann müsste sie doch erst recht zustimmen, dass logischerweise auch beim Staat die Geheimhaltung zertrümmert wird (maximal bis auf wenige, sehr genau zu begründende Ausnahmen). Schließlich sind die totalitären Zeiten ja hoffentlich vorbei. Schließlich ist der Staat ja keine Person mit eigenen natürlichen Grundrechten, sondern nur ein Apparat, der Diener des Bonum commune, also aller Bürger sein sollte. Was das so streng verteidigte Amtsgeheimnis derzeit wirklich schützt, sind praktisch immer korrupte Beamte oder Politiker. Oder parteipolitische Schiebung. Oder Faulheit. Oder schlechte, meist von Lobbies und Sozialpartnern durchgesetzte Gesetze.

Die Politik ist aber nicht nur unwillig, das in Zeiten von Computerfestplatten ohnedies anachronistische Amtsgeheimnis abzuschaffen. Sie baut es sogar durch die schikanöse Bürokratie-Schutzmaschine Datenschutz ständig noch weiter aus.

Lächerliches Korruptions-Strafrecht

Sie präsentierte uns nun auch den Vorschlag eines neuen Korruptions-Strafrechts, der erwartungsgemäß lächerlich bleibt. Sie wirft dabei der Öffentlichkeit zur Ablenkung als Streitpunkt die unbedeutende Scheinfrage vor, ob kleine Geschenke im Wert von 99 Euro künftig legal sein sollen oder nicht. Aber die wirklich großen Dinge – die an diesem Ort schon genau aufgelistet worden sind – bleiben weiter tabu: etwa die Geschäfte von Parteifirmen; etwa die Pflicht zur Ausschreibung aller Aufträge, Einkäufe UND Verkäufe der öffentlichen Hand bis hinunter zu den Gemeinden ab einem Wert von (mindestens) 40.000 Euro pro Jahr. Interessanterweise lassen sich auch die diversen Antikorruptionsjäger von diesen wirklich wichtigen Fragen ablenken.

Noch unbefriedigender ist, dass auch den Verletzungen des gegenwärtigen Rechts nicht ernsthaft beziehungsweise sehr selektiv nachgegangen wird. So unternehmen weder Justiz noch Staatsanwaltschaft irgendwelche sinnvollen Schritte, um herauszufinden, wer immer wieder Schriftstücke an bestimmte Medien hinausspielt. Hat da vielleicht irgendjemand Angst, dass die Nachforschungen auf sehr hochrangige Justiz-Funktionäre treffen könnten? Man schaue sich nur nach dem Prinzip Cui bono an, wen genau jene Medien offenbar aus Dankbarkeit unterstützen, die immer wieder rechtswidrig Aktenteile erhalten (deren Inhalt sich ganz zufällig immer nur gegen Schwarz und Blau/Orange richtet, aber nie gegen die Korruption beispielsweise der Herrn Faymann oder Pöchhacker oder des ganzen Wiener Rathauses). Und man will schon gar nicht die Mittäterschaft (scheinbar) auflagenstarker Medien thematisieren.

Auch die eindeutig rechtswidrige Veröffentlichung von 200.000 Mails aus Computern der Telekom interessieren keinen Staatsanwalt. Obwohl dadurch für die Telekom ein katastrophaler Schaden entstanden ist, obwohl viele Kunden jetzt den staatseigenen Konzern zu meiden beginnen. Auch hier müsste schon lange eine Sonderkommission tätig werden.

Egal welche der am Gerüchtemarkt genannten Mail-Quellen der wahre Täter ist, sie müsste dringend stillgelegt werden. Es könnte zum einen sein, dass da eine Schrott-Mafia agiert, die alle ausgemusterten Computer von Schrotthändlern kauft und schaut, wie und wo man mit den vorgefundenen Mails Geld herauslocken oder erpressen kann (Experten können angeblich auch tausendmal gelöschte Texte noch auffinden und geleerte Papierkörbe wieder anfüllen, weshalb etwa professionelle Geheimdienste alte PC immer eigenhändig in Kleinstteile schreddern). Es könnte zum anderen sein, dass ein Kronzeuge da ein schmutziges Spiel versucht, der Zugang zu all diesen Mails hatte.

Apropos Kronzeuge: Die in Österreich neueingeführte Kronzeugenregelung erweist sich schon beim ersten Einsatz als höchst problematisch: Denn es entsteht stark der Eindruck, dass der Haupttäter hier billig einer Verurteilung entkommt, indem er einfach die Nebentäter ausliefert. Angesichts dieser Konstellation stellen sich alle Haare meines Rechtsempfindens auf. Würden die nicht eh schon angesichts der sonstigen Zustände seit längerem stehen.

PS.: Nein, das alles heißt nicht, dass ich von der Unschuld Grassers überzeugt wäre. Ich will nur im Gegensatz zu den übrigen Medien, dass auch ein Ex-Politiker Anspruch auf ein faires Verfahren nach den offiziell geltenden Regeln und nicht nach denen einer altrömischen Gladiatoren-Arena hat, wo nur die Willkür und das Gejohle von den Rängen über Leben und Tod entschieden.

PPS.: Nein, das alles heißt nicht, dass ich für einen erweiterten Zugriff des Staatsanwalts auf rechtsanwaltliche Aktennotizen oder Interviewmitschriften wäre. Ich will nur eines nicht: Während die Medien ihre eigenen Rechte lautstark durchsetzen und ausbauen können, fallen ihre eigenen Sauereien dem Mantel der Vergessenheit anheim.

 

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Überlegener Westen? drucken

Beat Wieser beschäftigt sich in seinem Leitartikel der Neuen Zürcher Zeitung vom 18. 2. mit der Frage, ob wir gegenwärtig den Niedergang Europas erleben würden, während gleichzeitig autoritären „staatskapitalistischen“ Systemen wie jenem Chinas, die Zukunft gehört. In der Tat ein interessanter Gedanke. Die Überzeugung, wonach es zur Formel „Demokratie + Marktwirtschaft = allgemeiner Wohlstand“ keine Alternative gibt, gerät zunehmend unter Druck. Denn neben China tragen auch andere Staaten des fernen Ostens – man denke etwa an Singapur – durchaus autoritäre Züge und schlagen sich im Wettbewerb mit dem „liberalen, pluralistischen Westen“ dennoch (oder am Ende gerade deswegen?) höchst erfolgreich.

Gilt die „westliche Formel“ nicht mehr länger?

Wieser kommt zum Schluss, dass der große (wirtschaftliche) Erfolg einiger fernöstlicher Volkswirtschaften durch die Übernahme westlicher Tugenden bedingt sei. Seine Antwort auf die Frage nach der ungebrochenen Gültigkeit der „westlichen Formel“ lautet demnach also: ja.

Allerdings scheint der Autor bei seinen Betrachtungen zu übersehen, dass das „liberale westliche Modell“, das sich durch Pluralismus, Individualismus, persönliche Verantwortung und unbedingten Schutz privater (Eigentums-)Rechte gegenüber dem Staat auszeichnet und das die Überlegenheit Europas über seine Wettbewerber begründete, heute kaum noch lebt. Sind es denn liberale, marktorientierte Volkswirtschaften, die derzeit eine beispiellose Krise erleben, oder sind es nicht in Wahrheit längst sozialistische Planwirtschaften mit bürgerlichen Einsprengseln?

Wo innerhalb des europäischen Imperiums ist denn – und das gilt nicht nur für die von der Krise besonders stark gebeutelten Provinzen – tatsächlich noch eine „liberale Marktwirtschaft“ zu finden? Dort, wo die Bürger bis zu zwei Drittel ihrer Einkommen an den Fiskus abzuliefern haben, wohl nicht. Dort, wo wirtschaftliche Entscheidungen kaum mehr in freier Übereinkunft einzelner getroffen werden können und wo die Vertragsfreiheit faktisch abgeschafft wurde, auch nicht. Und dort, wo ein sich immer mehr zur Gouvernante seiner Bürger aufschwingender Staat täglich tiefer in deren Privatsphäre eindringt, pausenlos neue Ge- und Verbote erfindet, die der freien Entfaltungsmöglichkeit des Einzelnen jeglichen Spielraum nehmen, schon gar nicht.

Im zitierten Artikel scheint einiges durcheinander zu geraten, weil die verwendeten Begriffe nicht (mehr) zutreffen. Europa ist eben nicht mehr länger ein pluralistisch verfasstes Konglomerat konkurrierender Völker. Europa ist unter der Fuchtel einer anmaßenden Zentralbürokratie zu einem unbeweglichen, ausschließlich mit sich selbst beschäftigten Monstrum verkommen. Das Reich der Mitte hat einst – an der Schwelle zur Neuzeit – den Kampf um die Welt gegen Europa verloren, weil es genau das war. Die Chinesen haben aus der Geschichte offensichtlich ihre Lehren gezogen, was sie mit „Sonderwirtschaftszonen“ und einer überaus erfolgreichen Außenpolitik deutlich vorführen, während Euroland eine rigorose Gleichschaltung vorantreibt und sich in eitler Nabelschau ergeht.

Europa gerät also nicht deshalb unter Druck, weil es an seinen Stärken festhält, denen es seinen – Jahrhunderte lang anhaltenden – Erfolg zu verdanken hatte, sondern deshalb, weil es das nicht mehr tut! Wilhelm Röpke verdanken wir folgende Erkenntnis: „Eines von beiden wird früher oder später weichen müssen: Das freie Gesellschafts- und Wirtschaftssystem oder der heutige Wohlfahrtsstaat.“ Diese Frage wurde eindeutig zugunsten des letzteren entschieden. Röpke hatte also Recht. Eine „liberale Demokratie“ – falls es so etwas überhaupt geben kann – hat unter der Bedingung eines allgemeinen, gleichen Wahlrechts offenbar keinen dauerhaften Bestand.

Die sich stellende Systemfrage lautet daher nicht mehr länger liberale Demokratie oder autoritärer Staatskapitalismus. Denn in Europa ist an die Stelle der liberalen Demokratie der totalitäre, supranationale Wohlfahrtsstaat getreten, in dem der Einzelne nichts mehr gilt. Und dieses Modell, das nicht länger auf individuelle Leistung, Verantwortung und Wettbewerb gründet, ist seinen aggressiven, wachstumsorientierten Herausforderern aus Fernost nicht gewachsen.

Europa muss sich, wenn es die aktuelle Krise überwinden will, auf die vom Autor des Neuen Zürcher Zeitungs-Artikels genannten Ideale seiner glorreichen Vergangenheit zurückbesinnen. Bei nüchterner Betrachtung haben wir es nämlich mit einem Wettbewerbsproblem zu tun. Die exzessive Staatsverschuldung, der heute die ganze Aufmerksamkeit der politischen Eliten und der veröffentlichten Meinung gilt, ist dagegen lediglich ein Symptom des Mangels an Wettbewerbsfähigkeit. Mit Symptomtherapie – der bloßen Beschränkung auf die Sanierung der Staatsfinanzen – ist aber wenig zu erreichen.

Die Zurückdrängung der krebsartig wuchernden Bürokratie und des Zentralismus; die Besinnung auf den Subsidiaritätsgedanken; die Wiederherstellung bürgerlicher (Eigentums-)Rechte – besonders durch eine radikale Senkung der Steuerquoten; die Abkehr von falschen Religionen wie jenen vom anthropogenen Klimawandel oder dem anti-AKW-Voodoo, sind unabdingbar, um erfolgreich gegen die neuen, ehrgeizigen Herausforderer bestehen zu können.

Europa wird das weitere Erstarken der Schwellenländer nicht verhindern können – und sollte das auch gar nicht versuchen! Denn die globale Wirtschaft ist kein Nullsummenspiel. Der Gewinn Chinas ist nicht automatisch der Verlust der Alten Welt. Aber eine immer weitere Abkehr vom wettbewerbsorientierten Erfolgsmodell der Vergangenheit wird Europa ins Abseits führen – wirtschaftlich wie politisch.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Drei Marksteine auf dem Weg zur geistigen Erneuerung Europas drucken

Kann der moderne Mensch noch glauben? Die meisten Intellektuellen verneinen diese Frage. Sie ordnen den Glauben an übernatürliche Wesen und Mächte, an Gott oder diverse Götter einem frühmenschlichen Stadium zu. Unser aufgeklärtes Zeitalter, so die allgemeine Meinung, beschränkt sich auf Tatsachen, auf deren Beobachtung und Verknüpfung zu Relationen, und versucht aus diesen Beobachtungen und Relationen Regelmäßigkeiten zu erkennen und Gesetze abzuleiten. Glaubenswahrheiten werden vom modernen Menschen nicht mehr einfach angenommen, sondern „hinterfragt“.

Wenn sie nicht mit den Naturgesetzen in Übereinstimmung gebracht werden können, werden sie abgelehnt. Die Naturwissenschaft versucht auf jede nur denkbare Weise den Rekurs auf Gott oder auf das Übernatürliche zu vermeiden. Zur Erklärung der Welt wird Gott nicht mehr gebraucht. „ Dieu? je n'ai pas besoin de cette hypothèse pour expliquer le monde“, antwortete Laplace auf die Frage Napoléons, wo denn Gott im Weltsystem seinen Platz habe. Im alles beherrschenden naturwissenschaftlichen Weltbild ist der Glaube an Gott, den allmächtigen Schöpfer des Himmels und der Erde sowie aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge, nicht mehr nötig.

Es zählt nur das sinnlich Beobachtbare, durch Experiment intersubjektiv Nachvollziehbare und Beweisbare. Für die Naturwissenschaft gibt es keine absolute Wahrheit. Was wir gemeiniglich als „Wahrheit“ bezeichnen, sind für den Wissenschaftler nur „Hypothesen“, die solange gelten, als sie durch beobachtbare Tatsachen noch nicht widerlegt oder „falsifiziert“ sind.

Die Wissenschaft, und das gilt spätestens seit Kant auch für die kritische Philosophie, kennt keine Dogmen, keine Metaphysik, keine Theologie als „Science“. Die Theologie behandelt einen Gegenstand, dessen Existenz nicht beweisbar ist. Dieses szientifische Weltbild ist derart in die unteren Schichten eingesickert, dass es heute den Religionslehrern in den Schulen schwer fällt, von der Menschwerdung Gottes zu reden, von Jungfrauengeburt, „Überschattung“ durch den Heiligen Geist,  Auferstehung von den Toten,  leeres Grab, Himmelfahrt, Erlösung, ewiges Leben. Wer es dennoch versucht, erntet schon in den unteren Klassen oft nur Spott. So wird zumeist lieber Lebenskunde gelehrt, verbrämt mit ein bisschen Psychologie.

Was nun in der Wissenschaft gedacht wird, färbt auch auf das Leben ab. Die breite Masse lebt so, als ob es Gott nicht gäbe. Sie braucht Gott nicht mehr zum guten Leben, höchstens noch den Staat, der für Grundeinkommen und Pension sorgt. Nach einer Allensbach-Umfrage glauben in Westdeutschland nur noch 20 Prozent, in Ostdeutschland gar nur 8 Prozent sich für ihre Handlungen vor Gott verantworten zu müssen. „Es besteht“, so Benedikt XVI. in einer Ansprache zu Priestern des Aostatales im Sommer 2005, „offensichtlich kein Bedarf mehr an Gott und noch weniger an Christus“. „Die großen Kirchen stecken in einer abgrundtiefen Krise“, sie erscheinen „als etwas Veraltetes und ihre Angebote als unnötig“. „Die Leute scheinen uns nicht mehr zu brauchen“, es besteht „bei vielen Leuten der Eindruck, dass man ohne die Kirche leben könne – eben so, als ob es Gott nicht gäbe“. „Die westliche Welt scheint ihrer eigenen Kultur überdrüssig“, sie schafft sie ab und es ist nicht auszuschließen, dass in Europa „bald nur noch die Steine von Christus reden.“

Trotz dieser tristen und vom Heiligen Vater so rückhaltlos geschilderten Situation wurde gerade das Jahr 2005, in dem Papst Johannes Paul II. starb und Joseph Ratzinger als Benedikt XVI. sein Nachfolger wurde, zu einem Schlüsseljahr der geistigen Erneuerung Europas. Im ersten Halbjahr des Jahres 2005 wurden durch die genannten Päpste und einen Kardinal mit der Kritik an Aufklärung, Relativismus und Evolution, den Säulen modernen Denkens, drei entscheidende Schritte gesetzt, die in ihrer Bedeutsamkeit für Europas Selbstverständnis kaum zu überschätzen sind. Erst langsam, sehr langsam beginnen breitere gebildete Schichten sich mit dem eingefahrene Geleise verlassenden, geradezu umsturzartigen Geschehen vertraut zu machen und seine Konsequenzen für persönlichen Lebensstil, Gesellschaft und Politik zu ziehen.

Erstens: Die Neubewertung der „Aufklärung“.

An der ersten Stelle dieser Schritte ist die energische Zurückweisung der „Philosophie der Aufklärung“ und ihres kartesianischen Credos durch Johannes Paul II. kurz vor seinem Tode zu nennen. In seinem Buch „Erinnerung und Identität“ (Augsburg 2005) wird das „Cogito, ergo sum – ich denke, also bin ich“ des Descartes mit dem „Eritis sicut Deus – ihr werdet sein wie Gott“, in Zusammenhang gebracht. Durch die Aussage: „Weil ich denke, bin ich“, macht sich der Mensch zu seinem eigenen Schöpfer, einem  ens subsistens. Er sieht sich nicht mehr als ein Geschöpf Gottes und von Ihm abhängig, als ens non subsistens oder ens participatum. Im Gegenteil, Gott wird zu einem Geschöpf des Menschen, des menschlichen Bewusstseins, zu einer bloßen „Idee“. „Die Aufklärung stellt die Philosophie auf den Kopf“, sie besiegelt den Bruch mit Gott und wird dadurch zur Wurzel alles Bösen.

Sie brachte die neuzeitlichen Ideologien hervor, die uns das 20. Jahrhundert des Massenmords bescherten und in der legalen Vernichtung ungeborenen Lebens unter demokratischen Vorzeichen „noch heimtückischer und verhohlener“ weiter ihr Unwesen treiben. Das eben ist „das Drama des atheistischen Humanismus“: „Losgelöst von Gott wird der Mensch sich selbst und den Mitmenschen zum Ungeheuer“ (Johannes XXIII., Enzyklika Mater et magistra, n. 215). Er weiß das Gute vom Bösen nicht mehr zu unterscheiden und wird dadurch „der Sünde Knecht“ (Joh 8, 34). Seine Kultur wird zu einer „Kultur des Todes“ (Johannes Paul II., Evangelium vitae, n. 12), der Mensch zum Feind des Menschen – homo homini lupus est.

So schlüssig die Einsicht des Heiligen Vaters, die Aufklärung sei nicht, wie Immanuel Kant noch  meinte,  „der Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit“, sondern sie sei der Eingang in diese Unmündigkeit, so gehört diese Einsicht noch längst nicht zum Bildungsgut unserer Gesellschaft, geschweige denn zum Leitmotiv der Politik. Dabei wird heute von Vertretern der Geistesgeschichte kaum noch bestritten, dass die neuzeitliche „Aufklärung“ von Anfang an und bis heute als Projekt zu begreifen ist, welches die Loslösung oder „Emanzipation“ von Gott und schließlich von jeglicher Autorität, der kirchlichen, der staatlichen und der väterlichen Autorität unter Rekurs auf die einzelmenschliche Vernunft bezweckte.

Eindrücklich haben Max Horkheimer und Theodor W. Adorno in ihrer „Dialektik der Aufklärung“ die Folgen dieser Emanzipation beschrieben: Die Vernunft wurde „instrumentalisiert“, sie wurde zu einem Mittel der Ausbeutung des Menschen und der Zerstörung der Natur. Höchste Rationalität führte zu höchster Irrationalität, der Fortschritt vom Faustkeil zur Atombombe. Benedikt  XVI., der Nachfolger von Johannes Paul II., diagnostiziert in der neuzeitlichen Aufklärung „eine lebensgefährliche Erkrankung des menschlichen Geistes“, denn wo Gott geleugnet wird, wird die Freiheit ihres Grundes beraubt.

Die durch die „Aufklärung“ erfolgte Ausklammerung und Verpönung der metaphysischen Dimension hat, wie der Papst in seiner berühmt gewordenen Regensburger Rede 2006 ausführte, zu einer „Verkürzung“ des Denkens und zu pathologischen Erscheinungen auf ideologischem und, mit dem Fideismus, sogar auf religiösem Gebiete geführt. Wo die Vernunft so verengt wird, „dass ihr Fragen der Religion und des Ethos nicht mehr zugehören“, entstehen für den Menschen „gefährliche Pathologien der Religion und der Vernunft“.

Zweitens: Die Absage an den Relativismus

An zweiter Stelle ist die entschiedene Absage an den Relativismus durch Kardinal Joseph Ratzinger in seiner Ansprache zu den Kardinälen kurz vor seiner Wahl zum Papst zu nennen. Relativismus bedeutet Verneinung der Wahrheit, und „darin besteht die tiefste Krise unserer Zeit“. Durch den Relativismus werden die Menschen zum Spielball von Modeströmungen, die sie von einem Extrem zum anderen treiben.

„Vom Marxismus zum Liberalismus bis hin zum Libertinismus; vom Kollektivismus zum radikalen Individualismus; vom Atheismus bis zum vagen Mystizismus, vom Agnostizismus zum Synkretismus und so weiter“. Es gibt keine Ordnung ohne Wahrheit, und ohne Wahrheit und Ordnung auch keine Freiheit. Die „Diktatur des Relativismus“ führt aus innerer Logik  zu Anarchie und Tyrannei. „Wahrheit und Freiheit verbinden sich entweder miteinander, oder sie gehen miteinander zugrunde“.

Drittens: Die Fundmentalkritik am Evolutionismus

Noch am wenigsten begriffen und in ihrer Bedeutung gewürdigt ist die Fundamentalkritik am Evolutionismus oder Darwinismus. Dass mit dieser Kritik  die letzte Fluchtecke des dialektischen Materialismus ausgeräumt wurde, haben die Marxisten jeglicher Couleur noch kaum „realisiert“. Geschehen ist das mit einem wohl  in Absprache mit dem Vatikan verfassten Artikel von Kardinal Christoph Schönborn über „Finding Design in Nature“.

Der am 7. Juli 2005 in der New York Times veröffentlichte Beitrag stellt klar, dass die Erklärung der Entstehung der Welt oder des Lebens sowie die neo-darwinistische Annahme der Höherentwicklung von Lebewesen aus „Zufall“ und blinder Naturgesetzlichkeit, nichts mit Wissenschaft zu tun haben, sondern reine Ideologie sind.

In jeder Entwicklung von Daseinsformen ist ein Plan („Design“) zu finden, und dieser ist ohne die Annahme eines „Designers“ oder Schöpfers schon von der Logik her nicht denkbar. Aus einem Steinhaufen wird nun einmal ohne Baumeister und seinen Plan kein Haus. Die kritischen Stimmen zu Schönborns Ausführungen übersehen, dass die neo-darwinistische Evolutionstheorie durch die Genforschung und Molekularchemie längst falsifiziert ist. Für die Entstehung höherer Lebewesen aus niedrigeren ist die Verlängerung von Nukleinsäureketten (DNS) notwendig, deren Bausteine eine ganz bestimmte Reihenfolge aufweisen müssen. Das Zustandekommen der Reihenfolge durch ungeplante und ungesteuerte Variation ist auf Grund der Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung nicht möglich.

Daher kommt Bruno Vollmert, einer der führenden Markromolekularchemiker, dessen Bücher zu den in zahlreiche Sprachen übersetzten Standardwerken seines Fachs zählen, als Naturwissenschaftler zu dem Schluss: „Wie das Leben entstanden ist, wissen wir nicht; wir wissen nur, wie es nicht entstanden ist, nicht durch Selbstorganisation, nicht durch Mutation, nicht durch Selektion, nicht durch molekulare Zufallsereignisse, nicht spontan, nicht von selbst“. Die Evolutionstheorie hat kein naturwissenschaftliches Fundament!

„Das Leben bleibt ein unbegreifliches Geheimnis“, so auch der mit der „Medal of Science“ höchstausgezeichnete Pionier der Genforschung, Erwin Chargaff, dessen Name zusammen mit den nach ihm benannten „Chargaff-Regeln“ für die Anordnung der Basen in den Nukleotiden in jedem besseren Konversations-Lexikon zu finden ist. Für seine Kollegen, die, übrigens meist nach der produktiven Phase ihres Forscherlebens, sich bemüßigt fühlen, das Buch der Genesis umzuschreiben und Gott den Schöpfer aller belebten und unbelebten Dinge zu eliminieren, hatte er nur Hohn und Spott übrig. Chargaff und Vollmert erhalten Unterstützung von zahlreichen Naturwissenschaftern, die alle bei der Beurteilung der Evolutionslehre zu ebenso vernichtenden Ergebnissen kommen.

Hier ein paar Beispiele:  “Wir besitzen keine positiven Beweise für den anorganischen Ursprung des Lebens oder die tierische Abstammung des Menschen, ja, wenn wir pedantisch sind, nicht einmal für die Abstammungslehre selbst” (C. F. v. Weizsäcker). „Die Tatsache der Evolution ist das Rückgrat der Biologie, und die Biologie nimmt somit die merkwürdige Stellung ein, dass sie eine Wissenschaft ist, die auf eine unbewiesene Theorie gegründet ist” (L. Harrison Matthews). „Es liegt auf der Hand, dass die Bildung der Knochen (Anm.: für den ersten Fisch, der an Land `ging´), nicht eine, sondern eine ganze Explosion von Mutationen erforderte, die alle zu einem einzigen Zweck (!) koordiniert wurden – unglaublich (sic!), dass dies allein durch den Zufall geschehen sein sollte“ (G.R. Taylor).

Die Evolutionstheorie ist „sowohl in Beobachtung als auch in Experiment ohne Stütze” (A. Locker). Für Pascal Jordan beruht die Zufallstheorie der Neo-Evolutionisten auf „einem groben wissenschaftlichen Denkfehler”, dem jede Beweiskraft abgesprochen werden muss: Der statistische Zufall reicht als Erklärungsgrundlage für die vorhandene Fülle der Tier- und Pflanzenwelt nicht aus. „Dass die Evolution eine Abfolge von zufällig ausgelösten Mikroereignissen zu verdanken sei, dagegen spricht die Zeit und die Mathematik”, hält F. Jacob, einst einer der engsten Mitarbeiter von  Nobelpreisträger J. Monod („Zufall und Notwendigkeit”), fest.

„Nicht eines der Tausenden von Biomolekülen, auf die das Leben angewiesen ist, konnte durch natürliche Prozesse hier auf Erden zustande kommen” (F. Hoyle). „Auf Grund der experimentellen Ergebnisse der Artbildungsforschung muss die Evolutionslehre ganz aufgegeben werden” (H. Nilsson). Die Evolutionslehre „kann man wissenschaftlich nicht definieren, geschweige denn mit wissenschaftlicher Exaktheit beweisen” (W. R. Thompson).

Kein ernstzunehmender Naturforscher bestreitet heute, dass die Leistungsfähigkeit der „Evolutionsmechanismen“ (wie Mutation, Rekombination, Präadaption, Selektion, Gendrift, Gentransfer u.a.m.) auf den mikroevolutiven Bereich beschränkt ist und nur Variationen innerhalb von vorhandenen DNS-Strukturen und ihrem phänotypischen Erscheinungsbild ermöglicht, nicht aber die Entstehung von neuen Arten erklären kann. Nur noch Ignoranten und die politisch-korrekt im linken oder liberalen Milieu sozialisierten Lehrer an unseren Schulen weigern sich zu begreifen, dass mit dem Evolutionsaxiom  ein “Irrweg der Naturwissenschaft” (H. Kahle) eingeschlagen wurde.

Heute finden die Spitzen unter den Naturwissenschafter wieder zurück zu der schon in der Antike vorgetragenen Einsicht, dass sich in Entwicklung und Gestaltwandel der Lebewesen etwas „Geistiges“ ausdrückt, das von den Platonikern als „Idee“ und von den Aristotelikern als „Form“ bezeichnet wird und als „intelligent design“ für Aufregung unter den Gemütern sorgt, die in unserem postevolutionären und postmodernen Zeitalter noch nicht angekommen sind.

Endlich zurück zum „Gottesstaat“

Es ist überaus bemerkenswert, dass ausgerechnet drei Kirchenfürsten für die drei Riesenschritte sorgten, welche mit der Zurückweisung von Aufklärungsphilosophie, Relativismus und Evolutionismus  die geistige Erneuerung Europas auf den Weg gebracht haben. Aufmerksamen Beobachtern des Zeitgeschehens ist es nicht entgangen, dass damit „die Kirche aus ihrer Defensivposition herauskommen“ und die „intellektuelle Meinungsvorherrschaft wiedergewinnen“ will (Hans Rauscher im STANDARD vom 12.7.05). Wer anders als die Kirche könnte denn auch berufener sein, dem Ungeist sowohl der neo-positivistischen Spätaufklärung (Sir Karl R. Popper) wie der neomarxistischen „Frankfurter Schule“ Paroli zu bieten, die beide das politisch korrekte, geistige Klima in weiten Teilen Europas vergiftet haben.

Die These, wonach für das Überleben Europas seine Re-Evangelisierung unverzichtbar ist, gewinnt nunmehr auch unter führenden Staatsmännern zunehmend Anhänger. Die „Seele Europas“ (Jacques Delors) ist nun einmal das Christentum, und ohne ihre „Seele“ als geistiges Prinzip kann die europäische Kultur oder „Zivilisation“ sich nicht behaupten. Auch für sie nämlich gilt die Warnung des Psalmisten dass „zur Hölle fahren müssen die Frevler und Völker alle, die vergessen auf Gott“ (Ps 9, 18).

Der Autor lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Er war Mitglied der Europakommission der Österreichischen Bischofskonferenz.

Sein  jüngstes Buch „Der Sinn der Geschichte“ (Regin-Verlag, Kiel 2011) enthält ein viel kommentiertes Kapitel über „Popper und die Folgen“ und über die Gottvergessenheit Europas („Kein Gott in Europa“).

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Fekter – viel Frust und ein Funke Hoffnung drucken

Längst sind ORF-Pressestunden so langweilig geworden, dass sich nur noch wirkliche Fanatiker selbige antun. Das war auch bei Maria Fekters Auftritt trotz des trüb-regnerischen Tages der Fall. Sie löste erwartungsgemäß viel des erwartbar gewesenen Frustes aus. Sie verbreitete aber zugleich einen unerwarteten Funken Hoffnung. Und der sollte – auch wenn es eben nur ein Funke ist – in trostlosen Zeiten besonders aufgegriffen und beachtet werden.

Zuerst das Negative: Frustrierend bis peinlich ist, wenn die einstige Hoffnungsträgerin Fekter ins jüngste Sparpaket jede Menge Strukturreformen hineinphantasierte. Frustrierend ist auch, wie kühl sie ihre einstigen Versprechungen „Keine Steuererhöhungen“ weg-ignoriert und wie sie die gewaltige Menge an Steuer- und Abgabenerhöhungen samt Kürzungen ( nichts anderes ist ja die Reduktion des Realwertes) von Pensionen und Beamtenbezügen als positiv verkauft. Und völlig unverständlich ist, warum sie nicht zu sagen wagt: Mit diesem Koalitionspartner, mit der Gesinnung dieser Opposition, mit dieser Verfassung, diesen Bundesländern und diesen Gewerkschaften war nicht mehr möglich. Da sie all das nicht gesagt hat, wird sie zur voll verantwortlichen Mittäterin.

Der dennoch gezündete Funke Hoffnung bestand in ihrer neuen Zielvorgabe für eine Steuerreform: nämlich in einem Akzent zugunsten von Familien und Mittelschicht. Denn erstmals seit langem wagte da ein verantwortlicher Politiker ein Modell zumindest vorzuschlagen, bei dem die Familien des zuletzt ständig ausgepressten Mittelstands anstelle der seit vielen Jahren einseitig bevorzugten Unterschichten profitieren würden.

Fekter will nämlich den Unterhalt für Kinder steuerfrei stellen (ohne die zahllosen Direkttransfers wie Gratiskindergärten oder Familienbeihilfen infrage zustellen). Davon kann logischerweise nur jemand profitieren, der überhaupt Steuer zahlt.

Gewiss ist es mehr als zweifelhaft, ob dieser Gedanke in der Schuldenrepublik jemals finanzierbar werden wird. Und noch zweifelhafter ist, ob sich für Fekters Reform-Ideen jemals eine ausreichende Mehrheit finden lässt. Tobt doch seit Jahr und Tag eine heftige Schlacht zwischen Rot und Blau um die Sympathien der XYZ-Schicht leistungsabstinenter Sozialprofiteure (wobei Rot und Blau in diesem Sozialdemagogie-Wettlauf rätselhafterweise sowohl von Grün wie auch Orange wie auch Teilen des ÖAAB unterstützt wurden, obwohl die alle fast keine XYZ-Wähler vertreten).

Diese mittelstands- und familienfeindliche Schlacht bestimmt seit Jahren den politischen Diskurs. Sie schlug sich in den erstaunlichen Zuwächsen der Ausgleichszulagen nieder, die fast bei jeder Pensionserhöhung steiler waren als die Anpassungen der durch Beiträge zumindest zum Gutteil versicherungsmathematisch finanzierten Normalpensionen. Das schlug sich in der totalen Einkommensteuer-Befreiung von fast drei Millionen Menschen nieder. Das schlägt sich auch beim jüngsten Belastungspaket durch eine Vielfalt an nur den Mittelstand treffenden Maßnahmen nieder.

Aber immerhin hat Fekter zumindest verbal erstmals ein Prinzip wider diesen Zeitungeist als Ziel verkündet. Nehmen wir daher trotz aller Skepsis einmal an, sie könnte wenigstens diesmal ihre Pläne verwirklichen. Dann ginge der Reformweg im Gegensatz zum dominierenden Neosozialismus plötzlich in eine absolut richtige Richtung.

Gut für die Mittelschicht

Denn erstens wird damit an der gesellschaftlichen Schwelle zwischen der Schicht der Umverteilungsprofiteure und jener der ständig mehr ausgepressten Mittelschicht endlich einmal ein positives Signal in Richtung der Anstrengungswilligen gesetzt. Diesen gereichte es damit erstmals nicht zum Nachteil, dass sie an sich vor Wirksamwerden der Umverteilung natürlich mehr verdienen als hauptberufliche Couch Potatoes.

Gut fürs Kinderkriegen

Zweitens und noch wichtiger: Durch die Realisierung der Fekter-Ideen würde der Mittelschicht wieder mehr Mut zu Kindern gemacht. Das wäre ganz entscheidend. Zeigen uns doch seit Jahren die Statistiken, dass das Kinderkriegen zwar in der Unterschicht Normalität bleibt, während beispielsweise fast nur noch jede zweite Uni-Absolventin Mutter wird. Das hat gewiss auch viele andere Ursachen, etwa das veränderte Frauenbild der Mittelschichten, etwa die überaus langen Ausbildungszeiten in qualifizierten Karrieren, etwa die Gier der Wirtschaft auf die gut qualifizierten Frauen als Arbeitskräfte.

Trotz dieser kurzsichtigen Gier sind die wirtschaftlichen Konsequenzen der asymetrischen Geburtenfreudigkeit dramatisch negativ. Diesen Prozess hat Thilo Sarrazin ja schon in Hinblick auf das sehr ähnlich tickende Deutschland mit einer Fülle von Beweismaterial als einen Weg zum Dümmerwerden eines Landes beschrieben (den Rot-Grün im übrigen durch Gesamtschule und ihre leistungskonträre Universitätspolitik noch ständig zu beschleunigen versuchen).

Schlecht für Sozialmigranten

Drittens und in engem Zusammenhang mit dem vorigen Argument: Mit den Fekterschen Reformplänen würde die Zuwanderung von Sozialmigranten nach Österreich zumindest nicht noch zusätzlich gefördert. Das gilt freilich nur dann, wenn gleichzeitig die sozialen Direkttransfers trotz des linken Drängens auf noch mehr Wohlfahrt zumindest eingefroren werden. Derzeit kann ja eine vielköpfige Migrantenfamilie – auch ohne einen einzigen Berufstätigen – in Österreich im Kontrast zu ihren Herkunftsregionen in Afrika, Nahost oder Ostanatolien von den Sozialtransfers ganz gut leben.

Gut für die Gerechtigkeit

Viertens würde damit das vom Verfassungsgerichtshof immer wieder judizierte Gerechtigkeitsprinzip erstmals ernst genommen und nicht bloß minimalistisch realisiert. Denn der VfGH verlangt den familiären Sozialausgleich primär nicht zwischen Mittel- und Schlechtverdienern, sondern zwischen Menschen gleichen Arbeitseinkommens. Mit anderen Worten: Kinder dürfen laut Verfassung eigentlich keine sozialen Abstieg aus der bisherigen sozialen Positionierung einer Familie bedeuten.Was sie aber derzeit sehr wohl tun.

Gut für den Wirtschaftsstandort

Und fünftens: Damit wird zu den unglaublich mittelstands- und familienfeindlichen Vorstellungen der Achse des Bösen zwischen Arbeiterkammer und Industriellenvereinigung ein erfreulicher Gegenakzent gesetzt. Die seit zwei Jahren heftig nach links gerückte Industrie-Lobby vergisst ja gesellschaftspolitisch neuerdings leider das zentrale Prinzip total, das in erfolgreichen Unternehmen eigentlich hochgehalten werden sollte: nämlich die Wichtigkeit von Zukunftsinvestitionen.

Es gibt ja für die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Österreich gar keine wichtigeren Investitionen als Kinder, die von leistungs-, werte- und bildungsorientierten Eltern aufgezogen (und in dementsprechend ausgesuchten Schulen) erzogen werden. Der Wert dieser Kinder als künftige Leistungsträger, Forscher, Ingenieure, Kaufleute gerade für die Wirtschaft kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Und er kann niemals durch jene Zuwanderer kompensiert werden, die primär die Segnungen eines der komfortabelsten Wohlfahrtssysteme der Welt konsumieren wollen.

Sauerstoff für Fekters Funken

Dieser Fektersche Akzent ist zwar gewiss nur ein Hoffnungsfunke. Aber jeder Funke Vernunft und Gerechtigkeit und Zukunftsorientierung ist derzeit so wichtig und notwendig, dass ihm jede Menge Sauerstoff zugeblasen werden sollte, bevor er vom Wüstensand der sich gutmenschlich tarnenden Wohlfahrtsindustrie wieder erstickt wird.

 

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Wenn die Politik der Wähler überdrüssig wird drucken

Wahlen? Derzeit sinnlos. „Wahlen bedeuten heillose Versprechungen. Extreme Parteien von rechts und links würden gewinnen.“ Selten wurde der Demokratie eine so unverblümte Absage erteilt. Der Mann, der da Wahlen am liebsten abschaffen würde, heißt jedoch Hannes Swoboda, und er ist immerhin Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion im europäischen Parlament. Da läutet offenbar eine ganz gewichtige Stimme eine ganz neue Debatte über eine fundamentale Krise der Demokratie ein.

Der SPÖ-Mann Swoboda hat aus Anlass der bevorstehenden griechischen Wahlen gesprochen. Die Politiker, die dabei antreten, stehen derzeit allesamt unter internationalem Druck, massivste und unpopuläre Sparmaßnahmen zu beschließen. Sie sollen also jetzt all das wieder abschaffen, womit sie in den letzten Jahrzehnten die Stimmen der Wähler gekauft haben. Was die Politiker vor ein dramatisches Dilemma stellt. Denn in ein paar Wochen bekommen sie von den Wählern das nächste Zeugnis ausgestellt. Die Wähler aber zeigen derzeit einen Maximum an Hass auf die gesamte Politik. Kein Wunder, dass da bei den Volksvertretern Panik ausbricht.

Was einen eigentlich kalt lassen könnte. Schließlich ist die Demokratie für die Bürger, nicht die Politiker geschaffen worden.

Die Problematik geht jedoch weit über diese griechischen Wochen hinaus. Sie lässt immer häufiger die Frage aufkommen: Ist vielleicht gar die Demokratie als solche am Ende? Ist die historische Epoche des Triumphs der demokratischen über alle anderen Staatsformen schon im Abklingen? Sind die Politiker in ihrer Abhängigkeit von den oft sehr oberflächlichen und egoistischen Reflexen vieler Wähler so populistisch geworden, dass sie nicht mehr imstande oder willens sind, das Richtige und Notwendige zu tun? Sind dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – die Wähler der Politiker überdrüssig geworden?

Diese Fragen lassen sich zwar nicht letztgültig beantworten. Ihr skeptischer Kern hat aber jedenfalls viel für sich. Die Demokratie birgt ein unüberbrückbares Dilemma zwischen dem Erwünscht-Angenehmen und dem Unerwünscht-Notwendigen.

Dieses Dilemma hat etwa dazu geführt, dass von Italien bis Griechenland heute nicht mehr vom Volk direkt oder indirekt gewählte Politiker als Regierungschefs agieren, sondern parteilose Experten, die ohne Rücksicht auf Wähler und Wahltag handeln sollen und können.

Freilich müssen auch sie jede Gesetzesänderung am Ende vor die gewählten Volksvertretungen bringen. Die dortigen Abgeordneten sind derzeit aber nur unter massivstem Druck zu einer Zustimmung zu einschneidenden Spar- und Sanierungsmaßnahmen zu bewegen. Ein solcher Druck lässt sich jedoch naturgemäß nicht dauerhaft aufrechterhalten. Womit auch das griechisch-italienische Modell keine wirkliche Lösung des Demokratie-Dilemmas ist.

Dieses Dilemma beherrscht aber auch die österreichische Politik, wenngleich auf anderem Niveau. Da hat etwa der Wiener Bürgermeister Michael Häupl Wahlkämpfe als Zeiten konzentrierten Unsinns bezeichnet; was zwar richtig ist, aber eben nicht gerade von Respekt eines Volksvertreters vor dem demokratischen Souverän zeugt, wenn er die Zeiten des Dialogs zwischen Wähler und Gewähltem so zynisch sieht. Da hat die Regierung Gusenbauer-Molterer die Dauer einer Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre verlängert; man wollte nicht durch die Wähler beim Regieren gehindert werden.

Die „heillosen Versprechungen“, von denen Swoboda in Hinblick auf Griechenland spricht, die hat Österreich aber auch schon selbst erlebt. Am weitaus schlimmsten im September 2008, als das Parlament drei Tage vor der Wahl Milliarden zur Wählerbestechung beim Fenster hinausgeworfen hat. Milliarden, die dann später mit zur gegenwärtigen Krise samt Sparpaket geführt haben. Swoboda hat damals freilich keineswegs von „sinnlosen“ Wahlen gesprochen, war doch seine Partei die Hauptschuldige jener Aktion.

Alternativen zur Demokratie

Was aber sind langfristig die Folgen des Demokratie-Dilemmas? Es ist in der Tat nicht mehr absolut auszuschließen, dass viele heute demokratische Staaten in die Unregierbarkeit, in Chaos, in Gesetzlosigkeit versinken. Dass staatliche Strukturen nur noch in wenigen Bereichen funktionieren, dass statt dessen Kriminalität, Chaos und Faustrecht regieren. Während die Staaten immer noch mehr Gesetze beschließen, werden immer weniger Gesetze befolgt, und am Schluss gar keines mehr.

Eine andere, aber ebenfalls keineswegs erfreuliche Folge wäre der starke Mann, der unter vielerlei Versprechungen die Macht an sich reißt oder gar angedienert bekommt. Um sie erst wieder abzugeben, wenn er militärisch besiegt oder in einem revolutionären Kraftakt gestürzt würde. Ein solcher starker Mann war etwa Napoleon, der die blutigen Wirren der Französischen Revolution (die ja ursprünglich durchaus demokratisch-rechtsstaatlich begonnen hatte!) zur anfänglichen Erleichterung vieler Franzosen durch seine Machtergreifung beendete. Aber letztlich hat eben auch der einst so bejubelte Napoleon sein Land ins Elend gestürzt.

Ein erstaunlich erfolgreiches und schon lange funktionierendes Alternativmodell stellt die direkte Demokratie der Schweiz dar. Dort haben sich die Stimmbürger seit Jahrzehnten als viel verantwortungsbewusster denn die üblichen Machtträger der repräsentativen Demokratie erwiesen. Von der Landesverteidigung bis zur Schuldenfrage haben die Schweizer immer gezeigt, dass sie sich der Konsequenzen ihres Stimmverhaltens bewusst sind. Ihr Modell funktioniert – obwohl die direkte Demokratie immer als hemmungsloser Griff der Bürger in die Staatskasse attackiert wird.

Die Perspektiven dieser durchaus unterschiedlichen Alternativen wachsen jedenfalls. Das heißt aber noch nicht, dass die repräsentative Demokratie unwiderruflich am Ende ihres historischen Lebenszyklus angelangt sein muss. Aber sie braucht dasselbe wie die direkte Demokratie: ein hohes Ausmaß an Verantwortungsbewusstsein, sowohl der Wähler wie auch der Machthaber.

Dieses Bewusstsein wird jedoch von vielen Medien, Parteien und Gewerkschaften nicht gefördert, die statt dessen ständig Kurzsichtigkeit und Gruppenegoismus propagieren. Was vielen Bürgern aufs erste als die angenehmere Alternative gegenüber der sparsamen Strenge der schwäbischen Hausfrau erscheint. Obwohl sie – würde man nur ehrlich mit ihnen reden und ihnen nicht eine sozialutopische Fata Morgana vorgaukeln – an sich durchaus imstande sind, Notwendigkeiten zu begreifen.

Nationaler Grundkonsens ist entscheidend

Letztlich braucht jede funktionierende Gesellschaft einen grundlegenden Konsens zwischen Mächtigen und Bürgern: über die Notwendigkeiten des Zusammenlebens, über das Verhältnis von Rechten und Pflichten, über grundlegende Werte – altmodisch würde man sagen: über Moral – und auch über die volkswirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten. Es geht um den Wert der Familie, um Sparsamkeit, um die „Rule of law“, um die Treue gegenüber als durchwegs sinnvoll empfundenen Gesetzen (auch wenn einem kein Polizist über die Schultern blickt), um das Prinzip „Pacta sunt servanda“, um die Notwendigkeit von Leistung und Anstrengung, um gegenseitige Rücksicht und um die Wichtigkeit von Grundrechten, insbesondere Meinungsfreiheit, Menschenwürde, Eigentumsrechte und das Verbot von Willkür.

Wenn dieses Fundament funktioniert, dann funktioniert auch jedes politische System. Und die Demokratie tut das am besten. Dann muss auch ein Swoboda keine Wahlen mehr fürchten.

Die europäischen Völker haben aber anscheinend nach zwei Generationen eines so lange wie noch nie herrschenden Friedens und beständigen Wohlstandszuwachs viel von diesen Grundlagen verlernt. Und dann kann gar kein System mehr funktionieren.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Toleranz ist mehr als ein Kinder- und Geduldspiel drucken

Gabriel Marcel – J.-P. Satres Gegenspieler im Pariser Nachkriegsszenario für Existenzphilosophie, Metaphysik und Literatur –  verdanken wir eine unüberbietbar präzise Begriffsdefinition für dieses Grundwort: „Das Wesen der Toleranz ist eine aktive Anti-Intoleranz". Dieser Spruch mag sich vielleicht beim flüchtigen Zuhören als Wortspielerei anhören, bietet aber eine kräftige Aussage zur Diskussion.

Was es eigentlich heißt „tolerant: lateinisch: geduldig, ertragend, ausharrend, gelassen" zu sein, ist heute ebenso abgegriffen, vorsätzlich verstellt und bis zum Kern korrodiert („zernagt"), wie unsere gesamte politische Sprache. Der katholische Scharfdenker Marcel gibt der Toleranz in einer echt neusokratischen Manier eine unerwartete, dialektische Wendung. Ein Schlüsselwort zum wahren Humanismus aus griechisch-römischer und christlich-aufgeklärter Überlieferung, die niemals auf das Naturrecht verzichten können wird.

Die naturrechtliche Grund- und Existenzfrage ist dabei: Darf es in Opposition zur Sozialen Demokratie auch eine Bürgerlich-Liberal-Konservative Demokratie geben? Hans Kelsen war ein Steigbügelhalter für die Alt-Vorbilder aller Wiener Sozialisten: Nämlich für den in Ritterlichkeit wenig geübten Karli Marx und seine Kameraden wie die lange Liste von Friedrich Engels, Sigmund Freud, Otto Bauer, Karl Renner… zeigt.

Von langer Hand vorbereitet hat man das „Politisch Korrekte" der Sozialen Internationale in der EU von heute auf Biegen und Brechen bereits durchgesetzt. Auch mit pseudodemokratischer Intoleranz und antiliberaler Gewalt der Straße! Die perfekt inszenierte Verhetzung gegen den Ball des Wiener Korporationsringes in der Hofburg am 27. Januar ist nur ein seichtes Beispiel dafür, wie das Monopol der Sozialen Demokratie verwaltet wird. Es gibt aber auch schwerer wiegende Verleumdungen und mediale Hinrichtungen von Andersdenkenden.

Naturrecht und Reine Rechtslehre

Ganze Heerscharen von Politologen, Soziologen, Psychologen, Künstlern, Konjunkturwahrsagern, Hirnforschern, Journalisten und andere professionelle Meinungsmacher arbeiten in der EU daran, dass alle unsere traditionell geladenen Worte und Werte vergessen, umgedeutet oder zumindest lächerlich gemacht werden. In einer erstaunlich offenherzigen, man möchte beinahe sagen, fast schon undiplomatisch anmutenden Selbstbloßstellung hat der ORF die wunden Punkte aufgezählt, an denen sich die Rotgrünen Geister besonders sensibel bis zur Rage erregen können: Es handelt sich offenbar um christlich-traditionelle Werte und um das noch nicht erloschene Nationalgefühl der Magyaren  –  die Österreichern schon längst als uneuropäisch untersagt worden sind. Wörtlich wird es gescholten, dass

„Die neue Verfassung [von Ungarn] in der Präambel Verweise auf Gott und das Christentum [beinhaltet], das die Nation einen [könnte]. Kritiker werten das als diskriminierend für Atheisten und Gläubige anderer Religionen. Auch traditionelle Familienwerte werden in der Verfassung betont, wodurch Kritiker Benachteiligungen für Homosexuelle und Alleinerziehende befürchten. Abtreibungen könnten verboten werden, da die neue Verfassung vorschreibt, das Leben des Fötus sei vom Moment der Empfängnis an zu schützen." (Vgl. http://news.orf.at/stories/2053825/2053848/)

Was für ein moralischer Trümmerhaufen ist aus dem Europa der Vaterländer geworden, wo Homosexuelle, Alleinerzieher und Abtreiber dem natürlichen Modell der Familie vorgezogen werden? Denn an dieser Verfassung, vom Naturrecht aus gesehen, wäre nicht einmal das geringste Jota zu beanstanden! Im Gegenteil. Freilich den Rechtspositivisten haben die Ungarn damit keinen Gefallen erwiesen. Aber ist der Positivismus lediglich die Auffassung der Wiener Rechtsschule eines Professors namens Hans Kelsen (1881-1973) und die Meinung seines Auftragsgebers namens Karl Renner (1870-1950), der immer darauf bestand als vollblütiger Marxist zu gelten?

Warum sollte sich ein souveräner Nachbarstaat einer fremden Rechtsauffassung beugen, dessen Bürger immer noch christlich-traditionelle Prämissen politisch hochhalten und zur Geltung bringen wollen? Oder ist Kelsens moralfreier, reiner Positivismus vielleicht der Inbegriff „der Demokratie und aller Menschen- und Frauenrechte" schlechthin nach der Diktion des Wiener Bürgermeisters, der sich freilich bereits seiner dritten Ehe erfreut? Klar, das ist eine Privatangelegenheit, die niemanden etwas angeht, auch wenn sie öffentlich erwähnt wird.

Aber ebenso klar ist, wohin die allgemeine Kelsen'sche Moralverhütung Europa geführt hat. Bekanntlich hat er als Mastermind der sogenannten Reinen Rechtslehre auch jeden Begriff der Gerechtigkeit zur Leerformel erklärt: Welches Problem hat er damit für die Verfechter der sogenannten „Sozialen Gerechtigkeit" geschaffen?!  Bis dato hat noch niemand erklären können, was die Soziale Gerechtigkeit eigentlich sei.

Jedenfalls befinden wir uns auf dem Abhang eines aussterbenden Kontinents, der früher das Abendland hieß und die Wiege der Zivilisation war, solange seine Völker noch unter der Regierung des Naturrechts gedeihen durften. Das Naturrecht hat dem Faustrecht des Stärkeren Jahrhunderte lang (so gut wie möglich, freilich ohne Perfektion) standgehalten. Vor dem zwanzigsten Jahrhundert gab es zwar Kriege und Friedensverträge – aber keinen Ausrottungskrieg auf Weltmaßstab und keinen falschen Frieden zur Fortsetzung des vorhergehenden Krieges.

Das Allgemeine Natur- und Existenzrecht von Individuen, Gruppen und Nationen wurde ja bereits von den ersten Sokratikern bis zu den paläoliberalen, englischen Whigs beschworen. Heute wird es nur mehr von der Katholischen Kirche hochgehalten, denn die sogenannten Menschen- und Frauenrechtler verfahren selektiv: Der Anfang und das Ende des physischen Lebens wird der Manipulation anheimgestellt.

Mir linker Ideologie in den Untergang

Wie der konservativ-katholische Politiker und Historiker Plinio Correa de Oliveira (1908-1995) aus Sao Paulo nachgewiesen hat: Erst die Französischen und Russischen Revolutionäre haben das Rechtsverständnis der Alten Welt mit ihren Vor- und Nachteilen endgültig abgeschafft. Und dafür eine Vernichtungsindustrie installiert. Freilich, die National-Sozialen aus Deutschland und Deutschösterreich waren nach dem Frieden von Versailles (1919) nicht die ersten in dieser Zeit- und Rangordnung  – sondern erst die dritten nach den Franzosen und Russen. Sie blieben aber hinter ihren Konkurrenten an Grausamkeit nicht zurück.

Im Zeitalter der Internationalen Sozialen Demokratie sollte es endlich anders werden? Leider nicht aus ganzem Herzen. Heute kommen die Todfeinde nicht mehr unter die Guillotine oder in ein Vernichtungslager. Sie werden medial hingerichtet. Wie es aus der gegenwärtigen politisch-moralischen Dekadenz zu ersehen ist, ist es möglich bloß mit Rufmord und Lügen erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Lord John Maynard Keynes (1883-1946), seines Zeichens Erzvater aller Sozialen Schuldenmacher und Inflationäre, bestand darauf – wohl dem Österreicher Kelsen nicht unähnlich –, ein „Inmoralist" zu sein. Und sind heute nicht praktisch alle Europäischen Politiker (wenigstens Halb-) Kelsenianer und (Halb-) Keynesianer? So schlittern wir von Krise in Krisen. Moralisch und finanziell.

Der Perfektionismus der Politisch Korrekten, die anstelle von Kindern nur Schulden machen können, schafft schon alle Hürden. Aber nur um den Preis der "Rache der Natur". Homosexuelle, Alleinerzieher, Abtreiber und ihre Wortführer haben immer weniger Kinder und in geometrischer Progression immer weniger Enkel. Auch wenn ich diese Tatsachen ohne Diskriminierung und Wertung beobachte: Und die Welt freilich nicht politisch korrekt, sondern statistisch unbeirrbar sehe. Die Zahlen lügen weniger als die Politiker.

Der von den Perfektionisten eingeschlagene Weg führt somit konsequent zur Dezimierung des eigenen Bestandes. Etwas hellsichtigere Soziale Demokraten  – wie Thilo Sarrazin –  haben das ebenfalls eingeräumt. Freilich Sarrazin war und blieb ein treuer Sozialgesinnter seiner Partei, wenn auch etwas häretischer, ungehorsamer und realistischer als der Durchschnitt. Er ist weder ausgetreten noch ausgeschlossen worden. Rechtsphilosophische Argumente der Natur hat er vermutlich weder studiert noch ins Treffen geführt, aber die pragmatischen Konsequenzen ihrer Missachtung hat er doch wahrgenommen. Über Statistiken der Dekadenz ist es müßig zu diskutieren. Sie werden von Naturgesetzen exekutiert wie die Gravitation.

Die wahrhaft Intoleranten

In Zusammenfassung:

  1. Jedes keimende Leben hat das Natürliche Recht in einer intakten Familie aufzuwachsen. Alle physischen Väter und Mütter haben die natürliche Pflicht, ihren heranwachsenden Kindern von Anfang an beizustehen und für eine zivilisierte, allenfalls auch für eine christliche Erziehung zu sorgen. Staatliche Kindergärten und Schulen sind nur subsidiäre Behelfsmittel zu diesen Grundrechten und Grundpflichten: Was die kleinere (natürliche) Einheit zu leisten vermag, ist der größeren („sozialen") Einheit der Verstaatlichung vorzuziehen. Nicht umgekehrt!
  2. Nach J.-J. Rousseau's Sozial-Libertärer Vertragsrechtsauffassung (deren Schattenseiten seit der Französischen Revolution in ganz Europa grassieren) ist alles hemmungslos erlaubt, was mehrheitsfähig ist. Das Töten ungeborenen Lebens ist kein Mord mehr, sondern lediglich eine libertäre Option: Eine undramatische Wahlmöglichkeit der selbstherrlichen Menschen- und Frauenrechtler, denen das keimende Leben nicht mehr heilig ist.
  3. Ist es nicht merkwürdig, dass zum Rotgrünen Syndrom der Libertären Weltanschauung so kunterbunte Sachen gehören, wie einerseits eine groß angelegte Kampagne gegen die Konstitution eines souveränen, wenn gleich konservativen Nachbarlandes – und andererseits die Diskriminierung des Hofburgballes einer unverdächtigen akademischen Jugendgruppe, nur weil sie nicht der Linie der Österreichischen Hochschülerschaft und dem Dekalog der Sozialen Internationale folgt. Der kleinste gemeinsame Nenner für die Verbindung so unterschiedlicher Sachverhalte hat nur einen möglichen Namen: Intoleranz und Hass gegen Andersdenkende.

Die Marcel'sche Definition der Toleranz als Anti-Intoleranz lässt sich nun nach dieser illustrierten Einleitung sonnenklar erläutern. Toleranz bedeutet gewiss nicht Förderung für Gegner und Feinde aller Abstufungen. Toleranz schließt keinen (noch so scharfen) Wettbewerb von Werten und Zielen aus. Toleranz verneint aber sich selbst immer, wann und wo sie intolerant wird, wo sie mit allen Mitteln unfair für das Eigene kämpft, und das Existenzrecht der Anderen in Frage stellt.

An diesem Umschlagspunkt kulminieren „Natur- und Seinsrechte" in eine untrennbare Identität, die nur von totalitären Schächtern ignoriert werden kann. Jemanden totwünschen oder in der Tat auch totschlagen ist oft nur ein hauchdünner Unterschied. Einfacher ausgedrückt: Toleranz ist eine großmütige Ritterlichkeit nicht nur dem ritterlichen Gegner, sondern in extremen Grenzsituationen – christlich gesprochen – sogar dem Todfeind gegenüber.

Allem Anschein nach ist Toleranz eine uralte Tugend der Zivilisation, welche ohne das Naturrecht einfach unerträglich wird. Intoleranz dagegen war das Grundwort der Ideologen im zwanzigsten Jahrhundert. Damit wir wieder zivilisierter (d. h. bürgerlicher) werden, müssten wir vor allem alte Feindbilder (nicht unsere Feinde und Konkurrenten) begraben:

  • Junge Mitbürger noch im 21. Jahrhundert des „Faschismus" zu zeihen, ist gelinde gesagt nicht nur eine Dummheit, sondern vor allem ein Anachronismus. Außerhalb des traurigen Kontextes der italienischen Geschichte von anno dazumal entbehrt diese Brandmarke jeder sinnvollen Bedeutung.
  • Die historischen „Nazis" in Deutschland und Österreich möge man mit vollem Vor- und Nachnamen als „Sozialisten" benennen, denn das waren sie wirklich, mit aller Inbrunst und Begeisterung.
  • Und „Kriminelle" von heute mögen überführt und ihrer verdienten Strafe zugeführt werden. Überall und jederzeit. Aber die pauschale Faschismuskeule unentwegt zu schwingen, dürfte mit dem Verhetzungparagraphen auch schwer in Einklang zu bringen sein. Das Gedenken an die Befreiung der Konzentrationslager dürfte ebenfalls dafür Anlass sein, auch uns selbst vom Lagerdenken zu befreien.

Dipl.-Ing. Dr. Endre Bárdossy war Universitätsassistent im Institut für Wirtschaft, Politik und Recht an der Universität für Bodenkultur Wien, anschließend 23 Jahre lang o. Universitätsprofessor für Volks- und Betriebswirtschaftslehre in San Salvador de Jujuy bzw. Mendoza (Argentinien) an landwirtschaftlichen Fakultäten.

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