Warum sind Alfred Gusenbauer und Gabriel Lansky noch nicht aus der SPÖ ausgeschlossen worden? Warum sind die schon lange laufenden Erhebungen der Staatsanwaltschaft gegen Gabriel Lansky an geheimnisvollen Hindernissen steckengeblieben? Wie hängt das mit der guten Beziehung von Lansky und Teilen der Staatsanwaltschaft im Fall Kampusch zusammen? Warum braucht es den deutschen „Spiegel“, dass die schweren und demaskierenden Vorwürfe gegen die beiden Sozialdemokraten (sowie etliche deutsche Ex-Spitzenpolitiker wie Gerhard Schröder, Otto Schily und Horst Köhler) endlich an die Öffentlichkeit gekommen sind? Kann es wahr sein, dass der – mutmaßliche – Auftrag Lanskys, andere Rechtsanwälte und Strafverteidiger, darunter den späteren Justizminister Brandstetter, durch Detektive zu observieren, zur erlaubten Tätigkeit eines Rechtsanwalts gehört?
Gewiss, die Unterlagen, die der „Spiegel“ nun veröffentlichte, sind offensichtlich zuvor durch einen EDV-Mitarbeiter Lanskys entwendet worden. Dieser hat den EDV-Mann offensichtlich zu schlecht honoriert. Dabei hat Lansky selbst von Kasachstan – vermutlich über dessen Geheimdienst – für seine Dienste 14 Millionen Euro bekommen.
Diese Farce hinter dem Drama ändert aber nichts an dem Gewicht der „Spiegel“-Enthüllungen, die dieser sogar zu seiner Covergeschichte gemacht hat, also zum wichtigsten Thema. In Österreich aber tut sich bei SPÖ und Justiz weiterhin nichts.
Das Sittenbild ist für Österreich wie für Deutschland ein grauenhaftes: Expolitiker, die nicht gerade am Hungertuch nagen, die in ihrem Leben unzählige moralistisch-gutmenschliche Reden gehalten haben, prostituieren sich als Agenten für eine mittelasiatische Brutal-Diktatur. Ab 300.000 Euro sind sie dabei.
Wer kann da noch bei jungen Menschen irgendeine ethische Überzeugung oder den Glauben an irgendein Politikerwort erwarten? Wer zweifelt daran, dass künftig das Vertrauen in Politiker noch tief unter die jetzigen – schon katastrophalen – 26 Prozent sinken wird? Ist den Abkassierern und ihren völlig untätigen Parteien der verheerende Imageschaden nicht nur für die jeweilige Partei, sondern auch für die gesamte Demokratie noch immer nicht klar? Oder ist halt ohnedies jeder ab einer bestimmten Summe käuflich? Ist alles nur Lug und Schmäh?
Mit all diesen Fragen fühlt man sich jedenfalls nach einem Blick auf die unzähligen Mails und Briefe aus den Beständen der Lansky-Kanzlei konfrontiert, die jetzt an die Öffentlichkeit kommen. Schritt für Schritt. Da kommt sogar noch mehr.
Lansky hat es beim Verwischen seiner Spuren nicht einmal geholfen, dass er seine Daten in Luxemburg versteckt hat. Irgendwo gibt es halt immer ein schwaches Glied in einer Geheimorganisation. Und im IT-Zeitalter sind das fast immer EDV-Mitarbeiter, Sicherheitsleute und Systembetreuer, welche die Öffentlichkeit informieren. Früher waren es oft liebeshungrige Sekretärinnen oder homosexuelle Diplomaten.
Die Enthüllungen im „Spiegel“ haben jedenfalls für Österreich und Deutschland das gleiche Gewicht wie die von Wikileaks und Edward Snowden für die USA. Wobei man den aufgedeckten Geheimaktivitäten von NSA&Co ja noch zugute halten muss, dass sie vom Patriotismus für ihr eigenes Land, damit also für eine Demokratie motiviert sind. Während Gusenbauer, Lansky, Köhler & Co für eine eindeutige Diktatur gearbeitet haben (und zum Teil noch immer arbeiten!!). Aus bloßer Geldgier.
Alfred Gusenbauer war und ist zwar deutlich intelligenter als sein Nachfolger an der SPÖ-Spitze (übrigens auch als sein Vorgänger Viktor Klima). Aber bei ihm zeigt sich wie beim ähnlich hochbegabt und clever gewesenen Jörg Haider: Gerade die intelligentesten Menschen sind am gefährlichsten und abgefeimtesten, wenn sie keinerlei moralische Bindungen haben. Bei ihnen kann sich die Gier hemmungslos auswirken. Moralische, transzendente oder ideologische Fundamente sind bei den meisten Politikern heute ja nur noch tarnendes Gewäsch und Propaganda-Schmäh. Der letzte, für den Sozialdemokratie auch ein moralischer Imperativ gewesen ist, war wohl Franz Olah.
Auch bei christlichen Politikern ist eine echte und wirksame moralische Bindung durch den Glauben sehr selten geworden. So sind die deutschen CDU-Politiker De Maiziere (der Bruder des deutschen Innenministers) und Köhler jetzt ebenso demaskiert wie die Sozialdemokraten Schröder und Schily. Und die ÖVP hat mit dem Fall Strasser ein ganz besonders übles Exemplar eines Korruptionisten in ihren – ehemaligen – Reihen.
Die ÖVP kann zwar wenigstens darauf verweisen, dass bei den Herrn Schüssel und Spindelegger bei ihrer (nach-amtlichen) internationalen Tätigkeit bisher keine Spur einer persönlichen Kontaminierung wie bei den zuvor genannten Herren zu finden ist. Sie sollte aber verschweigen, dass ausgerechnet die beiden einst von den „Modernen“ und „Populisten“ in der Partei abgeschossen worden sind.
Spindelegger arbeitet heute zwar für die Ukraine. Die ist aber eindeutig ein anderer Fall als Kasachstan. Die Ukraine ist – trotz aller Lasten von Vergangenheit und Sezessionskriegen – heute ein Land mit einer demokratisch gewählten Führung und dem nachweislichen Versuch, rechtsstaatlicher zu werden. Es ist daher sicher weniger beschämend, für die Ukraine zu arbeiten als für Kasachstan, ein Land unter der Knute einer Cäsarenfamilie, ein Land, das aber dank Öl und Gas sehr reich ist und sich daher alle möglichen Lobbyisten, Agenten und Propagandisten kaufen kann.
Einen besonders ernüchternden Einblick in den Charakter der Kasachstan-Akteure gibt das Verhalten von Gerhard Schröder, nachdem er von den Masterminds Lansky und Gusenbauer angeworben worden war: Schröder schied dann verärgert wieder aus, als er erfuhr, dass Gusenbauer 400.000 Euro Honorar bekommt. Denn für Schröder waren „nur“ 300.000 vorgesehen. Es ist für einen deutschen Ex-Bundeskanzler offensichtlich nicht akzeptabel, weniger zu bekommen als ein österreichischer (auch wenn dieser als Chef der Lobbyisten-Gruppe für die Kasachen wohl deutlich mehr schmutzige Aufgaben zu erledigen hatte).
Auch der deutsche Exminister Schily war mit seinem Honorar unzufrieden. Das war nämlich von Lansky gekürzt worden, als Schilys Versuch gescheitert war, dem „Spiegel“ eine Anti-Aliyev-Story unterzujubeln. Das ist ein gutes Beispiel, was eigentlich die Aufgabe der Kasachstan-„Berater“ gewesen ist.
Besonders absurd ist Gusenbauers nunmehrige Rechtfertigung für seine Tätigkeit: Er habe zwar für Kasachstan lobbyiert, aber überhaupt nichts unternommen, um die Auslieferung oder Strafverfolgung gegen den Ex-Schwiegersohn des dortigen Diktators voranzutreiben. Dabei hat Gusenbauer den Lobby-Kreis sogar geleitet. Dabei ist völlig klar, dass der Kampf gegen Rakhat Aliyev das einzige Motiv Kasachstan gewesen ist, eine so teure Geheimaktion überhaupt zu starten und zu finanzieren. Denn (der inzwischen durch angeblichen Selbstmord in einem Wiener Gefängnis verstorbene) Aliyev galt als der gefährlichste Rivale für die Macht das Diktators.
Dass Außenminister Sebastian Kurz wenige Wochen nach Amtsantritt Gusenbauer in sein neu geschaffenes Beratergremium eingeladen hat, erweist sich jetzt als besonders peinlicher Anfängerfehler. Allerdings ist dieses Beratergremium allem Anschein nach - zum Glück für Kurz - bald wieder schubladisiert worden.
Demaskierend ist auch das dokumentierte Verhalten von Köhler: Er zeigt von Anfang an klar ein schlechtes Gewissen. Denn er tat alles Mögliche, um die Spuren des zu ihm fließenden Honorars zu verwischen. Was ja bei einer honorigen Tätigkeit nicht notwendig gewesen wäre.
Noch überhaupt nicht geklärt ist, ob auch nur einer der Herren die Kasachstan-Honorare auch ordentlich versteuert hat.
Am meisten belastet ist jedenfalls Lansky selber. So liegt jetzt ein Dokument vor, in dem Lansky den deutschen Rechtsanwalt Gauweiler (einen CSU-Abgeordneten!) in der Causa Aliyev auf den damaligen deutschen Justiz-Staatssekretär Stadler angesetzt hat. Stadler solle, so verlangte Lansky von Gauweiler wörtlich, im EU-Ausschuss für Innere Sicherheit (COSI) „die deutschen Vertreter in COSI dazu motivieren, Druck auf Österreich aufzubauen.“
Was Gauweiler daraufhin konkret getan hat, ist zwar – vorerst – nicht bekannt. Aber jedenfalls ist Lanskys anti-österreichisches Agieren im Ausland ziemlich skandalös für einen zugelassenen österreichischen Anwalt.
Noch schlimmer für ihn ist ein weiteres Dokument: Dabei geht es um die Überwachung einiger Menschen aus dem Umkreis Aliyevs durch eine Münchner Detektei. Lansky gibt zu, diese Überwachungen in Auftrag gegeben zu haben. Lediglich in zwei Fällen sei das „nicht einmal angedacht gewesen“: Das waren ausgerechnet die zwei für Aliyev tätigen österreichischen Strafverteidiger (Ainedter und Brandstetter). Dabei stehen deren Namen so wie die der anderen Überwachten in dem gleichen Brief der Detektei.
Es klingt mehr als unglaubwürdig, dass da die Münchner Detektive selbständig diese zwei Namen in den Brief an Lansky hineingeschmuggelt haben sollen, ohne dass dieser an deren Überwachung auch nur „gedacht“ hätte. Lanskys Dementi klingt freilich schon viel weniger merkwürdig, wenn man bedenkt, dass es für ihn katastrophale Folgen hätte, wenn ihm die Detektiv-Überwachung zweier Kollegen nachgewiesen wird . . .
Für manche mag es verständlich sein, dass SPÖ-Chef Faymann sich nicht um den fälligen Partei-Ausschluss solcher Genossen kümmert: Ist er doch lieber nach Griechenland gereist, um dort zu verkünden, dass die Griechen eh nicht so viel sparen sollen. Womit er zeigt: Während sein Vorgänger ein totales moralisches Defizit hat, hat Faymann selber ein totales intellektuelles Blackout.
Faymann – oder sein Hirn Ostermayer – sollten jedoch an eines denken: Der Fall Gusenbauer-Lansky und der Zustand der von ihm noch geleiteten Partei beginnt dramatisch der Causa Craxi zu ähneln. Das war der ehemalige Parteichef der italienischen Sozialisten. Das Bekanntwerden der massiven Korruption Craxis hat dann zum Totalzerfall der Sozialistischen Partei Italiens geführt.
Bisweilen wiederholt sich die Geschichte. Dieser Gedanke drängt sich vor allem dann auf, wenn man an das gleichzeitige Versagen der SPÖ in der Wirtschafts- und Sozialpolitik denkt, und an das noch größere angesichts der heranrollenden Völkerwanderung. Grün und Pink stehen schon als Auffangbecken für linke Wähler bereit.
PS.: Auch die italienischen Christdemokraten waren damals massiv in diese Affäre verwickelt. Die jahrzehntelange Ministerpräsidenten-Partei überlebte den Skandal ebenso wenig wie die Sozialisten. Nur eine (umgetaufte) Kleinpartei ist aus ihr hervorgegangen, die heute tief unten im einstelligen Wählerprozent-Bereich knapp an der Wahrnehmungsgrenze vegetiert.